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German Pages 693 [694] Year 2009
Funke/Müller
Handbuch zum Eventrecht
Handbuch
zum
Eventrecht von
ElmarFunke Rechtsanwalt Düsseldorf und
Günter Müller Rechtsanwalt Düsseldorf
3. Auflage 2009
oUs
\blag Dr.OttoSchmidt Köln
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek veiZei.chnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de
ISBN 978-3-504-40095-8 ©2.009 by Verlag Dr. Otto Sclunidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen nnd die Einspeicherung nnd Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig nnd umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck nnd Verarbeitung: Bercker, Kevelaer Printed in Gerrnany
Vorwort
„Events“ heißen heutzutage große Veranstaltungen bei denen Produkte vorgestellt oder verkauft werden sollen. Die großen Unternehmen und Konzerne setzen trotz weltweiter Finanzkrise weiterhin in verstärktem Maße auf Events und Incentives als Vehikel für ihre Werbebotschaften. Die Aufmerksamkeit von Entscheidern bei Messen, Tagungen, Kongressen oder Produktpräsentationen zu erregen, ist mit den Mitteln klassischer Werbung immer schwieriger geworden. Insider erwarten, dass der große Boom noch bevor steht. In gleichem Maße wie die Integrierung des Wortes „event“ in den deutschen Sprachgebrauch und die inflationäre Nutzung dieses Begriffes im Bereich Medien und Werbung zunimmt, verblüfft allerdings die Tatsache, dass in Bezug auf die mit der Planung und Durchführung einer Veranstaltung verbundenen rechtlichen Problematiken weiterhin Unsicherheit und/oder Unkenntnis besteht. „First in, last out“, dieses Motto der amerikanischen Militärspezialeinheit Navy S.E.A.L.S. gilt auch für den Eventmanager. Der Initiator oder Veranstalter eines Events muss im Vorfeld der geplanten Veranstaltung eine Vielzahl von rechtlichen Überlegungen zivil- und öffentlich-rechtlicher Art anstellen. Die Genehmigungsvorbehalte und rechtlichen Problemstellungen sind vielfältig und der Veranstalter ist mit der Durchführung und Koordination des Events oft überfordert. Diese dritte, komplett aktualisierte, überarbeitete und stark erweiterte Auflage des Ende 1999 erstmalig und 2003 in zweiter Auflage erschienenen Handbuchs soll dem Praktiker sowie dem im Veranstaltungsbereich tätigen Juristen einen Überblick über die sich bei der Planung, Organisation und Durchführung einer Veranstaltung stellenden Rechtsproblematiken geben. Diese Auflage berücksichtigt u.a. die Novelle der Musterversammlungsstättenverordnung, die Handelsrechtsreform vom 1. Januar 2007, die Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sowie zahlreiche Änderungen im Steuerrecht (Stand Ende Januar 2009). Bei der Wahl der Unternehmensform spielen für den Veranstalter organisatorische, wirtschaftliche, haftungsrechtliche und steuerliche Aspekte eine Rolle. In Teil A soll daher ein Überblick über die unterschiedlichen Unternehmensformen in Deutschland und deren Merkmale gegeben werden. Hier wurde die Limited neu aufgenommen. Die umfassende Novellierung des GmbH-Rechts im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) mit der neu eingeführten Unternehmergesellschaft wurde eingearbeitet. Teil B befasst sich mit dem Vertragsrecht. Hier werden Themen wie Vertragsanbahnung, Vertragsschluss, Stellvertretung, Verjährung etc. behandelt. Weiterhin werden die für den Veranstalter besonders interessanten Vertragsformen vorgestellt und erläutert. Als neue Vertragstypen wurden der Naming-RightVertrag, der Messebeteiligungsvertrag, Preferred-Partner-Vertrag und der KoV
Vorwort
operationsvertrag bzw. die Medienpartnerschaft aufgenommen. Außerdem werden Anwendungsbereich und Rechtscharakter von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Bedeutung von AGB im Veranstaltungsbereich beleuchtet. Dem Bereich des Reiserechts und der Incentives ist wegen seiner besonderen Bedeutung ein eigenes Kapitel (Teil C) gewidmet. Viele der großen und mittelgroßen Eventagenturen organisieren für ihre Kunden auch Incentive-Reisen. Es gibt spezialisierte Unternehmen, die ausschließlich Incentive-Reisen organisieren. Die Gewährleistungsrechte des Pauschalreiserechts werden vorgestellt und in Bezug auf die incentive-spezifischen Problemstellungen behandelt. Zur Abrundung werden einige Vertragstypen vorgestellt, die im Bereich des Reiserechts eine Rolle spielen und die EU-Richtlinie zum Reiserecht wird beleuchtet. In Teil D wird der Bereich des Handelsrechts behandelt, der insbesondere für den kaufmännischen Betrieb einer Eventagentur von Bedeutung ist. Die Unterschiede zwischen dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Handelsgesetzbuch werden aufgezeigt. Die Novelle des Handelsrechts aus dem Jahr 2007 wurde eingearbeitet. Teil E setzt sich mit den unterschiedlichen Genehmigungen, Erlaubnissen und Anmeldepflichten auseinander, die bei Planung eines Events im Vorfeld beachtet werden müssen. Dieser Teil wurde stark erweitert und mit aktuellster Rechtsprechung ergänzt. Die Änderung der Muster-Versammlungsstättenverordnung im Jahr 2005 wurde berücksichtigt. Neu hinein genommen wurden die Bereiche Personenbeförderung, Pokerveranstaltungen und Nichtraucherschutz. Des Weiteren werden die Einbindung von Sanitätsunternehmen und öffentlichen Verkehrsbetrieben, die Gewährleistung von Brandschutz sowie das Jugendschutzgesetz angesprochen. Teil F befasst sich mit den vielfältigen haftungs- und versicherungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einem Event. Die unterschiedlichen vertraglichen und deliktischen Haftungsgrundlagen, die Verkehrssicherungspflichten sowie die Haftung für Mitarbeiter und Beauftragte werden behandelt. Dieser Teil befasst sich auch mit der Frage, ob ein terroristischer Anschlag, wie der vom 11. September 2001 auf das World Trade Center, Auswirkungen auf Verträge außerhalb des Krisengebietes hat und wer das Kostenrisiko für eine Veranstaltungsabsage im Hinblick auf ein derartiges Ereignis trägt. Im Versicherungsteil wurden die Imageverlust- und Sponsorenausfallversicherung, die Umweltschadenversicherung und die Gewinn- und Preisgeldversicherung aufgenommen. In Teil G werden die Grundlagen des Arbeitsrechts unter Einschluss der eventspezifischen Besonderheiten dargestellt. Die für den Bereich von Veranstaltungen besonders relevante Problematik von Scheinselbständigen und arbeitnehmerähnlichen Selbständigen wird dargestellt. Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 wurde in die Betrachtung aufgenommen. In Teil H geht es um den Bereich Event und Medien. In diesem Kapitel werden Grundzüge des Urheber-, Wettbewerbs- und Medienrechts vermittelt. AußerVI
Vorwort
dem wird die im Veranstaltungsbereich allgegenwärtige GEMA-Gebührenpflicht behandelt. Das neue Telemediengesetz vom 1. Januar 2007 und die Novelle des Rundfunkstaatsvertrages wurde eingefügt. Außerdem wurden Ausführungen zum in der Praxis immer häufiger im Fokus stehenden Bereich von Fotound Videoaufnahmen von und während Events aufgenommen. Ein Formulierungsmuster für die Einholung einer Einverständniserklärung für derartige Aufnahmen wird gegeben. Teil I befasst sich mit dem Problemkreis „Umwelt und Event“. Eine Großveranstaltung birgt regelmäßig auch Gefahren für seine Umgebung. In diesem Kapitel soll daher auf die Risiken einer Veranstaltung für Mensch und Natur eingegangen werden. Außerdem wird die Nachbarschafts- und Anliegerproblematik behandelt. Das neue Umweltschadensgesetz von November 2007 wurde eingearbeitet. Teil J befasst sich mit den Grundlagen des Steuerrechts. Spezielle Problematiken im Event- und Incentive-Bereich werden beleuchtet. Aufgrund der Schnelllebigkeit des Steuerrechts wurden umfangreiche Änderungen vorgenommen. Wichtige Urteile im Bereich Ausländersteuer und Besteuerung von Incentives sind eingearbeitet worden. Abgerundet wird dieses Handbuch in Teil K durch die Darstellung von Grundzügen im Bereich Künstlersozialversicherung und deren Auswirkungen auf den Veranstalter. Alle Teile wurden aufgrund der zahlreichen Anfragen von Lesern durch Checklisten ergänzt, anhand derer sich der Praktiker einen schnellen Überblick über die rechtlichen Problemstellungen verschaffen und seine Planungen im Vorfeld einer Veranstaltung sinnvoll koordinieren kann. Des Weiteren werden in allen Kapiteln optisch hervorgehobene Praxistipps gegeben, die die Autoren durch ihren langjährigen Umgang mit der Materie als Rechtsanwälte, Dozenten und Autoren für besonders hilfreich erachten. Als Anhang werden die wichtigsten Entscheidungen der Gerichte im Bereich des Veranstaltungsrechts in kurzer Form zusammengefasst. Diese Entscheidungssammlung wurde im Verhältnis zur Vorauflage erneut stark erweitert. Zur Ergänzung des Incentive-Bereichs ist die Frankfurter Tabelle des OLG Frankfurt am Main abgedruckt, die einen Überblick über die Reisepreisminderungsmöglichkeiten bei Reisemängeln gibt. Außerdem finden Sie, wegen der hohen praktischen Relevanz dieses Gesetzes für den Bereich der Eventagenturen, den Gesetzestext der neuen Versammlungsstättenverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen und die Muster-Versammlungsstättenverordnung abgedruckt. Dieses Werk stellt den Stand der Gesetzgebung zum 31. Januar 2009 dar. Rechtsprechung und Literatur bis einschließlich November 2008 wurden eingearbeitet. Düsseldorf, im Februar 2009
Elmar Funke, Günter Müller VII
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis . . . Musterverzeichnis . . . Literaturverzeichnis . . Abkürzungsverzeichnis
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. V . XIII . XXIII . XXV . XXIX
Teil A Rechtsform der Eventagentur I. II. III. IV.
Einführung . . . . . . . . . . . Einzelunternehmen . . . . . . Gesellschaftsunternehmen . Steuerrechtliche Behandlung
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1 7 14 109
1 3 5 34
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118 119 187 201 335
37 37 50 56 119
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350 356 363 386 392 395 414 488 512 514 516
124 125 127 133 134 134 138 153 159 160 160
Teil B Event und Vertrag I. II. III. IV. V.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen des Vertragsrechts . . . . . Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . Vertragsarten . . . . . . . . . . . . . . . Durchsetzung vertraglicher Ansprüche
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Teil C Incentive und Reisevertrag I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . Der Reisevertrag und seine Parteien Pflichten des Veranstalters . . . . . Pflichten des Kunden . . . . . . . . . Rechtsfragen vor Reiseantritt . . . . Rechtsfragen nach Reiseantritt . . . Vertragstypen im Reisesektor . . . . Reiseversicherungsrecht . . . . . . . EU-Richtlinie über Pauschalreisen . Insolvenzversicherung . . . . . . . .
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IX
Inhaltsübersicht
Teil D Der kaufmännische Veranstalter I. II. III. IV. V. VI. VII.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich des Handelsrechts . . Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollmachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handelskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das kaufmännische Bestätigungsschreiben
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Rz.
Seite
525 534 546 554 561 571 576a
164 166 170 173 177 178 179
Teil E Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behördliche Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmeldungspflicht nach Versammlungsgesetz . . . . . . . Genehmigungen im Sportbereich . . . . . . . . . . . . . . . Einbindung von Sanitätsorganisationen, Polizei, Feuerwehr und öffentlichen Verkehrsbetrieben . . . . . . . . . . Jugendschutz bei Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . GEMA-Gebührenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religiöse und ethische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . Überlegungen zu einem einheitlichen Veranstaltungsgesetz
577 580 681 693
182 183 248 253
699 721 724 725 727
254 265 272 273 275
730 731 803
277 281 302
895 896 922 985
338 338 353 385
Teil F Haftung und Versicherungen I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Event und Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Event und Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Teil G Event und Arbeitsrecht I. II. III. IV.
X
Einführung . . . . . . . . . . . . Arbeitsrechtliche Begriffe . . . Allgemeines Arbeitsrecht . . . Eventspezifisches Arbeitsrecht
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Inhaltsübersicht
Teil H Event und Medien Rz.
Seite
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1014 1015 1052 1096
391 391 409 426
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Event und Naturschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Event und Nachbarschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1123 1125 1138
455 455 461
. . .
1159 1162 1181
471 472 474
. .
1455 1491
550 564
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Voraussetzungen des KSVG . . . . . . . . . . . . . . .
1497 1505
567 568
I. II. III. IV.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Event und Urheberrecht . . . . . . . . . . Event und Wettbewerbsrecht . . . . . . . Medienrechtliche Grundlagen bei Events
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Teil I Event und Umwelt
Teil J Event und Steuern I. II. III. IV.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffe und Einteilung der Steuerarten . . . . . Die einzelnen Steuerarten . . . . . . . . . . . . . Die ertrag- (einkommen- und körperschaft-) und steuerliche Behandlung von Incentives . . . . . V. Praktische Überlegungen . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . umsatz. . . . . . . . . .
Teil K Event und Künstlersozialversicherung
Anhang I. Rechtsprechung zum Veranstaltungsrecht/Verkehrssicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Frankfurter Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättV) . . Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
591 613 617 639 XI
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . Inhaltsübersicht . . . . Musterverzeichnis . . . Literaturverzeichnis . . Abkürzungsverzeichnis
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. V . IX . XXIII . XXV . XXIX
Teil A Rechtsform der Eventagentur I. II. III. 1.
2.
3.
4.
5.
6.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführung/Vertretung . . . . . . . . . . . . d) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die offene Handelsgesellschaft (oHG) . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführung/Vertretung . . . . . . . . . . . . d) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kommanditgesellschaft (KG) . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführung/Vertretung . . . . . . . . . . . . d) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführung/Vertretung . . . . . . . . . . . . d) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführung/Vertretung . . . . . . . . . . . . d) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aktiengesellschaft (AG) . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 7 14 25 25 27 29 31 33 33 36 39 41 43 43 46 47 48 52 52 56 62 64 68 68 70 72 73 75 75
1 3 5 7 7 8 10 10 11 11 12 12 13 13 13 14 14 14 15 15 16 25 25 26 26 26 27 27 28 28 XIII
Inhaltsverzeichnis
7.
8.
9.
IV.
b) Gründung . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführung/Vertretung d) Haftung . . . . . . . . . . . . . Der eingetragene Verein . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . b) Gründung . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführung/Vertretung d) Haftung . . . . . . . . . . . . . Partnerschaftsgesellschaft . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . b) Gründung . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführung/Vertretung d) Haftung . . . . . . . . . . . . . Die britische Limited . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . b) Gründung . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführung/Vertretung d) Haftung . . . . . . . . . . . . . Steuerrechtliche Behandlung . .
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77 81 83 85 85 86 93 97 100 100 103 105 106 108a 108a 108b 108d 108e 109
28 29 29 29 29 30 31 31 31 31 32 32 32 32 32 33 34 34 34
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118 119 119 142 150 168 179 182 187 201 203a 228 233 237 273 293c 294 312 327 331 334a
37 37 37 41 43 47 49 49 50 56 57 62 72 75 84 90 91 109 111 111 114
Teil B Event und Vertrag I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. III. IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. XIV
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen des Vertragsrechts . . . . . . . . Der Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . Die Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung eines Vertrages . . . . . . . . . . Anpassung und Beendigung von Verträgen . Verjährung von Ansprüchen . . . . . . . . . . Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . Vertragsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Konzert- oder Aufführungsvertrag . . . . Der Künstler- oder Engagementvertrag . . . . Der Management- oder Agenturvertrag . . . Der Zuschauer- oder Konzertbesuchervertrag Der Vermarktungs- oder Sponsoringvertrag . Der Naming-Right-Vertrag . . . . . . . . . . Der (Location-)Mietvertrag/Pachtvertrag . . . Der Leasingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . Der Kopplungsverkauf . . . . . . . . . . . . . Der Subunternehmervertrag . . . . . . . . . . Der Messebeteiligungsvertrag . . . . . . . . .
Inhaltsverzeichnis
12. 13. V. 1. 2.
Der Kooperationsvertrag/die Medienpartnerschaft Der Preferred Partnervertrag . . . . . . . . . . . . . Durchsetzung vertraglicher Ansprüche . . . . . . Außergerichtliche Kommunikation . . . . . . . . Gerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . a) Das gerichtliche Mahnverfahren . . . . . . . . b) Die Zivilklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einstweiliges Verfügungsverfahren . . . . . . .
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Seite
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334d 334e 335 336 337 338 342 345
116 117 119 119 119 119 121 122
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Reisevertrag und seine Parteien . . . . . . . . . Pflichten des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . Pflichten des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfragen vor Reiseantritt . . . . . . . . . . . . . Rücktritt vor Reisebeginn, § 651i BGB . . . . . . . . Kündigung wegen höherer Gewalt, § 651j BGB . . . Rechtsfragen nach Reiseantritt . . . . . . . . . . . . Abhilfe, § 651c Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . Selbstabhilfe, § 651c Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . Minderung, § 651d BGB . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung wegen Mangels, § 651e BGB . . . . . . . Schadensersatz wegen Nichterfüllung, § 651 f BGB Ausschlussfrist/Verjährung, § 651g BGB . . . . . . . Vertragstypen im Reisesektor . . . . . . . . . . . . . Der Reisevermittlungsvertrag . . . . . . . . . . . . . Beförderungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chartervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hotelverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beherbergungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hotelreservierungsvertrag . . . . . . . . . . . . . IX. Reiseversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . X. EU-Richtlinie über Pauschalreisen . . . . . . . . . . XI. Insolvenzversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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350 356 363 386 392 395 400 409 414 438 446 450 455 462 480 488 489 492 499 502 503 506 512 514 516
124 125 127 133 134 134 135 137 138 143 144 145 146 147 151 153 153 154 155 156 156 158 159 160 160
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich des Handelsrechts . . . . . . . . . . .
525 534
164 166
Teil C Incentive und Reisevertrag I. II. III. IV. V. VI. 1. 2. VII. 1. 2. 3. 4. 5. 6. VIII. 1. 2. 3. 4.
Teil D Der kaufmännische Veranstalter
XV
Inhaltsverzeichnis
III. IV. V. 1. 2. 3. VI. VII.
Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollmachten . . . . . . . . . . . . . . . . . Prokura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handlungsvollmacht . . . . . . . . . . . . . Angestellte in Laden oder Warenlager . . . Handelskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das kaufmännische Bestätigungsschreiben
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Rz.
Seite
546 554 561 561 563 570 571 576a
170 173 177 177 177 178 178 179
Teil E Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Behördliche Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Baurechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Versammlungsstättenverordnung . . . . . . . . . . . . . b) Aufstellen von Festzelten, Fahrgeschäften, Tribünen und Verkaufsständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewerbeordnung/Ladenschluss . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sondernutzungsgenehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . 5. Benutzung von Tongeräten/Sing-Spielgenehmigung . . . . 6. Schankerlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gesundheitszeugnis/Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sperrzeiten/Sonn- und Feiertage . . . . . . . . . . . . . . . 9. Feuerwerke/Feuerwerkskörper . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Glücks-/Gewinnspiele/Lotterien/Tombolen/PokerVeranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Sondernutzung Luftraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Shuttleservice/Personenbeförderung . . . . . . . . . . . . . 13. Nichtraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Anmeldung von Funkmikrofonen . . . . . . . . . . . . . . III. Anmeldungspflicht nach Versammlungsgesetz . . . . . . . IV. Genehmigungen im Sportbereich . . . . . . . . . . . . . . . 1. Genehmigung der Veranstaltung beim Landesfachverband 2. Genehmigung durch den Spitzenverband . . . . . . . . . . 3. Anforderung der Schieds- und Kampfrichter beim Schieds-/ Kampfrichterobmann des Landesfachverbandes . . . . . . . 4. Antrag auf Bezuschussung beim Landesfachverband . . . . V. Einbindung von Sanitätsorganisationen, Polizei, Feuerwehr und öffentlichen Verkehrsbetrieben . . . . . . . . . . VI. Jugendschutz bei Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . VII. GEMA-Gebührenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI
577 580 582 602
182 183 184 189
612 618 630 636 650 654 658 660 673
195 196 203 215 220 222 226 233 239
674 675 680a 680c 680e 681 693 695 696
239 244 246 247 248 248 253 253 254
697 698
254 254
699 721 724
254 265 272
Inhaltsverzeichnis
VIII. Religiöse und ethische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . IX. Überlegungen zu einem einheitlichen Veranstaltungsgesetz
Rz.
Seite
725 727
273 275
Teil F Haftung und Versicherungen I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Event und Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorvertragliche und vertragliche Haftung . . . . . . . a) Verschulden bei Vertragsschluss . . . . . . . . . . b) Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte . . . . . . . d) Veranstaltungsausfall (der 11. September 2001) . . 2. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Organhaftung und Event . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art und Umfang des Schadensersatzes . . . . . . . . . 5. Haftungsrechtliche Freizeichnungsklauseln . . . . . . 6. Strafrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . III. Event und Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Risk-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeines Versicherungsrecht . . . . . . . . . . . . 3. Versicherungsarten bei Veranstaltungen . . . . . . . . a) Veranstaltungs-Ausfall-Versicherung . . . . . . . . b) Veranstalter-Haftpflicht-Versicherung . . . . . . . c) Elektronik-Versicherung/Veranstaltungsgüterversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Shortfall-Guarantee-Versicherung . . . . . . . . . . e) Imageverlust- und Sponsorenausfall-Versicherung f) Umweltschadenversicherung . . . . . . . . . . . . g) Gewinnspiel- und Preisgeldversicherung . . . . . . h) Veranstaltungsrechtsschutzversicherung . . . . . . 4. Die Versicherung von Sportveranstaltungen . . . . . a) Sportunfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . b) Sport-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . c) Vertrauensschadenversicherung . . . . . . . . . . . d) Reisegepäckversicherung . . . . . . . . . . . . . . . e) Sport-Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . f) Sport-Rechtsschutzversicherung . . . . . . . . . .
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730 731 734 736 740 756 759 765 788 790 794 802 803 805 821 838 841 855
277 281 282 282 284 287 288 289 296 296 298 301 302 304 309 314 316 321
. . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . .
866 875 878a 878b 878f 878g 879 883 884 890 891 892 893
324 329 330 330 332 332 332 333 333 335 335 335 337
XVII
Inhaltsverzeichnis
Teil G Event und Arbeitsrecht I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. III. 1. 2. 3.
4.
IV.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsrechtliche Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Individualarbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kollektives Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günstigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz/Gleichbehandlungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitnehmerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verträge mit freien Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . b) Verträge mit Teilzeitmitarbeitern und Aushilfen . . . c) Verträge mit Vollzeitmitarbeitern . . . . . . . . . . . . Beendigung eines Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . a) Befristete Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . b) Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eventspezifisches Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
. . . . .
895 896 897 898 903
338 338 338 339 341
. . . . . . . . . . . . . . .
905 909 918 922 923 924 929 935 946 957 959 960 968 969 985
342 347 352 353 353 353 354 356 360 364 371 372 376 376 385
. 1014 . 1015 . 1016 . 1042 . 1051a . 1052 . 1054 . 1082 . 1092 . 1096 . 1098 . 1105
391 391 391 399 407 409 409 415 422 426 427 428
.
438
Teil H Event und Medien I. II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3. IV. 1. 2. 3. XVIII
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Event und Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . GEMA-Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die GVL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Event und Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz von Namen und Bezeichnungen . . . . . . . . . . Werbung und Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen von Wettbewerbsverstößen . . . . . . . . . . . . . Medienrechtliche Grundlagen bei Events . . . . . . . . . Presserechtliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . Rundfunk- und fernsehrechtliche Bestimmungen . . . . Zulässigkeit von Veranstaltungs-Sponsoring und Sonderwerbeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1118
Inhaltsverzeichnis
Teil I Event und Umwelt Rz.
Seite
1123 1125 1138
455 455 461
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1159 Begriffe und Einteilung der Steuerarten . . . . . . . . . . . 1162 Steuerliche Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1171 Steuerliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1180 Die einzelnen Steuerarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1181 Die Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1181 a) Sachliche Voraussetzungen der Besteuerung . . . . . . . 1182 b) Steuerfreie Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1190 c) Einkunftsermittlung (Gewinn und Überschuss) . . . . . 1194 aa) Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG . . . . . 1196 bb) Eventspezifische Besonderheiten . . . . . . . . . . . 1216 cc) Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG . . . . . 1226 dd) Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1233 d) Gesamtbetrag der Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . 1237 e) Ermittlung des Einkommens . . . . . . . . . . . . . . . 1238 f) Zu versteuerndes Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . 1244 g) Der Steuertarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1247 aa) Progressionsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 1249 bb) Steuerermäßigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1251 cc) Das Anrechnungsverfahren der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . 1256 dd) Die Ehegattenbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 1257 h) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1261 i) Die Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1264 aa) Geringfügig Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . 1283 bb) Kurzfristig Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . 1287 j) Beschränkt steuerpflichtige Künstler und Sportler . . . 1291 aa) Die Ausländersteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1291 (1) Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1295 (2) Bemessungsgrundlage der Ausländersteuer . . . 1295c (3) Konsequenzen des Staffelsteuersatzes . . . . . . 1295p (4) Staffelsteuersatz bei Nettovergütungen . . . . . 1296c (5) Hinweis zur Vertragsgestaltung . . . . . . . . . 1301
471 472 473 474 474 474 475 478 478 478 482 484
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Event und Naturschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Event und Nachbarschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Teil J Event und Steuern I. II. 1. 2. III. 1.
485 487 487 488 488 490 491 492 492 492 493 498 498 499 499 500 501 504 506 510 XIX
Inhaltsverzeichnis
2.
3. 4.
5.
6.
IV. 1. 2. 3. XX
bb) Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . cc) Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . k) Bauabzugsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Freistellungsbescheinigung . . . . . . . . . . . bb) Freigrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) 5 000 Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) 15 000 Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kleinvermieterprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anmeldung und Abführung der Steuer . . . . . . ee) Anrechnung und Erstattung der Steuer beim Bauunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Haftung des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . gg) Bußgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Die Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . m) Der Solidaritätszuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Tarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Anrechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Halbeinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . Die Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Allphasen-Nettoumsatzsteuer . . . . . . . . . . . b) Wesen der Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Besteuerung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . d) Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Veranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Eventspezifische Besonderheiten . . . . . . . . . . . . Die Rennwett- und Lotteriesteuer . . . . . . . . . . . . . a) Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befreiung von der Lotteriesteuer . . . . . . . . . . . . d) Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergnügungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steuergegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anmeldung, Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . Die ertrag- (einkommen- und körperschaft-) und umsatzsteuerliche Behandlung von Incentives . . . . . . . . . . Wesen der Incentive-Reise . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die einzelnen Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . Gemischt veranlasste Reisen (Incentive oder Tagungsund Kongressreise) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
. 1309 . 1310b . 1311 . 1312h . 1313 . 1313 . 1313a . 1314 . 1315
512 513 514 518 519 519 520 520 520
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1316 1318 1319 1320 1323 1325 1338 1341 1344 1349 1369 1374 1377 1379 1397 1404 1410 1412 1418 1427 1428 1432 1436 1443 1444 1446 1453 1454
520 521 521 521 522 522 525 525 526 527 531 532 532 534 537 538 539 540 543 545 545 546 547 548 548 548 549 550
. . .
1455 1456 1459
550 550 551
. 1484a
554
Inhaltsverzeichnis
4. Wert der Reise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wert der Zuwendung bei VIP-Logen . . . . . . . . . . 6. Nettolohnabrede oder Pauschalierung der Lohnsteuer Incentive-Reise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Praktische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . der . . . . . .
Rz.
Seite
1485 1486
559 560
1487 1491
561 564
1497 1505 1505 1507 1510
567 568 568 569 572
1511 1512 1516 1518 1519 1520 1520
573 573 575 575 575 575 575
1521
576
1522 1523 1524 1525
576 576 576 577
1526 1527 1528 1530
577 577 577 578
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1537
579
1539 1540 1555 1561
579 580 583 586
Teil K Event und Künstlersozialversicherung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Voraussetzungen des KSVG . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Kreis der Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Künstler und Publizist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbständige Künstler und Publizisten . . . . . . . . . . c) Erwerbsmäßige und nicht nur vorübergehende Ausübung der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das erforderliche Mindestarbeitseinkommen . . . . . . e) Beschäftigung von Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . f) Tätigkeit im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung . . . . . . 3. Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung . . . . . a) Versicherungsfreiheit gemäß § 5#KSVG . . . . . . . . . b) Befreiung von der Krankenversicherungspflicht auf Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beitragszuschuss der Künstlersozialversicherungskasse für Privatversicherte und freiwillig Versicherte . . . . . 4. Regelungen für Berufsanfänger . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein Mindestarbeitseinkommen in der Anlaufphase . . b) Zahlung eines Mindestbeitrages . . . . . . . . . . . . . . 5. Kündigungsrecht gegenüber privaten Krankenversicherungsunternehmen bei Eintritt in die Künstlersozialkasse . . . . 6. Beginn, Dauer und Ende der Versicherungspflicht . . . . . 7. Auskunfts- und Meldepflichten des Versicherten . . . . . . 8. Die Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Das Zusammentreffen unterschiedlicher Beschäftigungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Selbständige künstlerische und publizistische Tätigkeit und abhängige Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbständige künstlerische und publizistische Beschäftigung und anderweitige selbständige Beschäftigung . . 10. Die abgabepflichtigen Unternehmer . . . . . . . . . . . . . 11. Die Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe . . . . 12. Melde- und Abgabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
Inhaltsverzeichnis
13. 14. 15. 16.
Bußgeldvorschriften . . Erstattungsverfahren . . Die Künstlersozialkasse Verfahrensvorschriften .
. . . .
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Rz.
Seite
1568 1570 1571 1573
587 587 587 588
Anhang I. Rechtsprechung zum Veranstaltungsrecht/Verkehrssicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Frankfurter Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXII
591 613 617
639
Musterverzeichnis Rz.
M 1 M 2 M 3 M 4 M M M M M M M M M M M M M
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
M 18 M 19 M 20 M 21 M 22
Anmeldung des Einzelunternehmens eines Kaufmanns zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Vertrag über die Errichtung einer BGB-Gesellschaft . . . 28 Vertrag über die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Protokoll für die Gründung einer Mehrpersonengesellschaft mit bis zu drei Gesellschaftern . . . . . . . . . . . 61b Schriftliches Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Werkvertrag mit ausübendem Künstler . . . . . . . . . . 232 TV-/Fernsehklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232a Klausel zur Versicherung der Abdeckung von Risiken . . 298 Klausel zur Beweislage der Mangelfreiheit . . . . . . . . . 299 Vertragsklausel zur rechtzeitigen Genehmigung . . . . . 303 Vertragsklausel der Anzeige an die Ordnungsbehörde . . 304 Vertragsklausel zum Schutz Dritter . . . . . . . . . . . . 305 Vertragsklausel zur Verantwortung für Zuwege . . . . . . 306 Vertragsklausel zum Pflichtenkreis des Mieters . . . . . . 307 Vertragsklausel zum Zutritt . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Hotelreservierungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Anzeige zur Veranstaltung eines Volksfestes nach § 60b GewO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Anmeldungsformular einer Gemeinde für den Antrag auf Schankerlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 Anmeldungsformular einer Gemeinde für den Antrag auf Genehmigung einer Lotterie/Ausspielung/Tombola . . . 674b Fragebogen zur Veranstaltungsversicherung (hier: Fragebogen der Sporthilfe e.V.) . . . . . . . . . . . . 892 Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957 Einwilligung für Foto-/Videoaufnahmen . . . . . . . . . . 1122l
Seite
4 8 18 23 38 65 71 94 94 95 96 96 97 97 97 157 197 224 240 336 364 447
XXIII
Literaturverzeichnis
Arbeiter Samariter Bund, Sanitätsdienst bei Großveranstaltungen – Grundlagen zur Einsatzplanung, Köln 1998 Albert, Incentive- und Tagungsreisen, 1998 Alheit, Nachbarrecht von A–Z, 9. Auflage 2002 Ankermann, Über die Rechte des Konzertbesuchers bei Absage der bekannten Solistin, NJW 1997, 1135 Bäuchl/Blach, JahrBuch Event-Marketing 2002 Bahr, Glücks- und Gewinnspielrecht, 2005 Bartl, Reise- und Freizeitrecht, 2. Auflage 1991 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage 2001 Baumgartner, Versammlungsstätten und Geschäftshäuser, 4. Auflage 2001 Bidinger, Handbuch Reiserecht, Stand April 1994 Branahl, Medienrecht, 4. Auflage 2002 Brandmüller, Kommentar zum Künstlersozialversicherungsgesetz (Loseblatt), Stand 2001 Breucker, Sicherheitsmaßnahmen für die Fußballweltmeisterschaft 2006, NJW 2006, 1233 Buchholz, Ratgeber Freie – Kunst und Medien, 1998 Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Auflage 2008 Ensthaler/Zech, Verkehrsfähigkeit von Inhaberkarten nach § 807 BGB – Abtretungsverbote für Fußball-Bundesliga-Karten, NJW 2005, 3389 Fechner, Medienrecht, 9. Auflage 2008 Fellmer, Die Haftung bei Sportveranstaltungen, MDR 1995, 541 Fessmann, Theaterbesuchsvertrag oder wann krieg’ ich als Zuschauer mein Geld zurück, NJW 1983, 1164 Finke, Die Künstler und ihre Rente, 7. Auflage 1996 Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Band II: Bauordnungsrecht, Nachbarschutz, Rechtsschutz, 5. Auflage 2002 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, 2. Auflage 2007 Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Auflage 2007 Führich, Reiserecht, 5. Auflage 2005 Führich, Die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters, DB 1990, 1174 Gerling, Kurt, Kommentar zur MVStättV 2002, 2. Auflage 2002 Gounalakis, Rechte und Pflichten privater Konzertveranstalter gegenüber den Massenmedien, AfP 1992, 343 Gruber, Das Recht der Gastwirte und Hoteliers, 2. Auflage 2000 Güllemann, Veranstaltungsmanagement und Recht, 4. Auflage 2007 XXV
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XXVII
Abkürzungsverzeichnis
aA ABE
AbfallG ABl. EG AFG AfP AG AGB AGG AktG AO AP ArbG ArbGG ArbPlSchG ArbStättV ArbZG Art. ASB AÜG
anderer Ansicht Allgemeine Versicherungsbedingungen für die ElektronikVersicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen für die ElektronikBetriebsunterbrechungs-Versicherung Abfallgesetz Amtsblätter der EG Arbeitsförderungsgesetz Archiv für Presserecht Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitsstättenverordnung Arbeitszeitgesetz Artikel Arbeiter Samariter Bund Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
BAG BauGB BauNVO BauO NRW BauR BayVBl. BB BBiG BErzGG Beschl. BetrVG BeVO BfA BFH BGB BGBl. BGH BGHZ
Bundesarbeitsgericht Baugesetzbuch Baunutzungsverordnung Bauordnung NRW Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht Bayerische Verwaltungsblätter Der Betriebs-Berater Bundesbildungsgesetz Bundeserziehungsgeldgesetz Beschluss Betriebsverfassungsgesetz Verordnung über den Bau und Betrieb von Beherbergungsstätten Bundesanstalt für Arbeit Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
ABEBU
XXIX
Abkürzungsverzeichnis
BImSchG BImSchVO BNatSchG BNSG BRS BSeuchG BSG BSGE BStBl. BTT BUrlG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE
Bundesimmissionsschutzgesetz Bundesimmissionsschutzverordnung Bundesnaturschutzgesetz Bundesnichtraucherschutzgesetz Baurechtssammlung Bundesseuchengesetz Bundessozialgericht Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts Bundessteuerblatt Bühnentechniker mit künstlerischer Tätigkeit Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
DAR DB DBA Ddf DFB DFL DFS DGB DIN DLO DLV DOV DÖV DSB DTHG
Deutsches Autorecht Der Betrieb Doppelbesteuerungsabkommen Düsseldorf(er) Deutscher Fußballbund Deutsche Fußball Liga Deutsche Flugsicherung Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsches Institut für Normung Deutsche Leichtathletik-Ordnung Deutscher Leichtathletik-Verband Deutsche Orchestervereinigung Die öffentliche Verwaltung Deutscher Sportbund Deutsche Theatertechnische Gesellschaft e.V.
EAA EFSA EGBGB EHUG ElGVG EStG EU EuGH
European Athletic Association Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof
FeiertagsG FIFA FIS FStrG
Feiertagsgesetz Fédération Internationale de Football Association Federation Internationale de Ski Bundesfernstraßengesetz
XXX
Abkürzungsverzeichnis
GastG GastV GbR gem. GEMA
GuV GVL GWB GWFF
Gaststättengesetz Gaststättenverordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Gebrauchsmustergesetz Geschmacksmustergesetz Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz Glückspiel-Staatsvertrag Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gemeindeordnung NRW Gesellschaftsrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesellschaft zur Übernahme und Wahrnehmung von Filmaufführungsrechten Gewinn- und Verlust Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten
HessNatSchG HGB HO HR HRefG HRR
Hessisches Naturschutzgesetz Handelsgesetzbuch Hausordnung Handelsrecht Handelsrechtsreformgesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung
IAAF idR IfSG IG iS InfoVO IOC ISP IuKDG
International Amateur Athletic Federation in der Regel Infektionsschutzgesetz Industriegewerkschaft im Sinne Infoverordnung Internationales olympisches Komitee Internet Service Provider Regelungen des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes
JArbSchG JSG
Jugendarbeitsschutzgesetz Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte Juristische Schulung Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit Jugendschutzgesetz
GebrMG GeschmMG GewA GewO GG GlüStV GmbHG GO GR GRUR GÜFA
JuS JÖSchG JuSchG
XXXI
Abkürzungsverzeichnis
KAGG KG KSchG KStG KSVG KTW KUG
Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kommanditgesellschaft oder in Fußnote Kammergericht Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuergesetz Künstlersozialversicherungsgesetz Krankentransportwagen Kunsturhebergesetz
LadSchlG LAG LAI
LMBG LfM LfR LMG LRG LSB LSchVO LSozG LStDV LStR Ltd LuftVG
Ladenschlussgesetz Landesarbeitsgericht Hinweise des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitlärm verursachten Geräusche Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht Landesimmissionsschutzgesetz Landes- und Kommunalverwaltung Lindenmaier/Möhring, Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz Landesanstalt für Medien NW Landesanstalt für Rundfunk Landesmediengesetz Landesrundfunkgesetz Landessportbund Landschaftsschutzverordnung Landessozialgericht Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Lohnsteuerrichtlinien Limited Luftverkehrsgesetz
MA MarkenG MDR MPU MStV MuSchG MVStättVO
Musterabkommen Markengesetz Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinisch-Psychologische Untersuchung Medienstaatsvertrag Mutterschutzgesetz Muster-Versammlungsstättenverordnung
NAW NachwG NdsRpfl NEF NJW NJW-RR
Notarztwagen Nachweisgesetz Niedersächsischer Rechtspfleger Notarzteinsatzfahrzeug Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-RechtsprechungsReport
LFGB LG LImSchG LKV LM
XXXII
Abkürzungsverzeichnis
NRW/NW NSG NStZ NV NVwZ NVwZ-RR NZA NZV
Nordrhein-Westfalen Nichtraucherschutzgesetz Neue Zeitschrift für Strafrecht Normalverträge Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht RechtsprechungsReport Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht
OECD oHG OLG OLGR OLGZ OVG OWiG
Organisation for economic corporation and development offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht OLG-Report Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PA PAngV PartGG PatG PML
Power Amplifier (Leistungsendverstärker) Preisangabenverordnung Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Patentgesetz probable maximum loss (Höchstschaden)
RdA RennwLottG RfStV RG RGSt RGZ RH RiL RS RTW Rz.
Recht der Arbeit Rennwett- und Lotteriegesetz Rundfunkstaatsvertrag Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rettungshelfer EU-Richtlinie Rettungssanitäter Rettungswagen Randziffer
S. SGB SolZ SolZG SozG SozR SpuRt StGB StrWG StVG
Seite Sozialgesetzbuch Solidaritätszusschlag Solidaritätszusschlagsgesetz Sozialgericht Sozialrecht Zeitschrift für Sport und Recht Strafgesetzbuch Straßen- und Wegegesetz (NRW) Straßenverkehrsgesetz XXXIII
Abkürzungsverzeichnis
StVO StVZO
Straßenverkehrsordnung Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung
TA-Lärm TFaVO ThürVBl. TMG TVG TVK TVM TzBfG
Technische Anleitung Lärm Verordnung über technische Fachkräfte Thüringer Verwaltungsblätter Telemediengesetz Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag Kulturorchester Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht Teilzeit- und Befristungsgesetz
UEFA UHV UmweltHG UPR UrhG Urt. USchadG UStDV UStG USV UWG
Union Européenne de Football Association Umwelthaftpflichtversicherung Umwelthaftungsgesetz Umwelt- und Planungsrecht Urhebergesetz Urteil Umweltschadengesetz Umsatzsteuerdurchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umweltschadenversicherung Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
v. VBl. BW VDE VDI VDZ ver. di VergStG VersG VersR VFF VfV VoIP VG VGH VGWM VRS VStättR VStättVO VuR VVG VwGO VwVfG VwVG
vom Verwaltungsblätter Baden-Württemberg Verband deutscher Elektrotechniker Verein Deutscher Ingenieure Verband Deutscher Zeitungsverleger Deutsche Angestelltengewerkschaft Vergnügungssteuergesetz Versammlungsgesetz Versicherungsrecht Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik Voice over Internet Protocol Verwaltungsgericht oder Verwertungsgesellschaft Verwaltungsgerichtshof Verwertungsgesellschaft Werbung und Musik Verkehrsrechts-Sammlung Versammlungsstättenrichtlinie Versammlungsstättenverordnung NW Verbraucher und Recht Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsvollstreckungsgesetz
XXXIV
Abkürzungsverzeichnis
WahrnG WuW/E
Urheberrechtswahrnehmungsgesetz Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungssammlung zum Kartellrecht
zB ZfS ZGS ZPO ZPÜ ZUM
zum Beispiel Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Zivilprozessordnung Zentralstelle für private Überspielungsrechte Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht/Film und Recht
XXXV
Teil A Rechtsform der Eventagentur Beispiel Herr I. Wendt hat das Studium erfolgreich abgeschlossen. Trotz ordentlicher Noten bezweifelt er, dass er auf dem gegenwärtigen Arbeitsmarkt eine Anstellung finden wird, die seinen Vorstellungen insbesondere in Bezug auf selbstständige verantwortungsvolle Arbeit entsprechen würde. Deshalb beschließt er, sein eigener Chef zu werden. Ihm schwebt die Gründung einer kleinen Eventagentur vor. Nunmehr stellt er sich die Frage, welche Rechtsform für die von ihm geplante Eventagentur gewählt werden soll. Welche Kriterien sollte Herr I. Wendt für seine Entscheidung heranziehen?
I. Einführung Herr I. Wendt muss verschiedene Überlegungen anstellen. Will er ein Einzelunternehmen gründen oder mit einem oder mehreren Partnern eine der durch die deutschen Gesetze zur Auswahl gestellten Gesellschaftsformen wählen? Wie viel Kapital kann er für das Stammkapital aufbringen? Welches Haftungsrisiko ist er bereit zu tragen? Mit welcher Unternehmensform lassen sich die angestrebten Ziele am ehesten erreichen?
1
Für die Entscheidung müssen somit unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden.
2
Der Veranstalter sollte dabei insbesondere – organisationsrechtliche Erwägungen, – steuerrechtliche Erwägungen, – haftungsrechtliche Erwägungen, – betriebswirtschaftliche Erwägungen, – bilanzrechtliche Erwägungen, – Kapitalmarkterwägungen (Börsenfähigkeit), – Marketingerwägungen (Image der Rechtsform), ins Kalkül ziehen.1 Eine Eventagentur kann in jeder der später vorgestellten Gesellschaftsformen oder als Einzelunternehmen betrieben werden. Ein Blick in das im IST-Verlag erschienene Verzeichnis der deutschen Eventagenturen veranschaulicht die Vielfalt der Betriebsformen.2
3
Viele der im deutschen Gesellschaftsrecht existierenden Gesellschaftstypen sind universell verwendbar. Hierzu gehören die GmbH und die AG. Auch die
4
1 Vgl. dazu Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II 2b. 2 Siehe [i’vent] Event-Agenturen in Deutschland 2003, IST-Verlag Januar 2003.
1
Teil A
Rechtsform der Eventagentur
Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist ihrem Grundsatz nach für alle Bereiche verwendbar. Sie darf allerdings nicht auf das Betreiben eines kaufmännischen Handelsgewerbes gerichtet sein. Für gewisse Bereiche gelten Rechtsformbeschränkungen. So dürfen beispielsweise Versicherungen nur als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit oder in Form der AG betrieben werden. Kapitalanlagegesellschaften müssen gemäß § 1 Abs. 3 Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) als AG oder GmbH betrieben werden.3 5
Die nachfolgende Übersicht soll die wichtigsten deutschen Gesellschaftstypen in Bezug auf verschiedene Merkmale noch einmal vergleichend gegenüberstellen. Abb. 1: Deutsche Gesellschaftstypen GbR
oHG
KG
GmbH/UG AG
e.V.
juristische Person
nein
Zwischenstufe zur jur. Person
Zwischenstufe zur jur. Person
ja, § 13 GmbHG
ja, § 21 BGB
Gesellschaftstyp
Personen- Personen- Personen- KapitalKapitalKapitalgesellschaft gesellschaft gesellschaft gesellschaft gesellschaft gesellschaft
Gesellschaftsvertrag
formlos möglich
Mindest- Person der inhalt Gesellschafter gemeinsamer Zweck Festlegung der Gesellschafterpflichten zur Zweckförderung (Beiträge)
formlos möglich
formlos möglich
notarielle Form, § 2 GmbHG Erleichterungen bei der UG-Variante durch Musterprotokolle
notariell beurkundete Satzung, § 23 AktG
formlos möglich, Vereinssatzung, § 25 BGB faktisch allerdings Schriftform erforderlich
Person der Gesellschafter gemeinsamer Zweck = Betrieb eines Handelsgewerbes Festlegung der Gesellschafterpflichten zur Zweckförderung (Beiträge)
Person der Gesellschafter gemeinsamer Zweck = Betrieb eines Handelsgewerbes Festlegung der Gesellschafterpflichten zur Zweckförderung (Beiträge)
Firma und Sitz Gegenstand des Unternehmens Betrag des Stammkapitals Betrag der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage
Firma und Sitz Gegenstand des Unternehmens Betrag des Grundkapitals Nennbeträge der Aktien Form der Bekanntmachungen
Name und Sitz Vereinszweck Vorstand
3 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II 2a.
2
ja, § 1 AktG
Teil A
II. Einzelunternehmen oHG
KG
GmbH/UG AG
e.V.
Mindest- 2 mitgliederzahl
GbR
2
2
1
1
7 (bei Gründung)
Vertretung
grds. gemeinschaftliche Geschäftsführung durch alle Gesellschafter, §§ 714, 715 iVm. 164 BGB
grds. organschaftliche Vertretung durch alle Gesellschafter, §§ 125 ff. HGB
organschaftliche Vertretung durch Komplementäre, §§ 125 ff., 161 Abs. 2 HGB
Geschäftsführer, §§ 35 ff. GmbHG
Vorstand, §§ 78 ff. AktG
Vorstand, § 26 BGB besondere Vertreter, § 30 BGB
Haftung Gesellschafter haften mit Gesellschaftsund Privatvermögen
Gesellschafter haften mit Gesellschaftsund Privatvermögen
Komplementäre = persönlich voll haftend, §§ 128, 161 Abs. 2 HGB Kommanditisten = grds. nur beschränkt haftend, §§ 171, 172, 174 HGB
Beschränkte Haftung mit dem Gesellschaftsvermögen Stammkapital mindestens 25 000 Euro Bei der UGVariante mindestens 1 Euro Keine Haftung der einzelnen Gesellschafter
Beschränkte Haftung mit dem Gesellschaftsvermögen Grundkapital mindestens 50 000 Euro Keine Haftung der einzelnen Gesellschafter
Haftung mit dem Vereinsvermögen Verein haftet für seine Organe, § 31 BGB
Nach der Orientierung darüber, welche Rechtsformen nach dem Gesetz für das geplante Unternehmen zur Verfügung stehen, müssen die Vor- und Nachteile der einzelnen Betriebsformen gegeneinander abgewogen werden. Dazu werden die einzelnen Betriebsformen in ihren Grundzügen vorgestellt, wobei besonderes Gewicht auf die Gründung und die haftungsrechtlichen Besonderheiten gelegt wird.
6
II. Einzelunternehmen Die einfachste und wohl auch gängigste Unternehmensform ist die Einzelunternehmung. Ihre Gründung ist einfach, da sie an keine bestimmte Form gebunden ist. Das Unternehmen darf auch nicht mit der Firma verwechselt werden. Die 3
7
Teil A
Rechtsform der Eventagentur
Firma ist der Name, unter dem der Kaufmann seine Geschäfte betreibt (§ 17 Abs. 1 HGB).4 8
Die Einzelunternehmung wird vom Unternehmer allein geführt, dh. er allein trägt auch die Verantwortung gegenüber Mitarbeitern, Kunden etc. Natürlich kann und sollte er Aufgaben an seine Mitarbeiter delegieren, was durch die Erteilung von Vollmachten erfolgt. Der Einzelunternehmer haftet idR allein für alle Schulden und zwar unbegrenzt. Er haftet daher neben dem Vermögen des Unternehmens auch mit seinem Privatvermögen.5
9
Zur Finanzierung seines Unternehmens muss das Kapital allein durch den Einzelunternehmer aufgebracht werden. Dies birgt je nach Größe des Unternehmens ein hohes finanzielles Risiko. Allerdings steht dem Einzelunternehmer der gesamte erzielte Gewinn zu. Beispiel Herr I. Wendt ist aufgrund sinkender Geschäftsabschlüsse und steigender Konkurrenz in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die erforderlichen Werbemaßnahmen und Modernisierungen kosten Geld. Als potentieller Wohltäter findet sich ein Onkel, der sich zwar beteiligen möchte, aber auf keinen Fall öffentlich als Gesellschafter des Unternehmens in Erscheinung treten will. Was kann I. Wendt mit seinem Onkel vereinbaren?
Im Bereich der Einzelunternehmung besteht die Möglichkeit, einen Außenstehenden in „stiller“ Form zu beteiligen, dh. die Form der Einzelunternehmung bleibt zwar bestehen, die Finanzierungsmittel werden aber zusätzlich durch den Außenstehenden aufgestockt, ohne dass dieser in Erscheinung tritt. Man spricht in einem solchen Fall von einer sog. stillen Gesellschaft, §§ 230 ff. HGB.
10
u
M1
11
Anmeldung des Einzelunternehmens eines Kaufmanns zum Handelsregister
An das Amtsgericht – Registergericht – Eventstadt Zur Eintragung in das Handelsregister melde ich an: Ich betreibe mit Sitz in Eventstadt ein Cateringunternehmen unter der Firma Lobster-Lobby. Ich zeichne die Firma wie folgt (handschriftlich: Firma) Die Firma hat noch keinen Einheitswert des Betriebsvermögens.
4 Siehe dazu auch Rz. 554 ff. 5 Schmidt, Handelsrecht, § 5 IV 1a.
4
Teil A
III. Gesellschaftsunternehmen
Das gegenwärtige Betriebsvermögen hat einen Wert von 75 000 Euro. Geschäftsadresse ist Eventstadt, Lucullusstraße Nr. 45. Ort, Datum
Unterschrift
Beglaubigung Vorstehende Firmenzeichnung und Unterschrift wurden heute vor mir vollzogen von der durch Lichtbildausweis ausgewiesenen Frau Kate Ehring, Kauffrau, geb. am … wohnhaft … Sie werden beglaubigt. Ort, Datum
Notar
Eine stille Gesellschaft ist immer dann gegeben, wenn zwischen einem Unternehmensinhaber und einem stillen Gesellschafter zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks ein Gesellschaftsvertrag geschlossen wurde, kraft dessen der stille Gesellschafter ohne Bildung eines Gesellschaftsvermögens mit einer Einlage am Unternehmen beteiligt ist und eine Gewinnbeteiligung erhält.6 Sie weist somit alle Merkmale des § 705 BGB auf und ist eine Gesellschaft im rechtlichen Sinne.7 Der stille Gesellschafter tritt nach außen nicht in Erscheinung und kann im Streitfall auch nicht haftbar gemacht werden. Entsprechend niedrig ist daher seine Gewinnbeteiligung. Diese Art der Beteiligung besitzt ungefähr den Charakter eines Darlehens. Einziger Unterschied ist, dass kein fester Zinssatz, sondern eine Gewinnbeteiligung erzielt wird, § 231 HGB. Der „Stille“ ist weder nach innen noch nach außen weisungsbefugt, verfügt aber nach § 233 HGB über ein Kontrollrecht.
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Dem „echten“ Einzelunternehmen fällt es vielfach schwer, ausreichend fremde Mittel (von Banken etc.) zu bekommen, so dass sich in einem solchen Fall die Aufnahme eines stillen Gesellschafters anbieten würde.
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III. Gesellschaftsunternehmen Nachfolgend sollen die einzelnen Gesellschaftsformen, die in der Praxis eine größere Rolle spielen, und die Anforderungen an deren Gründung und Betreibung vorgestellt werden. Die Entscheidung für die eine oder andere Gesellschaftsform kann dem Leser jedoch nicht abgenommen werden, da die Möglich-
6 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 I 1b. 7 RGZ 77, 223 (227); 80, 268 (270 ff.); BGHZ 3, 75 (79); 7, 378 (382).
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keiten im Bereich der Agenturgründung vielfältig und individuell verschieden sind. 15
Gesellschaften im juristischen Sinne lassen sich unterscheiden in – die im BGB geregelte Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zielsetzung nichtkaufmännischer Natur ist, – und die im Handelsrecht und in weiteren speziellen Gesetzen geregelten Gesellschaften mit kaufmännischer Zielsetzung.
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Wie bereits oben erwähnt, kennt das Gesetz eine Vielzahl von Gesellschafts- bzw. Unternehmensformen. Aus dem täglichen Leben sind die meisten wahrscheinlich bekannt, ohne dass der juristische Laie genau weiß, was überhaupt die eine oder andere Gesellschaft bedeutet (Beispiele: die offene Handelsgesellschaft [oHG], die Gesellschaft mit beschränkter Haftung [GmbH], die Kommanditgesellschaft [KG], die Kommanditgesellschaft auf Aktien [KGaA] oder die GmbH & Co. KG).
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Man unterscheidet grundlegend zwischen den Personengesellschaften (GbR, oHG, KG, stille Gesellschaft) und den Kapitalgesellschaften (eingetragener Verein, AG, GmbH, Genossenschaft, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit).8
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Rechtsgrundlagen des Gesellschaftsrechts sind neben dem BGB und dem HGB insbesondere das Aktiengesetz und das GmbH-Gesetz.
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Wesensmerkmal der Gesellschaft im weitesten Sinn ist der rechtsgeschäftliche Zusammenschluss mehrerer zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks.9
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Der Grundtyp der Personengesellschaft ist die im BGB geregelte Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Grundtyp der Kapitalgesellschaft ist der ebenfalls im BGB geregelte eingetragene Verein.
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Bei den Personengesellschaften stehen die einzelnen Gesellschafter im Vordergrund. Sie führen die Geschäfte selbst und vertreten die Gesellschaft nach außen. Für ihre Schulden haften sie persönlich mit ihrem gesamten Vermögen. Die Mitgliedschaft ist grundsätzlich unübertragbar und unvererblich. Die Gesellschaft steht und fällt mit dem Verbleib jedes einzelnen Gesellschafters in der Gesellschaft.10
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Bei den Kapitalgesellschaften steht die Persönlichkeit der einzelnen Gesellschafter im Hintergrund, weil eine organschaftliche Vertretung der Gesellschaft erfolgt. Allein wichtig ist hier die kapitalmäßige Beteiligung.
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Grundtyp einer Kapitalgesellschaft ist der in §§ 21 ff. BGB geregelte eingetragene Verein. Bei den Kapitalgesellschaften können auch Dritte die Geschäftsführung der Gesellschaft übernehmen.
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Die Gesellschaft ist rechtsfähig, da sie juristische Person ist. Im Innenverhältnis haftet jeder Gesellschafter nur für die Leistung der von ihm übernommenen Ein8 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 I 2a. 9 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 I 1. 10 Vgl. BGBl. I 1998, S. 1474, für die oHG aber § 131 Abs. 3 HGB geändert durch Art. 3 und 19 HRefG v. 22.6.1998.
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lage, vgl. § 24 GmbHG. Im Außenverhältnis haftet nur die Gesellschaft als solche. Die kapitalmäßige Beteiligung an der Gesellschaft ist veräußerlich und vererblich. Haftungsrisiken bestehen allerdings bis zur Eintragung in das Handelsregister.
1. Gesellschaft bürgerlichen Rechts Beispiel Im Ausgangsfall will Herr I. Wendt nicht allein das Risiko einer Selbstständigkeit eingehen. Zusammen mit seinem Studienfreund K. Naster plant er die Eröffnung einer kleinen Agentur. Die Aufgaben im Geschäftsbetrieb werden untereinander aufgeteilt, eine gemeinsame Kasse wird eingerichtet. Eine kaufmännische Organisation des Betriebes ist noch nicht erforderlich.
a) Grundlagen Hier liegt der klassische Fall einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, auch BGB-Gesellschaft genannt) vor. Die GbR ist eine vertragliche Verbindung mehrerer Personen zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks. Als Zweck kommt nahezu alles in Betracht. Jeder erlaubte dauernde oder vorübergehende Zweck kann Gegenstand einer BGB-Gesellschaft sein,11 wenn er auf Förderung durch vermögenswerte Leistungen gerichtet ist.12 Diese Gesellschaftsform ist im BGB in den §§ 705 ff. BGB geregelt.
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Abb. 2: Gesetzliche Regelung der BGB-Gesellschaft
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BGB-Gesellschaft, §§ 705 ff. BGB Die GbR ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: – formfrei, – gleiche Beiträge (falls nicht abweichend vereinbart13), – gleicher Anteil an Gewinn und Verlust (falls nicht abweichend vereinbart14), – Gesellschaftsvermögen ist gemeinschaftliches Vermögen, – Haftung der Gesellschafter auch mit dem Privatvermögen als Gesamtschuldner, – Geschäftsführung und Vertretung gemeinsam (Einstimmigkeitsprinzip, wenn nicht andere Abmachungen getroffen wurden), – keine eigene Rechtspersönlichkeit, aber nach mittlerweile herrschender Meinung rechtsfähig, soweit sie als Außengesellschaft durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechten und Pflichten begründet.15 – keine Firmenbezeichnung (allerdings darf ein Name oder eine Geschäftsbezeichnung geführt werden16). 11 12 13 14 15 16
BGHZ 135, 387. Palandt/Sprau, § 705 BGB Rz. 20. Palandt/Sprau, § 706 BGB Rz. 3. BGH v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 = NJW-RR 1990, 736. BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BB 2001, 374 = NJW 2001, 1056. Palandt/Sprau, § 705 BGB Rz. 25.
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b) Gründung 27
Die Mindestvoraussetzungen für eine GbR sind: 1. Mehrzahl von Gesellschaftern: Die GbR muss aus mindestens zwei Gesellschaftern bestehen, eine Gesellschafterbegrenzung nach oben gibt es nicht. 2. Gesellschaftsvertrag: Der Gesellschaftsvertrag kann formlos, also auch mündlich oder konkludent abgeschlossen werden. 3. Bestehen eines gemeinsamen Zwecks: Gemeinsamer Zweck kann jeder zulässige Zweck sein, zB. ein gemeinsamer Geschäftsbetrieb (Ausnahme: Handelsgewerbe), eine Kooperation, ein gemeinschaftlicher Rechtsstreit etc. 4. Förderungspflicht der Gesellschafter: Jeden Gesellschafter trifft eine Zweckförderungspflicht, dh. jeder Gesellschafter muss einen Beitrag in die Gesellschaft einbringen (zB. Geldleistungen, Arbeitsleistungen, Kunden, Knowhow etc.).
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Eine GbR entsteht grundsätzlich mit dem Abschluss und Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrages.17 Der nachfolgende GbR-Vertrag soll mögliche Regelungsinhalte verdeutlichen, im Grundsatz besteht Formfreiheit.
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Vertrag über die Errichtung einer BGB-Gesellschaft § 1 Name, Zweck
Die Gastwirte Mustergabel und Messermuster errichten unter dem Namen „Take a Byte“ eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Zweck der Gesellschaft ist der gemeinsame Betrieb eines Restaurants mit Erlebnisgastronomie mit angeschlossenem Internet-Café in Musterstadt. § 2 Dauer Die Gesellschaft beginnt am … Sie besteht auf unbestimmte Zeit. Sie kann von jedem Gesellschafter unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden, erstmals jedoch zum … § 3 Einlagen/Wettbewerbsverbot Jeder Gesellschafter leistet sofort eine Bareinlage in Höhe von E … Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, der Gesellschaft seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Nebentätigkeiten sind nicht zulässig, ebenso nicht die direkte oder indirekte Beteiligung an Konkurrenzunternehmen. § 4 Beschlüsse Gesellschafterbeschlüsse erfolgen einstimmig. Für alle Maßnahmen, die über die laufende Geschäftsführung hinausgehen, ist ein Gesellschafterbeschluss herbei zu führen. 17 BGH v. 4.6.1952 – 20 T 64/52, NJW 1952, 1220.
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§ 5 Geschäftsführung, Vertretung Zur Geschäftsführung und Vertretung ist jeder Gesellschafter allein befugt. § 6 Buchführung, Bilanzierung Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Die Gesellschaft hat unter Beachtung der steuerlichen Vorschriften Bücher zu führen und jährliche Abschlüsse zu erstellen. Die Vorschriften des HGB für den Jahresabschluss der oHG gelten entsprechend. § 7 Tätigkeitsvergütungen, Entnahmen Jeder Gesellschafter erhält für seine Tätigkeit in der Gesellschaft eine feste monatliche Vergütung von … Euro. Die Vergütung ist jeweils monatlich im Voraus zu zahlen. Die Tätigkeitsvergütung wird der Geschäftslage der Gesellschaft und der Entwicklung der Löhne und Gehälter angepasst. Entnahmen während des Geschäftsjahres über die Tätigkeitsvergütung hinaus sind zulässig, um Steuerschulden oder Steuervorauszahlungen zu begleichen. § 8 Urlaub, Krankheit Jeder Gesellschafter hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von … Wochen. Im Falle der Krankheit eines Gesellschafters wird die Tätigkeitsvergütung für einen Monat weiter bezahlt. Danach erlischt der Anspruch auf Tätigkeitsvergütung für die Zeit, in der der Gesellschafter seiner Geschäftsführerverpflichtung nicht nachkommt. Der Anspruch auf Gewinnbeteiligung und Entnahme von Steuerschulden bleibt bestehen. § 9 Auflösung, Übernahme/Fortsetzungsklausel Kündigt oder verstirbt ein Gesellschafter oder tritt in seiner Person ein Grund ein, der nach den §§ 723 ff. BGB die Auflösung der Gesellschaft zur Folge haben würde, so ist der andere Gesellschafter zur Übernahme des Gesellschaftsvermögens mit allen Aktiven und Passiven ohne Liquidation berechtigt. Die Übernahmeerklärung ist gegenüber dem anderen Gesellschafter oder seinen Erben innerhalb von 4 Wochen nach Eintritt des Auflösungsgrundes zu erklären. Mangels Übernahme erfolgt die Liquidation der Gesellschaft. § 10 Abfindung/Buchwertklausel In den Fällen der Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch einen verbleibenden Gesellschafter erhält der ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung nach Maßgabe einer Abfindungsbilanz, die auf den Stichtag seines Ausscheidens aufzustellen ist. In diese Bilanz sind alle Vermögensgegenstände der Gesellschaft mit ihrem wirklichen Wert aufzunehmen. An schwebenden Geschäften nimmt der ausscheidende Gesellschafter nicht teil. Das Abfindungsguthaben ist, beginnend mit dem der Aufstellung der Abfindungsbilanz folgenden Monat, in drei gleichen Jahresraten zu zahlen und insoweit nicht zu verzinsen.
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§ 11 Schlussbestimmungen Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages müssen mindestens privatschriftlich erfolgen. Mündliche Vereinbarungen sind unwirksam. Sollten sich einzelne Bestimmungen des Vertrages als unwirksam erweisen, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die weggefallene Bestimmung ist durch eine wirksame Bestimmung zu ersetzen, die den Zweck der weggefallenen Bestimmung mit der größtmöglichen Näherung erreicht. Unterschriften der Gesellschafter
c) Geschäftsführung/Vertretung 29
Geschäftsführung betrifft grundsätzlich das Innenverhältnis, also die auf Verwirklichung des Gesellschaftszweckes gerichtete Tätigkeit. Im Unterschied dazu betrifft die Vertretung das Außenverhältnis, also die mit Dritten für die Gesellschaft getroffenen Vereinbarungen und Geschäfte.
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Die Geschäftsführungsbefugnis für die GbR erfolgt grundsätzlich durch alle Gesellschafter gemeinschaftlich, § 709 BGB. Allerdings ist die Übertragung der Geschäftsführungsaufgaben auf einzelne oder mehrere Gesellschafter gemäß § 710 BGB zulässig. Soweit ein Gesellschafter einer GbR geschäftsführungsbefugt ist, gilt er gemäß § 714 BGB auch als vertretungsberechtigt bei Rechtsgeschäften mit Dritten. d) Haftung
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Soweit die GbR als Außengesellschaft durch Teilnahme am Rechtsverkehr Rechte und Pflichten begründet, ist sie nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs rechtsfähig, allerdings keine juristische Person. Bei der GbR haftet die Gesellschaft als solche nicht, da sie keine eigene Rechtsqualität hat. Sie kann aber unter ihrem Namen Partei eines Rechtsstreits sein, das heißt klagen und verklagt werden.18 Die einzelnen Gesellschafter haften mit dem Gesellschafts- und dem Privatvermögen. Im Einzelfall ist eine Haftungsbeschränkung möglich.19
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Für eine neu zu gründende Eventagentur ist die GbR wegen der geringen Gründungsanforderungen gut geeignet. Allerdings besteht das Manko der persönlichen Haftung der Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen. Zu beachten ist, dass eine GbR ab dem Zeitpunkt, in dem sie kaufmännische Ausmaße angenommen hat (Notwendigkeit der Bilanzierung, großes Umsatzvolumen, großer Kundenstamm) oder ins Handelsregister eingetragen wird, als oHG behandelt wird. Im Gegensatz zum alten Handelsrecht bleibt die Gesellschaft, solange
18 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BB 2001, 374 = NJW 2001, 1056; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 60 II 1 a. 19 Palandt/Sprau, § 714 BGB, Rz. 18.
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sie im Handelsregister eingetragen ist, eine oHG und zwar auch dann, wenn ihre Tätigkeit einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb nicht mehr erfordert.20
" Praxistipp: Die Gründung einer GbR ist wie oben dargestellt relativ einfach.
Dies sollte aber nicht dazu verführen, eine schriftliche Fixierung der wichtigsten Absprachen unter den Gesellschaftern zu unterlassen. Ein mündlicher Gesellschaftsvertrag ist äußerst heikel. Die einzelnen Gesellschafter können oder wollen sich später an einzelne Regelungen nicht mehr erinnern. Bei einer Zweipersonengesellschaft steht im Zweifel Aussage gegen Aussage. Sinnvoll ist der Abschluss eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages, der auch so wichtige Dinge, wie die Abfindung ausscheidender Gesellschafter und die Möglichkeiten zum Eintritt neuer Gesellschafter explizit regelt.
2. Die offene Handelsgesellschaft (oHG) a) Grundlagen Die offene Handelsgesellschaft (oHG) ist wie die GbR eine Personengesellschaft. Sie ist in den §§ 105–160 HGB geregelt. Gemäß § 105 Abs. 2 HGB sind aber auch die gesetzlichen Bestimmungen über die GbR im BGB (§§ 705 ff. BGB) anwendbar. Nach § 105 Abs. 1 HGB ist eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, eine oHG, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist.
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Abb. 3: Gesetzliche Regelung der offenen Handelsgesellschaft BGB-Gesellschaft, §§ 705 ff. BGB › bei fehlender Regelung im HGB | offene Handelsgesellschaft, §§ 105 ff. HGB
Bei der oHG schließen sich mehrere Kaufleute zu einem gemeinsamen Geschäftsbetrieb zusammen, wobei der wirtschaftliche Erfolg von der Art der Zusammenarbeit der einzelnen Gesellschafter abhängt. In keiner anderen Gesellschaftsform bindet sich der einzelne Gesellschafter so sehr an die anderen Gesellschafter wie in der oHG. Vorteil dieser Gesellschaftsform ist dafür ihre Vertrauenswürdigkeit, da alle Gesellschafter für das Handeln jedes einzelnen Gesellschafters einstehen.
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Die Merkmale einer oHG sind: – Die oHG kann nur zum Betrieb eines Handelsgewerbes errichtet werden. – Die oHG ist „offen“, weil das Vermögen der Gesellschafter dem Zugriff der Gläubiger offen steht.
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20 Palandt/Sprau, § 705 BGB, Rz. 6.
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– Die oHG ist zwar keine juristische Person, ist dieser aber in einigen Punkten stark angenähert. – Die oHG hat eine Firma, unter der sie Verbindlichkeiten eingehen sowie Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben kann. – Die oHG kann unter ihrem Namen klagen und verklagt werden. b) Gründung 36
Die Gründung einer oHG ist verhältnismäßig einfach. Ihr liegt ein Gesellschaftervertrag iS von § 705 BGB zugrunde, der formfrei ist und daher auch mündlich oder konkludent geschlossen werden kann.21
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Wie bei der BGB-Gesellschaft verpflichten sich mindestens zwei Gesellschafter zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks durch Beiträge. Die oHG ist von allen Gesellschaftern zum Handelsregister bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung anzumelden, §§ 1 ff., 14, 29, 106, 108 HGB. Seit der HGB-Novelle können auch Kleingewerbetreibende eine oHG gründen, wenn sie sich im Handelsregister eintragen lassen.
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Die Anmeldung muss enthalten: – Name, Vorname, Stand und Wohnort jedes einzelnen Gesellschafters, – die Firma der Gesellschaft und den Ort, an dem sie ihren Sitz hat, – sowie den Zeitpunkt, ab dem die Gesellschaft ihre Tätigkeit aufgenommen hat. c) Geschäftsführung/Vertretung
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Im Unterschied zur BGB-Gesellschaft geht das Gesetz bei der oHG von Einzelgeschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter aus. Nach § 114 Abs. 1 HGB sind alle Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet. Aus § 115 Abs. 1 HGB ergibt sich, dass im Zweifel jeder der Gesellschafter einzelgeschäftsführungsberechtigt ist. Allerdings können die Gesellschafter auch Gesamtgeschäftsführung vereinbaren. Bei einer Gesamtgeschäftsführungsregelung im Gesellschaftervertrag müssen alle geschäftsführenden Gesellschafter dem Geschäft zustimmen, § 115 Abs. 2 HGB.
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Die Vertretung der oHG erfolgt durch die Gesellschafter als Organe. Zur Vertretung der oHG sind alle Gesellschafter ermächtigt, sofern sie nicht von der Vertretung ausgeschlossen sind, § 125 Abs. 1 HGB. Die Regelung einer Gesamtvertretung ist möglich, § 125 Abs. 2 HGB. Außerdem kann bei Vertretung durch einen einzelnen Gesellschafter die Mitwirkung eines Prokuristen als Erfordernis geregelt werden, § 125 Abs. 3 HGB.
21 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 46 III 1a.
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d) Haftung Die Gesellschafter haften bei der oHG sowohl mit dem Gesellschafts- als auch mit dem Privatvermögen, § 128 Abs. 1 HGB. Die oHG ist somit ein Zusammenschluss mehrerer Einzelunternehmer, da jeder Gesellschafter wie ein Einzelunternehmer handeln kann, aber auch haften muss. Der Gesellschafter einer oHG haftet nach den Voraussetzungen des § 160 HGB noch fünf Jahre nach seinem Ausscheiden für bis zu seinem Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft (sog. Nachhaftung).
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Da die Gesellschafter einer oHG Vollhafter sind, also mit Gesellschafts- und Privatvermögen haften, sind sie gegenüber Banken und Geschäftspartnern kreditwürdig. Diese Rechtsform eignet sich daher gut für mittelgroße und große Agenturen.
42
3. Die Kommanditgesellschaft (KG) a) Grundlagen Das Recht der Kommanditgesellschaft ist in §§ 161–177a HGB geregelt. Soweit sich aus diesen Vorschriften keine Abweichungen ergeben, sind über § 161 Abs. 2 HGB auch die Vorschriften über die oHG anwendbar. Ergänzend finden ebenfalls die §§ 705 ff. BGB Anwendung (§§ 161 Abs. 2 iVm. 105 Abs. 2 HGB).
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Abb. 4: Gesetzliche Regelung der Kommanditgesellschaft BGB-Gesellschaft, §§ 705 ff. BGB › bei fehlender Regelung im HGB | offene Handelsgesellschaft, §§ 105 ff. HGB › bei fehlender Regelung in §§ 161 ff. HGB | Kommanditgesellschaft, §§ 161 ff. HGB
Die Kommanditgesellschaft ist eine vertragliche Vereinigung von mindestens zwei Gesellschaftern, die unter einer gemeinsamen Firma ein Handelsgewerbe betreiben, wobei den Gläubigern gegenüber mindestens ein Gesellschafter – (der Komplementär) unbeschränkt und mindestens ein Gesellschafter – (der Kommanditist) nur beschränkt bis zur Höhe einer ins Handelsregister einzutragenden Haftsumme haftet.22
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Die KG ist ebenfalls keine juristische Person, ist aber wie die oHG im Außenverhältnis wie eine solche zu behandeln.
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22 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 53 IV 3.
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b) Gründung 46
Die Gründung der KG vollzieht sich gemäß § 162 Abs. 1 HGB nach den gleichen rechtlichen Schritten wie die einer oHG, also durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrages und Eintragung ins Handelsregister. Außer den Angaben nach § 106 Abs. 2 HGB sind die Kommanditisten zu bezeichnen und der Betrag der Einlage (Haftsumme) eines jeden von ihnen anzugeben. Die KG kann ebenso wie die oHG nur zum Betrieb eines Handelsgewerbes errichtet werden, wobei auch sie immer Kaufmann im rechtlichen Sinne ist, § 6 HGB. Auch eine KG kann von Kleingewerbetreibenden betrieben werden, wenn eine Eintragung in das Handelsregister vorgenommen wird. c) Geschäftsführung/Vertretung
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Bei der Kommanditgesellschaft sind die Kommanditisten von der Geschäftsführung ausgeschlossen, § 164 HGB. Gemäß § 170 HGB sind sie auch zur Vertretung nach außen nicht ermächtigt. Allerdings kann ihnen Prokura verliehen werden.23 Die §§ 114 ff. HGB gelten über § 161 HGB nur für den Komplementär. Dieser verfügt über die gleichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse wie der oHG-Gesellschafter. d) Haftung
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Für den vollhaftenden Gesellschafter (Komplementär) gelten die Ausführungen über die oHG, § 161 HGB iVm. § 128 Abs. 1 HGB.
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In Bezug auf die Haftung gelten für den Kommanditisten besondere gesetzliche Bestimmungen, §§ 171 ff. HGB. Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft gemäß § 171 Abs. 1 HGB lediglich bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar. Ist diese erbracht, wird er von der Haftung frei. Beispiel A und B gründen eine Kommanditgesellschaft. A ist Komplementär, B ist Kommanditist. Der Kommanditanteil des B soll 5 000 Euro betragen. Bis zur vollständigen Einzahlung seiner Kommanditeinlage haftet B auch persönlich für die Schulden der Gesellschaft. Ist die Kommanditeinlage vollständig eingezahlt, ist B für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr haftbar zu machen.
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Die KG ist als Gesellschaftsform sehr beliebt, da man hier die Möglichkeit hat, entweder Vollhafter zu werden oder nur mit einer begrenzten Vermögensmasse Teilhaber zu werden. Insofern ist die KG den Kapitalgesellschaften angenähert.
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Die KG eignet sich als Unternehmensform vorwiegend für mittlere und große Eventagenturen, wenn die Kapitalbasis durch Aufnahme von Kommanditisten erweitert, die Geschäftsführung und Vertretung aber nicht durch weitere Gesellschafter eingeschränkt werden soll.
23 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 53 IV 2.
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4. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Beispiel Herr I. Wendt hat einen in betriebswirtschaftlichen Fragen kompetenten Mitstreiter gefunden. Er möchte nunmehr eine Unternehmensform finden, in der beide als gleichberechtigte Partner mit begrenztem Risiko handeln können.
a) Grundlagen Das Recht der GmbH richtet sich nach dem GmbH-Gesetz. Die GmbH ist eine Kapitalgesellschaft. Gemäß § 1 GmbHG können Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. Wesentliches Merkmal der GmbH im Unterschied zu den Personengesellschaften ist, dass sie ihren Gläubigern nur mit dem Gesellschaftsvermögen haftet. Die GmbH ist juristische Person und daher auch als Gesellschaft rechtsfähig.
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Das Bundeskabinett hat im Jahr 2008 den Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) beschlossen. Das Gesetz ist am 1.11.2008 in Kraft getreten.24 Hauptintention des MoMiG war die Erleichterung und Beschleunigung von Unternehmensgründungen. Hier bestand zuvor ein Wettbewerbsnachteil der GmbH gegenüber ausländischen Rechtsformen wie der englischen Limited gesehen, denn in vielen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurden geringere Anforderungen an die Gründungsformalien und die Aufbringung des Mindeststammkapitals gestellt. Um den Bedürfnissen von Existenzgründern, die am Anfang nur sehr wenig Stammkapital haben und benötigen (zB im Dienstleistungsbereich also auch in der Eventbranche) zu entsprechen, bringt das Gesetz eine Einstiegsvariante der GmbH, die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (UG), auf diese Variante der klassischen GmbH gehen wir unten noch näher ein.
52a
Als ein Wettbewerbsnachteil wurde bisher angesehen, dass EU-Auslandsgesellschaften nach der Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen Überseering und Inspire Art ihren Verwaltungssitz in einem anderen Staat – also auch in Deutschland – wählen können. Diese Auslandsgesellschaften sind in Deutschland als solche anzuerkennen. Umgekehrt hatten deutsche Gesellschaften diese Möglichkeit bislang nicht. Durch die Streichung des § 4a Abs. 2 GmbHG wird es deshalb deutschen Gesellschaften ermöglicht, einen Verwaltungssitz zu wählen, der nicht notwendig mit dem Satzungssitz übereinstimmt. Dieser Verwaltungssitz kann auch im Ausland liegen. Damit wird der Spielraum deutscher Gesellschaften erhöht, ihre Geschäftstätigkeit auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zu entfalten. Das kann zB eine attraktive Möglichkeit für deutsche Konzerne sein, ihre Auslandstöchter in der Rechtsform der vertrauten GmbH zu führen.
52b
24 MoMiG v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, S. 2026.
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Hat die GmbH Gewinn erwirtschaftet, so haben die Gesellschafter grundsätzlich Anspruch auf Auszahlung des Jahresüberschusses (§ 29 GmbHG). Ist im Gesellschaftsvertrag keine andere Vereinbarung getroffen, so erfolgt die Verteilung nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile. Die sehr komplex gewordene Materie des Eigenkapitalersatzrechts (§§ 30 ff. GmbHG) wurde mit dem MoMiG erheblich vereinfacht und grundlegend dereguliert.
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Die Bildung eines Aufsichtsrates ist der GmbH freigestellt und richtet sich nach den Vorschriften des Aktiengesetzes. Ausnahmsweise kann für Großunternehmen auch eine Pflicht zur Aufsichtsratsbildung bestehen (§ 1 Mitbestimmungsgesetz, nur bei mehr als 2 000 Mitarbeitern).25
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Die Gesellschafterversammlung ist eine Versammlung aller Gesellschafter. Sie ist oberstes Organ der GmbH. Die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung ergeben sich in erster Linie aus dem Gesellschaftervertrag. Enthält der Gesellschaftervertrag keine Bestimmungen, so hat die Versammlung zahlreiche Aufgaben. Sie stellt den Jahresabschluss fest, entscheidet über Teilung und Einziehung von Geschäftsanteilen, über die Bestellung oder Entlassung von Geschäftsführern und noch einiges mehr (§§ 48 f. GmbHG). Abb. 5: Aufgaben der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung bestimmt Vertreter im
Aufsichtsrat
• bestellt • beruft ab • entlastet
kontrolliert
wählen Vertreter in (bei mitbestimmtem Aufsichtsrat)
Geschäftsführer
Mitarbeiter
b) Gründung 56
Die Gründung einer klassischen GmbH ist aufwendiger und schwieriger als die Gründung von Personengesellschaften. Gemäß § 2 GmbHG bedarf der Gesellschaftsvertrag der notariellen Form und ist von allen Gesellschaftern zu unterzeichnen. 25 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 I 1 b.
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Nach § 3 GmbHG muss der Gesellschaftsvertrag Folgendes enthalten: – die Firma und den Sitz der Gesellschaft, – den Gegenstand des Unternehmens, – den Betrag des Stammkapitals, – und den Betrag der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage (Stammeinlage).
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Wenn die GmbH nur für einen bestimmten Zeitraum betrieben werden soll oder den Gesellschaftern neben der Stammeinlage noch weitere Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber auferlegt werden, bedarf es einer Aufnahme entsprechender Bestimmungen in den Gesellschaftsvertrag.
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Die Stammeinlage ist der Betrag, den jeder Gesellschafter einzahlen muss, um das Stammkapital der GmbH anzusammeln. Dieses muss mindestens 25 000 Euro betragen. Die Gesellschafter können seit dem MoMiG individueller über die jeweilige Höhe ihrer Stammeinlagen bestimmen und sie dadurch besser nach ihren Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten ausrichten. Die Stammeinlage musste vor der GmbH-Reform mindestens 100 Euro betragen und durfte nur in Einheiten aufgeteilt werden, die durch 50 teilbar sind. Die Novelle bestimmt, dass jeder Geschäftsanteil nur noch auf einen Betrag von mindestens einem Euro lauten muss. Darüber hinaus können Geschäftsanteile künftig leichter aufgeteilt, zusammengelegt und einzeln oder zu mehreren an einen Dritten übertragen werden.
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Die Einlagen können in Form von Geld- oder Sachleistungen erbracht werden. Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG müssen Sacheinlagen nach Gegenstand und Betrag im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden. Bei Geldleistungen muss auf jede Stammeinlage mindestens ein Viertel gezahlt sein, insgesamt muss mindestens die Hälfte des Stammkapitals eingezahlt werden, § 7 Abs. 2 GmbHG. Sachleistungen müssen voll erbracht werden. Seit 1981 ist auch die sog. Einmann-GmbH zulässig. Sie bietet dem Inhaber den Vorteil, dass er sowohl freie Hand in der Geschäftsführung hat und gleichzeitig nur mit dem Gesellschaftsvermögen für die Verbindlichkeiten der GmbH haftet. Aber auch in diesem Fall ist für die Gründung ein Gesellschaftsvertrag erforderlich, welcher der notariellen Beurkundung bedarf. Hier wird seit dem MoMiG künftig auf die Stellung besonderer Sicherheitsleistungen (§ 7 Abs. 2 Satz 3, § 19 Abs. 4 GmbHG) verzichtet. Es wird ausdrücklich klargestellt, dass das Gericht bei der Gründungsprüfung nur dann die Vorlage von Einzahlungsbelegen oder sonstigen Nachweise verlangen kann, wenn es erhebliche Zweifel hat, ob das Kapital ordnungsgemäß aufgebracht wurde.
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Nachfolgend ist ein sehr ausführlicher GmbH-Gesellschaftsvertrag abgedruckt, der eine Vielzahl von Regelungsmöglichkeiten aufzeigt.
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Vertrag über die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung § 1 Firma und Sitz
Die Firma der Gesellschaft lautet EvilVents. Sitz der Gesellschaft ist Düsseldorf. § 2 Gegenstand des Unternehmens Gegenstand des Unternehmens ist die Organisation von Events und Incentives. Die Firma darf andere Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art erwerben, vertreten oder sich an solchen Unternehmen beteiligen. Sie darf auch Geschäfte vornehmen, die der Erreichung und Förderung des Unternehmenszweckes dienlich sein können. Sie darf auch Zweigniederlassungen errichten. § 3 Stammkapital, Stammeinlage Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25 000 Euro. Hiervon übernimmt der Gesellschafter I. Wendt eine Stammeinlage von 15 000 Euro, der Gesellschafter G. Winn eine Stammeinlage von 10 000 Euro. Die Stammeinlagen sind in bar zu erbringen. Die Hälfte ist sofort fällig, der Rest auf Anforderung durch die Gesellschaft. § 4 Geschäftsjahr Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Das erste Geschäftsjahr beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft und endet am 31.12. desselben Jahres. § 5 Geschäftsführung, Vertretung Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft von zwei Geschäftsführern gemeinschaftlich oder von einem Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Jedem Geschäftsführer kann Alleinvertretungsbefugnis erteilt werden. Jedem Geschäftsführer kann Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden. § 6 Gesellschafterversammlung Die Gesellschafterversammlung ist zu berufen, wenn eine Beschlussfassung der Gesellschafter erforderlich wird oder wenn die Einberufung aus einem sonstigen Grund im Interesse der Gesellschaft liegt. In jedem Falle ist jährlich eine Gesellschafterversammlung innerhalb zwei Monaten nach Vorliegen des Jahresabschlusses abzuhalten. 18
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III. Gesellschaftsunternehmen
Die Versammlung wird durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl einberufen. Es genügt Einberufung durch einen Geschäftsführer. Die Ladung erfolgt mittels Einschreibebriefes mit einer Frist von mindestens 2 Wochen unter Mitteilung der Tagesordnung, bei der jährlichen Versammlung unter Beifügung des Jahresabschlusses. Die Gesellschafterversammlung findet am Sitz der Gesellschaft statt. Sie kann aus begründetem Anlass an einem anderen Ort abgehalten werden. Jeder Gesellschafter darf an der Gesellschafterversammlung teilnehmen. Er kann sich dabei durch den Ehegatten, einen anderen Gesellschafter oder einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten vertreten lassen. Jeder andere Gesellschafter kann verlangen, dass sich der Bevollmächtigte durch schriftliche Vollmacht legitimiert. Die Versammlung wird vom Vorsitzenden geleitet. Er hat für eine ordnungsgemäße Protokollierung der Beschlüsse zu sorgen. Der Vorsitzende ist von den anwesenden und vertretenen Gesellschaftern mit einfacher Mehrheit zu wählen. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte des Stammkapitals vertreten ist. Fehlt es daran, so ist innerhalb von vier Wochen eine neue Versammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen, die immer beschlussfähig ist. Darauf ist in der Ladung hinzuweisen. Beschlüsse der Gesellschafter können nur in einer Gesellschafterversammlung oder gemäß § 48 Abs. 2 GmbHG schriftlich gefasst werden. § 7 Gesellschafterbeschlüsse Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht die Satzung oder das Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je 50 Euro eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. Über die gefassten Beschlüsse hat der Vorsitzende unverzüglich eine Niederschrift aufzunehmen, zu unterschreiben und den Gesellschaftern zuzuleiten. Diese können innerhalb von 4 Wochen eine Ergänzung oder Berichtigung der Niederschrift schriftlich verlangen. Die unwidersprochene oder ergänzte bzw. berichtigte Niederschrift hat die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit. Gesellschafterbeschlüsse können nur innerhalb 6 Wochen durch Klage angefochten werden. § 8 Jahresabschluss Der Jahresabschluss ist von der Geschäftsführung innerhalb der gesetzlichen Frist aufzustellen und von sämtlichen Geschäftsführern zu unterschreiben. § 9 Ergebnisverwendung Für die Ergebnisverwendung gelten die gesetzlichen Vorschriften.
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Teil A
Rechtsform der Eventagentur
§ 10 Teilung und Vereinigung von Geschäftsanteilen Die Teilung von Geschäftsanteilen ist nur mit Genehmigung der Gesellschaft zulässig. Ist ein Gesellschafter Inhaber mehrerer Geschäftsanteile, auf welche die Stammeinlagen voll geleistet sind, so können diese mehreren Geschäftsanteile oder einzelne von ihnen auf Antrag des betroffenen Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss miteinander vereinigt werden. § 11 Verfügung über Geschäftsanteile Die Abtretung und Verpfändung von Geschäftsanteilen sowie ihre Belastung mit einem Nießbrauch ist nur mit Genehmigung der Gesellschaft zulässig. Die Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn Geschäftsanteile ungeteilt an Abkömmlinge oder Ehegatten oder andere Gesellschafter abgetreten oder zu deren Gunsten mit einem Nießbrauch belastet werden. § 12 Einziehung von Geschäftsanteilen Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit zulässig. Der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters bedarf es nicht, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist oder die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird; wenn sein Geschäftsanteil gepfändet ist und die Pfändung nicht innerhalb von 2 Monaten wieder aufgehoben wird; wenn in seiner Person ein anderer wichtiger Grund, der seine Ausschließung aus der Gesellschaft rechtfertigt, gegeben ist; ein solcher wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Gesellschafter eine Verpflichtung, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag oder einer anderen zwischen den Gesellschaftern mit Rücksicht auf die Gesellschaft verbindlich getroffenen Vereinbarung obliegt, vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit verletzt hat oder die Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit vereitelt wird. Steht ein Geschäftsanteil mehreren Gesellschaftern gemeinschaftlich zu, so genügt es, wenn ein Einziehungsgrund in der Person eines der Mitgesellschafter vorliegt. Die Gesellschaft oder die Gesellschafter können bei der Pfändung eines Geschäftsanteils den vollstreckenden Gläubiger befriedigen und alsdann den gepfändeten Anteil einziehen. Der betroffene Gesellschafter darf der Befriedigung nicht widersprechen; er muss sich das zur Befriedigung des vollstreckenden Gläubigers Aufgewendete auf seinen Entgeltanspruch gemäß § 15 dieses Vertrages anrechnen lassen. Statt der Einziehung kann die Gesellschafterversammlung beschließen, dass der Geschäftsanteil auf einen oder mehrere von ihr bestimmte Gesellschafter oder Dritte zu übertragen ist. Die Einziehung und die Abtretung kann von der Gesellschafterversammlung nur mit Dreiviertelmehrheit beschlossen werden. Der betroffene Gesellschafter hat kein Stimmrecht. Seine Stimmen bleiben bei der Berechnung der erforderlichen Mehrheit außer Betracht. 20
Teil A
III. Gesellschaftsunternehmen
Soweit in den Fällen einer Pfändung des Geschäftsanteils oder Insolvenz kraft zwingenden Rechts eine für den oder die Gläubiger günstigere Regelung bezüglich der Berechnung oder der Fälligkeit des für den zu § 15 eingezogenen Geschäftsanteil zu zahlenden Entgelts Platz greift, tritt diese an die Stelle der in diesem Gesellschaftsvertrag vereinbarten Regelungen. Die Einziehung oder der Beschluss über die Abtretungsverpflichtung sind unabhängig von einem etwaigen Streit über die Höhe der Abfindung rechtswirksam. § 13 Austritt und Kündigung Jeder Gesellschafter kann aus wichtigem Grund seinen Austritt aus der Gesellschaft erklären. Der Austritt kann nur zum Ende des Geschäftsjahres erfolgen. Er ist unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten durch eingeschriebenen Brief zu erklären. Der ausscheidende Gesellschafter ist nach Wahl der Gesellschaft verpflichtet, seinen Geschäftsanteil jeweils ganz oder zum Teil an die Gesellschaft selbst, an einen oder mehrere Gesellschafter oder an von der Gesellschaft zu benennende Dritte abzutreten oder die Einziehung zu dulden. § 14 Erbfolge Ist ein Gesellschafter nicht ausschließlich von anderen Gesellschaftern, seinem Ehegatten oder seinen Abkömmlingen beerbt worden, kann der Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters gegen Entgelt eingezogen werden. Statt der Einziehung kann die Gesellschaft verlangen, dass der Anteil ganz oder geteilt an die Gesellschaft selbst, an einen oder mehrere Gesellschafter oder an einen Dritten abgetreten wird. § 15 Bewertung und Abfindung Die Gesellschaft hat im Falle der Einziehung eine Vergütung zu zahlen. Diese ist, sofern nichts anderes vereinbart wird, nach den Verhältnissen zum Stichtag zu errechnen. Stichtag ist, wenn die Einziehung zum Schluss des Geschäftsjahres erfolgt, der 1. Januar des folgenden Kalenderjahres und in allen anderen Fällen der 1. Januar des laufenden Kalenderjahres. Die Vergütung besteht in einem Geldbetrag in Höhe des gemeinen Wertes des eingezogenen Geschäftsanteils gemäß § 11 Abs. 2 BewG. Der gemeine Wert ist nach dem Stuttgarter Verfahren zu ermitteln. Maßgebend ist die vom Finanzamt für den Geschäftsanteil rechtskräftig festgesetzte Anteilsbewertung zum Stichtag. Ist der Anteilswert auf den Stichtag nicht festgesetzt, so ist er nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften des Bewertungsgesetzes und der Erbschaftssteuerrichtlinien unter Fortschreibung des zuletzt festgesetzten Anteilswertes zu errechnen. Der ausscheidende Gesellschafter erhält neben der Vergütung den auf seinen Geschäftsanteil bis zum Beschluss über die Einziehung oder Abtretung zeitanteilig entfallenden Reingewinn.
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Teil A
Rechtsform der Eventagentur
§ 16 Einsichts- und Auskunftsrecht Jeder Gesellschafter kann – in oder außerhalb einer Gesellschafterversammlung – Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen und die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen. § 17 Wettbewerbsverbot Für alle Gesellschafter gilt das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 HGB entsprechend mit der Erweiterung, dass ein Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft in deren Tätigkeitsbereich weder selbstständig noch unselbstständig noch beratend, auch nicht gelegentlich oder mittelbar, tätig werden darf. Ebenso ist eine Beteiligung an Konkurrenzunternehmen – außer in Gestalt von Aktien und Wandelanleihen – auch als stiller Gesellschafter oder Unterbeteiligter, unzulässig. Als Konkurrenzunternehmen gelten alle Werbefirmen, PR-Agenturen, Merchandising-Unternehmen, Event-Unternehmen und Incentive-Unternehmen. Das Wettbewerbsverbot endet ein Jahr nach dem Ausscheiden des Gesellschafters. § 18 Bekanntmachungen Die gesetzlich vorgeschriebenen Bekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen nur im Bundesanzeiger. § 19 Kosten Die Kosten der Gründung trägt die Gesellschaft im Betrag von 2 500 Euro. § 20 Gerichtsstand Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist Düsseldorf. § 21 Schlussbestimmungen Die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen des Vertrages lässt die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages im Übrigen unberührt, soweit Treu und Glauben dem nicht zwingend entgegenstehen. In einem solchen Falle ist die ungültige Bestimmung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung so umzudeuten oder zu ergänzen, dass der mit der ungültigen Bestimmung beabsichtigte wirtschaftliche und rechtliche Zweck erreicht wird. Dasselbe gilt, wenn bei der Durchführung des Gesellschaftsvertrages eine ergänzungsbedürftige Lücke offenbar wird. Jeder Gesellschafter ist zu Vertragsänderungen verpflichtet, die der Gesellschaftszweck oder die Treuepflicht der Gesellschafter gegeneinander gebieten. § 22 Inkrafttreten Dieser Vertrag tritt mit Eintragung der Gesellschaft in das Register in Kraft. Unterschriften der Gesellschafter
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III. Gesellschaftsunternehmen
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Die mit dem MoMiG am 1. November 2008 eingeführte Unternehmergesellschaft nach § 5a GmbHG ist eine gründungsfreundliche Variante der bisherigen GmbH. Es handelt sich dabei nicht um eine neue Rechtsform, sondern um eine GmbH, die ohne bestimmtes Mindeststammkapital gegründet werden kann. Ab einem Mindestkapital von einem Euro besteht die Möglichkeit der Existenzgründung in Form einer sog. haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft.
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Die Gründung einer Unternehmergesellschaft ist sehr einfach und unkompliziert. Für einfache Standardgründungen (u.a. Bargründung, höchstens drei Gesellschafter) werden zwei Musterprotokolle als Anlage zum GmbHG zur Verfügung gestellt. Werden diese Muster verwendet, ist keine notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages, sondern nur eine öffentliche Beglaubigung der Unterschriften erforderlich, um die Gesellschafter identifizieren zu können. Eine kostenintensive Beurkundung einzelner Dokumente entfällt. Die Regelungen in dem Mustergesellschaftsvertrag sind einfach und selbsterklärend, so dass hier keine Beratung und Belehrung durch einen Notar mehr erforderlich ist. Der Mustervertrag wird durch Muster für die Handelsregisteranmeldung ergänzt (sog. Gründungs-Set). So können in den genannten Fällen sämtliche Schritte bis zur Eintragung in das Handelsregister ohne zwingende rechtliche Beratung bewältigt werden. Zudem sind die Kosten für die notarielle Beurkundung der Gesellschafterverträge sehr gering, da diese auf einer sehr niedrigen Stammeinlage basieren. Alles in allem können die Gründungskosten einer Unternehmergesellschaft im internationalen Bereich, vor allem mit der britischen Limited in jedem Fall konkurrieren. Bei Verwendung der Mustersatzung haben die Gründer außerdem keinen großen Zeitaufwand hinsichtlich der Formulierungen der Vertragswerke. Damit ist die neue Unternehmergesellschaft eine vergleichsweise preiswerte Variante, den eigenen Businessplan haftungsbeschränkt umzusetzen.
61b
u
Protokoll für die Gründung einer Mehrpersonengesellschaft mit bis zu drei Gesellschaftern
M4
UR. Nr. … Heute, den …, erschienen vor mir, …, Notar/in mit dem Amtssitz in …, Herr/Frau1) … 2), Herr/Frau1) … 2), Herr/Frau1) … 2). 1. Die Erschienenen errichten hiermit nach § 2 Abs. 1a GmbHG eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma … mit dem Sitz in … 2. Gegenstand des Unternehmens ist … 3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt … Euro (i.W … Euro) und wird wie folgt übernommen: 23
Teil A
Rechtsform der Eventagentur
Herr/Frau1) … übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von … Euro (i.W … Euro) (Geschäftsanteil Nr. 1), Herr/Frau1)… übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von … Euro (i.W … Euro) (Geschäftsanteil Nr. 2), Herr/Frau1) … übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von … Euro (i.W … Euro) (Geschäftsanteil Nr. 3). Die Einlagen sind in Geld zu erbringen, und zwar sofort in voller Höhe/zu 50 Prozent sofort, im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderung beschließt3). 4. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Herr/Frau4) …, geboren am …, wohnhaft in …, bestellt. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. 5. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 Euro, höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals. Darüber hinausgehende Kosten tragen die Gesellschafter im Verhältnis der Nennbeträge ihrer Geschäftsanteile. 6. Von dieser Urkunde erhält eine Ausfertigung jeder Gesellschafter, beglaubigte Ablichtungen die Gesellschaft und das Registergericht (in elektronischer Form) sowie eine einfache Abschrift das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle –. 7. Die Erschienenen wurden vom Notar/von der Notarin insbesondere auf Folgendes hingewiesen: … Hinweise: 1
) Nicht Zutreffendes streichen. Bei juristischen Personen ist die Anrede Herr/Frau wegzulassen.
2
) Hier sind neben der Bezeichnung des Gesellschafters und den Angaben zur notariellen Identitätsfeststellung ggf. der Güterstand und die Zustimmung des Ehegatten sowie die Angaben zu einer etwaigen Vertretung zu vermerken. 3
) Nicht Zutreffendes streichen. Bei der Unternehmergesellschaft muss die zweite Alternative gestrichen werden.
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) Nicht Zutreffendes streichen.
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Im Unterschied zur klassischen GmbH darf die Unternehmergesellschaft ihre Gewinne nicht voll ausschütten. Bei der Gründung einer UG sollte sich der zukünftige Unternehmer bewusst sein, dass er für ein oder mehr Jahre ein Viertel seiner Gewinne als Kapitaleinlage ansparen muss. Damit steht dieses Geld nicht für neue Investitionen, Geschäftserweiterung oder neue Projekte zur Verfügung. Das Mindeststammkapital der normalen GmbH wird nicht herabgesetzt, es bleibt bei 25 000 Euro. Allerdings können bei der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft, ebenso wie bei der klassischen GmbH auch Sacheinlagen als Kapitalansparung dienen.
61d
Das Eintragungsverfahren der Unternehmergesellschaft beim Handelsregister ist durch die vollständige Abkopplung vom verwaltungsrechtlichen Genehmi24
III. Gesellschaftsunternehmen
Teil A
gungsverfahren beschleunigt und bietet somit eine Alternative zur britischen Limited auf die wir unten später noch eingehen. c) Geschäftsführung/Vertretung Da die GmbH juristische Person ist, bedarf sie, um handeln zu können, verschiedener Organe. Organe der GmbH sind der Geschäftsführer, die Gesellschafterversammlung sowie (nicht zwingend) der Aufsichtsrat.
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§ 6 GmbHG bestimmt, dass die GmbH einen oder mehrere Geschäftsführer haben muss. Dieser Geschäftsführer nimmt zum einen die Geschäftsführung, zum anderen die Vertretung der Gesellschaft wahr. Bei mehreren Geschäftsführern haben diese im Zweifel Gesamtvertretungsbefugnis (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG), es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sieht ausdrücklich etwas anderes vor.
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Das MoMiG hat auch die Geschäftsführerhaftung verschärft. Die Gesellschafter werden im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Hat die Gesellschaft keinen Geschäftsführer mehr, muss jeder Gesellschafter an deren Stelle Insolvenzantrag stellen, es sei denn, er hat vom Insolvenzgrund oder von der Führungslosigkeit keine Kenntnis. Die Insolvenzantragspflicht kann durch „Abtauchen“ der Geschäftsführer nicht mehr umgangen werden. Geschäftsführer, die Beihilfe zur Ausplünderung der Gesellschaft durch die Gesellschafter leisten und dadurch die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführen, werden stärker in die Pflicht genommen werden. Dazu wird das sog. Zahlungsverbot in § 64 GmbHG geringfügig erweitert. Die bisherigen Ausschlussgründe für Geschäftsführer (§ 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 Satz 3 AktG) werden um Verurteilungen wegen Insolvenzverschleppung, falscher Angaben und unrichtiger Darstellung sowie Verurteilungen auf Grund allgemeiner Straftatbestände mit Unternehmensbezug (§§ 263–264a und §§ 265b–266a StGB) erweitert.
63a
d) Haftung Für Verbindlichkeiten der GmbH haftet den Gläubigern grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Eine Haftung der einzelnen Gesellschafter ist ausgeschlossen.
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In diesem Zusammenhang wird – wegen des häufigen Irrglaubens in der Praxis – noch einmal darauf hingewiesen, dass die Höhe des Stammkapitals die Haftungssumme nicht beschränkt. Vielmehr haftet die GmbH auch mit dem vollen Gesellschaftsvermögen (dazu gehören auch Grundstücke, Firmenfahrzeuge, Konten etc.).
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Die klassische GmbH nimmt in ihrer Rechtsstellung insgesamt eine Mittelstellung zwischen der Aktiengesellschaft und den Personengesellschaften ein. Sie ist die geeignete Rechtsform für mittlere und kleinere Unternehmen. Ihre Bedeutung hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten ständig zugenommen. Auch in den neuen Bundesländern stellt die GmbH eine der beliebtesten Rechtsformen dar.
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Rechtsform der Eventagentur
Der Grund dafür ist vor allem darin zu sehen, dass die Beschränkbarkeit der Haftung das Risiko gerade für Existenzgründer kalkulierbar erscheinen lässt. 66a
Die Gestaltung der Haftungsseite bei der UG ist, im Vergleich zu allen anderen, in Deutschland gängigen Gesellschaftsformen, ein Novum. Die Gesellschaft muss dabei 25 % des Jahresgewinns zur Selbstfinanzierung einbehalten, bis ein Mindestkapital von 25 000 Euro erreicht ist. Zudem können die Gesellschafter der Unternehmergesellschaft bei Bestellung eines sog. inhabilen (unzuverlässigen) Geschäftsführers zur Haftung herangezogen werden. Außerdem haften künftig Gesellschafter, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Geschäfte überlassen, der Gesellschaft für Schäden, die diese Person der Gesellschaft zufügt.
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Es sollte gleichzeitig aber auch nicht übersehen werden, dass die Möglichkeiten zu Manipulationen und unreelle Geschäftspraktiken zum Nachteil der Gläubiger bei der GmbH größer sind, als bei allen Personengesellschaften und Einzelunternehmungen. Insofern genießt die neu gegründete GmbH, insbesondere in Form der Ende 2008 neu eingeführten UG, häufig bei Banken und etwaigen Geschäftspartnern kein großes Vertrauen und hat daher nicht nur Vorteile.
5. Die GmbH & Co. KG a) Grundlagen 68
Die GmbH & Co. KG ist eine Kommanditgesellschaft (KG = Personenhandelsgesellschaft), deren Komplementär (Vollhafter) eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH = Kapitalgesellschaft) ist.
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Die GmbH & Co. KG ist der klassische Fall der gesellschaftsrechtlichen Grundtypenvermischung, wobei Elemente der GmbH mit solchen der KG kombiniert werden, um die Vorteile der beiden Gesellschaftsformen zu verbinden.26 Demzufolge bestimmt sich das Recht der GmbH & Co. KG sowohl nach den einschlägigen Vorschriften des BGB (§§ 705 ff. BGB) und dem HGB (§§ 161 f., 105 f. HGB), als auch nach denen des GmbHG. Als Kommanditgesellschaft ist die GmbH & Co. KG somit insgesamt Personengesellschaft. b) Gründung
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Die Gründung der GmbH & Co. KG vollzieht sich zweistufig: 1. GmbH: notarielle Form 2. KG: formfrei
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Es müssen aber mindestens zwei Gründungsmitglieder vorhanden sein. Da es sich um eine KG handelt, ist auch kein Mindestkapital vorgeschrieben, wohl aber muss der Komplementär den Anforderungen des GmbH-Gesetzes (Mindeststammkapital 25 000 Euro) genügen. 26 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 I 1a.
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III. Gesellschaftsunternehmen
c) Geschäftsführung/Vertretung 72
Abb. 6: Beispiel einer GmbH & Co. KG
EvilVents GmbH, Veranstaltungen Gesellschafter/Geschäftsführer Wendt, I. Naster, K. tritt neu in die KG ein Kommanditgesellschaft EvilVents, GmbH & Co, Veranstaltungen
GmbH = Komplementärin
Co. = I. Wendt K. Naster = Kommanditisten
Die Gesellschafter der GmbH (I. Wendt und K. Naster) sind im obigen Beispiel zugleich auch die Kommanditisten der KG. Sie haben daher mehrere Funktionen inne. Auf der einen Seite sind sie Geschäftsführer der GmbH. Da die GmbH die Komplementärin der KG ist, diese aber durch die Geschäftsführer repräsentiert wird, obliegt ihnen gleichzeitig die Geschäftsführung und Vertretung der KG.27 Als Geschäftsführer einer beschränkt haftenden GmbH und als Kommanditisten der KG haben sie alle Fäden in der Hand, ohne dabei das übliche Risiko eines Gesellschafters bei einer Personengesellschaft tragen zu müssen. d) Haftung Die GmbH und Co. KG ist – wie oben bereits gesagt – eine Kommanditgesellschaft, mit der Besonderheit, dass der Komplementär eine GmbH ist. Allerdings muss die Haftungsbeschränkung gemäß § 19 Abs. 2 HGB durch Kennzeichnung deutlich gemacht werden. Vorteil einer GmbH & Co. KG gegenüber der „normalen“ KG ist, dass durch diese Gesellschaftsform keine natürliche Person mehr unbeschränkt haften muss und die Führung der KG durch einen Gesellschaftsfremden, nämlich den Geschäftsführer der GmbH erfolgen kann. 27 Siehe dazu auch Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 IV 3a.
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Rechtsform der Eventagentur
Die GmbH & Co. KG scheint auf den ersten Blick eine sehr vorteilhafte Gesellschaftsform zu sein, da hier die Vorteile der Personengesellschaft mit denen der Kapitalgesellschaft verknüpft werden. Es ist aber denkbar, dass sich mögliche Geschäftspartner fragen werden, ob sie Vertrauen in die Unternehmung haben können, wo doch die Eigentümer durch die Haftungsbeschränkung zeigen, dass sie selbst kein übermäßiges Vertrauen in ihre Unternehmung setzen.
6. Die Aktiengesellschaft (AG) a) Grundlagen 75
Nach ihrer Rechtsnatur ist die Aktiengesellschaft keine Gesellschaft, sondern ein rechtsfähiger Verein. Es handelt sich um eine juristische Person und das klassische Modell der Kapitalgesellschaft mit einem satzungsmäßig garantierten Kapital. Durch die Zergliederung des Grundkapitals in Aktien werden die Kapitalanteile wertpapierrechtlich verbrieft und dem Kapitalmarkt zugänglich gemacht.
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Die Aktiengesellschaft ist gemäß § 1 AktG eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und einem auf Aktien verteilten Grundkapital, für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Jede Aktiengesellschaft ist eine Handelsgesellschaft und Kaufmann, ohne dass es darauf ankommt, ob der Gegenstand der AG auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist, § 3 AktG. Auch die sog. kleine AG oder Einmann-AG ist zulässig. b) Gründung
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Bei der Gründung einer AG wird die Satzung in notariell beurkundeter Form festgestellt. Nach § 2 AktG müssen eine oder mehrere Personen an der Feststellung des Gesellschaftsvertrages mitwirken und die Aktien gegen Einlage übernehmen.
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Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals einer AG muss 50 000 Euro betragen, §§ 6, 7 AktG. Die Urkunde muss zwingend nach § 23 Abs. 2 AktG enthalten: – die Gründer, – bei Nennbetragsaktien den Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl und den Ausgabebetrag, – den eingezahlten Betrag des Grundkapitals.
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In der Satzung muss gemäß § 23 Abs. 3 AktG bestimmt werden: – Firma und Sitz der Gesellschaft, – den Gegenstand des Unternehmens, – die Höhe des Grundkapitals, – die Zerlegung des Grundkapitals entweder in Nennbetragsaktien oder in Stückaktien, – ob die Aktien auf den Inhaber oder auf den Namen ausgestellt werden, 28
III. Gesellschaftsunternehmen
Teil A
– die Vorstandsmitgliederzahl oder die Regeln für deren Festlegung, – und nach § 23 Abs. 4 AktG auch Bestimmungen über die Form der Bekanntmachung der Gesellschaft. Weiteres Erfordernis einer Aktiengesellschaft ist die Einrichtung eines Aufsichtsrates, §§ 95 ff. AktG. Der Aufsichtsrat muss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen, die idR von der Hauptversammlung gewählt werden. Aufgabe des Aufsichtsrates ist die Kontrolle der Geschäftsführung durch den Vorstand.
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c) Geschäftsführung/Vertretung Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG sind bei einem mehrgliedrigen Vorstand alle Vorstandsmitglieder gemeinsam geschäftsführungsbefugt. Allerdings können in der Satzung oder der Geschäftsordnung des Vorstandes Änderungen von dieser Regelung getroffen werden.
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Der Vorstand vertritt die Aktiengesellschaft gerichtlich und außergerichtlich, § 78 Abs. 1 AktG. Bei einem mehrgliedrigen Vorstand sind, wenn keine andere Regelung in der Satzung getroffen ist, die Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt, § 78 Abs. 2 AktG. In der Satzung kann auch geregelt werden, dass einzelne Vorstandsmitglieder nur gemeinsam mit einem Prokuristen zur Vertretung berechtigt sind, § 78 Abs. 3 AktG. In der Praxis wird idR Einzelvertretungsbefugnis erteilt.
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d) Haftung Wie bei der GmbH ist auch bei der AG eine Haftung der Gesellschafter ausgeschlossen. Die Haftung ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt.
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Diese Gesellschaftsform kann aufgrund des hohen Aufwandes und der geringen Vorteile im Vergleich zu einer GmbH für neu gegründete oder kleinere und mittlere Agenturen nicht empfohlen werden. Neben dem höheren Gründungsaufwand führt die Erforderlichkeit eines Aufsichtsrates zu weiteren organisatorischen und finanziellen Belastungen.
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7. Der eingetragene Verein a) Grundlagen Der Verein ist in den §§ 21 ff. BGB geregelt. Diese Gesellschaftsform spielt für die klassische Eventagentur keine Rolle. Sie wird lediglich im Sportsektor und in Bezug auf gemeinnützige und kulturelle Veranstaltungen verwendet. Beispiel Das OLG Schleswig hat entschieden, dass der „Verein Kieler Hafenfest“, dessen Zweck ausweislich der Satzung die Veranstaltung des Kieler Hafenfestes ist, ein nicht wirtschaftlicher Verein ist. Zur Überzeugung des Gerichts handelt es sich bei diesem Verein nicht um einen wirtschaftlichen Verein iSv. § 22 BGB, da die Haupttätigkeit (das alljährliche Ausrichten des Kieler Hafenfestes), unabhängig von Verkaufsbuden oder auch Mietein-
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nahmen, das Urteil rechtfertigt, dass die Veranstaltung des Hafenfestes mit den in der Satzung beschriebenen Zielen und mit dem schon mehrfach durchgeführten Programm in der Hauptsache nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, sondern dass der wirtschaftliche Teil des Hafenfestes nur Nebenzweck ist.28
b) Gründung 86
Voraussetzung für die Gründung eines Vereines ist der Beschluss einer Satzung. Die Satzung ist die Verfassung des Vereines, § 25 BGB. In der Satzung eines Vereines wird das Miteinander der Vereinsmitglieder geregelt und die Rechte und Pflichten werden festgelegt.
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Gemäß § 57 BGB muss die Satzung den Vereinszweck, den Namen und den Sitz des Vereines enthalten. Das Erfordernis einer bestimmten Namenswahl für den Verein dient der Rechtssicherheit. Durch diese satzungsmäßige Mindestvoraussetzung soll gewährleistet werden, dass eine hinreichende Identifizierbarkeit und Unterscheidung zu anderen Gemeinschaften erreicht wird. Für die Wahl des Namens bestehen keine strengen Maßstäbe. Der Name kann den Vereinszweck beschreiben, eine örtliche Beziehung ausdrücken oder beides (zB: Karlsruher Sportverein). Auch Phantasiebezeichnungen wie „Verein Fun and Action“ sind zulässig.
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Ein eingetragener Verein muss darüber hinaus das Kürzel e.V. im Namen tragen, um seine Rechtsform nach außen kundzutun. Weitere Anforderung an den Inhalt der Satzung ist die Festlegung des Vereinssitzes. Außerdem sollte die Satzung den ausdrücklichen Hinweis auf die Eintragung in das Vereinsregister enthalten.
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Die Ausgestaltung der Satzung erfolgt nach dem Willen der Vereinsgründer. Für später hinzukommende Vereinsmitglieder ist die Satzung bindend. Weiteres Gründungserfordernis ist gemäß § 56 BGB die Mitwirkung von mindestens 7 Gründungsmitgliedern.
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Durch die Eintragung ins Vereinsregister erlangt der Verein Rechtsfähigkeit.
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Schließlich muss der Verein auch einen Vorstand haben, um rechtsgeschäftlich handeln zu können, § 26 BGB.
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Nachfolgend sollen noch die Punkte erläutert werden, die keine Voraussetzung für die Eintragung ins Vereinsregister sind, aber für die Gewährleistung einer organisatorisch sauberen Vereinsarbeit unerlässlich sind. Auch für diese Sollvorschriften gibt das Gesetz Anhaltspunkte. Nach § 58 BGB soll die Satzung Bestimmungen über: – Eintritt und Austritt der Mitglieder – Beitragsleistungen der Mitglieder – Bildung eines Vorstandes – Arbeit der Mitgliederversammlung enthalten. 28 OLG Schleswig. v. 4.1.2001 – 2 W 130/00, OLGReport 2001, 361.
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c) Geschäftsführung/Vertretung Der Verein handelt über seine Organe. Die Organe des Vereins sind die Mitgliederversammlung, der Vorstand und etwaige besondere Vertreter.
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Die Mitgliederversammlung ist das oberste Organ des Vereines. Sie wählt den Vorstand und ordnet durch Beschlüsse die Angelegenheiten des Vereins.
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Der Vorstand vertritt den Verein nach außen. Das Handeln des Vorstandes ist das Handeln des Vereins, § 26 BGB. Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Die Vertretungsmacht ist grundsätzlich unbeschränkt, kann aber durch die Satzung beschränkt werden.
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Für gewisse Geschäftsfelder kann gemäß § 30 BGB ein besonderer Vertreter bestimmt werden.
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d) Haftung Der Verein haftet gemäß § 31 BGB für seine Organe. Der Verein haftet mit dem kompletten Vereinsvermögen.
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Der Verein wird nur sehr selten als Rechtsform einer Eventagentur gewählt. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass eine Eventagentur idR auf Gewinnerzielung angelegt ist. Die Wahl eines wirtschaftlichen Vereins gemäß § 22 BGB als Rechtsform ist aber nur dann zulässig, wenn es der jeweiligen Vereinigung nicht zumutbar ist, sich als GmbH, AG oder Genossenschaft zu organisieren (Subsidiaritätsgrundsatz). Somit ist die Gründung eines wirtschaftlichen Vereins versperrt.
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Allerdings kann man die Rechtsform des Idealvereins wählen. Ausnahmen kann es lediglich im Hinblick auf gemeinnützige Veranstaltungen zur Spendenbeschaffung und für karitative Zwecke geben. Allerdings wird die Rechtsform des eingetragenen Vereins oft von Künstlerzusammenschlüssen gewählt, die Theaterstücke aufführen und somit ebenfalls Veranstaltungen (zB Tourneen) organisieren und durchführen. Solche Theatervereine, die ohne Gewinn arbeiten oder die Gewinne direkt ihrer Vereinstätigkeit wieder zuführen, können diese Rechtsform wählen. Die klassische Eventagentur wird daher wohl eine der anderen oben dargestellten Gesellschaftsformen wählen.
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8. Partnerschaftsgesellschaft a) Grundlagen Diese sehr junge Gesellschaftsform gibt es erst seit dem 1.7.1995. Sie wurde eingeführt, um die Lücke zwischen der BGB-Gesellschaft und den Kapitalgesellschaften zu schließen. Die Partnerschaftsgesellschaft ist im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) geregelt.
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Die Partnerschaftsgesellschaft gibt Freiberuflern (zB Künstlern, Ärzten, Steuerberatern, Architekten, Anwälten etc.) die Möglichkeit, sich in einer zeitgemä-
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Rechtsform der Eventagentur
ßen Organisationsform zusammenzuschließen. Im Veranstaltungsbereich könnte sich beispielsweise eine Gruppe von Künstlern zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammen finden. Diese Gesellschaftsform ist daher für eine klassische Eventagentur nicht geeignet. 102
Die Partnerschaftsgesellschaft ist rechtsfähig, kann somit selbst klagen und verklagt werden. b) Gründung
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Der Partnerschaftsvertrag muss in schriftlicher Form geschlossen werden und Namen und Sitz der Partnerschaft, Namen, Vornamen, Beruf und Wohnort jedes Partners und den Gegenstand der Partnerschaft enthalten, § 3 PartGG.
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Voraussetzung für die Vornahme wirksamer geschäftlicher Kontakte in dieser Gesellschaftsform ist die Eintragung in das sog. Partnerschaftsregister am Amtsgericht. Der Name einer Partnerschaft muss mindestens den Namen eines Partners, den Zusatz „und Partner“ oder „Partnerschaft“ sowie die Berufsbezeichnung aller in der Partnerschaft vertretenen Berufe enthalten (zB „Rechtsanwälte Müller und Partner“). c) Geschäftsführung/Vertretung
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Nach § 6 Abs. 2 PartGG kann der einzelne Partner nur für sonstige Geschäfte von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden. Bei fehlender Regelung im Partnerschaftsvertrag gelten die oHG-Bestimmungen für die Geschäftsführung, § 6 Abs. 3 PartGG. Für die Vertretung der Partnerschaft gelten immer die oHGRegelungen entsprechend, § 7 PartGG. d) Haftung
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Sämtliche Partner haften den Gläubigern mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Partnerschaft als Gesamtschuldner neben dem Gesamthandsvermögen der Partnerschaft. Jedoch ist nach § 8 Abs. 2 PartGG die Haftung für Ansprüche aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung auf denjenigen Partner beschränkt, der für den Fehler die Verantwortung trägt.
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Bei der Partnerschaftsgesellschaft gilt bei Ausscheiden eines Gesellschafters in Bezug auf die Nachhaftung das gleiche wie für die oHG, § 10 PartGG.
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Da die Partner dieser Gesellschaftsform zwingend Freiberufler sein müssen, wird diese Gesellschaftsform in der Praxis für eine Eventagentur selten verwendet.
9. Die britische Limited a) Grundlagen 108a
Nach dem Willen der EU dürfen in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten die innerhalb der anderen Mitgliedsländer zulässigen Gesellschaftsformen gewählt 32
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werden. Dies hat dazu geführt, dass sich die Limited-Gesellschaft nach britischem Vorbild in Deutschland immer größerer Beliebtheit erfreut. Mit Limited oder Ltd. ist die so genannte Private Company Limited by Shares gemeint, die der GmbH ähnlich und wie diese eine Kapitalgesellschaft ist. Trotzdem darf das Wort Limited bei der Firmierung nicht mit dem Begriff „GmbH“ ins Deutsche übersetzt werden, damit die gravierenden Unterschiede zwischen beiden Rechtsformen nicht verwischen. b) Gründung Die Gründungsdauer beträgt circa ein bis zwei Wochen, und der Gang zum Notar ist nicht erforderlich. Der Name der Gesellschaft kann grundsätzlich frei gewählt werden, er muss aber das Wort „limited“ einschließen. Ein gesetzlich vorgeschriebenes Mindest- oder Höchstkapital gibt es nicht. Hinsichtlich des Kapitals der Ltd. wird zwischen dem Nominalkapital und dem einbezahlten Kapital unterschieden. Das einbezahlte Kapital bezieht sich auf die Anteile (= shares), die tatsächlich an die Gesellschafter ausgegeben wurden, und die dafür erbrachte Einlage. Die Einlage kann nicht nur durch Barzahlung, sondern auch durch Dienstleistungen und Warenlieferungen erbracht werden. Die Höhe des gesamten Kapitals ist durch Satzung frei bestimmbar.
108b
Die Gründung erfolgt mit professioneller Beratung innerhalb weniger Tage und kostet zwischen 180 und 700 Euro. Die Ltd. hat bei der Gründung insbesondere den Vorteil, dass praktisch kein Mindestkapital vorgegeben ist, wohingegen eine GmbH vor der Einführung der Unternehmergesellschaft mindestens mit einem Stammkapital von 25 000 Euro ausgestattet werden musste. Als Stammkapital wird nur ein britisches Pfund, ca. zwei Euro benötigt. Steuerliche Vorteile gibt es jedoch nicht. Befindet sich der Firmensitz in England und die Geschäftsleitung in Deutschland, fallen 15 % Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer an. Der deutsche Gegenentwurf zur Ltd. ist die im November 2008 als Spezialart der GmbH neu eingeführte Unternehmensgesellschaft.29 Oft wird bei der Wahl der bei Gründung kostengünstigen Rechtsform Ltd. aber übersehen, dass die Gründung einer Ltd. auch Pflichten mit sich bringt und nicht unerhebliche Folgekosten entstehen. Wird die laufende Geschäftstätigkeit in Deutschland in Form einer Ltd. ausgeübt, zeigen sich einige Nachteile, die darauf beruhen, dass die Vorgaben des britischen Rechts neben nationalen Vorschriften zu berücksichtigen sind. Auch Unternehmen, die mit der englischen Sprache täglich umgehen, werden oftmals nicht umhinkommen, einen britischen Rechtsberater einzuschalten, da spezielle Rechtskenntnisse erforderlich sind. Kostenersparnisse bei der Gründung gehen hierdurch schnell verloren.
29 Siehe zur Unternehmensgesellschaft auch Rz. 52a ff.
33
108c
Teil A
Rechtsform der Eventagentur
c) Geschäftsführung/Vertretung 108d
Eine Ltd. muss zumindest einen Director (Vorstand/Geschäftsführer) und außerdem einen Company Secretary (Schriftführer der Gesellschaft) bestellen. Zudem sind die meisten Ltds. verpflichtet, Auditors (Wirtschaftsprüfer) zur Überprüfung der einzureichenden Bilanzen zu bestellen. Wenig bekannt ist hier, dass das britische Gesellschaftsregister bei Verstößen gegen Veröffentlichungspflichten streng vorgeht. Jährlich müssen die Limiteds den Bericht der Direktoren, eine Bilanz, eine Gewinn- und Verlustrechnung und ein Testat des Abschlussprüfers einreichen. Wenn beispielsweise Jahresabschlüsse nicht fristgerecht eingereicht werden, können Bußgelder von bis zu 1 000 Pfund verhängt werden. Wird auf die Mahnungen des Gesellschaftsregisters nicht reagiert wird, kann die Ltd. zwangsweise aus dem Register gelöscht werden. Das vorhandene Vermögen geht in dem Fall an die britische Krone über. Das betrifft auch Briefkastenfirmen, die ausschließlich in Deutschland tätig sind. d) Haftung
108e
Für die Haftung der Gesellschafter kommt es aber nur auf die Höhe der jeweils erbrachten Einlage an. Deren Haftung ist also auf die Höhe der übernommenen Anteile beschränkt, eine Nachschusspflicht besteht nicht. Für die Haftung ist das Nominalkapital dagegen nicht maßgebend. Es besteht außerdem keine Verpflichtung, die Anteile in der vollen Höhe des Nominalkapitals auszustellen. Diese Vorteile bei der Gründung einer Ltd. sollten aber nicht über die zahlreichen Pflichten und Kosten hinweg täuschen, die im weiteren Verlauf des Lebens der Gesellschaft schon nach britischem Recht entstehen. Weiter stellt sich bei einem Auseinanderfallen von Gründungssitz und Ort des Geschäftsbetriebes immer wieder die Frage, wie die rechtlichen Verhältnisse im jeweiligen Fall tatsächlich sind. Dies gilt insbesondere für die Haftungsbeschränkung. So ist es keinesfalls sicher, dass die deutschen Gerichte eine persönliche Haftungsbeschränkung des Gesellschafters und/oder Geschäftsführers anerkennen, wenn eine Unterkapitalisierung vorliegt. In diesem Bereich ist derzeit noch vieles streitig. Nicht zu unterschätzen ist auch das im Vergleich zur deutschen GmbH eher negativere Image der Ltd. bei potentiellen Geschäftspartnern. Der Geschäftspartner oder Gläubiger einer ausländischen Gesellschaft wie der Ltd. wird sich im Zweifel genau über deren Kreditwürdigkeit informieren.
IV. Steuerrechtliche Behandlung 109
Die Zusammenhänge zwischen Gesellschaftsrecht und Steuerrecht sind für die Gesellschaftsrechtspraxis von großer Bedeutung. Dem geltenden Steuerrecht liegt kein einheitliches, geschlossenes System der Unternehmensbesteuerung zugrunde. Daher ist der steuerliche Belastungsvergleich ein wichtiger Bestimmungsfaktor bei der Wahl der Unternehmens- bzw. Gesellschaftsform. Prinzi34
IV. Steuerrechtliche Behandlung
Teil A
piell soll eine rechtsformneutrale gleichmäßige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens erfolgen. Jedoch ist es dem Gesetzgeber bis heute nicht gelungen, das schon mit der Körperschaftsteuerreform von 1977 angestrebte wettbewerbsneutrale Steuerrecht zu installieren.
110
Da diese Materie aber im Einzelfall sehr kompliziert ist und für die verschiedenen Gesellschaftsformen divergiert, sollen hier lediglich grobe Abgrenzungen getroffen werden.30
111
Die Personengesellschaften werden wie das Einzelunternehmen nach dem Einkommensteuergesetz besteuert. Dh. besteuert werden die einzelnen Gesellschafter und nicht die Gesellschaft selbst. Die Gewinnanteile aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Sie sind daher im Jahr ihrer Entstehung zu versteuern und unterliegen unabhängig davon, ob sie einbehalten oder den Gesellschaftern zugute kommen, der steuerlichen Spitzenbelastung.31
112
Kapitalgesellschaften unterliegen seit 1920 der zu diesem Zeitpunkt eingeführten Körperschaftsteuer, diese beträgt 15 %. Allerdings werden Gewinnentnahmen der Gesellschafter zusätzlich zu 60 % der Einkommensteuer unterworfen.
113
Die rechtlichen Beziehungen zwischen einer Gesellschaft und seinen Gesellschaftern müssen nicht auf das Gesellschaftsverhältnis beschränkt werden. Zwischen der Gesellschaft und seinen Mitgliedern können besondere schuldrechtliche Verträge geschlossen werden.
114
Vergütungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches (Leistungsvergütungen) können bei den Kapitalgesellschaften als Betriebsausgaben vom Gewinn abgezogen werden, während bei Personengesellschaften Leistungsvergütungen den Gewinn nicht schmälern. Sie gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb.
115
Beispiel Der steuerliche Vorteil bei einer Kapitalgesellschaft – wie einer GmbH – gegenüber einer Personengesellschaft ist beispielsweise, dass I. Wendt sich selbst als Geschäftsführer der GmbH anstellen lassen kann und diese Lohnkosten vom körperschaft- und gewerbesteuerpflichtigen Gewinn der GmbH in Abzug bringen kann. I. Wendt muss allerdings das eingenommene Gehalt bei seiner eigenen Einkommensteuererklärung versteuern.
Den Unterschied zwischen den Steuersätzen des Einkommensteuerrechts und des Körperschaftsteuerrechts versucht der Gesetzgeber dadurch zu beseitigen, dass die Gewerbesteuer in einer pauschalierten Art und Weise auf die Einkommensteuer angerechnet wird, während eine Anrechnung auf die Körperschaftsteuer nicht in Betracht kommt und dass einbehaltene Gewinne auf Antrag
30 Siehe zu den Steuern vertiefend Rz. 1159 ff. 31 Zu den Möglichkeiten der geringeren Besteuerung einbehaltener Gewinne vgl. Rz. 1248a ff.
35
116
Teil A
Rechtsform der Eventagentur
zu einem geringeren Tarif besteuert werden können.32 Die früher wegen Doppelbesteuerung (Körperschaft- und Einkommensteuer) benachteiligte Gesellschaftsform der GmbH ist mittlerweile neben der GbR die wohl beliebteste Gesellschaft im Bereich der Unternehmensneugründungen. 117
Die GmbH & Co KG ist wegen einer Kombination aus Haftungs-, Organisations- und Steuervorteilen ins Leben gerufen worden. Ihre Beliebtheit unter den einzelnen Gesellschaftsformen richtet sich nach dem jeweiligen Stand der Steuer-, Bilanz- und Mitbestimmungsgesetzgebung. Am Ende dieses Kapitels soll noch einmal die Haftungslage bei den wichtigsten Gesellschaftsformen in einer Checkliste zusammengefasst werden. Checkliste Gesellschaftstypen
117a
1. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) 2. offene Handelsgesellschaft (oHG) fi Vorteil:
einfache Gründung durch Gesellschaftsvertrag
fi Nachteil: Haftung mit Gesellschafts- und Privatvermögen 3. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) fi Vorteil:
Haftung auf Gesellschaftsvermögen beschränkt
fi Nachteil: idR notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages 4. Aktiengesellschaft (AG) fi Vorteil:
Haftung auf Gesellschaftsvermögen beschränkt
fi Nachteil: hoher Gründungsaufwand 5. Kommanditgesellschaft (KG) fi Vorteil:
Kommanditisten haften nur mit ihrer Einlage
fi Nachteil: Komplementäre haften auch mit ihrem Privatvermögen 6. GmbH & Co. KG fi Vorteil:
nur Vollhaftung der GmbH mit ihrem Gesellschaftsvermögen
fi Nachteil: geringer Einfluss des einzelnen Kommanditisten 7. Britische Limited fi Vorteil:
nur Vollhaftung der Ltd. mit der Einlage
fi Nachteil: hohe Folgekosten/wenig Vertrauen der Geschäftspartner
32 Siehe zum Anrechnungsverfahren Rz. 1255 ff.
36
Teil B Event und Vertrag Beispiel Ein Veranstalter oder eine Eventagentur hat fast täglich mit Verträgen zu tun. Man kauft zB eine neue Mobiltribüne und diverse Scheinwerfer auf Raten, lässt ein Mischpult reparieren, mietet eine Stadthalle an, beauftragt Dienstleister, bucht für verpflichtete Künstler Hotelzimmer, organisiert Incentive-Reisen für die Mitarbeiter von Kunden. Jedem dieser Vorgänge liegt ein Rechtsgeschäft zugrunde.
I. Einführung Das Beispiel zeigt, dass der Veranstalter – wie nahezu jede andere geschäftsfähige Person – täglich Vertragsgeschäfte abschließt. Schon das morgendliche Einsteigen in die Straßenbahn stellt ein Rechtsgeschäft dar. In diesem Kapitel sollen das Angebot und die Annahme als Elemente eines Vertragsschlusses vorgestellt werden. Außerdem werden die für den Veranstalter wesentlichen Vertragsarten und die Verwendung von AGB durch den Veranstalter behandelt. Am Ende des Kapitels werden die verschiedenen Möglichkeiten zur Durchsetzung von vertraglichen Ansprüchen dargestellt.
118
II. Grundlagen des Vertragsrechts Nachfolgend soll eine kurze Einführung in die Grundlagen des Vertragsrechts unter Einschluss der Stellvertretungsregeln gegeben werden.
1. Der Vertragsschluss Ein Rechtsgeschäft besteht aus einer oder mehreren Willenserklärungen. Durch Willenserklärungen werden Rechtsgeschäfte begründet, verändert oder aufgehoben. Zur Vermeidung von Missverständnissen soll die Willenserklärung klar und eindeutig sein.
119
Willenserklärungen sind: – mündliche, schriftliche oder telefonische Äußerungen, – konkludente Handlungen, dh. schlüssige Handlungen, aus denen sich der Wille erkennen lässt (zB Einsteigen in die Straßenbahn), – ausnahmsweise Schweigen. Im Rechtsverkehr gilt Schweigen grundsätzlich nicht als Willenserklärung (Ausnahme: Handelsrecht1).
120
Rechtsgeschäfte lassen sich wie folgt unterscheiden:
121
Bei den einseitigen Rechtsgeschäften gibt nur eine Person eine Willenserklärung ab. Diese Willenserklärung kann sowohl empfangsbedürftig (zB bei der 1 Siehe Rz. 530, Abb. 18, Rz. 576a ff.
37
Teil B
Event und Vertrag
Kündigung) als auch nicht empfangsbedürftig sein (zB bei dem Testament, für dessen Gültigkeit die Abgabe ausreichend ist. Ein Zugang der Willenserklärung ist nicht erforderlich). 122
Beim zweiseitigen Rechtsgeschäft geben zwei oder mehrere Personen Willenserklärungen ab. Übereinstimmende Erklärungen führen zum Vertrag, §§ 145 ff. BGB. Durch den gegenseitigen Vertrag werden beide Parteien berechtigt und verpflichtet. Beim Kaufvertrag von Sachen zB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben und das Eigentum an ihr zu verschaffen, § 433 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB. Der Käufer muss die Ware bezahlen und abnehmen, § 433 Abs. 2 BGB.
123
Das Angebot zum Abschluss eines Vertrages ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die ein Vertragsschluss einem anderen angetragen wird, so dass allein durch dessen Zustimmung ein Vertrag zustande kommt.2 Nachfolgend ist ein Beispiel für ein Kaufangebot einer Firma für Veranstaltungsequipment im Hinblick auf eine Volksfestveranstaltung abgedruckt.
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M5
Schriftliches Angebot
Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund Ihrer Anfrage vom 30.5.2008 möchten wir Ihnen das folgende Kaufangebot unterbreiten: Festzelt Tritec 2000, gemäß beiliegender Beschreibung Wenn eine Montage bei Ihnen gewünscht wird, berechnen wir zusätzlich
E 8 000,–. E 400,–.
Wir können innerhalb von zwei Wochen liefern. Wenn Sie sich zu einer Bestellung entschließen, ist der Rechnungsbetrag innerhalb von 30 Tagen netto fällig. Bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen gewähren wir 3 % Skonto. Die Lieferung erfolgt frei Haus. Das Zelt wird in einer Leihverpackung angeliefert. Wir würden uns freuen, wenn Ihnen unser Angebot zusagt. Mit freundlichen Grüßen Tritec 124
Kann sich der angeschriebene Veranstalter noch einen Monat nach Erhalt dieses Schreibens auf das Angebot berufen? Das einem Abwesenden gemachte Angebot (= schriftliches Angebot) gilt erst dann, wenn es dem Empfänger zugeht, und ist so lange verbindlich, wie eine Reaktion unter regelmäßigen Umständen zu erwarten ist (Bearbeitungs- und Postlaufzeit beim Brief ca. eine Woche), § 147 Abs. 2 BGB. Die Antwort auf die oben 2 RG, HHR 30, 91; Palandt/Heinrichs, § 145 BGB Rz. 1.
38
II. Grundlagen des Vertragsrechts
Teil B
gestellte Frage lautet also: Das Angebot ist nach drei Wochen nicht mehr verbindlich. Ein verspätet angenommenes Angebot gilt als neuer Antrag, § 150 Abs. 1 BGB. Das unter Anwesenden (auch telefonisch) abgegebene Angebot kann nur sofort angenommen werden, § 147 Abs. 1 BGB.
125
Die gesetzlichen Regelungen des BGB können im Angebot individualvertraglich modifiziert werden. Der Lieferant könnte zB eine Frist bestimmen, bis zu deren Ablauf das Angebot wirksam ist.
126
Er könnte aber auch die Bindung ganz oder teilweise ausschließen, und zwar durch sog. Freizeichnungsklauseln. Beispiele dafür sind: – „Solange der Vorrat reicht“. – „Preis freibleibend“. – „Freibleibend“. – „Ohne Obligo“.
127
Auf ein Angebot folgt, wenn der Kunde mit den Bedingungen einverstanden ist, die Annahme (auch Auftrag). Durch die Annahme bringt der Annehmende sein Einverständnis mit dem unterbreiteten Angebot zum Ausdruck. Auch diese Willenserklärung ist grundsätzlich empfangsbedürftig. In Ausnahmefällen kann die Empfangsbedürftigkeit entbehrlich sein, wenn eine Annahme den Umständen nach nicht erforderlich erscheint. Ein Vertrag kommt demnach zustande, wenn beide Parteien davon ausgehen dürfen, dass man sich einig ist.
128
Die Modifizierung eines unterbreiteten Angebots, auch wenn die Änderung lediglich geringfügig ist, stellt die Abgabe eines neuen Angebotes dar, die wiederum vom Vertragspartner angenommen werden muss, § 150 Abs. 2 BGB. Ausnahme von diesem Grundsatz ist das gewohnheitsrechtlich anerkannte sog. kaufmännische Bestätigungsschreiben,3 welches nach Ansicht des Absenders den Inhalt eines bereits geschlossenen Vertrages wiedergibt. Im Handelsverkehr muss der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens unverzüglich widersprechen, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will.4
129
Eine Auftragsbestätigung stellt die schriftliche Annahme eines Vertragsangebotes dar und zwar oft eine Annahme unter Änderungen. Sind Änderungen gegeben, besteht ein Dissens zwischen den Parteien und ein Vertrag kommt zunächst nicht zustande, vgl. § 150 Abs. 2 BGB. Ein Bestätigungsschreiben muss eindeutig abgefasst werden.5 Unklarheiten gehen dabei zu Lasten des Absenders. Das Schweigen auf eine Auftragsbestätigung bedeutet grundsätzlich keine Zustimmung.6 Anders liegt die Sache, wenn die Parteien Kaufleute sind.
130
3 4 5 6
Schmidt, Handelsrecht, § 19 III 1a. Zu den Unterschieden zwischen BGB und HGB siehe Rz. 544 ff. und 571 ff. Palandt/Heinrichs, § 147 Rz. 13. BGHZ 18, 215; 61, 286; DB 1977, 1311.
39
Teil B
Event und Vertrag
In diesem Fall muss der Empfänger in aller Regel unverzüglich widersprechen, um einen Vertragsschluss mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zu verhindern.7
" Praxistipp: Im Eventbereich wird viel per Handschlag oder auf Zuruf verein-
bart. Diese Praxis ist Ursache für spätere – auch gerichtliche – Auseinandersetzungen. Ein verantwortungsvoller Eventmanager oder Projektleiter sollte sich jede Änderung des ursprünglichen Angebotes in Bezug auf Leistungsumfang, Leistungsinhalt und Budget vom Vertragspartner schriftlich bestätigen lassen, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Oft verzichtet man auf eine Schriftform um den Kunden nicht vor den Kopf zu stoßen. Aber wenn es schon ein Problem darstellt, eine mündlich getroffene Vereinbarung schriftlich zu fixieren, kann man davon ausgehen, dass es früher oder später sowieso zu Unstimmigkeiten gekommen wäre.
131
Von dem bindenden Angebot abzugrenzen ist die bloße Aufforderung an den Vertragspartner, seinerseits ein Angebot zu machen (sog. invitatio ad offerendum). Beispiele für eine derartige Aufforderung sind Schaufensterauslagen, die Ankündigung einer Veranstaltung8 oder Werbeprospekte. Beispiel Frau Wendt sieht im Schaufenster einen Pelzmantel zum Preis von 15 000 Euro. Sie geht in den Laden und erklärt, dass sie den Pelzmantel gerne kaufen möchte. Der Verkäufer sagt, dass der Mantel leider vor 15 Minuten schon an eine andere Dame verkauft worden sei und es sich um ein Unikat handele. Leider habe er den Mantel noch nicht aus dem Schaufenster genommen. Er könne den Mantel deshalb leider nicht verkaufen. Frau Wendt ist empört und verlangt Herausgabe des Mantels gegen Bezahlung. Ist Frau Wendt im Recht?
132
Der Verkäufer bindet sich hier durch die Preisangaben nicht, die Auslage bzw. das Prospekt stellt nur eine Aufforderung an den Käufer dar, seinerseits ein „Geld“-Angebot zu machen. Diese Konstruktion ist erforderlich, damit der Verkäufer bei einer unbestimmten Zahl von Interessenten nicht zum Verkauf verpflichtet ist und durch die Unmöglichkeit der Erfüllung aller Verpflichtungen schadensersatzpflichtig wird. Auch ein „Sonderangebot“ ist somit kein Angebot. In dem obigen Fall kann Frau Wendt somit nicht den Verkauf des Mantels an ihre Person verlangen. Die Schaufensterauslage stellt lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes dar. Das Angebot von Frau Wendt hat der Verkäufer abgelehnt. Somit ist kein Vertrag zustande gekommen.
133
Grundsätzlich sind Rechtsgeschäfte formlos wirksam. Für einzelne Bereiche sind allerdings Formvorschriften gesetzlich vorgeschrieben.
134
Das deutsche Recht kennt im Wesentlichen sechs Arten der Form: – Schriftform, – elektronische Form, 7 Siehe zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben auch Rz. 129 und 576a ff. 8 RG 133, 391; Erman/Hefermehl, § 145 BGB Rz. 10.
40
II. Grundlagen des Vertragsrechts
– – – –
Teil B
Textform, öffentliche Beglaubigung, notarielle Beurkundung, gleichzeitige Anwesenheit an einer Stelle.
Bei durch Gesetz vorgeschriebener Schriftform muss eine Urkunde erstellt und vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet werden, § 126 Abs. 1 BGB. Ein Beispiel für gesetzlich vorgeschriebene Schriftform ist die Bürgschaft, § 766 BGB.
135
Gemäß dem im Jahre 2001 eingeführten § 126a BGB kann die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen wird.
136
Ebenfalls neu eingefügt, hat der Gesetzgeber die Textform gemäß § 126b BGB. Bei der Textform muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden.
137
Bei einer öffentlichen Beglaubigung muss die Erklärung schriftlich abgefasst werden und die Unterschrift oder das Handzeichen des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden, § 129 Abs. 1 BGB. Für die Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister wird gemäß § 12 HGB die öffentliche Beglaubigung verlangt.
138
Die notarielle Beurkundung einer Erklärung erfolgt durch ein spezielles Verfahren vor dem Notar, indem die Erklärung nach Beratung durch den Notar diesem gegenüber abgegeben, niedergeschrieben, dem Erklärenden vorgelesen, von diesem genehmigt und unterschrieben wird. Anschließend unterzeichnet der Notar die Niederschrift. Wichtigstes Beispiel für das Erfordernis einer notariellen Beurkundung ist ein Grundstückskaufvertrag, § 311b BGB.
139
Die Eheschließung muss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Ehepartner vor dem Standesamt erfolgen, § 1311 Satz 1 BGB.
140
Die Nichteinhaltung gesetzlicher Formvorschriften führt gemäß § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes.
141
2. Die Stellvertretung Im Veranstaltungsbereich spielt die Stellvertretung eine wichtige Rolle. Die Eventagenturen organisieren Veranstaltungen für ihre Kunden. Der Tourneeveranstalter beauftragt einen lokalen Veranstalter mit der Organisation vor Ort. Im Rahmen der Veranstaltungsorganisation werden andere Unternehmen mit der Erfüllung von Einzelaufgaben betraut (zB Cateringfirmen, Hostessenservices, Securityfirmen etc.), die möglicherweise wieder Subunternehmen mit der Übernahme von Teilaufgaben beauftragen. 41
142
Teil B
Event und Vertrag
143
Die Stellvertretung ist in den §§ 164 ff. BGB geregelt. Gemäß § 164 BGB wirkt eine Willenserklärung, die jemand für einen anderen innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht abgibt, unmittelbar für und gegen den anderen.
144
Die Stellvertretung verlangt ein eigenes rechtsgeschäftliches Handeln des Stellvertreters. Dieser gibt eine eigene Willenserklärung ab. Derjenige, der ein Geschäft nicht selbst zum Abschluss bringt, sondern nur eine fremde Willenserklärung übermittelt, ist Bote.
145
Weiterhin ist für eine Stellvertretung erforderlich, dass der Stellvertreter im Namen des Vertretenen auftritt, § 164 Abs. 1 BGB, sog. Offenkundigkeitsprinzip. Damit soll der Dritte insoweit geschützt werden, dass er seinen Geschäftspartner kennt. Dem Schutzzweck wird nicht nur dann genügt, wenn der Stellvertreter ausdrücklich im Namen des Vertretenen handelt, sondern auch, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Handlung im Namen des Vertretenen erfolgen soll (zB Verwendung des Briefbogens des Vertretenen).
146
Letztlich muss der Stellvertreter innerhalb einer ihm zustehenden Vertretungsmacht handeln, § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB. Damit soll der Vertretene geschützt werden.
147
Die Vertretungsmacht kann resultieren aus: – Rechtsgeschäft, Erteilung durch Vertretenen, sog. Bevollmächtigung, § 166 Abs. 2 BGB, – gesetzlicher Vorschrift (zB § 35 Abs. 1 GmbHG, Geschäftsführer der GmbH; § 1629 Abs. 1 BGB, Vertretungsmacht der Eltern für ihr Kind).
148
Die Rechtsfolgen des Vertretergeschäfts treffen ausschließlich den Vertretenen. Beispiel Wenn I. Wendt seinen Projektleiter Max Loss ermächtigt, die verschiedenen Subunternehmer für eine Veranstaltung zu beauftragen, muss Wendt die von Loss abgeschlossenen Verträge, auch wenn diese ungünstig sind, gegen sich gelten lassen.
149
Schließt hingegen jemand ohne Vollmacht für einen anderen einen Vertrag, sog. Vertreter ohne Vertretungsmacht, dann ist der Vertrag schwebend unwirksam. Dem Vertretenen steht es aber frei, durch eine nachträgliche Genehmigung in den Vertrag einzusteigen, § 177 Abs. 1 BGB. Wird der Vertrag vom Vertretenen nicht genehmigt, haftet der Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 Abs. 1 BGB auf Erfüllung oder Schadensersatz.
149a
Eine Stellvertretung kann auch aufgrund von Rechtsscheinsgrundsätzen gegeben sein. Beispiel Die als Projektassistentin bei der Einzelfirma EvilVents beschäftigte Kate Ehring hat sich seit längerer Zeit angewöhnt, Aufträge von Kunden selbst anzunehmen, anstatt den Kunden mit dem abschlussberechtigten Projektleiter zu verbinden. Der Dauerkunde K. Rösus verlangt von der Firma EvilVents Erfüllung des von Frau Ehring abgeschlossenen Veranstaltungsvertrages. Firmeninhaber I. Wendt, dem das Verhalten von Frau Ehring zu Ohren gekommen, der aber aus Nachlässigkeit nicht eingeschritten ist, findet den Vertrag
42
Teil B
II. Grundlagen des Vertragsrechts
wirtschaftlich uninteressant und teilt K. Rösus mit, dass Frau Ehring nicht zum Vertragsabschluss bevollmächtigt gewesen sei. Wie ist die Rechtslage?
Im obigen Praxisfall war Frau Ehring zwar nicht bevollmächtigt, Verträge für die Firma abzuschließen, I. Wendt ist aber, obwohl er vom Verhalten seiner Mitarbeiterin Kenntnis hatte, nicht eingeschritten. Somit muss er sich deren Verhalten aufgrund einer sog. Duldungsvollmacht zurechnen lassen, denn K. Rösus durfte aus vorhergehenden Vertragsabschlüssen von einer Bevollmächtigung der Frau Ehring ausgehen (sog. Rechtsschein der Bevollmächtigung). Beispiel Wie ist es, wenn im obigen Fall I. Wendt vom Verhalten seiner Projektassistentin Ehring nichts wusste, weil er sich zu wenig um seine Firma gekümmert hat.
Auch in diesem Fall ist nach Rechtsscheinsgrundsätzen ein wirksamer Vertrag zwischen der Firma EvilVents und K. Rösus zustande gekommen. Hier liegt eine sog. Anscheinsvollmacht vor, dies ist immer dann der Fall, wenn der Vertretene (hier Firmeninhaber Wendt) das Verhalten des für ihn Handelnden (Projektassistentin Ehring) nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Abb. 7: Voraussetzung einer Stellvertretung Zulässigkeit Bei allen Rechtsgeschäfte, die nicht höchstpersönlicher Natur sind. Voraussetzungen 1. Eigene Willenserklärung des Vertreters (anders beim Boten) 2. Im fremden Namen 3. Mit Vertretungsmacht a) wirksam erteilt b) wenn nicht möglicherweise Anscheins- oder Duldungsvollmacht c) Erlöschen der Vollmacht d) Ausschluss, Beschränkung
3. Leistungsstörungen Ein vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis ist auf ordnungsgemäße Befriedigung des Gläubigers gerichtet. Dieser Zweck kann sowohl durch das Verhalten des Schuldners oder Gläubigers sowie andere Umstände ganz oder teilweise verhindert werden. Diese sog. Leistungsstörungen sind im allgemeinen Schuldrecht geregelt, §§ 275 ff. BGB.
150
Eine Leistungsstörung liegt immer dann vor, wenn eine Leistung überhaupt nicht (Nichterfüllung, Unmöglichkeit), nicht rechtzeitig (Verzug) oder nicht vereinbarungsgemäß (Schlechterfüllung) erfolgt. Seit dem Gesetz zur Moderni-
151
43
Teil B
Event und Vertrag
sierung des Schuldrechts vom 1.1.2002 hat sich das Leistungsstörungsrecht konzeptionell stark verändert. 152
Unmöglichkeit bedeutet, dass der Schuldner die geschuldete Leistung nicht erbringen kann, § 275 Abs. 1–3 BGB (zB wenn eine Eventagentur die mit dem Kunden vertraglich festgelegte Location zum vereinbarten Termin nicht vom Vermieter bekommen hat oder ein fest gebuchter Künstler absagt). Die Unmöglichkeit der Leistungserbringung führt nicht zur Unwirksamkeit des jeweiligen Vertrages. Entgegen der alten Gesetzgebung, die zwischen anfänglicher und nachträglicher objektiver Unmöglichkeit bzw. anfänglicher und nachträglicher subjektiver Unmöglichkeit (Unvermögen) differenzierte, gibt es nach der Schuldrechtsreform drei Tatbestände, die den Leistungsanspruch des Gläubigers ausschließen können: 1. Wenn die Leistung für jedermann unmöglich ist, wird der Schuldner von der Leistung frei (sog. wirkliche Unmöglichkeit); Beispiel Wenn ein verkauftes Kunstwerk beim Transport durch einen Unfall zerstört wird.
2. der Schuldner kann die Leistung auch verweigern, wenn diese einen Aufwand erfordert, der im groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse steht (sog. praktische oder faktische Unmöglichkeit); Beispiel Ein verkauftes Artefakt versinkt im Ozean. Eine Bergung wäre theoretisch möglich. Allerdings stünde der organisatorische und finanzielle Aufwand in einem deutlichen Missverhältnis zum Wert des Artefaktes.
3. handelt es sich um eine persönlich zu erbringende Leistung, kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn ihm die Leistung unter Abwägung des seiner Leistung entgegen stehenden Hindernisses mit dem Gläubigerinteresse unzumutbar ist (Unzumutbarkeit aufgrund persönlicher Umstände des Schuldners).9 Beispiel Ein Fall der in Nr. 3 geregelten Alternative liegt nach Auffassung des Gesetzgebers vor, wenn eine Sängerin ihren Auftritt verweigert, weil ihr Kind lebensgefährlich erkrankt ist.10
153
Naturgesetzliche Unmöglichkeit liegt beispielsweise vor, wenn ein Ereignis zur Unausführbarkeit des Zuschauervertrages führt (zB ein Dirigent stirbt, auf dessen Person das ganze Konzert abgestellt ist11). Unmöglichkeit kann sich auch durch Zeitablauf ergeben (zB ein Caterer soll ein Silvestermenü liefern, ist aber an Neujahr noch nicht fertig). Auch rechtliche Unmöglichkeit kann auf-
9 Palandt/Heinrichs, § 275 BGB Rz. 30. 10 Münchener Kommentar. BGB/Emmerich, § 275 BGB Rz. 9. 11 AG Mannheim v. 2.10.1090 – 3b C 144/90, NJW 1991, 1490 = NJW-RR 1991, 887.
44
II. Grundlagen des Vertragsrechts
Teil B
treten. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Vermietung einer Location wegen bauordnungsrechtlicher Bedenken vereitelt wird. Gemäß § 275 Abs. 4 BGB hat der Vertragspartner bei Unmöglichkeit ein Wahlrecht. Er kann zwischen Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner Leistungen verlangen. Dies gilt auch dann, wenn die Unmöglichkeit schon bei Vertragsschluss vorgelegen hat, vgl. § 311a BGB.
154
Neben der Unmöglichkeit wird im Gesetz auch der Verzug geregelt. Das Gesetz kennt sowohl den Schuldnerverzug gemäß §§ 286 ff. BGB als auch den Gläubigerverzug, § 293 BGB.
155
Schuldnerverzug tritt ein, wenn dem Schuldner die Leistung möglich ist, er aber trotz Fälligkeit und Mahnung nicht leistet (kurz: Nichtleistung trotz Fälligkeit und Mahnung), §§ 286 ff. BGB. Der Gläubiger kann dann Verzugszinsen geltend machen, und der Schuldner ist für alle eintretenden Schäden ersatzpflichtig (soweit die Leistung ohne Verschulden des Gläubigers unterblieben ist), §§ 287 ff. BGB. Bezugsgröße für die Bemessung des Zinsschadens ist der Basiszinssatz. Seit dem 1.1.2009 liegt der Basiszinssatz bei 1,62 %, ist aber flexibel angelegt.12 Gemäß § 247 Abs. 1 Satz 2 BGB verändert dieser Zinssatz sich zweimal jährlich, jeweils zum 1.1. und 1.7. Gegenüber Nichtkaufleuten kann bei Verzug ein Zinsanspruch von 5 % über dem Basiszinssatz geltend gemacht werden, gegenüber Kaufleuten von 8 % über dem Basiszinssatz. Der Nachweis eines höheren Zinsschadens kann durch entsprechenden Bankbeleg erbracht werden.
156
Eine Mahnung ist bei gewissen Gegebenheiten entbehrlich. Gemäß § 286 Abs. 2 BGB ist eine Mahnung nicht erforderlich bei: – Leistungsbestimmung nach dem Kalender (zB Lieferung bis spätestens 15.3.2003); – bei Fristablauf (zB Zahlungsziel 14 Tage); – bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung (zB Schuldner signalisiert deutlich Unwillen zur Leistung); – auf Grund Interessenabwägung (zB bei Selbstmahnung des Schuldners oder Zusage schnellster Leistungserbringung); – auf Grund Parteivereinbarung (zB vertragliche Regelung).
157
Bei einer Entgeltforderung bedarf es keiner Mahnung. Gemäß § 286 Abs. 3 BGB kommt der Schuldner automatisch in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung zahlt.
158
Der Gläubiger der verspäteten Leistung kann nunmehr auch Schadensersatz statt der Leistung verlangen, §§ 281 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. § 280 Abs. 1 BGB.
159
Gläubigerverzug liegt immer dann vor, wenn der Schuldner zur Leistung berechtigt ist und der Gläubiger zur Leistung bereit und imstande ist. Wenn der Schuldner in dieser Situation die Leistung also anbietet, gerät der Gläubiger
160
12 Schimmel/Buhlmann, Schuldnerverzug nach der Schuldrechtsmodernisierung – Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, MDR 2002, 614.
45
Teil B
Event und Vertrag
durch Nichtannahme der Leistung in Gläubigerverzug (zB wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung anbietet. Dieser schickt ihn ohne Begründung wieder nach Hause). 161
Die gesetzlich geregelten Leistungsstörungs- und Gewährleistungsvorschriften reichten nach allgemeiner Ansicht nicht aus, um alle Fälle der Nicht- oder Schlechtleistung zu erfassen.13 Deshalb wurden im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung die Institute der culpa in contrahendo (c.i c.) und positiver Forderungsverletzung (pFV) entwickelt.14 Seit der Schuldrechtsreform 2002 sind c.i.c. (als §§ 311 Abs. 2 und 3, 241 Abs. 2 BGB) und pFV (§§ 280, 241 Abs. 2 BGB) explizit in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden.
162
Generalnorm des neuen Leistungsstörungsrechts ist § 280 BGB. Diese Norm besagt: § 280 BGB (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen. (3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Verletzt somit der Schuldner eine seiner Pflichten aus dem Schuldverhältnis, kann der Gläubiger Schadensersatz verlangen und/oder vom Vertrag zurücktreten, § 323 BGB. Zur Veranschaulichung des neuen Schuldrechts in Bezug auf Nicht- bzw. Schlechtleistung dient der folgende Fall mit Varianten. Beispiel I. Wendt bestellt bei Kate Ehring ein aufwendiges Buffet für die Jubiläumsfeier eines Kunden. Beim Servieren stolpert eine Mitarbeiterin von Frau Ehring und zerstört eine sehr wertvolle Vase des Kunden. Der Kunde Karl Rösus verlangt von Wendt und Ehring Schadensersatz.
163
Im obigen Fall haftet Herr Wendt für die Pflichtverletzung seiner Erfüllungsgehilfin Ehring auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 278 BGB wie für eigenes Verschulden.15 Aufgrund des Wertes der Vase bleibt zu hoffen, dass er eine ausreichende Veranstaltungshaftpflicht abgeschlossen hat. Im Innenverhältnis hat Herr Wendt einen Anspruch gegen Frau Ehring auf Erstattung des geleisteten Schadensersatzes wegen Verletzung des Dienstvertrages. Beispiel 1. Fallvariante: Das Servieren verläuft reibungslos. Allerdings enthält der Mousse au Chocolat-Nachtisch Salmonellen. Mehrere der Jubiläumsgäste erkranken schwer.
13 Für alle: BGHZ 11, 80. 14 Die Behandlung dieser Institute erfolgt aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Rz. 736 ff. 15 Siehe zur Haftung für den Erfüllungsgehilfen auch Rz. 749 ff.
46
II. Grundlagen des Vertragsrechts
Teil B
Auch in diesem Fall haftet Herr Wendt auf Schadensersatz für den verursachten Mangelfolgeschaden (Arztkosten, Verdienstausfall etc.) Gemäß § 253 Abs. 2 Satz 2 BGB haftet Herr Wendt zusätzlich auf ein angemessenes Schmerzensgeld. Auch in diesem Fall haftet Herr Wendt aus dem Veranstaltungsvertrag mit seinem Kunden, kann aber Frau Ehring in Regress nehmen.
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Beispiel 2. Fallvariante: Das Buffet soll mit zwei Transportern angeliefert werden. Einer der Mitarbeiter von Frau Ehring verunfallt auf dem Weg zur Jubiläumsveranstaltung und schafft es nicht mehr rechtzeitig. Der andere Transporter kommt pünktlich beim Kunden an. Rösus lehnt auch den gelieferten Teil des Buffets ab.
In § 281 BGB ist der Schadensersatzanspruch des Gläubigers geregelt, wenn der Schuldner die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbracht hat. Fraglich ist, ob Herr Rösus den gelieferten Buffetteil annehmen muss und nur in Bezug auf den nicht gelieferten Teil Schadensersatz verlangen kann. Hier könnte Herr Rösus die Teilleistung gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückweisen und Schadensersatz verlangen, weil die Leistung (Lieferung eines Buffets) nicht oder nicht wie geschuldet erbracht worden ist. Das Fehlen der Hälfte des Buffets stellt eine erhebliche Pflichtverletzung iS des § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB dar. Herr Krösus durfte somit die Teilleistung zurückweisen.
165
Beispiel 3. Fallvariante: Rösus hat für die Jubiläumsfeier extra einen Saal gemietet. Das Buffet kommt aus den Gründen der Fallvariante 2 nur zum Teil geliefert. Herr Rösus weist die Teilleistung zurück und kann kurzfristig auch kein Ersatzbuffet bekommen. Daraufhin sagt er die Feier ab und verlangt von Wendt Erstattung der Raummiete.
Gemäß §§ 280 Abs. 1, 281, 284 BGB kann Rösus Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen verlangen. Rösus hat somit einen Anspruch gegen Wendt auf Erstattung der Raummiete.
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Beispiel 4. Fallvariante: wie Fallvariante 3, allerdings hätte die Feier sowieso ausfallen müssen, weil der Jubilar kurzfristig an Grippe erkrankt ist. Rösus will trotzdem die Raummiete ersetzt haben. Zu Recht?
Nein, Ersatz der nutzlos gewordenen Aufwendungen kann nicht verlangt werden, wenn der Zweck auch ohne Pflichtverletzung des Leistungsschuldners nicht erreicht worden wäre. Aufgrund der kurzfristigen Grippeerkrankung wäre die Feier also auch ohne die Pflichtverletzung des von Wendt beauftragten Cateringservices ausgefallen. Rösus kann somit die Raummiete nicht von I. Wendt ersetzt verlangen.
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4. Anfechtung eines Vertrages Eine bindende Willenserklärung kann unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend zurückgenommen werden. Dies geschieht durch die sog. Anfechtung (§§ 119–123 BGB). 47
168
Teil B
Event und Vertrag
Beispiel I. Wendt gibt einem Mitarbeiter den Auftrag, zwei neue Mobiltribünen für Open-Air-Konzerte zu bestellen. Der Mitarbeiter schreibt die Bestellung irrtümlich über zwölf Tribünen und gibt ein Fax auf. Kann Wendt die Bestellung anfechten oder ist er an die Bestellung seines Angestellten gebunden?
169
Wenn dem Erklärenden bei seiner Willenserklärung ein Irrtum unterläuft, kann dieser gemäß §§ 119 ff. BGB unter bestimmten Voraussetzungen diese Willenserklärung anfechten und damit vernichten. Hier unterscheidet man zwischen Inhaltsirrtum, Erklärungsirrtum und Eigenschaftsirrtum. § 119 BGB (1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtume war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. (2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
170
Ein Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1, 1. Alternative BGB liegt vor, wenn jemand bei Abgabe der Erklärung über deren Bedeutung oder Tragweite irrt.16
171
Ein Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1, 2. Alternative BGB liegt vor, wenn jemand sich bei der Abgabe der Erklärung verspricht, verschreibt, vergreift etc.17
172
Ein Eigenschaftsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende eine andere Vorstellung im Hinblick auf eine wesentliche Eigenschaft des Erklärungsgegenstandes hatte, § 119 Abs. 2 BGB (zB Material, Größe, Echtheit).
173
Gemäß § 120 BGB kann auch ein Fehler bei der Übermittlung zur Anfechtung berechtigen und wird wie ein Erklärungsirrtum behandelt.
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In allen diesen Fällen kann der Irrende das aufgrund des Irrtums zustande gekommene Rechtsgeschäft anfechten. Die Anfechtung muss gemäß § 121 BGB unverzüglich nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes erfolgen.
175
Im oben geschilderten Fall muss sich Wendt das Verhalten seines Angestellten zwar nach Stellvertretungsregeln zurechnen lassen, er kann aber, da ein Erklärungsirrtum vorlag, den Vertrag in Bezug auf die zehn zu viel bestellten Tribünen wegen Übermittlungsfehlers nach § 120 BGB anfechten. Damit gilt die Erklärung von vornherein als unwirksam. Allerdings ist die Anfechtung nicht immer ohne Risiko. Ist dem Unternehmen, dem gegenüber die Bestellung erteilt wurde, ein irgendwie gearteter Schaden durch die Anfechtung entstanden, muss Wendt diesen ersetzen, § 122 BGB.
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Eine Anfechtung ist nicht möglich, wenn ein sog. Motivirrtum vorliegt (zB: Herr Winn beteiligt sich als stiller Gesellschafter an der Eventagentur des I. Wendt, da er sich gute Umsätze erhofft, diese bleiben aber aus. Eine Anfechtung ist nicht möglich). 16 Palandt/Heinrichs, § 119 BGB Rz. 11. 17 Palandt/Heinrichs, § 119 BGB Rz. 10.
48
II. Grundlagen des Vertragsrechts
Teil B
Ferner ist die Anfechtung eines Rechtsgeschäftes möglich, das aufgrund arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung zustande gekommen ist (§ 123 BGB).
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Die Anfechtungsfrist beträgt dann gemäß § 124 Abs. 1 BGB ein Jahr nach Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund.
178
5. Anpassung und Beendigung von Verträgen Die ehemals von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage wurden durch die Schuldrechtsmodernisierung in § 313 BGB kodifiziert. Nach dieser Vorschrift können die Vertragsparteien Anpassung des Vertrages verlangen oder bei fehlender Anpassungsmöglichkeit vom Vertrag zurücktreten, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, derart verändern, dass einem oder beiden Vertragspartnern ein Festhalten an der Vereinbarung nicht zugemutet werden kann.
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Beispiel Ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wurde angenommen bei der Saalmiete für eine Vorstellung, wenn die Hauptdarstellerin erkrankt18 und bei dem Engagement von Musikern für eine Faschingsveranstaltung, die infolge des Golfkriegs, ausfällt.19
Die Frage, ob ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegt, kann im Einzelfall äußerst schwer zu beantworten sein. Vielfach kommt es bei der Beurteilung auf viele Faktoren an. Oft spielen Ereignisse eine Rolle, die von keiner der Vertragsparteien vorhergesehen oder beeinflusst werden konnten.20
180
Weiterhin wurde mit § 314 BGB eine Norm eingefügt, die die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund festschreibt. Auch dieser Rechtsgrundsatz war vor der Schuldrechtsnovelle bereits gewohnheitsrechtlich anerkannt.
181
6. Verjährung von Ansprüchen Unter Verjährung versteht man die Möglichkeit, eine Leistungsverpflichtung nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Frist zu verweigern. Das BGB kennt unterschiedliche Verjährungsfristen. Die einzelnen Fristen sind in den §§ 194 ff. BGB genau dargestellt und sollen hier nicht noch einmal aufgezählt werden.
182
Das Verjährungsrecht wurde im Rahmen der Schuldrechtsnovelle stark vereinfacht. Die Regelverjährungszeit beträgt nunmehr drei Jahre (vormals 30 Jahre!), § 195 BGB. Die Regelverjährung beginnt erst mit Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat
183
18 OLG Bremen, NJW 1953, 1393. 19 OLG Karlsruhe v. 15.5.1992 – 15 U 297/91, NJW 1992, 3176 (3177). 20 Siehe zu diesem Thema auch Rz. 762 ff.
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Teil B
Event und Vertrag
oder hätte ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen § 199 Abs. 1 BGB, spätestens aber 30 Jahre nach ihrer Entstehung, § 199 Abs. 2–4 BGB. 184
Allerdings sind einige Sondervorschriften zu beachten. So beträgt die Verjährung von Ansprüchen aus Kaufvertrag 2 Jahre (vor dem 1.1.2002 6 Monate!) ab Ablieferung der Sache, § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB. Bei einem Werkvertrag verjähren die Ansprüche idR 2 Jahre nach der Abnahme des Werks, § 634a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB.
185
Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber, dass der Schuldner sich im Falle eines etwaigen Zivilprozesses auf die eingetretene Verjährung berufen muss. Tut er dies nicht, wird er trotz Eintritt der Verjährung zur Zahlung verurteilt.
186
Wichtig ist außerdem, dass die Verjährung nur durch ernsthafte Verhandlungen oder den Erlass eines Mahnbescheides bzw. durch Klageerhebung gehemmt wird (§ 204 BGB). Allein die Zahlungsaufforderung durch einen Rechtsanwalt reicht für eine Hemmung der Verjährung nicht aus.
III. Allgemeine Geschäftsbedingungen 187
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen bei Abschluss eines Vertrages stellt, § 305 Abs. 1 BGB. Im normalen Sprachgebrauch werden allgemeine Geschäftsbedingungen oft auch als „das Kleingedruckte“ bezeichnet. Zu dessen Schutz trat daher zum 1.4.1977 das AGBG in Kraft. Im Rahmen der Schuldrechtsnovelle vom 1.1.2002 wurde das AGBG als eigenständiges Gesetz abgeschafft, und im Wesentlichen unverändert als §§ 305 ff. in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert.
188
Allgemeine Geschäftsbedingungen weichen häufig zum Nachteil des Verbrauchers von den allgemeinen Regelungen des BGB ab.
189
In der Praxis haben die AGB eine erhebliche Bedeutung. So ist der Einsatz von AGB rationeller als der Abschluss individuell ausgehandelter Verträge mit jedem einzelnen Kunden. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden auch, oder gerade im Veranstaltungsbereich vielerorts verwendet: – Ausgabe von Eintrittskarten bei Veranstaltungen aller Art, – Aushang von Hinweisschildern, – Vertragstext: ständiges Verwenden eines Formulars ohne Abänderungen, – Anhang/Anlage zu einem Vertrag (zB Allgemeine Agenturbedingungen), – Einzelne Klauseln, zB: „Für abhandengekommene Gegenstände übernimmt der Veranstalter keine Haftung.“
190
Gerade deswegen und aufgrund der Tatsache, dass sich heute bereits viele Eventagenturen als Dienst- bzw. Serviceleistungsbetriebe sehen, sollten Agenturen bewusst die Vorteile der Verwendung von AGB nutzen: – Rationalisierung und Vereinfachung des Agenturbetriebes, insbesondere bei der Abwicklung von Massengeschäften; 50
III. Allgemeine Geschäftsbedingungen
Teil B
– das Risiko der Agentur wird kalkulierbar und kann zB auf die Vertragspartner (zB Veranstalter, Mitglieder, Besucher, Zuschauer etc.) im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten übertragen werden (zB Vereinbarung eines Haftungsausschlusses); – maßgebende Vertragsinhalte können schnell verändert und angepasst werden (zB Vereinbarung neuer Preise); – alle Beteiligten werden über die Besonderheiten der angebotenen Leistungen informiert, so dass mit Vertragsabschluss kaum Zweifelsfragen aufkommen können. Voraussetzung dafür, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt Vertragsbestandteil werden, ist gemäß § 305 Abs. 2 BGB, dass die andere Vertragspartei ausdrücklich oder zumindest durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und dem anderen Vertragspartner die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Auftragsbedingungen, die – wie in vielen, auch großen Agenturen der Fall – in der Schublade liegen, haben gegenüber dem Vertragspartner keinerlei Geltung und sind daher sinnlos. Es muss daher im Interesse des Verwenders liegen, die AGB vor oder bei jedem Geschäftsabschluss beizufügen, um sich später auf dieselben berufen zu können.
191
Beispiel Ein Besucher eines Eishockeyspiels wird auf der Tribüne durch einen aus dem Spielfeld geschlagenen Puck verletzt. Als er anschließend den Veranstalter auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch nehmen will, weist dieser auf den Haftungsausschluss auf der Rückseite seiner Eintrittskarten hin. Ist der Veranstalter damit aus der Haftung entlassen?
Die Antwort lautet „nein“. Der Zuschauervertrag ist mit Aushändigung der Eintrittskarte bereits abgeschlossen.21 Somit ist der lediglich auf der Eintrittskarte aufgedruckte Haftungsausschluss nicht Vertragsbestandteil geworden. Der bloße Aufdruck eines Haftungsausschlusses oder einer Haftungsbeschränkung auf der Rückseite einer Eintrittskarte ist unwirksam, vgl. § 305 Abs. 2 BGB. Der Veranstalter haftet uneingeschränkt, wenn aufgrund unzureichend hoher Plexiglaswände eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt. Im obigen Fall wäre der Haftungsausschluss aber auch bei wirksamer Einbeziehung in den Vertrag unwirksam gewesen, denn seit der Schuldrechtsreform und der Neuregelung des § 11 Nr. 7 AGBG in § 309 Nr. 7a) BGB ist ein Haftungsausschluss für Schäden an Leben, Körper und Gesundheit sowieso nicht mehr möglich.22 Ansonsten reicht bei Veranstaltungen in der Regel ein gut sichtbarer Aushang „am Ort des Vertragsschlusses“ (zB vor dem Kassenhäuschen) für die Einbeziehung eines wirksamen Haftungsausschlusses aus. 21 AG Hamburg v. 15.5.1996 – 18a C 2434/95, NJW 1997, 1134; Güllemann, Veranstaltungsmanagement und Recht, 1. Teil, S. 78; Bartl, Reise- und Freizeitrecht, VI 2 b, S. 143. 22 Schumacher, Materielle Neuregelung im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, MDR 2002, 973 (978 ff.).
51
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Teil B
Event und Vertrag
193
Werden jedoch Vertragsinhalte oder sonstige Bedingungen einzeln mit einem Mitglied oder Mitarbeiter ausgehandelt, handelt es sich nicht mehr um AGB, sondern um einen individuell gestalteten Vertrag (zB Künstlervertrag).
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Der Gesetzgeber hat für alle Rechtsgeschäfte Folgendes festgelegt: – Überraschende Klauseln (mit denen der Kunde nicht rechnen konnte) werden nicht Vertragsbestandteil (§ 305c Abs. 1 BGB); – individuelle Abreden gehen vor (§ 305b BGB); – Auslegungszweifel gehen zu Lasten des Verwenders der AGB (§ 305c Abs. 2 BGB); – widersprechen sich die AGB zweier Vertragspartner, so bleibt der Vertrag gültig und richtet sich in den widersprüchlichen Punkten nach dem BGB (§ 306 BGB).
195
Klauseln, die diesen Anforderungen entsprechen, werden Vertragsbestandteil. Die Vertragsbestandteil gewordenen Bedingungen können immer noch nach den §§ 307 ff. BGB unwirksam sein.
196
Die §§ 308 und 309 BGB regeln einzelne unwirksame Klauseln, wobei die in § 309 BGB genannten Klauseln immer unwirksam sind, während die in § 308 BGB aufgeführten Klauseln einer Wertung bedürfen, dh. die Unwirksamkeit muss von Fall zu Fall festgestellt werden.
197
Gem. § 307 BGB, der sog. Generalklausel, sind Bestimmungen in den AGB immer dann unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
198
Unangemessen ist eine Benachteiligung im Zweifel immer dann, wenn die Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, 2. wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. Der BGH hat entschieden, dass eine Klausel in den Teilnahmebedingungen einer Messegesellschaft, die besagt, dass eine Ausstellerin „bis zu Beginn der Veranstaltung“ an das Vertragsangebot gebunden sei, die Ausstellerin unangemessen iS von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteilige und deshalb nichtig sei.23 Die Regelung in den Teilnahmebedingungen der Fachmesse, wonach die Messe die Annahme des Vertragsangebots bis zum Veranstaltungsbeginn erklären kann, hält der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht stand. Im Rahmen dieser Inhaltskontrolle kommt dem im Geschäftsverkehr mit Unternehmern gemäß § 310 Abs. 1 BGB nicht unmittelbar geltenden Klauselverbot des § 308 Nr. 1 BGB, wonach eine Bestimmung, durch die sich der Verwender ua. unange-
23 BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 f.
52
III. Allgemeine Geschäftsbedingungen
Teil B
messen lange Fristen für die Annahme eines Angebots vorbehält, Indizwirkung für eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners zu. Ein Aussteller, der bis zu Beginn der Messe darüber im Unklaren gelassen wird, ob sie ausstellen kann oder nicht, wird unangemessen benachteiligt. Denn der Aussteller muss rechtzeitig vor der Messe vorbereitende in der Regel Kosten verursachende Maßnahmen und Dispositionen treffen, die für den Fall der Nichtannahme des Angebots durch die Messegesellschaft vergeblich sind. Gegen dieses schutzwürdige Interesse des Ausstellers an einer ausreichenden Vorbereitungszeit und Planungssicherheit verstößt die Klausel, ohne dass dies durch ein entsprechendes Interesse der Messe gerechtfertigt wäre. Anstelle der unwirksamen Annahmefrist den Teilnahmebedingungen tritt somit gemäß § 306 BGB Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung des § 147 Abs. 2 BGB. Im entschiedenen Fall musste die Ausstellerin aufgrund des ihr unstreitig von der Messegesellschaft mit der Anmeldebestätigung vom 20.2.2003 übersandten Terminplans wissen, dass die Messegesellschaft die Zulassungserklärungen erst ab dem 23.6.2003 versenden würde. Da der Ausstellerin aufgrund ihrer früheren Teilnahme an der Fachmesse deren Größe bekannt war, musste sie auch damit rechnen, dass sich die Versendung der Zulassungserklärungen über mehrere Tage erstrecken und deren Zugang bis zu der dem Versendungsbeginn folgenden Woche dauern würde. Die Zeitspanne von drei Monaten bis zum Messebeginn Anfang Oktober 2003 war auch hinreichend lang, um der Ausstellerin eine angemessene Vorbereitung zu ermöglichen. Durch die am 2.7.2003 der Ausstellerin zugegangene Zulassungserklärung vom 26.6.2003 hat die Messegesellschaft die Annahmefrist gemäß § 147 BGB Abs. 2 BGB gewahrt. Damit ist zwischen den Parteien ein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen. Auch eine formularmäßige Abweichung von der Regelung des § 537 Abs. 2 BGB, dass der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet ist, solange der Vermieter den Gebrauch der Mietsache nicht gewähren kann, in den Teilnahmebedingungen der Messegesellschaft widerspricht nach Auffassung des BGH wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und hält deshalb einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand. Zweck des § 537 Abs. 2 BGB sei es, das Gleichgewicht zwischen den gegenseitigen Hauptleistungspflichten, nämlich der Gebrauchsüberlassung durch den Vermieter (§ 535 Abs. 1 BGB) und der Zahlung der Miete durch den Mieter (§ 535 Abs. 2 BGB), zu wahren. Der Mieter soll nach § 537 Abs. 2 BGB das ihm gemäß § 537 Abs. 1 BGB auferlegte Verwendungsrisiko dann nicht tragen, wenn der Vermieter nicht in der Lage ist, ihm den Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Durch den Ausschluss von § 537 Abs. 2 BGB wird die gesetzlich geregelte Rechtsstellung der Vertragsparteien und angemessene Verteilung des Vertragsrisikos unangemessen zum Nachteil des Mieters verändert. Aufgrund dieser Generalklausel gab es seit 1977 zahlreiche Urteile zu kundenschädlichen AGB. Die nachfolgenden Entscheidungen aus dem Bereich des Veranstaltungsrechts sollen einige der Verletzungstatbestände durch unzulässige AGB-Klauseln von Veranstaltern transparent machen. 53
199
Teil B
Event und Vertrag
Auf den Karten einer Konzertveranstalterin waren folgende AGB abgedruckt: 1. Bei Konzerten kann aufgrund der Lautstärke Gefahr von möglichen Hör- und Gesundheitsschäden bestehen. 2. Schadensersatzansprüche aus positiver Forderungsverletzung, Verschulden bei Vertragsschluss und unerlaubter Handlung sind ausgeschlossen, soweit der Veranstalter, sein gesetzlicher Vertreter oder sein Erfüllungsgehilfe nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben. 3. Wird die Veranstaltung abgesagt, so erhält der Karteninhaber den Eintrittspreis gegen Rückgabe der Eintrittskarte bei der Vorverkaufsstelle zurück, bei der er die Karte erworben hat. 4. Verlegung der Veranstaltung vorbehalten. Rücknahme der Karten bei Verlegung nur bis zum Tage vor dem endgültigen Veranstaltungstermin. Im Übrigen ist eine Rücknahme ausgeschlossen. 5. Vertragliche Beziehungen kommen durch den Erwerb der Eintrittskarte ausschließlich zwischen dem Erwerber und Inhaber der Eintrittskarte und dem Veranstalter zustande. Ein Verbraucherschutzverband wendete sich gegen eine weitere Verwendung der obigen Klauseln. Unabhängig davon, dass die AGB auf der Karte abgedruckt waren und somit nach oben vertretener Ansicht sowieso kein Vertragsinhalt mehr werden konnten, erachtete das Landgericht Dortmund die Klauseln aus folgenden Gründen für unwirksam:24 Bei Klausel 1 erblickte das Gericht einen Verstoß gegen die Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGBG (heute § 307 BGB). Zwar enthalte die Klausel keinen ausdrücklichen Haftungsausschluss iS von § 11 Nr. 7 AGBG (heute § 309 Nr. 7 BGB), erwecke aber beim Käufer den Eindruck, für etwaig erlittene Hör- und Gesundheitsschäden unabhängig von einem Verschulden des Veranstalters selbst verantwortlich zu sein. Auch bei Klausel 2 wurde ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 (heute § 307 Abs. 1 BGB) und darüber hinaus gegen Abs. 2 AGBG (heute § 307 Abs. 2 BGB) angenommen. Zwar seien Haftungsfreizeichnungen in Bezug auf leichte und einfache Fahrlässigkeit nach § 11 Nr. 7 AGBG (heute § 309 Nr. 7 BGB) grundsätzlich gestattet, allerdings würde durch die Klausel auch die Verkehrssicherungspflicht als Kardinalpflicht des Veranstalters berührt. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht bei Großveranstaltungen, die u.a. die Ausgestaltung der Örtlichkeit, die Zahl der zugelassenen Besucher, die Stärke des Ordnungspersonals und die Zahl der Sanitäter betrifft, reiche häufig leichte Fahrlässigkeit aus, um die Besucher erheblich zu gefährden. Somit benachteilige die Klausel den Vertragspartner unangemessen und gefährde gemäß § 9 Abs. 2 AGBG die Erreichung des Vertragszweckes.
24 LG Dortmund v. 24.11.1994 – 8 O 305/94, VuR 1995, 137 ff.
54
III. Allgemeine Geschäftsbedingungen
Teil B
Bei Klausel 3 erblickte das Gericht einen Verstoß gegen § 10 Nr. 3 AGBG (heute § 308 Nr. 3 BGB) und § 11 Nr. 7 und 8b AGBG (heute § 309 Nr. 7 und 8b BGB). Die Einräumung einer Vertragslösung ohne Angabe von Gründen stelle einen Verstoß gegen § 10 Abs. 3 AGBG dar. Auch die Begrenzung der Erstattungsansprüche auf den Eintrittspreis im Fall der Konzertabsage verstoße gegen § 11 Nr. 7 und 8b AGBG, weil mögliche Kosten für Anreise und nutzlos gewordene Übernachtungsmöglichkeiten danach nicht erstattungsfähig seien. Die Festschreibung eines Verlegungsrechtes in Klausel 4 sei ebenfalls unwirksam, weil der Besucher davon ausgehen darf, dass das Konzert an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Termin stattfindet. Ein erkennbares Interesse an der Verlegung sei vom Veranstalter nicht dargetan, so dass die Verlegung bei schlechter Erreichbarkeit oder Terminkonflikten dem Besucher gem. § 10 Abs. 4 AGBG (§ 308 Nr. 4 BGB) unzumutbar sei. Letztlich sei auch Klausel 5 gemäß § 9 Abs. 1 AGBG (§ 307 Abs. 1 BGB) unwirksam, da sie den Eindruck vermittele, etwaige Ansprüche aus Vertrag oder c. i. c. (heute in § 311 Abs. 2 und 3 BGB geregelt)25 gegenüber der Vorverkaufsstelle seien ausgeschlossen, und damit den Vertragspartner an der Wahrnehmung seiner Rechte unangemessen hindere. In ähnlicher Weise urteilte das Landgericht Hannover über folgende Klauseln: 1. Schadensersatzansprüche aus positiver Forderungsverletzung, Verschulden bei Vertragsschluss und unerlaubter Handlung sind ausgeschlossen, soweit der Veranstalter, sein gesetzlicher Vertreter oder sein Erfüllungsgehilfe nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben. 2. Zurücknahme der Eintrittskarte nur bei Absage der Veranstaltung. Es wird nur der Nennwert der Eintrittskarte erstattet, nicht die Vorverkaufsgebühr und sonstige Kosten. 3. Der Veranstalter behält sich das Recht vor, die Veranstaltung örtlich und/oder terminlich zu verlegen. Rückerstattungsansprüche aus obengenanntem Grund auf den Nennwert der Eintrittskarte besteht nur bis zum Konzerttermin. 4. Der Veranstalter behält sich das Recht vor, ohne vorherige Ankündigung das Vorprogramm zu ändern. 5. Der Veranstalter ist nicht für verloren gegangene oder gestohlene Sachen verantwortlich.
Die Klausel 1 entspricht der Klausel 2 in der oben dargestellten Entscheidung des LG Dortmund und wurde mit ähnlicher Begründung als unzulässig erachtet.26 Seit der Schuldrechtsreform sind derartige Haftungsbeschränkungen, soweit Körper, Gesundheit und Leben betroffen sind, generell nicht möglich.27 Die Klausel 2 erachtete das Gericht wegen § 11 Nr. 8b AGBG (heute § 309 Nr. 8b BGB) für unzulässig, weil der Besucher bei durch ihn nicht zu vertretender Nichtleistung auch die Möglichkeit haben muss, weiter gehenden Schadensersatz wie die Vorkaufsgebühr geltend zu machen. 25 Siehe dazu Rz. 745 ff. 26 LG Hannover v. 12.4.1994 – 14 O 35/94. 27 Schumacher, Materielle Neuregelung im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, MDR 2002, 973 (978 ff.).
55
200
Teil B
Event und Vertrag
Ähnlich wie bei Klausel 4 im ersten Fall, stellte das Gericht bei Klausel 3 auch hier einen Verstoß gegen den heutigen § 308 Nr. 4 BGB fest. Aufgrund derselben Vorschrift wurde auch Klausel 4 als unzulässig erachtet, denn der Besucher könne eine Veranstaltungskarte auch gerade wegen des Vorprogramms oder der Vorgruppe erwerben. Insbesondere die sog. special guests seien für die Besucher manchmal interessanter als die Hauptgruppe. Schließlich wurde auch die Klausel 5 vom Gericht als unwirksam angesehen, da der Veranstalter gemäß § 11 Nr. 7 AGBG bei bewachter Garderobe sowohl für die sorgfältige Auswahl des Garderobenpersonals als auch für deren Verhalten bei grober Fahrlässigkeit haften muss (heute in § 309 Nr. 7b BGB geregelt). Die Berufung des Veranstalters zum OLG Celle hatte keinen Erfolg.28
" Praxistipp: Die Verwendung von AGB zwischen Eventagentur und Kunde
ist zweckmäßig und verkürzt die verwendeten Individualverträge, da immer wiederkehrende Fragen zu Bereichen wie: Zahlungsmodalitäten, Künstlersozialabgaben, GEMA-Gebühren etc. gegenüber allen Kunden einheitlich und unmissverständlich über eine entsprechende AGB geregelt werden können. Die Verwendung von AGB zwischen Veranstalter und Besucher gestaltet sich schwieriger. Der Aufdruck von Haftungsbeschränkungen auf der Eintrittskarte ist in aller Regel unwirksam. Der aufmerksame Veranstalter sollte durch deutlich sichtbare Aushänge erreichen, dass seine Haftung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften beschränkt wird.
IV. Vertragsarten 201
Der Kaufvertrag ist nur eine von vielen Vertragsarten, die im BGB geregelt sind. Die Vertragsarten lassen sich grob in Veräußerungsverträge (zB Kaufvertrag), Betätigungsverträge (zB Dienstvertrag) und Überlassungsverträge (zB Mietvertrag) unterteilen. Nachstehend werden die wichtigsten Vertragsarten charakterisiert: Abb. 8: Vertragsarten im Bürgerlichen Gesetzbuch Vertragsart
Vertragsinhalt
Rechtsgrundlage
Kaufvertrag
Veräußerung von Sachen oder Rechten gegen Bezahlung (zB Kauf einer neuen Lichtanlage)
§§ 433 ff. BGB
Darlehensvertrag
Überlassung eines Geldbetrages gegen verzinste §§ 488 ff. BGB Rückerstattung (zB Kredit)
Mietvertrag
Überlassung von Sachen zum Gebrauch gegen Mietzins (zB Anmietung eines Festzeltes)
Pachtvertrag
Überlassung von Sachen zum Gebrauch und zur §§ 581 ff. BGB „Fruchtziehung“ (zB Pacht eines Fischteiches)
28 OLG Celle v. 7.12.1994 – 13 U 78/94, NJW 1995, 890.
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§§ 535 ff. BGB
Teil B
IV. Vertragsarten Vertragsart
Vertragsinhalt
Dienstvertrag
Leistung von Diensten oder Arbeit gegen Entgelt §§ 611 ff. BGB (zB Anstellung von Ordnern oder Servicekräften)
Rechtsgrundlage
Werkvertrag
Herstellung einer Sache oder Herbeiführung ei- §§ 631 ff. BGB nes bestimmten Erfolges (zB Reparatur oder Bau einer Veranstaltungsstätte)
Reisevertrag
Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen (zB Incentive-Reise)
§§ 651a ff. BGB
Diese Vertragsarten sind jedoch lediglich gesetzliche Mustervorgaben. Jeder der einzelnen Vertragstypen verfügt über seine Besonderheiten. Dies äußert sich insbesondere in den jeweiligen Gewährleistungsrechten (Nacherfüllung, Rücktritt, Kündigung, Minderung, Selbstvornahme, Schadensersatz). Viele der in der Praxis existierenden Vertragsformen sind Mischverträge, die nicht dem einen oder anderen Vertragstyp allein zugeordnet werden können, sondern Elemente verschiedener Vertragstypen verbinden. Gerade im Eventbereich existieren Vertragstypen, die sich nicht in das vom Gesetz vorgegebene Vertragskorsett pressen lassen. Solche Verträge nennt man gemischttypische Verträge. Obwohl diese Verträge nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt sind, sind sie gleichwohl zulässig, da im Vertragsrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit herrscht. Es ist also möglich, im Rahmen der gesetzlichen Erlaubnisse (Verträge, die gegen gesetzliche Verbote verstoßen, sind nach § 134 BGB, sittenwidrige Verträge nach § 138 BGB nichtig) immer neue Vertragsarten zu entwickeln.
202
Der Betrieb einer Eventagentur erfordert den Abschluss einer Reihe von Verträgen. Schon bei Gründung in der Rechtsform der Gesellschaft muss ein Gesellschaftsvertrag erstellt werden. Die Anmietung von Agenturräumen macht einen Mietvertrag erforderlich. Mit Angestellten werden Arbeitsverträge abgeschlossen. Für einen bevorstehenden Angelwettbewerb wird ein Fischteich gepachtet. Für das Abschlussfeuerwerk einer Open-Air-Veranstaltung wird ein Werkvertrag mit einem Feuerwerker abgeschlossen. Nachfolgend sollen einige der Verträge näher behandelt werden, die bei der Organisation von Events eine besondere Rolle spielen.
203
1. Der Konzert- oder Aufführungsvertrag Konzerte sind wieder in, die Szene boomt. Wegen sinkender CD-Verkäufe und illegaler Musikdownloads (im Jahre 2003 waren es 600 Mio. Titel, 2006 immer noch 374 Mio. Titel) feiern die klassischen Konzertveranstaltungen eine Renaissance. Pro legal bezahlten Musikdownload gibt es derzeit immer noch 14 illegale. Altrocker wie Police, The Who, Genesis (Letztere nach Angaben des größten europäischen Ticket-Vermarkters und Entertainmentkonzerns, der Münchner CTS Eventim, mit 100 000 per Internet verkauften Karten an einem Tag) und Led Zeppelin (es gab für dieses Comeback-Konzert in der Londoner O2-Arena 20 Millionen Interessenten, die an der Internetauslosung für 18 000 57
203a
Teil B
Event und Vertrag
Karten teilnahmen) kehren aus der Rente zurück, US-Diva Barbara Streisand verlangt 550 Euro pro Konzertkarte. Im Jahr 2006 setzte die Phonobranche in Deutschland nur noch 1,7 Milliarden Euro um, 2,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Dagegen wird die Musikkonzertbühne mit ca. 200 000 Beschäftigten bundesweit und einem Umsatz von geschätzten 3 Milliarden Euro im Jahr 2007 immer mehr zum dominierenden Faktor der Musikbranche. Die Zuwächse liegen seit 2004 im zweistelligen Prozentbereich. 204
Ein Konzertvertrag- oder Aufführungsvertrag wird zwischen dem Veranstalter und den auftretenden Musikern und/oder Künstlern abgeschlossen. Bei Darbietungen musikalischer Art wird der Begriff Konzertvertrag verwendet, geht es um nicht-musikalische Leistungen spricht man von einem Aufführungsvertrag. Inhalt eines derartigen Vertrages ist die Erbringung einer künstlerischen Leistung gegen entsprechende Bezahlung.
205
Über die Rechtsnatur des Konzert- bzw. Aufführungsvertrages besteht Uneinigkeit. Eine Meinung in Literatur und Rechtsprechung ordnet den Konzert- bzw. Aufführungsvertrag teilweise in die Gruppe der selbständigen Dienstverträge ein.29 Andere beurteilen ihn als Werkvertrag,30 wenn eine bestimmte künstlerische Wertschöpfung (Aufführung) geschuldet wird.
206
Oft ist die Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkverträgen schwierig zu treffen, denn die Grenzen zwischen diesen beiden Vertragsarten sind häufig fließend, die Rechtsfolgen aber ganz unterschiedlich. So ist beispielsweise beim Vorliegen eines Dienstvertrages auch bei der Schlechtleistung die Vergütung nicht zurückzuzahlen, sondern sie ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten (§ 614 BGB). Der Vertragspartner ist hier auf die Wahrnehmung seiner Kündigungsrechte angewiesen, währenddessen er nach dem Werkvertragsrecht Rücktritt, Nacherfüllung, Minderung, und Schadensersatz bzw. Aufwendungsersatz (§§ 633 ff. BGB) geltend machen kann.
207
Der Dienstvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, durch den der eine Teil zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet wird, § 611 ff. BGB. Inhalt des Dienstvertrages können Dienste jeder Art sein. Unerheblich ist, ob es sich um einmalige oder auf Dauer angelegte Tätigkeiten handelt.
208
Beim Dienstvertrag schuldet der Dienstverpflichtete – seine Arbeitskraft, – aber keinen bestimmten Arbeitserfolg.
209
Neben den dienstvertraglichen Hauptleistungspflichten sind auch Nebenpflichten gegeben, die neben die Hauptleistungspflichten treten und deren schuld29 BSG v. 29.11.1990 – 7 RAr 140/89, BB 1991, 1270; AG Soest v. 23.6.1995 – 3 C 329/95, NJW 1996, 1144; AG Ludwigslust v. 18.11.2003 – 3 C 473/03, NJW 2005, 610; Staudinger /Riedel, vor § 631 Rz. 7; Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 8 Rz. 29. 30 OLG Karlsruhe, VersR 1991, 193; Palandt/Sprau, Ergänzungsband, Einf. zu § 631 BGB, Rz. 25; Münchener Kommentar.BGB/Soergel, § 631 BGB Rz. 57.
58
IV. Vertragsarten
Teil B
hafte Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen. Hierzu zählen insbesondere Treue- und Fürsorgepflichten, Obhuts- und Auskunftspflichten sowie Verschwiegenheitspflichten. Innerhalb des Dienstvertragstyps unterscheidet man zwischen selbständigen und unselbständigen Dienstverträgen.
210
Beim selbständigen Dienstvertrag führt der Verpflichtete die Tätigkeit selbständig und eigenverantwortlich aus (zB Rechtsanwälte, frei praktizierende Ärzte etc.).
211
Ein unselbständiger Dienstvertrag liegt vor, wenn der Dienstverpflichtete in das Unternehmen des Berechtigten eingegliedert ist und in weitem Umfang dessen Weisungen unterworfen ist (zB Büroangestellter, Bühnenarbeiter, Sekretärin). Diese Art von Dienstverträgen nennt man Arbeitsvertrag.31
212
Beim Werkvertrag verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines bestimmten Werkes und der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung, § 631 Abs. 1 BGB. Inhalt des Werkvertrages ist gemäß § 631 Abs. 2 BGB entweder die Herstellung bzw. Veränderung einer Sache (zB die Anfertigung einer Spezialtribüne) oder jeder andere durch Arbeit oder Dienstleistung zu erbringende Erfolg (zB Planungsleistung einer Agentur, Regie bei einer Aufführung32).
213
Eine Besonderheit des Werkvertrages, die diesen vom Dienstvertrag unterscheidet, ist die sog. Abnahme. Nach § 640 Abs. 1 BGB ist der Besteller verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte, dh. das mangelfreie Werk, abzunehmen. Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller gemäß § 634 BGB Nacherfüllung, Selbstvornahme, Rücktritt oder Minderung und Schadensersatz bzw. Aufwendungsersatz wählen. IdR setzt der Besteller dem Unternehmer eine Frist zur Beseitigung des Mangels und droht für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der Frist die Ablehnung der Werkleistung an. Mit der Abnahme erkennt der Besteller das Werk als vertragsgemäß an und die vereinbarte Vergütung wird fällig, § 641 BGB. Wegen der besonderen Beschaffenheit des Werkes kann eine Abnahme ausgeschlossen sein, da das Werk in diesem Fall nicht abnahmefähig ist. Dies ist beispielsweise im Bereich der Theateraufführungs- oder Konzertverträge der Fall, wenn eine bloße Anerkennung des Werkes nach der Verkehrssitte unüblich, weil sinnlos ist.33 Hier gilt lediglich § 646 BGB, bei dem die Vollendung des Werkes die Abnahme ersetzt. Bis zur Vollendung des Werkes kann der Besteller den Vertrag jederzeit kündigen (§ 649 Satz 1 BGB), bleibt für diesen Fall aber in vollem Umfang zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der Unternehmer muss sich aber die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, § 649 Satz 2 BGB.
214
31 Auf das Arbeitsrecht und arbeitsrechtliche Verträge wird in Rz. 895 ff. näher eingegangen. 32 KG v. 18.11.1998 – 11 U 3092/98, MDR 1999, 538. 33 Palandt/Sprau, Ergänzungsband, § 640 Rz. 4; OLG Düsseldorf v. 29.4.1993 – 18 U 260/92, NJW-RR 1994, 1122.
59
Teil B
Event und Vertrag
215
Die systematische Einordnung des Konzert-/Aufführungsvertrages als Dienstoder Werkvertrag führt nicht immer zu unterschiedlichen Ergebnissen. In der Veranstaltungsbranche wird die Klassifizierung als Werkvertrag aufgrund der werkvertraglichen Sonderregelungen in Bezug auf Gewährleistungsrechte und jederzeitiges Kündigungsrecht praxisnäher umzusetzen sein. Der Konzert-/Aufführungsvertrag ist daher als Werkvertrag zu qualifizieren.
216
Bei der Ausarbeitung eines Konzert-/Aufführungsvertrages sollten folgende Inhalte berücksichtigt werden: – Bezeichnung der Vertragsparteien, – Veranstaltungsort/-termin, – Höhe der Gage, – öffentlich-rechtliche Genehmigungen, – Verantwortung für Bühne, Tribünen, PA, Equipment etc., – Regelung bei Veranstaltungsausfall, – Regelungen über Veranstaltungswerbung, Pressemitteilungen, Sponsoren etc., – Spesenregelungen in Bezug auf Künstler und Crew (Anreise, Unterbringung, Verpflegung etc.), – Erlaubnis zur Ton-, Videoaufzeichnung/Verwertung derselben, – Zusatzvereinbarungen (zB Bühnenanweisung, Zugaberegelung), – steuerrechtliche Fragen, – Künstlersozialabgabe.
217
Den Veranstalter eines Konzerts oder einer ähnlichen Veranstaltung (zB Düsseldorfer Medien Nacht, Rock am Ring, Bizarre Festival etc.) trifft als vertragliche Hauptleistungspflicht die Verantwortung für die Durchführung des Events und die Schaffung der organisatorischen und technischen Voraussetzungen. Sollte eine Halle, ein Platz oder ein Freiluftgelände gemietet oder gepachtet werden, ist wiederum der Veranstalter die verantwortliche Person. Der Vermieter (oft die öffentliche Verwaltung: Gemeinde, Land oder Bund) stellt lediglich die Halle oder das Gelände zur Verfügung und regelt die Modalitäten über Satzung, Mietverträge und Mietbedingungen.34
218
Der Veranstalter ist idR auch verantwortlich für Werbung, Wahrung der gesetzlichen und – falls vorhanden – behördlichen Auflagen, den Verkauf der Karten und die Obhut über eingebrachte Gegenstände (zB Instrumente, Bandequipment etc.). Außerdem ist er für die Sicherheit der Künstler verantwortlich, sofern der Künstler keine eigenen Bodyguards stellt (wie beispielsweise Michael Jackson). Auch der Ausfall der Veranstaltung, der auf Umstände in der Sphäre des Veranstalters zurückzuführen ist (zB Wetterbedingungen bei Open Air Festival), entbindet den Veranstalter nicht von seiner Pflicht zur Zahlung der Künstlergagen. Hier besteht die Möglichkeit zur versicherungstechnischen Absicherung.35 34 Fischer/Reich, § 10, Rz. 65; siehe dazu auch Rz. 293 ff. und 630 ff. 35 Siehe dazu Rz. 841 ff.
60
IV. Vertragsarten
Teil B
Der Künstler schuldet seine künstlerische Leistung. Bei musikalischen Darbietungen wird der Begriff des „konzertmäßigen Auftritts“ verwendet.36 Damit ist die eigenbestimmte, weisungsunabhängige künstlerische Leistung durch Darbietung eines vorher einstudierten Programms gemeint, auf dessen Inhalt und Gestaltung der Veranstalter keinen Einfluss nehmen kann. Allerdings hat der verpflichtete Künstler neben der Hauptleistung (Konzert-/Aufführungsdarbietung) die Verantwortung für pünktliches Erscheinen und die Erkrankung von Band-/Orchester- oder Ensemblemitgliedern. Auch hier besteht jedoch die Möglichkeit der versicherungsrechtlichen Abdeckung der Risiken.37
219
Wird der Künstler oder die Künstlergruppe nicht für eine einzelne Veranstaltung, sondern für eine Serie von Konzerten oder Aufführungen engagiert, spricht man von einem sog. Tourneevertrag.
220
In der Praxis bedient sich ein Tourneeveranstalter oft der Hilfe von lokalen Veranstaltern, um eine reibungslose Abwicklung der Veranstaltung vor Ort zu gewährleisten. Bei dieser Konstellation tritt der lokale Veranstalter in der Regel als Stellvertreter des Tourneeveranstalters auf. Im Innenverhältnis werden die Veranstaltungsrisiken im Verhältnis zu den jeweiligen Kosten unter den Vertragsparteien aufgeteilt. Dabei trägt normalerweise der Tourneeveranstalter die sog. Produktionskosten, der lokale Veranstalter die sog. Durchführungskosten.
221
Beispiel Nach einer Entscheidung des OLG Oldenburg ist ein Konzertveranstalter nicht berechtigt, einen Konzertvertrag mit dem Künstler zu kündigen, wenn die vermittelnde Gastspieldirektion die zugesagten Plakate nicht an ihn liefert. Kündigt er trotzdem, muss er Schadensersatz iH der vereinbarten Gage zahlen.38
Produktionskosten sind die Kosten, die im Hinblick auf den jeweiligen Künstler aufgewendet werden müssen, um die Veranstaltung auf der Bühne „zu produzieren“. Zu den Produktionskosten gehören die Künstlergagen einschließlich Steuern und Sozialabgaben, dessen Unterbringung und Verpflegung sowie die Kosten für die Bühnenausstattung (zB PA etc.).
222
Die Durchführungskosten beinhalten die Kosten, die für die Organisation vor Ort entstehen.
223
Die genaue Regelung der Kostenverteilung sollte in der vertraglichen Vereinbarung zwischen den verschiedenen Veranstaltern detailliert aufgeführt sein, um spätere Kostenstreitigkeiten zu vermeiden.
224
Verschiedentlich werden bei Veranstaltungen keine festen Vergütungen zwischen Künstler und Veranstalter vereinbart. In diesen Fällen bekommt der Künstler zunächst den gesamten Veranstaltungserlös, ist aber verpflichtet, den Veranstalter durch Zahlung eines pauschal vereinbarten Prozentsatzes am Umsatz zu beteiligen und ihn damit für seine organisatorische Leistung zu ent-
225
36 BSG v. 29.11.1990 – 7 RAr 140/89, BB 1991, 1270. 37 Siehe dazu Rz. 841 ff. 38 OLG Oldenburg v. 21.11.2000 – 12 U 44/00.
61
Teil B
Event und Vertrag
lohnen (sog. Prozentdeal). Bei dieser Konstellation trägt allerdings der Künstler und nicht der die Veranstaltungsleistung erbringende Eventorganisator das Veranstaltungsrisiko. 226
Häufig wird die prozentuale Aufteilung der Veranstaltungseinnahmen mit der Zahlung einer festgelegten Garantiesumme (ähnlich wie im Bereich der Lizenzverträge) kombiniert. Ähnliche Vereinbarungen werden zwischen einem Tourneeveranstalter, dem der Gesamtumsatz zusteht, der aber auch das volle Veranstaltungsrisiko trägt, und dem lokalen Veranstalter geschlossen, der für seine organisatorische Leistung eine prozentuale Umsatzbeteiligung erhält.
227
Häufiger ist es der Fall, dass das Veranstaltungsrisiko zwischen den Kooperationspartnern im Verhältnis zur prozentualen Beteiligung am Umsatz aufgeteilt wird. Diese Art der Vereinbarung wird sowohl im Verhältnis Künstler – Veranstalter als auch im Verhältnis Tourneeveranstalter – lokaler Veranstalter praktiziert. Beispiel Ein Konzertveranstalter hatte für ein Oldie-Festival zwei separate Bandverträge mit zwei Musikgruppen abgeschlossen. Aufgrund eines Todesfalls fiel eine der beiden Gruppen aus. Nach Auffassung des Amtsgerichts Lünen durfte der Konzertveranstalter der anderen Band nicht aus wichtigem Grund kündigen und haftete der zweiten Band aufgrund unberechtigter Kündigung auf Schadensersatz iH der vereinbarten Gage.39
2. Der Künstler- oder Engagementvertrag 228
Inhaltlich entspricht der Künstler- oder Engagementvertrag weitgehend dem bereits behandelten Konzert- und Aufführungsvertrag. Gegenstand ist die entgeltliche Verpflichtung eines Künstlers. Allerdings muss die Vertragspartei des Künstlers – anders als beim Konzert-/Aufführungsvertrag – nicht der Veranstalter selbst sein. Häufig werden die Künstler durch Agenturen verpflichtet und an Veranstalter weiter vermittelt.40
229
Die herrschende Meinung wertet den Künstler-/Engagementvertrag als Werkvertrag gemäß §§ 631 ff. BGB.41 Anderes gilt nur dann, wenn die Verträge der Künstler lediglich die Mitwirkung an einer Aufführung regeln. Dann handelt es sich um einen Dienstvertrag.42 Im Künstlervertrag werden die Rechtsbeziehungen zwischen einem ausübenden Künstler und einem Auftraggeber (zB einer Eventagentur oder einem Veranstalter) geregelt. Ausübender Künstler im Sinne des § 73 UrhG ist, wer ein literarisches oder musikalisches Werk vorträgt 39 AG Lünen v. 24.8.2000 – 7 C 117/00. 40 Siehe dazu Rz. 233 ff. 41 OLG Karlsruhe, VersR 1991, 193; OLG München, NJW-RR 2005, 616; OLG Köln v. 20.5.1994 – 19 U 262/93, OLGReport 1994, 221; Güllemann, S. 20; Palandt/Sprau, Einf. vor § 631 BGB Rz. 29; für einen Dienstvertrag wenig überzeugend AG Ludwigslust v. 14.10.2003 – 3 C 473/03 und darauf Bezug nehmend Poser, Musikwoche 12/2005; AG Soest, NJW 1996, 1144. 42 Palandt/Sprau, Einf. vor § 631 BGB, Rz. 29; Münchener Kommentar.BGB/MüllerGlöge § 611 BGB Rz. 136.
62
IV. Vertragsarten
Teil B
oder aufführt oder bei dem Vortrag oder der Aufführung eines Werkes künstlerisch mitwirkt. Es kann sich um das eigene Werk des Künstlers oder um ein fremdes Werk handeln. Die Darbietungen können direkt vor Publikum oder mittelbar durch alsbaldige technische Übertragung oder Livesendung stattfinden oder auf Wiedergabevorrichtungen (Bild-, Tonträger, audiovisuelle Medien) aufgenommen und vom Auftraggeber in dieser Form verbreitet und wahrnehmbar gemacht werden. Die für das anschließend abgedruckte Künstlervertragsmuster43 gewählte Rechtsform des Werkvertrages ist nur eine Gestaltungsmöglichkeit und befasst sich in erster Linie mit der Regelung der dem ausübenden Künstler entstehenden Leistungsschutzrechte (§§ 73 ff. UrhG).44 Ein Künstlervertrag ist formlos wirksam, kann somit auch in mündlicher Form abgeschlossen werden. Wichtigste Vertragsbestandteile sind Art (Kunstgattung und Kunstfach), Ort und Zeit der Leistung. Hauptleistungspflicht des Künstlers ist die versprochene Darbietung, der Auftraggeber muss die vereinbarte Vergütung zahlen. Wird der Künstler vertraglich verpflichtet, bei Aufführungen mitzuwirken, die von den Medien ausgestrahlt werden, wird idR eine Zusatzvergütung vereinbart.
230
Wichtiger Bestandteil eines Künstlervertrages ist in der Regel auch der sog. Artist Rider oder Technical Rider. In diesen, in der Regel als Anlage zum eigentlichen Künstlervertrag, beigefügten Dokumenten werden technische Anforderungen, Beleuchtungshinweise, Verpflegungsauflagen und Sonderwünsche der Künstler aufgelistet. Die Erfüllung dieser detaillierten Listen sollte keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden. Künstler sind sensible Menschen und möchten im Hinblick auf ihre kreativen und manchmal auch exzentrischen Wünsche ernst genommen werden. Das Wohlbefinden eines Künstlers ist für das Gelingen seines Auftritts oft von essentieller Bedeutung. Um dies zu verdeutlichen, führen wir an dieser Stelle ein paar der Sonderwünsche einiger bedeutender Künstler und Bands auf:
230a
Amy Winehouse: Neben mehreren Flaschen Wein verlangt sie eine große Flasche Wodka, einen Kasten Bier und eine Flasche Schampus im Ankleideraum. Dazu drei „good quality HOT pizzas“. Foo Fighters: Die Künstler wollen ihren Umkleideraum nicht mit anderen Musikern teilen müssen, abgesehen von Supergrass, Oasis oder vielleicht Led Zeppelin. An anderer Stelle wendet sich der Artist Rider an den Leser: „Lieber Leser, dieser Text beinhaltet die Dinge, die die Band wie einen sprichwörtlichen Hurrikan rocken lassen! Streng dich an, die folgende Liste zu besorgen!“. Dann steht in Großbuchstaben der Satz: „Dave likes stinky cheese!“ Jennifer Lopez: In einem weißen Raum als Garderobe wünscht sie sich weiße Blumen und Kerzen auf einem weißgedeckten Tisch und ein weißes Sofa.
43 Siehe M 6. 44 Siehe dazu auch Rz. 1014 ff.
63
Teil B
Event und Vertrag
Mariah Carey: Champagner und Strohhalme. Außerdem braucht sie einen Assistenten, der ihre benutzten Kaugummis entsorgt. Marilyn Manson: Ließ sich auf einer seiner letzten Tour Gummibärchen, Tortilla-Chips, Mikrowellen-Popcorn, Diät-Cola, Light-Milch und eine Flasche Absinth in sein Backstage-Zimmer kommen. Paul McCartney: Mag es grün im Backstage-Raum: Neben sechs Bodenpflanzen und zwei normalen Zimmerpflanzen wünscht er sich folgende, von einem „renommierten Floristen“ angerichtete Privat-Gartenschau: „Weiße CasablancaLilien“, zudem rosa und weiße Rosen, ein „Wildblumen-Arrangement“ und Freesien. Auch ansonsten zeigt sich der Vegetarier erdverbunden: Fleisch ist im gesamten Backstage-Bereich verboten, lederbezogene Sitze in der StretchLimo auch. Rolling Stones: Benötigen auf jeder Tournee Fernseher, Farbpinsel und einen Billardraum mit bestimmten Abmessungen (den Billardtisch bringen sie selber mit). Sie verlangen außerdem, dass das Reinigungspersonal einen Staubsauger besitzt und diesen auch benutzt. 230b
Bei der Verpflichtung mehrerer Künstler für ein Konzert oder Festival muss beachtet werden, dass bei der Bewerbung auf Vorgaben der Künstler hinsichtlich der Größe der Band- und Künstlernamen geachtet wird. In der Praxis streiten sich die Künstler häufig um die Position des Headliners. Als Headliner bezeichnet man heute zumeist den bekanntesten Künstler oder die bekannteste Gruppe unter denjenigen, die bei einem Konzert oder Festival auftreten. Der Ausdruck rührt daher, dass diese Künstler oder Gruppen auf Plakaten meist in der Überschrift genannt werden, weil sie die meisten Zuschauer anziehen. Im Regelfall spielt der Headliner am Ende des Konzerts und hat die längste Spielzeit zur Verfügung.
231
Die Kündigung eines festen Engagements für mehrere Auftritte ist nur aus wichtigem Grund möglich. Ein wichtiger Grund kann in einem vom Künstler zu vertretenden groben Vertrauensmissbrauch oder in einer gröblichen Gefährdung des Vertragszweckes liegen, wenn hierdurch die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so schwer erschüttert wird, dass vom Auftraggeber ein Festhalten am Engagement nicht erwartet werden kann.
232
Ein wichtiger Grund liegt nach Auffassung des OLG Köln nicht schon dann vor, wenn die engagierte Künstlertruppe mit dem Namensbestandteil „Blamage“ als Höhepunkt ihrer Varieté-Nummer „Der Alptraum des Bocuse“ eine Entkleidungsszene aufführt, bei welcher ein Artist auf einer Nudelrolle balancierend und mit Küchenartikeln jonglierend sich bis auf die Schürze vollständig entkleidet und am Ende der Aufführung einen Handstand vollführt.45 Eine Verspätung von 2 1/ 2 bis 3 Stunden zu einem öffentlichen Auftritt rechtfertigt nach Ansicht des BGH und des OLG Stuttgart angesichts der damit verbundenen Ärgernisse des Veranstalters und der Besucher eine fristlose außerordent45 OLG Köln v. 20.5.1994 – 19 U 262/93, OLGReport 1994, 221 ff.
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Teil B
IV. Vertragsarten
liche Kündigung des Werkvertrags46 und einen Rücktritt nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Regelungsinhalt bei Künstlerverträgen: – Bezeichnung der Vertragsparteien – Auftrittsort – Auftrittstermin – Honorarhöhe, -fälligkeit – Steuerfragen, Künstlersozialabgabe – Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten – Technische Anforderungen, Sonderwünsche, – Veranstaltungsausfall, -verschiebung – Verhinderung des Künstlers/TV-Klausel – Urheber-, Leistungsschutzrechte (Fotos, Video, Ton) – Werbung, Presse – Anlagen: Technical Rider, Bühnenanweisung
u
Werkvertrag mit ausübendem Künstler
M6
Künstlervertrag zwischen der EvilVents GmbH nachstehend „Auftraggeber“ genannt und … nachstehend „Künstler“ genannt wird folgender Werkvertrag geschlossen. Der Vertrag ist in zwei gleichlautenden Ausfertigungen von den Vertragschließenden zur Bekundung ihres Einverständnisses unterschrieben. Jede Vertragspartei hat eine Ausfertigung erhalten. § 1 Vertragsgegenstand Gegenstand dieses Vertrages ist die Übernahme der nachgenannten Tätigkeit: … § 2 Aufgaben des Künstlers (1) Der Künstler wird die ihm übertragene Tätigkeit gewissenhaft und künstlerisch einwandfrei unter Beachtung der gegebenenfalls in der Anlage zu diesem Vertrag aufgestellten Richtlinie werkgerecht ausführen. (2) Der Künstler wird die Tätigkeit in enger Verbindung mit dem Auftraggeber und gegebenenfalls nach dessen Anweisungen, auch hinsichtlich des Ortes, des Zeitpunktes, der Art der Darbietung einschließlich ihrer etwaigen Aufzeichnung, 46 BGH v. 12.9.2002 – VII ZR 344/01, MDR 2003, 24; OLG Stuttgart v. 11.7.2006 – 10 U 66/06, OLGReport 2006, 773 f.
65
Teil B
Event und Vertrag
durchführen. Der Künstler wird dem Auftraggeber jederzeit Auskunft über den Stand der Tätigkeit erteilen. (3) Im Falle der Aufzeichnung der Darbietung auf Bild- und/oder Tonträger hat der Künstler die Tätigkeit im Rahmen des Aufzeichnungsvorganges so lange und so oft zu erbringen, wie dies der Auftraggeber oder dessen Beauftragter bis zur Vollendung der Aufzeichnung für erforderlich hält. (4) Abweichungen von dem Auftrag bedürfen der Einwilligung des Auftraggebers. Ist eine Einigung hierüber nicht möglich, kann der Auftraggeber, unbeschadet der weitergehenden Ansprüche, den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen und die Tätigkeit selbst oder durch Dritte auf Kosten des Künstlers in die vertragsgemäße Gestaltung umarbeiten und ergänzen. § 3 Rechtseinräumung (1) Entsprechend dem Vertragszweck überträgt der Künstler dem Auftraggeber alle in seiner Person an der Darbietung sowie an den Aufzeichnungen hierzu etwa entstehenden Leistungsschutzrechte sowie alle sonstigen übertragbaren Rechte und Ansprüche und erteilt die Einwilligung zur beliebigen Nutzung des etwaigen Rechts des Künstlers am eigenen Bild im Zusammenhang mit der Darbietung und deren Verwertung. Ferner räumt der Künstler etwa entstehende Nutzungsrechte für alle bekannten Nutzungsarten (Verwertungsformen) zur beliebigen, auch wiederholten Auswertung, treuhänderischen Verwaltung und Wahrnehmung jetzt schon für den Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entstehung ausschließlich dem Auftraggeber ein, insbesondere die ausschließlichen, räumlich, inhaltlich und zeitlich unbeschränkten Rechte und Ansprüche a) zur Veranstaltung der Darbietung des Künstlers als Vortrag und dessen öffentliche Wiedergabe sowie als öffentliche Aufführung, ferner zur öffentlichen Wahrnehmbarmachung der Darbietung auch außerhalb der Veranstaltung durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen; b) zur Funksendung der Darbietung in unbearbeiteter oder bearbeiteter Form sowie zu deren öffentlichen, auch wiederholten oder außerhalb der Veranstaltung erfolgenden Wiedergabe; c) zur Aufnahme, Überspielung und Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger sowie durch audiovisuelle Medien, jeweils in unbearbeiteter oder bearbeiteter Form, einschließlich der Rechte zu deren Vervielfältigung und Verbreitung in beliebiger Anzahl, Auflage oder Ausgabe, zur Funksendung und Weitersendung, zur öffentlichen Aufführung, zur öffentlichen Vorführung oder Wiedergabe; d) zur ganzen oder teilweisen Vervielfältigung und Verbreitung von Aufzeichnungen der Darbietung in periodischen oder nicht periodischen Druckschriften für alle Auflagen und Ausgaben in beliebiger Anzahl und für die sich jeweils ergebenden Zwecke besonderer Vertriebsbereiche oder besonderer Herstellungsverfahren, für Werbezwecke auch dann, wenn hierfür Abdrucksvergütungen nicht erzielt werden, jeweils in unbearbeiteter, bearbeiteter, übersetzter oder übertragener Darstellungsform sprachlicher, musikalischer oder bildlicher Art einschließlich des Rechts zur Vertonung, Bebilderung, Be66
Teil B
IV. Vertragsarten
textung, Untertitelung oder Synchronisation sowie zur Vervielfältigung, Verbreitung, Veröffentlichung bzw. öffentlichen Wiedergabe derartiger Fassungen; e) zur Nutzung der Darbietung und der nach ihr hergestellten Fassungen und Aufzeichnungen durch Vermieten oder Verleihen von Werkstücken, in Sammlungen für Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch, durch Übertragung von Schulfunksendungen auf Bild- oder Tonträger in Schulen und ähnlichen Einrichtungen, durch vergütungspflichtige öffentliche Wiedergaben in weltlichen, kirchlichen oder ähnlichen Veranstaltungen und im Wege der Vervielfältigung zum privaten und zum sonstigen eigenen Gebrauch. (2) Der Auftraggeber ist in der Auswertung der in Absatz 1 genannten Rechte und zur Wahrnehmung der etwaigen hierfür im Gesetz festgelegten Vergütungsansprüche selbst oder durch Übertragung ausschließlicher oder einfacher Verwertungsrechte an Dritte, auch durch Beauftragung von Verwertungsgesellschaften oder Agenturen, frei. Soweit Bearbeitungen, Kürzungen oder Ergänzungen der Darbietungen erforderlich sind, wird der Auftraggeber dieses veranlassen. (3) Etwaige dem Künstler an der Darbietung zustehenden Persönlichkeitsrechte einschließlich des Schutzrechts gegen Entstellungen werden gegenüber Dritten grundsätzlich vom Auftraggeber wahrgenommen. (4) Der Künstler ist verpflichtet, bei eigener Zuziehung weiterer Künstler, die nur mit Einwilligung des Auftraggebers zulässig ist, dafür Sorge zu tragen, dass in deren Person etwa entstehende Rechte nach Maßgabe der vorstehenden Absätze ebenfalls alsbald dem Auftraggeber eingeräumt bzw. auf diesen übertragen werden. § 4 Verwendung der Darbietung (1) In der Verfügungsmöglichkeit wie auch in der Entscheidung über die Verwendung der Darbietung ist der Auftraggeber nicht beschränkt, wenngleich hiervon der Vergütungsanspruch des Künstlers unberührt bleibt. Insbesondere entscheidet der Auftraggeber allein über die Verwendung der Darbietung in der vorgenommenen oder in geänderter Form, über deren Erscheinungsweise, Herstellung, Ausstattung, Auflagenhöhe und Preis, etwaige Werbemaßnahmen und Vertriebswege für die nach der Darbietung etwa gefertigten Wiedergabevorrichtungen, über die Weiterübertragung der Rechte aus diesem Vertrag und über die nachträgliche Veränderung der Auflagenhöhe oder des Preises, auch über die etwaige Aufhebung des Preises, die verbilligte Abgabe (Verramschung) und Unbrauchbarmachung von Vervielfältigungsstücken (Makulierung), sowie über alle sonstigen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Darbietung. (2) Ist die Darbietung aus anderen als in § 2 Abs. 4 genannten Gründen nicht von vertragsmäßiger Beschaffenheit, so kann der Auftraggeber vom Vertrag zurücktreten. (3) Wird die Darbietung angenommen und bestimmungsgemäß verwendet, so wird der Auftraggeber den Namen des Künstlers im Zusammenhang mit der Darbietung nennen, soweit dies üblich ist und nichts anderes vereinbart wird. 67
Teil B
Event und Vertrag
(4) Der Auftraggeber übernimmt gegenüber dem Künstler die uneingeschränkte Gewährleistung dafür, im Verhältnis zu Dritten zur Erteilung des Auftrages an den Künstler, zur Ausführung der Darbietung und zu deren Verwendung befugt zu sein; er stellt den Künstler insoweit von Ansprüchen solcher Dritter frei, es sei denn, dass diese auf außerhalb der Gewährleistung des Auftraggebers stehenden Handlungen des Künstlers beruhen. § 5 Prüfung von Aufzeichnungen (1) Der Künstler ist auf Verlangen des Auftraggebers verpflichtet, Aufzeichnungen und sonstige Festlegungen seiner Darbietung ohne besondere Vergütung unverzüglich auf sachliche und künstlerische Richtigkeit zu überprüfen und bei Gutbefund die Freigabe zu erklären. Anderenfalls kann der Auftraggeber diese Tätigkeit durch einen anderen auf Kosten des Künstlers ausüben lassen. (2) Änderungen an Wiedergabevorrichtungen, die durch Nachlässigkeit des Künstlers bei der Darbietung verursacht worden sind, werden ihm zum Selbstkostenpreis berechnet, soweit sie 10 % der Herstellungskosten für die betreffende Wiedergabevorrichtung übersteigen. § 6 Künstlerexemplare (1) Der Künstler erhält für seinen eigenen Bedarf bei dem etwaigen Erscheinen von Wiedergabevorrichtungen seiner Darbietung Freiexemplare. (2) Der Künstler ist berechtigt, für den gleichen Zweck weitere Exemplare etwa beim Auftraggeber erschienener Wiedergabevorrichtungen seiner Darbietung mit einem Nachlass von … % vom Ladenpreis/vom Abgabenpreis des Auftraggebers zu beziehen. (3) Eine Weiterveräußerung von Künstlerexemplaren ist nur mit Einwilligung des Auftraggebers zulässig, gegebenenfalls unter Einhaltung der Preisbindung. § 7 Künstlervergütung/Aufwendungsersatz (1) Der Künstler erhält eine einmalige Vergütung von insgesamt … Euro bei Beendigung und Annahme seiner Darbietung. (2) Der Künstler erhält weitere Vergütungen bei Auswertung der in § 3 Abs. 1 genannten Rechte, und zwar – der zu
genannten Rechte
%/Euro,
– der zu
genannten Rechte
%/Euro,
– der zu
genannten Rechte
%/Euro,
– und der sonstigen Rechte
%/Euro.
vom jeweiligen beim Auftraggeber eingegangenen Reinerlös. (3) Reinerlös im Sinne des Absatzes 2 ist der beim Auftraggeber tatsächlich eingehende Betrag, abzüglich etwaiger Agenturprovisionen, Gebühren von Verwertungsgesellschaften und ähnlichen Zentralstellen, Steuern und Abgaben, an Dritte zu zahlender Beteiligungen oder sonstiger Fremdausgaben im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Durchführung des betreffenden Nut68
Teil B
IV. Vertragsarten
zungsrechtsvertrages, schließlich nach Abzug einer Unkostenpauschale des Auftraggebers von 20 %. (4) Erlöse von Verwertungsgesellschaften erhält der Künstler nach seinem sich aus dem jeweiligen Verteilungsplan ergebenden Anteil. (5) Der Auftraggeber vergütet die dem Künstler durch die Darbietung entstehenden notwendigen Aufwendungen nach Vorlage der Belege bis zu einem Gesamtbetrag von Euro, zahlbar: (6) Der Künstler teilt dem Auftraggeber jeweils unverzüglich mit, ob er umsatzsteuerpflichtig ist. Ist er umsatzsteuerpflichtig, wird in der Abrechnung der Umsatzsteueranteil des Künstlers gesondert ausgewiesen. § 8 Wettbewerbsklausel Der Künstler verpflichtet sich, anderweitig ohne Einwilligung des Auftraggebers weder Auszüge aus der Darbietung zu veröffentlichen noch eine andere Darbietung über den gleichen oder ähnlichen Gegenstand, die daher geeignet ist, mit der in diesem Vertrag behandelten Darbietung in Wettbewerb zu treten, zu veranstalten oder an einer solchen Darbietung mitzuwirken. Auch im Übrigen unterlässt der Künstler alles, was die Auswertung der Darbietung bzw. des dargebotenen Werkes beeinträchtigen könnte. § 9 Steuern (1) Der Künstler wird die aus den Vertragseinnahmen zu entrichtenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge selbst entrichten. Im Falle der Direktabführung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen durch den Auftraggeber oder deren Lizenznehmer aufgrund gesetzlicher Bestimmungen ist der Auftraggeber zur entsprechenden Verrechnung mit den Beteiligungsansprüchen des Künstlers befugt. (2) Bei Umsatzsteuerpflichtigkeit des Künstlers erhält der Künstler die Umsatzsteuer in der jeweiligen gesetzlichen Höhe zusätzlich. § 10 Schlussbestimmungen (1) Für Verstöße gegen die Vertragsbestimmungen, soweit sie durch höhere Gewalt oder durch außerhalb ihrer Verantwortung liegende Umstände verursacht werden, brauchen die Vertragschließenden nicht einzustehen. (2) Der Künstler verpflichtet sich, dem Auftraggeber über seine Person und seine Tätigkeit alle Auskünfte zu geben, soweit diese gegenüber den Behörden oder im Zusammenhang mit der Darbietung benötigt werden sollten, ferner alle Erklärungen abzugeben und Beweise zu überlassen, die zur Wahrung, Durchsetzung, Anmeldung, Erneuerung, Verlängerung oder Eintragung von Schutzrechten an der Darbietung, auch vor Behörden oder Gerichten, erforderlich oder zweckmäßig sein sollten. (3) Der Auftraggeber ist bevollmächtigt, etwaige für den Künstler aus der Verwertung von Rechten durch Dritte eingehende Beträge entgegenzunehmen, neutral zu verbuchen und als fremdes Geld an ihn weiterzuleiten. 69
Teil B
Event und Vertrag
(4) Alle Zahlungsansprüche aus diesem Vertragsverhältnis verjähren grundsätzlich innerhalb von drei Jahren nach Eintritt ihrer Fälligkeit. Ein etwaiges Rückrufsrecht wegen Nichtausübung kann nicht früher als 5 Jahre nach Beendigung der Darbietung oder nach Einräumung der Rechte hieran geltend gemacht werden. (5) Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform; Gleiches gilt für den Verzicht auf dieses Formerfordernis. Nebenabreden sind nicht getroffen. (6) Sollte eine der Vertragsbestimmungen unwirksam sein, sind die Vertragschließenden verpflichtet, diese unverzüglich im Wege der ergänzenden Vereinbarung durch eine solche Abrede zu ersetzen, die dem wirtschaftlichen Ergebnis der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt. Im Zweifel gilt die unwirksame Bestimmung durch eine solche Abrede als ersetzt. Die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen bleibt unberührt. (7) Für das Vertragsverhältnis wird der jeweilige Hauptsitz des Auftraggebers als Erfüllungsort und Gerichtsstand vereinbart, Letzterer falls vermögensrechtliche Ansprüche erhoben werden und wenn entweder die Vertragspartner zu den in § 38 Absatz 1 ZPO genannten Personen gehören oder wenn der Mitarbeiter keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, den Sitz nach Vertragsschluss aus dem Geltungsbereich der ZPO verlegt, sein Sitz im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist oder Ansprüche im Mahnverfahren geltend gemacht werden, sofern nicht ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist oder der Auftraggeber einen gesetzlichen Gerichtsstand des Mitarbeiters wählt. (8) Dieses Vertragsverhältnis untersteht dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Ergänzend gelten die Regeln über den Werkvertrag und die §§ 73 ff. des Urheberrechtsgesetzes. Erhebt der Auftraggeber Klage, so kann er auch die Anwendung des Rechts am Sitz des Künstlers wählen. Unterschriften
" Praxistipp: Wie oben erwähnt, ist auch ein mündlich abgeschlossener
Künstlervertrag voll wirksam. Allerdings kommt es später im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung oft zu Beweisproblemen. Künstlerverträge sollten daher immer schriftlich abgeschlossen werden. Künstler sind oft versucht, aufgrund eines späteren lukrativeren Engagements fest zugesagte Veranstaltungstermine abzusagen. Dies ist, soweit nicht anderweitig vertraglich vereinbart, unzulässig. Beim Künstlervertrag gilt die alte Bauernregel „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ („first to serve“). In Anbetracht deutlich höherer Honoraraussichten neigen Künstler dazu, derartige Grundsätze zu ignorieren. Gerade prominente Künstler haben oft die sog. Starallüren. Hilfreich ist in solchen Fällen eine Vertragsstraferegelung, die dem Veranstalter oder der Eventagentur ermöglicht, pauschalen Schadensersatz vom Künstler zu fordern. Die Höhe der Vertragsstrafe macht es für den Künstler in der Regel unattraktiv, ein anderes besser bezahltes Engagement anzunehmen.
70
Teil B
IV. Vertragsarten
232a
Sonderproblem Fernseh-/TV-Klausel Besonderes Augenmerk sollte der gewissenhafte Eventmanager oder Veranstalter auf das Vorhandensein einer sog. TV-Klausel lenken. Eine TV-Klausel ist eine Klausel, die es einem Künstler oder einer Band ermöglicht einseitig vom Vertrag zurückzutreten, wenn sich kurzfristig für den gebuchten Termin ein TV-Engagement ergibt. Eine TV-/Fernsehklausel könnte folgendermaßen aussehen:
u
TV-/Fernsehklausel
M7
Erhält der Musiker für den genannten Konzerttermin eine erst nach Vertragsabschluss bekanntgewordene Verpflichtung bei Funk oder Fernsehen (der Musiker zeigt dies unverzüglich an), so ist der Veranstalter verpflichtet, den Musiker zu diesem Zweck aus den Vereinbarungen des Vertrages zu entlassen, Musiker und Käufer vereinbaren in einem solchen Fall – sofern für den Veranstalter akzeptabel – einen Ersatztermin.
Oft enthält eine solche Klausel eine Frist, in der der Rücktritt möglich ist, zB bis spätestens 5 Tage vor dem geplanten Auftritt.
232b
Für diesen Fall behält der Künstler oder die Band aber nicht seinen/ihren Anspruch auf die Gage. Auch wenn für den Veranstalter die Pflicht zur Zahlung naturgemäß bei Nichtauftritt entfällt, stellt die TV-Klausel den Veranstalter vor ernste Probleme. Im Regelfall ist der Auftritt eines Künstlers im Rahmen eines Events ein „Highlight“, auf das die eingeladenen Gäste aufgrund entsprechenden Hinweises in der Einladung gespannt warten. Bei Konzerten sind die Künstler der alleinige Grund für die Anwesenheit des Auditoriums. Kommt der oder kommen die Künstler aufgrund einer vereinbarten TV-Klausel nicht, hinterlässt dies eine empfindliche Lücke im Veranstaltungsprogramm. Um dieser unangenehmen Situation zu entgehen, muss der Veranstalter Vorkehrungen treffen. Eine Möglichkeit ist das sog. „Backup“ durch einen optionierten Künstler in Wartestellung. Diese Konstruktion hat zwei Nachteile: 1. Eine derartige Optionierung ist in den wenigsten Fällen kostenlos, da der Künstler oder die Band sich diesen Termin freihalten muss. Wird die TVKlausel nicht gezogen (dies ist in mehr als 90 % der Fälle so) und kommt der vorgesehene Künstler doch, waren die Kosten eine überflüssige Ausgabe. Im anderen Fall rettet das Backup den Abend. 2. Künstler sind sensible Menschen. Für einen Künstler ist es durchaus unangenehm von vornherein nur die Zweitbesetzung, der Springer, der Ersatz-Act zu sein. Von daher ist es nicht einfach namhafte Künstler für den Notfall einer Absage des bevorzugten Künstlers zu verpflichten. In manchen Fällen ist es unmöglich, einen Ersatzkünstler zu verpflichten. TopActs wie die Rolling Stones, Madonna oder Robbie Williams kann ein Veranstal71
232c
Teil B
Event und Vertrag
ter nicht gleichwertig ersetzen. In diesen Fällen muss die Veranstaltung ausfallen.47 In wenigen Fällen kann die Verpflichtung eines Künstlers auch kontraproduktiv sein. Hier ein paar Praxisfälle: Beispiele Die Verpflichtung der Sängerin Nena für eine Veranstaltung eines der großen Versicherungsunternehmen Deutschlands führte im Nachhinein zu einer Konsultierung der Gerichte. Nena soll bei einer internen Betriebsfeier des Versicherers wenig gesungen, aber viel geredet haben. So soll die Sängerin geäußert haben: „Singen kann jeder – genauso wie Versicherungen verkaufen.“ Außerdem soll sie über die Kündigung ihrer beim Auftraggeber abgeschlossenen Krankenversicherung gesprochen haben. Die Versicherung fühlte sich beleidigt und forderte von der Gage der Sängerin iH von 100 000 Euro die Hälfte zurück. Der Agent der Künstlerin deklarierte die Aussagen Nenas als Bestandteil des künstlerischen Konzeptes. Der britische Rocksänger Rod Stewart sollte im Jahr 2002 eine Tour durch Mittel- und Südamerika geben. Mr. Stewart hatte einen Monat vorher die ganze Tour abgesagt und die Vorauszahlung, die er bekam, nicht beglichen. Die Veranstalter ließen das Ganze nicht auf sich beruhen und verklagten den Sänger. Nach der Absage der Tour durch den Sänger ist er von einem amerikanischen Gericht in Los Angeles zur Rückzahlung von 780 000 Dollar Tourneevorschuss verurteilt worden. Neben Rod müssen auch seine Manager und Anwälte ihren Obulus beitragen. Das Gericht entschied, dass insgesamt 1,6 Millionen Dollar an die Veranstalter zurückzuzahlen waren. Der Comedian und Musiker Helge Schneider verließ in Kiel wenige Minuten vor seinem Auftritt den Saal. Kurz zuvor hatte der Veranstalter wegen des großen Andrangs die hinteren Stuhlreihen entfernen lassen, dem Künstler waren die ca. 1 000 Fans aber zu viel, er ging mit dem Hinweis, das Konzert werde verlegt.
3. Der Management- oder Agenturvertrag 233
In der Praxis wird der eigentliche Konzert-/Aufführungs- oder Künstlervertrag selten unmittelbar zwischen den Vertragsparteien geschlossen. Vielmehr werden Künstler häufig vermittelt. Das bedeutet, auf einer oder beiden Seiten des Vertrages wirken Agenturen (Künstleragenturen, Eventagenturen) oder Gastspieldirektionen mit. Solche Vermittlungsverträge werden im Allgemeinen als Agentur- oder Managementverträge bezeichnet. In der Veranstaltungsbranche existieren im Wesentlichen drei Agenturvertragsmodelle.
234
Bei der klassischen Künstlervermittlung ist die Tätigkeit der Agentur darauf gerichtet, den gewünschten Vertrag (Konzert-/Aufführungsvertrag) zwischen Veranstalter und Künstler anzubahnen und abzuschließen. Die Agentur vermittelt dabei dem Künstler entweder den Nachweis und die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages oder schließt den Vertrag mit bindender Wirkung für den Künstler ab. Die Agentur ist bei dieser Konstruktion auf keiner Seite des Vertragsverhältnisses unmittelbar beteiligt, der vermittelte Vertrag kommt nur zwischen Veranstalter und Künstler zustande. Die Agentur ist dabei ledig47 Siehe hierzu Teil F Event und Versicherung unter Ausfallversicherung, Rz. 841 ff.
72
Teil B
IV. Vertragsarten
lich Stellvertreter des aus dem Konzert-/Aufführungsvertrag verpflichteten Künstlers. Im Verhältnis zum Künstler ist der Agent dessen Beauftragter. Der Auftragsinhalt richtet sich nach dem zwischen Agentur und Künstler geschlossenen Agenturvertrag. Der Management- oder Agenturvertrag wird von seiner Rechtsnatur in aller Regel als (freier) Dienstvertrag eingestuft.48 Modell I Künstleragentur
Agenturvertrag
Künstler
Konzert-/ Aufführungsvertrag
Veranstalter
Bei vielen Veranstaltungen beauftragt der Veranstalter eine Eventagentur mit der Organisation und Durchführung der Veranstaltung. In diesen Fällen sucht die Eventagentur nach dem Anforderungsprofil des Kunden entsprechenden Künstlern und verpflichtet diese im Namen des Kunden. Der Vertrag wird hier wiederum nur zwischen Künstler und Veranstalter geschlossen. Die Eventagentur ist durch den Agenturvertrag mit dem Veranstalter nur aus diesem berechtigt und verpflichtet. Oft ist auf Seiten des Künstlers auch noch eine Künstleragentur eingeschaltet, die den Künstler vertritt, so dass auf jeder Seite ein Agenturvertrag gegeben ist. Modell II-A Eventagentur
Agenturvertrag
Künstler
Konzert-/ Aufführungsvertrag
Veranstalter
48 BGH, NJW-RR 1993, 505 f.; Münchener Kommentar.BGB/Müller-Glöge, § 611 BGB, Rz. 136.
73
235
Teil B
Event und Vertrag
Modell II-B Künstleragentur
Eventagentur
Agenturvertrag
Agenturvertrag
Künstler
236
Konzert-/ Aufführungsvertrag
Veranstalter
Die letzte Form der Künstlervermittlung besteht in dem Ein- und Verkauf der künstlerischen Leistung. Bei dieser Konstruktion verpflichtet die Eventagentur in eigenem Namen Künstler (Künstlervertrag) und veräußert die künstlerische Leistung an interessierte Veranstalter weiter (Agenturvertrag). Hier liegt keine Vermittlung im rechtlichen Sinne, sondern eigentlich ein Kauf und Weiterverkauf durch die Agentur vor. Die Differenz zwischen der an den Künstler gezahlten Gage und dem vom Veranstalter bezahlten Agenturentgelt macht die Gewinnspanne der Agentur aus. Modell III Künstler
Eventagentur Künstlervertrag
Veranstalter Agenturvertrag
" Praxistipp: Bei Management- und Agenturverträgen kommt es häufig zu
einem Bruch zwischen den Vertragsparteien. Gerade die enge Beziehung zwischen Manager/Agent und Künstler/Band führt häufig im Rahmen einer längeren Zusammenarbeit zu Spannungen. Der Künstler bekommt durch seine steigende Popularität Starallüren und fühlt sich durch sein Management eingeengt, bevormundet oder ausgebeutet (zB Yvonne Catterfeld). Teilweise hat das Management den damals unbekannten/unerfahrenen Künstler mit einem Knebelungsvertrag mit einseitigen Regelungen zu Lasten des Künstlers an sich gebunden (zB Xavier Naidoo). Dadurch kommt es in letzter Konsequenz häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen hinsichtlich vertraglicher Regelungen und ausstehender Provisionszahlungen. Verträge sollten daher übersichtliche Laufzeiten haben und das Kündigungsrecht bei Vertrauensstellung nach § 627 BGB nicht ausschließen. Diese Vorschrift besagt:
74
Teil B
IV. Vertragsarten § 627 Fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung
(1) Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, ist die Kündigung auch ohne die in § 626 bezeichnete Voraussetzung zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. (2) Der Verpflichtete darf nur in der Art kündigen, dass sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Regelungsinhalt bei Agentur- und Managementverträgen: – Bezeichnung der Vertragsparteien – Umfang der Beauftragung – Umfang der Bevollmächtigung – Inkasso des Agenten/Managers – Agenturhonorar, -prozentsatz/Managerprovision – Informationspflichten – Prüfungsrecht – Laufzeit – Sonderkündigungsrecht, § 627 BGB
4. Der Zuschauer- oder Konzertbesuchervertrag Der Zuschauer- oder Konzertbesuchervertrag wird zwischen dem Veranstalter und seinem Publikum abgeschlossen. Veranstalter ist der in organisatorischer und finanzieller Hinsicht Verantwortliche, der die Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung übernimmt und das unternehmerische Risiko trägt.49
237
Bei Sportveranstaltungen ist das der jeweilige Heimverein, der die Stadionmiete trägt, die Gehälter der Spieler, Trainer, Betreuer und Manager bezahlt und die Werbe- und Sponsoringverträge abschließt.50 Ein Sportverband, der einem Turnier einen bestimmten Rang innerhalb einer Veranstaltungsreihe verleiht, wird aufgrund dieser Tatsache nicht zum Mitveranstalter (zB ATP-Turnier beim Tennis51).
238
IdR kommt der Vertrag zustande, indem der Besucher ein Vertragsangebot abgibt (ausdrücklich oder konkludent durch Hinlegen des Eintrittsgeldes) und der Veranstalter dieses annimmt (ausdrücklich oder durch Aushändigung der Eintrittskarte). Es besteht für den Veranstalter allerdings kein Kontrahierungszwang, er muss aber sachlich gerechtfertigte Gründe vorbringen, wenn er den Eintritt verwehren will, weil Veranstaltungen aller Art in der heutigen Zeit
239
49 BGH v. 19.6.1956 – I ZR 104/54, GRUR 1956, 516; BGH v. 18.12.1959 – I ZR 61/58, GRUR 1960, 253; BGH, NJW 1970, 2070. 50 Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 4, Rz. 80a. 51 OLG München, ZUM 1996, 528.
75
Teil B
Event und Vertrag
zur Grundversorgung der Menschen gehören.52 Der potentielle Zuschauer kann zurückgewiesen werden, wenn die Veranstaltungsörtlichkeit wegen Ausverkauf oder aus Sicherheitsgründen (zB zu starker Andrang, Abweisung bekannter Hooligans bei Sportveranstaltungen) keine weiteren Besucher zulässt. 240
Die Veranstalter können aufgrund ihres Hausrechts als Eigentümer und/oder Besitzer auch Besuchsverbote aussprechen, wenn der Besucher in der Vergangenheit Vertragsverletzungen (zB Beschädigungen der Veranstaltungsstätte, Belästigung von anderen Zuschauern, Sportlern, Künstlern oder Personal) begangen hat, §§ 858 Abs. 1, 1004 Abs. 2 BGB. Bei öffentlich-rechtlichen Veranstaltern wie Kommunen oder Bundesländern kann das Besuchsverbot auch Ausfluss ihrer Ordnungsgewalt sein.53 Bei Verstoß gegen ein ausgesprochenes Besuchsverbot oder beim Überklettern eines Absperrungszaunes begeht der Zuschauer einen Hausfriedensbruch nach § 123 StGB. Außerdem kommt beim unbefugten Eindringen eine Strafbarkeit wegen Erschleichens von Leistungen (§ 265a StGB) in Betracht.
241
Es wird auch oft eine schriftliche oder telefonische Kartenreservierung vorgenommen. Diese ist rechtlich als Vorvertrag zu qualifizieren. Für diesen Fall ist zu beachten, dass eventuell vorhandene Veranstalter-AGB mangels Kenntnisnahme nicht Vertragsinhalt werden.54
241a
Ein besonderes Ärgernis stellt in letzter Zeit der Wiederverkauf von Konzerttickets über Ticketbörsen wie www.fansale.de, www.viagogo.de oder www. seatwave.de dar. Häufig werden dort Tickets deutlich über dem Originalverkaufspreis verkauft. Diese Ticketbörsen werden häufig von nicht autorisierten Händlern missbraucht, die größere Kartenkontingente erwerben und diese mit hohen Gewinnmargen an interessierte Fans weiterveräußern. Dies führt dazu, dass die Karten für Charity- und Benefizveranstaltungen, bei denen die Künstler für einen guten Zweck zu einer reduzierten oder ohne Gage auftreten, im Internet zu überteuerten Preisen verkauft werden. Die Band „Maximo Park“ rief nach Kenntniserlangung derartiger Praktiken zum Boykott auf.55
241b
Da zwischen Veranstalter und Wiederverkäufer idR keine vertraglichen Ansprüche bestehen, hat der Veranstalter die Möglichkeit einen gewerblichen oder kommerziellen Händler wegen Verletzung von Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Nach Auffassung des OLG Hamburg ist der planmäßige gewinnorientierte Wiederverkauf von Tickets wettbewerbswidrig.56 52 OLG Hamburg v. 3.2.2005 – 5 U 65/04, NJW 2005, 3003; Ensthaler/Zech, Verkehrsfähigkeit von Inhaberkarten nach § 807 BGB – Abtretungsverbot für Fußball-Bundesliga- Karten, NJW 2005, 3389; Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 3, Rz. 161 für Sportveranstaltungen. 53 Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 3, Rz. 162. 54 Vgl. Rz. 187 ff. 55 Poser/Pusch, Konzert- und Veranstaltungsverträge, S. 20. 56 OLG Hamburg v. 3.2.2005 – 5 U 65/04, GRUR-RR 2005, 363.
76
IV. Vertragsarten
Teil B
Die Eintrittskarte ist ein sog. kleines Inhaberpapier, vgl. § 807 BGB. Wenn der Veranstalter die geschuldete Leistung gegen Vorlage der Karte erbringt, wird er von seiner Leistungspflicht frei, §§ 807, 793 Abs. 1 BGB. Dies gilt auch für den Fall, dass der Inhaber der Karte nicht der Berechtigte ist (zB bei verlorenen oder gestohlenen Karten). Den Veranstalter trifft insoweit keine Prüfungspflicht, und er muss dem Karteninhaber idR Zugang verschaffen, es sei denn, er kann die positiv bekannte Nichtberechtigung des Karteninhabers leicht nachweisen57 (zB bei Platzkarten, Dauerkarten uä.).
242
Eine Abonnementkarte ist ein sog. Legitimationspapier gemäß § 808 BGB und nach schuldrechtlichen Grundsätzen übertragbar.58 Auch personalisierte Tickets sind qualifizierte Legitimationspapiere und werden seit der Fußball WM 2006 in Deutschland verstärkt auch bei sportlichen Großveranstaltungen eingesetzt. Allerdings hat hier die Gestaltungsfreiheit der Veranstalter Grenzen. Ein Abtretungsausschluss mit Zustimmungsvorbehalt des Veranstalters über die Kauf-AGB ist zwar zulässig, muss aber das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB beachten und darf den Käufer nicht unangemessen benachteiligen. Allein die Bekämpfung des Schwarzmarktes rechtfertigt nach Auffassung des Amtsgerichts Frankfurt nicht die Rechtlosstellung des Kunden bei persönlicher Verhinderung.59 Eine Veräußerung unter Privaten muss daher – wenn auch bedingt – möglich bleiben.60 Die Fälschung von Eintrittskarten kann strafrechtlich verfolgt werden (Betrug, § 263 StGB; Urkundenfälschung, § 267 StGB).
243
In Rechtsprechung und Literatur wird der Zuschauer- oder Konzertbesuchervertrag überwiegend dem Werkvertragsrecht zugeordnet.61
244
Dieser Auffassung kann nicht vorbehaltlos zugestimmt werden, der Zuschauervertrag ist ein gemischttypischer Vertrag.62 Der Veranstalter schuldet die Organisation und Durchführung der Veranstaltung. Insoweit enthält der Vertrag in der Hauptsache werkvertragliche Elemente (§§ 631 ff. BGB).63
245
Im Bereich von Sportveranstaltungen wird man (beispielsweise bei einem hochrangigen Leichtathletikmeeting wie dem in Berlin) die Erbringung von sport-
246
57 58 59 60
Bartl, Reise- und Freizeitrecht, VI 2 b, S. 142. Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 3, Rz. 161. AG Frankfurt v. 20.4.2005 – 31 C 312005-17. So auch Weller, Das Übertragungsverbot der Fußball-WM-Tickets – eine angreifbare Vinkulierung durch den DFB, NJW 2005, 934 ff. 61 RGZ 127, 314; BGH VersR 1955, 444, VersR 1957, 228; Ankermann, Über die Rechte des Konzertbesuchers bei Absage der bekannten Solisten, NJW 1997, 1134 (1135); Kurz, 4. Teil, 15. Kapitel, Rz. 1 ff.; Güllemann, 1. Teil, S. 9; Münchener Kommentar.BGB/Soergel, § 631 BGB, Rz. 130 mwN. 62 Palandt/Heinrichs, Einf. § 631 BGB Rz. 29; AG Passau v. 12.2.1993 – 11 C 1892/92, NJW 1993, 1473, besprochen von Peters, Der verspätete Konzertbeginn, JuS 1993, 803 (Fortsetungsbeitrag); AG Aachen v. 24.4.1997 – 10 C 529/96, NJW 1997, 2058 = ZUM 1998, 327; AG Hannover v. 28.11.1980 – 25 C 525/80, NJW 1981, 1219; Weller, Die Haftung von Fußballvereinen für Randale und Rassismus, NJW 2007, 960 (961). 63 Fessmann, Theaterbesuchvertrag oder wann krieg ich als Zuschauer mein Geld zurück?, NJW 1983, 1164 ff.; Peters, Der verspätete Konzertbeginn, JuS 1993, 803.
77
Teil B
Event und Vertrag
lichen Höchstleistungen durch die Athleten der dienstvertraglichen Ebene (§§ 611 ff. BGB) zuordnen.64 Denn eine Verpflichtung des Veranstalters, i.S. eines werkvertraglichen Erfolges, bestimmte Rekorde oder Höchstleistungen zu präsentieren, besteht nicht. 247
Zusätzlich muss der Veranstalter dem Zuschauer einen oder den vereinbarten Platz zur Verfügung stellen, von dem er die Veranstaltung verfolgen kann. Diese Verpflichtung ist mietvertraglicher Art (§§ 535 ff. BGB).65 Die Verpflichtung zur Bereitstellung eines Sitzplatzes stellt dabei eine selbständige vertragliche Hauptpflicht dar.66 Beispiel Anlässlich eines Konzertes der Popgruppe Backstreet Boys klagte eine Konzertbesucherin auf Erstattung des Eintrittspreises für eine Konzertkarte sowie Entschädigung für nutzlos aufgewendete Freizeit beim verantwortlichen Veranstalter. Das Gericht sprach der Besucherin einen Anspruch auf Schadensersatz zu, weil der Veranstalter aus tatsächlichen Gründen (alle Sitzplätze waren belegt) nicht in der Lage war, ihr den bezahlten Sitzplatz zur Verfügung zu stellen.67
248
Interessant an dieser Entscheidung ist auch die Zusprechung eines Anspruches auf Ersatz von nutzlos aufgewendeter Freizeit. Hier bejahte das Gericht die Erstattungsfähigkeit von aufgewendeter Freizeit mit der Argumentation, dass es sich bei der entgangenen Freizeitgestaltung nicht um einen rein immateriellen Wert handele. Dadurch, dass die Besucherin für die Veranstaltung finanzielle Aufwendungen getätigt habe, sei die Freizeit kommerzialisiert worden.68
249
Diese Auffassung ist abzulehnen. Die Einführung einer Entschädigung für vertane Freizeit – ähnlich der allgemein anerkannten Entschädigung für vertane Urlaubszeit gemäß § 651f Abs. 2 BGB69 – findet im Gesetz keine Stütze. Darüber hinaus ist eine derartige Haftungsausdehnung nicht praktikabel. Sollte ein Anspruch auf Entschädigungsleistung für vertane Freizeit rechtlich etabliert werden, müssten die meisten Veranstalter schon im Hinblick auf das enorme Risiko von zuschauerintensiven Großveranstaltungen absehen. Auch die Haftpflicht- und Veranstaltungsausfallversicherer könnten ein derartiges Risiko nicht im Rahmen von realistischen Prämien absichern. Das Gericht sieht selbst die Gefahr für eine „uferlose und unabsehbare Haftungsausweitung“.70 Vielmehr ist mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass es sich bei Frei-
64 Koller, Die Rechtsbeziehung zwischen Sportveranstaltern und Zuschauern, RdA 1982, 47 (51); Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 3, Rz. 159. 65 So auch Kurz, 4. Teil, 15. Kapitel, Rz. 10; AG Herne-Wanne v. 27.3.1998 – 3 C 5/98, NJW 1998, 3651; AG Hannover v. 28.22.1980 – 28 C 525/80, NJW 1981, 1219; Pfister/ Steiner, Sportrecht von A–Z, S. 273, 274; Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht Teil 3, Rz. 166; AG Frankfurt/M., ZGS 2006, 197. 66 AG Herne-Wanne v. 27.3.1998 – 3 C 5/98, NJW 1998, 3651. 67 AG Herne-Wanne v. 27.3.1998 – 3 C 5/98, NJW 1998, 3651. 68 AG Herne-Wanne v. 27.3.1998 – 3 C 5/98, NJW 1998, 3651 (3653). 69 Siehe dazu Rz. 463 ff. 70 AG Herne-Wanne v. 27.3.1998 – 3 C 5/98, NJW 1998, 3651 (3653).
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IV. Vertragsarten
Teil B
zeit um ein nicht vermögenswertes Rechtsgut handelt.71 Allerdings sind materielle Aufwendungen wie Anreisekosten – bei fehlenden Stehplätzen – vom Veranstalter zu erstatten.72 Fraglich ist, ob der Veranstalter im Fall einer Theateraufführung dazu verpflichtet ist, sich bei entsprechender Ankündigung an die Originalvorlage zu halten.73 Als „angekündigtes Stück“ iS des Zuschauervertrages gelten alle Werk-Bearbeitungen, die seit jeher von den Schauspielautoren und Komponisten sowie ihren Nachlassverwaltern, Verlegern, Lektoren, wissenschaftlichen Editoren etc. hergestellt wurden. Kurzfassungen, Auszüge, Zusammenfassungen, Collagen, Dramatisierungen, Umschreibungen, musikalische Einrichtungen, Übersetzungen und Übertragungen eines Werkes, die das Werk in seiner äußeren Form abwandeln, jedoch den Inhalt des Stückes unverändert lassen, entsprechen dem „angekündigten Werk“, sofern die Einfälle des als Verfasser genannten Autoren oder Komponisten als solche erkennbar bleiben. Ist dies nicht der Fall, dh. ist die Abweichung so eklatant, dass der Besucher eine Andersleistung, ein sog. aliud zur geschuldeten Leistung erhält, liegt ein Fall der Nichterfüllung vor.74
250
Der Zuschauer verpflichtet sich mit dem Zuschauer- oder Konzertbesuchervertrag zur Zahlung des Eintrittsgeldes. Aber auch den Zuschauer treffen gewisse Verhaltenspflichten. Die Besucher müssen den Anweisungen des Ordnungspersonals Folge leisten und schriftliche Hinweise (zB kein Zutritt, privat, nur für Crewmitglieder, Staff only) oder Lautsprecherdurchsagen beachten. Verstöße gegen derartige Anordnungen und Hinweise (zB Fotografierverbot) können nach einer Abmahnung zum Ausschluss führen.75
251
Solche Verstöße können beispielsweise sein: – das Betreten untersagter Zonen (zB von Künstlergarderobe, Küche, Spielfeld, Bühne); – mutwillige Zerstörung von Einrichtungsgegenständen oder des Eigentums anderer Besucher (zB Kleben von Kaugummis auf Sitzpolster); – Pöbeleien, Belästigungen, Schlägereien; – Störung des Veranstaltungsbetriebes (zB lautstarke Zwischenrufe bei klassischer Musikveranstaltung, Unterhaltungen bei Theatervorstellungen).
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Oft werden diese Fälle in sog. Benutzungs- oder Mietbedingungen geregelt.
253
71 BGH, NJW 1989, 766; BGH v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, NJW 1987, 50 mit Anmerkung; BVerwG DVBl. 91, 1196, Palandt/Heinrichs, Einf. § 249 BGB, Rz. 38; Güllemann, 1. Teil, S. 48; aA Schwarz/Ernst, Erstattungsfähigkeit von Aufwendungs- und Schadenersatzansprüchen des Grundstücksbesitzers gegen „Falschparker“, NJW 1997, 2550 (2553). 72 AG Hamburg v. 4.5.1987 – 22a C 60/87, NJW-RR 1988, 120; Kurz, 4. Teil, 15. Kapitel, Rz. 23. 73 Vgl. zu dieser Problematik AG Bonn v. 16.12.1982 – 11 C 191/82, NJW 1983, 1200. 74 So auch Fessmann, Theaterbesuchsvertrag oder wann krieg ich mein Geld zurück?, NJW 1983, 1164 (1169), Fessmann in Unverzagt/Röckrath, Kultur & Recht, L 2.2. 75 BGH v. 20.9.1974 – I ZR 99/73, NJW 1975, 778 u. 1164 = GRUR 1975, 500; OLG München v. 14.6.1984 – 23 U 1894/85, OLGZ 1985, 466 = BayVerwBl. 1986, 156.
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Teil B
Event und Vertrag
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Als Leistungsstörungen im Bereich des Zuschauer-/Konzertbesuchervertrages kommen der Ausfall, der Abbruch oder die mangelhafte Durchführung der Veranstaltung in Frage.
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Der Ausfall einer geplanten Veranstaltung kommt in der Praxis häufig vor. Grund für den Veranstaltungsausfall kann die Erkrankung oder Alkoholisierung eines Künstlers, das Wetter bei Open-Air-Veranstaltungen, die Absage von Sponsoren, technische Probleme, Bombendrohungen, Streiks76 oder Ähnliches sein.
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Der Ausfall einer Veranstaltung zieht idR Zuschaueransprüche nach sich.77 Liegt der Hinderungsgrund in der Sphäre des Besuchers (zB Unfall, Erkrankung), steht dem Verhinderten kein Anspruch auf Rückerstattung zu (§ 324 Abs. 1 BGB). Allerdings kann der Besucher – falls zurückgegebene Karten anderweitig abgesetzt werden – den Erlös vom Veranstalter heraus verlangen.
257
In Ausnahmefällen kann der Veranstalter den Nachweis führen, dass er den Ausfall nicht zu vertreten hat. Er wird dann von seiner Leistungspflicht frei. Für diesen Fall ist er allerdings gegenüber den Besuchern – unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft oder nicht – zur Rückzahlung des Eintrittspreises verpflichtet. Gleiches gilt, wenn der angekündigte Star oder die angekündigte Band nicht auftritt, auch wenn Ersatzkünstler verpflichtet wurden.78 Dazu nachfolgender Praxisfall: Beispiel In einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Hamburg verklagte ein Konzertbesucher den NDR als Ausrichter eines Klavierkonzertes seines Sinfonieorchesters auf Rückzahlung des Eintrittspreises. Der NDR hatte bei seinen Werbeaktionen für das Konzert besonders den Auftritt einer international renommierten Klaviersolistin hervorgehoben. Diese musste ihren Auftritt wegen einer kurzfristig erlittenen Handverletzung absagen. Zwei andere Solisten wurden als Ersatz gewonnen. Das Gericht gab der Klage mit der Begründung statt, dass es sich bei der Mitwirkung der bekannten Solistin um eine zugesicherte Eigenschaft der geschuldeten Werkleistung gehandelt habe, deren Fehlen die Rückabwicklung des Vertrages rechtfertige.79
258
Diese Entscheidung macht deutlich, dass der Veranstalter bei entsprechender werbemäßiger Herausstellung von Einzelkünstlern auch bei einer Orchesterleistung zur Rückabwicklung des Vertrages verpflichtet sein kann. Anders ist es bei den meisten Sportveranstaltungen. Der Nichtantritt eines Teiles des Starterfeldes (zB bei Rad-, Motorrad- oder Autorennen) oder der Ausfall einzelner Mannschaftssportler kann nicht als nachträgliche Unmöglichkeit gewertet wer-
76 Siehe dazu Fessmann, Theaterbesuchsvertrag oder wann krieg ich mein Geld zurück?, NJW 1983, 1164 (1165). 77 Fessmann, Theaterbesuchsvertrag oder wann krieg ich mein Geld zurück?, NJW 1983, 1164 (1165). 78 Ankermann, Über die Rechte des Konzertbesuchers bei Absage der bekannten Solisten, NJW 1997, 1134 ff. 79 AG Hamburg v. 15.5.1996 – 18a C 2434/95, NJW 1997, 1134.
80
IV. Vertragsarten
Teil B
den, wenn das Programm offiziell ungekürzt abgewickelt wird. Es wird selbstverständlich keine bestimmte Mannschaftsaufstellung geschuldet. Für den Abbruch einer Veranstaltung gilt das Gleiche, insofern es sich um ergebnisorientierte Veranstaltungen (zB Autorennen, Handballspiel etc.) handelt. Bei Abbrüchen inmitten einer ergebnisunabhängigen Veranstaltung (zB Klavierkonzert, Karnevalssitzung) kommt eine Minderung des Eintrittsgeldes in Betracht, es sei denn, ein ganz unerheblicher Teil der Veranstaltung entfällt. Allerdings wird weiter zwischen Musik- und Schauspielaufführungen differenziert.
259
Bei einer Schauspielaufführung kann grundsätzlich nur die vollständige Aufführung als Vertragserfüllung angesehen werden.80 In der Praxis gewähren die Veranstalter die gezahlten Eintrittsgelder auch anstandslos zurück. Ausnahmen gibt es nur im Falle einer Aufführung von mehreren eigenständigen Stücken. Die nachfolgende fragwürdige Entscheidung des Amtsgerichts München aus dem Jahr 1958 ist die krasse Ausnahme.
260
Beispiel Ein Theaterbesucher verklagte den Veranstalter auf Rückzahlung des Eintrittsgeldes, weil eine Aufführung der Elektra-Sage acht Minuten vor dem Vorstellungsende abgebrochen werden musste. In diesem Fall erachtete das Amtsgericht München die Gesamtleistung als erbracht, weil die Zuschauer bereits einen abgerundeten Eindruck von der Aufführung erhalten hätten und es den Besuchern zumutbar sei, sich durch entsprechende Lektüre Kenntnis vom Ausgang des Stückes zu verschaffen.81
Bei Musikaufführungen wie Rock- und Popkonzerten, aber auch bei Opern, Operetten und Musicals wird fast immer anzunehmen sein, dass eine gewisse Teilleistung durch das Spielen einzelner Musikstücke erbracht und somit ein Anspruch auf Teilvergütung entstanden ist. Denn auch die nur teilweise stattgefundene Aufführung kann ausreichen, um der Vorstellung einen für die Besucher eigenständigen Wert und Sinn zu vermitteln, der die Annahme eines werkvertraglichen Teilerfolges rechtfertigt.82 Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Musikgenusses auch nachvollziehbar.
261
In Extremfällen kann eine sog. Solidarhaftung zwischen Veranstalter und Besuchern angenommen werden. Beispielsweise wenn der Vorstellungsabbruch auf vehemente, fortwährende Störaktionen der Zuschauer (Zuschauermehrheit) zurückzuführen ist oder aus anderen Gründen eine volle Erstattung des Eintrittspreises unbillig erscheint.83
262
Die Verzögerung des Veranstaltungsbeginns führt zu einem Rücktrittsanspruch des Besuchers.84
263
80 Fessmann, Theaterbesuchsvertrag oder wann krieg ich mein Geld zurück?, NJW 1983, 1164 (1165). 81 AG München v. 28.8.1958 – 6 C 955/58. 82 Fessmann, Theaterbesuchsvertrag oder wann krieg ich mein Geld zurück?, NJW 1983, 1164 (1165). 83 Fessmann, Theaterbesuchsvertrag oder wann krieg ich mein Geld zurück?, NJW 1983, 1164 (1166). 84 Peters, Der verspätete Konzertbeginn, JuS 1993, 803.
81
Teil B
Event und Vertrag
Beispiel Das AG Passau sprach dem Besucher eines Konzertes einen Anspruch auf Rückzahlung des größten Teiles des Eintrittspreises zu.85 Das Konzert war für den Zeitraum zwischen 17.00 und 22.00 Uhr angekündigt. Tatsächlich begann das Konzert wegen Schwierigkeiten beim Bühnenaufbau erst um 21.30 Uhr und dauerte bis 00.23 Uhr. Der stark ermüdete Kläger verließ das Konzert nach erfolgloser Aufforderung zur Rückzahlung des Eintrittspreises gegen 22.30 Uhr.
264
Leichte Verzögerungen sind allerdings bei Konzerten üblich, so dass noch eine gewisse Unzumutbarkeit in Bezug auf die Hinnahme der Verspätung zu prüfen ist. Die Zumutbarkeitsgrenze war im obigen Fall zweifellos überschritten. Zusätzlich befindet sich der Veranstalter in Verzug mit seiner Leistung. Die Fälligkeit der Leistung war um 17.00 Uhr gegeben. Einer Mahnung bedurfte es wegen kalendermäßig festgelegter Leistungszeit nicht. Der Rückzahlungsanspruch ist daher begründet. Allerdings überzeugt im betreffenden Fall eine Teilerstattung des Eintrittspreises, wie vom Gericht entschieden, nicht. Es bleibt zu berücksichtigen, dass beim Zuhörer bei einer derart langen Verzögerung Frust, Hunger, Kälte, Ärger und die Sorge, nicht rechtzeitig nach Hause zu kommen, hinzukommen, die einen Teilerstattungsanspruch des Veranstalters gemäß 325 Abs. 1 Satz 2 BGB bis auf null reduziert.86
265
Auch eine mangelhafte Durchführung der Veranstaltung kann – bei nicht nur ganz unerheblichen Beeinträchtigungen – zur Minderung oder Rückerstattung des Eintrittspreises führen. Die Ansprüche richten sich je nach Art der mangelhaften Leistung nach den jeweiligen Gewährleistungsbestimmungen oder basieren auf positiver Vertragsverletzung. Zu den Veranstaltungsmängeln können zählen: – schlechte Beheizung oder Belüftung der Veranstaltungsräume, – beeinträchtigte Sitz- oder Sichtmöglichkeiten, – technische Mängel der Bühne, die zu eingeschränkten Darstellerleistungen führen, – ungenießbares Catering, – Nichtantritt von Einzelwettkämpfern bei Sportturnieren, – Überfüllung der Halle/des Stadions, – mangelhafte Organisation, – Beeinträchtigungen durch andere Zuschauer;87 nicht aber: – schlechte künstlerische, sportliche oder schauspielerische Leistungen, – fehlende Werktreue.88
85 AG Passau v. 12.2.1993 – 11 C 1892/92, NJW 1993, 1473. 86 Peters, Der verspätete Konzertbeginn, JuS 1993, 803 (805). 87 AG Hannover, NJW 1981, 1219; Koller, Die Rechtsbeziehung zwischen Sportveranstaltern und Zuschauern, RdA 1982, 512. 88 AG Bonn, NJW 1983, 1200, Fessmann, Theaterbesuchsvertrag oder wann krieg ich mein Geld zurück?, NJW 1983, 1164 (1171).
82
IV. Vertragsarten
Teil B
Wenn die Veranstaltung nicht mehr als professionell organisiert angesehen werden kann oder wesentliche Leistungen wie Gesang in erheblich beeinträchtigter Form wiedergegeben werden, kann auch unter Umständen sogar Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden.89
266
Nach Auffassung des Amtsgerichts Düsseldorf ist bei Ausfall einer Veranstaltung im Rahmen einer Tournee allein der örtliche Veranstalter und nicht der Tourneeveranstalter Anspruchsgegner des Konzertbesuchers.90 Der Veranstalter einer Gesamttournee schließe seine Verträge in aller Regel mit den verschiedenen lokalen Veranstaltern und nicht mit den Konzertbesuchern.91
267
Das Amtsgericht Berlin-Schöneberg will dem Besucher darüber hinaus auch einen Anspruch gegen den Tourneeveranstalter zubilligen.92 Lokaler und Tourneeveranstalter seien im Verhältnis zum Konzertbesucher Gesamtschuldner. Das Gericht argumentiert damit, dass es gerade dem Tourneeveranstalter obliege, für die Organisation und Terminplanung der einzelnen Veranstaltungen zu sorgen. Er bediene sich zwar der lokalen Veranstalter als Erfüllungsgehilfen, behalte aber die beherrschende Position. Der Besucher wisse zwar, dass die Veranstalter organisatorisch zusammenwirken, habe aber keinen Einblick in die interne Vertragsgestaltung. Deshalb könne der Besucher sowohl den lokalen als auch den Tourneeveranstalter in Anspruch nehmen.
268
Letzterer Auffassung ist zuzustimmen, da der Tourneeveranstalter sich allein durch die Beauftragung eines lokalen Veranstalters nicht von seinen Veranstalterpflichten befreit. Die Tatsache, dass der unmittelbare Vertragsschluss zwischen Konzertbesucher und lokalem Veranstalter stattfindet, reicht nicht aus, um den Tourneeveranstalter als unabhängigen Dritten zu betrachten, den keinerlei Verantwortung für die Veranstaltungsdurchführung trifft. Die Wertung des lokalen Veranstalters als Erfüllungsgehilfen des Tourneeveranstalters ist auch nicht überzogen, da der Lokale ja gerade beauftragt wird, um den Tourneeveranstalter auf organisatorischer Ebene vor Ort zu entlasten.
269
In der Praxis wird es nicht von großer Bedeutung sein, ob nur der lokale Veranstalter oder zusätzlich auch noch der Tourneeveranstalter Vertragspartner geworden ist. In aller Regel wird eine Inanspruchnahme des lokalen Veranstalters zur Befriedigung der Ansprüche genügen, zumal fast jeder Veranstalter über eine Veranstaltungsausfallversicherung abgesichert ist.93 Außerdem haben viele Tourneeveranstalter ihren Geschäftssitz (insbesondere aus steuerlichen Gründen) im Ausland, so dass ihre Inanspruchnahme schwieriger zu gewährleisten sein wird.
270
Neben den vertraglichen Hauptpflichten muss der Veranstalter im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht dafür Sorge tragen, dass die Gesundheit und das
271
89 90 91 92 93
Bartl, Reise- und Freizeitrecht, VI 2d, S. 145. AG Düsseldorf v. 10.2.1995 – 58 C 19864/94, VuR 1995, 358. AG Düsseldorf v. 10.2.1995 – 58 C 19846/94, VuR 1995, 358. AG Berlin-Schöneberg v. 2.3.1995 – 8 C 435/94, VuR 1995, 359. Siehe dazu auch Rz. 841 ff.
83
Teil B
Event und Vertrag
Eigentum der Zuschauer nicht beschädigt werden.94 Der Veranstalter muss die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen treffen (zB Trennung der Fanblöcke, ausreichend Ordnungskräfte etc.). Die Überprüfung der Veranstaltungsstätte durch die zuständigen Verwaltungsbehörden ändert daran nichts, da der Veranstalter dadurch nicht von seinen eigenen Pflichten zur Ergreifung von Sicherungsmaßnahmen befreit wird.95 Bei Verletzung seiner Verkehrssicherungspflichten durch den Veranstalter kann der Besucher Schadensersatz und auch Schmerzensgeld verlangen. 272
Auch ein typisches Fehlverhalten von Zuschauern wie das Überklettern von Absperrungen muss im Rahmen eines für den Veranstalter zumutbaren Aufwandes verhindert werden. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) hat im Jahre 1991 Richtlinien für die Sicherheit der Stadien und der Veranstaltungen erlassen. In diesen werden bauliche, organisatorische und sonstige Maßnahmen vorgeschrieben. Die praktische Umsetzung der Richtlinien wird vom DFB kontrolliert. Aufgrund von Vorfällen in den letzten Jahren hat der DFB zusammen mit der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) eine „Task Force gegen Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ eingesetzt. Danach haftet der Veranstalter (der gastgebende Verein) bei Fußballrandale (Schutz vor Verletzungen) und rassistischen Äußerung gegen eigene oder Spieler des Gastvereins (Ergreifung von erforderlichen Maßnahmen gegen Rassismus) wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz96. Der Veranstalter kann allerdings randalierende oder rassistisch agierende Zuschauer bezüglich der entstandenen Schäden in Regress nehmen. Wichtige Regelungsinhalte sind: – Art der Veranstaltung, Eintrittspreis – Haftungsausschlüsse, -begrenzungen – Hausordnung
5. Der Vermarktungs- oder Sponsoringvertrag Beispiel Ein Berliner Fußballclub möchte in Berlin ein neues Streetsoccer-Turnier etablieren, welches sich im Jahreszyklus wiederholen soll. Werbung und Organisation sind aufwendig und kostspielig. Der Club ist nicht solvent genug, um die Finanzierung allein zu übernehmen. Der Vereinsvorstand beauftragt die Eventagentur von I. Wendt mit der Suche nach Sponsoren und Werbepartnern.
273
Der Begriff Sponsoring tauchte erstmalig in den Werbeverträgen der siebziger Jahre auf. Später entwickelte sich das Sponsoring in rasantem Tempo zu einem Hauptwerbeträger. Das Sponsoring ist also eine besondere Form von Werbung.97 94 Dazu Näheres in Rz. 741 ff. und in Anhang A. 95 BGH, NJW 1975, 533, Bartl, Reise- und Freizeitrecht, VI 2e, S. 146. 96 Siehe hierzu auch Weller, Die Haftung von Fußballvereinen für Randale und Rassismus, NJW 2007, 960 ff. 97 Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 3, Rz. 73.
84
IV. Vertragsarten
Teil B
Ein Sponsoringvertrag ist der zivilrechtliche Vertrag zwischen einem Betrieb oder Unternehmen (Sponsor) und einem Künstler, Sportler, Verein oder Verband (Gesponserter), zB zwischen dem Bundesligaverein FC Schalke 04 und dem russischen Energieriesen Gazprom. Auch der Sponsoringvertrag ist ein typengemischter Vertrag, der oft Elemente eines Dienst-, Kauf-, Tausch-, Pacht-, Werkund Mietvertrages in sich vereinigt. Es handelt sich um einen atypischen gegenseitigen Vertrag, der dabei ist, sich in einen typischen gegenseitigen Vertrag zu entwickeln.98 Besondere Formvorschriften existieren nicht.
274
Inhalt des Sponsoringvertrages ist, dass der Sponsor die werblichen Nutzungsrechte des Gesponserten allein – oder neben anderen – zur Werbung nutzen darf und im Gegenzug durch Bereitstellung von Geld, Sachmitteln oder Dienstleistungen an den Gesponserten die Durchführung von Veranstaltungen etc. ermöglicht (sog. Lizenzvertrag). Zu den werblichen Nutzungsrechten eines Gesponserten gehören der Name, das Bild, die Stimme, die Unterschrift auf Druckwerken aller Art, die Bezeichnung großer Sportevents, Symbole wie die olympischen Ringe, Embleme, Logos, Banden- und Trikotwerbung sowie Bezeichnungen wie „offizieller Ausrüster der deutschen Olympia-Mannschaft“. Diese Nutzungsrechte sind durch §§ 12, 903 BGB, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Urheberrechtsgesetz, das Markengesetz und andere Spezialgesetze gesetzlich geschützt.99
275
In Sponsoringverträgen können auch Abreden enthalten sein, die zB einen Künstler oder Sportler verpflichten, persönliche Leistungen zu erbringen, wie im Rahmen von Promotion-Aktionen Autogrammstunden zu geben oder repräsentative Aufgaben wahrzunehmen. Da die Pflichten des Gesponserten nicht spezialgesetzlich geregelt sind, ist die Erfüllung der Pflichten aus dem Sponsoringvertrag nach allgemeinen Schuldrechtsregeln zu beurteilen.100
276
Beim Sponsoringvertrag ist die künstlerische oder sportliche Leistung oft als Bemessungsgrundlage für die Höhe der Sponsorengelder verklausuliert. Gleichzeitig stellt der Erfolg idR auch die Geschäftsgrundlage für den Vertrag dar, so dass bei dauerhaftem deutlichem Leistungsabfall des Gesponserten ein Recht zur vorzeitigen Kündigung des Vertrages besteht, vgl. §§ 313, 314 BGB (zB bei Verletzung, Doping oder langfristigem Formtief eines Spitzensportlers). Zusätzlich ist es sinnvoll, bei Doping durch den Sportler eine Vertragsstrafe im Sponsoringvertrag zu vereinbaren.101 Es empfiehlt sich allerdings, ein derartiges Kündigungsrecht zur Klarstellung auch vertraglich zu fixieren, da eine konstante sportliche oder künstlerische Leistung oder das sichere Auftreten im Medienbereich nicht zu den vertraglichen Verpflichtungen gehört.102
277
98 BGH, NJW 1992, 2690; Palandt/Heinrichs, vor § 311 BGB, Rz. 14; Fritzweiler/Pfister/ Summerer, Teil 3, Rz. 77. 99 Hier bestehen allerdings Einschränkungen im non-profit-Bereich aufgrund steuerlicher Vorgaben, S. Rz. 1216 ff. 100 Palandt/Heinrichs, Einf. § 311 BGB Rz. 14. 101 Näheres zur Vertragsstrafe im Sportsponsoring: Nesemann, Vertragsstrafen in Sponsoringverträgen im Zusammenhang mit Doping, NJW 2007, 2083 ff. 102 Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 3, Rz. 125.
85
Teil B
Event und Vertrag
278
Für die Funktion als Werbeträger für eine Veranstaltung kann der Gesponserte an den Werbeeinnahmen beteiligt werden.
279
Gegen den Willen des Gesponserten kann dieser nicht zu eigenen Werbeleistungen verpflichtet werden. Einen Vertrag zu Lasten Dritter kennt das BGB nicht. Somit ist die Zustimmung des Gesponserten für jede Werbemaßnahme, an der er durch seine Leistung mitwirkt, unerlässlich.
280
Die unberechtigte Nutzung des Namens oder Bildes eines Sportlers zu Reklamezwecken führt zu Schadensersatzansprüchen gemäß § 823 Abs. 1 BGB und/oder einem Bereicherungsanspruch gemäß § 812 BGB (zB Lizenzgebühr in üblicher Höhe).
281
Beim Sponsoring können zwei Formen unterschieden werden. Das sog. ProduktSponsoring und das sog. Image-Sponsoring. Bei der ersten Sponsoringform soll lediglich der Absatz eines bestimmten Produktes (zB Sportartikel, Nahrungsmittel, Dienstleistung) gefördert werden, während das Image-Sponsoring – wie der Begriff schon sagt – das Image des Gesponserten (zB bei einem Sportler: Weltranglistenerster, Weltmeister, Dynamik, Schnelligkeit, Kraft, Erfolg etc.) auf den jeweiligen Sponsoren projizieren soll. Der Sponsor, der einen Event präsentiert, stellt damit seine Produkte vor und bringt sie in unmittelbaren Zusammenhang mit der jeweiligen Veranstaltung. Den damit verbundenen Werbeeffekt nennt man „Imagetransfer“.
282
Eine weitere Differenzierung kann zwischen Dauer-Sponsoring und EventSponsoring erfolgen. Der obige Praxisfall betrifft einen Fall des Event-Sponsoring. Das Interesse der Sponsoren hängt in hohem Maße von der Attraktivität der jeweiligen Veranstaltung ab. Wendt hat im obigen Falle103 das Problem, dass es sich bei dem Fußballturnier um eine Erstlingsveranstaltung handelt. Bei seit Jahren etablierten Veranstaltungen (zB Love Parade, Berlin-Marathon etc.) kommen die Sponsoren in der Regel auf den Veranstalter zu. Wendt ist somit in der schwierigen Lage, den geplanten Event besonders attraktiv vermarkten zu müssen, um attraktive Sponsoren akquirieren zu können. Für viele Veranstalter beginnt daher ein Teufelskreis: Eine attraktive Veranstaltung kostet Geld – Geld ist zunächst aber nur begrenzt vorhanden und soll erst über Sponsoren beschafft werden – die Sponsoren sind aber nur an attraktiven Veranstaltungen interessiert. Die Attraktivität eines Events wird in erster Linie durch Werbung erreicht. Wendt muss daher versuchen, über lokale Printmedien oder das Fernsehen auf den geplanten Event aufmerksam zu machen.104
103 Siehe Rz. 272. 104 Zu den medienrechtlichen Grenzen siehe Rz. 1096 ff.
86
Teil B
IV. Vertragsarten Abb. 9: Sponsoringbeziehungen bei Veranstaltungen105 Gesponserter
Sportler- und Künstlervereinigungen
Eigentümer/Besitzer der Veranstaltungsstätte
Veranstalter
Sponsoring
Agenturen
Medien (TV, Presse)
Zuschauer
Sponsor
Die Anzahl der Sponsoren kann unterschiedlich sein. Es besteht sowohl das Modell des Exklusivsponsors, der das alleinige Vermarktungsrecht für eine Veranstaltung innehat, als auch die Konstruktion mit mehreren Haupt- und CoSponsoren. Hier werden die Sponsorenrechte für eine Großveranstaltung wie die Olympischen Spiele an eine Mehrzahl von Sponsoren vergeben. Dabei können mehrere Sponsoren gleichberechtigt den Event vermarkten, oder es besteht eine Rangfolge von Haupt- und Co-Sponsoren, die je nach Investition einen entsprechenden Anteil an Werbe- und Medienpräsenz innehaben.
283
Beim Sponsoring können verschiedene Sponsoringarten unterschieden werden.
284
Beim Sozio- oder Ökosponsoring suchen Organisationen aus dem sozialen Bereich (zB Amnesty International, Greenpeace, World Wildlife Fund etc.) nach Sponsoren zur Unterstützung ihrer Aktivitäten und Förderung ihrer sozialen Aufgabenstellungen.
285
Kultursponsoring erlebt in den letzten Jahren einen starken Aufschwung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass gebildetere Konsumentengruppen der klassischen Werbung kritisch gegenüberstehen. Durch Kultursponsoring können diese ansonsten schwer erreichbaren Zielgruppen in unkommerzieller Umgebung angesprochen werden (zB Aida, Night of the proms). Das alte Hamburger Operetten-
286
105 In Anlehnung an Vieweg, Sponsoring im Sport, 1996, S. 76.
87
Teil B
Event und Vertrag
haus heißt seit Ende 2007 „TUI Operettenhaus Hamburg“, ein Fall des Naming Right Sponsorings, auf welches unten noch detaillierter eingegangen wird. 287
Die wohl bedeutendste Sponsoringart ist seit seiner Entstehung in den 70er-Jahren das Sportsponsoring. Unternehmen geben jährlich bis zu zweistellige Millionenbeträge (zB Deutsche Telekom/FC Bayern München 20 Millionen Euro jährlich) für ihr Engagement im Spitzensport aus. Das Sponsoring erfolgt im Sport im Wesentlichen über Banden-, Sportgerät- und Trikotwerbung. Außerdem wird immer häufiger auf die Möglichkeit des Titelsponsoring zurückgegriffen (zB COMPAQ-Grand-Slam-Cup, FUJI-Cup).
288
Im Zusammenhang mit Sportsponsoring kann auch der Begriff Event-Licensing aus dem Merchandising-Bereich genannt werden. Wenn ein Unternehmen das „Davis Cup“-Logo lizenzieren lässt und das Logo auf seinen Sport- oder Lebensmittelprodukten verwendet, will es das Medienereignis „Davis Cup“ als Gütezeichen für die Qualität seiner Produkte nutzen.
289
In den USA hat mittlerweile fast jede Sportveranstaltung, die ein auch nur beschränktes Medieninteresse genießt, Eventcharakter. Während der deutsche Besucher einer Sportveranstaltung in der Regel nur mit sportlichen Eindrücken konfrontiert wird, ist in den Staaten auch das Drumherum von großem Interesse. Dadurch wird erreicht, dass die Zuschauer wesentlich länger als die Spieldauer in den jeweiligen Stadien oder Hallen bleiben. Folge ist ein höherer Getränke- und Snackkonsum, erhöhter Absatz von Fanartikeln, ausreichend Zeit zur Sponsorenpräsentation und eine wesentlich längere Medienpräsenz, die zu höheren Werbeeinnahmen führt. Die deutschen Vorreiter für die Sportevents amerikanischer Machart sind die großen Football-Happenings in Frankfurt und Berlin. Hier werden im Rahmen der World League wahre Footballpartys inszeniert, die mit Musik und bunter Ausstattung zu einer konsumfreundlichen Gesamtatmosphäre führen.
290
Sportliche Großveranstaltungen sind inzwischen ohne Sponsorenunterstützung so gut wie nicht realisierbar. Anlässlich der Fußball-WM 1990 in Italien zahlte Daimler-Benz dem DFB für die Bewerbung von Sportausrüstung und flankierende Werbemaßnahmen 1,5 Mio. DM (ca. 767 000 Euro) nebst Fahrzeugbereitstellung. Sponsoren investierten für die Olympischen Spiele in Peking rund 1,2 Mrd. Dollar für den Bereich Sporteventsponsoring.
291
Im Bereich des Sportsponsoring können entweder Einzelsportler (zB Michael Ballack, Timo Boll) oder Mannschaften (zB FC Bayern München, Deutsche Fußball Nationalmannschaft) gesponsert werden. Zu rechtlichen Konflikten kommt es in den Fällen, in denen ein Verein die Werberechte an einer Großveranstaltung einem Exklusivsponsor übertragen hat, jedoch einzelne Sportler Spezialverträge mit anderen Sponsoren abgeschlossen haben. Beispiel Die Fußballweltmeisterschaft steht vor der Tür. Der Deutsche Fußball Bund schließt einen Sponsoringvertrag mit dem bekannten Sportschuhhersteller „Anziehdas“. Der WMKader-Spieler Lothar Skarabäus hat vor geraumer Zeit einen eigenen Sponsoringvertrag
88
IV. Vertragsarten
Teil B
mit 10-jähriger Laufzeit mit dem Sportschuhproduzenten „Jaguar“ abgeschlossen, der während der Fußball-WM noch Geltung hat. Wie löst der Manager des DFB dieses Problem?
Da es, wie oben erwähnt, ohne die Zustimmung des Spielers nicht geht, sollte man versuchen, eine gütliche Einigung zu treffen, die für alle Beteiligten zufriedenstellend ausfällt.
292
Beispielsweise könnte man den Sponsor des Sportlers kontaktieren und versuchen, gegen Vereinbarung einer Werbeausfallsumme, für den Zeitraum der Veranstaltung eine Freistellung des Sportlers von der Verpflichtung gegenüber seinem Sponsor zu erreichen. Eine andere Möglichkeit wäre es, den betreffenden Sportler von der Verpflichtung gegenüber dem Veranstaltungssponsor auszuklammern.
293
Bei Verhandlungen mit Sponsoren kann es sinnvoll sein, die Branchenexklusivität zu sichern. Heutzutage ist es relativ schwierig, zu beurteilen, in welchen Sektoren große Konzerne tätig sind. Unternehmen betreiben Sponsoring, um ihr Image zu transportieren sowie Awareness und Umsätze zu steigern. Wird das Image einer Sportart beschädigt, nimmt auch der Sponsor Schaden (zB Team Telekom – Doping bei der Tour de France, Ende 2007 hat sich die Telekom aus dem Profiradsport zurückgezogen, im Jahr 2008 folgte das Team Gerolsteiner). Ebenso schlimm ist es für den Sponsor, wenn sein Sponsoringkonzept verwässert wird.
293a
Beispiel I. Wendt organisiert eine größere Ausstellung im Bereich Kultursponsoring. Ein großes deutsches Telekommunikationsunternehmen wird als Hauptsponsor gewonnen. Während der Ausstellung werden im Foyer der Veranstaltungshalle ohne Wissen von Wendt Flyer eines unmittelbaren Konkurrenten ausgelegt. Der Hauptsponsor ist entsetzt und verlangt im Anschluss an die Veranstaltung seine Sponsorengelder zurück. Diese wurden von Wendt zum Großteil bereits ausgegeben.
Derartige Szenarien müssen verhindert werden. Der Veranstalter hat im Rahmen seiner Organisation dafür Sorge zu tragen, dass die den Sponsoren zugesagte Exklusivität nicht verletzt wird.
" Praxistipp: Eine Möglichkeit, um sauber mit verschiedenen Sponsoren zu
arbeiten, liegt in der Definition einer Blacklist oder Whitelist. Diese Begriffe stammen aus dem Bereich des IT-Rechts. Um sog. Spam-Mail aus den Internetaccounts zu verdrängen, werden gewisse Inhalte durch Indizierung gewisser Begrifflichkeiten (zB Viagra, Sex etc.) oder Dateianhänge (zB ausführbare Dateien wie exe-Dateien) auf eine Blacklist gesetzt. Als Spammer erkannte Absenderadressen werden gesperrt. Auf der anderen Seite setzt der Inhaber eines E-Mail-Accounts seine vorhandenen Kunden- und Privatkontakte auf eine sog. Whitelist. Diese Email-Absender können die Firewall ohne Beanstandung passieren. Auf den Sponsoringbereich übertragen heißt das: Idealerweise überlässt man es dem Hauptsponsor einer Veranstaltung die Definition einer Blacklist. Der Sponsor kann am besten beurteilen, wel89
293b
Teil B
Event und Vertrag
che Konkurrenten sein Sponsoringkonzept durchkreuzen. Da es heutzutage nicht mehr einfach ist, zu beurteilen, welche Unternehmen im Einzelnen miteinander konkurrieren (so hat sich zB Mannesmann von einem Unternehmen mit ua. dem Schwerpunkt Rohrherstellung vor der Übernahme durch die britische Vodafone zum zweitgrößten deutschen Mobilfunkanbieter entwickelt), lässt man den Sponsoren die Blacklist selbst definieren und nimmt diese als Anlage zum Sponsorenvertrag. Somit wird es für den Veranstalter einfacher, Co- und Subsponsoren für eine Veranstaltung vorzuselektieren und zu akquirieren, ohne Gefahr zu laufen, seine Hauptsponsoren zu verärgern. Der Hauptsponsor kann auch eine Whitelist vorgeben, die entweder Unternehmen oder Branchen aufführt, die sein Sponsorenkonzept nicht gefährden. Schließlich gibt es noch die Möglichkeit veranstalterseitig eine Greylist zu erstellen, die anschließend von den bereits eingebundenen Sponsoren geprüft und freigegeben bzw. zusammengestrichen wird. Regelungsinhalt bei Sponsoringverträgen: – Bezeichnung der Vertragsparteien – Leistungen des Sponsors – Gegenleistung des Gesponserten – Leistungsmodalitäten – Wettbewerbsverbote – Blacklist/Greylist/Whitelist definieren – Gefahrtragung – Kündigungsgründe – Schiedsklausel
6. Der Naming-Right-Vertrag 293c
Eine aus den Vereinigten Staaten stammende, immer beliebter werdende Sponsoringmaßnahme, ist das sog. Naming Right. Deshalb soll dieser als Spielart des Sponsoringvertrages ein eigener Kapitelabschnitt eingeräumt werden. Zunächst wurde diese spezielle Form des Sponsorings für deutsche Fußballstadien entdeckt. Naming-Right-Verträge, wie für die Allianz Arena in München, lassen sich die Namensgeber aus der Wirtschaft hohe Millionenbeträge kosten. Erste Schritte in diese innovative Form der Zielgruppenansprache machten 1997 die Spielvereinigung Greuther Fürth (Playmobil Stadion) und ein Jahr später Bayer 04 Leverkusen (BayArena). Als spektakulärste Umbenennung galt aber das Hamburger Volksparkstadion, das im Jahr 2001 auf den Namen AOL-Arena umgetauft wurde und seit dem Sponsorenwechsel 2007 HSH Nordbank Arena heißt. Mittlerweile sind neun von zwölf WM-Stadien nach Unternehmen benannt und garantieren pro Verein jährliche Einnahmen von durchschnittlich rund 3 Millionen Euro, die zur Refinanzierung des Großinvestments einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten. Mit Vertragslaufzeiten zwischen fünf und fünfzehn Jahren können die Einnahmen kontinuierlich zur Tilgung der Kredite 90
IV. Vertragsarten
Teil B
genutzt werden. Heute sind bereits zwölf der 18 Bundesligavereine in einem Markenstadion aktiv, europaweit zählt man 119 Naming Rights. In diesem Sektor gelten die Deutschen als Vorreiter und Treiber für ganz Europa. Mittlerweile werden ganze Spielserien wie die Fußball-Bundesliga für die Vergabe von Namensrechten interessant, die Handball Bundesliga heißt bereits „Toyota Handball Bundesliga“. Im europäischen Ausland ist eine solche Namensgebung für Ligen seit langem üblich. Die hohen Kosten im Profifußball und der starke Konkurrenzdruck hinsichtlich der Verpflichtung attraktiver Spieler und das Erreichen internationaler Wettbewerbe und der damit verbundenen Vermarktungstöpfe (zB UEFA Champions League) machen diese neue Geldquelle speziell für die deutschen Vereine sehr interessant. Ein Namensponsoring einzelner Vereinsnamen (wie beispielsweise FC Gazprom Schalke 04) ist derzeit in Deutschland noch unzulässig.
293d
2007 zahlten die Namensrechte-Sponsoren in den Top-Ligen des europäischen Fußballs rund 43 Millionen Euro an die gesponserten Vereine bzw. an die Betreiber und Eigner der Spielstätten. Aufgrund des skizzierten Aufschwungs des Werbemittels Naming Right kann von einer Verdoppelung dieser Einnahmen in den nächsten zwei bis drei Jahren ausgegangen werden. Für den NamingRight-Vertrag gelten im Wesentlichen dieselben rechtlichen Überlegungen wie beim oben behandelten Sponsoringvertrag. Wesentlich ist die Sicherung einer Branchenexklusivität für den Namensgeber. Bei langfristigen Verträgen – ein typisches Merkmal vieler Naming-Right-Verträge – sind Sonderkündigungsrechte und Anpassungsklauseln bei negativer (zB [Zwangs]Abstieg) wie positiver sportlicher Entwicklung (zB Teilnahme an der Champions League, Meisterschaft) grundlegende Bestandteile der vertraglichen Regelungen.
293e
Regelungsinhalt bei Naming Right-Verträgen: – Wie Sponsoringvertrag, siehe oben.
7. Der (Location-)Mietvertrag/Pachtvertrag Beispiel Wendt sucht nach einer geeigneten Location für die geplante Präsentation eines neuen Fahrzeugmodells für einen großen Automobilhersteller. Wegen der interessanten Lichtverhältnisse beabsichtigt er, die Präsentation in einem alten stillgelegten Güterbahnhof aus dem 19. Jahrhundert stattfinden zu lassen. Eigentümer des Bahnhofs ist die Stadt X. Was muss Wendt beachten?
Normalerweise schließt der Veranstalter eines Events – sofern er nicht über eigene Grundstücke und Räumlichkeiten verfügt – Miet- oder Pachtverträge mit dem Eigentümer ab. Ist der Nutzungsberechtigte nicht selber Eigentümer des Veranstaltungsortes, sondern nur Mieter oder Pächter, muss mit diesem ein Untermietvertrag geschlossen werden. Dabei sollte man sich unter Vorlage des Hauptmietvertrages vergewissern, dass der Mieter auch vertraglich zur Untervermietung berechtigt ist. Inhaltlich sollte sich ein Untermietvertrag am Hauptmietvertrag orientieren. 91
294
Teil B 295
Event und Vertrag
Der Mietvertrag ist ein Vertrag zwischen dem Mieter und dem Vermieter auf Gebrauchsüberlassung einer Sache gegen Entgelt. Die Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien ergeben sich aus §§ 535 ff. BGB. Gegenstand des Mietvertrages können sowohl bewegliche als auch unbewegliche Sachen sein. Mietverträge, die über bewegliche Sachen geschlossen werden (zB der Mietwagen), bedürfen keiner Form, während Mietverträge über Wohnraum oder Grundstücke, wenn sie für eine bestimmte Dauer gelten sollen, der Schriftform bedürfen, §§ 550, 578 BGB. Beispiel Eine Messegesellschaft verlangte von einer Ausstellerin Miete für einen Messestand. Die Ausstellerin meldete sich am 18.2.2008 auf einem Anmeldeformular der Messe für die von dieser Gesellschaft organisierten Fachmesse E an, die in der Zeit vom 6. bis 8.10.2008 stattfinden sollte. Die Messegesellschaft unterbreitete der Ausstellerin am 7.5.2008 ein Standangebot über einen 150m2 großen Stand, welches diese mit Schreiben vom 16.5.2008 bestätigte. Am 25.6.2008 erklärte die Ausstellerin der Messegesellschaft zunächst telefonisch und einen Tag später schriftlich, dass sie von dem Angebot zurücktrete, weil sie den für die Messe geplanten Ausstellerpool nicht habe realisieren können und damit für sie die Grundlage für eine Teilnahme an der Messe entfallen sei. Die Messegesellschaft überließ mangels Interessenten zur kostenpflichtigen Nutzung den streitigen Messestand unentgeltlich vier Ausstellern, die sich verpflichtet hatten, auf eigene Kosten den Überbau des Standes – mit Ausnahme des Teppichbodens, der von der Messe zur Verfügung gestellt wurde – durchzuführen. Die Ausstellerin nahm an der Messe als Mitausstellerin an dem Stand der Landeshauptstadt Düsseldorf teil. Das Landgericht hat die auf Zahlung der vereinbarten Miete von 73 080 Euro gerichtete Klage der Messegesellschaft abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision zum Bundesgerichtshof hatte die Messegesellschaft Erfolg, so dass die Ausstellerin verpflichtet ist, die Miete für den nicht genutzten Messestand zu tragen. Nach Auffassung des BGH verstößt ein Mieter eines Messestandes, der sich grundlos weigert, den Mietvertrag zu erfüllen, gegen Treu und Glauben, wenn er sich gegenüber dem Mietzinsanspruch des Vermieters, der den Messestand wegen dieser vertragswidrigen Weigerung des Mieters weitervermietet hat, auf § 537 BGB Abs. 2 BGB beruft.106 In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass es dem vertragsbrüchigen Mieter, der die Mieträume nicht übernimmt oder vorzeitig räumt, gemäß § 242 BGB versagt sein kann, sich auf § 537 Abs. 2 BGB zu berufen. Die Ausstellerin hat eine grobe Vertragsverletzung begangen, indem sie die vor Messebeginn fällig gewordene Miete nicht bezahlt und trotz wirksam vereinbarter Betriebspflicht den Messestand nicht aufgebaut und bezogen hat. Die Ausstellerin musste auch davon ausgehen, dass der Mietvertrag wirksam zustande gekommen ist. Die Messegesellschaft hat stets darauf hingewiesen, dass der Vertrag wirksam zustande gekommen sei. Die Messe habe die Standfläche nicht lediglich im eigenen, sondern auch im Interesse der Ausstellerin unentgeltlich anderen Ausstellern überlassen. Denn die Ausstellerin hatte sich gemäß A 21 der Messe-Teilnahmebedingungen wirksam zum Betrieb des Messestands verpflichtet. Durch die Vereinbarung der Betriebspflicht haben die Parteien dem berechtigten Interesse der Messegesellschaft Rechnung getragen, einen Leerstand zu vermeiden, der sich auf das Gesamtbild der Messe nachteilig ausgewirkt hätte. Nachdem die Ausstellerin die Erfüllung des Vertrages und damit auch ihrer Betriebspflicht abgelehnt hatte, war die Messegesellschaft berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen, um den drohenden Leerstand zu verhindern. Dadurch, dass die Messe Aussteller gefunden hat, die die freie Fläche auf ihre Kosten überbaut haben, hat die Messe Kosten er106 BGH v. 19.12.2007 – XII ZR 13/06, NJW 2008, 1148 = MDR 2008, 442.
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IV. Vertragsarten
Teil B
spart, die durch ein andernfalls erforderlich gewordenes Kaschieren der leeren Fläche, zB durch Einrichten einer Ruhezone, zusätzlich angefallen wären und deren Ersatz sie von der Ausstellerin wegen Verletzung der Betriebspflicht hätte verlangen können.
Der Vermieter und in dessen Abwesenheit der Mieter übt das Hausrecht über die Mietsache aus. Das bedeutet, dass er unliebsame Gäste, die gegen Hausordnung bzw. Mietbedingungen verstoßen oder andere Gäste gefährden oder belästigen aus der Veranstaltung entfernen kann. Bei wiederkehrenden Veranstaltungen kann auch für die Zukunft ein Hausverbot ausgesprochen werden.
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Hausverbote können nicht nur gegenüber pöbelnden Gästen ausgesprochen werden. Dem niederländische Walzerkönig André Rieu ist in der Bielefelder Seidenstickerhalle ein Hausverbot erteilt worden, weil er die Halle bei seinem Konzert öffentlich als „Scheißhalle“ tituliert hatte. Oft sind im Bereich von Hallen oder Festwiesen der Bund, die Länder oder die jeweilige Gemeinde Eigentümer. Das privatrechtliche Eigentum der öffentlichen Hand wird durch die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung des Gebäudes oder Grundstückes (sog. Widmung) überlagert und beschränkt, da Sachen, die im Gemeingebrauch stehen, einem gewissen öffentlichen Zweck dienen. Alle über diesen Zweck hinausgehenden Nutzungen, die nicht die Allgemeinheit, sondern nur der Einzelne in Anspruch nehmen will, stellen eine Sondernutzung dar, die in der Regel gebührenpflichtig ist.107 Die Nutzungsmodalitäten werden in den meisten Kommunen durch entsprechende Benutzungssatzungen oder Mietverträge geregelt.
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Nach Auffassung des BGH resultiert aus dem Platzmietvertrag zwischen einer Stadt und einem Zirkusunternehmen eine Nebenverpflichtung des städtischen Grundstücksamtes, den Zirkusunternehmer über jede Veränderung der Verhältnisse aufzuklären, die zur Festlegung eines bestimmten Gastspieltermins geführt haben.108 Im betreffenden Fall hatte das städtische Grundstücksamt es versäumt, das Zirkusunternehmen auf die Kollision des geplanten Gastspielzeitraumes mit einer zeitgleich stattfindenden Parkfestveranstaltung aufmerksam zu machen. Daraufhin nahm der Zirkusunternehmer die Stadt auf Schadensersatz in Anspruch, da eine Verlegung des Gastspieltermins nicht mehr möglich war und die parallele Veranstaltung zu hohen Einnahmeverlusten geführt hat. Der Schadensersatzanspruch wurde vom BGH zugesprochen. Die Risiken der Veranstaltung müssen laut Mietvertrag idR über eine ausreichende Veranstaltungshaftpflichtversicherung des Mieters abgedeckt werden. Die entsprechende Versicherung muss dem Vermieter bei Unterzeichnung des Mietvertrages vorgelegt werden. Eine entsprechende Vertragsklausel könnte wie folgt lauten:
107 Vgl. hierzu auch Rz. 630 ff. 108 BGH, VersR 1971, 155 (156).
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Teil B
u
M8
Event und Vertrag
Klausel zur Versicherung der Abdeckung von Risiken
Der Mieter ist verpflichtet zur Abdeckung der durch diesen Vertrag zu übernehmenden Verpflichtungen (Risiken) eine angemessene Personen-, Sachschaden- und Miethaftpflichtversicherung abzuschließen und diese auf Verlangen eine Woche vor der Mietzeit der Vermieterin durch Vorlage der Prämienquittung nachzuweisen.
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Mängel der Veranstaltungsräumlichkeit fallen in die Risikosphäre des Vermieters. Lag der Mangel bereits bei Abschluss des Mietvertrages vor, ist eine verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters gegeben. § 536 Abs. 1 BGB stellt eine Garantiehaftung dar. Zur Erleichterung der Beweislage in Bezug auf die Mangelfreiheit der Mietsache wäre dem Vermieter die nachfolgende Klausel zu empfehlen:
u
M9
Klausel zur Beweislage der Mangelfreiheit
Die Vermieterin übergibt die gemieteten Räume, Flächen und Einrichtungen in ordnungsgemäßen Zustand. Werden bei Beginn der Mietzeit vom Mieter keine Beanstandungen erhoben, gelten die Mietgegenstände als vom Mieter in ordnungsgemäßen Zustand übernommen. Für das Versagen irgendwelcher Einrichtungen, für Betriebsstörungen und sonstige die Veranstaltung beeinträchtigende Ereignisse, haftet die Vermieterin dem Mieter nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit.
Der Mietvertrag kann auch mit anderen Vertragspflichten gekoppelt werden. So nahm das Berliner Kammergericht an, dass neben der zeitlich begrenzten Überlassung einer Sache, nämlich vermietbarer Standfläche, mit einem Mietvertrag weitere Verpflichtungen eingegangen wurden. Es habe sich daher nicht um einen reinen Mietvertrag iSv. § 535 BGB, sondern um einen typengemischten Vertrag gehandelt. Dem von dem damaligen Kläger entworfenen Veranstaltungskonzept, mit dem er der Beklagten den Vertragsschluss angeboten hat, war nach Ansicht des Gerichts zu entnehmen, dass der Kläger die komplette Organisation und Durchführung des Festes als seine Leistung anbot. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarung oblagen dem Kläger die wesentlichen organisatorischen und vermarktungstechnischen Aufgaben, die zum Gelingen der Veranstaltung und damit letztlich auch zum erfolgreichen Weitervermieten der streitgegenständlichen Flächen beitragen sollten. Die Qualität der weiterzuvermietenden Fläche hing nach Auffassung des Gerichts wesentlich davon ab, dass der Kläger die ihm vertraglich auferlegten Pflichten ordnungsgemäß erfüllte. Nach dem Vortrag der Beklagten hat der Kläger diese Pflichten nur ungenügend oder gar nicht erfüllt, so dass das Gericht eine Minderung um 194 062,50 DM (ca. 100 000 Euro) für angemessen hielt.109 109 KG v. 27.3.1997 – 8 U 7335/95, KGR Berlin 1998, 159.
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Teil B
IV. Vertragsarten
Kommt es aufgrund von technischen Mängeln zur Unbenutzbarkeit der Veranstaltungsräumlichkeit, ist der Mieter von seiner Mietzahlungspflicht befreit, § 536 BGB und kann bei Verschulden (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) darüber hinaus Schadensersatz wegen Nichterfüllung (zB entgangener Gewinn, nutzlose Aufwendungen) vom Vermieter verlangen, § 536a BGB.
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Nutzlose Aufwendungen sind nach § 284 BGB dann entstanden, wenn der Mieter im Vertrauen auf die Nutzung des Veranstaltungsraumes bestimmte Aufwendungen tätigt (zB Verpflichtung von Künstlern, Bestellung von Catering etc.), die anschließend aufgrund einer Leistungsstörung nutzlos werden. Diese können auch in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestehen.110 Somit können gemäß § 284 BGB Aufwendungen als eine Art Mindestschaden geltend gemacht werden.
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Auch organisatorische Fehler des Veranstalters können bei der Vermietung von Messeständen auf einer Messeveranstaltung einen Fehler des gemieteten Standes im Sinne des § 536 BGB begründen.111 Bei Versagen irgendwelcher Einrichtungen der Veranstaltungsstätte nach Vertragsschluss haftet der Vermieter nur, wenn ihm fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten nachzuweisen ist. Kommt es zu einer Betriebsstörung im Bereich der Risikosphäre des Vermieters, trifft diesen die Beweislast dafür, dass er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden nicht zu vertreten haben.
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Der Mieter muss die für die Veranstaltung erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse und Anmeldungen rechtzeitig bewirken. Eine mit öffentlich-rechtlichen Bestimmungen oder Auflagen kollidierende Veranstaltung kann auf den Vermieter zurückfallen. Im Mietvertrag könnte dazu eine Regelung wie nachstehend erfolgen:
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u
Vertragsklausel zur rechtzeitigen Genehmigung
M 10
Der Mieter hat die nach den geltenden Vorschriften für seine Veranstaltung erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse und Anmeldungen rechtzeitig zu bewirken, und die ihm auferlegten Pflichten auf seine Kosten zu erfüllen. Auch die Anmeldung und Zahlung der GEMA-Gebühr sowie die Einholung der Erlaubnis der GEMA für Musikaufnahmen und Musikwiedergabe ist Angelegenheit des Mieters.
Bei Verwendung offener Flammen oder Pyrotechnik muss dies der Ordnungsbehörde, der Feuerwehr und dem Vermieter angezeigt werden.112 Damit verbundene Kosten (Feuer-Sicherheitswache, Sanitäter, Notarzt etc.) werden vom Mieter übernommen. Eine entsprechende Vertragsklausel könnte folgendermaßen aussehen: 110 Palandt/Heinrichs, Ergänzungsband, § 284 BGB Rz. 6. 111 OLG Köln, WuM 1976, 9. 112 Siehe zum Bereich der Genehmigungserfordernisse auch Rz. 577 ff.
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Teil B
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M 11
Event und Vertrag
Vertragsklausel der Anzeige an die Ordnungsbehörde
Der Mieter hat die baurechtlichen und feuersicherheitstechnischen Bestimmungen strengstens zu beachten. So ist zB der Einsatz von pyrotechnischen Mitteln, offenem Feuer uä. rechtzeitig – spätestens 4 Wochen – vor der Veranstaltung der zuständigen Ordnungsbehörde, der Feuerwehr und dem Vermieter schriftlich anzuzeigen. Werden von den zuständigen Behörden wegen der Eigenart der Veranstaltung besondere Maßnahmen, zB die Einstellung einer Feuer-Sicherheitswache gefordert, so gehen die hierdurch entstandenen Kosten zu Lasten des Mieters. Das Gleiche gilt für Unfall-Hilfsstellen. Im Übrigen sind die Bestimmungen der örtlichen Ordnungsbehörde zu beachten.
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Eine Haftung des Vermieters kann sich auch aus dem Gesichtspunkt der Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ergeben, wenn der zwischen Vermieter und Veranstalter geschlossene Mietvertrag von seinem Sinngehalt her auch den Schutz zugunsten von bestimmungsgemäß mit der Veranstaltungsräumlichkeit in Kontakt tretenden Dritten bezweckt. Die dafür erforderliche Leistungsnähe ist sicherlich gegeben. Allerdings trifft den Mieter eine primäre Überwachungspflicht und die Verantwortung für die Sicherheit der Besucher. Der Vermieter kann eine derartige Haftung aus Mietvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter durch Regelungen im Mietvertrag beschränken. Möglich wäre beispielsweise folgende Formulierung:
u
M 12
Vertragsklausel zum Schutz Dritter
Der Vermieter haftet lediglich für Schäden, die auf mangelnde Beschaffenheit der vermieteten Räume und des vermieteten Inventars oder auf vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der von ihm übernommenen Verpflichtungen zurückzuführen sind.
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Auch die Verantwortung für Zuwege kann auf den Veranstalter übertragen werden, allerdings gibt es im deutschen Recht keinen Vertrag zu Lasten Dritter, so dass beispielsweise ein Besucher, der auf einem durch Versäumnis des Veranstalters ungestreuten vereisten Zuweg zum Veranstaltungsraum ausrutscht und sich verletzt, bei Illiquidität des Veranstalters den Vermieter auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann. Eine Klausel zur Haftungsbegrenzung könnte folgendermaßen lauten:
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Teil B
IV. Vertragsarten
u
Vertragsklausel zur Verantwortung für Zuwege
M 13
Für Schäden, die Personen oder Sachen während der Mietzeit in der gemieteten Halle oder auf dem dazugehörigen Freiflächen erleiden, haftet die Vermieterin nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Der Mieter stellt die Vermieterin von Ansprüchen jeder Art, die von dritter Seite gegen sie aus Anlass der Veranstaltung (einschließlich Vorbereitung und nachfolgender Abwicklung) erhoben werden, frei.
Folgende Regelung, die den Pflichtenkreis des Mieters detailliert festlegt, wäre ebenfalls möglich:
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u
Vertragsklausel zum Pflichtenkreis des Mieters
M 14
Die notwendigen und gekennzeichneten Zuwege zum Veranstaltungsraum bzw. die Bewegungsflächen für die Feuerwehr müssen ständig freigehalten werden. Feuermelder, Feuerlöscher, Hydranten, Auslösungspunkte der Rauchabzugseinrichtungen und andere Sicherheitseinrichtungen, deren Hinweiszeichen sowie die Notausgangszeichen müssen jederzeit zugänglich und sichtbar sein, sie dürfen nicht zugestellt oder zugebaut sein. Dies gilt auch für Rettungswege und Türen im Zuge von Rettungswegen. Für die Einhaltung dieser Vorgaben ist der Mieter verantwortlich.
Eine gewisse Überwachungsverpflichtung des Vermieters bleibt bestehen. In der Musterversammlungsstättenverordnung ist explizit geregelt, dass die Verantwortung nicht vollständig auf den veranstaltenden Mieter übertragen werden kann, sondern die Betreiberhaftung des Locationbetreibers die Abstellung einer verantwortlichen Person für die Zeit der Veranstaltung erforderlich macht.113 Da das Hausrecht während der Veranstaltung vom Mieter ausgeübt wird, sollte folgende Regelung getroffen werden:
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u
Vertragsklausel zum Zutritt
M 15
Den Bediensteten der Vermieterin, der Feuerwehr, der örtlichen Ordnungsbehörde sowie sonstiger zuständiger Behörden ist jederzeit auf Verlangen ungehinderter Zutritt zu allen Teilen des Mietobjektes zu gewähren; verlangte Auskünfte sind zu erteilen und Weisungen sind zu befolgen.
" Praxistipp: Derjenige, der eine Location anmieten möchte, sollte im Vorfeld der Veranstaltung einen Begehungstermin mit dem Vermieter oder einem
113 Siehe zur Betreiberhaftung auch Teil E, Rz. 610a.
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Teil B
Event und Vertrag
seiner Vertreter vereinbaren. Bei der Begehung der Location sollten alle vorhandenen Schäden an der Location (zB gesprungene Kacheln, verschmutzte Wände, zerbrochene Scheiben, verkratzte Parkettböden, fleckige Teppichböden etc.) protokolliert werden. Auf diese Weise kommt es nach Ende der Veranstaltung nicht dazu, dass Sie zu Unrecht für den Vermieter eine überfällige Renovierung der Veranstaltungsräumlichkeiten zahlen müssen, weil Altschäden nicht von Neuschäden abgegrenzt werden können. 309
In der folgenden Abbildung sind der Mietvertrag und die zugehörigen Mietbedingungen der Düsseldorfer Philipshalle abgedruckt. Abb. 10: Mietvertrag und Vertragsbedingungen für die Philipshalle Düsseldorf Mietvertrag zwischen der Landeshauptstadt Düsseldorf – vertreten durch den Oberstadtdirektor – Werbe- und Wirtschaftsförderungsamt, – Hafenverwaltung –, 40591 Düsseldorf, Siegburger Str. 15 – nachstehend Vermieterin genannt – und der EvilVents GmbH – nachstehend Mieter genannt – wird folgender Vertrag geschlossen: § 1 Mietgegenstand 1. Zur Durchführung … … … vermietet die Vermieterin dem Mieter die Philipshalle: mit einer Reihen-/Tisch/Ring-/Teilbestuhlung für … Personen mit einer Bruttoausstellungsfläche von … m2 Auf Wunsch des Mieters wird das Besucher-Stuhlangebot/die Bruttoausstellungsfläche für die im Vertrag genannte Veranstaltung auf maximal … Plätze/m2 erweitert. 2. Die im Absatz 1 genannten Platzzahlen entsprechen den von der Vermieterin laut Bestuhlungsplan bereitgestellten Sitzplätzen. Gehen durch Aufbauten auf der Bühne oder durch andere veranstaltungsbedingte Vorkehrungen des Mieters in der Halle Sitzplätze verloren, hat der Mieter diesen Verlust allein zu vertreten. Der Mieter ist nicht berechtigt, den für die Philipshalle vom Bauaufsichtsamt der Stadt Düsseldorf genehmigten Bestuhlungsplan zu verändern, insbesondere nicht durch Aufstellen von weiteren Stuhlreihen oder Anstellen von Stühlen an bestehenden Stuhlreihen. 3. Die Philipshalle wird grundsätzlich mit einer Reihenbestuhlung angeboten. Werden für eine Veranstaltung auf Wunsch des Mieters Teile der Hallenbestuhlung ausgeräumt, oder wird die Bestuhlung geändert, so gelten für die Mietberechnung nach § 3 die in § 1 Absatz 1 festgelegten Platzzahlen der Reihenbestuhlung auch für die geänderte Bestuhlung. Die durch das Ausräumen oder die Änderung der Bestuhlung entstehenden Kosten, werden dem Mieter nach Aufwand in Rechnung gestellt. 4. Dem Mieter ist der zurzeit gültige Bestuhlungsplan/Ausstellungsflächenplan bekannt.
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Teil B
IV. Vertragsarten
§ 2 Mietzeit, Zweck 1. Dem Mieter steht die Benutzung der gemieteten Halle nur in der im Mietvertrag angegebenen Zeit und zu dem im Mietvertrag vereinbarten Zweck zur Verfügung. 2. Der Mieter wird der Vermieterin spätestens 4 Wochen vor der Veranstaltung einen genauen Überblick über den Ablauf der Veranstaltung vorlegen und diesen mit ihr abstimmen. 3. Die Foyers der Halle dienen ausschließlich dem Aufenthalt und der Versorgung von Besuchern mit Getränken und Speisen, der Ablage von Garderobenstücken in den dafür vorgesehenen Bereichen sowie dem Verkauf von Programmen. Jede andere Nutzung, wie zB Merchandising, bedarf der vorherigen Zustimmung der Vermieterin. Der Verkauf von Waren jeglicher Art auf dem Gelände und in der Philipshalle sowie auf dem Parkplatz ist nur mit vorheriger Zustimmung der Vermieterin und gegen Entgelt gestattet. 4. Der Mieter beantragt spätestens 14 Werktage vor Veranstaltungsbeginn die Einrichtung von Verkaufsständen (Non Food). Der Mieter ist jedoch nicht berechtigt, Dritten das Aufstellen von Verkaufs- und/oder Werbeständen zu genehmigen. Die Einrichtung dieser Stände ist kostenpflichtig. 5. Nutzungsrechte Dritter bleiben von dem Mietvertrag unberührt. § 3 Miete Die Miete beträgt … Euro (in Worten: …) zuzüglich einer Kaution in Höhe von … Euro (in Worten: …) Bei Inanspruchnahme des erweiterten Angebots (§ 1) erhöht sich die Miete bei einer Bestuhlung bis zu 2 642 3 615 4 227 6 155
Plätzen auf … Plätzen auf … Plätzen auf … Plätzen auf …
Euro Euro Euro Euro
3 000 Plätzen auf… 4 000 Plätzen auf … 5 000 Plätzen auf … 6 445 Plätzen auf … 7 800 Plätzen auf …
Euro Euro Euro Euro Euro
oder bei Erhöhung der Bruttoausstellungsfläche … Euro/m2 zzgl. Nebenkosten. Soweit der Vertrag die Übernahme von Kosten durch den Mieter für spezielle Leistungen vorsieht, sind diese zusätzlich neben der Miete nach Satz 1 zu zahlen. Zusätzlich werden dem Mieter folgende gesondert vereinbarte und von der Vermieterin zu erbringende Leistungen in Rechnung gestellt: 1. … 2. … 3. … 4. … § 4 Fälligkeit, Überschreiten der Mietzeit 1. Die Miete, die Kaution und die Kosten für sonstige Leistungen, zzgl. der jeweils gesetzlich gültigen Mehrwertsteuer, müssen spätestens 21 Arbeitstage vor Beginn der Mietzeit auf dem Konto der Vermieterin gutgeschrieben sein. Die Zahlung weiterer Leistungen der Vermieterin erfolgt in der Regel am Veranstaltungstag, wobei eine Verrechnung
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Teil B
Event und Vertrag
mit den Einnahmen aus dem Kartenvorverkauf der Philipshalle vorbehalten bleibt. Sie sind spätestens mit Rechnungszugang fällig. Die Rechnungen gelten mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als zugegangen. 2. Kommt der Mieter mit Zahlungen in Verzug, so betragen die Verzugszinsen 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank. 3. Die Miete und sonstige Leistungen sind für die vereinbarte Mietzeit berechnet worden. Bei einer Verlängerung der Mietzeit erhöhen sich diese für jede weitere angefangene Stunde anteilig entsprechend der vereinbarten Miete bzw. entsprechend der Vergütung der zusätzlich vereinbarten Leistungen gemäß § 3 Satz 2 dieses Vertrages. 4. Alle Zahlungen an die Philipshalle sind auf das Konto Nr. 68 001 122 bei der Stadtsparkasse Düsseldorf (BLZ 300 501 10) unter Benennung der Veranstaltung und des Veranstaltungsdatums zu leisten. § 5 Vertragsabschluss, Vorverkauf 1. Der Mieter reicht zwei ihm überlassene Exemplare des Mietvertrages bei der Vermieterin ein; dann erhält der Mieter innerhalb von 14 Tagen ein Exemplar des durch die Vermieterin gegengezeichneten Mietvertrages zurück. 2. Der Veranstalter/Mieter verpflichtet sich, den Eintrittskartenverkauf erst zu beginnen, wenn ihm der seitens der Vermieterin/Philipshalle gegengezeichnete Mietvertrag vorliegt. 3. Führt der Mieter aus einem Grunde, den lediglich er zu vertreten hat, die Veranstaltung nicht durch, schuldet er die im Mietvertrag § 3 ausgewiesene Vergütung in voller Höhe, wenn die Veranstaltung nicht mindestens einen Monat vor ihrem festgesetzten Termin abgesagt oder verlegt wird, und soweit eine anderweitige, mindestens gleichwertige Verwendung des Mietobjektes nicht möglich ist. In jedem Falle sind aber 25 % der Miete zu zahlen. § 6 Rücktritt 1. Die Vermieterin ist zum Rücktritt vom Vertrag insbesondere dann berechtigt, wenn sich zwischen dem vorgelegten Veranstaltungsablauf (Bühnenanweisung) gemäß § 2 Abs. 2 und der nach dem Vertrag beabsichtigten Art der Veranstaltung eine wesentliche Abweichung ergibt. 2. Die Vermieterin kann ferner vom Vertrag zurücktreten, a) wenn die vereinbarte Miete und/oder das Entgelt für die sonstigen in Rechnung gestellten Leistungen nicht rechtzeitig entrichtet wird, b) wenn die Versicherungen gemäß § 3 (4) Allgemeine Mietbestimmungen nicht nachgewiesen werden oder der Nachweis der erforderlichen Genehmigungen/Anmeldungen gemäß §§ 6 und 7 Abs. 1 Allgemeine Mietbestimmungen nicht erbracht wird, c) wenn Tatsachen vorliegen, die eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch die Veranstaltung befürchten lassen, d) wenn durch höhere Gewalt die Räume oder Einrichtungsgegenstände nicht zur Verfügung gestellt werden können, e) wenn der Mieter gegen die „Grundsätze über die Verwendung/Druck von Eintrittskarten“ verstößt. 6. Bei einem Rücktritt gemäß Abs. 1 und Abs. 2a)–e) bleibt der Mieter zur Zahlung entsprechend § 5 verpflichtet. 7. Die Vermieterin kann vom Vertrag auch dann zurücktreten, wenn die gemieteten Räume wegen unvorhergesehener Umstände oder aus sonstigen wichtigen Gründen des städtischen oder im sonstigen öffentlichen Interesse von der Vermieterin selbst dringend benötigt werden. In diesem Fall erstattet die Vermieterin dem Mieter die nutzlosen Aufwendungen für die geplante Veranstaltung.
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IV. Vertragsarten § 7 Allgemeine Vertragsbedingungen
Ergänzend werden hiermit die als Anlage beigefügten „Allgemeinen Vertragsbedingungen vom 1. Juli 1998“ als Inhalt dieses Vertrages verbindlich vereinbart. § 8 Gerichtsstand, Wirksamkeit 1. Sollten Bestimmungen dieses Vertrages oder eine künftig in ihn aufgenommene Bestimmung ganz oder teilweise nicht rechtswirksam oder nicht durchführbar sein oder ihre Rechtswirksamkeit oder Durchführbarkeit später verlieren, so soll hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen des Vertrages nicht berührt werden. Das Gleiche gilt, soweit sich herausstellen sollte, dass der Vertrag eine Regelungslücke enthält. Anstelle der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmungen oder zur Ausfüllung der Lücke soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck des Vertrages gewollt hätten, sofern sie bei Abschluss dieses Vertrages oder bei der späteren Aufnahme einer Bestimmung den Punkt bedacht hätten. Dies gilt auch, wenn die Unwirksamkeit einer Bestimmung etwa auf einem in dem Vertrage vorgeschriebenen Maß der Leistung oder Zeit (Frist oder Termin) beruht; es soll dann ein dem Gewollten möglichst nahe kommendes rechtlich zulässiges Maß der Leistung oder Zeit (Frist oder Termin) als vereinbart gelten. 2. Erfüllungsort ist Düsseldorf. Für Zahlungen sind die Geschäftsräume der Vermieterin Erfüllungsort. Als Gerichtsstand wird Düsseldorf gemäß §§ 29, 38 der Zivilprozessordnung vereinbart. Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland. § 9 Schriftform Änderungen oder Nebenabreden bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. § 10 Angaben Brandsicherheit Genehmigungspflichtige Angaben zur Veranstaltung: – Einbringen von Dekorationen ja – nicht brennbar ja – schwerentflammbar ja – Einsatz von Pyrotechnik ja – offenes Feuer ja
nein nein nein nein nein
Bei Nichtausfüllung einer der o.g. Punkte unterstellt die Vermieterin, dass diese nicht zur Anwendung kommen. Unterschriften Abb. 11: Allgemeine Vertragsbedingungen über die Benutzung der Philipshalle – Düsseldorf Über den Vertragsinhalt in der vorgenannten Vertragsurkunde hinaus gelten als Inhalt des genannten Vertrages die nachfolgenden Bestimmungen. § 1 Rückgabe 1. Die Vermieterin übergibt die gemieteten Räume, Flächen und Einrichtungen in ordnungsgemäßem Zustand. Werden bei Beginn der Mietzeit vom Mieter keine Beanstandungen erhoben, gelten die Mietgegenstände als vom Mieter in ordnungsgemäßem Zustand übernommen. 2. Für das Versagen irgendwelcher Einrichtungen, für Betriebsstörungen und sonstige die Veranstaltung beeinträchtigende Ereignisse, haftet die Vermieterin dem Mieter nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
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Event und Vertrag
3. Treten während der Mietzeit Schäden auf, so ist der Mieter verpflichtet, diese unverzüglich der Vermieterin anzuzeigen. 4. Der Mieter hat das Mietobjekt mit dem Ablauf der Mietzeit wieder in dem Zustand der Vermieterin zu übergeben, in dem es sich bei Beginn der Mietzeit befand. Erforderlichenfalls räumt der Mieter der Vermieterin das Recht ein, das Mietobjekt im Namen und für Rechnung des Mieters wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen zu lassen. Kommt der Mieter diesen Verpflichtungen nicht binnen 3 Tagen nach dem Ende der Mietzeit nach, so ist die Vermieterin berechtigt, von sich aus die notwendigen Arbeiten auf Kosten des Mieters ohne vorherige Mahnung vornehmen zu lassen. 5. Für zurückgelassene Ausstellungsgüter und Einrichtungsgegenstände haftet die Vermieterin nicht. Sie ist berechtigt, Ausstellungsgüter und Einrichtungsgegenstände, die innerhalb von 3 Tagen nach Ablauf der Mietzeit nicht abgeholt worden sind, auf Kosten des Mieters bei einer Speditionsfirma einzulagern oder zu Lasten des Mieters zu entsorgen. § 2 Personal 1. Das Einlass-, Ordnungs- und Abendkassenpersonal stellt der Veranstalter auf eigene Kosten. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der Firma, die das Ordnungs-/Einlasspersonal (Security) stellt, um eine von der Vermieterin als zulässig anerkannte Firma handelt. Die Vermieterin behält sich das jederzeitige Recht vor: – die vom Veranstalter vorgeschlagene Security ohne Angabe von Gründen abzulehnen, – eine Mindestanzahl Einlass- und Ordnungspersonal vorzugeben oder zu Lasten des Veranstalters/Mieters bereitzustellen. 2. Reinigungskosten, die durch eine überdurchschnittliche Verschmutzung der Philipshalle während der Veranstaltung entstehen, gehen zu Lasten des Mieters. § 3 Haftung, Sicherheitsleistung 1. Für Schäden, die Personen oder Sachen, insbesondere Ausstellungsgüter, während der Mietzeit in der gemieteten Halle oder auf den dazugehörigen Freiflächen erleiden, haftet die Vermieterin nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit. 2. Der Mieter stellt die Vermieterin von Ansprüchen jeder Art, die von dritter Seite gegen sie aus Anlass der Veranstaltung (einschließlich Vorbereitung und nachfolgender Abwicklung) erhoben werden, frei. 3. Der Mieter haftet – auch ohne eigenes Verschulden – der Vermieterin für Personen- und Sachschäden aller Art, die im Zusammenhang mit der Veranstaltung oder dem Aufoder Abbau bzw. den Vorbereitungen und/oder Aufräumungsarbeiten den Bediensteten der Vermieterin oder ihr selbst entstehen. 4. Der Mieter ist verpflichtet zur Abdeckung der durch diesen Vertrag zu übernehmenden Verpflichtungen (Risiken) eine angemessene Personen-, Sachschaden- und Miethaftpflichtversicherung abzuschließen und diese auf Verlangen eine Woche vor der Mietzeit der Vermieterin durch Vorlage der Prämienquittung nachzuweisen. § 4 Hausrecht Das Hausrecht des Mieters gegenüber den Besuchern nach dem Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl I S. 1790), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.6.1989 (BGBl I S. 1059 bzw. in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung), bleibt unberührt. § 5 Garderobe 1. Die Verwahrung der Besuchergarderoben ist Sache der Vermieterin und erfolgt gegen Entgelt (Garderobengebühr). 2. Für Garderobe, die außerhalb der Garderobenablage abgelegt wird, übernimmt die Vermieterin keine Haftung.
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Teil B
IV. Vertragsarten § 6 Genehmigungen, Erlaubnisse
Der Mieter hat die nach den geltenden Vorschriften für seine Veranstaltung erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse und Anmeldungen rechtzeitig zu bewirken, und die ihm auferlegten Pflichten auf seine Kosten zu erfüllen. Auch die Anmeldung und Zahlung der GEMA-Gebühr sowie die Einholung der Erlaubnis der GEMA für Musikaufnahmen und Musikwiedergabe ist Angelegenheit des Mieters. § 7 Sicherheitsbestimmungen, Auflagen 1. Der Mieter hat die baurechtlichen und feuersicherheitstechnischen Bestimmungen strengstens zu beachten. So ist zB der Einsatz von pyrotechnischen Mitteln, offenem Feuer u.Ä. rechtzeitig – spätestens 4 Wochen – vor der Veranstaltung der zuständigen Ordnungsbehörde, Feuerwehr und der Philipshalle schriftlich anzuzeigen. 2. Werden von den zuständigen Behörden wegen der Eigenart der Veranstaltung besondere Maßnahmen, zB die Einstellung einer Feuer-Sicherheitswache gefordert, so gehen die hierdurch entstandenen Kosten zu Lasten des Mieters. Das Gleiche gilt für Unfall-Hilfsstellen. Im Übrigen sind die Bestimmungen der örtlichen Ordnungsbehörde zu beachten. Die Verordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten vom 1.7.1969 (GV NW S. 548/SGV NW 232) ist auf die Mieträume anzuwenden und von dem Mieter als Betreiber einzuhalten. 3. Die notwendigen und gekennzeichneten Anfahrtswege zur Halle bzw. die Bewegungsflächen für die Feuerwehr müssen ständig freigehalten werden. Feuermelder, Feuerlöscher, Hydranten, Auslösungspunkte der Rauchabzugseinrichtungen und andere Sicherheitseinrichtungen, deren Hinweiszeichen sowie die grünen Notausgangszeichen müssen jederzeit zugänglich und sichtbar sein, sie dürfen nicht zugestellt oder zugebaut sein. Dies gilt auch für Rettungswege und Türen im Zuge von Rettungswegen. Für die Einhaltung dieser Vorgaben ist der Mieter verantwortlich. 4. Der Vermieter ist berechtigt, die Zugänge zu der von ihm vermieteten Halle vorübergehend zu schließen, wenn eine Überfüllung abzusehen ist. 5. Die Verteiler und Schalttafeln der Hoch-, Nieder- und Schwachstromanlagen sowie Zuund Abluftöffnungen der Heiz- und Lüftungsanlagen müssen jederzeit zugänglich sein. 6. Den Bediensteten der Vermieterin, der Feuerwehr, der örtlichen Ordnungsbehörde sowie sonstiger zuständiger Behörden ist jederzeit auf Verlangen ungehinderter Zutritt zu allen Teilen des Mietobjektes zu gewähren; verlangte Auskünfte sind zu erteilen und Weisungen sind zu befolgen. 7. Wird von einer zuständigen Behörde eine Halle oder Teile davon geschlossen, weil diese Bestimmungen nicht beachtet wurden, haftet die Vermieterin hierfür nicht. § 8 Technische Anlagen Die technischen Anlagen dürfen nur von Angehörigen der Vermieterin bedient werden. Der Zutritt zu diesen Anlagen ist nicht gestattet. § 9 Dekorationen u. Ä. 1. Aufbauten innerhalb der Mieträume sowie die Anbringung von Dekorationen, Schildern, Plakaten oder anderen Werbemitteln, bedürfen der Zustimmung der Vermieterin. Baukonstruktionen sind so standsicher zu errichten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben oder Gesundheit, nicht gefährdet werden. Die DIN 4102 – B 1 – ist unbedingt zu beachten und einzuhalten. 2. Dekorationsmaterialien und Baustoffe aller Art müssen aus nicht brennbarem Material bestehen. Gegenstände in schwerentflammbarer Ausführung oder nach Imprägnierung gemäß DIN 4102 – B 1 – dürfen nur mit besonderer Genehmigung der örtlichen Aufsichtsbehörde verwendet werden. Die Verwendung von Luftballons, die mit brennbarem Gas gefüllt sind, ist in der Halle verboten.
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Teil B
Event und Vertrag
3. In den Mieträumen dürfen nur den VDE-Vorschriften entsprechende Elektrogeräte verwendet werden. Alle elektrischen Anlagen dürfen nur von der Vermieterin an das vorhandene Licht- und Kraftstromnetz angeschlossen werden. 4. Das Schlagen von Löchern sowie das Einschlagen von Nägeln, Haken und dergleichen in Hallenböden, -wänden und -decken ist unzulässig. Bolzenschießen ist ebenfalls nicht gestattet. Das Auflegen von Teppichen oder anderem Dekorationsmaterial unmittelbar auf den Hallenboden durch die Mieter geschieht auf eigene Gefahr. Für evtl. Schäden übernimmt die Vermieterin keine Haftung. Klebemittel und sonstige Rückstände müssen restlos entfernt werden. 5. Bei Film- oder Lichtbildvorführungen gilt die Verordnung über Sicherheitsfilme (Sicherheitsfilmverordnung) vom 13.12.1958 (BGBl. I S. 914). Demnach dürfen nur gekennzeichnete Sicherheitsbilder oder Sicherheitsfilme gelagert oder vorgeführt werden. 6. Beim Einsatz von Laseranlagen muss der Betrieb solcher Anlagen nach § 6 der Unfallverhütungsvorschrift – Laserstrahlen VBG 93 – dem staatlichen Amt für Arbeitsschutz, Alter Markt 9–13, 42275 Wuppertal spätestens 21 Tage vor der Veranstaltung angezeigt werden. § 10 Werbung 1. Die Werbung für die Veranstaltung ist mit der Vermieterin abzustimmen. Auf allen Prospekten, Ankündigungen, Eintrittskarten und Programmheften darf die Halle nur als „PHILIPSHALLE“ bezeichnet werden. Es sind nur Werbemaßnahmen zulässig, die nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen und nicht in Konkurrenz zu Fabrikaten der Firma Philips stehen. Jegliche Werbung in der Halle ist mit der Vermieterin abzustimmen. 2. Die Vermieterin ist berechtigt, die Ausgabe und das Zurschaustellen von Werbemitteln, die zu Beanstandungen Anlass geben können, zu untersagen und vorhandene Bestände bis zum Schluss der Veranstaltung sicherzustellen. 3. Gewerbliches Fotografieren und Filmen, Übertragungen und Aufnahmen für Rundfunk, Fernsehen, Film und Wochenschauen bedürfen der besonderen Genehmigung der Vermieterin. Die Genehmigung kann von der Zahlung eines zusätzlichen Entgeltes abhängig gemacht werden. § 11 Eintrittskarten 1. Die Eintrittskarten (Hard-Tickets) für Veranstaltungen in der Philipshalle werden nach Maßgabe der anliegenden Grundsätze über die Verwendung von Eintrittskarten, die Bestandteil des Mietvertrages sind, zu Lasten des Mieters gedruckt. Der Mieter darf nicht mehr Eintrittskarten ausgeben, als die genehmigten Bestuhlungspläne Sitzplätze aufweisen. Stehplätze sind in der bestuhlten Halle nicht zugelassen. 2. Die in § 1 (1) des Mietvertrages festgelegte Besucherzahl gilt sowohl für die bestuhlte als auch für die unbestuhlte/teilbestuhlte Halle. Dabei ist unerheblich, mit welch einem Einlassausweis (zB Eintrittskarte, Pressekarte, Presseausweis etc.) der Besucher die Halle betreten hat. 3. Die Vermieterin erhält 20 Karten der ersten Kategorie pro Veranstaltung zur eigenen Verfügung. Bei Konzerten, bei denen Karten zu Einheitspreisen verkauft werden, erhält die Vermieterin zusätzlich 27 Eintrittskarten, wenn mehr als 2 700 Besucher erwartet werden. Bei un-/teilbestuhlten Veranstaltungen grundsätzlich 60 Eintrittskarten. 4. Über die von der Vermieterin ständig festgelegten Dienstplätze kann der Mieter nicht verfügen. 5. Die beigefügten Grundsätze über die Verwendung von Hard-Tickets sind zu beachten.
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Teil B
IV. Vertragsarten
§ 12 Vorverkaufsstellen, Plakatierung 1. Die Verteilung der Kartensätze für die von der Vermieterin bereitgestellten Sitzplätze auf die Vorverkaufsstellen sowie die Werbung für die Veranstaltung ist Sache des Mieters. Alle hiermit zusammenhängenden Kosten gehen zu Lasten des Mieters. 2. Der Mieter hat die Vorverkaufskasse der Philipshalle in den Kartenvorverkauf mit einzubeziehen. Er verpflichtet sich, in seiner Werbung, insbesondere bei Plakaten, auf die Vorverkaufskasse Philipshalle deutlich hinzuweisen. Die Vorverkaufsgebühr beträgt in Düsseldorf derzeit 12 % auf den Eintrittspreis (incl. MwSt.) ohne sonstige Gebühren. Für Veranstaltungen in der Philipshalle ist die Refundierung ausgeschlossen. 3. Das Plakatieren außerhalb der von der örtlichen Ordnungsbehörde zugelassenen Säulen und Plakatwände sowie jede andere nicht erlaubte Werbung ist zu unterlassen. Der Mieter haftet für alle Kosten, die durch die Beseitigung der wild geklebten Plakate entstehen, ganz gleich, ob die Plakatierungsarbeiten vom Mieter oder von einem Dritten durchgeführt wurden. § 13 Parkplatz, Toiletten 1. Der Parkplatz vor der Philipshalle ist an Veranstaltungstagen fremd verpachtet. Weder Bewachung noch Verwahrung sind Gegenstand des Pachtvertrages. Die Philipshalle oder der Pächter übernehmen keinerlei Obhutspflichten. Sie haften insbesondere nicht für Schäden, die durch den Mieter oder sonstige Personen verursacht werden. In allen übrigen Fällen haftet die Philipshalle oder der Pächter nur für Schäden, soweit sie nachweislich von ihr oder ihrem Personal vorsätzlich oder fahrlässig verschuldet wurden und außerdem der Anspruch vor Verlassen des Parkplatzes angezeigt wird. 2. Der Mieter hat während der Mietzeit Anspruch auf eine unentgeltliche Benutzung der Kfz-Abstellplätze auf dem Betriebsgelände der Philipshalle, soweit der Vorrat reicht und der Hallenbetrieb nicht gestört wird. Für die Schadenshaftung gilt Abs. 1 sinngemäß. 3. Die Toilettenanlage wird vom Personal der Vermieterin gereinigt und mit dem erforderlichen Material versorgt.
Oft werden die Location-Mietverträge durch Hausordnungen ergänzt. Diese Regeln den Zugang zu und den Aufenthalt in einer Location. Eine solche kann beispielsweise wie folgt aussehen: Abb. 12: Beispiel für eine Hausordnung Hausordnung Mit dem Betreten der Philipshalle akzeptiert der Besucher die folgende Hausordnung: 1. Allgemeines Die Philipshalle agiert zum Schutze der Besucher und Mitarbeiter gemäß Versammlungsstättenverordnung. Bei Betreten der Philipshalle ist die Hausordnung zu beachten sowie den Hinweisen der Ordnungskräfte bzw. des Personals unbedingt Folge zu leisten. Das Betreten des Bühnenbereichs und das Besteigen von Absperrgittern u.Ä. ist grundsätzlich untersagt. Bei Zuwiderhandlung behält sich der jeweilige Veranstalter das Recht vor, Personen vom Veranstaltungsort zu verweisen und ein Hausverbot für die Dauer der Veranstaltung auszusprechen. 2. Jugendschutzgesetz Es gilt das Jugendschutzgesetz (Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit) vom 23.07.2002 (S. auch Punkt „Auszug aus dem JuSchG“ unter Menüpunkt AGB).
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Teil B
Event und Vertrag
3. Sicherheit Gefährliche Gegenstände wie Gasbehälter, pyrotechnische Artikel, Fackeln, Waffen jeder Art sowie Gegenstände, die sich als Wurfgeschosse verwenden lassen (insbesondere Flaschen und Dosen) dürfen grundsätzlich nicht mit in die Philipshalle eingebracht werden. Das Securitypersonal hat das Recht, diese Gegenstände bei Missachtung abzunehmen und/oder den Eintritt zu verwehren. 4. Trägermedien Trägermedien im Sinne dieses Gesetzes sind Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, die zur Weitergabe geeignet, zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt oder in einem Vorführ- oder Spielgerät eingebaut sind. Dem gegenständlichen Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen von Trägermedien steht das elektronische Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen gleich, soweit es sich nicht um Rundfunk im Sinne des § 2 des Rundfunkstaatsvertrages handelt. Das Einbringen der vorgenannten Geräte sowie Aufnahmen jedweder Form sind untersagt. Jeder Missbrauch kann vom Veranstalter strafrechtlich verfolgt werden. 5. Verspätung bei Konzertbeginn Trifft ein Ticketinhaber erst nach dem Beginn einer Veranstaltung ein, verliert er bis zur nächsten Veranstaltungspause das Recht auf den auf der Karte ausgewiesenen Sitzplatz. Er kann sich ersatzweise auf einen vom Ordnerdienst zugewiesenen Platz begeben. 6. Gültigkeitsdauer von Tickets Tickets verlieren beim Verlassen der Philipshalle-Kontrollzone ihre Gültigkeit.
310
Abzugrenzen ist der Mietvertrag vom Pachtvertrag (§§ 581 ff. BGB). Die Besonderheit der Pacht liegt darin, dass die Pacht neben dem Gebrauch der Sache auch zur sog. Fruchtziehung (zB Parkgebühren bei einem gebührenpflichtigen Parkplatz) berechtigt. Gemäß § 581 Abs. 2 BGB sind die Vorschriften über die Miete entsprechend anzuwenden (Ausnahme: Landpacht).
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Bei Abschluss eines Pachtvertrages muss darauf geachtet werden, dass alle verpachteten Räume und Flächen genau bezeichnet werden. Nachfolgend ist das Muster eines Pachtvertrages einer Brauerei mit einem Gastwirt abgedruckt. Die darin enthaltene Kopplung des Pachtvertrages mit einem Bierlieferungsvertrag ist branchenüblich und auch wettbewerbsrechtlich zulässig. Abb. 13: Pachtvertrag über eine Gaststätte Zwischen der Brauerei … in … nachstehend „Brauerei“ genannt, als Verpächterin, und … (Name, Anschrift), nachstehend „Pächter“ genannt, wird folgender Pachtvertrag geschlossen:
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Teil B
IV. Vertragsarten
§ 1 Vertragsgegenstand 1. Die Brauerei verpachtet hiermit dem Pächter die Gaststätte … mit den auf gesondertem Blatt verzeichneten Räumlichkeiten, ferner die zur Pacht gehörende Wohnung, bestehend aus: … (Beschreibung der einzelnen Räume). Hierzu gehört auch das gesamte vorhandene Wirtschaftsinventar, worüber ein besonderes Verzeichnis angefertigt wird. Durch Unterzeichnung dieses Vertrages und des Inventarverzeichnisses wird ausdrücklich anerkannt, dass die Räume den Anforderungen an den Wirtschaftsbetrieb und deren Einrichtung genügen. 2. Die Wirtschafts- und Wohnräume sowie das Inventar werden in gebrauchsfähigem Zustand übergeben und sind bei Beendigung des Pachtverhältnisses in gut gereinigtem Zustand unter Berücksichtigung der normalen Abnützung zurückzugeben. 3. Der Pächter verpflichtet sich, die Wirtschafts- und Wohnräume sowie die Einrichtungsgegenstände pfleglich zu behandeln, ordnungsgemäß zu unterhalten und alle während der Wirtschaftsführung notwendigen Reparaturen auf seine Kosten vornehmen zu lassen. 4. Die Instandsetzung und Instandhaltung des Wirtschaftsgartens ist Sache des Pächters. § 2 Pachtdauer/Konzession 1. Das Vertragsverhältnis beginnt am … Es läuft auf unbestimmte Zeit. 2. Der Pächter hat unverzüglich die behördliche Genehmigung zum Wirtschaftsbetrieb einzuholen. Er ist der Brauerei für deren rechtzeitige Beschaffung auf seine eigenen Kosten verantwortlich. Der Pächter wird der Brauerei entschädigungspflichtig, wenn ihm durch sein Verschulden die Konzession nicht oder nicht rechtzeitig erteilt wird und die Wirtschaft dadurch verspätet eröffnet wird oder geschlossen werden muss. 3. Solange der Pächter die Konzession nicht besitzt, hat er kein Anrecht auf die Wirtschaft und die Wohnräume. § 3 Bierlieferungsklausel 1. Der Pächter hat sämtliches Bier, ohne Unterschied, ob solches in der Wirtschaft verzapft oder in Gebinden, Flaschen oder in sonstigen Behältern, auch außerhalb des Hauses, zum Verkaufe gelangt, allein von der Brauerei zu beziehen und in der Wirtschaft stets offenes Bier auszuschenken. 2. Dem Gassenausschank und dem Verkauf von Flaschenbier muss besondere Aufmerksamkeit zugewandt werden. 3. Das Bier wird seitens der Brauerei zu den bei ihr üblichen Bedingungen, die dem Pächter bekannt sind, geliefert. 4. Die Rechnungen für das bezogene Bier, das bis zur Bezahlung Eigentum der Brauerei bleibt, sind, soweit in § 4 keine andere Zahlungsweise bestimmt ist, sofort bei Empfang in bar und ohne Abzug zu bezahlen. Bei Zahlungsrückstand wird das Bier nur gegen sofortige Bezahlung geliefert. Die Verpflichtung zum Fortbezug wird durch Eintritt solcher Maßnahmen nicht verändert. 5. Der Pächter ist auch verpflichtet, die von der Brauerei selbst hergestellten FruchtsaftLimonaden bzw. Fruchtsaftgetränke zu beziehen. § 4 Pachtzins Die Pacht beträgt: … Euro pro Monat. Sie ist zahlbar monatlich im Voraus jeweils bis zum 3. Werktag des Monats. § 5 Betriebsspesen, Haftung 1. Der Pächter hat alle auf den Wirtschaftsbetrieb entfallenden Betriebsspesen, wozu auch die Kosten für Wasser, Strom, Beheizung usw. gehören, selbst zu tragen. Er hat die Wirtschaft in solider und anständiger Weise mit dem Charakter einer Bierwirtschaft zu füh-
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Teil B
Event und Vertrag
ren und auf richtige Bierbehandlung bei strengster Reinlichkeit zu achten. Der Pächter hat ferner für ausreichende Beleuchtung der Wirtschaftsräume, der Toiletten sowie des zur Wirtschaft gehörenden Hausflures, für Reinlichkeit und gute Bedienung durch sauber und anständig gekleidete Personen zu sorgen, sich der etwa bestehenden Hausordnung zu unterziehen, den Hausfrieden nicht zu stören oder stören zu lassen, jede Belästigung der übrigen Hausbewohner, soweit möglich, zu vermeiden, die orts- und gewerbepolizeilichen Vorschriften sowie alle Vorsichtsmaßregeln gegen Feuergefahr zu beachten und zu befolgen. 2. Durch Nachlässigkeit und mangelhafte Überwachung seinerseits verursachte Schäden – insbesondere auch Frostschäden – an der Wasserleitung, der Warmwasserheizung, Licht-, Ventilations- und Kühlanlagen, an der Spülvorrichtung in den Toiletten und den sonstigen Einrichtungen, hat der Pächter auf eigene Rechnung zu beheben. 3. Der Pächter haftet für alle durch das Personal entstehenden Schäden. Unterverpachtung oder Untervermietung ist verboten. § 6 Pflichten des Pächters 1. Eine Unterbrechung im Wirtschaftsbereich hat der Pächter zu vermeiden; er ist verpflichtet, das Geschäft stets in ordnungsmäßiger Weise und persönlich zu führen und mit allen geeigneten Mitteln zu fördern, wozu insbesondere gute Küchenführung gehört. 2. Sollte durch Verschulden des Pächters die Wirtschaft geschlossen oder kein Bier darin verkauft werden, so ist vom Pächter eine Entschädigung an die Brauerei zu bezahlen. Sollte der Pächter andere Biere als die der Brauerei zum Ausschank oder zum Verkauf bringen, so hat er ebenfalls an die Verpächterin eine Entschädigung zu leisten. 3. Der Pächter darf außer der oben genannten Wirtschaft kein anderes Geschäft führen oder betreiben. § 7 Veränderungen/Versicherungen 1. Ohne schriftliche Genehmigung der Brauerei dürfen für Rechnung derselben Instandsetzungen oder Abänderungen irgendwelcher Art in der Wirtschaft und den Wohnräumen nicht vorgenommen werden. 2. Firmenschilder, Reklametafeln und dergleichen dürfen nur mit Genehmigung der Brauerei an und in dem Pachtobjekt angebracht werden. Widerrechtlich am Pachtobjekt angebrachte Reklamen dieser Art sind auf Verlangen der Brauerei zu entfernen. 3. Es ist Pflicht des Pächters, seine Bediensteten und Gäste gegen Unfälle zu versichern und eine entsprechende Unfall- und Haftpflichtversicherung abzuschließen und zu unterhalten. Auf Verlangen ist der Versicherungsschein der Brauerei vorzuweisen. 4. Den Beauftragten der Brauerei ist die jederzeitige Besichtigung sämtlicher Pachträume gestattet; die Brauerei ist auch jederzeit zur Vornahme der nötigen Instandsetzungen am Pachtobjekt berechtigt. § 8 Kaution 1. Als Sicherheit für die Erfüllung aller Vertragsbestimmungen und für vollzählige Rücksendung der leeren Gebinde, Flaschen usw., die unverkäufliches Eigentum der Brauerei sind, leistet der Pächter bei Unterzeichnung dieses Vertrages, spätestens am … eine Kaution in bar von … Euro. 2. Sie wird verzinst. Über den Empfang der Kaution wird besondere Quittung erteilt. 3. Die Brauerei ist berechtigt, sich für ihre Ansprüche aus der Kaution zu befriedigen. Dabei werden die Biergelder in erster Linie in Abzug gebracht. Der Brauerei steht ferner an den eingebrachten Sachen des Pächters das gesetzliche Pfandrecht des Verpächters zu. Der Pächter erklärt, dass die eingebrachten Sachen sein Eigentum sind und Dritte keine Rechte an denselben geltend machen können.
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Teil B
IV. Vertragsarten § 9 Sonstiges
1. Fässer, Flaschen und Flaschenkasten bleiben Eigentum der Brauerei und sind schnellstmöglich und vollzählig wieder zurückzugeben. Nicht zurückgegebenes Leergut ist mit den Wiederbeschaffungskosten zu ersetzen. Diese betragen derzeit für das Fass … Euro, für die Flasche … Euro, für den Flaschenkasten … Euro. 2. Zwischen den Vertrag schließenden Parteien wird hiermit vereinbart, dass die Wohnräume und die vom Pächter eingerichteten Fremdenzimmer erhalten bleiben müssen und nicht an Dauermieter vermietet werden dürfen. Bei Pachtende sind alle Wohnräume einschl. der Räume, die als Fremdenzimmer genutzt waren, samt allen gewerblich genutzten Räumen der Brauerei herauszugeben. § 10 Schlussbestimmungen Abänderungen dieses Vertrages haben nur Gültigkeit, wenn sie schriftlich vereinbart sind. Dies gilt auch hinsichtlich des Inventars. Unterschriften
8. Der Leasingvertrag Besondere Bedeutung für den Bereich der Veranstaltungsorganisation kommt dem sog. Leasingvertrag zu.
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Beim Leasingvertrag sind in der Regel drei Personen beteiligt:
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1. Hersteller/Lieferant, 2. Leasinggeber, 3. Leasingnehmer. In der Regel erwirbt der Leasinggeber beim Hersteller eine Leasingsache, die er dem Leasingnehmer – ähnlich wie bei der Vermietung – für ein bestimmtes Entgelt zur Nutzung überlässt.
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Beim Leasing werden zwei Vertragsbeziehungen unterschieden.
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Zwischen dem Leasinggeber und dem Hersteller/Lieferanten besteht ein Kaufvertrag, so dass insoweit die Kaufvertragsregeln gelten, §§ 433 ff. BGB.
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Der andere Teil des Leasings liegt im Verhältnis Leasinggeber/Leasingnehmer (eigentlicher Leasingvertrag). Auf dieses Verhältnis findet grds. Mietrecht Anwendung, §§ 535 ff. BGB. Zur Verdeutlichung der Bedeutung des Leasingvertrages für den Veranstalter soll folgender Praxisfall dienen:
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Beispiel Wendt will in der Ruhrgebietsregion eine Wanderausstellung mit dem Thema „Der Ofen ist aus – Steinkohlebergbau gestern und heute“ etablieren. Da er eine hohe Miete für die Bereitstellung entsprechender Standflächen aufbringen muss, fehlt ihm das Geld für den Kauf der einzelnen Transportfahrzeuge, Vitrinen, Projektoren, Scheinwerfer, Lautsprecheranlagen etc. Um die hohen Kosten für die Anschaffung der erforderlichen technischen Ausstattung nicht zu Beginn der Ausstellungstournee aufbringen zu müssen, überlegt er, wie er kurzfristig mit geringem finanziellen Aufwand an das nötige Equipment kommen kann. Was kann Herrn Wendt geraten werden?
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Teil B
Event und Vertrag
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Das Zauberwort heißt in diesem Zusammenhang Leasing. Im folgenden sollen die zwei für den Veranstalter interessantesten Leasingmodelle vorgestellt werden.
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Beim sog. Operating-Leasing schließen Leasinggeber und Leasingnehmer einen Vertrag, der auf kurzfristige Gebrauchsüberlassung oder unter Vereinbarung kurzer Kündigungsfristen auf unbestimmte Zeit ausgerichtet ist. Dabei ist der Leasingnehmer verpflichtet, ein bestimmtes Entgelt für die vorüber gehende Nutzungsüberlassung zu zahlen.
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Diese Vertragsform hat wegen der kurzen Laufzeit bzw. der schnellen Kündbarkeit für den Leasingnehmer den Vorteil, dass der Leasingnehmer jeweils die neuesten Anlagen und Geräte leasen kann.
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Die Bedeutung für den Bereich der Veranstaltungsbranche liegt auf der Hand. Ohne den hohen Kaufpreis zu zahlen, kann der Betreiber einer Veranstaltungsagentur seinen Kunden jederzeit die modernsten technischen Geräte zur Nutzung anbieten. Bei dieser Vertragskonstruktion liegt das Investitions- und Veralterungsrisiko beim Leasinggeber, der – soweit nichts anderes vereinbart ist – auch die Wartung der Leasingsachen übernimmt.
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In diesem Rahmen ist es auch möglich, dem Leasingnehmer vertraglich eine Kaufoption einzuräumen (sog. Mietkauf), bei dem das Leasingobjekt nach einer gewissen Zeitspanne unter Anrechnung der gezahlten Leasingraten käuflich erworben werden kann.
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Der Vertrag beim sog. Finanzierungsleasing läuft über einen längeren Zeitraum und kann während der Grundlaufzeit nicht gekündigt werden. Bei diesem Leasingmodell fungiert der Leasinggeber als Kreditgeber. Der Leasingnehmer muss die Leasingraten zahlen, die sich aus den gesamten Anschaffungs- und Finanzierungskosten und dem Gewinn des Leasinggebers zusammensetzen. Im Vergleich zum Operating-Leasing ist das Finanzierungsleasing im Hinblick auf die monatliche Belastung die kostengünstigere Variante.
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Beim Finanzierungsleasing werden AGB verwendet, die den Leasinggeber von der Mängelhaftung und der Lastentragung freistellen. Im Gegenzug tritt der Leasinggeber seine Gewährleistungsansprüche gegen den Hersteller/Lieferanten an den Leasingnehmer ab. Dieser trägt die Gefahr des Untergangs und der Beschädigung der Leasingsache. Außerdem ist er für die Wartungs- und Instandhaltungskosten verantwortlich.
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Weil der Leasingnehmer Verbraucher ist und den Substanzwert der Leasingobjekte in Raten abzahlt, finden mit Ausnahme der in § 499 Abs. 3 BGB enumerierten Vorschriften, die Regeln über Verbraucherkredite Anwendung, vgl. § 499 Abs. 1 BGB.
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Zusätzlich bestehen beim Leasing steuerliche Vorteile für den Leasingnehmer, da er die Leasingraten in voller Höhe als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen kann und somit seinen steuerpflichtigen Gewinn verringert.
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IV. Vertragsarten
Teil B
9. Der Kopplungsverkauf Ein besonderer Kaufvertrag im Bereich von Veranstaltungen, insbesondere im Bereich des Sports, ist der sog. Kopplungsverkauf.
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Bei dieser Spielart des Kaufvertrages werden Eintrittskarten für eine attraktive Veranstaltung (zB ein Fußball-Europapokalspiel) nur zusammen mit Karten für eine relativ unattraktive Veranstaltung (zB das Spiel gegen den Tabellenletzten) verkauft.
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Diese Verkaufsstrategie beabsichtigt, die Zuschauerzahl für eine unattraktive Veranstaltung zu erhöhen und dadurch höhere (Werbe-) Einnahmen und größere Zuschauerunterstützung für den Veranstalter zu erreichen. Der Kopplungsverkauf ist jedoch nur in gewissem Maße zulässig.
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Nach § 19 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) kann die zuständige Kartellbehörde einen Kopplungsverkauf untersagen, wenn das ausrichtende Unternehmen hinsichtlich der attraktiven Veranstaltung eine örtlich marktbeherrschende Stellung innehat und diese Stellung durch den Kopplungsverkauf missbräuchlich ausnutzt. Die Missbrauchsgefahr ist insbesondere im Bereich des Profisports gegeben. Der BGH hat aus kartellrechtlichen Gründen entschieden, dass zumindest die Hälfte der Eintrittskarten für ein attraktives Fußballspiel im freien Verkauf angeboten werden müssen, damit kein unzuverlässiges Kopplungsgeschäft vorliegt.114 Wegen des Machtmissbrauchs verstößt ein echtes Kopplungsgeschäft gegen Wettbewerbsrecht.115
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10. Der Subunternehmervertrag Enorme Bedeutung im Bereich der Veranstaltungen kommt dem Subunternehmervertrag zu. Dieser Vertragstyp, idR als Dienst- oder Werkvertrag konzipiert, legt die Pflichten zwischen Auftraggeber und Subunternehmer fest.
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Nur wenige große Agenturen bzw. professionelle Veranstalter beschäftigen für alle Veranstaltungsbereiche eigene Mitarbeiter. In aller Regel beauftragen die Veranstalter andere Dienstleistungsunternehmen mit einzelnen Teilaufgaben. So werden externe Securityfirmen, Caterer, Garderobenkräfte, Techniker und Messebauer beschäftigt. Nach unseren Praxiserfahrungen führt bei Veranstaltungen häufig ein Fehler der unterbeauftragten Unternehmen zum Scheitern eines sorgfältig geplanten Events.
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Der Imageschaden bleibt idR (Ausnahmen gibt es allenfalls im dörflichen und kleinstädtischen Bereich) am Veranstalter hängen. Dieser ist über die Bewerbung der jeweiligen Veranstaltung (Plakate, Eintrittskarten, Internet, Branding) im Fokus der Presse und Anspruchsteller. Die Verantwortlichkeit einer beauftragten Firma im Innenverhältnis interessiert in der Öffentlichkeit niemanden
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114 BGHZ 101, 100 – Inter-Mailand-Spiel. 115 Landeskartellbehörde, WuW/E, S. 267 (Eishockey); WuW/E OLG S. 3335 (Fußball); Fritzweiler/Pfister/Summerer, 2. Teil, Rz. 18.
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Event und Vertrag
und der enttäuschte Besucher verbindet beispielsweise das misslungene Buffet, den abhanden gekommenen Mantel und die langen Wartezeiten mit dem Ausrichter der jeweiligen Veranstaltung.
" Praxistipp: Einen umfassenden Schutz gegen derartige Schäden gibt es
nicht. Zu empfehlen ist in diesem Bereich, über den Abschluss sorgfältiger Subunternehmerverträge bzw. die Auswahl bekannter und renommierter Subunternehmen das Risiko zu minimieren. Ein guter Subunternehmervertrag kann aber auch dazu dienen, Pflichten wie den Abschluss von Versicherungen und interne Haftungsverteilungen klar zwischen den Parteien zu regeln und somit das Risiko von ärgerlichen Doppelversicherungen und langen Regressprozessen zu verringern.
333a
Insbesondere der für sich gesehen harmlos wirkende Bereich Garderobe führt in der Praxis immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Insbesondere bei Abendveranstaltungen und Silvesterfeiern häufen sich die Streitfälle. Zunächst muss zwischen kostenpflichtigen und nicht kostenpflichtigen Garderoben unterschieden werden. Bei kostenpflichtigen Garderoben kommt immer ein Verwahrungsvertrag i.S.d. §§ 688 ff. BGB zustande.116 Dies führt dazu, dass bei kostenpflichtigen Garderoben grundsätzlich von einer Haftung des Veranstalters auszugehen ist. Eine Haftung des Veranstalters für Beschädigung oder Abhandenkommen von Kleidungsstücken oder abgegebenen Taschen kann nicht wirksam ausgeschlossen werden. Es ist dem Veranstalter auch zumutbar die Garderobe gegen Diebstahl und Beschädigung zu versichern. Eine Haftungsbegrenzung durch AGB ist allerdings möglich (z.B. durch den Aushang: „Die Haftung des Veranstalters ist auf das 40-fache der Verwahrungsgebühr beschränkt“). Für den Tascheninhalt haftet der Anbieter nur bei ausdrücklicher Übernahme der Verantwortung. Dies ist auch nachvollziehbar, denn die Garderobenkräfte sollen und dürfen die anvertraute Garderobe nicht nach Wertsachen durchsuchen (dies will der die Garderobe abgebende Gast auch gar nicht). Somit kann der Veranstalter das Risiko nicht einschätzen und dem folgend auch keine Verantwortung übernehmen. Trotzdem finden immer wieder Schadensersatzklagen den Weg zu den Gerichten. Es wird vorgetragen, dass in abgegebenen Kleidungsstücken befindliche Wertsachen (zB Bargeld, Handy, USB-Stick mit wichtigen Firmendaten) bei Rückgabe verschwunden waren. In der Regel bleiben diese Klagen erfolglos, weil von den Gerichten das Mitverschulden der die Garderobe mit Wertsachen abgebenden Person so hoch eingeschätzt wird, dass eine Haftung des Veranstalters ausscheidet.
333b
Für das Angebot einer offenen kostenfreien Garderobe haftet der Bewirtungsoder Veranstalter in der Regel nicht, da lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis begründet wird. Gemäß § 690 BGB haftet der Verwahrer bei unentgeltlicher Verwahrung nur für diejenige Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten. Hier ist es sinnvoll den klassischen Hinweis: „Für die Garderobe wird nicht gehaftet“ an 116 Palandt/Sprau, § 688 BGB Rz. 6.
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IV. Vertragsarten
Teil B
gut sichtbarer Stelle an der Garderobe anzubringen. Der Aufdruck auf der Kleidermarke reicht insoweit nicht.117 Ausnahmen können aber dennoch bestehen: – bei einer Verpflichtung des Gastes zur Abgabe der Garderobe,118 – bei einer offensichtlich permanent besetzten Garderobe, – bei einer Beschädigung durch Dekoration (zB Kerzen), – bei VIP-Veranstaltungen, – bei ausdrücklicher Übernahme. Beispiel Ein Konzertveranstalter, der dem Künstler laut Vertrag einen abschließbaren Garderobenraum zur Verfügung stellen muss, dies aber unterlässt, haftet nach Ansicht des Amtsgerichts Dinslaken im Falle eines Diebstahls dem Künstler wegen positiver Vertragsverletzung des Konzertvertrages auf Schadensersatz.119
Eine weitere Gefahr im Zusammenhang mit der Garderobe stellt die personelle Unterbesetzung und/oder schlechte Garderobenorganisation dar. So kann die bis dahin gelungenste Veranstaltung nicht positiv in Erinnerung bleiben, wenn die müden Gäste die zwischen 1.00 und 3.00 Uhr nach Hause wollen, durchschnittlich 2 Stunden auf die Rückgabe ihrer Garderobe waren müssen oder der abgegebene GUCCI-Mantel mit einer ALDI-Jacke vertauscht wurde. Insbesondere Silvesterveranstaltungen enden durch eine unzureichend dimensionierte Garderobengröße und zu wenig oder schlecht geschultes Personal nicht selten im Chaos.
333c
Beispiel In Köln kam es im Jahr 2002 im Anschluss an eine Halloween-Party in einer Gaststätte an der Köln-Arena zu heftigen Tumulten wegen Engpässen bei der Garderobenausgabe. Dem Ansturm von mehreren hundert Gästen war die provisorisch vergrößerte Garderobe nicht gewachsen. Die Gäste in den vorderen Reihen wurden von den Nachrückenden eingequetscht, andere stiegen über die Garderobentheke und holten sich ihre Kleidungsstücke selbst. Es gab teilweise heftige Schlägereien. Erst mit dem Großeinsatz von 100 Polizisten, die bei ihrem Einsatz beschimpft und mit Bierflaschen beworfen wurden, konnte die Lage beruhigt werden. Die Kleidungsausgabe konnte erst gegen 6 Uhr morgens beendet werden.
Imageschäden als Folge eines durch schlechte Subunternehmerleistungen misslungenen Events sind schwer zu kompensieren. Der durch die Imageschädigung erlittene Schaden lässt sich schwer beziffern und nachweisen. Dies hat zur Konsequenz, dass Folgeschäden des Veranstalters wie Kundenverluste, schlechte Besucherzahlen und Brandingeinbußen schwer im Wege des Schadensersatzes vor Gericht geltend gemacht werden können. Dies liegt daran, dass die Ursächlichkeit der einzelnen misslungenen Veranstaltung für diese sicherlich schlimmen Folgen vor Gericht vom Kläger (also dem geschädigten Veranstalter) bewiesen werden muss. Für den Subunternehmer ist es oft einfach darzulegen, dass 117 RGZ 113, 425. 118 KG v. 3.5.1984 – 12 U 4097/83, MDR 1984, 846. 119 AG Dinslaken v. 12.7.2000 – 34 C 116/00.
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Event und Vertrag
eigene Versäumnisse des Veranstalters oder von Dritten kausal für die Folgeschäden sind. Als Zeugen stehen oft nur enttäuschte Besucher zur Verfügung, die die Verantwortlichkeit auch beim klagenden Veranstalter sehen. Zudem sind derartige Folgeschäden schlecht zu beziffern.
" Praxistipp: Eine gute Chance zur Kompensation des erlittenen Imagescha-
dens liegt in einer Ersatzveranstaltung. Diese hat doppelt positive Wirkung. Einerseits sorgt eine gelungene Ersatzveranstaltung für zufriedene Besucher und gute Presse. Andererseits können die Kosten der Ersatzveranstaltung als Kompensationsschaden genau beziffert und somit vor Gericht neben entgangenem Gewinn und befriedigten Besucheransprüchen aus der Ursprungsveranstaltung als fester Schadensposten zu Lasten des Subunternehmers eingeklagt werden. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die Ersatzveranstaltung im angemessenen Rahmen gehalten wird. Es besteht kein Anspruch auf überobligatorischen Schadensersatz. Außerdem muss man die Ersatzveranstaltung selbst vorfinanzieren und ein Rechtsstreit vor Gericht kann unter Umständen Jahre dauern.
Beispiel Ein weiteres nachahmenswertes Beispiel für Wiedergutmachung von Imageschäden liefert das Phantasialand in Brühl. Nach dem Brand einer Achterbahnanlage, bei dem 63 Gäste verletzt wurden, schenkte der Vergnügungspark allen verletzten Besuchern zusätzlich zum versicherungsrechtlichen Schadensausgleich eine einwöchige Urlaubsreise nach Spanien, um die Schrecken des Unglücks zu verarbeiten.
Wichtige Regelungsinhalte sind: – genaue Pflichtendefinition, Aufsichts- Überwachungs- und Anwesenheitspflichten, – Verschwiegenheitspflicht, Kundenschutz, – Vermeidung von Doppelversicherungen.
11. Der Messebeteiligungsvertrag 334a
Dieser Vertrag stellt das zentrale Vertragsverhältnis zwischen Messeveranstalter und den Ausstellern dar.120 Vom Vertragstyp ähnelt dieser dem Gewerbemietvertrag, so dass die Vorschriften des Mietrechts zumindest für Veranstaltungen in Deutschland direkt oder analog angewendet werden können. Nach Ansicht des OLG Frankfurt handelt sich um einen Dienstleistungsvertrag eigener Art, der den allgemeinen Regeln des Schuldrechts folgt. Für die entsprechende Anwendung mietrechtlicher Vorschriften ist nach Auffassung dieses Gerichts dann kein Raum, wenn es sich bei den Messeveranstaltungen um Pionierarbeit in den zentralasiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion handelt.121
120 Kresse/Engelsberg, Recht der Messewirtschaft, Abschnitt d, Rz. 3. 121 OLG Frankfurt v. 25.8.1997 – 12 U 113/96, OLGReport 1998, 19.
114
IV. Vertragsarten
Teil B
Die Hauptleistungspflicht des Messebeteiligungsvertrages ist die Überlassung von Messefläche gegen Entgelt. Da der anmietende Aussteller idR Vorleistungen (zB Bestellung des Messebauers, Transport der Exponate, Bewerbung des Messeauftritts etc.) trifft, handelt es sich bei der rechtzeitigen Überlassung der Mietfläche um eine vertragliche Kardinalpflicht.122 Der Messebeteiligungsvertrag wird im Wesentlichen in zwei Formen abgeschlossen: 1. Überlassung eines Standplatzes. Der Stand selber wird vom Aussteller oder einem Dritten angeliefert und errichtet. Hier muss der Veranstalter lediglich die Fläche rechtzeitig zur Verfügung stellen und den Zugang sowie die Anlieferung und den Aufbau ermöglichen. 2. Neben dem Standplatz wird auch ein sog. Systemstand überlassen. Hier wird die Fläche einschließlich aufgebautem Stand angemietet. Der Veranstalter schuldet hier die Fläche und einen mangelfrei errichteten Messestand. Neben der Hauptleistungspflicht müssen eine Reihe von Nebenpflichten erfüllt werden: – die Leistungstreuepflicht, d.h. die Pflicht zur Vorbereitung und Herbeiführung des Leistungserfolges sowie die Sicherung; – die Mitwirkungspflicht, d.h. die Vertragsparteien müssen alles Zumutbare unternehmen, um etwaig notwendige Genehmigungen herbeizuführen; – die Schutzpflicht, d.h. der Messeveranstalter trägt die Verantwortung für die Gesamtveranstaltung, während der Aussteller an den Messeständen für Sicherheit sorgen muss (insbesondere sind die jeweiligen Landesversammlungsstättenverordnungen zu beachten); – die Aufklärungspflicht, d.h. die Vertragspartner müssen sich gegenseitig unaufgefordert über entscheidungserhebliche Umstände informieren.
334b
Des Weiteren können Zusatzleistungen im Vertrag geregelt werden. Solche sind zB – die Versorgung des Messestandes mit Elektrizität und Wasser, – Veranstaltungstechnik (zB Beamer, Plasmabildschirm etc.), – Rigging, Auf- und Abbau eines Systemstandes, – Catering, – Hostessen- und/oder Dolmetschervermittlung, – Standsecurity. Ergänzend zum Vertrag gelten idR die Teilnahmebedingungen der jeweiligen Messegesellschaft.123 Diese sind rechtlich als Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB zu klassifizieren. In diesen Teilnahmebedingungen werden Punkte wie – Anmeldegebühr, Katalogeintrag und Werbekostenpauschale – Zulassung 122 Kresse/Engelsberg, Recht der Messewirtschaft, Abschnitt d, Rz. 15. 123 Kresse/Engelsberg, Recht der Messewirtschaft, Abschnitt d, Rz. 56.
115
334c
Teil B – – – – – – – – – – – – – – – –
Event und Vertrag
Ausstellerausweise Platzzuteilung Standmieten, Pfandrecht Standgestaltung und Standausrüstung Unteraussteller, Überlassung des Standes an Dritte, Aufträge und Verkauf für Dritte Haftung und Versicherungen Technische Einrichtungen Werbung und Vorführungen Direktverkauf Reinigung Fotografieren Behördliche Vorschriften Ausfall einer Veranstaltung – Höhere Gewalt Hausrecht, Zuwiderhandlungen Transport und Ausstellungsgüter Standaufbau und Standabbau, Standbetreuung
geregelt. Wichtige Regelungsinhalte sind: – Messefläche gegen Vergütung als Branchenmarktplatz – Allgemeine Teilnahmebedingungen – Bereitstellungszeitraum inklusive Auf- und Abbauzeiten – Zusatzleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, Veranstaltungstechnik, Catering, Security etc.
12. Der Kooperationsvertrag/die Medienpartnerschaft 334d
Oft werden im Rahmen von Veranstaltungen sog. Kooperationsverträge abgeschlossen. Derartige Verträge versuchen in der Regel mit minimalem finanziellen Eigenaufwand ohne Bereitstellung von Geldmitteln Synergieeffekte in der Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner zu erreichen. Kooperationen werden gerne bei der Vermarktung von Veranstaltungsstätten (zB Hallen, Rennstrecken, Sonderlocations) oder Veranstaltungsformaten (zB Drachenbootrennen, Tourneen) abgeschlossen. Auch die Einbindung von Medienpartnern (zB Zeitungen, TV- und Radiosender) wird häufig im Wege eines geldleistungsfreien Kooperationsvertrages vorgenommen. Der Veranstalter erhält über einen kommunalen Radio- und/oder Fernsehsender Promotion für die intendierte Veranstaltung. Der Sender wiederum kann sich als Partner einer attraktiven Veranstaltung oder eines Konzertes bezeichnen und wertet sich damit auf. Es fließt in aller Regel kein Geld, häufig erhält der Sender ein Kartenkontingent zur Verlosung an Hörer/Zuschauer und eine feste Anzahl an Plätzen im VIP-Bereich der 116
IV. Vertragsarten
Teil B
Veranstaltungen. Das Senderlogo wird im Rahmen der Veranstaltung kommuniziert. Bei diesem Vertragstyp ist es insbesondere wichtig die verschiedenen Aufgabenbereiche der Kooperationspartner gegeneinander abzugrenzen, die gegenseitige Logoeinbindung zu regeln und die Exklusivität zu sichern. Wichtige Regelungsinhalte sind: – Kooperation begründet keine Gesellschaft oder Gemeinschaft noch ein Arbeitsverhältnis oder einen Handelsvertretervertrag zwischen den Vertragsparteien. – genaue Pflichtendefinition, welcher Kooperationspartner ist für welche Bereiche zuständig – Verlinkung der Homepages, gemeinsame Homepage für Veranstaltungsreihe, gegenseitige Gestattung der Logoverwendung – Vertragslaufzeit, Verlängerungsoption, Kündigung aus wichtigem Grund – Exklusivität, Wettbewerbsverbote, ggf. Vertragsstrafe – Verschwiegenheitspflicht, Kundenschutz
13. Der Preferred Partnervertrag Große Unternehmen aber auch Firmen mittlerer Größe arbeiten im Zusammenhang mit der sog. Preferred Partnerships zusammen. Die zugrunde liegenden Verträge mit diesen Premiumpartnern sehen idR vor, dass das Unternehmen im Zusammenhang mit der Durchführung von Veranstaltungen immer auf einen von – typischerweise drei – Dienstleister (zB Caterer, Security, Hostessenservices) oder Bühnenbauer, Technikunternehmen zurückgreift (sog. Preferred Partners).
334e
Bei öffentlichen Ausschreibungen von Städten und Ministerien sowie in großen Unternehmen ist eine solche Vorselektion im ersten Fall behördlich, gesetzlich oder durch EU-Richtlinie, im zweiten Fall über eine Unternehmenspolicy vorgeschrieben. Als Gegenleistung erhält das Unternehmen zu dem vorhandenen Vertrauen auf einen bekannten und bereits bewährten Partner idealerweise die Werk- oder Dienstleistung zu einem Vorzugspreis (sog. best price). Bewährte Partner sind für das Gelingen einer Veranstaltung Garant. Man kennt die Vorzüge und Schwächen der Partner aus vorangegangenen Veranstaltungen und stellt sich ein maßgeschneidertes Team für jede Art von Veranstaltung zusammen. Oft werden dem Preferred Partner für Teilbereiche Subunternehmer vorgegeben. Für Fehler im Bereich dieser vom Unternehmen vorgegebenen Erfüllungsgehilfen haftet der Preferred Partner aber nicht, denn diese sind nicht seine Erfüllungsgehilfen iS von § 278 BGB, sondern die des Unternehmens, da der Preferred Partner insofern keine Auswahlmöglichkeit hat.
334f
In dem Zusammenhang mit Preferred Partnerships und Rahmenverträgen mit Großunternehmen erlangt insbesondere bei großen Unternehmen wie Siemens oder Bayer immer mehr der Begriff Compliance (englisch: Befolgung) bzw. Komplianz an Bedeutung. Als Compliance wird die Selbstverpflichtung eines Unter-
334g
117
Teil B
Event und Vertrag
nehmens bzw. dessen Führungskräfte bezeichnet, sich an die vom Gesetzgeber, den Anteilseignern oder dem Aufsichtsgremium aufgestellte Regeln zu halten, die vielfach ethische Aspekte der Unternehmensphilosophie enthalten. In diesem Zusammenhang bedeutet Compliance als Teil der Corporate Identity die Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien durch Unternehmen. 334h
Die Unternehmen haben verbindliche Leit- und Richtlinien geschaffen, die ethisches und gesetzeskonformes Verhalten von allen Mitarbeitern und Führungskräften fordern. Ziel ist die Vermeidung sowohl eines negativen Images als auch der Ausschluss von Haftungsfällen bzw. Schadensersatzklagen. Insbesondere Großunternehmen stellen dabei eigene, unternehmensspezifische Verhaltenskodizes auf. Daneben beschäftigen sie häufig einen eigenen Compliance-Manager bzw. eine Compliance-Management-Abteilung. Aufgabe von Compliance-Managern ist die Kontrolle bzw. Gewährleistung der Einhaltung aller durch die Rechtsordnung sowie die Unternehmensleitung bestehenden Vorgaben.
334i
Dabei kommt ihnen insbesondere bei der Bewältigung des Whistleblowing eine Schlüsselfunktion zu. Unter Whistleblowing (deutsch: Alarm schlagen) wird ein Vorgang verstanden, bei dem ein Hinweisgeber (sog. Whistleblower) auf herrschende Missstände aufmerksam macht. Der im angloamerikanischen Raum weitverbreitete Begriff gewinnt in Deutschland im Rahmen von Diskussionen über Unternehmensethik, Risiko- und Qualitätsmanagement, Corporate Governance und nachhaltiges Wirtschaften erst seit einigen Jahren zunehmend an Bedeutung. Die dem Meldevorgang vor- und nachgelagerten Entscheidungsund Handlungsprozesse sind hierbei aus verhaltenstheoretischer Sicht von besonderem Interesse, da eine solche Meldung leicht weitreichende Auswirkungen sowohl für den Whistleblower als auch auf die betroffene Organisation haben kann.
334j
Für die Vertragsgestaltung bedeutet dies: Ein Unternehmen, welches die Compliance-Regelungen an eine zukünftige Full Service Agentur weitergeben möchte, muss diese kommunizieren und als Anlage zum jeweiligen Vertrag zum Gegenstand der Vereinbarung machen. Die Agentur muss die Regelungen nach Prüfung akzeptieren und im Rahmen ihrer weiteren Tätigkeit für das Unternehmen an eigene Mitarbeiter, Freelancer und Subunternehmen zur Beachtung weitergeben. Wichtige Regelungsinhalte sind: – Preferred partnership begründet keine Gesellschaft oder Gemeinschaft noch ein Arbeitsverhältnis oder einen Handelsvertretervertrag zwischen den Vertragsparteien – Best Price-Abrede – Preferred Partner haftet nicht für vom Unternehmen vorgegebene und eingebundene Wunschpartner – gegenseitige Gestattung der Logoverwendung, Benutzung der Bezeichnung „Preferred Partner“ 118
V. Durchsetzung vertraglicher Ansprüche
Teil B
– Vertragslaufzeit, Verlängerungsoption, Kündigung aus wichtigem Grund – Verschwiegenheitspflicht, Kundenschutz – Unternehmenspolicy/Compliance
V. Durchsetzung vertraglicher Ansprüche Beispiel Wendt hat Probleme mit einem Kunden. Eine Firma bucht bei ihm mehrere Künstler für eine Veranstaltung als Rahmen einer Produktpräsentation. Die Künstler verlangen Vorkasse und werden von Wendt ausgezahlt. Nach Ende der gelungenen Veranstaltung verlangt Wendt vom Kunden die Künstlerhonorare und seine Agenturprovision. Die Rechnung wird vom Kunden trotz mehrfacher Aufforderung ohne Angabe von Gründen nicht beglichen. Welchen Weg wählt Herr Wendt, um seinen zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Kunden durchzusetzen? Fallvariante: Wie geht Wendt vor, wenn der Kunde behauptet, die Künstler wären schlecht gewesen und hätten einen irreparablen Imageschaden ausgelöst. Daher rechne er die Honorar- und Agenturkosten mit seinen eigenen Schadensersatzansprüchen auf.
Recht haben und Recht bekommen ist nicht immer dasselbe. Wie geht man vor, wenn der Vertragspartner, Subunternehmer, Künstler oder Schuldner sich nicht an die vertraglichen Absprachen hält?
335
1. Außergerichtliche Kommunikation Die Praxis zeigt, dass viele Unstimmigkeiten und Missverständnisse zwischen den jeweiligen Vertragsparteien sehr gut außergerichtlich geklärt werden können. Dies spart in der Regel Zeit, Geld und Nerven. Natürlich ist man zunächst wütend, wenn etwas schief gelaufen ist oder sich der Vertragspartner nicht an die Absprachen hält. Aber nicht immer ist die harte Reaktion die beste. Gerichtsverfahren brauchen Zeit und werden doch oft mit einem Vergleich beendet. Ein Vergleich zeichnet sich dadurch aus, dass beide Parteien teilweise nachgeben. Dies kann auch ohne Klageverfahren erreicht werden. Seit der Novelle der Zivilprozessordnung zum 1.1.2002 ist der Versuch einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreites sogar in § 278 ZPO gesetzlich vorgeschrieben.
336
2. Gerichtliche Durchsetzung Sind außergerichtliche Vermittlungsversuche gescheitert, besteht keine andere Möglichkeit als zu versuchen, seine Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Hierfür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl.
337
a) Das gerichtliche Mahnverfahren Bei reinen Zahlungsansprüchen ist der einfachste Weg das gerichtliche Mahnverfahren gemäß §§ 688 ff. ZPO. Das Mahnverfahren ist eine kostengünstige Al119
338
Teil B
Event und Vertrag
ternative zum normalen Klageverfahren. Zahlt der Schuldner trotz Fälligkeit oder Mahnung nicht, kann der Gläubiger seine Geldforderung über das gerichtliche Mahnverfahren oder auf dem Klageweg geltend machen. 339
Das gerichtliche Mahnverfahren ist für die Fälle zu empfehlen, in denen eine unstreitige Geldforderung besteht, das heißt, wenn der Anspruchsgegner keine Einwendungen gegen den Anspruch vorbringen kann. Wählt der Gläubiger das gerichtliche Mahnverfahren, kann er einen Mahnbescheid bei dem Amtsgericht beantragen, in dessen Bezirk er seinen Wohn- bzw. Firmensitz hat (§ 689 ZPO). Mittlerweile wurden in allen Bundesländern, zuletzt ab dem 1. April 2007 für Thüringen und Sachsen, zentrale Mahngerichte bestimmt, die für mehrere Gerichtsbezirke oder sogar mehrere Bundesländer ausschließlich zuständig sind (§ 689 Abs. 3 ZPO). Der Mahnantrag kann dann nur bei diesem Gericht eingereicht werden, das für das Bundesland zuständig ist, in dem der Antragsteller wohnt oder seinen Sitz hat.124 Auf den Antrag des Gläubigers hin erlässt das Amtsgericht den Mahnbescheid und stellt ihn dem Schuldner zu. Das Gericht prüft nicht, ob die Forderung berechtigt ist. Der Schuldner kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Mahnbescheides Widerspruch dagegen einlegen, zB wenn er die Forderung insgesamt oder der Höhe nach für unberechtigt hält. Ist dies geschehen, kann der Gläubiger ein gerichtliches Klageverfahren in die Wege leiten, wenn er seine Forderung weiterverfolgen will.
" Praxistipp: Ab dem 1.12.2008 können Rechtsanwälte gemäß § 690 Abs. 3
Satz 3ZPO Anträge im Mahnverfahren nur noch in einer maschinell lesbaren Form einreichen (Ausnahme: im arbeitsgerichtlichen Verfahren). Dies gilt sowohl für die für Mandanten gestellte Anträge als auch für Anträge in eigener Sache. Dabei kann der Antrag entweder online übermittelt werden oder online ausgefüllt und per Post geschickt werden.125
124 Diese sind: BaWü (AG Stuttgart); Bayern (AG Coburg); Berlin (AG Wedding); Brandenburg u. Berlin (AG Wedding); Bremen (AG Bremen); Hamburg (AG HamburgMitte); Hessen (AG Hünfeld); Meck-Vorpo. (AG Hamburg-Mitte, zusammen mit Hamburg); Niedersachsen (AG Uelzen); NRW (AG Hagen für OLG-Bezirke Hamm/ Düsseldorf; AG Euskirchen für OLG-Bezirk Köln; Rh.-Pfl. und Saarland (AG Mayen); Sachsen, Sachsen-Anhalt (AG Aschersleben, Dienstelle Staßfurt, seit 1.4. 2007; Schleswig-Holstein (AG Schleswig, nur zentral zuständig bei elektronischer Datenübermittlung!); Thüringen (AG Aschersleben, Dienstelle Staßfurt (zusammen mit Sachen und Sachsen-Anhalt – seit 1.4.2007; Achtung! Bis 31.12.2008 nur zuständig für Mahnverfahren, die in einer nur maschinell lesbaren Form beantragt werden. Für alle anderen Mahnverfahren sind noch dezentral die örtlichen Amtsgerichte zuständig). Für Antragsteller mit Sitz/Wohnsitz im Ausland ist das AG Wedding zuständig (§ 689 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die zentralen Mahngerichte sind nicht zuständig für arbeitsgerichtliche Mahnverfahren (zB über ausstehenden Lohn) einzuleiten. Hier sind die Anträge an die örtlichen Arbeitsgerichte zu stellen. 125 Siehe hierzu www.online-mahnantrag.de oder ProfiMahn (www.profimahn.de), das durch das das Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) ersetzt werden soll (www.egvp.de).
120
V. Durchsetzung vertraglicher Ansprüche
Teil B
Legt der Schuldner keinen Widerspruch ein, begleicht aber dennoch die Forderung nicht, so kann der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid beantragen. Gegen den Vollstreckungsbescheid kann ebenfalls innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch eingelegt werden. Wird kein Einspruch eingelegt, so wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig. Der Gläubiger kann dann Vollstreckungsmaßnahmen einleiten, zB den Gerichtsvollzieher mit einer Pfändung beauftragen. Das örtlich zuständige Vollstreckungsgericht kann auf Antrag des Gläubigers aber auch Lohn- und Gehaltsansprüche beim Arbeitgeber oder sonstige Ansprüche wie zB den Anspruch auf Lohnsteuerjahresausgleich gegenüber dem Finanzamt pfänden und an den Gläubiger zur Einziehung überweisen.
340
Wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig, hat der Schuldner die Gerichtskosten und gegebenenfalls die Anwaltskosten für das Verfahren zu zahlen. Deren Höhe richtet sich nach der Höhe der Hauptforderung. Der Vollstreckungsbescheid ist ein vollstreckbarer Titel.
341
b) Die Zivilklage Das zivilrechtliche Klageverfahren ist in den §§ 253 ff. ZPO geregelt. Mit der Zivilklage können neben reinen Zahlungsansprüchen auch Ansprüche auf Herausgabe, Unterlassung, Auskunft etc. geltend gemacht werden. Bis zu einem Gegenstandswert von 5 000 Euro sind nach § 23 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) die Amtsgerichte zuständig, bei mehr als 5 000 Euro die Landgerichte.
342
Weiterhin gibt es gemäß §§ 12 ff. ZPO und verschiedene Sonderzuständigkeiten wie den Ort der unerlaubten Handlung oder der Mietsache etc. Arbeitsrechtliche Streitigkeiten werden vor den Arbeitsgerichten verhandelt.
343
Wer eine Klage einreicht, muss allerdings mit der Gewissheit leben, dass idR einige Zeit vergeht, bis über den Anspruch rechtskräftig entschieden wird. Auch ein unkomplizierter Prozess kann leicht ein Jahr und länger dauern. Ab einer Beschwer von 600 Euro oder Zulassung kann nach § 511 ff. BGB Berufung gegen das Urteil eingelegt werden. In Einzelfällen kann auch nach §§ 542 ff. eine Revision zugelassen werden.
344
Im Eingangsfall kann Wendt das gerichtliche Mahnverfahren als schnellere und kostengünstigere Alternative wählen, um seine Ansprüche geltend zu machen, da die Forderungen ohne Zweifel entstanden sind und der Kunde als Anspruchsschuldner keinerlei Einwendungen (zB Aufrechnung, Verjährung, Stundung) gegenüber dem fälligen durchsetzbaren Anspruch vorgebracht hat. Anders ist es bei der Fallvariante. Hier ist davon auszugehen, dass der Kunde aufgrund der außergerichtlichen Bemerkungen, davon überzeugt ist, nicht zahlen zu müssen. Hier wäre ein gerichtliches Mahnverfahren nicht die bessere Alternative, da es bereits absehbar ist, dass der Kunde gegen den Mahnbescheid einen Widerspruch einlegt und Wendt anschließend sowieso klagen müsste.
121
Teil B
Event und Vertrag
c) Einstweiliges Verfügungsverfahren 345
Für Ansprüche, die nicht warten können, wie dies oft bei Ansprüchen auf Unterlassung, Duldung oder Herausgabe der Fall ist, ist das Klageverfahren zu langsam. Dazu ein Beispiel: Beispiel Wendt hat vom Eigentümer B. Lasser eine alte Fabrik als Veranstaltungsgelände gemietet. Die Genehmigung der Bauordnungsbehörde wegen Nutzungsänderung hat Wendt bereits eingeholt. Als Wendt drei Tage vor dem Veranstaltungstage mit seinen Mitarbeitern und Unterbeauftragten am Veranstaltungsgelände erscheint, um zu dekorieren und die Beleuchtung und Beschallung zu installieren, erklärt Herr Lasser, dass er es sich anders überlegt habe. Er wolle nicht mehr die im Mietvertrag geforderten und von Wendt bereits gezahlten 2 500 Euro Miete, sondern das Doppelte. Ansonsten dürfe Wendt nicht auf sein Gelände. Wendt ist ratlos, ein Ersatzstandort ist in der Kürze der Zeit nicht zu besorgen.
346
Für diese Fälle kann eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 935 ff. ZPO beantragt werden. Das einstweilige Verfügungsverfahren erfordert neben dem Verfügungsanspruch auch einen Verfügungsgrund, der die besondere Eilbedürftigkeit ausmacht.
347
Ein Verfügungsanspruch ist ein nicht auf eine Geldforderung gerichtetes subjektives Recht, dessen Verwirklichung durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung gesichert werden soll.
348
Ein Verfügungsgrund besteht in der Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann.
349
Sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund müssen glaubhaft gemacht werden. Dies geschieht idR über eine eidesstattliche Versicherung. Beispiel Wendt sucht eilig seinen Rechtsanwalt auf. Aufgrund des drohenden Veranstaltungsausfalls und der akuten Zeitnot rät der Anwalt zu einer einstweiligen Verfügung. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus dem Mietvertrag zwischen Wendt und Lasser und ist auf Überlassung der Halle gerichtet. Der Verfügungsgrund ist auch gegeben, da Wendt bei weiterer Zeitverzögerung die notwendigen Veranstaltungsvorbereitungen nicht mehr treffen und die Veranstaltung absagen müsste. Dies macht Wendt mit einer eidesstattlichen Versicherung seiner Mitarbeiter und dem Mietvertrag glaubhaft. Das angerufene Gericht erlässt die Verfügung innerhalb von 24 Stunden. Herr Lasser muss Wendt auf sein Gelände lassen, so dass dieser noch gerade rechtzeitig die notwendigen Vorkehrungen treffen kann.
Checkliste: AGB fi AGB müssen vor oder bei Vertragsschluss dem Vertragspartner zur Kenntnis gegeben werden. fi Unklare Formulierungen in den AGB gehen zu Lasten des Verwenders. fi Mehrdeutige oder überraschende Klauseln sind verboten. fi Die Unwirksamkeit einer einzelnen AGB-Klausel kann zur Unwirksamkeit der gesamten AGB führen (keine geltungserhaltende Reduktion). 122
V. Durchsetzung vertraglicher Ansprüche
Teil B
fi Ein auf einer Eintrittskarte aufgedruckter Haftungsausschluss oder eine Haftungsbeschränkung ist unwirksam, wenn der Veranstalter die AGB nicht an anderer Stelle (zB deutlich sichtbarer Aushang) für den Vertragspartner wahrnehmbar gemacht hat. fi Bei Buchung von Leistungen und Künstlern sowie Bestellung von Equipment oder Karten über das Internet, sollte die Anerkennung der AGB durch ein Häkchen oder Kreuz im Onlineformular elektronisch dokumentiert werden (sog. click through). Die AGB müssen perpetuierbar sein, dh. man muss Sie ausdrucken können (keine Formatierung als Grafiktext, eine Speicherung und Downloadmöglichkeit im pdf-Format ist zu empfehlen). fi Keine Haftungsfreizeichnung bei grober Fahrlässigkeit. fi Ein Haftungsausschluss für Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit ist immer unwirksam, man haftet auch für leichteste Fahrlässigkeit.
123
Teil C Incentive und Reisevertrag Beispiel I. Wendt hat das Angebot seiner Veranstaltungsagentur um die Durchführung von speziellen Incentive-Reisen erweitert. Zu diesem Zweck gründet er die IncenTravel GmbH. Er stellt für einen größeren asiatischen Autohersteller nach dessen Wünschen eine zweiwöchige Reise nach Afrika mit Flug, Bustransfer, Hotel, Dschungelsafari und Tauchkurs zusammen. Im Rahmen eines Tauchausfluges erkrankt einer der Teilnehmer an der Dekompressionskrankheit. Der Reiseteilnehmer fordert von Herrn Wendt ein hohes Schmerzensgeld. Herr Wendt steht auf dem Standpunkt, dass er lediglich Vermittler und der Autohersteller Veranstalter der Reise war. Hat I. Wendt Recht?
I. Einführung 350
Im Rahmen des Veranstaltungsrechts fällt immer öfter das Schlagwort „Incentives“. Was sind eigentlich „Incentives“? Der Begriff „Incentive“ kommt vom lateinischen „incendere“ (anzünden, entflammen, begeistern).
351
Incentives sind Belohnung, Anreiz und Motivation für Mitarbeiter, Kunden, Vertreter oder Vertragshändler einer Firma für überdurchschnittliche Leistungen im Betrieb oder als Ansporn für die zukünftige Zusammenarbeit. Eine Incentive-Reise steht somit von vornherein nur einem begrenzten Personenkreis offen.
352
Durch Incentive-Reisen belohnen im Allgemeinen große Vertriebsorganisationen ihre verdientesten Mitarbeiter und Kunden mit einem bezahlten Aufenthalt insbesondere im sonnigen Süden. Allerdings geht diesen Belohnungen meist ein interner Wettbewerb zwischen den Mitarbeitern, den freien Handelsvertretern, Großhändlern, Einzelhändlern oder Filialstellen voraus, der zu einer Produkt- oder Vertriebsverbesserung bzw. einer Absatzsteigerung bei den jeweiligen Produkten führt. Eine ausgelobte Incentive-Reise im Rahmen eines Gesamt-Incentives eines Unternehmens soll dazu beitragen, bestimmte Zielvorgaben zu erreichen. Nur in Verbindung mit der gesamten Incentive-Aktion kann sie ihre maximale Wirkung erreichen. Incentive-Prämien werden von den Finanzbehörden als geldwerter Vorteil eingestuft und müssen somit versteuert werden.1
353
Die Reisen werden einzeln oder mit Partner, meist aber innerhalb einer Gruppe von Preisträgern im Rahmen einer Incentive-Tour durchgeführt. Im Unterschied zu einer normalen Reise ist bei der Incentive-Reise idR jedes Reisemitglied auch Angestellter des Unternehmens. Die Reise kann auch mit der Tätigkeit der belohnten Mitarbeiter in Verbindung stehen und somit als sinnvolle Nebenerscheinung weiterbildenden Charakter haben. Teilweise wird die Incen-
1 Näheres dazu in Rz. 1455 ff.
124
II. Rechtliche Grundlagen
Teil C
tive-Reise auch nur dazu genutzt, ein Mitarbeiterteam zusammenzuschweißen und an das Unternehmen zu binden, um so mittelbar den Umsatz zu erhöhen. Im Rahmen des Marketing-Mix ist das besondere Engagement der Mitarbeiter für die Interessen der Firma ein wesentlicher Punkt. Innerhalb einer Gesamtaktion, die Begeisterung und Erfolg zeitigen soll, wird eine Incentive-Reise als Prämie für die Gewinner eines Wettbewerbs eingesetzt. Sie ist damit im Bereich Verkaufsförderung/Motivation angesiedelt. Durch die Schaffung eines Gruppenerlebnisses und die Einbeziehung der Führungsspitze kann die IncentiveReise einen erheblichen Beitrag zur dauerhaften Verbesserung des Betriebsklimas und des Teamgeistes leisten. Darüber hinaus soll eine möglichst starke Assoziation zum beworbenen Produkt und zur Firmenkultur zum Ausdruck kommen. Ähnlich wichtig ist eine konsequente Zielgruppenadäquanz. Entscheidender Vorteil einer Reise gegenüber einer Geldgratifikation ist die Verbindung eines intendiert positiven und erholsamen Reiseerlebnisses mit dem spendablen Arbeitgeber.
354
Von der organisatorischen Abwicklung und den besonderen Leistungen her, sollte sich die Incentive-Reise von einer normalen Pauschalreise deutlich abheben (ein mehr an Sport, Abenteuer, Luxus). Incentive-Reisen werden idR aus einem alternativen Angebot nach speziellen Kundenwünschen im Baukastensystem zusammengestellt. Es gibt daher auch immer mehr auf Incentive-Reisen spezialisierte Veranstalter oder Agenturen.
355
II. Rechtliche Grundlagen Seit dem 1.10.1979 ist in der Bundesrepublik Deutschland das Reisevertragsgesetz (Einfügung der §§ 651a–k BGB, bis heute sind noch die §§ 651l und m BGB hinzugekommen) in Kraft. Trotz der incentive-spezifischen Besonderheiten ist die Incentive-Reise rechtlich wie jede andere Pauschalreise nach den §§ 651a ff. BGB zu behandeln.2 Vertragspartner einer Incentive-Reise wird idR das Unternehmen, nicht der von der Reise begünstigte Mitarbeiter oder Kunde. Bei Unklarheiten wird vermutet, dass der Arbeitgeber den Reisevertrag in eigenem Namen als Vertragspartner des Reiseveranstalters3 abgeschlossen hat. Der Reisende selbst ist Dritter iS eines Vertrages zugunsten Dritter, § 328 BGB.4 Somit ist der begünstigte Teilnehmer einer Incentive-Reise zwar nicht selber Vertragspartner, kann aber eigene Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung aus § 651 f Abs. 1 BGB gegen den Reiseveranstalter geltend machen.
356
Nach neuester höchstrichterlicher Rechtsprechung kann auch derjenige als Reisender iS des § 651a Abs. 1 BGB angesehen werden, der selbst an der Reise gar nicht teilnimmt. Danach ist auch ein Unternehmen, welches eine Reise als Ver-
357
2 BGH v. 16.4.2002 – X ZR 17/01, MDR 2002, 1109, NJW 2002, S. 2238; Führich, Reiserecht, Rz. 82. 3 Führich, Reiserecht, Rz. 113. 4 Führich, Reiserecht, Rz. 510; Tonner, Der Reisevertrag, Rz. 35.
125
Teil C
Incentive und Reisevertrag
kaufsförderungsinstrument nutzt und damit zu gewerblichen Zwecken bucht, wie es bei Incentive-Reisen der Fall ist, Reisender iS des Pauschalreiserechts.5 Gleiches gilt bei Gewinnspielreisen, Vertragsparteien sind hier der Veranstalter des Gewinnspiels und der Reiseveranstalter.6 358
Das Gericht begründet seine Auffassung damit, dass Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie des Rates vom 13.7.1990 über Pauschalreisen diese Auslegung des Begriffs „Reisender“ bestätigt und besagt, dass Verbraucher iS der Richtlinie eine Person ist, welche die Pauschalreise bucht oder zu buchen sich verpflichtet. Die Minderung des Reisepreises oder die Kündigung wegen Reisemängeln obliegt somit dem Unternehmen als Partei des Reisevertrages. Der Mitarbeiter kann aber nach den Grundsätzen des Vertrages zugunsten Dritter selbst Schadensersatzansprüche geltend machen. Bei Rechtsunsicherheiten sollten diese Ansprüche allerdings an das Unternehmen abgetreten werden.7
359
Beim Anbieten von Reisen hat die Eventagentur mit Incentive-Modul grundsätzlich zwei Möglichkeiten: 1. Die Eventagentur bietet die Reise als eigene an, dann ist sie selber als Reiseveranstalter verantwortlich. Bei dieser Variante wird die Reise von der Eventagentur zusammengestellt und an das ausschreibende Unternehmen wieder verkauft. 2. Die Eventagentur vermittelt lediglich Reisen für andere Reiseveranstalter. Sie nimmt also eine Maklerstellung ein. Nur wenn die Incentive-Agentur Reisen nach den speziellen Kundenwünschen der auftraggebenden Firma für ihre Mitarbeiter zusammenstellen lässt, liegt keine Incentive-Pauschalreise, sondern lediglich eine Reisevermittlung zwischen Auftraggeber und den einzelnen Reiseunternehmen vor.8 Im Praxisfall vom Kapitelbeginn ist die Agentur von I. Wendt lediglich als Vermittler aufgetreten, da die einzelnen Reiseelemente nach Kundenwunsch zusammengestellt wurden. Der Teilnehmer muss sich somit zur Durchsetzung etwaiger Schmerzensgeldansprüche an den Automobilkonzern wenden.
360
Naturgemäß sind bei der ersten Möglichkeit, wenn die Veranstaltungsagentur selber der Reiseveranstalter ist, der Aufwand und das Risiko ungleich höher, allerdings ist bei eigenveranstalteten Reisen auch die Gewinnspanne größer. Bei den folgenden Ausführungen zum Reisevertrag geht es in erster Linie um solche Reisen, die eine Event- und Incentive-Agentur in eigener Regie anbietet.
361
Generell umfasst die Aufgabe des Reiseveranstalters Organisation, Vorbereitung und Durchführung aller Reiseleistungen. Der Veranstalter ist für den Reisenden der einzige Vertragspartner und ist für alle Leistungen entsprechend den Vereinbarungen verantwortlich. Gemeinhin umfasst die Veranstaltung einer 5 BGH v. 16.4.2002 – X ZR 17/01, MDR 2002, 1109, NJW 2002, 2238 (2239); Führich, Reiserecht, Rz. 510. 6 Tonner, Der Reisevertrag, Rz. 34. 7 Führich, Reiserecht, Rz. 510. 8 Führich, Reiserecht, Rz. 113.
126
Teil C
III. Der Reisevertrag und seine Parteien
Reise auch die Betreuung am Ort durch einen Reiseleiter oder andere geeignete Personen (zB Fremdenführer). Wenn der Kunde mindestens zwei Hauptreiseleistungen bei einem Reiseveranstalter bucht, der wiederum Verträge mit Leistungsträgern (Hoteliers, Bus-, Bahn- bzw. Flugunternehmen) schließt, liegt eine Reiseveranstaltung vor. Zwischen den Leistungsträgern und den Reisenden besteht dabei kein Vertragsverhältnis. Rechtsgrundlagen sind die §§ 651a–m BGB. Daneben haben die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Deutschen Reisebüroverbandes eine große Bedeutung. Diese Reisebedingungen müssen natürlich im Einklang mit den AGB-Vorschriften in §§ 305 ff. BGB stehen.
362
Abb. 14: Produktelemente der Pauschalreise9
Pauschalreise
Organisatorische Elemente – – – – – – – – – – – – –
Buchung Reisezeitpunkt Reiseziel Beförderung Transfer Unterkunft Verpflegung Reiseleitung Aufenthaltsdauer Programm vor Ort Zusatzleistungen give aways Versicherungen
Wirtschaftliche Elemente – Reisepreis – Preis-Leistungsverhältnis – Buchungsaufwand – service cards – Nebenausgaben
Rechtliche Elemente – Zahlungsbedingungen – Umbuchungsregelung – Stornobedingung – Rücktritt durch Veranstalter – Haftung – Garantien
Soziale Elemente – Beratung – Image des Veranstalters – Image des Reisemittlers – Image der Leistungsträger – Image des Zielortes – Gruppengröße – Homogenität der Gruppe – Kontakt zu Einheimischen
III. Der Reisevertrag und seine Parteien Durch den Reisevertrag verspricht der Reiseveranstalter dem Reisenden gegen Zahlung des Reisepreises eine Gesamtheit von mindestens zwei gleichwertigen Hauptreiseleistungen (§ 651a Abs. 1 BGB), verschmolzen zu einem Paket, für das der Veranstalter die Verantwortung übernimmt (zB Transport und Unterkunft).
9 Aus Mundt, Reiseveranstaltung, S. 72.
127
363
Teil C
Incentive und Reisevertrag
Abb. 15: Beteiligte im Reiserecht
Reisebüro
Reiseveranstalter
Leistungsträger
Reisende
364
Der Reisevertrag ist daher auf die Herbeiführung einer umfassenden Reiseveranstaltung in eigener Verantwortung des Reiseveranstalters gegen Vergütung gerichtet.
365
Anders als bei der „normalen Pauschalreise“ sind die Beteiligten bei der Incentive-Reise folgerichtig: Eventagentur
Unternehmen
Leistungsträger
Teilnehmer
366
Da der Reisende einer Incentive-Reise keine reisevertraglichen Rechte gegenüber dem Veranstalter hat, wird im weiteren Verlauf dieses Kapitels vom „Kunden“ gesprochen. Diese Bezeichnung passt sowohl auf den Reisenden einer Pauschalreise als auch auf das Unternehmen, welches die Reise für ihre Mitarbeiter oder Geschäftspartner bucht.
367
Keine Pauschalreise sind jedoch solche Reisen, bei denen nicht die Erholung oder der Urlaub im Vordergrund steht, sondern ein Kongress, eine Tagung oder ein Event. Derartige nicht-touristische Veranstaltungen fallen nicht unter § 651a BGB, sondern sind entweder als Werkvertrag zu klassifizieren oder bei Offenlegung der Leistungsträger ein Vermittlungsvertrag.10
368
Reiseverträge werden und sollten idR auch schriftlich geschlossen werden, bedürfen aber vom Gesetz her keiner Form. Mündliche Abreden sind daher auch wirksam und werden Vertragsbestandteil, sind aber bei gerichtlichen Auseinandersetzungen schwieriger zu beweisen. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch eine telefonische Buchung. Dabei handelt es sich um einen sog. Reservierungsvertrag, der zum Abschluss des eigentlichen Vertrages verpflichtet. Auf Grund dieses Vorvertrages reserviert der Veranstalter verbindlich, schickt 10 Führich, Reiserecht, Rz. 82.
128
III. Der Reisevertrag und seine Parteien
Teil C
dem Kunden die Unterlagen zu und lässt sich die Reservierung schriftlich bestätigen. Neben der telefonischen Buchung werden sich moderne Kommunikationsmittel, wie zB die Buchung über Bildschirmtext und Internet, immer mehr durchsetzen. Der Reiseveranstaltungsvertrag ist vom Reisevermittlungsvertrag, der nicht näher gesetzlich geregelt ist, abzugrenzen.
369
Erfolgt die Zusammenstellung einer Reise auf Wunsch des Kunden aus verschiedenen Einzelteilen (Flug und Hotel), sollte das Reisebüro/die Eventagentur auf jeden Fall durch einen Vermerk auf der Reisebestätigung klarstellen, dass es nur als Vermittler der Einzelleistungen auftritt und sich nicht zur Durchführung der Gesamtreise in eigener Verantwortung verpflichtet.11
370
Auch wenn eine Pauschalreise nur zum Schein vereinbart wird, um dem Kunden einen günstigen Charterflug zu ermöglichen, liegt ein Reisevertrag vor.12
371
Wichtigstes Indiz für die Verschmelzung zu einem Leistungspaket ist der Gesamtpreis. Auch Eventreisen zu Musicals oder Großveranstaltungen (zB Olympiade, Weltmeisterschaften) sind durch die Kombination von Beförderung und Event als Pauschalreise iS von §§ 651a BGB zu werten, auch wenn keine Übernachtung auf dem Programm steht.13
372
" Praxistipp: Die ausrichtende Eventagentur kann aber gegenüber ihrem Kun-
den deutlich machen, dass sie in Bezug auf den jeweiligen Event nur als Vermittler auftritt und keine eigene Verantwortung übernehmen möchte. Für diesen Fall besteht zwischen Agentur und Kunde lediglich ein Reisevermittlervertrag und die Agentur hat nur Vermittlungspflichten.
Als Reiseveranstalter ist derjenige anzusehen, der als Vertragspartei die Gesamtheit der Reiseleistung in eigener Verantwortung zu erbringen verspricht. Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie ein Reiseunternehmen auf tritt.14 Zu werten sind hier beispielsweise die Werbung, die Ausgestaltung der verwendeten Vertragsbedingungen usw. Es kommt nicht darauf an, ob sich das Unternehmen selbst als Reiseveranstalter bezeichnet, sondern ob es nach außen als Reiseveranstalter auftritt. Diese Begriffsbestimmung ist von entscheidender Bedeutung für die Frage, wer zum Beispiel nach § 651kBGB einen Sicherungsschein auszustellen hat.
373
Auch ist nicht Voraussetzung, dass Reiseleistungen über einen längeren Zeitraum angeboten werden, so dass auch gelegentliche Reiseveranstaltungen ausreichen. Dazu folgende Rechtsprechungsbeispiele: – Volkshochschule,15
374
11 12 13 14
OLG Frankfurt/M. v. 2.4.1991 – 8 U 240/90, NJW-RR 1991, 1018. LG München I v. 5.12.1989 – 32 S 12 313/89, NJW-RR 1990, 316. Führich, Reiserecht, Rz. 85. BGH v. 26.10.1973 – V ZR 204/71, NJW 1974, 37; OLG Celle v. 20.12.1989 – 11 U 166/87, NJW-RR 1990, S. 445; LG Frankfurt/M., NJW-RR 1990, 957. 15 LG Hildesheim, VuR 1989, 140.
129
Teil C – – – –
Incentive und Reisevertrag
Ferienfahrschule,16 Sprachreise,17 Kreditkartenunternehmen,18 Hotel-Reservations-Service.19
375
Diese Gelegenheitsveranstalter kommen jedoch in den Genuss einzelner Erleichterungen, sofern dies zweckmäßig ist. Beim Gelegenheitsveranstalter ist nicht Voraussetzung, dass dem Reiseangebot eine gewerbliche Tätigkeit zugrunde liegt bzw. dass eine Gewinnerzielung angestrebt wird.
376
Der Gelegenheitsveranstalter ist beispielsweise nicht nach § 651k Abs. 6 Nr. 1 BGB zur Insolvenzversicherung verpflichtet. Auch soll er nicht der Informationsverordnung (§ 11 InfoVO) unterliegen.
377
Folgende Rechtsvorschriften hat der Reiseveranstalter bei seinen Tätigkeiten zu beachten: 1. die §§ 651a–m BGB als zwingenden Mindeststandard für die Reisedurchführung und Mängelgewährleistung, 2. seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) als selbst geschaffene, von ihm einseitig gestellte Vertragsbedingungen zur Schließung von Regelungslücken der §§ 651a–m BGB, wie zB die Vorschläge zu den allgemeinen Reisebedingungen des deutschen Reisebüroverbandes (DRV), 3. die AGB-Vorschriften der §§ 305 ff. BGB als eine nicht abänderbare Kontrolle seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 4. das Wettbewerbs- und Preisrecht im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Preisangabenverordnung (PAngVO) und Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) als Kontrolle seines Werbe- und Marktverhaltens, 5. das deutsche Internationale Privatrecht (IPR) mit Art. 29 EGBGB dafür, dass nur deutsches Recht gilt, wenn der Reisevertrag als Verbrauchervertrag im Bundesgebiet geschlossen oder hier für ihn geworben wurde.
378
Bei den Vertragsschlüssen mit den einzelnen Leistungsträgern muss der Reiseveranstalter verschiedene Kriterien beachten, zB: – Qualitätsbestimmungen, – Mengeneinheiten, – Preise, – Rabatte, – Festlegung der Währung, – Zahlungsabwicklung, – Stornierungsfristen und -bedingungen. 16 17 18 19
LG Frankfurt/M. v. 31.7.1989 – 2/24 S 469/88, NJW-RR 1989, 1399. LG Frankfurt/M. v. 23.4.1990 – 2/24 S 413/89, NJW-RR 1990, 760. OLG Celle v. 20.12.1989 – 11 U 166/87, NJW-RR 1990, 445. LG Frankfurt/M. v. 9.4.1990 – 2/24 S 369/89, NJW-RR 1990, 957.
130
III. Der Reisevertrag und seine Parteien
Teil C
Die EG-Richtlinie über Pauschalreisen fordert unabänderlich von den EU-Staaten, dass sie die Veranstalter verpflichten, detaillierte Reiseangaben zu machen. Dieser umfangreiche Pflichtenkatalog ist niedergelegt in einer eigenen Verordnung über Informationspflichten.
379
Inhaltlich unterscheidet die Verordnung über die Informationspflichten von Reiseveranstaltern (InfoVO): – die Gestaltung des Prospekts, – vorvertragliche Informationspflichten vor der Buchung, – die Gestaltung und den Inhalt des Reisevertrages einschließlich der Reisebestätigung und – Informationspflichten vor Reisebeginn.
380
Der Veranstalter kann sich auf seine ergänzenden Reisebedingungen (AGB) nur dann berufen, wenn er sie wirksam in den Reisevertrag einbezogen hat. Ist der Reisekunde kein Unternehmen (§ 310 BGB), müssen strikt die Anforderungen des § 305 Abs. 2 und 3 BGB erfüllt sein wie – ein deutlicher Hinweis auf die AGB im Prospekt oder auf der Reisebestätigung, – die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Kunden durch Aushändigung, Abdruck im Katalog (Teilabdruck wichtiger Klauseln ist zulässig, wenn die vollständige Fassung bei Buchung erhalten oder eingesehen werden kann), – das Einverständnis des Kunden mit dem Inhalt, welches in der weiteren Vertragsabwicklung zu sehen ist.
381
Der Veranstalter sollte gerade bei Telefonbuchungen darauf achten, dass der Hinweis in der Reisebestätigung erfolgt und die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Übersenden oder Teilauszug der wichtigsten Klauseln erfolgt.
382
Der schnelle Marktwandel lässt zunehmend die Abgrenzung zwischen Reiseveranstalter, Leistungsträger und Reisemittler unklar werden. Viele Veranstalter und Leistungsträger unterhalten Büros, die den gleichen Namen tragen (NUR-Touristik-Verkaufsbüros, TUI-Reise-Center, Lufthansa-City-Center), andererseits treten Reisebüros neben ihrer üblichen Vermittlertätigkeit mit eigenem, umfangreichem Reiseprogramm auch als Veranstalter auf. Das ist auch dann der Fall, wenn sie mehrere Teilleistungen zu einem Gesamtangebot mit einem einheitlichen Preis zusammenstellen. Ein Beispiel hierfür ist die Vermittlung eines Fluges mit der Lufthansa zum Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 nach Südafrika mit einer zusätzlichen Hotelreservierung und Eintrittskarte zu dem Spiel Deutschland-Brasilien.
383
Reisebüros helfen sich hier oft mit unzulässigen Vermittler-Konstruktionen in den Reiseausschreibungen und/oder Reisebedingungen, um eine Klassifizierung als Veranstalter zu vermeiden.
384
Entscheidend ist immer das Auftreten des Unternehmens im Rechtsverkehr. An die Definition der Pauschalreise knüpft die Vorschrift des § 651a Abs. 2 BGB an. Das Grundprinzip dieser Vorschrift besagt: Eine einfache Berufung
385
131
Teil C
Incentive und Reisevertrag
des Anbieters von touristischen Leistungen darauf, nur Vermittler zu sein, egal ob in einer Werbung, einer Katalogausschreibung oder in Geschäftsbedingungen, genügt nicht, um einen Vermittlerstatus zu begründen. Solche Vermittlerhinweise sind unwirksam, wenn „nach den sonstigen Umständen der Anschein begründet wird, dass der Erklärende (also der Anbieter) vertraglich vorgesehene Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringt“. Dem Wort „Anschein“ kommt dabei die wichtigste Bedeutung zu. Maßgeblich ist nicht, wie sich der Anbieter selbst sieht, sondern vielmehr der „Anschein“ aus Kundensicht.20 Flugreisende in der EU haben seit 2005 einen Anspruch auf bis zu 600 Euro Entschädigung, wenn ihr Flug überbucht ist oder gestrichen wird. Der Fluggast muss sich nicht mit einem Gutschein zufriedengeben. Die Verordnung zum Schutz der Verbraucher gilt, wenn der Flug von einem Flughafen innerhalb der EU beginnt sowie bei Flügen mit EU-Gesellschaften, die in einem Drittstaat beginnen und einen Zielflughafen innerhalb der EU haben. Der EU-Ministerrat stimmte im Januar 2004 deutlich verbesserten Passagierrechten zu. In der EUVerordnung wird geregelt, wann Getränke, Mahlzeiten oder Hotelübernachtungen gewährt werden müssen. Davon profitieren nicht nur Linienflugpassagiere, sondern auch Pauschalreisende. Der Anspruch besteht auch bei Verspätungen, die durch schlechtes Wetter oder Terrorwarnungen hervorgerufen werden. Ende 2008 urteilte der EuGH, dass auch technische Probleme, welche bei der Wartung eines Jets auftreten oder Folge einer unterbliebenen Wartung sind, keine außergewöhnlichen Umstände darstellen und daher Schadensersatzansprüche bei Ausfall oder Verspätungen auslösen.21 Wenn Flüge kurzfristig gestrichen werden und eine Reservierung dafür vorlag, steht den Reisenden erstmals eine Entschädigung zu. Die Ausgleichszahlungen gelten nicht nur für Linienflüge, sondern auch für Charterflüge. Abb. 16: Entschädigung von Fluggästen Flugzeug defekt:
Airline muss den Ticketpreis erstatten oder den Fluggast kostenlos zum Ziel befördern.
Flugzeug überbucht:
Airline muss den Ticketpreis erstatten und den Fluggast schnellstmöglich zum Zielort bringen, zusätzlich fallen Entschädigungszahlungen an.
Flugzeug verspätet:
Ariline muss dem Fluggast Mahlzeiten, Telekommunikation sowie notfalls eine Hotelunterkunft stellen.
Dies gilt bei – Entfernungen bis 1500 km ab einer Verspätung von 2 Stunden, – Entfernungen bis 3500 km ab einer Verspätung von 3 Stunden, – Entfernungen von mehr als 3500 km ab einer Verspätung von 4 Stunden, – allen Entfernungen ab einer Verspätung von 5 Stunden, hier muss der Ticketpreis erstattet werden oder beim Verpassen eines Anschlussflugs wahlweise ein kostenloser Rückflug gestellt werden. 20 BGH v. 26.6.1980 – VII ZR 210/79, NJW 1980, 2192 = BGHZ 77, 310. 21 EuGH v. 22.12.2008 – C-549/07, NJW 2009, 347 = EuZW 2009, 111.
132
IV. Pflichten des Veranstalters
Teil C
Ausgleichsanspruch: 1. bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger
250 Euro,
2. bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km
400 Euro,
3. bei allen nicht unter Ziffer 1 und 2 fallenden Flügen
600 Euro.
IV. Pflichten des Veranstalters Die Vertragspflichten des Veranstalters ergeben sich aus der Reisebestätigung in Verbindung mit der Katalogbeschreibung, schriftlichen oder mündlichen Nebenvereinbarungen, dem Reisecharakter (Erholungs-, Studien-, Abenteueroder Tagungsreisen) und der Landesüblichkeit.
386
Der Veranstalter ist an die Maßgaben der §§ 651a ff. BGB und die InfoVO gebunden. Gerade Nebenvereinbarungen geben oft Anlass zu Rechtsstreitigkeiten, wenn sie nicht in die Reiseanmeldung aufgenommen werden.
387
Wichtig ist, dass das Reisebüro als Vermittler des Veranstalters (§ 278 BGB) befugt ist, über den Prospektinhalt hinaus ergänzende Erklärungen abzugeben. Darum haftet selbst bei fehlerhafter Weiterleitung mündlicher Zusicherungen durch Reisebüromitarbeiter der Veranstalter.22 Steht jedoch die mündliche Zusage in klarem Widerspruch zum Prospekt des Veranstalters, haftet der Reiseveranstalter nicht.23 Allerdings muss dann das Reisebüro damit rechnen, dass der Kunde wegen fachlich falscher Beratung Schadensersatz von ihm verlangt.
388
AGB-Klauseln, welche die Kompetenz zur Abgabe solcher Erklärungen und schriftliche Bestätigungen des Veranstalters fordern, wurden teilweise für unwirksam erklärt.24
389
Zu den Pflichten eines Reiseveranstalters zählen: – die gewissenhafte Vorbereitung der Reise im Rahmen der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns; – die sorgfältige Auswahl und Überwachung der Leistungsträger; – die Informationspflicht, dazu zählen die sorgfältige und wahrheitsgemäße Beschreibung aller mit der Reise zusammenhängenden Sachverhalte und Umstände; – die vertragsgemäße Leistungserbringung.
390
Hierbei haftet der Veranstalter gegenüber dem Kunden für ein Verschulden der Leistungsträger so, als ob er selbst gehandelt hätte (§ 278 BGB, zB Hotel, Beförderungsunternehmen, Reiseleitung, Fremdenführer u.Ä.). 22 BGH v. 19.11.1981 – VII ZR 238/80, NJW 1982, 377 = BGHZ 82, 219. 23 LG Frankfurt/M. v. 26.1.1987 – 2/24 S 207/86, NJW-RR 1987, 495. 24 LG München, VuR 1989, 34 und 259.
133
Teil C 391
Incentive und Reisevertrag
Neben diesen Hauptpflichten treffen den Veranstalter zahlreiche Nebenpflichten. So muss er über die Einreisebestimmungen informieren oder über bevorstehende Beeinträchtigungen der Reise, wenn sie vor Reisebeginn feststehen. Ferner treffen den Veranstalter „Produktbeobachtungspflichten“, gerade wenn Beeinträchtigungen durch Umwelteinflüsse oder höhere Gewalt für ihn erkennbar sind. Fürsorgepflichten hinsichtlich der körperlichen Unversehrtheit des Kunden und seines Vermögens treffen ihn ebenfalls.25
V. Pflichten des Kunden 392
Als vertragliche Hauptleistung ist der Kunde zur Zahlung des vereinbarten Reisepreises verpflichtet (§ 651a Abs. 1 Satz 2 BGB). Im Incentive-Bereich werden die Kosten idR in voller Höhe vom Arbeitgeber bzw. dem ausschreibenden Unternehmen getragen.
393
Die Zahlung ist erst dann fällig, wenn der Kunde „qualifizierte Reiseunterlagen“ wie Flugscheine, Hotelgutscheine, bzw. wenn er einen Sicherungsschein erhält, der ihm im Insolvenzfall einen Direktanspruch gegen die Leistungsträger gibt (§ 651kBGB).
394
Zu den Nebenpflichten des Kunden zählen – das Erscheinen zum Reiseantritt, – die eigene Sorge für die notwendigen Reisedokumente, – die Annahme zumutbarer Ersatzangebote in gewissem Umfang und die Pflicht, auftretende Reisemängel anzuzeigen, da sonst keine Ansprüche nach Reiseende angemeldet werden können.
VI. Rechtsfragen vor Reiseantritt 395
Zunächst soll aufgezeigt werden, welche Rechtsfragen sich im Reisevertragsrecht vor Reiseantritt stellen.
396
Es kommt vor, dass dem Kunden nicht die versprochene Leistung angeboten werden kann. So ist beispielsweise das gebuchte Hotel noch nicht fertiggestellt und gleicht einer Baustelle. Wird dann dem Kunden ein mangelfreies Ersatzhotel am gleichen Ort, in vergleichbarer Lage und mit dem gleichen Standard angeboten, ist dies keine erhebliche Änderung. Der Kunde muss eine Änderung in einigen Fällen ersatzlos hinnehmen: – Änderung wird nach Vertragsschluss notwendig, – Änderung wurde vom Veranstalter nicht herbeigeführt, – Änderung oder Abweichung ist nicht erheblich, – Änderung beeinträchtigt den Gesamtzuschnitt der Reise nicht. 25 BGH v. 25.2.1988 – VII ZR 348/86, NJW 1988, 1380 – „Balkonsturz“.
134
VI. Rechtsfragen vor Reiseantritt
Teil C
Erhebliche Leistungsänderungen sind Reisemängel und lösen Gewährleistungsansprüche des Kunden aus. In diesem Fall muss der Veranstalter damit rechnen, dass der Kunde – die Reise unter Vorbehalt antritt oder – die Änderung nicht akzeptiert, eine Frist setzt und nach deren erfolglosem Ablauf selbst eine – auch etwas teurere – Ersatzunterkunft bucht und die Mehrkosten in Rechnung stellt oder – die Reise kündigt, wenn der Veranstalter trotz Aufforderung und Fristsetzung keinen akzeptablen Vorschlag macht.
397
Aufgrund seiner Informationspflicht muss der Veranstalter den Kunden umfassend über den Urlaubsort und die Unterkunft, Verpflegung und Organisation informieren. Unvollständigkeiten gehen zu Lasten des Veranstalters. Diese Informationspflicht obliegt ihm bis zum Reiseantritt. Mit der Informationspflicht soll der Reiseveranstalter den Kunden also schon vor Reiseantritt in die Lage versetzen, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
398
Teilt nun der Veranstalter kurz vor Reisebeginn dem Kunden beispielsweise mit: – die Seminarräume im Hotel sind noch nicht nutzbar, – die Schlauchboote für das River-Rafting im Colorado fehlen, – ein interessanter Zielpunkt einer Kreuzfahrt entfällt,26 – es sei mit einem Streik im Zielland zu rechnen,27
399
dann braucht der Kunde dies nicht hinzunehmen. Zwar kann er ebenso wie bei erheblichen Leistungsänderungen die Reise unter Vorbehalt eventueller Ansprüche durchführen, er kann aber auch selbst ein anderes Urlaubsziel suchen (Abhilfe nach § 651c BGB) oder bei erheblichen Mängeln den Vertrag kündigen (§ 651e BGB). Bei beiden Maßnahmen ist eine angemessene Fristsetzung zu beachten.
1. Rücktritt vor Reisebeginn, § 651i BGB Vor Reisebeginn kann der Kunde jederzeit ohne Angabe von Gründen zurücktreten (§ 651i BGB). Die Erklärung der Kündigung kann gegenüber dem Reiseveranstalter formlos, ohne Angabe von Gründen erfolgen. Der Veranstalter kann dann zwar keinen Reisepreis, aber eine angemessene Entschädigung (Stornokosten) verlangen. Dieses freie Rücktrittsrecht darf der Veranstalter nicht durch Erfordernisse in seinen AGB erschweren.28
400
Die „angemessene“ Entschädigung kann der Veranstalter konkret berechnen und seinen Verlust detailliert dem Kunden in Rechnung stellen, wobei der
401
26 BGH v. 26.6.1980 – VII ZR 257/79, NJW 1980, 2189 = BGHZ 77, 320; LG Hamburg v. 27.11.1997 – 302 S 78/97, NJW-RR 1998, 708. 27 LG Frankfurt/M. v. 14.4.1980 – 2/24 S 258/79, NJW 1980, 1696. 28 OLG München v. 11.12.1986 – 29 U 3080/86, NJW-RR 1987, 493.
135
Teil C
Incentive und Reisevertrag
Wert der ersparten Aufwendungen sowie die anderweitige Verwendung der Reise (zB Weiterverkauf) zu berücksichtigen sind (§ 651i Abs. 2 BGB). Die letztere Möglichkeit wird bei einer Incentive-Reise wegen der besonderen Zusammenstellung der Reise aber wohl kaum in Frage kommen. 402
Wegen der Umständlichkeit dieser konkreten Nachweispflicht gestattet das Gesetz dem Veranstalter, diese Entschädigung im Vertrag pauschal als Prozentsatz zu regeln (§ 651i Abs. 3 BGB). Praktischerweise wird dies in den AGB geregelt. Dieser Prozentsatz muss für die jeweilige Reiseart unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen und des durch die anderweitige Verwendung der Reiseleistungen möglichen Erwerbs festgesetzt wurden.29
403
Diese übliche Praxis sieht gestaffelte Pauschalen nach Reisearten vor, je nachdem, wie viele Tage vor Reiseantritt der Rücktritt erklärt wird.30 Diese üblichen Stornopauschalen stellen dann eine angemessene Entschädigung dar, wenn folgende Orientierungsmaßstäbe der Rechtsprechung31 eingehalten werden: Zeitraum bis 30 Tage vor Reiseantritt
Flugpauschalreisen Kreuzfahrten 20 %
25 %
Ferienhäuser bis 61. Tag 20 % bis 35. Tag 50 %
ab 29. bis 22. Tag vor Reiseantritt
30 %
40 %
80 %
ab 21. bis 15. Tag vor Reiseantritt
35 %
60 %
80 %
ab 14. bis 7. Tag vor Reiseantritt
45 %
80 %
80 %
ab 6. Tag vor Reisebeginn
55 %
80 %
80 %
ab Nichtantritt
75 %
100 %
90 %
Wesentlich höhere Stornogebühren sind gemäß § 651m BGB unwirksam. 404
In allen Fällen muss in der Vertragsklausel dem Kunden das Recht zugebilligt werden nachzuweisen, dass im konkreten Einzelfall der Veranstalter einen geringeren Schaden hat.32
405
Falls die Reise ausgebucht ist, hat der Veranstalter Ersatz gefunden. Dann hat der Kunde nur die Umbuchungsgebühr zu zahlen.
406
Der Reiseveranstalter muss gemäß InfoVO in jedem Fall einen Hinweis auf eine zusätzlich mögliche Reise-Rücktrittskosten-Versicherung in seinen Prospekt aufnehmen, die dann im Rahmen ihrer Versicherungsbedingungen (ABRV) diese Entschädigung übernimmt. Versicherte Risiken sind jedoch zumeist nur der Tod, schwerer Unfall oder eine unerwartete schwere Erkrankung, eine Impfunverträglichkeit, eine Schwangerschaft oder ein Schaden am Eigentum des Ver29 30 31 32
BGH v. 26.10.1989 – VII ZR 332/88, NJW-RR 1990, 114. BGH v. 26.10.1989 – VII ZR 332/88, NJW-RR 1990, 114. OLG Frankfurt/M. v. 17.12.1981 – 6 U 26/81, NJW 1982, 2198. OLG Karlsruhe v. 28.1.1998 – 1 U 218/97, NJW-RR 1998, 841 mit Anmerkung; LG Hannover v. 23.4.1987 – 3 S 14/87, NJW-RR 1987, 1079; OLG Frankfurt/M. v. 17.12.1981 – 6 U 26/81, NJW 1982, 2198.
136
VI. Rechtsfragen vor Reiseantritt
Teil C
sicherten. Die Versicherung übernimmt damit nicht die Stornoentschädigung, wenn der Kunde die Buchung rückgängig machen will, weil er es sich anders überlegt hat oder er ein günstigeres Angebot gefunden hat. Risikopersonen sind nur die in den Versicherungsbedingungen genannten Personen und solche, welche auf der Police eingetragen sind.
407
Die Möglichkeit der Reiseabsage wegen „wirtschaftlicher Unzumutbarkeit“ findet sich zwar häufig in Geschäftsbedingungen (vgl. Nr. 7c ARB), ist aber aus der Sicht des Kunden zu unbestimmt und stellt eine unzulässige Risikoverlagerung auf den Kunden dar (§ 308 Nr. 3 BGB).
408
2. Kündigung wegen höherer Gewalt, § 651j BGB Wird die Pauschalreise bei Vertragsschluss aufgrund nicht voraussehbarer höherer Gewalt – also nicht bei Reiseantritt – erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, können sowohl der Veranstalter als auch der Kunde den Vertrag vor und während der Reise kündigen (§ 651j BGB).
409
Als höhere Gewalt gilt hierbei ein plötzlich von außen kommendes Ereignis, das weder der Risikosphäre des Veranstalters noch der des Kunden zurechenbar ist und nicht durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt abgewendet werden kann.33 Beispiele hierfür sind: – Naturkatastrophen,34 – Reaktorunfälle,35 – instabile politische Verhältnisse.36
410
Als höhere Gewalt gilt nicht die Unwirtschaftlichkeit der Reise, Streiks bei Leistungsträgern oder das allgemeine Lebensrisiko (Wetter, Schneelage, Meeresverschmutzung).
411
Zu beachten hat der Veranstalter, dass bei einer Kündigung wegen höherer Gewalt keine Stornogebühren verlangt werden dürfen, sondern der Veranstalter dann seinen Anspruch auf den Reisepreis verliert.
412
Für „abgewohnte“ Reiseleistungen kann der Veranstalter aber eine angemessene Entschädigung verlangen. Der Kunde, der bereits mehr bezahlt hat, als der Veranstalter nach der Kündigung beanspruchen kann, hat einen direkten Rückforderungsanspruch aus § 651j BGB. Weiterhin hat der Reiseveranstalter bei Reiseabbruch die Rückreise zu organisieren, wobei deren Mehrkosten von den Parteien je zur Hälfte zu tragen sind (§ 651j Abs. 2 iVm. § 651e Abs. 2 Sätze 1, 2, Abs. 4 Satz 1 BGB). Ferner soll nach der Rechtsprechung des BGH der
413
33 34 35 36
BGHZ 100, 185. BGHZ 85, 50; OLG Düsseldorf v. 30.11.1989 – 18 U 192/89, NJW-RR 1990, 252. BGH v. 23.11.1998 – VII ZR 60/89, NJW 1990, 572. LG Frankfurt/M. v. 15.7.1991 – 2/24 S 302/90, NJW-RR 1991, 1205 = VersR 1992, 618 L.
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Teil C
Incentive und Reisevertrag
Kunde auch die Hälfte der vom Veranstalter aufgewendeten Hotelstornokosten übernehmen.37 Die übrigen Mehrkosten (zB verlängerter Aufenthalt am Zielort) hat der Kunde zu tragen.
VII. Rechtsfragen nach Reiseantritt 414
Am häufigsten geht es bei den reiserechtlichen Streitigkeiten um die Frage, ob der Kunde, der von der Reise enttäuscht ist, Gewährleistungsrechte gegen den Veranstalter hat. Nach § 651c Abs. 1 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist.
415
Treten nach Vertragsabschluss bis zum Ende der Reise Störungen im vertraglich übernommenen Leistungsbereich des Veranstalters zu Lasten des Kunden auf, dann haftet der Veranstalter seinem Vertragspartner nach §§ 651c–e BGB, ohne dass es auf ein Verschulden – also ein vorwerfbares Handeln in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit – des Veranstalters oder seiner Leistungsträger ankommt (Garantiehaftung).
416
Ist die Reise mangelhaft, dann hat der Kunde verschiedene Rechte. Das Reisevertragsrecht unterscheidet zwischen – Abhilfeanspruch (§ 651c Abs. 2 BGB), – Reisepreisminderung (§ 651d BGB), – Kündigung wegen erheblicher Mängel (§ 651e BGB), – Schadensersatz für Begleit- und Folgeschäden (§ 651 f Abs. 1 BGB), – Schadensersatz für vertane Urlaubszeit (§ 651 f Abs. 2 BGB).
417
Neben diesen vertraglichen Ansprüchen kann der Kunde sich möglicherweise auf parallele Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung berufen (§§ 823 ff. BGB). Voraussetzung dafür ist allerdings eine Verletzung eigener Verkehrssicherungspflichten des Reiseveranstalters, denn seine Leistungsträger werden nicht als Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) angesehen, für die er haften müsste. Das Vertragshotel unterliegt eben nicht den Weisungen des Veranstalters und ist damit kein Verrichtungsgehilfe (Balkonfall).38
418
Im Rahmen seiner regelmäßigen Kontrollpflichten ist der Veranstalter allerdings nicht verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen umfassender Art vorzunehmen, sondern kann sich durch Stichproben vom Sicherheitszustand seiner Leistungsträger informieren (keine Kontrolle von einzelnen Mahlzeiten).39
419
Bloße Unannehmlichkeiten der Reise lösen noch keine Ansprüche des Kunden aus. So hat der Kunde nach der umfangreichen Rechtsprechung der Gerichte fol37 BGH v. 23.11.1989 – VII ZR 60/89, NJW 1990, 572. 38 BGH v. 25.2.1988 – VII ZR 348/86, NJW 1988, 1380. 39 OLG Frankfurt/M. v. 19.10.1989 – 1 U 233/88, NJW-RR 1990, 188; OLG Düsseldorf v. 23.11.1989 – 18 U 120/89, NJW-RR 1990, 187.
138
VII. Rechtsfragen nach Reiseantritt
Teil C
gende geringfügige Beeinträchtigungen des allgemeinen Lebensrisikos ersatzlos hinzunehmen: – die Nichtbenutzbarkeit eines Minigolfplatzes, – normale Geräusche einer Gaststätte, – idR Kinderlärm,40 – optische Beeinträchtigungen (zB Blick auf stillgelegte Baustelle), – einmalige, kurze Leistungsbeeinträchtigungen, – besondere subjektive Empfindlichkeiten des Kunden wie körperliche Beschwerden bei einer Studienreise, Bergwanderung,41 – Landesüblichkeiten wie Lärm im Süden bis 24.00 Uhr. Beispiel In zwei im Jahre 1993 vor dem LG Frankfurt/M und dem LG Hamburg zu entscheidenden Fällen ging es um die Frage, ob der Kundenanteil von Mitgliedern einer Schweizer Folkloregruppe einen Reisemangel oder eine bloße Unannehmlichkeit darstellt. Im Fall des LG Frankfurt waren von einer Reisegruppe von 560 Reisenden, die eine Kreuzfahrt in der Karibik unternahmen, 500 Reisende Mitglieder einer Schweizer Folkloregruppe. Diese verbrachten die Kreuzfahrt durch die Karibik mit Jodeln, Trachtentänzen und Schweizer Volkschören. Ein Reisemangel wurde vom Gericht bejaht.42 Das LG Hamburg entschied in einem ähnlichen Fall bei einem Anteil von 40 % Folkloregruppenmitgliedern an einer Reisegruppe mit Kreuzfahrtziel Spitzbergen gegenteilig.43
Ein Reisemangel liegt immer dann vor, wenn die tatsächliche Leistung des Veranstalters hinter der im Reisevertrag versprochenen Leistung zurückbleibt.
420
Hierbei unterscheidet § 651c Abs. 1 BGB den Fehler und das Fehlen zugesicherter Eigenschaften.
421
Bei der Bestimmung eines Fehlers ist insbesondere die Kundenerwartung heranzuziehen, die maßgeblich geprägt wird durch – den Katalog, – die Reisebestätigung, – die Zusagen, – den Reisecharakter und – die Ortsüblichkeit.
422
Ein Fehler erfordert also eine qualitative oder quantitative Minderleistung.
423
Zusicherungen liegen dann vor, wenn der Veranstalter etwas besonders hervorgehoben hat. Als Zusicherung werden angesehen: – sachliche Katalogangaben, – Vermerke auf Reiseanmeldungen,
424
40 41 42 43
AG Kleve v. 20.12.1996 – 6 S 34/96, NJW-RR 1997, 1208. LG Frankfurt/M. v. 29.4.1991 – 2/24 S 334/90, NJW 1991, 2573. LG Frankfurt/M. v. 19.4.1993 – 2/24 S 341/92, NJW-RR 1993, 951. LG Hamburg v. 19.8.1993 – 302 S 18/93, NJW-RR 1993, 1465.
139
Teil C
Incentive und Reisevertrag
– Reisebestätigungen, – mündliche und schriftliche Zusagen des Veranstalters, seiner Agenturen oder von selbständigen Reisebüros, wenn sie die Prospektangaben lediglich ergänzen. 425
Freizeichnungen für bestimmte Beeinträchtigungen durch entsprechende Prospekthinweise sind nur wirksam, wenn sie aus der Sicht des Kunden inhaltlich eindeutig sind und an solchen Stellen im Katalog abgedruckt sind, an denen der Kunde eine entsprechende Information auch erwarten darf.44 So kann der Hinweis auf die Landesüblichkeit bei einem aussagekräftigen Inhalt zur Leistungsfreiheit führen, jedoch konkrete Prospektangaben nicht außer Kraft setzen.
426
Streitet der Veranstalter einen vom Kunden behaupteten Reisemangel ab, so hat der Kunde diesen Mangel vor Gericht zu beweisen (sog. prozessuale Darlegungsund Beweislast), zB anhand eines vom örtlichen Vertreter unterschriebenen Mängelprotokolls. Auf der anderen Seite ist der Reiseveranstalter verpflichtet darzulegen, dass dieser Reisemangel nicht in seine Verantwortlichkeit fällt (§ 651 f BGB).
427
Die Vielfalt der Reisemängel hat zur Erstellung von Übersichten geführt. Eine gerichtsinterne Mängelliste als Grundlage für die Reisepreisminderung ist die sog. „Frankfurter Tabelle“ der 24. Zivilkammer („Reiserechtskammer“) des Landgerichts Frankfurt am Main.45 Neueren Datums ist die sog. „Kemptener Reisemängeltabelle“ des führenden deutschen Reiserechtlers Herrn FÜHRICH.46
428
Beförderungsmängel sind regelmäßig: – erhebliche Verspätung beim Hin- und Rückflug47 oder – lange vertragswidrige Zwischenlandungen,48 – Fehlleitung des Gepäcks,49 – ein Streik der Fluggesellschaft, ein Streik des Bodenpersonals dagegen nicht.50
429
Mängel der Unterkunft beziehen sich zumeist auf – schlechtere Hotel- oder Zimmerkategorie als vereinbart51 oder eine andere, dem Reisezweck nicht entsprechende Lage,52
44 LG Frankfurt/M. v. 2.11.1987 – 2/24 S 75/87, NJW-RR 1988, 248. 45 Abgedruckt unter Anhang B. 46 Abgedruckt in MDR Sonderheft 60 Jahrgang 2006, „Arbeitshilfe: Reiserecht, Kemptener Reisemängeltabelle“. 47 OLG Frankfurt/M., NJW 1997, 820; LG Frankfurt/M. v. 7.1.1991 – 1/24 S 299/90, NJW-RR 1991, 630 = VersR 1991, 1153 L; OLG Köln v. 3.3.1993 – 26 U 41/92, NJW-RR 1993, 1019. 48 AG Düsseldorf v. 11.10.1996 – 20 C 9177/96, NJW-RR 1997, 1139. 49 OLG Frankfurt/M. v. 3.4.1984 – 11 U 59/83, MDR 1984, 667; LG Frankfurt/M. v. 20.12.1993 – 2/24 S 230/93, NJW-RR 1994, 309. 50 LG Hannover v. 30.3.1989 – 3 S 451/88, NJW-RR 1989, 820. 51 LG Frankfurt/M. v. 13.1.1992 – 2/24 S 185/90, NJW-RR 1992, 380. 52 OLG Offenburg v. 19.11.1996 – 1 S 126/96, NJW-RR 1997, 626.
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VII. Rechtsfragen nach Reiseantritt
– – – – –
Teil C
unzureichende Zimmerausstattungen,53 ausgefallene Versorgungseinrichtungen,54 Mängel von Hoteleinrichtungen,55 Ungeziefer,56 Sicherheitsmängel und Belästigungen.57
Ein Verpflegungsmangel ist beispielsweise bei verdorbenen Speisen gegeben.58 Andere Mängel wie zum Beispiel ein spärliches Buffet führen meist nur bei gehobenen Reisen und Kreuzfahrten zu berechtigten Reklamationen, da oft nur subjektive Geschmackserwartungen des Kunden unerfüllt bleiben.
430
Mängel des Reisezweckes oder -ziels sind zB gegeben, wenn: – ein wesentlicher Programmteil einer Reise entfällt,59 – ein interessanter Zielort wegfällt,60 – eine erhebliche Routenabweichung erfolgt,61 – die Jagdmöglichkeit bei einer Safarireise fehlt.62
431
Organisationsmängel sind im Fall einer ungenügend befähigten Reiseleitung63 oder schlechter Betreuung am Urlaubsort64 gegeben.
432
Als Mitverursacher von allgemeinen Umwelteinflüssen auf einer Reise hat der Kunde das allgemeine Lebensrisiko selbst zu tragen.
433
Beispiel Unfälle im Straßenverkehr oder auf der Skipiste, extreme Wetterlagen mit Regen, Glätte und Trockenheit, vorübergehend schlechte Sportmöglichkeiten, fehlender Schnee oder Bau- und Verkehrslärm von kürzerer Dauer.
Verletzt jedoch der Veranstalter seine Informationspflichten über Umweltbelastungen, die über dieses Lebensrisiko hinausgehen, oder sichert er Umwelteigenschaften zu, dann liegen Reisemängel vor, für die der Veranstalter haften muss.
434
Eine Incentive-Reise soll, um die gewünschte positive Nachwirkung zu erzielen, einen besonderen und einzigartigen Charakter aufweisen. Daher werden oft spektakuläre Angebote wie:
435
53 LG Frankfurt/M. v. 18.3.1996 – 2/24 S 206/95, NJW-RR 1996, 888; OLG Frankfurt/M. v. 29.11.1993 – 2/24 S 364/92, NJW-RR 1994, 310. 54 OLG Hannover v. 23.8.1985 – 8 S 167/85, NJW-RR 1986, 146. 55 OLG Köln v. 29.6.1988 – 13 U 40/88, VersR 1989, 52; OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1995, 1162. 56 LG Frankfurt/M. v. 23.11.1987 – 2/24 S 121/87, NJW-RR 1988, 245. 57 OLG Düsseldorf v. 9.10.1997 – 18 U 209/96, NJW-RR 1998, 921; VuR 1995, 214. 58 OLG Düsseldorf v. 23.11.1989 – 18 U 120/89, NJW-RR 1990, 187. 59 OLG Hannover v. 26.2.1990 – 2/24 S 347/86, NJW-RR 1990, 571. 60 BGHZ 77, 320; LG Hamburg NJW-RR 1998, 708. 61 OLG Karlsruhe, VersR 1985, 1073; OLG Düsseldorf VersR 1985, 592. 62 BGH v. 26.6.1980 – VII ZR 210/79, NJW 1980, 2192 = BGHZ 77, 310. 63 LG Düsseldorf v. 7.2.1997 – 22 S 317/96, NJW-RR 1998, 562. 64 LG Köln v. 5.6.1990 – 3 O 612/89, MDR 1991, 839.
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Teil C – – – – – – – – – – – –
Incentive und Reisevertrag
River-Rafting, Safaris, Tontaubenschießen, Hochseefischen, Bergtouren, Bungee-Jumping, Para-Gliding, Rodelabfahrten, Jet-Ski-Touren, Fallschirmspringen, Tauchexkursionen, Canyoning
und Ähnliches angeboten. 436
Bei diesen speziellen Incentive-tools sollte der Veranstalter bzw. die organisatorisch verantwortliche Eventagentur dafür Sorge tragen, dass Personen, die zu irgendwelchen Risikogruppen gehören (zB Diabetiker, Herz- und Kreislaufkranke, ältere Menschen etc.), auf die speziellen körperlichen Belastungen und Gefahren mündlich oder schriftlich hingewiesen werden. Eine Unterschrift zur Bestätigung der Kenntnisnahme ist wünschenswert, aber nicht erforderlich. Der Incentive-Ausrichter kann davon ausgehen, dass ein Teilnehmer, der sich nach erfolgter Risiko-Information ohne besondere Hinweise am entsprechenden Ausflugs- oder Sportprogramm beteiligt, die körperlichen Belastungen hinnimmt und übersteht, bzw. auf eigene Gefahr handelt. Allerdings muss dafür gesorgt werden, dass die reisebegleitenden Tauchlehrer, Bergführer, Jagdbegleiter etc. über eine ausreichende Qualifikation verfügen.
437
Wenn ein Reiseveranstalter sich einen Haftungsausschluss unterschreiben lässt, aber dennoch fahrlässig handelt, ist der Haftungsausschluss unwirksam. Beispiel Dies ist auch gut nachvollziehbar, wenn man sich das Canyoning-Unglück im Berner Oberland vor Augen hält. Hier ertranken am 27.7.1999 im nach einem Gewitter stark angeschwollenen Saxetbach in Wilderswil im Berner Oberland 21 Menschen aus 5 Nationen in einer Flut aus Dreck, Gestein und Holz, weil der Schweizer Veranstalter Adventure World trotz verschiedener Wetterwarnungen durch Einheimische wegen eines herannahenden Gewitters die geplante Tour mit 45 Touristen und 8 Führern in eine Schlucht durchführte. Um Geld zu sparen, wurden unerfahrene Führer eingestellt. Der Versicherungsschaden betrug 3 Mio. Schweizer Franken. Der Veranstalter ließ sich folgende Erklärung von den Teilnehmern unterschreiben: „Der Veranstalter haftet insbesondere nicht für Schäden, welche auf Handlungen und Unterlassen der Aktivitätsleiter, welche nicht mit der Erbringung vertraglich vereinbarter Leistungen stehen, auf Grund von Handlungen Dritter, anderer Teilnehmer, höherer Gewalt, behördlicher Anordnungen oder auf Grund verspäteter Heimkehr usw. entstanden sind.“ Da der Veranstalter aber durch die Ignorierung der Wetterwarnungen und durch den Einsatz schlecht qualifizierten Personals fahrlässig handelte, muss er trotz der Haftungsaus-
142
VII. Rechtsfragen nach Reiseantritt
Teil C
schlusserklärung haften. Nach dem rechtskräftigen Urteil des Schweizer Gerichts, sah dieses es als erwiesen an, dass die drei Verwaltungsräte von Adventure World ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben, weil sie kein ausreichendes Sicherheitskonzept erstellt hätten. Zwar könne ein Chef die Sicherheit an seine Untergebenen delegieren. Aber was die Verantwortlichkeit betreffe, so bleibe Sicherheit doch immer Chefsache. Adventure World hätte vor Aufnahme des Canyoning-Betriebs im Jahr 1994 Hydrologen und Meteorologen beiziehen müssen, um den Saxetbach zu analysieren. Die hätten das große Einzugsgebiet des Bachs erkannt. Dann wäre man auch gewarnt gewesen, dass Regen auf den Saxetbach extremen Einfluss haben könne. Unter diesem Blickwinkel gesehen stimme die Behauptung der Verteidigung nicht, die Flutwelle sei nach damaligem Wissensstand nicht voraussehbar gewesen. Den Guides hätte man grundsätzlich verbieten müssen, bei Gewitter zu starten. Sicher sei auch, dass die Ausbildung der Guides in Wetterkunde sicher nicht entscheidend gewesen sei. Auch die zwei General Manager und der Lead Guide hätten sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht, als sie am Nachmittag des 27.7.1999 den letzten Trip nicht abbrachen. Das Gewitter sei am Unglückstag von den Wetterprognosen angekündigt gewesen, alle anderen Behauptungen der Verteidigung seien Wortklauberei. Freigesprochen wurden die beiden Guides. Diese hätten ihrem Pflichtenheft gemäß gehandelt und seien nicht verantwortlich zu machen dafür, dass die Firma der Sicherheit zu wenig Bedeutung beigemessen habe. Auch dass sie mangelhaft ausgebildet gewesen seien, sei nicht ihr Fehler, sondern der ihrer Vorgesetzten. Die kurz nach dem Urteil von Staatsanwaltschaft und Verteidigung eingelegte Berufung (Schweiz: Appellation) wurde nachträglich wieder zurückgenommen, so dass das Urteil rechtskräftig geworden ist. Aus unserer Sicht ein gerechtes, gut begründetes Urteil, welches auch vor deutschen Gerichten in ähnlicher Weise entschieden worden wäre. Am 11.6.2008 ereignete sich in Südfrankreich ein ähnliches Unglück, als nach einem Sturzregen der Baou, ein Nebenfluss des Verdon 2m anschwoll und drei deutsche Urlauber aus Nordrhein-Westfalen bei einer Canyoning-Tour in den Tod riss. Neun weitere Teilnehmer der Tour überlebten, waren aber psychisch stark mitgenommen. Die Behörden der Region hatten seit Tagen vor Wassersport in den Verdon-Schluchten gewarnt und Sportwandern und Paddeln verboten, weil die Flüsse nach Unwettern mit starken Regenfällen unberechenbar seien. Dieses Verbot galt allerdings nicht für die kleinen Zuflüsse wie den Unglücksbach Baou. Ein örtlicher Führer teilte der Presse mit, dass er selbst bei schönem Wetter die Tour nicht riskiert hätte und die Deutschen sich wohl nicht ausreichend informiert hätten. Der Name des auch auf den Bereich von Jugendfreizeitreisen spezialisierten Reiseveranstalters war ausgerechnet „Never come back Journeys“ (Reisen ohne Rückkehr).
1. Abhilfe, § 651c Abs. 2 BGB Entspricht die Reiseleistung, beispielsweise die Unterkunft im Hotel oder Ferienhaus, nicht den Zusicherungen des Veranstalters oder sind Fehler erkennbar, kann der Kunde die Beseitigung des Reisemangels verlangen (Abhilfe nach § 651c Abs. 2 BGB). Der Kunde kann also darauf bestehen, dass der Veranstalter als sein Vertragspartner auf seine Kosten den Reisevertrag ordentlich erfüllt. Beispiel Eine Eventagentur bucht bei einem Reiseveranstalter ein Suiten-Kontingent in einem Luxushotel in Las Vegas. Bei der Ankunft am Urlaubsort wird dem Reisebetreuer der Agentur – wegen fehlender Verfügbarkeit ausreichender Suiten – eine gleiche Anzahl Zimmer mit Fernseher und Telefon als Ersatzunterkunft angeboten. Unter diesen Voraussetzungen muss die Eventagentur die Ersatzunterkunft nicht als gleichwertig akzeptieren. Es kann Abhilfe verlangt werden.
143
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Teil C
Incentive und Reisevertrag
439
Der Abhilfeanspruch muss gegenüber der örtlichen Reiseleitung oder einem Repräsentanten des Veranstalters geltend gemacht werden, also nicht gegenüber dem Hotel, einem sonstigen Leistungsträger oder dem heimischen Reisebüro. Etwas anderes gilt, wenn bestimmte Ansprechpartner in den Reiseunterlagen benannt sind. Bei Incentive-Reisen wird idR eine Vollbetreuung durch Mitarbeiter des Unternehmens oder der mit der Durchführung betreuten Eventagentur stattfinden. In jedem Fall muss die Reiseleitung zeitlich und örtlich erreichbar sein.65 Ein Anruf in Deutschland ist nicht zumutbar.66
440
Die Abhilfe kann formlos verlangt werden, sollte aber aus Beweisgründen schriftlich erfolgen mit Bestätigung durch die Reiseleitung.
441
Der Veranstalter muss die geforderte Abhilfe sofort auf eigene Kosten vornehmen und darf dafür keinerlei Aufpreis verlangen, auch wenn zB ein Hotel einer höheren Kategorie zur Verfügung gestellt wird.
442
Die Abhilfemaßnahmen dürfen nicht von einem Verzicht auf bereits entstandene Ansprüche, zB wegen 2 Tagen Aufenthalts in einem Ferienhaus ohne Strom, abhängig gemacht werden.67
443
Auch für den Umzugstag selbst können Minderungsansprüche in Betracht kommen.68
444
Der Kunde kann wegen des ursprünglichen Reisemangels nach dem Abhilfeersuchen keine weiteren Rechte mehr geltend machen. Auch wenn der Kunde ein zumutbares Abhilfeangebot des Veranstalters ausschlägt, verliert er seine Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche.
445
Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn das Ersatzobjekt mangelhaft ist oder wenn das Ersatzhotel kurz vor Reiseende angeboten wird. Zum einen ginge dem Kunden ein Urlaubstag verloren, zum anderen würden zwischenzeitlich geknüpfte Kontakte beeinträchtigt werden.69
2. Selbstabhilfe, § 651c Abs. 3 BGB 446
Wird keine oder nur eine unzureichende Abhilfe geleistet, hat der Kunde das Recht – nicht aber die Pflicht –, nach einer erfolglosen Fristsetzung zur Selbstabhilfe zu greifen, und dann den Ersatz der hierbei entstandenen Kosten zu veranlagen.
447
Im Allgemeinen darf der Kunde kurze Fristen (Stundenfristen) setzen, da ihm wegen der zeitlichen Begrenzung der Reise eine spätere Abhilfe nichts mehr nützt. Der Veranstalter sollte beachten, dass der Kunde so schnell wie möglich
65 66 67 68 69
LG Frankfurt/M. v. 22.10.1990 – 2/24 S 6/90, NJW-RR 1991, 378. BGH v. 15.6.1989 – VII ZR 205/88, NJW 1989, 2750. LG Frankfurt/M. v. 21.5.1984 – 2/24 S 113/82, NJW 1984, 1762. LG Hannover v. 6.12.1984 – III ZR 147/83, NJW-RR 1987, 498. OLG Frankfurt/M. v. 26.10.1987 – 2/24 S 210/87, NJW-RR 1988, 633.
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VII. Rechtsfragen nach Reiseantritt
Teil C
die mängelfreie Reiseleistung erhalten soll und dass die Frist umso kürzer sein darf, je schwerer der Mangel ist.70 Eine Fristsetzung ist ganz entbehrlich, wenn der Veranstalter die Abhilfe verweigert (zB Bestreiten der Mängel oder Vertrösten) oder wenn dem speziellen Interesse des Kunden nur die sofortige Abhilfe entspricht (zB die Teilnehmer einer Incentive-Reise kommen nachts im Hotel an und bekommen ihr Zimmer nicht zugewiesen). Ist die Abhilfe unmöglich, so braucht keine Frist gesetzt zu werden.
448
Gerade der Umzug in eine andere fehlerfreie Unterkunft ist ein häufig vorkommender Fall der Selbstabhilfe. Der Kunde kann nach § 651c Abs. 3 BGB verlangen, alle Auslagen, die mit der Selbstabhilfe verbunden sind, vom Reiseveranstalter erstattet zu bekommen. Hierzu gehören beispielsweise Umzugskosten, Hotel-, Taxi- oder Telefonkosten.71
449
3. Minderung, § 651d BGB Reisepreisminderung bedeutet, dass der Kunde am Vertrag trotz vorliegender Mängel festhält – also weder zur Selbstabhilfe noch zur Kündigung greift – dafür aber den Reisepreis nach Reiseende kürzt.
450
Da der Kunde den Reisepreis in der Regel schon vorausbezahlt hat, verlangt er eine teilweise Erstattung.
451
Die Minderung kann dabei neben sonstigen Gewährleistungsrechten geltend gemacht werden, also beispielsweise neben Schadensersatz.
452
Durch die Mängelanzeige (§ 651d Abs. 2 BGB) hat der Kunde dem Veranstalter die Chance zu geben, den Mangel zu beseitigen. Unerheblich ist, ob die Beeinträchtigung durch den Reisemangel erheblich ist und ob der Veranstalter den Mangel verschuldet hat oder nicht. Ein Preisnachlass kommt allerdings bei nur kurzen Unannehmlichkeiten nicht in Betracht.
453
Die Höhe der Minderung richtet sich nach der Art, Dauer, Intensität des Mangels und dem Grad der Beeinträchtigung der Reise. Bezugsgröße ist in der Regel der Gesamtpreis der Reise und nicht der Teilpreis der mangelhaften Reiseleistung. Einen Anhaltspunkt gibt die im Anhang abgedruckte gerichtsinterne Frankfurter Tabelle,72 die aber für andere Gerichte nicht verbindlich ist. Eine Kürzung des Preises kommt allerdings nur für den Zeitraum in Frage, in dem sich der Reisemangel tatsächlich negativ auswirkt.
454
Beispiel Bei einer als Karibik-Kreuzfahrt konzipierten Incentive-Reise nach Mexiko entfällt der einwöchige Landausflug zu den Maya-Ausgrabungsstätten Tulum, Chichen Itza und Palenque. Die Minderungsquote beträgt 20–30 Prozent (lt. Frankfurter Tabelle II.17). Wenn 70 Palandt/Sprau, § 651c Rz. 4. 71 Führich, Reiserecht, Rz. 251. 72 Frankfurter Tabelle zur Reisepreisminderung, NJW 1985, 113.
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Teil C
Incentive und Reisevertrag
eine dreiwöchige Reise 6 000 Euro kostete, ergibt dies einen Tagespreis von: 6 000 Euro/21 Tage = 285,71 Euro. Für eine Woche beträgt der Reisepreis damit 285,71 × 7 = ca. 2 000 Euro. Hiervon wird nach Frankfurter Tabelle eine Minderungsquote von 20 % in Ansatz gebracht: 400 Euro. Dem Kunden sind also 400 Euro zu erstatten.
4. Kündigung wegen Mangels, § 651e BGB 455
Wird die Reise infolge eines Mangels erheblich beeinträchtigt, kann der Kunde den Vertrag vor und während der Reise kündigen (§ 651e Abs. 1 BGB).
456
Nicht jeder Mangel berechtigt also zur Kündigung. Ein Teil der Gerichte stellt hinsichtlich der Erheblichkeit auf den Einzelfall ab, während andere sich an fiktiven Prozentsätzen der Minderung orientieren.73 Zudem muss der Reisemangel ein Dauerzustand sein oder zumindest immer wieder auftreten. Der Kunde muss eine angemessene Frist zur Abhilfe gesetzt haben, und diese muss ergebnislos verstrichen sein.
457
Mängelanzeige und Fristsetzung sind jedoch nur erforderlich, wenn die Reiseleitung in absehbarer Zeit ansprechbar ist.74 So kann der Kunde den Vertrag auch ohne Fristsetzung kündigen, wenn die Reiseleitung für zwei Tage nicht erreichbar ist.75 Die Frist ist zudem nach § 651e Abs. 2 BGB entbehrlich, wenn Abhilfe unmöglich ist, verweigert wird oder wenn die Kündigung durch ein besonderes Interesse des Kunden gerechtfertigt wird. Durch die wirksame Kündigung verliert der Veranstalter den Anspruch auf den Reisepreis. Der Kunde muss dann allerdings auch ausziehen.
458
Der Veranstalter kann für die bisher erbrachten Reiseleistungen nur dann vom Kunden eine Entschädigung einbehalten, wenn die am Urlaubsort erbrachten Leistungen für ihn überhaupt noch einen Wert haben.
459
Ergeben sich direkt nach der Ankunft erhebliche, nicht abänderbare Mängel, wie beispielsweise eine Doppelbuchung der Hotelzimmer oder permanenter Baulärm, kann der Kunde entscheiden, seine Incentive-Gruppe sofort wieder zurückzufliegen. Die Reiseleistungen wie zB der Flug sind dann für den Kunden wertlos. Folge ist, dass der Reiseveranstalter keinen Entschädigungsanspruch hat. Dies gilt auch, wenn der Kunde mit ungeeigneten Ersatzangeboten hingehalten wird.
460
Wenn der Veranstalter nach dem Vertrag auch für die Rückbeförderung verantwortlich ist, hat er nach einer Kündigung die Pflicht, die Abreise und den Rückflug zu organisieren.76 Die Rückbeförderung hat unverzüglich, gegebenenfalls mit einem Linienflug zu erfolgen.77 Die Mehrkosten gehen zu Lasten des Ver73 LG Frankfurt/M. v. 18.6.1990 – 2/24 S 426/89, NJW-RR 1990, 1210: mindestens 20 %; LG Hannover v. 10.4.1991 – 11 S 284/90, NJW-RR 1992, 50: mindestens 50 %; Führich, Reiserecht, Rz. 311c: 30 %. 74 LG Frankfurt/M., NJW 1985, 338. 75 LG Köln, NJW-RR 1989, 569. 76 Palandt/Sprau, § 651e BGB Rz. 6. 77 LG Frankfurt/M. v. 30.4.1984 – 2/24 S 306/83, NJW 1985, 143.
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VII. Rechtsfragen nach Reiseantritt
Teil C
anstalters (§ 651e Abs. 4 BGB). Nach Ansicht des BGH tritt die Sondervorschrift des § 651j BGB hinter § 651e BGB zurück, wenn bei Beeinträchtigungen durch höhere Gewalt ein Reisemangel vorliegt.78 Erleidet der Kunde zusätzlich einen Schaden (zB Gepäckverlust oder Körperverletzung), haftet der Veranstalter, wenn ihn oder seine Leistungsträger ein Verschulden trifft, auf Schadensersatz.
461
5. Schadensersatz wegen Nichterfüllung, § 651 f BGB Für die Praxis ist es wichtig zu beachten, dass der Kunde neben der Minderung oder Kündigung seinen Schaden ersetzt verlangen kann, wenn der Veranstalter den Reisemangel zu vertreten hat.
462
Dieser Anspruch schließt bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise eine angemessene Entschädigung in Geld für nutzlos aufgewendete Urlaubstage mit ein (§ 651 f Abs. 2 BGB). Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 10.10.197479 wird auch Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gewährt. Ein Schadensersatz in Geld kommt in Betracht, wenn die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden ist.
463
Dies wird von der Rechtsprechung derzeit dann angenommen, wenn die Mängelquote 50 % beträgt.80 Möglicherweise ist ein Haftungsausschluss für Ansprüche unterhalb dieser Grenze aber unwirksam. Denn der Europäische Gerichtshof hat in seiner Leitner-Entscheidung durchblicken lassen, dass es unzulässig ist, einen Schadensersatzanspruch an zusätzliche Voraussetzungen zu knüpfen,81 lediglich eine summenmäßige Beschränkung gemäß § 651h Abs. 1 BGB wäre danach zulässig. Aufgrund der EuGH-Rechtsprechung könnte in Zukunft jeder Fall einer schuldhaften Urlaubsbeeinträchtigung einen Schadensersatzanspruch gegen den Veranstalter zur Folge haben.82
464
Geldersatz für diese entgangene Urlaubsfreude kann also auf den Veranstalter zukommen, wenn die Reise vereitelt ist. Das ist dann der Fall, wenn die Reise überhaupt nicht stattgefunden hat und der Reisende zu Hause bleiben muss oder wenn sie wegen einer berechtigten Kündigung abgebrochen wurde.83 Wie hoch eine „angemessene“ Entschädigung in Geld ist und welches Berechnungsmodell verwendet werden soll, regelt das Gesetz in § 651 f Abs. 2 BGB nicht. Daher ist gerade in diesem Punkt eine divergierende Rechtsprechung der unteren Gerichte festzustellen.
465
78 BGH v. 12.7.1990 – VII ZR 362/89, NJW-RR 1990, 1334. 79 BGH v. 10.10.1974 – VII ZR 231/73, NJW 1975, 40 = BGHZ 63, 98 ff. 80 BGH v. 14.12.1999 – X ZR 122/97, NJW 2000, 1188; LG Frankfurt/M. v. 19.9.1988 – 2/24 132/88, NJW-RR 1988, 1451; LG Hannover v. 9.3.1989 – 3 S 335/88, NJW-RR 1989, 633. 81 EuGH v. 12.3.2002 – Rs C 168/00, NJW 2002, 1255 = EuZW 2002, 339 mit Anmerkung. 82 Tonner/Lindner, Immaterieller Schaden und der EuGH, NJW 2002, 1475 ff. 83 OLG Düsseldorf v. 29.6.1989 – 18 U 72/89, NJW-RR 1989, 1078.
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Teil C
Incentive und Reisevertrag
466
Der Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit ist im Bereich der IncentiveReise idR ohne Belang, da die Teilnehmer eine solche Reise normalerweise außerhalb ihres normalen Urlaubs antreten (zB belohnte Mitarbeiter eines Unternehmens) oder in Bezug auf ihre Arbeitszeitplanung unabhängig sind (zB Geschäftspartner eines Unternehmens). Zudem verschwimmen bei der modernen Incentive-Reise die Übergänge zwischen Urlaubs- oder Erlebnisreisen und Fortbildungs- bzw. Bildungsreisen immer mehr.
467
Das infotainment (Symbiose der englischen Wörter information und entertainment/Unterhaltung) und der von der Eventagentur Vok Dams entwickelte Begriff „infomotion“, also die Verquickung von Weiterbildung und klassischer Incentive-Reise, rückt immer mehr in den Vordergrund.84
468
Der vertragliche Schadensersatzanspruch gegen den Veranstalter ist in § 651 f Abs. 1 und 2 BGB geregelt, während sich der Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung in § 823 BGB findet. Der Kunde kann sich unter den dort genannten Voraussetzungen also auf zwei parallele Anspruchsgrundlagen berufen.
469
Vertraglichen Schadensersatz nach § 651 f Abs. 1 BGB kann der Kunde nur vom Veranstalter verlangen, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
470
Der Veranstalter hat einen Reisemangel zu vertreten, wenn er oder seine Gehilfen zur Erfüllung des Reisevertrags vorsätzlich oder fahrlässig die Sorgfaltspflicht zur gewissenhaften Organisation, Vorbereitung und Durchführung der Reise verletzen.
471
Im Rahmen der Organisation haben die Gerichte ein Verschulden angenommen bei: – Überbuchung85 und – mangelnder Verkehrssicherungspflicht, beispielsweise in Bezug auf den Zustand von Beförderungsmitteln oder Unterbringung.86
472
Hinsichtlich der Reisevorbereitung ist ein Verschulden bejaht worden bei: – täuschenden Prospektangaben,87 – unterlassenen Hinweisen auf notwendige Impfzeugnisse oder geänderte Abflugszeiten,88 – fehlender Information über vorhersehbare Streiks im Zielgebiet89 oder über einen Hurrikan.90
84 Siehe zur steuerechtlichen Behandlung von Tagungsreisen Rz. 1206 ff. 85 OLG Düsseldorf v. 10.7.1986 – 18 U 59/86, NJW-RR 1986, 1175. 86 Ausführlich Führich, Die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters, DB 1990, 1501 ff. 87 LG Stuttgart MDR 1978, 1022. 88 LG Kleve v. 18.6.1997 – 4 S 91/97, NJW-RR 1998, 563. 89 LG Frankfurt/M. v. 14.4.1980 – 2/24 S 258/79, NJW 1980, 1696. 90 LG Frankfurt/M. v. 29.10.1990 – 2/24 S 58/90, NJW-RR 1991, 313.
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VII. Rechtsfragen nach Reiseantritt
Teil C
Bei der Reisedurchführung liegt ein Verschulden des Veranstalters vor bei: – Fehlleitung des Gepäcks, unabhängig davon, wer konkret verantwortlich ist, – Hotelstreik bzw. Streik der Charterfluggesellschaft,91 – nicht jedoch bei Hoteldiebstahl, da Diebstähle nur bei Gelegenheit und nicht in Erfüllung des Reisevertrags erfolgen,92 – auch nicht bei Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos, zB Affenbiss auf Hotelgelände in Kenia,93 Fischvergiftung bei allgemein üblicher Zubereitung.94
473
Eine enorme Praxisbedeutung hat die Umkehr der Beweislast hinsichtlich des Verschuldens. Hat nämlich der Kunde den Reisemangel nachgewiesen, wird unterstellt, dass ein Verschulden des Veranstalters bzw. einer seiner Hilfspersonen (zB Hotelier, Fluggesellschaft) vorliegt. Dem Veranstalter obliegt damit die Beweislast für sein Nichtverschulden.
474
Beispiel Ein Reiseveranstalter haftet wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht für den tödlichen Unfall eines Kindes an einer unzureichend gesicherten Wasserrutsche. Im entschiedenen Fall starb ein Junge, der mit seinem Arm bis zur Schulter in ein Absaugrohr gesaugt wurde, welches zum Transport des Wassers aus dem Becken auf die Höhe des Rutschenbeginns diente. Ursache für den tragischen Unfall war das Fehlen einer Gitterabdeckung über dem Absaugrohr. Die Nichterwähnung der Wasserrutsche im Reisekatalog und im Begrüßungsgespräch ändert an der Haftung des Reiseveranstalters nach Ansicht des OLG Köln nichts, da die Rutsche aus Sicht des Reisenden einen Teil des Leistungsangebots darstellte.95 Der Reiseveranstalter wurde zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 20 000 Euro verurteilt. Vor dem OLG Düsseldorf wurde ein Düsseldorfer Reiseveranstalter vom Vorwurf der Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht frei gesprochen und die Schadenersatz- und Schmerzensgeldklage abgewiesen.96 Ein Schüler war im Juli 2000 während des Urlaubs auf einem Schiff auf Bali ums Leben gekommen. Verantwortlich für den Tod des Jungen war ein unter Strom stehendes Abspannseil des Mastes. Die Eltern hatten daraufhin Klage gegen den Reiseveranstalter eingereicht und rund 290 000 Euro gefordert. Das OLG wies die Ansprüche der Eltern zurück und bestätigte damit ein früheres Urteil des Düsseldorfer Landgerichts. Nach Meinung der Richter ist für die Frage der Haftung nicht entscheidend, in welchem Zustand das Schiff während der Urlaubsreise der Familie war. Entscheidend sei vielmehr, ob der Reiseveranstalter seinen Pflichten nachgekommen sei und das Schiff regelmäßig kontrolliert habe. Dies sei der Fall gewesen. Bei den Kontrollen seien den Mitarbeitern des Reiseveranstalters keine Mängel aufgefallen, zudem habe die Reederei auch ein Sicherheitszertifikat vorgelegt. Das Reiseunternehmen könne damit für den Tod des Jungen nicht haftbar gemacht werden. Eine Revision gegen die Entscheidung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen der fehlenden „grundsätzlichen Bedeutung“ des Falles nicht zugelassen. Die Eltern haben damit nur noch die Möglichkeit, Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) einzulegen.
91 92 93 94 95 96
LG Frankfurt/M. 12.1.1987 – 2/24 S 173/85, NJW-RR 1987, 823. BGH v. 7.5.1965 – I b ZR 108/63, NJW 1965, 1709. AG München v. 8.12.1995 – 111 C 24235/95, NJW-RR 1996, 1399. LG Frankfurt/M. v. 15.4.1996 – 2/24 S 496/94, NJW-RR 1997, 244. OLG Köln v. 12.9.2005 – 16 U 25/05, NJW 2006, 3312. OLG Düsseldorf v. 8.11.2007 – 12 U 222/06, NJOZ 2008, 606.
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Teil C
Incentive und Reisevertrag
475
Der Veranstalter hat alle nachgewiesenen und ursächlichen Folge- und Begleitschäden des Reisemangels zu ersetzen. Dazu gehören Vermögensschäden (zB Rechnungen von Ärzten, Rezepten, Anwälten), Sachschäden (zB Gepäck, Kleidung) und Folgekosten, die im Zusammenhang mit dem Reisemangel entstanden sind (zB Fahrtkosten, Telefon, Übernachtungskosten). Soweit den Kunden ein Mitverschulden an der Schadensentstehung trifft, werden die geltend gemachten Entschädigungsbeträge prozentual entsprechend gekürzt (§ 254 BGB).97
476
Während die Geldansprüche des Kunden aus Selbstabhilfe, Kündigung und Reisepreisminderung nicht in der Höhe beschränkt werden können, räumt § 651h Abs. 1 BGB dem Veranstalter das Recht ein, die Schadensersatzhaftung aus § 651 f BGB durch Vereinbarung, also auch in seinen AGB, auf den dreifachen Reisepreis zu beschränken.98 Nach Ansicht des BGH99 gilt diese Haftungsbegrenzung nur für vertragliche Schadensersatzansprüche des Kunden aus § 651 f BGB. Ansprüche direkt gegen den Veranstalter aus § 823 BGB (deliktische Ansprüche) könne der Kunde in unbegrenzter Höhe geltend machen. AGBKlauseln, die diese Haftung des Veranstalters gleichwohl beschränken und nicht klar zwischen vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen trennen, sollen unwirksam sein. Ohne eine wirksame Einbeziehung der AGB gilt die normale, unbeschränkte vertragliche Schadensersatzhaftung. Wenn der Veranstalter oder seine Mitarbeiter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben, verbleibt es bei der unbeschränkten Haftung, § 651h Abs. 1 Nr. 1 BGB. Alternativ zu § 651h Abs. 1 Nr. 1 BGB gilt die Haftungsbegrenzung auf den dreifachen Reisepreis auch dann, wenn ausschließlich einem Leistungsträger ein Verschulden (also auch Vorsatz) vorzuwerfen ist, nicht aber dem Veranstalter, § 651h Abs. 1 Nr. 2 BGB. Weitere Einschränkungen zum Nachteil des Kunden sind wegen des Mindeststandards in § 651h Abs. 1 BGB unwirksam.
477
Überbucht der Veranstalter, übersieht er wichtige Informationen, versendet er wichtige Unterlagen nicht oder muss der Veranstalter Reisemängel am Urlaubsort kennen (zB Sicherheitsmängel der Hotelanlage), liegt immer Fahrlässigkeit vor, so dass eine Haftungsbegrenzung nicht eingreift.100 Höhere Ersatzforderungen kann der Kunde dann zwar gegen das Hotel oder den Beförderer selbst geltend machen, doch können gerade im Falle eines Auslandsaufenthaltes erhebliche Rechtsdurchsetzungsprobleme auftauchen.
478
Nach § 651h Abs. 2 BGB kann sich ein Veranstalter gegenüber dem Kunden auch auf gesetzliche Haftungsvoraussetzungen und -beschränkungen berufen, die vom Leistungsträger ihm gegenüber geltend gemacht werden können. Dadurch soll bewirkt werden, dass der Veranstalter gegenüber seinem Kunden bei Schadensersatz nicht schärfer haftet als ein an sich allein verantwortlicher Leistungsträger. Der Veranstalter soll also an den Kunden nur soviel zahlen müssen, wie er im Rückgriff gesetzlich zwingend von seinen Leistungsträgern 97 98 99 100
150
Siehe zum Mitverschulden auch Rz. 792 f. BGHZ 100, 157 (184). BGH v. 12.3.1987 – VII ZR 37/86, NJW 1987, 1931. Siehe zur Haftungsbegrenzung auch Rz. 794 ff.
VII. Rechtsfragen nach Reiseantritt
Teil C
einfordern kann. Solche gesetzlichen Haftungsbegrenzungen sind in inländischen und ausländischen Gesetzen101 zu finden wie beispielsweise in – der Eisenbahnverkehrsordnung (EVO) für den nationalen Leistungsträger Bahn, – dem Übereinkommen für den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF/ CIV), – dem Luftverkehrsgesetz (§§ 44 ff. LuftVG) und dem Montrealer Abkommen für die nationale bzw. internationale Luftbeförderung durch den Leistungsträger Fluggesellschaft und – der Anlage zu § 664 HGB (2. SeeRÄndG) und in § 4a Binnenschifffahrtsgesetz für See- bzw. Binnenschifffahrtsreisen für den Leistungsträger Reederei. Soweit diese nicht abänderbaren Rechtsvorschriften für Leistungsträger gelten, sind diese Gesetze mit ihren Haftungsregelungen auch für den Reiseveranstalter bindend.102 Mit anderen Worten heißt dies, dass bei Personen- und Sachschäden des Kunden primär diese Spezialgesetze Vorrang haben. Nur soweit Lücken bestehen, greifen die §§ 651a ff. BGB ein.
479
Beispiel Ein Reiseveranstalter einer Incentive-Kreuzfahrt kann sich bei einem Personenschaden durch einen Reisemangel nicht auf seine Haftungsbegrenzung des dreifachen Reisepreises berufen, sondern muss im Rahmen der Haftungsbeschränkung des Art. 5 Anl. zu § 664 HGB bei Tod oder Körperverletzung bis zu einem Betrag von 163 000 Euro entschädigen. Soviel kann der Veranstalter im Rückgriff auf die verantwortliche Reederei erhalten.
6. Ausschlussfrist/Verjährung, § 651g BGB Grundsätzlich hat der Kunde die Pflicht, Reisemängel während der Reise anzuzeigen, um es dem Veranstalter zu ermöglichen, berechtigte Mängel abzustellen oder zu minimieren. Andererseits trifft den Veranstalter eine reisevertragliche Nebenpflicht zur gemeinsamen Beweissicherung angezeigter Mängel durch ein Mängelprotokoll.103 Nicht während der Reise angezeigte Mängel haben also keine Rechtsfolgen nach der Reise und können von vornherein ohne Sachprüfung abgelehnt werden.
480
Sämtliche Ansprüche gegen den Veranstalter muss der Kunde nochmals innerhalb eines Monats nach dem vertraglich festgelegten Reiseende anmelden, sonst verliert er seine Ansprüche (§ 651g Abs. 1 BGB). Nach herrschender Meinung gilt dies nicht für deliktische Ansprüche.104 Für derartige Ansprüche verbleibt es bei der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB. Allerdings kann der
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101 102 103 104
Nicht in AGB zwischen Veranstalter und Vertragsunternehmen. Vgl. §§ 48, 49 LuftVG; Art. 23, 24, 25 WA; Art. 11 Anl. zu § 664 HGB. Führich, Reiserecht, Rz. 265d. BGH v. 25.2.1988 – VII ZR 348/86, NJW 1988, 1380; OLG Köln v. 26.9.1990 – 16 U 6/90, NJW-RR 1992, 1185; OLG Düsseldorf, VersR 1992, 892; Palandt/Sprau, § 651g BGB Rz. 1; Führich, Reiserecht, Rz. 360.
151
Teil C
Incentive und Reisevertrag
Veranstalter über seine AGB alle Ansprüche aus der Reise, also auch die deliktischen, der Anmeldefrist des § 651g Abs. 1 BGB unterwerfen.105 482
Die Erklärung des Kunden muss die Bezeichnung bestimmter Mängel enthalten, eine konkrete Bezifferung der Ansprüche ist nicht erforderlich. Allerdings reicht die bloße Ankündigung der Mängelbezeichnung nicht.106 Die auf die Geltendmachung von Ansprüchen schließen lassende Übersendung einer Mängelliste reicht idR. aus.107
483
Diese zusätzliche Erklärung gegenüber dem Veranstalter oder dem buchenden Reisebüro108 kann auch mündlich (telefonisch) abgegeben werden, sollte aber aus Beweisgründen schriftlich (Einschreiben mit Rückschein) erfolgen. Das Anspruchsschreiben sollte enthalten: – Reisedaten, – Anspruchsteller, – Teilnehmer, – konkrete Aufstellung der Beanstandungen, – Geltendmachung der einzelnen Ansprüche, wobei eine Bezifferung nicht erforderlich ist, – Fotos, – Mängelprotokoll, – Bestätigungen und – sonstige Beweismittel.
484
Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Kunde ausnahmsweise bereits während der Reise „eindeutig und vorbehaltlos“ ankündigen, er werde nach der Reise wegen bestimmter Mängel Ansprüche einklagen.109 Dann muss er diese Ansprüche nicht nochmals nach Reiseende anmelden. Die Verjährung beginnt dann nicht schon mit dem Reiseende, sondern erst mit der Zurückweisung der behaupteten Ansprüche durch den Veranstalter.
485
Statt eines Anspruchsschreibens kann der Kunde auch eine Klage oder einen Mahnbescheid gegen den Veranstalter wählen. Allerdings muss die Klageschrift bzw. der Mahnbescheid vor Ablauf eines Monats nach Reiseende dem Veranstalter förmlich über das Gericht zugestellt werden. Dabei ist der Zugang beim Veranstalter maßgebend.110
486
Nach Ablauf der Monatsfrist kann der Kunde Ansprüche nur geltend machen, wenn er ohne Verschulden die Frist versäumt hat (zB Krankheit, Büroversehen des Rechtsanwalts). Dazu ein 105 Führich, Reiserecht, Rz. 360. 106 LG Frankfurt/M. v. 26.6.1997 – 2/24 S 264/96, NJW-RR 1998, 563 mit Anmerkung. 107 LG Frankfurt/M. v. 10.2.1992 – 2/24 S 268/91, NJW-RR 1992, 504; LG Düsseldorf, VuR 1991, 287. 108 BGH v. 22.10.1987 – VII ZR 5/87, NJW 1988, 488. 109 BGH v. 22.10.1987 – VII ZR 5/87, NJW 1988, 488. 110 AG Düsseldorf v. 18.4.1985 – 47 C 67/85, NJW 1986, 593.
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VIII. Vertragstypen im Reisesektor
Teil C
Beispiel Vertraglich festgelegtes Reiseende einer Incentive-Reise war der 17.8. Die Anmeldefrist endet am 17.9. um 24.00 Uhr, es sei denn, dieser Tag liegt an einem Wochenende oder fällt auf einen Feiertag. Dann endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags (§ 193 BGB).
Lehnt der Veranstalter die Ansprüche ganz oder teilweise ab, so muss der Kunde binnen zwei Jahren Klage erheben, wenn er seine behaupteten Rechte nicht verlieren will, § 651g Abs. 2 BGB. Beginn der Verjährungsfrist ist – wie bei der Anmeldefrist – der Tag der planmäßigen Vertragsbeendigung. Auch für den Veranstalter ist diese neue Verjährungsregelung akzeptabel, da er durch § 651g Abs. 1 BGB hinreichend vor unerwarteten nachträglichen Mängelansprüchen geschützt wird. Allerdings kann der Reiseveranstalter die Verjährungsfrist durch AGB bis auf ein Jahr verkürzen, § 651m Satz 2 BGB. In diese Frist wird die Zeitspanne von der Anmeldung der Ansprüche beim Veranstalter bis zu deren schriftlicher Zurückweisung durch ihn nicht eingerechnet, § 651g Abs. 2 BGB iVm. § 203 BGB. Auch zu diesem Bereich ein
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Beispiel Der Kunde macht fristgerecht am 10.9. seine Ansprüche geltend wegen einer IncentiveReise, die planmäßig am 30.8. endete. Der Reiseveranstalter teilt mit, dass er bereit ist, den den Ansprüchen zugrunde liegenden Sachverhalt aufzuklären, wenn der Reisende diesen im Detail schildert und belegt. Die Ansprüche des Kunden verjähren nicht, da bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Veranstalter die Ansprüche schriftlich zurückweist, der Ablauf der Verjährung gehemmt wird. Die zweijährige Verjährungsfrist läuft also während dieser Zeit nicht. Ab der Zurückweisung läuft sie weiter. Damit ist ausgeschlossen, dass Veranstalter durch verzögerte Reklamationsbearbeitung eine Verjährung herbeiführen können.
VIII. Vertragstypen im Reisesektor Nachfolgend sollen die wichtigsten Vertragstypen im Reisesektor in kurzer Form dargestellt werden.
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1. Der Reisevermittlungsvertrag Ein Reisevermittlungsvertrag ist im Incentive-Bereich ein Vertrag zwischen einem Kunden und einem Reisevermittler – idR einer Incentive-Agentur –, der auf die Vermittlung eines Reisevertrages gerichtet ist. Die Eventagentur hat als typischer Reisevermittler auf der einen Seite Rechtsbeziehungen zum Veranstalter, auf der anderen Seite aber auch Vertragsbeziehungen zum Kunden, schuldet aber deshalb nicht die Durchführung der Reise.111 Wenn der Reisevermittler aber gegenüber dem Kunden wie ein Reiseveranstalter auftritt, kommt nach allgemeinen Auslegungsregeln wegen des Schutzes des Erklärungsempfängers ein Reisevertrag mit dem Reisevermittler zustande. 111 BGH v. 19.11.1981 – VII ZR 238/80, NJW 1982, 377 = BGHZ 82, 219.
153
489
Teil C
Incentive und Reisevertrag
490
Soweit diese Vermittler eigene Kataloge und Verzeichnisse herausgeben, müssen die Angaben stimmen und vollständig sein. §§ 651a ff. BGB sind nicht anwendbar. Der Reisevermittler haftet nach überwiegender Ansicht aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit werkvertraglichem Charakter (§§ 675, 631 ff. BGB) dem Kunden nur für seine eigene Tätigkeit. Folge davon ist, dass er für unrichtige Informationen oder Fehler bei der Beratung einstehen muss.
491
Die Rechtsprechung nimmt in folgenden Fällen Sorgfaltspflichtverstöße bei der Vermittlung von Reisen an: – Fehlerhafte Auskünfte über Passvorschriften, – Buchungsfehler, – Aufklärung über die Notwendigkeit einer Reise-Rücktrittskosten-Versicherung, – Fehler bei der Preisberechnung, – fehlerhafte Weiterleitung von Daten des Kunden, – Nichtweiterleitung von Sonderwünschen, – unzutreffende Zusicherungen, die nicht vom Veranstalter gedeckt sind und Regressansprüche desselben begründen können. Kunden, die weitergehende Ansprüche geltend machen wollen, wie zum Beispiel Mängel an der Ausstattung des Hotels oder der Ferienwohnung, müssen sich in der Regel an den Reiseveranstalter halten.
2. Beförderungsverträge 492
Beförderungsverträge sind nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland Werkverträge iS der §§ 631 ff. BGB. Nach der Art der Beförderungsmittel unterscheidet man Bus-, Eisenbahn-, Luft-, und Schiffsbeförderung. Der Beförderungsunternehmer schuldet hier die erfolgreiche Beförderung zum jeweiligen Zielort entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen. Wird der vereinbarte Zielort nicht erreicht, so ist nach den Grundsätzen des Werkvertragsrechtes keine oder allenfalls eine anteilige Vergütung zu entrichten.
493
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass in einer Reihe von besonderen Bestimmungen Abweichungen vorgesehen sind. Ferner ist zu bemerken, dass grundsätzlich alle Beförderungsverträge nach unserem Recht den §§ 631 ff. BGB unterliegen. Für jede Beförderungsart gelten jedoch spezialgesetzliche Bestimmungen, die das Werkvertragsrecht ganz oder teilweise verdrängen. Hier sind insbesondere das Luftverkehrsgesetz und das Montrealer Abkommen für die Luftbeförderung sowie die Eisenbahnverkehrsordnung für die Zugbeförderung zu nennen.
494
Im Falle von Beförderungsmängeln stehen dem Beförderten die Gewährleistungsansprüche der §§ 634 ff. BGB zu. Grundsätzlich kann der Beförderte danach: – Nacherfüllung verlangen (§ 634 Nr. 1 iVm. § 635 BGB), – zur Selbstvornahme greifen (§ 634 Nr. 2 iVm. § 637 BGB), 154
VIII. Vertragstypen im Reisesektor
Teil C
– den Fahrpreis mindern oder vom Vertrag zurück treten (§ 634 Nr. 3 iVm. §§ 636, 638 BGB) sowie – bei Verschulden Schadensersatz verlangen (§§ 634 Nr. 4 iVm. § 636, 280, 281, 283 und 311a BGB), oder Aufwendungsersatz (§ 634 Nr. 4 iVm. § 284 BGB). Ein Mangel kann zB angenommen werden, wenn der Bus, das Bahnabteil, das Flugzeug oder auch die Schiffskabine nicht gereinigt sind. Mangelhaft ist regelmäßig auch eine Beförderung, wenn die Prospektangaben oder auch besondere Abreden (zB Vier-Sterne-Nichtraucher-Bus oder auch Schlafsitze) nicht eingehalten werden. In derartigen Fällen sind regelmäßig Abzüge vom Beförderungspreis möglich. Handelt es sich um einen erheblichen Mangel (zB fehlende Schlafsitze bei einer Über-Nacht-Beförderung entgegen Zusage), so kommt auch eine Rückgängigmachung des Vertrages, regelmäßig freilich erst nach der Mängelanzeige, angemessener Abhilfefrist und Nichtabhilfe durch den Beförderungsunternehmer, in Betracht.
495
Im Regelfall wird es bei Beförderungsmängeln damit sein Bewenden haben, dass der Kunde den Unterschiedswert der gebotenen Leistung im Vergleich zur versprochenen Leistung verlangen kann. Schwerwiegender sind jedoch die Fälle, in denen es infolge defekter Einrichtungen oder eines Fehlverhaltens des Bedienungspersonals (zB Busfahrer) zu Schäden an Gesundheit oder Eigentum des Beförderten kommt.
496
Liegen Verletzungen vor, so stehen dem Beförderten Schadensersatzansprüche zu. Zu beachten ist hier jedoch auch wieder, dass speziell im Bereich der Bahn-, Luftund Schiffsbeförderung hinsichtlich der Haftung besondere Grundsätze greifen.
497
Die Höhe der Schadensersatzforderung bemisst sich nach den in den §§ 249 ff. BGB enthaltenen Grundsätzen, insbesondere aus einem Vergleich der Vermögenslage des Geschädigten vor und nach dem schädigenden Ereignis. Weitere Ansprüche im Fall der Körper- und Eigentumsverletzung können auf die §§ 823 ff. BGB gestützt werden. Insbesondere kann der Geschädigte bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen auch ein angemessenes Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB erhalten. Ein Verschulden des Schädigers ist für den Schmerzensgeldanspruch nicht mehr erforderlich. Schließlich kommen auch Anspruchsgrundlagen aufgrund einer bestimmten Beförderungsart in Betracht, zB bei einer Schädigung anlässlich einer Busbeförderung nach dem StVG (§§ 7 ff.).
498
3. Chartervertrag Bei einem Chartervertrag handelt es sich um eine besondere Form eines Mietoder Werkvertrages, bei dem Schiffe oder Flugzeuge für eine oder mehrere Beförderungen zur Verfügung gestellt werden.
499
Ein zwischen einem Reiseveranstalter und einer Fluggesellschaft abgeschlossener Chartervertrag kann als Vertrag zugunsten Dritter für den Kunden einen Anspruch auf Beförderung gegen die Fluggesellschaft begründen, § 328 BGB.
500
155
Teil C
Incentive und Reisevertrag
In diesem Fall kann sich die Fluggesellschaft gegenüber dem Kunden nicht darauf berufen, dass der Reiseveranstalter den Preis für den Charterflug nicht bezahlt habe.112 Kannte eine Fluggesellschaft die mögliche Illiquidität eines Reiseveranstalters und befördert trotzdem Kunden an den Urlaubsort, ohne auf diesen Umstand hinzuweisen, so muss sie die Kunden auch zurückbefördern oder die Kosten für den Rücktransport übernehmen.113 501
Nachfrager und Vertragspartner bei Pauschal-Charterflügen sind gegenüber den Charterfluggesellschaften ausschließlich Reiseveranstalter, keine Privatkunden.
4. Hotelverträge 502
Der Hotelvertrag ist ein unterkunftsbezogener Vertrag mit einem Hotel- oder anderem Beherbergungsbetrieb. Es werden zwei Arten von Hotelverträgen unterschieden, der sog. Beherbergungsvertrag und der Hotelreservierungsvertrag. a) Beherbergungsvertrag
503
Ein Beherbergungsvertrag (oder auch Gastaufnahme- bzw. Hotelaufnahmevertrag) kommt zwischen Gastwirt (zB Hotelier) und Gast zustande. Vertragsinhalt ist die Aufnahme des Gastes durch Überlassung eines Zimmers zum Gebrauch, insbesondere zur Übernachtung, gegen Zahlung eines Entgelts. Vertragsobjekt ist nicht nur ein Hotelzimmer. Auch Zimmer in Pensionen, Gasthöfen und Motels, Ferienhäusern und -wohnungen sowie Apartments und Ski- und Wanderhütten können im Rahmen eines Beherbergungsvertrages zur Nutzung überlassen werden.
504
Der Beherbergungsvertrag ist nicht als eigener Vertragstyp im BGB geregelt und daher als gemischttypischer Vertrag zu klassifizieren. Allerdings finden sich in den §§ 701–704 BGB gesetzliche Bestimmungen zur Haftung des Gastwirtes und zum Pfandrecht an eingebrachten Sachen des Gastes. Als Hauptleistung des Beherbergungsvertrages wird vom Hotelier die Überlassung des Zimmers geschuldet, während der Gast zur Zahlung des Zimmerpreises verpflichtet ist. Insofern ist die entsprechende Anwendung des Mietvertragsrechts nach §§ 535 ff. BGB angebracht. Allerdings nicht der Kündigungsschutz für Mieträume, da diese nicht für Wohnraum gelten, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist, § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Daneben sind auch Rechtsgrundlagen anderer Rechtsverhältnisse wie Auftrag, Verwahrung, Dienst- und Werkvertrag etc. entsprechend anzuwenden.114
505
Eine zusätzlich vereinbarte Verpflegung (Frühstück, Halbpension, Vollpension) stellt regelmäßig nur eine Nebenleistung dar, so dass nicht von einer Gesamt112 BGH v. 17.1.1985 – VII ZR 63/84, NJW 1985, 1457. 113 LG Frankfurt/M. v. 21.4.1986 – 2/24 S 68/85, NJW-RR 1986, 852. 114 RGZ 169, 84 ff.; Seittler, S. 87.
156
Teil C
VIII. Vertragstypen im Reisesektor
heit von Reiseleistungen, die die Anwendung von Reisevertragsrecht auf den Beherbergungsvertrag rechtfertigen würde, gesprochen werden kann. Ausnahmsweise ist eine Anwendung des Reisevertragsrechts auf einen Beherbergungsvertrag mit Verpflegung möglich, wenn beide Leistungen in etwa gleichwertig sind und ein vorgefertigtes Leistungspaket bilden. Hier kann ein Vergleich der Einzelpreise für Übernachtung und Verpflegung Anhaltspunkt sein. Allerdings reicht es regelmäßig nicht aus, dass beide Leistungen getrennt gebucht und in Anspruch genommen werden können.115 Grundsätzlich kann der Beherbergungsvertrag nicht einseitig gelöst werden. Die meisten Verträge beinhalten allerdings Stornierungsregeln. Die Stornogebühr beziffert die vertraglich geschuldete Gegenleistung (Zimmerpreis) abzüglich der ersparten hoteleigenen Aufwendungen.116 Folgende ersparten Aufwendungen werden von der Rechtsprechung als angemessen erachtet: – Bei Übernachtung/Frühstück – Bei Übernachtung/Halbpension – Bei Übernachtung/Vollpension
pauschal 20 % pauschal 30 % pauschal 40 %.
Natürlich können die Einsparungen im Einzelfall höher oder niedriger liegen. Der Hotelier muss sich Vorteile anrechnen lassen, die er aus der anderweitigen Vermietung eines Zimmers erlangt.
u
Hotelreservierungsvertrag117
M 16
Hotelreservierungsvertrag zwischen Reiseunternehmen
Hotelier
PLZ/Ort
PLZ/Ort
Straße
Straße
Telefon/Telefax/Telex/E-Mail
Telefon/Telefax/Telex/E-Mail
Anreise am
um
Uhr
Abreise am
um
Uhr
115 Vgl. OLG München v. 25.10.1983 – 5 U 2270/83, NJW 1984, 132. 116 Wahl/Bruß, Vertragsmuster, S. 205. 117 In Anlehnung an das Vertragsmuster des Deutschen Reisebüro-Verbandes e.V. Bundesverband deutscher Reisebüros und Reiseveranstalter.
157
Teil C Zimmer:
Incentive und Reisevertrag
Anzahl Art Verpflegung zusätzliche Vereinbarung Preis (brutto/netto) je Tag/Person
Euro
Im Fall eines Optionsvertrages wird das Kontingent bis zum Uhr bereitgehalten. Mindestteilnehmerzahl (vgl. § 7 Abs. 3 AGB) Im Übrigen gelten die Geschäftsbedingungen auf der Rückseite dieses Formblattes. Reiseunternehmen
Hotelier
Unterschrift
Unterschrift
Datum, Ort
Datum, Ort
b) Hotelreservierungsvertrag 506
Beim Hotelreservierungsvertrag (M 16) bestellt ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter ein bestimmtes Zimmerkontingent im Voraus, um es später seinen Kunden zur Verfügung zu stellen. Der Hotelreservierungsvertrag ist im Normalfall als Vorvertrag zu klassifizieren, der zum späteren Abschluss einzelner Beherbergungsverträge verpflichtet.
507
Große Praxisrelevanz hat die Frage, wie sich ein Reiseveranstalter von seinen vertraglichen Verpflichtungen lösen kann, wenn er aufgrund schlechter Verkaufszahlen nicht in der Lage ist, das vorgesehene Bettenkontingent auszufüllen.
508
In diesen Fällen kommt ein Rücktritt vom Hotelreservierungsvertrag in Betracht. Hier werden drei Rechtsgrundlagen für den Rücktritt unterschieden: – ein ausdrücklich vereinbartes Rücktrittsrecht gemäß §§ 346 ff. BGB, – ein stillschweigend vereinbartes Rücktrittsrecht nach Auslegung, – ein Rücktrittsrecht kraft Handelsbrauch.
509
Im ersten Fall ist der Rücktritt aufgrund vertraglicher Vereinbarung unproblematisch. Nach Ansicht des BGH118wird im Rahmen eines Hotelreservierungsvertrages ein „seiner Natur nach innewohnendes“ Rücktrittsrecht anerkannt, „wenn die uneingeschränkte Bindung des Reisebüros an die einmal getroffene 118 BGH v. 24.11.1976 – VIII ZR 21/75, NJW 1977, 385 f., aA OLG Frankfurt v. 23.4.1986 – 17 U 155/84, NJW-RR 1986, 911 f.
158
IX. Reiseversicherungsrecht
Teil C
Vereinbarung es mit einem Risiko belasten würde, das ein billig und gerecht denkender Hotelier eine Bereitschaft hierzu auf Seiten des Vertragspartners nicht voraussetzen dürfte.“ Der BGH begründet seine Auffassung damit, dass die Beherbergungsunternehmen eher in der Lage seien, verfügbar gewordene Räume kurzfristig disponierenden Kunden zu überlassen. Im Gegensatz dazu müssten die Reisebüros häufig schon zu einem Zeitpunkt Zimmerreservierungen vornehmen, zu dem sich der Bedarf nicht annähernd ermitteln lässt. Eine Übernahme eines Teilrisikos durch die Beherbergungsbetriebe sei auch deswegen angemessen, weil die Hoteliers von der Tätigkeit der Reisebüros in Bezug auf ihre Kapazitätenauslastung stark profitierten. Hotelreservierungsverträge können auch dann kostenlos storniert werden, wenn zwar weder ein ausdrückliches noch ein stillschweigendes Rücktrittsrecht besteht, jedoch ein entsprechender Handelsbrauch im Hotelgewerbe festgestellt werden kann und die Vertragsparteien Kaufleute sind. Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt aus dem Jahre 1986119 existiert im Bundesgebiet ein Handelsbrauch, nach dem Reisebüros oder Reiseveranstalter verbindliche Zimmerreservierungen bis 21 Tage vor Ankunft ohne negative Konsequenzen stornieren dürfen. Abweichend von dieser Rechtsprechung nahm das OLG Koblenz in seiner Region eine kostenlose Stornierung bis 4 Wochen vor Ankunft an.120 Für den Raum Bayern wurde vom OLG München121 eine Geltung des vom OLG Frankfurt festgestellten Handelsbrauches aufgrund einer Untersuchung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern abgelehnt.
510
Wegen der unterschiedlichen Beurteilungen durch die Rechtsprechung empfiehlt es sich, als Reiseveranstalter oder Reisebüro bei Abschluss eines Hotelreservierungsvertrages klare Regelungen über ein kostenloses Stornierungsrecht zu treffen.
511
IX. Reiseversicherungsrecht In einem engen wirtschaftlichen, aber auch rechtlichen Zusammenhang mit Pauschal- und Individualreisen stehen Reiseversicherungen, welche das Risiko von Vermögensnachteilen des Reisekunden oder des Veranstalters ausgleichen wollen.
512
Besondere Bedeutung haben insoweit die – Reiserücktrittskostenversicherung (ABRV), – Reisegepäckversicherung (AVBR), – Reisehaftpflichtversicherung für Veranstalter.
513
Neben den jeweiligen Versicherungsbedingungen sind hierbei die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zu beachten. 119 OLG Frankfurt/M. v. 23.4.1986 – 17 U 155/84, NJW-RR 1986, 911 f. 120 OLG Koblenz v. 8.4.1988 – 10 U 1286/86. 121 OLG München v. 9.3.1990 – 8 U 4480/88, NJW-RR 1990, 698.
159
Teil C
Incentive und Reisevertrag
X. EU-Richtlinie über Pauschalreisen 514
Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat am 13.6.1990 eine Richtlinie über Pauschalreisen im Hinblick auf den EU-Binnenmarkt ab dem Jahr 1993 erlassen, da für Reiseveranstaltungen in den EU-Mitgliedstaaten ein sehr unterschiedliches Schutzniveau besteht. Ziel dieser Richtlinie122 ist es, durch eine Harmonisierung des Pauschalreiserechts in den Mitgliedstaaten vergleichbare Bedingungen für die Verbraucher herzustellen. Hierbei schafft die Richtlinie (RiL) lediglich Mindestregelungen, so dass die in den §§ 651a–m BGB enthaltenen strengeren Vorschriften aufrecht erhalten bleiben (Art. 8 RiL).
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Aufgabe der EU-Richtlinie über Pauschalreisen ist die Angleichung des Pauschalreiserechts in den Mitgliedsstaaten der EU und in den Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums, die sich verpflichtet haben, die EU-Richtlinie über Pauschalreisen auch in ihr nationales Recht umzusetzen. Hierbei regelt die EU-Richtlinie über Pauschalreisen insbesondere: – den Anwendungsbereich, – welche Informationen der Reiseveranstalter dem Kunden im Prospekt, vor Vertragsschluss, im Vertrag und vor Beginn der Reise (InfoVO) geben muss, – die Kriterien, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen nachträgliche Leistungs- und Preisänderungen möglich sind, – Mindeststandards für den Fall, dass die Reise ausfällt, Teilleistungen nicht erbracht werden oder einzelne Reiseteile mangelhaft sind, – eine effektive Sicherung des Insolvenzrisikos der Veranstalter.
XI. Insolvenzversicherung 516
Der Sommer 1993 war durch den Zusammenbruch mehrerer „Billigreiseanbieter“ gekennzeichnet. Tausende von Urlaubern, die bereits den Reisepreis im Voraus entrichtet hatten, saßen in Portugal, der Türkei, Florida und anderen Ländern fest. Ihre Hotelvoucher und Flugscheine wurden nicht mehr akzeptiert, da die Leistungsträger ihrerseits von den zusammengebrochenen Unternehmen nicht bezahlt worden waren. Die Bundesregierung musste die Rückbeförderung derjenigen Urlauber, die nicht genügend Geld dabei hatten, um einen Ersatzflug zu bezahlen, vorfinanzieren. Der finanzielle Schaden, den die Kunden der in Konkurs gefallenen Unternehmen erlitten haben, belief sich auf mehrere Millionen DM. Später wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den geschädigten Touristen Schadensersatz zu leisten, weil es mehrere Jahre versäumt wurde, die entsprechende EU-Pauschalreiserichtlinie in nationales Recht umzusetzen.
517
Mit dem neuen § 651k BGB wurde Art. 7 der EU-Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Die Umsetzung dieser Richtlinie erfolgte am 1.11.1994 durch: 122 RL 90/314/EWG in ABl. EG Nr. L 158 v. 23.6.1990, S. 59.
160
XI. Insolvenzversicherung
Teil C
– die Abänderung der §§ 651a ff. BGB, – den Erlass einer Verordnung über Informationspflichten (InfoVO) und – eine Änderung der Gewerbeordnung. Damit wird der Reiseveranstalter verpflichtet, im Fall einer Zahlungsunfähigkeit oder seiner Insolvenz die Erstattung der von dem Kunden gezahlten Beträge und dessen Rückreise durch eine Insolvenzsicherung sicherzustellen. Dafür gibt er an die Kunden einen Sicherungsschein aus, § 651k Abs. 4 BGB iVm. Anlage 1 zu § 9 InfoV. Sicherungsgeber für den Veranstalter kann entweder eine Versicherung oder ein Kreditinstitut mit einem Zahlungsversprechen sein. Die Touristik-Branche hat zur Umsetzung der EU-Novelle den „Deutschen Reisepreis-Sicherungsverein“ (DRS) gegründet. Hier werden die Risiken durch Bankbürgschaften im Rahmen der gesetzlichen Höchsthaftung (110 Millionen Euro) abgedeckt, so dass der DRS keine Rückversicherung benötigt.
518
Der Beitrag beträgt 0,25 % des Jahresumsatzes, mindestens jedoch 250 Euro.
519
Abb. 17: Muster eines Sicherungsscheins
Oftmals trennen sich die Sicherungsgeber von Veranstaltern, die, da sie kaum einen neuen Versicherer finden werden, automatisch zu potentiellen GraumarktKandidaten werden. Schätzungen der Insolvenzversicherer gehen von einem Anteil von 25 bis 30 % für den Insolvenzfall nicht versicherter Veranstalter aus. Die Fälschung oder Manipulation von Sicherungsscheinen ist wegen fehlender Vereinheitlichung der Form der Scheine unproblematisch. Verbraucherschützer fordern deshalb die Einrichtung eines „Feuerwehrfonds“ der Insolvenzversicherer, der bei Pleiten nicht versicherter Reiseunternehmen eingesetzt werden sollte. Beispiel In einem im Jahre 2002 entschiedenen Rechtsstreit buchte das klagende Unternehmen als Incentive 20 Busreisen zur Fußballweltmeisterschaft in Frankreich bei einem Reisever-
161
520
Teil C
Incentive und Reisevertrag
anstalter und zahlte den Reisepreis. Bestandteil der Reise war u.a. der Besuch des WMSpieles Deutschland – USA. Die Versicherung des Reiseveranstalters erteilte Sicherungsscheine. Der Reiseveranstalter war nicht in der Lage die WM-Tickets zu besorgen, sagte die Reise ab und ging anschließend in Insolvenz. Die Inanspruchnahme des Veranstalters durch das Unternehmen auf Rückzahlung des Reisepreises war erfolglos. Das Unternehmen nahm daraufhin den Versicherer aus den Sicherungsscheinen in Anspruch. Dieser verweigerte die Zahlung und behauptete die Reiseleistungen wären auch ohne die Insolvenz des Veranstalters ausgefallen. Das Unternehmen verklagte den Versicherer auf Erstattung des Reisepreises und hatte Erfolg. Das Gericht ging dabei davon aus, dass die Versicherung mit Erteilung der Sicherungsscheine für das abgedeckte Risiko haftet, ohne dass es darauf ankommt, wie das zwischen dem Reiseveranstalter und der Versicherung bestehende Rechtsverhältnis im Einzelnen ausgestaltet ist. Da das Gericht der Auffassung war, dass auch auf sog. Incentive-Reisen das Pauschalreiserecht Anwendung findet, wurde der Versicherer zur Zahlung verurteilt.123
521
Für Verstöße gegen die Absicherung von Kundengeldern sind die Gewerbeämter zuständig.
522
Durch § 651kAbs. 6 BGB werden verschiedene Reiseveranstalter von der Verpflichtung einer Absicherung des Insolvenzrisikos befreit: Ausgenommen ist der „Gelegenheitsveranstalter“, also derjenige, der nur gelegentlich und außerhalb seiner gewerblichen Tätigkeiten Reisen veranstaltet, beispielsweise der Lehrer, der eine Klassenfahrt durchführt, der Pfarrer, der mit seiner Gemeinde eine Jugendfreizeit durchführt usw. (§ 651k Abs. 6 Nr. 1 BGB). Obwohl diese Gruppe anderen Vorschriften des Reisevertragsrechts unterliegt, würde es einen unverhältnismäßig großen Aufwand darstellen, wenn für einen nur gelegentlichen Reiseveranstalter eine Insolvenzschutzversicherung abgeschlossen oder eine Bankbürgschaft beschafft werden müsste.
523
Aber auch ein nicht gewerblicher Reiseveranstalter (zB Sportverein, Kirche, Volkshochschule, usw.), der nach einem im Voraus festgelegten Programm mehr als zwei Reisen im Jahr durchführt, unterliegt der Verpflichtung zur Insolvenzsicherung.
524
§ 651k Abs. 6 Nr. 2 BGB sieht für Reisen, die auch von gewerblichen Reiseveranstaltern durchgeführt werden, die jedoch nicht länger als 24 Stunden dauern, keine Übernachtung einschließen und nicht mehr als 75 Euro kosten, eine Befreiung von der Insolvenzsicherung vor, weil die Sicherheit solcher Tagesreisen einen unverhältnismäßig großen Aufwand bedeuten würde. Checkliste: Incentives fi Bei mehr als zwei Incentive-Reisen im Jahr gilt man nicht mehr als Gelegenheitsveranstalter und ist zum Abschluss einer Insolvenzversicherung verpflichtet. fi Auch für Incentive-Reisen gelten die strengen Vorschriften des Pauschalreiserechts der §§ 651a ff. BGB. 123 BGH v. 16.4.2002 – X ZR 17/01, MDR 2002, 1109 = NJW 2002, 2238 ff.
162
XI. Insolvenzversicherung
Teil C
fi Belehren Sie auch bei Incentive-Reisen darüber, dass der Abschluss einer Reiserücktritt- und einer Auslandskrankenversicherung sinnvoll ist. fi Die Projektleiter vor Ort sollten in Hinsicht auf die Art der Reise hinreichend qualifiziert und zuverlässig sein. fi Achten Sie bei der Erstellung von Incentive-Programmen darauf, dass alle aufgeführten Leistungen gemäß Beschreibung zu realisieren sind und heben Sie hervor, wenn Reisebestandteile nur temporär, alternativ oder optional zur Verfügung stehen. fi Bei gefahrgeneigten Incentive-Angeboten wie Kartfahren, River-Rafting, Canyoning, Rodeln, Paragliding, Bungee-Springen, etc. unbedingt ein schriftliches Dokument unterschreiben lassen, welches später beweist, dass der Teilnehmer das spezielle Angebot auf eigene Gefahr wahrnimmt und über die jeweiligen typischen Risiken vom Veranstalter oder seinen Mitarbeitern belehrt wurde.
163
Teil D Der kaufmännische Veranstalter Beispiel Die Eventagentur von I. Wendt entwickelt sich gut. Daher überlegt er, ob er sich ins Handelsregister eintragen lassen muss. Ein Bekannter hat ihm erzählt, dass er sich – für den Fall, dass keine Eintragungspflicht besteht – freiwillig ins Handelsregister eintragen lassen kann. I. Wendt fragt sich, welche Vor- und Nachteile, Rechte und Pflichten mit einer Eintragung verbunden sind.
I. Einführung 525
Dieses Kapitel richtet sich an den kaufmännischen Veranstalter bzw. die kaufmännische Eventagentur. Mit der Eintragung ins Handelsregister oder dem kaufmännischen Auftreten im Rechtsverkehr gelten diverse handelsrechtliche Sondervorschriften, aus denen der Kaufmann Rechte und Pflichten ableiten kann.
526
Das Handelsrecht ist das Sonderprivatrecht für Kaufleute.1 Wichtigste gesetzliche Grundlage des Handelsrechts ist das Handelsgesetzbuch. Es ist neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch anzuwenden und trifft Sonderregelungen für bestimmte Rechtsverhältnisse. Das Handelsrecht ist grundsätzlich dem Privatrecht zuzuordnen, das HGB enthält darüber hinaus aber auch öffentlich-rechtliche Vorschriften (zB über die Buchführungspflicht von Kaufleuten, §§ 238– 263 HGB).
527
Das HGB ist in fünf Bücher aufgeteilt und behandelt: – Handelsstand (§§ 1–104 HGB), – Handelsgesellschaften (§§ 105–236 HGB), – Handelsbücher (§§ 238–342a HGB), – Handelsgeschäfte (§§ 343–475h HGB), – Seehandel (§§ 476–905 HGB).
528
Anwendbar ist das HGB grundsätzlich schon dann, wenn einer der Vertragspartner Kaufmann im Sinne der Vorschriften des HGB ist. In der Praxis bedeutet dies, dass zunächst geprüft werden muss, ob einer der Vertragspartner Kaufmann iS des HGB ist, um dann in einem zweiten Schritt festzustellen, ob das HGB für den vorliegenden Fall spezielle Regelungen trifft. In den §§ 765, 766 BGB regelt das Gesetz die Bürgschaft. Gemäß § 765 BGB verpflichtet sich der Bürge durch einen Bürgschaftsvertrag gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Dritten einzuste1 Schmidt, Handelsrecht, § 1 I 1.
164
Teil D
I. Einführung
hen. Da man sich als Bürge einen solchen Schritt gut überlegen sollte, schreibt der Gesetzgeber in § 766 BGB vor, dass für die Gültigkeit der Bürgschaftserklärung die Schriftform erforderlich ist. Nach § 350 HGB findet auf eine Bürgschaft, sofern die Bürgschaft auf der Seite des Bürgen ein Handelsgeschäft ist, die Formvorschrift des § 766 BGB keine Anwendung. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass man sich als Kaufmann der Tragweite solcher Schritte bewusst ist und verzichtet daher zugunsten der Vereinfachung des Geschäftslebens auf die Schriftform der Bürgschaftserklärung und lässt insoweit eine mündliche Absprache genügen. Anhand dieses Beispieles wird deutlich, dass das Handelsgesetzbuch der Leichtigkeit des Handelsverkehrs dient. Bestimmte Geschäfte können schneller bzw. ohne die Beachtung besonderer Schutzvorschriften abge-schlossen werden. Bei derartigen Geschäften sind daher stets beide Gesetzbücher zu Rate zu ziehen, wobei das BGB immer dann gilt, wenn im HGB keine spezielle Regelung getroffen wird. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass es für bestimmte Handelsgeschäfte ausreicht, dass einer der Geschäftspartner Kaufmann iS des HGB ist, teilweise aber auch Voraussetzung ist, dass beide Partner Kaufleute sind.
529
In der folgenden Übersicht sollen wichtige Besonderheiten des HGB im Vergleich zum BGB exemplarisch dargestellt werden.
530
Abb. 18: Wesentliche Unterschiede zwischen BGB und HGB HGB Bürgschaft
BGB
für Kaufleute formlos (§ 350 HGB) nur schriftlich gültig (§ 766 BGB)
Schweigen auf bei laufender GeschäftsverbinVertragsangebot dung als Zustimmung zu werten (§ 362 HGB)
Schweigen stellt keine Willenserklärung dar, daher als Ablehnung (§§ 147 f. BGB) zu werten
Schweigen auf Bestätigungsschreiben
wird dadurch verbindlich (Handelsbrauch)
ändert nichts an der ursprünglichen Vereinbarung (keine Regelung)
Gesetzlicher Zinssatz
5 % bei beiderseitigen Handelsgeschäften (§ 352 HGB)
4 % (§ 246 BGB)
Verzugszinsen
8 % über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB sind bei beiderseitigen Handelsgeschäften zu zahlen (§ 288 Abs. 2 BGB)
5 % über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB erst fällig, wenn Verzug eingetreten ist (§ 288 Abs. 1 BGB)
Erbringung von Leistungen
sind nur zur gewöhnlichen Geschäftszeit möglich (§ 358 HGB)
keine zeitliche Begrenzung (keine Angaben hierzu im BGB)
Kauf (Gewährleistung)
Rügeobliegenheit des Kaufmanns Gewährleistungsansprüche verjähren nach 2 Jahren (§ 438 Abs. 1 (§ 377 HGB) Nr. 3 BGB) Genehmigungsfiktion (§ 377 Abs. 2 HGB)
Durch das Gesetz des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz 165
531
Teil D
Der kaufmännische Veranstalter
– HRefG) wurden zum 1.7.1998 grundlegende Änderungen im HGB und anderen Gesetzen vorgenommen. Das neue HGB hat nicht mehr den typischen Händler des vorigen Jahrhunderts, sondern jeden heute Gewerbetreibenden im Auge. Hauptziel der Novelle war es, den Unternehmen größeren Handlungsspielraum zu geben und mit dem neuen Kaufmannsbegriff auch Dienstleistungsbetriebe zu erfassen, an die bei Kodifizierung des alten Handelsrechts noch niemand gedacht hatte. 532
Zentrale Neuregelungen sind: 1. Die Unterscheidung zwischen Muss- und Sollkaufmann ist weggefallen. Die alte Regelung schloss vor allem heute wichtige Dienstleistungsbereiche von den Grundhandelsgewerben des Musskaufmanns aus. Nach der Vereinfachung gibt es nur noch Musskaufleute. 2. Den Begriff des Minderkaufmann gibt es nicht mehr. Kleingewerbetreibende sind Nichtkaufleute und damit Privatpersonen gleich gestellt, es sei denn, das Unternehmen lässt seine Firma ins Handelsregister eintragen (Kannkaufmann, § 2 HGB). 3. Das Firmenrecht ist weniger streng. Die Eintragung einer Firma in das Handelsregister setzt nur noch voraus, dass der Name (die Firma) unterscheidungskräftig ist und keine irreführenden Angaben enthält. Zwischen Personen- und Sachnamen kann gewählt werden, auch Phantasienamen sind erlaubt. 4. Erleichterungen bei der Eintragung ins Handelsregister. 5. Das Ausscheiden von Gesellschaftern einer oHG hat nicht die Auflösung, sondern die Fortführung des Unternehmens zur Folge, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts Gegenteiliges regelt. 6. Die Rechtsformen der oHG und KG stehen auch solchen Unternehmen offen, die früher minderkaufmännisch waren. 7. Änderungen im Bereich des Wettbewerbsverbotes.
533
Die nachfolgenden Ausführungen entsprechen dem heutigen Stand des Gesetzes.
II. Anwendungsbereich des Handelsrechts Beispiel I. Wendt mietet Agenturräume und organisiert in eigener Regie Konzert- und Medienveranstaltungen. Er hat einen Angestellten und vermittelt Künstlerauftritte mit einem Provisionsvolumen von durchschnittlich 5 000 Euro im Monat. Ist Wendt jetzt Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches?
534
Die Anwendung das HGB hängt davon ab, ob die Vertragspartner Kaufleute sind. Der Kaufmannsbegriff ist daher für das Handelsrecht von zentraler Bedeutung. Das Gesetz definiert den Kaufmannsbegriff in § 1 HGB.
166
II. Anwendungsbereich des Handelsrechts
Teil D
§ 1 HGB (1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. (2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.
Im Unterschied zum früheren Handelsrecht tritt heute die Kaufmannseigenschaft bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen automatisch ein und wird bei jedem Gewerbebetrieb vermutet.
535
Kriterien für die Entscheidung, ob ein Gewerbetreibender einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb unterhält, sind: – Mitarbeiterzahl, – Größe der gewerblichen Räume, – Teilnahme am Bank- und/oder Lieferantenkredit, – Höhe des Umsatzes, – Höhe des Vermögens, – Teilnahme am Wechselverkehr, – Zahl der Zweigniederlassungen, – Höhe der Forderungen, – Art der Geschäftsabwicklung.
536
Grundlage des Kaufmannsbegriffs ist der Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 1 Abs. 1 HGB). Es muss also ein Gewerbe vorliegen, das vom Gesetz als Handelsgewerbe anerkannt ist.
537
Ein Gewerbe ist nach allgemeiner Auffassung eine offene, planmäßige, erlaubte und auf Gewinnerzielung ausgerichtete selbstständige Tätigkeit. Ausgenommen sind die freien Berufe (Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater etc.).
538
Offen ist eine Tätigkeit, wenn sie nach außen so in Erscheinung tritt, dass sie für Dritte erkennbar ist. Planmäßig ist die Tätigkeit, wenn sie auf Dauer angelegt ist. Erlaubt ist die Tätigkeit, wenn sie weder gegen ein Gesetz noch gegen die guten Sitten verstößt. Wer unerlaubte Geschäfte betreibt, soll keine Kaufmannsrechte daraus herleiten können. Weiterhin muss die Tätigkeit auf Gewinnerzielung gerichtet sein. Das bedeutet, dass die Tätigkeit darauf abzielt, einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu erwirtschaften.
539
Im Ausgangsfall ist I. Wendt nicht als Kaufmann iS von § 1 HGB zu klassifizieren, da die Eventagentur bei lediglich einem Angestellten und einem Provisionsvolumen von 5 000 Euro monatlich keine kaufmännische Organisation erfordert. Nach Art und Umfang seines Geschäftes ist Wendt Kleingewerbetreibender. Dies sind Gewerbetreibende, deren Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Nach altem Recht wäre er nach der weggefallenen Vorschrift des § 4 HGB Minderkaufmann gewesen. Diesen Begriff kennt das neue HGB nicht mehr. Ein Kleingewerbetreibender kann aber dennoch Kaufmann sein, wenn er sich gemäß § 2 HGB ins Handelsregister eintragen lässt. § 2 HGB besagt, dass derjenige, der nicht schon nach
540
167
Teil D
Der kaufmännische Veranstalter
§ 1 Abs. 2 HGB ein Handelsgewerbe betreibt, sein gewerbliches Unternehmen ins Handelsregister eintragen lassen kann und damit ein Handelsgewerbe im Sinne des HGB eröffnet. 541
Für Gewerbetreibende, die nicht unter § 1 HGB fallen, besteht daher eine Berechtigung, nicht aber eine Verpflichtung, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen und somit die Kaufmannseigenschaft zu erwerben (sog. Kannkaufleute). Abb. 19: Kannkaufleute nach § 2 HGB
Kannkaufleute
Eintragungswahlrecht Eintrag Handelsregister
Kaufmann nach HGB
Kein Eintrag Handelsregister
Für ihn gilt das HGB
Für ihn gilt das BGB
Nicht-Kaufmann
542
Wichtig im Zusammenhang mit der Feststellung der Kaufmannseigenschaft einer Person ist ferner, dass Kaufmann im Sinne des HGB immer nur der Inhaber des gewerblichen Unternehmens, nie die Angestellten, Manager, Direktoren etc. sein können.
543
Kaufmann im Sinne des HGB ist außerdem der gemäß § 6 HGB so genannte Formkaufmann. Diese Vorschrift besagt, dass alle Handelsgesellschaften die Kaufmannseigenschaft schon aufgrund ihrer Rechtsform erwerben, ohne weitere Voraussetzungen erfüllen zu müssen.
168
Teil D
II. Anwendungsbereich des Handelsrechts Abb. 20: Kaufmann nach HGB Kapitalgesellschaften
Gewerbetreibende
Land- und Forstwirte
§ 7, 11 GmbHG § 36 AktG
§ 1 HGB
§ 3 HGB
Mit kfm. Organisation
Ohne kfm. Organisation
Formkaufleute (Kaufl. kraft Rechtsform)
Handelsregistereintrag
Handelsregistereintrag
Kannkaufleute (Eintragungswahlrecht)
Handelsregistereintrag
Kaufmann nach HGB
kein Handelsregistereintrag
Nicht-Kaufmann (Kleingewerbetreibender nach BGB)
Folgende Abbildung veranschaulicht die wesentlichen Unterschiede zwischen Kauf- und Nichtkaufleuten. Abb. 21: Wirkung der Eintragung in das HGB Kaufmann nach HGB
Nicht-Kaufmann (BGB)
Firma
Firma kann bei Tod des Inhabers fortbestehen (Übertragbarkeit) Verpachtung/Verkauf: Firma kann grundsätzlich beibehalten werden Firmenwert (Goodwill): bei Unternehmensverkauf bedeutend
Keine Firma. Eine Firma kann somit auch nicht übertragen werden. Stirbt Unternehmer, stirbt auch Name des Gewerbebetriebes – Nachfolger darf Betrieb nicht unter gleichem Namen weiterführen. Analog: Verpachtung
Buchführung
volle Buchführungspflicht (Inven- vereinfachte Aufzeichnungstare, Handelsbücher, Bilanzen) pflichten
Unternehmens- alle Unternehmensformen mögform lich, außer GbR
lediglich BGB-Gesellschaft möglich
Prokura
Erteilung nicht möglich, aber Vollmachten
Erteilung möglich
169
544
Teil D 545
Der kaufmännische Veranstalter
I. Wendt aus dem Praxisfall am Kapitelanfang2 muss somit gut abwägen, ob eine Eintragung als Kaufmann nach § 2 HGB vorteilhaft ist oder ob er lieber den Status eines Nichtkaufmanns aufrechterhalten will. Ein weiterer Vorteil für Nichtkaufleute ist die Befreiung von den IHK-Pflichtbeiträgen. Die IHK sind Selbstverwaltungsorganisationen der gewerblichen Wirtschaft, die die einzelnen Firmen beraten, sie gegenüber staatlichen Instanzen vertreten und als Träger der Berufsausbildung fungieren. In der Vergangenheit haben insbesondere kleinere Unternehmen Kritik an der Höhe der Beiträge geübt, da der Umfang der Leistungen diese nicht rechtfertige.
III. Handelsregister Beispiel I. Wendt will seine Agentur erweitern und sucht einen seriösen Gesellschafter. Er wählt den Weg über eine Anzeige in einer überregionalen Zeitung. Von den Angeboten stellt sich eines als besonders interessant heraus. Es ist das Angebot eines Beteiligungsunternehmens. Wo kann Herr Wendt nähere Informationen über dieses Unternehmen erhalten, um zu prüfen, wie lange das Unternehmen schon besteht, in welcher Gesellschaftsform es geführt wird usw.?
546
Ein umsichtiger Kaufmann informiert sich im Voraus über seine zukünftigen Geschäftspartner, besonders dann, wenn es sich um Geschäfte handelt, die sich über einen längeren Zeitraum hinaus erstrecken. Zu diesem Zweck kann man sich an das für den Sitz des Unternehmens zuständige Amtsgericht wenden und einen Auszug aus dem Handelsregister verlangen.
547
Das Handelsregister ist ein öffentliches Verzeichnis bestimmter Tatsachen und Rechtsverhältnisse, die im Handelsverkehr von rechtlicher Bedeutung sind. Das HGB behandelt das Handelsregister in den §§ 8–16 HGB.
548
Das Handelsregister dient der Sicherheit und Erleichterung des Rechtsverkehrs. Es offenbart die Rechtsverhältnisse der Kaufleute und schützt so vor Gefahren, die aus ansonsten nicht erkennbaren Rechtslagen entstehen können. Zu nennen sind insbesondere die Vertretungs- und Haftungsverhältnisse. Das Handelsregister ist ein öffentliches Verzeichnis, das bedeutet, jedermann ist zur Einsicht ins Handelsregister und der zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke berechtigt. Man unterscheidet eintragungspflichtige (zB die Firma § 29 HGB, Prokura § 53 HGB) und eintragungsfähige Tatsachen (zB die Haftungsverhältnisse). Nicht eintragungsfähige Tatsachen werden nicht ins Handelsregister aufgenommen, auch wenn sie für Dritte von großer Bedeutung sein können. So ist das haftende Kapital eines Einzelkaufmanns oder einer oHG nicht eintragungsfähig, weil der Gesetzgeber eine solche nur bei beschränkter Haftung – wie bei der GmbH – für notwendig hielt. Grund für diese Beschränkung ist die Übersichtlichkeit des Handelsregisters. Es soll nicht mit einer Fülle von Informationen überfrachtet werden. 2 Siehe Rz. 534 ff.
170
III. Handelsregister
Teil D
Am 10. November 2006 wurde das Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) verkündet. Die Bundesregierung hat für alle deutschen Kapitalgesellschaften – gleich, ob börsennotiert oder nicht – das zentrale Elektronische Handels- und Unternehmensregister eingeführt. Dies wird als wichtiger Schritt zur Entbürokratisierung, Beschleunigung von Handelsregistereintragungen und größerer Transparenz gewertet. Mit diesem Gesetz wird das deutsche Registerwesen umfassend reformiert und an das Internetzeitalter angepasst. Bis auf wenige Ausnahmen ist das Gesetz am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt werden die Handelsregister elektronisch geführt. Gemäß § 12 HGB (§ 11 Abs. 4 GenG, § 5 Abs. 2 PartGG) sind Anmeldungen zum Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Die gleiche Form ist für eine Vollmacht zur Anmeldung erforderlich. Auch alle anderen Dokumente sind elektronisch einzureichen. Ist eine Urschrift oder eine einfache Abschrift einzureichen oder ist für das Dokument die Schriftform bestimmt, genügt die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung. Ist ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen, so ist ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis (§ 39a des Beurkundungsgesetzes) versehenes Dokument zu übermitteln. Diejenigen Schriftstücke, die bisher im Sonderband der Akte hinterlegt wurden (Schriftstücke die der unbeschränkten Einsicht unterliegen wie zB Gesellschaftsverträge, Satzungen usw.), werden in einen elektronischen Registerordner aufgenommen, der dem Registerblatt zugeordnet ist. Die Bundesländer können allerdings Übergangsfristen vorsehen, nach denen die Unterlagen bis spätestens Ende 2009 auch noch in Papierform eingereicht werden dürfen. Das Registerportal eröffnet den Zugriff auf die automatisierten Registerabrufsysteme (§ 9 Abs. 1 HGB) der Länder und dient der Bekanntmachung der Eintragungen der Registergerichte (§ 10 HGB). Gemäß der Neufassung von § 8a Abs. 1 HGB wird eine Eintragung ins Handelsregister wirksam, sobald sie in den für die Eintragung bestimmten Datenspeicher aufgenommen ist und auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden kann.
549
Damit wird der bisherige Ablauf hinsichtlich der Handelsregisteranmeldungen sowohl bei den Notaren als auch bei den Gerichten komplett umgestellt. Während früher der Notar die Handelsregisteranmeldung schriftlich bei Gericht eingereicht hat, hat dies jetzt ausschließlich in elektronischer Form zu erfolgen. Daneben wurde ein elektronisches Unternehmensregister geschaffen, das über die Internetseite www.unternehmensregister.de zugänglich ist. Betreiber des Unternehmensregisters ist die Bundesanzeiger Vertragsgesellschaft mbH. Dieses Register speist sich aus den Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregistern sowie aus Daten des elektronischen Bundesanzeigers und Zulieferungen von Unternehmen und Insolvenzgerichten. Der wesentliche Vorteil ist die Bereitstellung über eine einzige Quelle („one stop shopping“). Damit steht eine Plattform zur Verfügung, über die alle bisher verteilt zugänglichen Informationen nun über eine einheitliche Quelle bezogen werden können.
549a
Des Weiteren wird durch dieses Gesetz die Offenlegung der Jahresabschlüsse neu geordnet. Bisher mussten die Jahresabschlüsse beim Registergericht hinter-
549b
171
Teil D
Der kaufmännische Veranstalter
legt werden und konnten dort eingesehen werden. Zukünftig sind Jahresabschlüsse in elektronischer Form beim elektronischen Bundesanzeiger einzureichen und werden dort vollständig bekanntgemacht. Während die Einreichung der Jahresabschlüsse bisher nicht kontrolliert wurde und das Registergericht nur auf Antrag eines Dritten, der den Jahresabschluss einsehen wollte, tätig wurde, ist nun ein von Amts wegen zu verhängendes Ordnungsgeld vorgesehen, wenn der Jahresabschluss nicht eingereicht wird. Damit soll die 1. gesellschaftsrechtliche EU-Richtlinie (Registerpublizität) sowie die EU-Transparenzrichtlinie umgesetzt werden. Es sieht die Schaffung zweier zentraler Internet-Plattformen vor, über die künftig alle offenlegungspflichtigen Unternehmensdaten zur Verfügung stehen. Sie werden zu einer substantiellen Entbürokratisierung und Beschleunigung beim Umgang mit offenlegungspflichtigen Unternehmensdaten führen. 549c
Kernpunkte des Gesetzes im Überblick: – Elektronisches Handelsregister über Einreichung, Führung, und Abruf aller deutschen Handelsregister ab 2007. Es bleibt bei der Verantwortung der Registergerichte, aber es erfolgt eine bundesweite Vernetzung. Über die zentrale Internetseite www.handelsregister.de ist kostenpflichtiger Zugriff möglich. – Bekanntmachungen der Handelsregistereintragungen über die gleiche Internetseite unter www.handelsregisterbekanntmachungen.de, der Zugriff auf die chronologisch geordnete Datenbank ist kostenfrei. Der Text der Bekanntmachung ist künftig mit der Handelsregistereintragung identisch. Die Pflicht zur Zeitungsbekanntmachung wird abgeschafft. Für einen Übergangszeitraum bis Ende 2008 wird die Bekanntmachung zusätzlich noch in einer Tageszeitung erfolgen. – Offenlegungspflichtige Unternehmensdaten stehen über ein zentrales elektronisches Unternehmensregister zum Abruf bereit. Über die zentrale Internetseite www.unternehmensregister.de ist kostenpflichtiger Zugriff möglich. – Der elektronische Bundesanzeiger, der bereits seit 2002 aktienrechtliche Mitteilungen bekanntmacht, wird als Internet-Publikationsplattform zum Quellmedium aller gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungen ausgebaut. Seine Veröffentlichungsdaten werden anschließend dem Unternehmensregister zugeführt. – Die Jahresabschlüsse sind künftig beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers – und nicht mehr bei den Amtsgerichten – einzureichen. Sie werden dort gespeichert und veröffentlicht. Ein Verstoß gegen die Publizitätspflicht gilt als Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Ordnungsgeld zwischen 2 500 und 25 000 Euro geahndet werden, § 325 Abs. 1 und 2 HGB. Zusätzlich sind die Verfahrenskosten zu tragen, § 325 Abs. 3 HGB.
550
So ist es jedermann möglich, die Neuheiten zB über Konkurrenzunternehmen oder Lieferer nachzulesen. Es ist durchaus sinnvoll, diese Informationsquelle zu nutzen.
551
Einzelkaufleute und Personengesellschaften werden in Abteilung A, Kapitalgesellschaften in Abteilung B des Handelsregisters eingetragen. Es gilt der Grund172
IV. Firma
Teil D
satz des guten Glaubens des Handelsregisters (§ 15 HGB). Das bedeutet, dass derjenige, der sich auf die Richtigkeit des Handelsregisters verlässt, geschützt wird, auch wenn die Eintragungen tatsächlich nicht den Tatsachen entsprechen (negative Publizität).3 Dieser Gutglaubensschutz gilt nicht, wenn er die Unrichtigkeit kannte, § 15 Abs. 3 HGB. Beispiel I. Wendt hat G. Winn vorübergehend mit Prokura ausgestattet und diese ins Handelsregister eintragen lassen, um während eines längeren Auslandsaufenthaltes angemessen vertreten zu werden. Nach seiner Rückkehr widerruft Wendt die Prokura, vergisst aber den Widerruf ins Handelsregister eintragen zu lassen. Ein Geschäftspartner verkauft im Vertrauen auf den Fortbestand der Prokura formwirksam ein Grundstück an G. Winn. Ist I. Wendt an den Grundstückskaufvertrag gebunden? Wie wäre es, wenn I. Wendt es schon versäumt hätte, die Prokura-Erteilung eintragen zu lassen?
I. Wendt muss im obigen Ausgangsfall den Grundstückskaufvertrag gegen sich gelten lassen. Ein Prokurist gilt gemäß § 49 Abs. 1 HGB zu allen Arten von Geschäften ermächtigt. Die Ausnahme des § 49 Abs. 2 HGB greift hier nicht, weil G. Winn hier ein Grundstück gekauft und nicht veräußert hat. Der Widerruf der Prokura ist eine eintragungspflichtige Tatsache. Da I. Wendt es versäumt hat, die Eintragung des Prokura-Widerrufes zu bewirken, galt die Prokura gegenüber Dritten als fortbestehend.
552
Aber auch die Fallabwandlung kommt zum gleichen Ergebnis, da es sich bei der Prokura-Erteilung um eine eintragungspflichtige Tatsache handelt. I. Wendt muss daher nachträglich, sowohl die Erteilung der Prokura als auch ihren Widerruf ins Handelsregister eintragen lassen, um eine weitere Verpflichtung durch G. Winn zu vermeiden.4
553
IV. Firma Beispiel I. Wendt sucht für seine Eventagentur nach einem eingängigen Namen, um den Wiedererkennungswert am Markt zu steigern. Da er sich mit Extremsportveranstaltungen und Stunt-Events befasst, möchte er den Namen „EvilVents“ als Wortspiel wählen. Allerdings hat ihm ein befreundeter Anwalt erzählt, dass nach der Handelsrechtsnovelle Rechtsformzusätze zwingend vorgeschrieben sind. Was muss Herr Wendt bei der Namenswahl beachten?
Gemäß § 17 HGB ist die Firma eines Kaufmanns der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Die Firma hat den Zweck, Verwechslungen mit namensgleichen Personen am gleichen Ort zu vermeiden, so3 Schmidt, Handelsrecht, § 14 II 2b. 4 RGZ 127, 98 (99); BGHZ 55, 267 (272); BGH BB 1965, 968; OLG Frankfurt, OLGZ 73, 20 (25); OLG Stuttgart NJW 1973, 806; siehe hierzu auch Schmidt, Handelsrecht, § 14 II 2b.
173
554
Teil D
Der kaufmännische Veranstalter
wie Aufbau und Fortbestand eines Unternehmens zu gewährleisten. Die Firma entsteht bei Erwerb der Kaufmannseigenschaft. 555
Wie die Firma auszusehen hat, richtet sich nach den §§ 18, 19 HGB. Je nachdem, welche Unternehmensform man wählt, entscheidet die gewählte Form auch über die Firma. Nach dem neuen Handelsrecht ist ein Rechtsformzusatz gemäß § 19 HGB Pflicht. Abb. 22: Zwingende Rechtsformzusätze Rechtsform
Firmenzusätze
Einzelkaufmann
„eingetragener Kaufmann“ oder „eingetragene Kauffrau“ bzw. allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung: zB e. K.; e. Kfm.; e. Kfr.
Offene Handelsgesellschaft
offene Handelsgesellschaft bzw. eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung: zB oHG
Kommanditgesellschaft
Kommanditgesellschaft bzw. eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung: zB KG
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung bzw. eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung: zB GmbH
Aktiengesellschaft
Aktiengesellschaft bzw. eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung: zB AG
GmbH & Co. KG
Haftungsbeschränkung muss erkennbar sein: zB mbH
Genossenschaft
Rechtsformzusatz e.G. zwingend; der Gegenstand der Genossenschaft muss nicht mehr Firmenbestandteil sein
556
Nach dem alten Handelsrecht musste der Einzelkaufmann seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen als Firma führen. Ebenso waren alle Personengesellschaften verpflichtet, als Firma den bzw. die Namen der Gesellschafter zu führen. Lediglich die Kapitalgesellschaften konnten und mussten grundsätzlich den Gegenstand ihres Unternehmens angeben (sog. Sachfirma). Durch die HGB-Novelle wurde das handelsrechtliche Namensrecht stark liberalisiert. Gesellschaften und Einzelkaufleute haben nunmehr die freie Wahl eines aussagekräftigen und werbewirksamen Geschäftsnamens. So dürfen Unternehmen auch Phantasienamen tragen und müssen nicht mehr nach Inhaber oder Geschäftszweck genannt werden.
557
I. Wendt kann daher unter der Firmenbezeichnung EvilVents firmieren. Allerdings muss er die Unternehmensform im Namen dokumentieren. Dies soll dem Schutz der Geschäftspartner oder potentiellen Geschäftspartner dienen, die beispielsweise bei einem GmbH-Zusatz wissen, dass die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist.
174
Teil D
IV. Firma Abb. 23: Firmenbezeichnungen
Firma
Personenfirma z. B. I. Wendt GmbH
Sachfirma z. B. Veranstaltungs GmbH
Mischfirma z. B. Wendt Veranstaltungs GmbH
Phantasiefirma z. B. EvilVents GmbH
Allerdings müssen die Firmenbezeichnungen weiterhin zur Kennzeichnung und Unterscheidung geeignet sein und dürfen nicht über die Tätigkeit der einzelnen Unternehmen täuschen, dh. irreführend sein.
558
Die oben erwähnte HGB-Novelle bringt auch Neuerungen im Hinblick auf geschäftlichen E-Mail-Verkehr. Die einschlägigen Regelungen der §§ 37a und 125a HGB, 35a GmbHG und 80 Abs. 1 AktG wurden insofern ergänzt, als dass Pflichtangaben nunmehr für Geschäftsbriefe „gleichviel welcher Form“ gelten. Somit müssen seit dem 1.1.2007 die für einen Geschäftsbrief erforderlichen Pflichtangaben auch in der E-Mail-Signatur des versendenden Unternehmens, d.h. in der eine E-Mail im Anschluss an den Text abschließenden Kennzeichnung, vollständig enthalten sein. Diese Gesetzesänderung betrifft alle E-Mails der Kaufleute und deren Angestellte über geschäftliche Angelegenheiten nach außen, soweit sich diese E-Mails nicht lediglich an unbestimmte Empfänger (zB Werbe-E-Mails) richten. Betroffen sind alle Unternehmen, die auch im Handelsregister eingetragen sind, also der Einzelkaufmann, die offene Handelsgesellschaft (oHG), die Kommanditgesellschaft (KG), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die GmbH & Co. KG, die GmbH § Co. oHG, die Aktiengesellschaft (AG), die AG & Co. KG. Freie Berufe sind von den gesetzlichen Änderungen, soweit sie nicht in einer der genannten Gesellschaftsformen betrieben werden, nicht betroffen.
558a
So muss beispielsweise die geschäftliche E-Mail einer GmbH den Firmennamen, die Rechtsform, Ort der Handelsregisterniederlassung, das zuständige Registergericht sowie die Handelsregisternummer, alle Geschäftsführer und gegebenenfalls den Aufsichtsratsvorsitzenden enthalten. Dabei müssen diese Informationen allerdings lediglich für die Hauptniederlassung genannt werden, abweichende Angaben für etwaige Zweigstellen sind nicht erforderlich. Verstöße gegen die neue gesetzliche Regelung können Bußgelder und Abmahnungen von Wettbewerbern nach sich ziehen.
558b
Für die Firma gelten folgende Grundsätze:
559
– Firmenwahrheit, §§ 18, 19 HGB: Bei der Gründung müssen die angegebenen Gesellschaftsverhältnisse der Wahrheit entsprechen. 175
Teil D
Der kaufmännische Veranstalter
– Firmenunterscheidbarkeit oder Firmenausschließlichkeit, § 30 HGB: Jede neue Firma muss sich von allen an demselben Ort oder derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. – Firmenbeständigkeit, §§ 21 f. HGB: Nicht jede Veränderung des Unternehmensträgers oder seines Namens führt zu einem Wechsel der Firma. Die Firma kann als Handelsname nach dem Ausscheiden ihres Gründers fortgeführt werden. 560
Ein Unternehmen kann auch ohne die Firma veräußert werden. Zu beachten ist aber, dass der umgekehrte Fall, nämlich die Veräußerung der Firma ohne das Unternehmen, gesetzlich nicht zulässig ist. Abb. 24: Firmengrundsätze
Firmenöffentlichkeit (Handelsregistereintrag)
Irreführungsverbot
Unterscheidbarkeit = Ausschließlichkeit
Firmengrundsätze Offenlegung Gesellschaftsverhältnisse
Offenlegung Haftungsverhältnisse Firmenbeständigkeit (mit Rechtsformzusatz)
176
V. Vollmachten
Teil D
V. Vollmachten Beispiel I. Wendt ist oft auf Geschäftsreise unterwegs und möchte seinem Ladenangestellten G. Winn eine Vollmacht zur Erledigung verschiedener Geschäftsvorgänge einräumen. Am besten wäre eine umfassende Bevollmächtigung im Rahmen einer Prokura. Allerdings ist I. Wendt bisher nicht als Kaufmann im Handelsregister eingetragen. Kann er G. Winn dennoch zum Prokuristen bestellen?
1. Prokura Die umfassendste Vollmacht, die ein Unternehmer einem Mitarbeiter erteilen kann, ist die Prokura. Sie wird durch ausdrückliche mündliche oder schriftliche Erklärung erteilt. Durch die Bestellung der Prokura erhält der Prokurist bis auf eine Ausnahme (Veräußerung und Belastung von Grundstücken, § 49 Abs. 2 HGB) die gleichen Befugnisse wie der Unternehmer selbst. Jede Handlung des Prokuristen berechtigt und verpflichtet den Unternehmer.
561
Weil die Prokura so weit reichende Möglichkeiten verleiht, kann sie nur ein Kaufmann erteilen. Ihre Erteilung sollte stets gut überlegt sein. Dies bedeutet für unseren Praxisfall, dass I. Wendt ohne eigene Eintragung im Handelsregister als Kaufmann seinen Angestellten keine Prokura einräumen kann. Dies macht auch Sinn, da auch die Erteilung einer Prokura nach § 53 Abs. 1 HGB in das Handelsregister eingetragen werden muss.
562
2. Handlungsvollmacht Eine etwas abgeschwächte Form der Prokura ist die Handlungsvollmacht. Die Handlungsvollmacht ist eine Vertretungsbefugnis, deren Umfang einerseits vom Inhaber des Geschäftsbetriebes bestimmt wird, die aber gleichzeitig einen vom Gesetz festgelegten Mindestumfang hat.
563
Je nach Umfang unterscheidet man zwischen einer Generalhandlungsvollmacht, einer Arthandlungsvollmacht und einer Spezialhandlungsvollmacht.
564
Der Generalhandlungsbevollmächtigte ist zur Vornahme aller Geschäfte befugt, die zu einem derartigen Betrieb des konkreten Handelsgewerbes gehören. Dies sind branchenübliche Geschäfte, die zum Rahmen des konkreten Geschäftsbetriebes passen.
565
Der Arthandlungsbevollmächtigte ist zur Vornahme einer bestimmten, zu einem Handelsgewerbe gehörenden Art von Geschäften befugt (zB Kassieren an der Rezeption).
566
Der Spezialhandlungsbevollmächtigte ist zu bestimmten einzelnen Geschäften bevollmächtigt (zB einmalige Vertretung an der Rezeption).
567
Da es Geschäfte gibt, die das Unternehmen des Geschäftsinhabers gefährden können, sind der Handlungsvollmacht in § 54 HGB Grenzen gesetzt. Der Hand-
568
177
Teil D
Der kaufmännische Veranstalter
lungsbevollmächtigte ist gemäß § 54 Abs. 2 HGB nicht befugt zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung, es sei denn, er ist dazu besonders bevollmächtigt. 569
Dem Dritten gegenüber kann die Handlungsvollmacht, im Unterschied zur Prokura, grundsätzlich beschränkt werden. Jedoch braucht der Dritte diese Beschränkungen nur gegen sich gelten lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste, § 54 Abs. 3 HGB. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Handlungsbevollmächtigte bevollmächtigt ist, entweder den gesamten Geschäftsbetrieb mit allen gewöhnlichen Rechtsgeschäften zu führen oder innerhalb des Handelsgewerbes bestimmte Tätigkeiten auszuüben.
3. Angestellte in Laden oder Warenlager 570
Da der Kaufmann nicht alle Geschäfte in seinem Geschäftsbetrieb selbst tätigen kann, hat er neben Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten auch gewöhnliche Ladenangestellte. Für diese gilt auch ohne entsprechende Vollmachterteilung, dass sie zu Verkäufen und zur Empfangnahme ermächtigt sind, die in einem derartigen Laden gewöhnlich vorkommen. Wenn jemand einen Verkaufsraum betritt und mit einer dort beschäftigten Person Geschäfte abschließt, wird gemäß § 56 HGB im Namen des Unternehmensträgers gehandelt. Damit soll der Vertragspartner vor dem Einwand geschützt werden, der Ladenangestellte habe das Rechtsgeschäft nicht abschließen dürfen.
VI. Handelskauf 571
Für den Handelskauf von Waren werden die §§ 459 ff. BGB durch die §§ 373 ff. HGB modifiziert.
572
Durch § 377 HGB (sog. Rügeobliegenheit) wird der Käufer dazu angehalten, dem Verkäufer Mängel der Kaufsache anzuzeigen.
573
Dabei wird unterschieden zwischen: – erkennbaren Mängeln, diese müssen gemäß § 377 Abs. 1 HGB unverzüglich nach Ablieferung und anschließender Untersuchung der Ware gerügt werden, und – versteckten Mängeln, die zunächst nicht auffallen und daher erst bei Entdeckung – dann aber unverzüglich – gerügt werden müssen, § 377 Abs. 3 HGB.
574
Wird ein Mangel nicht oder verspätet gerügt, gilt die mangelhafte Kaufsache als genehmigt, § 377 Abs. 2 HGB, es sei denn, es liegt arglistiges Verschweigen des Verkäufers vor, § 377 Abs. 5 HGB. Zur Erhaltung der Gewährleistungsrechte genügt es nach § 377 Abs. 4 HGB, wenn die Mängelrüge rechtzeitig abgesandt wird. 178
VII. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben
Teil D
Nach § 434 Abs. 3 BGB iVm. § 377 HGB gilt die Kaufsache, auch wenn sie in Menge, Material oder Preis von der bestellten Ware abweicht, als genehmigt, wenn der Käufer nicht rechtzeitig rügt.
575
Beispiel Ed Wahntetsch ist Veranstalter von Tennisturnieren und als Kaufmann im Handelsregister eingetragen. Für die Ausrichtung seiner Turniere bestellt er bei einem Großhändler 1 600 Tennisbälle für 1 Euro/Stück. Außerdem ordert er direkt beim Hersteller 16 Tennisnetze aus Baumwolle zum Preis von 40 Euro/Stück. Der Großhändler schickt 1 800 Tennisbälle, der Netzhersteller liefert keine Baumwoll-, sondern Kunstfasernetze zum Preis von 52 Euro/Stück. Weil Herr Wahntetsch mit der Modernisierung der Saunaanlage sehr viel zu tun hat, untersucht er die gelieferte Ware nicht sofort. Drei Tage später fallen die Abweichungen auf. Muss Ed Wahntetsch die zu viel gelieferten Tennisbälle und die Netze aus falschem Material bezahlen?
Die Antwort lautet „ja“. Im obenstehenden Beispielsfall kommt § 434 Abs. 3 BGB iVm. § 377 HGB zur Anwendung. Auch deutliche Quantitäts- oder sogar Identitätsabweichungen werden von der Genehmigungsfiktion betroffen. Nur bei so erheblichen Abweichungen, bei denen der Verkäufer nicht mit einer Genehmigung rechnen kann, gilt die Ware nicht als genehmigt.
576
VII. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben Vertragsschlüsse im Eventbereich erfolgen häufig nur in mündlicher Form, per Fax oder E-Mail. Im allgemeinen Rechtsverkehr gilt der Grundsatz, dass bloßes Schweigen keine Willenserklärung darstellt. Davon gibt es im Handelsrecht einige Ausnahmen, eine davon ist das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Ein Kaufmann schreibt den Inhalt eines (zumindest aus seiner Sicht) bereits mündlich geschlossenen Vertrages nieder und sendet das Schreiben an seinen Vertragspartner. Widerspricht dieser dem bestätigten Geschäft nicht unverzüglich, wird sein Schweigen als Zustimmung fingiert, so dass das Geschäft als zu den im kaufmännischen Bestätigungsschreiben beschriebenen Konditionen abgeschlossen gilt.
576a
Die Wirkungen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens treten nur unter den folgenden Bedingungen ein: – Der Empfänger des Schreibens muss Kaufmann sein oder jedenfalls in größerem Umfang am Geschäftsleben teilnehmen. – Der Absender muss zwar kein Kaufmann sein, jedoch muss er ähnlich einem Kaufmann am Wirtschaftsleben teilnehmen, da nur solche Personen zu Recht die Erwartung haben können, dass der Empfänger ihnen gegenüber Handelsbräuche beachtet. – Dem Schreiben müssen Vertragsverhandlungen vorausgehen und es muss zum Ausdruck bringen, dass der Bestätigende von einem bereits erfolgten Vertragsschluss ausgeht.
576b
179
Teil D
Der kaufmännische Veranstalter
– Das Schreiben muss unmittelbar nach den Vertragsverhandlungen abgeschickt worden sein und muss dem Empfänger zugegangen sein. – Die Wirkung des Bestätigungsschreibens tritt nicht ein, wenn sich der Inhalt so weit vom Gegenstand der Vertragsverhandlungen entfernt, dass der Bestätigende verständigerweise nicht mehr mit dem Einverständnis des anderen rechnen konnte. – Der Absender muss redlich sein, da er sonst nicht schutzwürdig ist. Wenn er bewusst abweichende Angaben macht, fehlt es daran. – Der Empfänger darf nicht unverzüglich widersprochen haben. Dazu ein Beispiel Die Firma X AG fragt am 10.3.2008 bei der Veranstaltungsagentur von I. Wendt, der EvilVents GmbH, wegen der Konzeption einer Produktpräsentation an. I. Wendt sendet am 12.3.2008 der Firma eine Auftragskalkulation über eine von ihm erstellte Konzeption unter Auflistung der Einzelpreise. Die Firma X AG streicht einige der Konzeptpunkte aus der Leistungsbeschreibung und sendet das modifizierte Konzept am 14.3.2008 an I. Wendt zurück. I. Wendt nimmt erneut zwei kleinere Änderungen vor und sendet das Konzept am 16. 3.2008 wieder an die X AG. Dieser geht das erneute Schreiben des I. Wendt am 17.3. 2008 zu. Die X AG schweigt auf das letzte Schreiben von I. Wendt. Ein Vertrag ist am 17.3.2008 mit dem Inhalt des entsprechenden Angebotes von I. Wendt zustande gekommen. Vorher wurde das ursprüngliche Angebot immer wieder modifiziert. Die Annahme eines Angebotes unter Änderungen stellt wiederum ein neues Angebot dar, § 150 Abs. 2 BGB. Erst mit Zugang des Schreibens am 17.3.2008 ist der Vertrag wirksam zustande gekommen, denn das Schweigen der X AG stellt eine Annahme durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar. Die X AG hätte andernfalls dem erneuten Angebot des Wendt unverzüglich widersprechen müssen.
576c
Als Handelsbrauch sind die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens zwar nicht Rechtsnorm, sie gelten über § 346 HGB aber ohne Rücksicht auf Willensbekundung und Kenntnis der Vertragspartner, wenn sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Beispiel Die Stornierung eines Beherbergungs- und Bewirtungsvertrags durch einen Event-Veranstalter zwei Monate vor dem Reservierungsdatum löst aufgrund eines im norddeutschen Raum bestehenden Handelsbrauchs keinen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus.5
Abzugrenzen ist das kaufmännische Bestätigungsschreiben von der Auftragsbestätigung, bei der durch den Zugang erst ein Vertrag zustande kommt, während bei dem kaufmännische Bestätigungsschreiben der Absender bereits von einem Vertragsschluss ausgeht.
5 LG Hamburg v. 21.11.2003 – 319 O 113/00.
180
VII. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben
Teil D
Checkliste: Kaufmann Bin ich Kaufmann oder ist mein Unternehmen als kaufmännisches Gewerbe zu qualifizieren? Bewertungskriterien: Kapitalgesellschaften Eintragung im Handelsregister Beschäftigung eines Prokuristen Bei Gewerbebetrieb Bilanzführung Hoher Umsatz Vielzahl von Mitarbeitern
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immer immer immer gesetzliche Vermutung in aller Regel in aller Regel in aller Regel
181
Teil E Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte Beispiel Im Rahmen des kommenden Firmenjubiläums einer deutschen Großbank soll I. Wendt einen City-Marathon in einer Großstadt mit Flughafen planen und die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für eine reibungslose Durchführung schaffen. Es wird mit 15 000 Läufern, Walkern, Inlineskatern und Handbikern und 350 000 interessierten Zuschauern an der Strecke gerechnet. Die Vorgaben sehen wie folgt aus: – Bewerbung der Veranstaltung durch Plakatierung im Stadtgebiet nebst Außenbezirken – Organisation der Streckenführung im befahrenen und nicht befahrenen Straßennetz der Stadt, Errichtung des Start-Ziel-Bereiches mit VIP-Tribüne und Pressebereich – Schaffung der sportrechtlichen Voraussetzungen, Zusammenarbeit mit Radio- und Fernsehsendern – Planung und Einrichtung von Verpflegungsstationen, Catering und Getränkeständen mit alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken – Auf mehreren Bühnen soll Live- und Konservenmusik gespielt werden, Funkmikrofone für die Moderation und den Live-Kommentar werden eingesetzt – Im Rahmen der Veranstaltung wird eine gemeinnützige Tombola durchgeführt mit Losen im Wert von insgesamt 30 000 Euro und eine kommerzielle Verlosung mit Losen im Wert von 3 000 Euro. – Am Schluss der Veranstaltung soll in einer nahe gelegenen Burgruine am Stadtrand eine Get-together-Party mit Live-Musik, Grillfest und Feuerwerk durchgeführt werden. Wendt hat die Ziele definiert, die Grundstruktur der Veranstaltung festgelegt und einen Finanzierungsplan aufgestellt. Bei der Präsentation seines Veranstaltungskonzeptes beim zuständigen Ordnungsamt wird er damit konfrontiert, dass eine Durchführung des Laufes erst möglich sein wird, wenn eine Reihe rechtlicher Voraussetzungen geschaffen worden sind.
I. Einführung 577
Die Mehrzahl von Veranstaltungen – gesellige, kulturelle oder sportliche Veranstaltungen – sind durch ihre Eigenart mit besonderen Gefahren verbunden oder erfüllen Gebührentatbestände und sind daher anzeige- oder genehmigungspflichtig. Bei Großveranstaltungen sollten erforderliche Genehmigungen 3–6 Monate vorher beantragt werden, bei Sportgroßereignissen wie einem City-Marathon sind 12 Monate Vorlauf eine gute Größe, da sich die Suche nach einem geeigneten Zeitfenster aufgrund anderer Sportveranstaltungen schwierig gestalten kann.
578
Der Veranstalter muss vor Veranstaltungsbeginn Überlegungen anstellen, welche Erlaubnis- bzw. Genehmigungshürden überwunden werden müssen, um eine Veranstaltung termingerecht und planmäßig durchführen zu können.
579
Je nach Art der Veranstaltung können eine Vielzahl von Anzeige- bzw. Genehmigungspflichten bestehen. 182
Teil E
II. Behördliche Genehmigungen Abb. 25: Vorüberlegungen bei Planung eines Events
Baurechtliche Vorschriften Schankerlaubnis
GEMAAnmeldung
Sperrstundenverkürzung
Geplantes Event
Sanitätsorganisationen
Sondernutzungsgenehmigung
Nachbarrecht
Umweltschutz
II. Behördliche Genehmigungen Ein verantwortungsbewusster Veranstalter muss neben der Vielzahl der planerischen und organisatorischen Überlegungen bei jeder Veranstaltung auch eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen, Rechtsverordnungen, Richtlinien und Erlasse beachten bzw. erfüllen. Außerdem müssen diverse Anträge gestellt und Genehmigungen eingeholt werden. Durch die verschiedenen Gesetze und Verordnungen müssen die zuständigen Behörden prüfen, ob die Durchführung der beabsichtigten Veranstaltung Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für die Unversehrtheit von Leben, Gesundheit oder Sachgütern der Allgemeinheit erwarten lässt.
580
Im Rahmen einer Risiko- bzw. Gefährdungsanalyse hört die zuständige Behörde alle betroffenen Stellen und den Veranstalter. Auf Grundlage der gewonnenen Er-
581
183
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
kenntnisse entscheidet die Behörde anschließend über Genehmigung, Auflagen oder Ablehnung der Veranstaltung. Bei einem Event stellen Ordnungs- und Bauämter, Feuerwehr, Polizei, Umweltbehörden und Technischer Überwachungsverein (TÜV) je nach Veranstaltungsgröße hohe Ansprüche an die Sicherheit im Hinblick auf Brandschutz, Tribünen, Starkstrom, Verankerung von Lichtund Tonanlagen, Pyrotechnik, Lasershows, Schallschutz und Fluchtwege.
1. Baurechtliche Vorschriften 582
Im deutschen Baurecht unterliegen bauliche Anlagen grundsätzlich einem Genehmigungsvorbehalt. Eine Baugenehmigung ist nach den Bauordnungen der Länder dann zu erteilen, wenn das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht bzw. wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Bestimmungen nicht entgegenstehen.1 Mit diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften sind die Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen gemeint, die von der Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Sachentscheidungskompetenz entweder eigenverantwortlich zu prüfen oder durch Beteiligung anderer Behörden zu beachten sind. Dazu zählen die Bestimmungen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts.
583
Die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Allgemeinen regeln die §§ 29–38 Baugesetzbuch (BauGB). Die Zulässigkeit in den verschiedenen Baugebieten richtet sich nach §§ 1–15 Baunutzungsverordnung (BauNVO).
584
Die bauordnungsrechtlichen Aspekte werden in den einzelnen Bauordnungen der Länder geregelt. Die gesetzlichen Regelungen der Länder sind weitgehend identisch oder stark angenähert. Die im weiteren Text genannten Vorschriften sind die der Bauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NW).
585
Vor dem Wirksamwerden einer erforderlichen Nutzungsgenehmigung darf eine erlaubnispflichtige Veranstaltung nicht durchgeführt werden. Für die Erteilung der jeweiligen Genehmigungen zur Durchführung von Veranstaltungen sind je nach Lage des Veranstaltungsortes das Bauamt, das Bauordnungsamt, das Liegenschaftsamt, das Straßen- und Ingenieurbauamt, das Straßenverkehrsamt oder das Garten-, Friedhofs- und Forstamt der jeweiligen Gemeinde zuständig. Öffentliche Plätze, wie im Bereich Düsseldorf der Burgplatz und die Rheinwiesen, unterliegen für die Durchführung von Veranstaltungen der Regelung durch städtische Satzung.2
586
Der Veranstalter hat daher bei der Planung eines Events zu prüfen, inwieweit die Genehmigung einer Behörde eingeholt werden muss. Großveranstaltungen sind regelmäßig genehmigungspflichtig, da das Zusammenkommen vieler Menschen immer auch ein hohes Sicherheitsrisiko in sich birgt. Hier kann es zu mittelbaren und unmittelbaren Gefährdungen oder Störungen in, um und aus der Gruppe kommen. Auf der einen Seite verhalten sich Menschen aus der Masse heraus nicht immer vernünftig oder gesetzestreu (zB Zünden von Feuerwerks1 Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Band II, § 8 I, S. 119. 2 Siehe dazu auch Rz. 630 ff.
184
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
körpern und Werfen von Feuerzeugen u.Ä. in Fußballstadien). Zum anderen können auch äußere Einwirkungen zu unmittelbaren (zB durch Erdrücken, wie beim Todesfall eines holländischen Mädchens beim Toten Hosen-Konzert vom 28.6.1997 im Düsseldorfer Rheinstadion) oder mittelbaren Gefährdungen in der Masse kommen (zB bei einer plötzlichen Panik). Beispiel Das OLG Nürnberg hatte über einen folgenschweren Unfall zu entscheiden.3 Ein Hotel veranstaltete eine Silvester-Party. Im Rahmen der Feier wurde ein Feuerwerk abgebrannt. Durch einen Querschläger wurde eine Besucherin am Auge getroffen und verlor auf dem linken Auge 90 % ihrer Sehfähigkeit. Der Veranstalter hatte im Umkreis von 10 m zu dem Feuerwerk einen Sicherheitsabstand geschaffen. Unklar war, ob die Besucherin durch einen Feuerwerkskörper des Veranstalters oder eine andere Rakete getroffen wurde, die Besucher im Rahmen der Veranstaltung privat gezündet hatten. Die Besucherin machte aufgrund der Verletzung gegen das Hotel einen Schmerzensgeldanspruch iH von 50 000 DM (ca. 26 000 Euro) geltend. Das OLG Nürnberg gab der Besucherin dem Grunde nach Recht, gab ihr jedoch zu 50 % eine Mitschuld, da die Besucherin die Gefahr noch unnötig erhöht habe, indem sie sich sogar noch 5 m auf die Abschussstelle der Feuerwerkskörper zubewegte. Die Verurteilung zur Zahlung des hälftigen Betrages begründete das Gericht wie folgt: Wer ein Feuerwerk veranstaltet, müsse nach Auffassung des Gerichts besonders vorsichtig, vorausschauend und sorgfältig zu Werke gehen. Er habe sicherzustellen, dass andere Personen oder Sachen nicht ernsthaft gefährdet werden. Ferner habe er zu bedenken, dass der Umgang mit Feuerwerkskörpern selbst dann gefährlich bleibt, wenn alle Gebrauchsvorschriften des Herstellers eingehalten werden. Denn erfahrungsgemäß komme es immer wieder einmal zu technischen Fehlern und unbeherrschbaren Querschlägern. All diese Unwägbarkeiten müsse der Veranstalter schon bei der Wahl seines Standorts berücksichtigen und seine Sicherheitsvorkehrungen danach ausrichten. Ein Sicherheitsabstand von nur 10 m reiche im konkreten Fall nach Auffassung des Gerichts nicht aus. Dem Zuschauer bleibe nicht genügend Zeit, um einer fehlgegangenen Rakete auszuweichen, vor allem dann nicht, wenn er durch das Betrachten des Feuerwerks abgelenkt sei. Ob der Querschläger tatsächlich vom Hotel-Feuerwerk stammte oder aber von der privaten Zündung einer Rakete durch einen Hotelgast, war nach Ansicht des Gerichts unerheblich. Der Verletzten komme hier die Haftungserleichterung des § 830 BGB zugute. Diese Vorschrift besagt: Lässt sich nicht ermitteln, wer von mehreren Beteiligten den Schaden verursacht hat, so ist jeder Beteiligte für den Schaden verantwortlich.
Somit ist festzuhalten, dass der Veranstalter eines Feuerwerks mit größter Sorgfalt den Sicherheitsabstand zu dem Ort des Feuerwerks wählen sollten und im Zweifel den Sicherheitsabstand zu dem Feuerwerk größer als eigentlich erforderlich ausfallen lassen sollte, damit Unfälle wie der obige vermieden werden können. Allerdings muss der Veranstalter von kleineren Events auch wissen, welche Vorhaben genehmigungsfrei sind. Ein umfangreicher Katalog der genehmigungsfreien Vorhaben findet sich in § 65 BauO NW. Zusätzlich zu den genehmigungsfreien Vorhaben werden in § 66 genehmigungsfreie Anlagen und in § 67 genehmigungsfreie Wohngebäude, Stellplätze und Garagen aufgeführt. In § 68 BauO NW ist das sog. vereinfachte Genehmigungsverfahren geregelt. Nach § 68 Abs. 2 BauO NW werden für diese Vorhaben geringere Prüfanforderungen gestellt. 3 OLG Nürnberg v. 18.8.1995 – 6 U 949/95.
185
587
Teil E 588
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Eine Baugenehmigung kann uneingeschränkt erteilt werden. Sie kann aber auch von der Erfüllung bestimmter Auflagen oder Bedingungen (zB Einbau von feuersicheren Türen, Miterrichtung einer ausreichenden Anzahl von Stellplätzen, Anlegung eines zweiten Rettungsweges u.Ä.) abhängig gemacht werden, wenn die Genehmigungserteilung von einer im Ermessen der Behörde stehenden Ausnahme oder Befreiung abhängt, § 36 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Beispiel Ein Auftritt von Tina Turner im Müngersdorfer Stadion ist für die Stadt Köln zu einer kostspieligen Angelegenheit geworden. Auf Anweisung der Bauaufsicht mussten im Hinblick auf das geplante Konzert für 250 000 Euro neue Fluchtwege und andere Sicherheitsanlagen eingebaut werden. Eine Absage des Konzerts wäre allerdings aufgrund zu erwartender Regress-Forderungen des Veranstalters für die Stadt noch teurer gewesen.
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Der Trend im Eventbereich geht immer mehr dahin, für die geplante Veranstaltung ungewöhnliche oder ausgefallene Locations anzumieten. Beispiele Präsentation der neuen Mercedes S-Klasse in stillgelegten 100 Jahre alten Berliner Industriehallen, Diskothek Mudia Art in einem alten Essener Schlachthaus, 60-jähriges Firmenjubiläum von Betty Barclay auf einem alten Postbetriebsgelände in Düsseldorf.
590
Sog. Location-scouts oder Location-hunters durchforsten die deutschen Städte und Gemeinden nach geeigneten Veranstaltungsorten für die geplanten Events.
591
Hat man eine geeignete Location gefunden, reicht es in der Regel nicht, mit dem Eigentümer oder Besitzer einen entsprechenden Mietvertrag für den Veranstaltungszeitraum abzuschließen.4 Für Veranstaltungsörtlichkeiten ist es wichtig, ob diese baulichen Anlagen ihrer Bestimmung nach für die Abhaltung von Veranstaltungen geeignet und bestimmt waren (zB Köln-Arena) oder bisher einem anderen Zweck gedient haben (zB alte Fabrikhallen, Güterbahnhöfe etc.). Eine der großen Eventagenturen hat u.a. das Nilpferdhaus des Berliner Zoos und ein Salzbergwerk in seiner Liste von 3 000 Locations. Für die Veranstaltungsorte, die speziell zur Durchführung von Veranstaltungen aller Art erbaut wurden, gibt es in der Regel keine Genehmigungsprobleme. Anders sieht es aus, wenn – zB im Fall einer Fabrikhalle – die Räume zum ersten Mal für Veranstaltungszwecke genutzt werden.
592
Die Abhaltung einer Veranstaltung auf einem ehemaligen Fabrikgelände stellt eine Nutzungsänderung dar. Die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen über die Zulässigkeit baulicher Anlagen beziehen sich nicht nur auf den Baukörper als solchen, sondern immer auch auf dessen Nutzung.5 Somit ist auch eine Nutzungsänderung idR genehmigungspflichtig. Fehlt eine erforderliche Baugenehmigung, ist das Vorhaben formell illegal. Die Folge kann die Nutzungsuntersagung sein. Welche Folgen die Nutzungsuntersagung für den Veranstalter oder die beauftragte Eventagentur haben kann, veranschaulicht folgender Praxisfall: 4 Siehe dazu auch Rz. 294 ff. 5 Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Band II, § 14 I, S. 195.
186
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Beispiel EvilVents Veranstaltungs-GmbH ist auf der Suche nach einer geeigneten Location für die Durchführung einer Großveranstaltung anlässlich eines Firmenjubiläums. Die Agentur mietet kurzfristig eine alte Fabrikhalle an, da der ursprünglich geplante Veranstaltungsort durch einen Schwelbrand unbenutzbar geworden ist. Organisation und Anmietung von Equipment (Zelte, Bühnen, Teppichboden, Möbel, Licht- und Tonanlage etc.) sind bereits abgeschlossen. Zwei Bands wurden engagiert. 2 000 Gäste aus den Bereichen Geschäftspartner, Vertrieb, Kundschaft, Prominenz und Presse werden geladen. Eine Cateringfirma bereitet 1 000 Hummer vor. Zufällig erfährt der Behördenleiter des zuständigen Bauamtes G. Schlossen von der ungenehmigten Veranstaltung. Da die Veranstaltung bereits zwei Tage später stattfinden soll, kann keine bautechnische Prüfung mehr erfolgen. Kurzerhand verfügt er eine Nutzungsuntersagung. Die Undurchführbarkeit der Veranstaltung verursacht Kosten in Millionenhöhe. Das Equipment und die Künstler müssen bezahlt werden. Die Cateringfirma nimmt die Hummer nicht zurück. Die Veranstaltungsausfallversicherung tritt nicht ein und beruft sich auf die Versicherungsbedingungen, die den Versicherungsnehmer zur Einholung der behördlichen Genehmigungen verpflichten. EvilVents kann Insolvenz anmelden. Die ausrichtende Firma hat anlässlich des Firmenjubiläums schlechte Presse, verärgerte Gäste und einen nicht zu beziffernden Image- und Prestigeverlust.
Zwar ist umstritten, ob für die Nutzungsuntersagung neben der formellen Illegalität – also dem Fehlen einer Baugenehmigung – die materielle Illegalität – Unvereinbarkeit mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften – erforderlich ist. Die meisten Gerichte gehen allerdings davon aus, dass die formelle Illegalität für eine Nutzungsuntersagung ausreicht.6 Dies steht eigentlich im Widerspruch zur Rechtsprechung bei lediglich formell illegaler Errichtung einer baulichen Anlage (Schwarzbau). Dort wird eine Abrissverfügung für unverhältnismäßig gehalten. Begründet wird diese Auffassung aber damit, dass eine Nutzungsuntersagung die Vermögenssubstanz nicht so intensiv treffe, wie ein Abrissgebot.
593
Das OVG Saarlouis vertritt eine differenziertere Meinung. Es kommt zu dem Ergebnis, dass das Fehlen der erforderlichen bauaufsichtlichen Genehmigung den Erlass eines Nutzungsverbots grundsätzlich rechtfertige. Anders sei lediglich dann zu entscheiden, wenn die betreffende Nutzung erst nach ihrer Aufnahme unzulässig wurde und damit bestandsgeschützt ist oder wenn sie den einschlägigen materiell-rechtlichen Vorschriften offensichtlich nicht zuwider läuft.7
594
6 OVG Münster v. 23.9.1988 – 11 B 1739/88, NVwZ-RR 1989, 344; OVG Bremen, BRS 56 Nr. 211; VGH Kassel, NVwZ-RR 1996, 436; VGH Kassel v. 26.7.1994 – 4 TH 1779/93, NVwZ 1995, 922; VGH Kassel v. 15.10.1986 – 3 TH 2544/86, NVwZ 1987, 428; OVG Bautzen v. 13.7.1993 – 1 S 556/92, NVwZ 1994, 919; OVG Bautzen v. 1.3.1993 – 1 S 621/92, LKV 1993, 427 (428); VGH München v. 10.2.1988 – 2 Cs 88.00208, BayVerwBl. 1988, 436; OVG Koblenz v. 22.5.1996 – 8 A 11880/95, BauR 1997, 103; OVG Lüneburg v. 25.4.1994 – 6 M 1926/94, NVwZ-RR 1995, 6; OVG Lüneburg v. 11.7.1996 – 1 M 3191/96, BauR 1996, 690; OVG Weimar, ThürVBl. 1994, 111; BezG Erfurt, ThürVBl. 1992, 137. 7 OVG Saarlouis v. 9.3.1984 – 2 R 175/82, NVwZ 1985, 122; s. aber auch OVG Saarlouis, BRS 49 Nr. 217.
187
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
595
Eine andere Auffassung setzt grundsätzlich sowohl die formelle als auch die materielle Rechtswidrigkeit der jeweiligen Nutzung voraus.8
596
Allein letztere Meinung ist zutreffend. Weder die gesetzlichen Regelungen noch die angeblich geringere wirtschaftliche Bedeutung einer Nutzungsuntersagung rechtfertigen ein Nutzungsverbot aus rein formellen Gesichtspunkten.9 Allein die gesetzliche Reglementierung darf nicht bewirken, dass eine im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben organisierte und geplante Veranstaltung verboten wird. Hier muss es ausreichen, dem Veranstalter oder der Agentur ein Bußgeld aufzuerlegen, um den Formalverstoß zu sanktionieren. Der obige Praxisfall widerlegt auch das Argument, dass eine Nutzungsuntersagung die Vermögenssubstanz der Betroffenen nicht ebenso intensiv treffen kann wie eine Abrissverfügung.
597
In der Praxis wird deutlich, dass auch die Gerichte, die die formelle Rechtswidrigkeit für eine Nutzungsuntersagung ausreichen lassen, auch die materielle Rechtslage überprüfen, um zu verhindern, dass eine genehmigungsfähige Nutzung untersagt wird.10
598
Grundsätzlich kann aber nur dringend die Empfehlung gegeben werden, etwaig erforderliche Genehmigungen frühzeitig einzuholen, um einer Nutzungsuntersagung durch die Behörden vorzubeugen. Die behördliche Absicherung kann auch helfen, um im Vorfeld vorhandene Sicherheitsmängel aufzudecken. Denn auch etwaige Personen- und Sachschäden durch herabstürzende Dekorationsteile oder ähnliches können hohe Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche und einen großen Imageverlust auslösen.11
599
Ein Event ohne Genehmigung durchzuführen ist auch deshalb so gefährlich für die Veranstalter, weil die Behörden ihre Untersagungsverfügung selbst vollstrecken. Die Behörden gehen hauptsächlich aus Gründen der Prävention gegen illegale Nutzungen vor. Bei der Nutzungsuntersagung wird idR aufgrund eines besonderen öffentlichen Interesses die sofortige Vollziehung der Nutzungsuntersagung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, § 6 Abs. 1 VwVG angeordnet, um die Effektivität des bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens zu gewährleisten.12 Will eine Behörde die Nutzung von Räumlichkeiten durch eine ungenehmigte Veranstaltung unterbinden, stehen ihr verschiedene Wege zur Verfügung. Die Auswahl der zur Verfügung stehenden Mittel obliegt dem behördlichen Ermessen. Hier spielt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine entscheidende Rolle.
8 VGH Mannheim v. 22.1.1996 – 8 S 2964/95, DÖV 1996, 750; VGH Mannheim v. 2.3.1993 – 5 S 2091/92, MDR 1993, 1084 = NVwZ 1994, 797; einschränkend VGH Mannheim v. 18.12.1989 – 10 B 3607/89, NVwZ 1990, 480 = NJW 1990, 1134; OVG Berlin v. 23.8.1996 – 2 S 13/96, UPR 1997, 119; OVG Berlin v. 31.1.1996 – 2 S 21/95, UPR 1996, 275. 9 So auch Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Band II, § 14 II b, S. 197. 10 Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Band II, § 14 II b, S. 197. 11 Siehe dazu auch Rz. 625 ff. 12 OVG Münster, BRS 47, 198; OVG Lüneburg, BRS 47, 199.
188
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
In der Regel wird eine Untersagungsverfügung mit Hilfe eines Zwangsgeldes gemäß § 11 VwVG durchgesetzt. Da aber auch die Behörden wissen, dass notfalls dieses Zwangsgeld in Kauf genommen wird, da es in Relation zum drohenden Schaden unbedeutend ist, steht es ihnen frei, sogleich stärkere Mittel einzusetzen.
600
Das stärkste Mittel, welches Behörden für die Durchsetzung einer Nutzungsuntersagung zur Verfügung steht, ist die Versiegelung des Veranstaltungsortes. Dies ist ein eigenständiges Zwangsmittel, für das die Vorschriften des VwVG nicht anwendbar sind.13 Würde sich ein Veranstalter trotz Anbringung eines amtlichen Siegels über das Verbot hinwegsetzen und eröffnet die Veranstaltung, beginge er einen Siegelbruch, der gemäß § 136 Abs. 2 StGB strafbedroht ist. Allerdings kann die Nutzungsuntersagung eines bestimmten Raumes, der anderweitig genutzt werden darf, nicht durch Versiegelung vollstreckt werden.14
601
" Praxistipp: Der richtige Ansprechpartner hinsichtlich der Erteilung von Ge-
nehmigungen bei einer Gemeinde oder Stadt ist das Ordnungsamt. Ein Ordnungsamt findet sich auch in kleineren Gemeinden und besitzt hinsichtlich der Erteilung von Veranstaltungsgenehmigungen eine gewisse Allzuständigkeit. In mittleren und großen Städten sind häufig eine Vielzahl von Behörden am Genehmigungsprozess beteiligt (zB Bauordnungsamt, Liegenschaftsamt, Straßenverkehrsamt, Sportamt, Finanzamt etc.). Ein legaler und in der Praxis bewährter Weg für die Erlangung der erforderlichen Genehmigungen ist es, als erste Behörde nicht das Ordnungsamt zu kontaktieren, sondern den Weg über ein etwaig vorhandenes Fremdenverkehrsamt zu gehen. Ein Fremdenverkehrsamt hat hinsichtlich seiner Kernaufgabe, regionale Vermarktung und Steigerung der Attraktivität einer Gemeinde, eine völlig andere Interessenlage als ein Ordnungsamt, welches zunächst die Probleme sieht, die mit einer Veranstaltung einhergehen können. Ist das Fremdenverkehrsamt „mit im Boot“, hat man es als Veranstalter häufig wesentlich leichter veranstaltungsimmanente Genehmigungsprobleme über eine Kommunikation zwischen den Behörden zu lösen.
a) Versammlungsstättenverordnung Der Ort, an dem Veranstaltungen stattfinden, ist eine Versammlungsstätte. Versammlungsstätten sind als bauliche Anlagen iSv. § 63 BauO NW zu qualifizieren. So müssen Vorschriften über Rettungswege, das Freihalten von Wegen und Flächen, Sicherheitsbeleuchtung und Feuerlösch- und Alarmeinrichtungen beachtet werden. Bei der Versammlungsstättenverordnung handelt es sich um eine Durchführungsverordnung zur Landesbauordnung, die dazu ermächtigt, Vorschriften für bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung festzulegen und für diese Anlagen auch weitere Bauvorlagen, besondere Abnahmen und wiederkehrende Prüfungen zu fordern. Die Landesbauordnungen werden durch die jeweiligen Versammlungsstättenverordnungen (VStättVO) der 13 VGH Kassel, BRS 42, Nr. 228; OVG Lüneburg, BRS 40, Nr. 227. 14 VGH München, BRS 47, Nr. 200.
189
602
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Länder näher ausgefüllt, ergänzt, erleichtert oder erschwert. Sie sollen einerseits dem Schutz von Leib und Leben der Besucher, andererseits aber auch der Mitarbeiter und Mitwirkenden (wie zB Künstlern, Sportlern) dienen. Außerdem werden von anderen Rechtsbereichen wie Immissionsschutz- und Gaststättenrecht Anforderungen an eine Versammlungsstätte gestellt. 603
Zum Jahr 2002 wurde die Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättV) der Fachkommission Bauaufsicht der Europäischen Union vom Mai 200215 erarbeitet. Gegenüber der alten VStättVO von 1978 (130 Paragrafen) war die neue MVStättVO angenehm kurz (48 Paragrafen). Viele Detailregelungen wurden durch unbestimmte Rechtsbegriffe ersetzt. Der Gesetzgeber wollte die Inhalte kürzer und verständlicher fassen und Doppelnennungen und Widersprüche durch die Einbindung nachrangiger Regelwerke vermeiden.16 Ziel dieser Gesetzesvorlage war die Einführung einer einheitlichen Versammlungsstättenverordnung in allen deutschen Bundesländern.17
604
Im Januar 2008 war die MVStättVO in folgenden Bundesländern in Landesrecht umgewandelt worden: Abb. 26: MVStättVO in den deutschen Bundesländern Einführung 1.10.2002
Bundesland
Besonderheiten
Nordrhein-Westfalen
seit 14.11.2006 als Verordnung umgesetzt
1.10.2002
Brandenburg
seit 16.12.2005 neue Fassung
1.10.2002
Hessen
seit 1.1.2006 neue Fassung
1.9.2003 1.10.2003 4.5.2005
Mecklenburg-Vorpommern mit geringen Änderungen Hamburg
mit Änderungen, weitere Änderungen September 2007
Berlin
alte Verordnung außer Kraft gesetzt, am 4.5.2005 wird eine Sonderbau-BetriebsVerordnung (SoBEVO) eingeführt
1.7.2004
Baden-Württemberg
mit Änderungen
1.10.2004
Schleswig-Holstein
mit Änderungen
1.10.2004
Sachsen
mit Änderungen, seit 28.5.2008 neue Fassung
1.2.2005
Niedersachsen
am 22.4.2005 wurden Änderungen vorgenommen
1.1.2008
Bayern
mit Änderungen
Sachsen-Anhalt
die Verordnung sollte im Jahr 2006 umgesetzt werden
15 Abgedruckt in Anhang III. 16 Gerling, Kommentar zur MVStättV 2002, Einführung II unten. 17 Abgedruckt in Anhang III.
190
Teil E
II. Behördliche Genehmigungen Einführung
Bundesland
Besonderheiten
Rheinland-Pfalz
die Verordnung sollte im Jahr 2006 umgesetzt werden
Saarland
die Verordnung von 2002 sollte im Jahr 2006 umgesetzt
Bremen
Musterentwurf von 2002 dient als Arbeitsgrundlage
Thüringen
Umsetzung unklar, Musterentwurf von 2002 wird angewandt, bisher keine Umsetzung in Landesrecht
Die bis heute zögerlichen Bundesländer sollen noch folgen. Allerdings wollen einige der Länder die MVStättVO nur als Versammlungsstätten-Richtlinie (VStättR) einführen. Dies könnte aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Bindungswirkung in der Praxis zu Anwendungs- und Auslegungsproblemen führen.18 Aktuelle Versionen aller Versammlungsstättenverordnungen der deutschen Bundesländer und andere hilfreiche Dokumente finden Sie im Internet auf der Seite des Fachverbandes Deutsche Theatertechnische Gesellschaft e.V. (DTHG) unter http://www.dthg.de/service/mvstaettv/. Gleichzeitig mit der Versammlungsstättenverordnung wurde die Verordnung über den Bau und Betrieb von Beherbergungsstätten in NRW (Beherbergungsstättenverordnung – BeVO) eingeführt und die Verordnung über bautechnische Prüfungen und die Technische Prüfverordnung geändert. Im Gegenzug wurde die alte Versammlungsstättenverordnung vom 1.7.1969 (letzte Änderung am 20.2.2000) und die Verordnungen über technische Bühnen- und Studiofachkräfte vom 9.12.1983 (letzte Änderung am 17.6.1999) sowie die alte Gaststättenbauverordnung vom 9.12.1983 (letzte Änderung am 20.2.2000) aufgehoben.
605
Eine Versammlungsstätte wird in § 2 Abs. 1 MVStättVO als bauliche Anlage oder Teil einer baulichen Anlage definiert, die für die gleichzeitige Anwesenheit vieler Menschen bei Veranstaltungen insbesondere erzieherischer, wirtschaftlicher, geselliger, kultureller, künstlerischer, politischer, sportlicher oder unterhaltender Art bestimmt sind, sowie Schank- und Speisewirtschaften.
606
Abb. 27: Anwendungsbereich der MVStättVO gemäß § 1 Abs. 3 MStättVO anwendbar
MStättVO nicht anwendbar
Konzerte, Theater in Kirchen
Gottesdienste in Kirchen
Konzerte, Theater in Schulen
Klassen, Pausenhallen in Schulen
Matineen, Konzerte in Museen
Ausstellungsräume in Museen
Veranstaltungen in fliegenden Bauten
Fliegende Bauten, zB Zelte
18 Gerling, Kommentar zur MVStättV 2002, Vorwort zur 2. Aufl.
191
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
607
Wenn im nachfolgenden Text Vorschriften der Versammlungsstättenverordnung zitiert werden, stammen diese aus der entsprechenden Verordnung für Nordrhein-Westfalen. Die Bestimmungen der Versammlungsstättenverordnungen der verschiedenen Bundesländer weichen allerdings im Wesentlichen nicht voneinander ab.
608
Die Vorschriften der MVStättVO gelten gemäß § 1 Abs. 1 MVStättVO für den Bau und Betrieb von: Versammlungsstätten und Gaststätten
bei einer Besucherzahl von mehr als
mit einzelnen Versammlungsräumen mit mehreren Versammlungsräumen bei gemeinsamen Rettungswegen
200 200
im Freien
1 000
in Sportstadien
5 000
Der Begriff des Besuchers einer Versammlungsstätte entspricht den Begriffen Zuschauer, Zuhörer und meint Personen, die über eine bezahlte oder kostenlose Eintrittskarte verfügen oder über eine andere Einlasskontrolle Zutritt zur Veranstaltung haben sowie die Gäste in einer Gast- oder Speisewirtschaft, Kantine oder Mensa.19 Organisatoren, Musiker, Künstler, Ordner, Techniker und Servicepersonal sind somit ausgenommen. 609
§ 2 Abs. 2–14 MVStättVO enthält Legaldefinitionen für die Begriffe: Erdgeschossige Versammlungsstätte, Versammlungsraum, Szenenfläche, Bühnenhaus, Mehrzweckhalle, Studio, Foyer, Ausstattung, Requisite, Ausschmückung, Sportstadion, Tribüne und Innenbereich. Sportflächen mit permanenter oder zeitweiliger Überdachung (zB Auf Schalke-Arena Gelsenkirchen) werden nicht als Sportstadien iSv. Abs. 12 klassifiziert, sondern fallen unter die strengeren Vorschriften für Mehrzweckhallen nach Abs. 6.20
610
Die Regelungsbereiche der verschiedenen VStättVOen sind vielfältig. Ein Bestuhlungsplan schreibt vor, dass in Reihen angeordnete Sitzplätze unverrückbar befestigt sein müssen. Eine ausreichende Anzahl und Führung von Rettungswegen muss je nach Größe der Location vorliegen. Für Kleiderablagen müssen unverrückbare Ausgabetische vorhanden sein. Sicherheitsbeleuchtungen und Rauchabzüge werden vorgeschrieben. Dämmstoffe dürfen nur aus nicht brennbaren Stoff bestehen, Vorhänge mindestens aus schwer entflammbarem Material. Die Anwesenheit eines Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik (VfV), der eine Befähigung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1–4 MVStättVO erworben haben muss, kann vorgeschrieben sein, vgl. § 38 ff. MVStättVO.
610a
Mitte 2005 wurde die MVStättVO noch einmal überarbeitet. Neben Anpassungen im Anwendungsbereich wurde die wesentlichste Veränderung in Bezug auf die Verantwortlichkeit und die Anwesenheitspflicht von Verantwortlichen vor19 Gerling, Kommentar zur MVStättV 2002, S. 6. 20 Gerling, Kommentar zur MVStättV 2002, S. 11.
192
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
genommen (sog. Betreiberhaftung). Die MVStättVO ist nunmehr in sieben Teile untergliedert, die wiederum in verschiedene Abschnitte unterteilt sind:21 Teil 1 Allgemeine Vorschriften Teil 2 Allgemeine Bauvorschriften Abschnitt 1 Bauteile und Baustoffe Abschnitt 2 Rettungswege Abschnitt 3 Besucherplätze und Einrichtungen für Besucherinnen und Besucher Abschnitt 4 Technische Anlagen und Einrichtungen, besondere Räume Teil 3 Besondere Bauvorschriften Abschnitt 1 Großbühnen Abschnitt 2 Versammlungsstätten mit mehr als 5 000 Besucherplätzen Teil 4 Betriebsvorschriften Abschnitt 1 Rettungswege, Besucherplätze Abschnitt 2 Brandverhütung Abschnitt 3 Betrieb technischer Einrichtungen Abschnitt 4 Verantwortliche Personen, besondere Betriebsvorschriften Teil 5 Zusätzliche Bauvorlagen Teil 6 Bestehende Versammlungsstätten Teil 7 Schlussvorschriften In der Neufassung werden auch Personen einbezogen, die nach landesrechtlicher Regelung die Tätigkeit ohne Befähigungszeugnis ausüben durften. Dies sind nur solche Personen, die ausdrücklich diese Aufgabe ohne Befähigungszeugnis ausüben durften und außerdem diese Tätigkeit in den letzten drei Jahren in einer Versammlungsstätte iS der MVStättVO ausgeübt haben. Nach der VStättVO muss ab sofort bei Auf- oder Abbau, wesentlichen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten und technischen Proben auf Großbühnen oder Szenenflächen mit mehr als 200 Quadratmetern (ausgenommen Mehrzweckhallen mit nicht mehr als 5 000 Besucherplätzen) ein Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik anwesend sein. Bei Generalproben, Veranstaltungen, Sendungen oder Aufzeichnungen von Veranstaltungen auf Großbühnen oder Szenenflächen mit mehr als 200 qm Grundfläche sind sogar zwei Verantwortliche für Veranstaltungstechnik unterschiedlicher Fachrichtung (Bühne/Studio beziehungsweise Halle und Beleuchtung) vorgeschrieben. Die VStättVO ersetzt hier die bisherige Verordnung über technische Fachkräfte (TFaVO). An die Stelle der „Technischen Fachkraft“ tritt nun die Bezeichnung „Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik“. Zuwiderhandlungen können mit einem Bußgeld geahndet werden. Der Verantwortliche für Veranstaltungstechnik muss mit den bühnen-, studiound beleuchtungstechnischen und sonstigen technischen Einrichtungen der
21 Im Anhang III dieses Handbuches ist der Text der neuen MVStättVO abgedruckt.
193
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Versammlungsstätte vertraut sein und deren Sicherheit und Funktionsfähigkeit, insbesondere hinsichtlich des Brandschutzes, während des Betriebes gewährleisten. Als Verantwortliche für Veranstaltungstechnik gemäß §§ 39, 40 MVStättVO gelten: – die „Geprüften Meister für Veranstaltungstechnik/Geprüften Meisterinnen für Veranstaltungstechnik“ der Fachrichtungen Bühne/Studio, Beleuchtung oder Halle, – technische Fachkräfte mit bestandenem fachrichtungsspezifischen Teil der Prüfung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 iVm. den §§ 5, 6 oder 7 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss „Geprüfter Meister für Veranstaltungstechnik/Geprüfte Meisterin für Veranstaltungstechnik“ in den Fachrichtungen Bühne/Studio, Beleuchtung, Halle in der jeweiligen Fachrichtung, – Hochschulabsolventen und Hochschulabsolventinnen mit berufsqualifizierendem Hochschulabschluss der Fachrichtung Theater- oder Veranstaltungstechnik mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung im technischen Betrieb von Bühnen, Studios oder Mehrzweckhallen in der jeweiligen Fachrichtung, denen die nach der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss „Geprüfter Meister für Veranstaltungstechnik/Geprüfte Meisterin für Veranstaltungstechnik“ in den Fachrichtungen Bühne/Studio, Beleuchtung, Halle zuständige Stelle ein Befähigungszeugnis nach Anlage 1 ausgestellt hat, – technische Bühnen- und Studiofachkräfte, die das Befähigungszeugnis nach der bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung geltenden „Verordnung über technische Fachkräfte (TFaVO)“ erworben haben. – Personen mit ausländischen Berufsabschlüssen (zB im Theaterwesen, insbesondere aus Österreich oder der Schweiz) können nur dann die Aufgaben eines Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik wahrnehmen, wenn sie über einen ausländischen Berufsabschluss als Bühnenmeisterin oder Bühnenmeister verfügen, der vom zuständigen Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit als dem „Geprüften Meister für Veranstaltungstechnik/Geprüfte Meisterin für Veranstaltungstechnik“ in der jeweiligen Fachrichtung gleichwertig anerkannt ist. Ein ausländischer Studienabschluss muss vom für das Hochschulwesen zuständigen Landesminister gegenüber dem Studienabschluss der Fachrichtung Theater- und Veranstaltungstechnik als gleichwertig anerkannt sein. Personen mit anderen ausländischen Berufsabschlüssen müssen sich der fachspezifischen Prüfung unterziehen. Wollen Personen mit ausländischen Berufsabschlüssen als Verantwortliche für Veranstaltungstechnik tätig werden, so müssen sie neben der anerkannten fachlich gleichwertigen Berufsausbildung auch ausreichende Kenntnisse der für Versammlungsstätten einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere des Bauordnungsrechts und der Unfallverhütungsvorschriften nachweisen. Ein ausländischer Studienabschluss muss vom für das Hochschulwesen zuständigen Landesminister gegenüber dem Studienabschluss der Fachrichtung Theaterund Veranstaltungstechnik als gleichwertig anerkannt sein. Personen mit anderen ausländischen Berufsabschlüssen müssen sich der fachspezifischen Prüfung unterziehen. 194
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Für die Notwendigkeit Verantwortliche für Veranstaltungstechnik einzusetzen wird jetzt das Vorhandensein einer entsprechenden Gefährdung vorausgesetzt. Der verantwortliche Betreiber soll selbst beurteilen, ob er bei einer Veranstaltung ohne Gefährdungspotential auf die Anwesenheit eines VfV verzichtet und lediglich eine aufsichtführende Person einsetzt. Um eine solche Entscheidung zu treffen muss mit einer Gefährdungsanalyse nachweislich festgestellt werden, ob die Versammlungsstätte und die spezielle Veranstaltung ohne Gefahrenpotential ist. Ob diese Neuregelung dazu geeignet ist, mehr Transparenz in Bezug auf die Verantwortlichkeit bei Versammlungsstätten zu bringen, darf aber bezweifelt werden. In § 7 MVStättVO wurde hinsichtlich der Rettungswegbreite statt 200 m2 Grundfläche der Schwellenwert 200 Besucherplätze eingeführt, dies kann im Einzelfall ein strengerer Maßstab sein. § 29 MVStättVO wurde dahingehend verändert, dass die notwendigen Abschrankungen die Beschränkung je Stehplatzbereich auf 1 000 Besucherplätze entfallen, gleichzeitig wurde in § 32 MVStättVO die Anwendung des § 29 MVStättVO auch auf Versammlungsstätten mit weniger als 5 000 Besucherplätzen erweitert, wenn es nach Art der Veranstaltung erforderlich ist. Danach ist bei Stehplatzbereichen vor einer Szenenfläche immer eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.22 Beispiel Die Wichtigkeit gesetzlicher Regelungen für Veranstaltungsorte wird deutlich, wenn man die Konsequenzen fehlender Sicherheitsvorkehrungen gepaart mit Fahrlässigkeit der Veranstalter betrachtet. Bei einer „Zoo-Party“ mit 1 000 Gästen in der Diskothek „Utopia“ Mitte 2002 in der peruanischen Hauptstadt Lima wurden 28 Besucher getötet und 50 verletzt. Der Barkeeper verschätzte sich bei einer Feuerwerksvorführung und setzte die Decke der Diskothek in Brand. In Panik geratene Angestellte versuchten das Feuer mit alkoholischen Getränken zu löschen. In der Diskothek gab es weder Feuerlöscher noch eine ausreichende Beschilderung von Notausgängen.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gibt mit den „Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesligaspielen“ den Vereinen Hilfestellung hinsichtlich der Einhaltung aller baulichen, technischen, organisatorischen und betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen innerhalb und außerhalb der Sportstadien. Diese Richtlinien hatten auch Einfluss auf die Regelungen der §§ 26 ff. MVStättVO.
611
b) Aufstellen von Festzelten, Fahrgeschäften, Tribünen und Verkaufsständen Wenn für Zuschauer Karussells und andere Fahrgeschäfte oder für ein Rahmenprogramm ein Festzelt und eine Bühne aufgestellt werden, müssen auch hier zum einen die Landesbau- und die Versammlungsstättenverordnung und zum anderen die Gewerbeordnung und die Richtlinien über den Bau und Betrieb von fliegenden Bauten beachtet werden. Die erforderlichen Genehmigungen können beim zuständigen Bauamt eingeholt werden. 22 Vgl. Scherffig, Vergleich der MVStättV Fassung Juni 2005 zur Fassung Mai 2002, unter www.dthg.de (Kategorie „Service“, „MVStättV“)
195
612
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
613
Für Bühnen, Tribünen oder Start-/Zieltürme werden korrekte bautechnische Zeichnungen, die alle Statik- und Belastungsberechnungen beinhalten, benötigt. Sie sind bei der Bauprüfabteilung des zuständigen Bezirks-/Ortsamtes einzureichen.
614
Die Fahrgeschäfte werden von der zuständigen Bauordnungsbehörde und dem technischen Überwachungsverein (TÜV) anhand der DIN-Normen für Statik, Elektrik und Elektronik überprüft. In Köln, Essen und München gibt es auf Fahrgeschäfte spezialisierte Überwachungsvereine. Vor der Zulassung der immer schneller und spektakulärer werdenden Fahrgeschäfte wie Achterbahnen oder Freefall-Türmen werden akribische Testserien mit Sandsäcken und Computersimulationen durchgeführt. Erst nach erfolgreicher Absolvierung der Tests bekommt die einzelne Anlage ein sog. Baubuch und eine Zulassung für zwei Jahre. Nach Ablauf der zwei Jahre ist die erneute Erstellung eines elektrischen und eines statischen Gutachtens erforderlich. Außerdem erfolgt nach jedem Neuaufbau eine Kurzprüfung durch die kommunalen Bauordnungsämter. Bauteile wie Treppenaufgänge und Sockel, die sich bei den verschiedenen Kirmesplätzen ändern, werden noch mal gecheckt. Weiterhin wird die Gültigkeit des Baubuches überprüft. Zusätzlich zu den baulichen Anforderungen muss der ein Fahrgeschäft betreibende Schausteller einen Karussell-Führerschein bei der Mannheimer Berufsgenossenschaft ablegen.
615
Bei Festzelten handelt es sich nicht um Bauwerke sondern um sog. „fliegende Bauten“. Für deren Errichtung muss daher keine Baugenehmigung eingeholt werden. Allerdings bedürfen auch Festzelte zum Schutze von Besuchern und Personal einer sog. Herstellungsgenehmigung oder Ausführungsgenehmigung in Form eines Prüfbuches.
616
Verkaufsstände sind weder Bauwerke noch fliegende Bauten. Daher wird für Verkaufsstände in einfacher Bauart auch keine Baugenehmigung verlangt. Wenn Verkaufsstände auf öffentlichen Plätzen oder im öffentlichen Straßenraum errichtet werden sollen, genügt eine Aufstellungsgenehmigung des zuständigen Ordnungsamtes.23
617
Verstößt ein Veranstalter gegen Bauordnungsvorschriften oder Sicherheitsvorschriften der VStättVO, kann dies zur Untersagung des geplanten Events führen oder gemäß § 47 VStättVO iVm. § 84 Abs. 1 Nr. 20 BauO NW mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro geahndet werden.
2. Gewerbeordnung/Ladenschluss 618
Auch die Gewerbeordnung (GewO) spielt im Veranstaltungsrecht eine Rolle.
619
Nach § 60b Abs. 1 GewO sind Volksfeste anzeigepflichtig. Ein Volksfest iS dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine im Allgemeinen regelmäßig wiederkeh-
23 Siehe dazu Rz. 630 ff. und 636 ff.
196
Teil E
II. Behördliche Genehmigungen
rende, zeitlich begrenzte Veranstaltung vorliegt, auf der eine Vielzahl von Anbietern unterhaltende Tätigkeiten iS von § 55 Abs. 1 Nr. 2 GewO ausübt und Waren feilbietet, die üblicherweise auf Veranstaltungen dieser Art angeboten werden. Der Veranstalter muss sich daher drei Wochen vor Beginn der Veranstaltung unter Angabe seines vollen Namens, seiner Anschrift, sowie von Ort und Zeit der Veranstaltung bei der für den Veranstaltungsort zuständigen Behörde schriftlich anmelden, § 60b Abs. 3 GewO.
u
Anzeige zur Veranstaltung eines Volksfestes nach § 60b GewO
M 17
Angaben zur Veranstalterin/zum Veranstalter (natürliche Personen) Name
Vorname
Geburtsname
Staatsangehörigkeit
Geburtsdatum
Geburtsort
Straße, Hausnummer
Telefon
PLZ
Ort
Bei Ausländern: Aufenthaltserlaubnis erteilt bis
durch Behörde
Auflagen und Beschränkungen
Angaben zur Veranstalterin/zum Veranstalter (juristische Personen) Im Handelsregister eingetragener Name
Ort und Nr. der Eintragung im Handelsregister
Name des gesetzlichen Vertreters
Vorname
Geburtsname
Staatsangehörigkeit
Geburtsdatum
Geburtsort
Straße, Hausnummer
Telefon
PLZ
Ort
Bei Ausländern: Aufenthaltserlaubnis erteilt bis
durch Behörde
Auflagen und Beschränkungen
Mit der Leitung beauftragte Person Name
Vorname
Geburtsname
Staatsangehörigkeit
Geburtsdatum
Geburtsort
Straße, Hausnummer
Telefon
PLZ
Ort
197
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Anbieter/Tätigkeiten
Anzahl
Gewerbetreibende mit unterhaltenden Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart Gewerbetreibende mit unterhaltenden Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart, die mit besonderen Gefahren verbunden sind (§ 55 f GewO iVm. § 1 Abs. 2 Schaustellerhaftpflichtverordnung) Gewerbetreibende zum Feilbieten von Waren Gewerbetreibende zum Veranstalten von Spielen Gewerbetreibende zum Verabreichen von Getränken und/oder zubereiteten Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle
Durchführung Bezeichnung der Veranstaltung vom/bis Zeit der Veranstaltung (Uhrzeit des Beginns und des Endes) Öffnungszeiten (einmalig, regelmäßige Wiederkehr) Häufigkeit der Durchführung (einmalig, längerer Zeitraum, auf Dauer) Ort, Platz (Anschrift) der Durchführung
Teilnahmebestimmungen Schriftliche Teilnahmebestimmungen werden herausgegeben
l Ja, (bitte beifügen) l Nein
Führungszeugnis/Auskunft aus dem Gewerbezentralregister Für l den Veranstalter l den gesetzlichen Vertreter Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde
l beigefügt
l beantragt bei (Behörde)
Auskunft aus dem Gewerbezentralregister
l beigefügt
l beantragt bei (Behörde)
Lagepläne – soweit erforderlich
l beigefügt
l nicht beigefügt
Unterschrift
198
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Im Rahmen der Prüfung der Festlegung nach §§ 60b, 69 GewO prüft die Behörde immer auch inwieweit eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft gegeben sein wird.24 Beispiel Nach Ansicht des OVG Münster dürfen die Öffnungszeiten eines vier Tage dauernden Schützenfestes mit Kirmes, das ohne planungsrechtliche Grundlage auf einen von Wohnbebauung umgebenen Platz verlegt wird, im Durchschnitt nicht über 24.00 Uhr hinaus festgesetzt werden.25 Wenn diese Zeitbeschränkung an einzelnen Tagen aus zwingenden Gründen nicht eingehalten werden kann, muss nach Auffassung des Gerichts an den anderen Festtagen ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden. Beispiel Das OLG Karlsruhe entschied in einem anderen Fall, dass die Veranstaltung von drei geräuschintensiven Volksfesten im Jahr in einem ansonsten ruhigen Wohngebiet eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 BGB darstellt.26
Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 GewO kann in bestimmten Fällen auch eine Festsetzung für einen längeren Zeitraum oder auf Dauer erfolgen.
620
Für Messen Ausstellungen und Märkte gelten die Bestimmungen der §§ 64 ff. GewO. Die einzelnen Veranstaltungen sind dort genau definiert. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erfolgt auf Antrag des Veranstalters eine Festsetzung der Veranstaltung in Bezug auf Gegenstand, Zeit, Öffnungszeiten und Platz, § 69 Abs. 1 Satz 1 GewO.
621
Gemäß § 60a Abs. 2 GewO kann auch die Veranstaltung von Spielen beim jeweils zuständigen Gewerbeamt genehmigungspflichtig sein, wenn im Reisegewerbe ein anderes Spiel im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 veranstaltet wird. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Veranstalter eine von dem für seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen von dem für seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständigen Landeskriminalamt erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung oder einen Abdruck der Unbedenklichkeitsbescheinigung im Sinne des § 33e Abs. 4 GewO besitzt.
621a
Seit dem 1.11.2006 gilt das neue Ladenschlussgesetz. Durch die Änderungen in Bezug auf die Öffnungszeiten (§ 3 Abs. 1 LadschlG):
621b
montags bis samstags 0.00–24.00 Uhr wurde das Einkaufen für die berufstätige Bevölkerung in den meisten Bundesländern deutlich angenehmer gestaltet. Die Ladenbesitzer in den Bundesländern, in denen die Liberalisierung bereits in Landesrecht umgesetzt wurde, können von Montag bis Samstag selbst bestimmen, wie lange sie ihren Laden geöffnet haben; je nach den Bedürfnissen ihrer 24 BGH v. 23.3.1990 – V ZR 58/89, NJW 1990, 2465 = NVwZ 1990, 1104 = BGHZ 111, 63; OVG Münster v. 29.7.1983 – 4 A 1063/82, NVwZ 1984, 531. 25 OVG Münster v. 29.7.1983 – 4 A 1063/82, NVwZ 1984, 531; OVG Münster v. 23.5.1985 – 4 A 1645/84, NVwZ 1986, 64. 26 OLG Karlsruhe, MDR 1967, 662.
199
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Kundschaft. So wäre zum Beispiel denkbar, dass kleine, familiengeführte Geschäfte auf dem Land noch spätabends offen haben, um ihren Kunden entgegen zu kommen. Tankstellen und Kioske bewegen sich nicht mehr in einer rechtlichen Grauzone mit ihren Verkäufen mitten in der Nacht. An bis zu vier Sonntagen dürfen die Kommunen außerdem jährlich vier verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage genehmigen. Eine Ladenöffnung außerhalb der geregelten Öffnungszeiten, also an den übrigen Sonn- und Feiertagen ist nach wie vor unzulässig und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 2 500 Euro geahndet werden kann, § 24 LadschlG. Bedeutsam, wenn auch nicht rechtsverbindlich, sind die lokalen Absprachen auf der Ebene der verschiedenen IHK-Vertretungen. Beispiel In einer Entscheidung aus dem Jahre 1998 sah das Oberverwaltungsgericht Magdeburg kein dringendes öffentliches Interesse für die verkürzte Ladenschlusszeit während der Bundesgartenschau.27 § 23 Abs. 1 Satz 1 LadschlG setze ein Versorgungsinteresse voraus. Das Interesse der Buga-Besucher im gesamten Stadtgebiet von Magdeburg Waren aller Art einkaufen zu können, sei ein allgemeines Interesse, welches nicht durch die Veranstaltung der Bundesgartenschau ausgelöst würde.
622
Früher waren die Ladenöffnungszeiten auch in der Woche über das Ladenschlussgesetz (LadschlG) bundesweit streng reglementiert. Aufgrund des Drucks der großen Kaufhausketten und der Vorbilder im europäischen Ausland wurde auch das deutsche Ladenschlussgesetz über die Jahre liberalisiert. Am 9. Juni 2004 hat das BVerfG die Klage der Kaufhauskette gegen das Ladenschlussgesetz abgelehnt und das Ladenschlussgesetz für verfassungsgemäß erklärt, gleichzeitig aber klargestellt, dass „eine bundesrechtliche Regelung des Ladenschlusses für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet nicht erforderlich“
sei. 623
Damit hat das BVerfG den Ladenschluss zu einem Länderthema gemacht. Auf Initiative des Landes Baden-Württemberg hat der Bundesrat am 24.9.2004 mit Zustimmung von 10 Bundesländern eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, die Ladenschlussregelung in die Kompetenz der Länder zu geben. Als erstes Land hat Berlin ein entsprechendes Gesetz am 9.11.2006 verabschiedet, es folgten Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz am 16.11., Hessen am 23.11. und Thüringen am 24.11.2006.
624
Hier eine Übersicht über die Gesetzeslage in den einzelnen Bundesländern (Stand 1.12.2008): Baden-Württemberg (seit 6.3.2007): 6 × 24-Regelung; die Zahl verkaufsoffener Sonntage sind auf drei im Jahr beschränkt. Von diesen sind die Adventssonntage, der Pfingst- und der Ostersonntag und die Weihnachtsfeiertage ausgenommen. 27 OVG Magdeburg v. 23.4.1999 – B 1 S 43–99, NJW 1999, 2539 = NVwZ 1990, 1016.
200
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Bayern: In Bayern ist noch die LSchlV vom 21.5.2003 in Kraft, die auf dem LSchlG vom 1.1.1964 beruht. Die Läden schließen bis auf weiteres um 20 Uhr. Es gibt maximal vier verkaufsoffene Sonntage. Im Jahr 2008 hat die CSU ihre absolute Mehrheit eingebüßt, der Koalitionspartner FDP drängt seither auf eine Lockerung der Ladenschlusszeiten. Berlin (seit 15.11.2006): 6 × 24-Regelung; an den Adventssonntagen ist eine Ladenöffnungszeit von 13 bis 20 Uhr vorgesehen. Vier zusätzliche Sonntage werden von der Stadt bestimmt (idR zu besonderen Veranstaltungen wie Messen) und zwei weitere können von jedem einzelnen Händler zu besonderen Anlässen wie Straßenfesten oder Jubiläen gewählt werden. Die Regelung für Touristengebiete wurde auf ganz Berlin ausgedehnt. Brandenburg (seit 1.12.2006): 6 × 24 Regelung; die Anzahl der verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage wurde auf 6 pro Jahr erhöht, die in der Zeit von 13–20 Uhr stattfinden dürfen, jedoch nicht an Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Volkstrauertag, Totensonntag und Feiertagen im Dezember. Bremen (seit 1.4.2007): 6 × 24-Regelung; die Regelungen für Sonn- und Feiertage sollen unverändert bleiben. Hamburg (seit 1.1.2007): 6 × 24-Regelung; die Regelungen für Sonn- und Feiertage bleiben bei 4 Sonntagen, diese dürfen jedoch nicht mehr an Feiertagen oder stillen Tagen stattfinden. Hessen (seit 1.12.2006): 6 × 24-Regelung; die Regelungen für Sonn- und Feiertage bleiben unverändert. Die Kommunen dürfen pro Jahr 4 Sonn- und Feiertage festlegen, an denen die Geschäfte unter Berücksichtigung der Hauptgottesdienstzeiten bis zu sechs Stunden öffnen dürfen (nicht an Adventssonntagen, am Totensonntag und Volkstrauertag, Karfreitag, Ostersonntag, Ostermontag, Pfingstsonntag, Pfingstmontag, Fronleichnam, 1. und 2. Weihnachtsfeiertag). Mecklenburg-Vorpommern (seit 2.7.2007): montags bis freitags ohne zeitliche Begrenzung und samstags von 0.00 bis 22.00 Uhr. Aus besonderem Anlass ist an vier Samstagen im Jahr der gewerbliche Verkauf bis 24.00 Uhr zulässig, 4 verkaufsoffene Sonntage. Niedersachsen (seit 1.4.2007): 6 × 24-Regelung, sonntags geschlossen, 4 verkaufsoffene Sonn- und Feiertage für die Dauer von 5 Stunden (ausgenommen: Karfreitag, Ostersonntag und -montag, Himmelfahrt, Pfingstsonntag und -montag, Volkstrauertag, Totensonntag sowie die Adventssonntage und den 1. und 2. Weihnachtsfeiertag). Nordrhein-Westfalen (seit 21.11.2006): 6 × 24-Regelung; die Regelungen für Sonn- und Feiertage entsprechen weitgehend dem früher gültigen Bundesrecht. Ein verkaufsoffener Sonntag darf im Dezember liegen, keine verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage sind erlaubt am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Karfreitag, Allerheiligen, Volkstrauertag, Totensonntag. Rheinland-Pfalz (seit 29.11.2006): Nach dem Ladenöffnungsgesetz dürfen Verkaufsstellen Montag bis Samstag von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr geöffnet sein. 201
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Die Regelungen für Sonn- und Feiertage bleiben dem ehemaligen Bundesrecht gegenüber weitgehend unverändert bei vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Jahr, jedoch nicht an Feiertagen. Weiterhin kann es an Werktagen bis zu acht Einkaufsnächte pro Jahr geben. Saarland (seit 15.11.2006): geringe Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage. Die Öffnungszeiten bleiben bei 20 Uhr von Montag bis Samstag. An höchstens einem Tag im Jahr kann aus besonderem Anlass bis 24 Uhr geöffnet werden. Es sind 4 verkaufsoffene Sonn- und Feiertage erlaubt, jedoch nicht an Neujahr, Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Totensonntag und Volkstrauertag. Liegt der 1. Advent im Dezember, ist zu diesem Termin ein verkaufsoffener Sonntag erlaubt. Sachsen (seit 1.4.2007): Öffnungszeiten von Montag bis Samstag 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr. An fünf Werktagen im Jahr darf 24 Stunden geöffnet werden. Zudem sind vier verkaufsoffene Sonntage mit Öffnungszeiten von 12:00 bis 18:00 Uhr möglich. Sachsen-Anhalt (seit 30.11.2006): 6 × 24-Regelung; die Regelungen für Sonnund Feiertage entsprechen mit vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Jahr weitgehend dem bisherigen Bundesrecht. Schleswig-Holstein (seit 1.12.2006): 6 × 24-Regelung; die Regelungen für Sonnund Feiertage entsprechen mit vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Jahr weitgehend dem bisherigen Bundesrecht. Thüringen (seit 24.11.2006): Nach dem Ladenöffnungsgesetz dürfen Verkaufsstellen montags bis freitags 24 Stunden und samstags von 0:00 bis 20:00 Uhr geöffnet sein. Die Regelungen für Sonn- und Feiertage entsprechen mit vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Jahr weitgehend dem bisherigen Bundesrecht. Das Ladenschlussgesetz findet Anwendung auf jede Art von Verkauf von sog. Verkaufsstellen (§ 1 LadschlG). Außerhalb der normalen Ladenöffnungszeiten, insbesondere am Sonntag ist eine Öffnung nur dann zulässig, wenn gewährleistet wird, dass nur ein Verkauf an einen beschränkten, nicht allgemein zugänglichen Kreis (zB Vereinsmitglieder) erfolgt. 625
Die Festsetzung kann gemäß § 69a GewO in gewissen Fällen von der Behörde abgelehnt oder von Auflagen abhängig gemacht werden.
626
Nach § 70 Abs. 1 GewO ist jedermann, der dem Teilnehmerkreis der fest gesetzten Veranstaltung angehört, nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt.
627
Allerdings kann die Veranstaltung – sofern zur Erreichung des Veranstaltungszwecks erforderlich und sachlich gerechtfertigt – auf bestimmte Ausstellergruppen, Anbietergruppen und Besuchergruppen beschränkt werden, § 70 Abs. 2 GewO.
628
Auch der Ausschluss einzelner Aussteller, Anbieter und Besucher ist unter Angabe sachlich gerechtfertigter Gründe möglich, insbesondere bei unzureichendem Platz auf dem Veranstaltungsgelände, § 70 Abs. 3 GewO. 202
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Beispiel Der Besitzer eines Hochfahrgeschäftes 5er-Looping bewarb sich für die Zulassung zu einer Kirmes. Der Kirmesveranstalter wies die Bewerbung des Schaustellers mit der Begründung zurück, dass nur ein Bereich mit maximaler Frontlänge von 76 m für eine Achterbahn zur Verfügung stünde, die Bahn des Bewerbers habe aber eine 85 m lange Front. Da eine Alternativfläche nicht zur Verfügung stand, wies der Veranstalter den Achterbahnbetreiber zurück. Das OVG Münster erachtete diese Ablehnung als rechtens, weil, unabhängig von Attraktivitätsgesichtspunkten, auch die Platzkonzeption für ein Volksfest im pflichtgemäßen Ermessen des Veranstalters steht.28 Im Interesse der Gesamtkonzeption könne daher auch ein im Vergleich mit anderen Ausstellern attraktiveres Fahrgeschäft aus Raumgründen zurückgewiesen werden, um ein ausgewogenes Angebot verschiedener Betriebsarten zu gewährleisten.
Gemäß § 71 Satz 1 GewO kann der Veranstalter bei Volksfesten, Wochenmärkten und Jahrmärkten eine Vergütung für die Überlassung von Raum und Ständen und für die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen und Versorgungsleistungen einschließlich der Abfallbeseitigung fordern. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann er im Fall von Volksfesten und Jahrmärkten darüber hinaus eine Beteiligung an den Werbekosten verlangen.
629
Der Verkauf von Eintrittskarten vor Fußballstadien ist nach einer Entscheidung des OVG Münster gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1h GewO als Vertrieb von Wertpapieren einzustufen und damit verboten.29 Eintrittskarten sind kleine Inhaberpapiere iS von § 807 BGB und gehören damit nach herrschender Auffassung30 zu den Wertpapieren, da die Fortschritte im Bereich der Kopiertechnik und beim Einsatz von Bildbearbeitungsprogrammen die Gefahr von Verfälschungen stark erhöht haben.
629a
3. Sondernutzungsgenehmigungen Eine Vielzahl von Veranstaltungen werden auf öffentlichen Wegen und Plätzen durchgeführt (zB Radrennen, Straßenläufe, Musikantenumzüge, Trödelmärkte, Karnevalsumzüge, Schützenfeste etc.). Hierbei kommt es aufgrund der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmer zu einer Einschränkung des ortsüblichen Verkehrs. Auch das Aufstellen von Verkaufsständen und das Aufhängen oder Aufstellen von Veranstaltungsplakaten kann eine genehmigungs- und gebührenpflichtige Sondernutzung darstellen. Findet der Event auf öffentlich-rechtlichem Eigentum statt, etwa auf einem Marktplatz oder in einem Stadion der jeweiligen Kommune, muss daher eine Sondernutzungsgenehmigung bei der jeweiligen Gemeindeverwaltung (idR Straßenbaubehörde) eingeholt werden, § 18 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NW). Denn die dem Gemeingebrauch gewidmeten öffentlichen Flächen unterliegen 28 OVG Münster v. 10.7.1991 – 4 B 1635/91, NVwZ-RR 1992, 477 = GewA 1991, 435. 29 OVG Münster v. 3.3.2006 – 4 B 1929/05, NJW 2006, 2137. 30 BayObLG, v. 27.2.1979 – 3 ob OWi 101/78, NJW 1979, 1314; VGH München v. 14.2.1978 – 315 VII/75, NJW 1978, 2052; OLG Stuttgart, GewA 1988, 330; OLG Hamm v. 24.11.1993 – 3 Ss Owi 279/93, GewA 1994, 168.
203
630
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
bei Nutzung durch einen einzelnen Veranstalter, der die Veranstaltung nur einer begrenzten Öffentlichkeit (beispielsweise durch Erhebung von Eintritt) zugänglich macht, einer Genehmigung.31 Beispiel Ein Straßenmusikant verwahrte sich unter Berufung auf die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG gegen das Erfordernis einer behördlichen Sondernutzungserlaubnis nach §§ 15 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 BadWürttStrG in Bezug auf seine Auftritte in der Freiburger Innenstadt. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das BVerwG entschied in dritter Instanz, dass die Straßengesetze über die Sondernutzungserlaubnis eine zulässige gesetzliche Schranke bilden, um den störungsfreien Gemeingebrauch öffentlicher Straßen und die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten.32
630a
Wildplakatierung ist nicht genehmigte Werbung in Form von Anzeigen, Plakaten, Inschriften und Graffiti an öffentlichen und privaten Gebäuden, an Stadtmöbeln oder mittels freistehender Werbeträger. Die Städte oder die von ihnen beauftragten privaten Werber gehen in aller Regel rigoros gegen Wildplakatierer vor. Der ermittelte Adressat der Wildplakatierung erhält zunächst ein außergerichtliches Anschreiben, mit dem er zur Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung aufgefordert wird. Gibt der Adressat diese Erklärung nicht ab, so erfolgt der Antrag auf einstweilige Verfügung bei Gericht. Ist der Schuldner in einem Wettbewerbsprozess zur Unterlassung verurteilt worden (Unterlassung von „Wildplakatierungen“), obliegt es ihm bei von ihm veranlasster Einschaltung dritter Personen alle nach den Umständen möglichen, erforderlich erscheinenden und ihm zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um eine Verletzung der titulierten Unterlassungsverpflichtung sicher auszuschließen.33 Die titulierte Verpflichtung zur Unterlassung von „Wildplakatierungen“ und die darauf bezogenen obigen Sorgfaltspflichten treffen den Schuldner insbesondere auch, wenn er mit einem Dritten die Durchführung einer Musikveranstaltung vereinbart und in dem dazu geschlossenen Vertrag als Vermieter die Räume zur Verfügung zu stellen hat, weitere Leistungen übernimmt, er sich Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Veranstaltung sowie die Werbung hierfür sichert und er an Einnahmen der Veranstaltung beteiligt ist. Er wird dann der gebotenen Sorgfalt, die ihn als Mitveranstalter trifft, nicht gerecht, wenn er dem Partner die Plakatierung für die Veranstaltung überlässt und sich lediglich auf eine (mündliche) Zusage des Partners über angeblich vorliegende Plakatierungsgenehmigungen verlässt.34
631
Oft wird die Sondernutzung durch Gemeindesatzung detailliert geregelt. Nachfolgend ist die entsprechende Satzung der Stadt Düsseldorf nebst Gebührentarifen abgedruckt.
31 32 33 34
Siehe dazu auch Rz. 618 ff. und 636 ff. BVerwG v. 19.12.1986 – 7 B 144/86, NJW 1987, 1836 (1837) = NVwZ 1987, 677. OLG Koblenz v. 18.1.2001 – 5 U 619/00, OLGReport 2001, 325. OLG Oldenburg v. 15.9.2006 – 1 W 50/06, OLGReport 2007, 410.
204
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Abb. 28: Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen in der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 10. Juni 198635 Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf hat am 22. Mai 1986 aufgrund des § 4 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1984 (GV NW S. 475/SGV NW 2023), der §§ 19 und 19a des Straßenund Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. August 1983 (GV NW S. 306/SGV NW 91) sowie des § 8 Abs. 1 und 3 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1974 (BGBl. I S. 2413), zuletzt geändert durch Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht vom 1. Juni 1980 (BGBl. I S. 649), folgende Satzung beschlossen: § 1 Sachlicher Geltungsbereich Diese Satzung gilt für die Gemeinde- und Kreisstraßen sowie die gemäß § 5 Abs. 4 FStrG festgesetzten Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen und die gemäß § 5 Abs. 2 StrWG NW festgesetzten Ortsdurchfahrten von Landstraßen innerhalb des Stadtgebietes Düsseldorf. § 2 Erlaubnisbedürftige Sondernutzungen 1. Soweit in dieser Satzung nichts anderes bestimmt ist, bedürfen Sondernutzungen an den in § 1 bezeichneten Stellen der Erlaubnis durch die Stadt Düsseldorf. Die Benutzung ist erst zulässig, wenn die Erlaubnis erteilt ist. Die Verpflichtung, für Sondernutzungen eine Erlaubnis zu beantragen, wird durch die Erteilung anderer Genehmigungen nicht berührt (zB Baugenehmigungen). 2. Eine Sondernutzung liegt vor, wenn der Gebrauch der Straße über den Gemeingebrauch hinausgeht und diesen beeinträchtigt (§ 18 Abs. 1 StrWG NW, § 8 Abs. 1 FStrG). 3. Gemeingebrauch ist die jedermann zustehende Befugnis, die Straßen im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften zum Verkehr zu benutzen (§ 14 Abs. 1 StrWG NW, § 7 Abs. 1 FStrG). § 3 Erlaubnis 1. Die Erlaubnis für eine Sondernutzung wird auf Zeit und/oder auf Widerruf erteilt. Sie kann unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden, wenn dies für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs oder zum Schutze der Straße erforderlich ist. 2. Ambulanter Straßenhandel jeglicher Art ist auf den in der Anlage 3 genannten Straßen und Plätzen ausgeschlossen; insoweit wird keine Sondernutzungserlaubnis erteilt. Das gilt auch für das Aufstellen von Verkaufswagen oder Verkaufsständen. Die Anlage 3 ist Bestandteil dieser Satzung. Straßenhändler dürfen sich den genannten Straßen und Plätzen nur bis auf einen Abstand von 10 m zu Verkaufszwecken nähern; zur Ermittlung des Abstandes ist von der dem Händler nächstgelegenen Hausfront zu einer der genannten Straßen und Plätze hin auszugehen und rechtwinklig von der gedachten geraden Verlängerung dieser Front zu messen. Satz 1 gilt nicht für den ambulanten Straßenhandel mit Blumen und Zeitschriften. 3. Ständer für Ausstellungswaren sind auf der Königsallee, der Rheinuferpromenade und der Schadowstraße sowie in den Fußgängerzonen der Altstadt nur genehmigungsfähig, soweit es sich um Obst, Gemüse, Blumen, Zeitschriften und Bücher handelt. Im Übrigen Stadtgebiet können auch andere als die zuvor genannten Warenarten ausgestellt werden, sofern nicht anderslautende Vorschriften dies unterbinden (zB Jugendschutzbestimmungen).
35 Düsseldorfer Amtsblatt Nr. 26 v. 28.6.1986.
205
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Es ist in jedem Fall eine Restgehwegbreite von mindestens 1,80 m zu gewährleisten. Wird dieses Maß unterschritten, kann eine Genehmigung nicht erteilt werden. 4. Eine Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von Zeitungsentnahmegeräten wird nur erteilt für den Verkauf regelmäßig herausgegebener, in der Landeshauptstadt Düsseldorf angebotener Tages- und Sonntagszeitungen, deren Auflage zu einem überwiegenden Anteil über andere Vertriebswege außerhalb des öffentlichen Straßenraums (zB über den regulären Zeitungshandel-Grossisten und Einzelhändler und Abonnements) abgesetzt wird. 5. Werbeträger (Planen, Großflächen etc.), die an Baugerüsten im öffentlichen Straßenraum angebracht sind, bedürfen einer Sondernutzungserlaubnis, soweit sie unterhalb einer Höhe von 5,00 m über dem Erdboden beginnen. Für Anlagen im Sinne des Satz 1, die in einer Höhe ab 5,00 m über dem Erdboden beginnen, ist ein privatrechtlicher Vertrag gemäß § 12 dieser Satzung mit dem Straßenbaulastträger – Amt für Verkehrsmanagement – zu schließen. 6. Die Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums ohne Erlaubnis ist ordnungswidrig und kann nach den Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) vom 19.02.1987 (BGBl. I S. 602) mit Geldbuße geahndet werden. § 4 Haftung, Ersatzanspruch Für Schäden, die der Stadt oder Dritten aus einer Sondernutzung entstehen, haftet der Erlaubnisnehmer. Er hat die Stadt von Ersatzansprüchen Dritter freizustellen. § 5 Erlaubnisantrag Die Erlaubnis ist mit Angaben über Art und Dauer der Sondernutzung bei der Stadt Düsseldorf – Amt für Verkehrsmanagement – zu beantragen. Die Stadt ist berechtigt, einen schriftlichen Antrag mit Erläuterungen, Zeichnungen, Verkehrszeichenplänen, textlicher Beschreibung oder in sonst geeigneter Weise zu verlangen. Die Verkehrssicherungspflicht für die im Rahmen der Sondernutzung erstellten Anlagen und Einrichtungen obliegt dem Erlaubnisnehmer. § 6 Erlaubnisfreie Sondernutzungen Keiner Sondernutzungserlaubnis bedürfen: 1. bauaufsichtlich genehmigte Bauteile, wie Gebäudesockel, Gesimse, Auskragungen, Arkaden, Kolonnaden, Fensterbänke, Balkone, Erker, Eingangsstufen, Kellerlichtschächte und sonstige Schächte, Sonnenschutzdächer (Markisen), Vordächer; 2. bauaufsichtlich genehmigte Warenautomaten und sonstige Verkaufseinrichtungen, die nicht mehr als 20 cm in den Straßenraum hineinragen; 3. Werbeanlagen über Straßenflächen für zeitlich begrenzte Veranstaltungen an der Stätte der Leistung, insbesondere für Schluss- und Ausverkäufe; 4. Tribünen, Rednerpulte, Informationsstände, die politischen Zwecken dienen; unberücksichtigt bleibt die Anmeldepflicht nach dem Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz); 5. Tribünen, Rednerpulte, Informationsstände, Dekorationen, Altäre, Fahnen einschließlich Masten und ähnliche Gegenstände aus Anlass von öffentlichen Versammlungen und Aufzügen; unberührt hiervon bleibt die Anmeldepflicht nach dem Versammlungsgesetz und die Genehmigungspflicht nach der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO); 6. Anlagen der öffentlichen Versorgung wie zB Laternen, Schaltkästen etc., 7. Einrichtungen der öffentlichen Hand, wie zB Polizei- und Feuerwehrrufsäulen, Wartehallen und Schutzdächer der öffentlichen Verkehrsmittel. Davon unberührt bleibt die Anmeldepflicht beim bzw. die Genehmigungspflicht durch den Straßenbaulastträger.
206
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
8. Straßenmusikanten in den Fußgängerzonen der Innenstadt in den Zeiten von 10.00– 21.30 Uhr. Es darf, jeweils mit der vollen Stunde beginnend, eine halbe Stunde gespielt werden; die nachfolgenden 30 Minuten sind dann Ruhezeiten. Die Benutzung von lauten Rhythmus- und Blasinstrumenten sowie elektronischer Wiedergabegeräte und Verstärker ist untersagt. Nach der Darbietung ist der Standort zu wechseln, und es darf nächestens in einem Abstand von 200 m zum ursprünglichen Standort weitergespielt werden. 9. Warenauslagen von Zeitungen und Büchern vor der Geschäftsfront, die nicht mehr als 2 qm betragen. § 7 Untersagung erlaubnisfreier Sondernutzungen Die Inanspruchnahme erlaubnisfreier Sondernutzungen kann ganz oder teilweise untersagt werden, wenn Belange des Verkehrs dies vorübergehend oder auf Dauer erfordern. § 8 Gebühren 1. Für erlaubnispflichtige Sondernutzungen werden Benutzungsgebühren nach Maßgabe der Anlagen 1 und 2 erhoben, die Bestandteil dieser Satzung sind. Soweit Meter oder Quadratmeter die Bemessungsgrundlage sind, richtet sich die Sondernutzungsgebühr nach der genehmigten Inanspruchnahme. 2. Sofern die genehmigte Nutzungsdauer kürzer ist als die Zeitspanne, auf die sich der einschlägige Gebührensatz des Gebührentarifs bezieht, wird die Gebühr im entsprechenden Verhältnis verringert; angefangene Tage gelten als voll in Anspruch genommen; ausgenommen die nach Tagen errechneten Sondernutzungsgebühren. 3. Sondernutzungsgebühren werden nicht erhoben für Sondernutzungen, die gemeinnützigen, mildtätigen, religiösen oder politischen Zwecken dienen. 4. Im Einzelfall können Sondernutzungsgebühren ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Unter der gleichen Voraussetzung können bereits entrichtete Benutzungsgebühren erstattet oder angerechnet werden. 5. Das Recht, für die Erlaubniserteilung Verwaltungsgebühren zu erheben, bleibt unberührt. Das gleiche gilt für das Recht, nach § 18 Abs. 3 StrWG NW Vorschüsse und Sicherheiten zu verlangen. 6. Gebührenfreiheit schließt das Erfordernis der Erlaubnis nicht aus. § 9 Gebührenpflichtige 1. Gebührenpflichtige sind – der Antragsteller, – der Erlaubnisnehmer, – der Benutzer oder Nutznießer der Fläche. 2. Sind mehrere Personen Gebührenpflichtige, so haften sie als Gesamtschuldner. § 10 Entstehung der Gebührenpflicht, Fälligkeit Die Gebührenpflicht entsteht mit dem Beginn der Nutzung. Die Gebühren sind fällig 1. bei auf Zeit genehmigten Sondernutzungen für deren Dauer bei Erteilung der Erlaubnis; 2. bei ohne Endzeitpunkt lediglich auf Widerruf genehmigten Sondernutzungen erstmalig bei Erteilung der Erlaubnis für das laufende Jahr, für nachfolgende Jahre jeweils zum 31. Januar; 3. bei unbefugter Sondernutzung für deren Dauer einen Monat nach Zustellung des Gebührenbescheides.
207
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
§ 11 Gebührenerstattung 1. Wird zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde nachgewiesen, dass eine geringere als die genehmigte Fläche tatsächlich in Anspruch genommen worden ist, dann wird die entrichtete Gebühr im entsprechenden Verhältnis erstattet; eine noch nicht entrichtete Gebühr wird entsprechend ermäßigt. 2. Wird zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde nachgewiesen, dass die Sondernutzung nicht während des gesamten Genehmigungszeitraumes ausgeübt worden ist, so wird die entrichtete Gebühr im entsprechenden Verhältnis erstattet; eine noch nicht entrichtete Gebühr wird im entsprechenden Verhältnis ermäßigt. 3. In den Fällen der Absätze 1 und 2 wird höchstens bis zur einschlägigen Mindestgebühr erstattet bzw. ermäßigt. Der Zeitraum, auf den sich der einschlägige Gebührensatz des Gebührentarifs bezieht (Gebührensatz-Zeitraum), gilt als durch die Sondernutzung jeweils voll in Anspruch genommen, auch wenn er durch die tatsächlich ausgeübte Sondernutzung nur teilweise in Anspruch genommen worden ist. § 12 Sonstige Benutzung 1. Die Einräumung von Rechten zur Benutzung der Straßen und die Berechnung des Entgeltes richten sich nach bürgerlichem Recht, wenn eine solche Benutzung den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt, wobei eine vorübergehende Beeinträchtigung für Zwecke der öffentlichen Versorgung einschließlich der Abwasserbeseitigung außer Betracht bleibt (§ 23 Abs. 1 StrWG NW, § 8 Abs. 10 FStrG). 2. Anträge auf Genehmigung einer „Sonstigen Benutzung“ sind in schriftlicher Form an die Stadt Düsseldorf – Amt für Verkehrsmanagement – zu richten. § 13 Märkte Für öffentliche Marktveranstaltungen gelten zusätzlich die besonderen Bestimmungen 1. der Satzung für die Wochenmärkte der Landeshauptstadt Düsseldorf (Wochenmarktsatzung), 2. der Entgeltordnung des Großmarktes und der Wochenmärkte der Landeshauptstadt Düsseldorf (Marktentgeltordnung), 3. der Satzung für Spezialmärkte der Landeshauptstadt Düsseldorf, 4. der Gebührensatzung für den Kram- und Trödelmarkt (Radschlägermarkt) der Landeshauptstadt Düsseldorf. § 14 Inkrafttreten Diese Satzung tritt mit dem Tage nach der Bekanntmachung in Kraft. § 15 Übergangsbestimmungen Bestehende Erlaubnisse über Sondernutzungen bleiben nach Inkrafttreten dieser Satzung bis zum Zeitpunkt der Befristung gültig. Geänderte Gebühren finden bei weiter geltenden Erlaubnissen ab Beginn desjenigen Gebührensatz-Zeitraumes Anwendung, der auf den bei Inkrafttreten der Satzung laufenden Gebührensatz-Zeitraum folgt. Die erste, geänderte Gebühr wird einen Monat nach Bekanntgabe des entsprechenden Gebührenbescheides fällig. Im Übrigen gilt § 10.
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Teil E
II. Behördliche Genehmigungen
Gebührentarif zur Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen in der Landeshauptstadt Düsseldorf (Stand 01/2003) Anlage 1 Lfd. Nr.
Art der Sondernutzung
Benutzungsgebühr
Zone 1 E
Zone 2 E
Mindestgebühr je Erlaubnis/ Gebührenbescheid E
Inanspruchnahme des Straßenraumes durch: 1.
Warenautomaten und sonstige Verkaufseinrichtungen, die mit dem Boden oder einer baulichen Anlage verbunden sind, die Straßenbegrenzungslinie überschreiten und mehr als 20 cm in den Straßenraum hineinragen je angefangener m beanspruchter Straßenfläche jährlich
84,40
56,20
2.
Taxirufsäulen und ähnliche Einrichtungen, je Anlage jährlich
30,70
20,45
3.
Bauzäune, einschließlich der umzäunten Straßenfläche, Baugerüste, Baustofflagerungen, Baumaschinen, Baubuden, Bauund Arbeitswagen, Baustellenfahrzeuge, Baugeräte, Absperrungen je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche monatlich nach Ablauf von 6 Monaten nach Ablauf von 12 Monaten nach Ablauf von 18 Monaten
4,50 7,10 9,85 15,30
3,75 5,85 8,20 12,90
4.
Leitergerüste je angefangener laufender m im 1. Monat und für jeden weiteren Monat
2,25 4,15
1,65 3,10
5.
Kabel- und Linienverzweiger (oberirdisch) je Anlage jährlich
56,20
42,20
6.
Masten
6.1 für Freileitungen, Fahnen u.a., sofern die Aufstellungsdauer mehr als 14 Tage beträgt, je Mast monatlich
3,60
3,10
23,05
6.2 für kommerzielle Werbung pro Tag
3,60
3,10
23,05
7.1 je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche jährlich
56,20
47,55
153,40
7.2 je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche in der Hauptsaison monatlich
6,65
5,90
148,25
7.
84,40
22,50
Tische und Sitzgelegenheiten, die zu gewerblichen Zwecken (Bewirtung u.Ä.) aufgestellt werden
209
Teil E Lfd. Nr.
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte Art der Sondernutzung
Benutzungsgebühr
Zone 1 E 7.3 oder für die Hauptsaison (1. März– 31. Oktober) je angefangener m2
Zone 2 E
Mindestgebühr je Erlaubnis/ Gebührenbescheid E
46,00
40,90
148,25
7.4 oder in der übrigen Zeit (Nebensaison) je angefangener m2 monatlich
2,80
2,05
51,10
7.5 oder in der Nebensaison je angefangener m2 täglich
0,10
0,08
8.
Tribünen je angefangener m2 beanspruchter
1,20
0,75
Ortsfeste Verkaufsstände, Imbissstände, Kioske u.ä. 9.1 bei ausschließlichem Vertrieb von Tabakwaren, Zeitungen, Obst, Gemüse, Blumen, Süßwaren oder alkoholfreien Getränken je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche monatlich
Straßenfläche täglich
177,15
28,00
16,60
9.2 bei Vertrieb anderer als unter 9.1 genannten Waren oder bei sonstigen Leistungen, je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche monatlich
31,60
18,90
1,30 0,55
0,55
18,80
13,15
7,85 3,00
6,50 1,45
6,50 7,70
5,90 7,10
65,20
35,40
35,40
281,20
9.
10.
Vorübergehend aufgestellte Verkaufsstände und sonstige Verkaufswagen
10.1 auf gewerblichen Weihnachtsmärkten je angefangener m beanspruchter Straßenfläche täglich a) in den Fußgängerbereichen Altstadt, Heinrich-Heine-Platz, Schadowplatz und Liesegangstraße b) im Übrigen Stadtgebiet 10.2 anlässlich von Straßenveranstaltungen oder Umzügen je angefangener beanspruchter m Straßenfläche täglich 10.3 auf sonstigen gewerblichen Märkten a) auf Wochenmärkten jährlich b) auf Trödel- und Krammärkten täglich 11.
12.
210
Verkaufscontainer im Zusammenhang mit Ladenumbauarbeiten je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche monatlich nach Ablauf von sechs Monaten monatlich Ambulanter Straßenhandel auf den in Anlage 3 nicht erfassten Straßen je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche monatlich
112,50
Teil E
II. Behördliche Genehmigungen Lfd. Nr.
Art der Sondernutzung
Benutzungsgebühr
Zone 1 E 13.
Zone 2 E
Mindestgebühr je Erlaubnis/ Gebührenbescheid E
Verkaufsstellen zum Verkauf
13.1 von Grabschmuck zu Allerheiligen und am Totensonntag je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche für die Dauer der Erlaubnis
11,20
8,25
168,75
13.2 von Weihnachtsbäumen je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche für die Dauer der Erlaubnis
11,20
8,25
168,75
155,40
84,75
337,50
14.2 vorübergehend je angefangener m Ansichtsfläche täglich
0,40
0,20
29,80
15.
Hinweistafeln täglich pro Tafel
1,00
1,00
200,00
16.
Kommerzielle Werbung
16.1 auf eigenen Werbeträgern/Flachtafeln bis Größe DIN A 0 (z.B. Zirkusgastspiele) je Werbefläche täglich
0,35
0,30
253,10
16.2 Großplakattafeln (max. 30 Stück) je Tafel täglich
10,00
10,00
300,00
16.3 Werbung auf Schachtdeckeln (pro Stück/ Jahr)
500,00
500,00
1,30
1,30
24,10
14,20
141,75
1,45
1,45
70,85
18,00
10,60
71,40
0,00
0,00
0,00
14.
Bauaufsichtlich genehmigungs- oder anzeigepflichtige Werbeanlagen, die im Straßenraum stehen und in diesen hineinragen
14.1 auf Dauer je angefangener m2 Ansichtsfläche täglich 2
16.4 Werbeträger an Baugerüsten, die unterhalb einer Höhe von 5,00 m über dem Boden beginnen je qm/täglich 2
17.
Ausstellungsvitrinen je angefangener m beanspruchter Grundfläche monatlich
18.
Fahrzeuge und Anhänger (z.B. Wohnwagen), die nicht als parkende Fahrzeuge nach der StVO abgestellt werden je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche täglich
19.
Fahrradständer mit Werbung je Ständer monatlich Ständer ohne Werbung lediglich mit dem Firmennamen (in der Breite des Ständers und max. Höhe von 40 cm)
211
Teil E Lfd. Nr.
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte Art der Sondernutzung
Benutzungsgebühr
Zone 1 E 20.
Zone 2 E
Mindestgebühr je Erlaubnis/ Gebührenbescheid E
Kraftfahrzeugverkehr, der nicht der Widmung der benutzten Fläche entspricht pro Fahrzeug monatlich
33,40
21,20
33,40
21.
Mülltonnenschränke, die mehr als 20 cm in den Straßenraum hineinragen, je Anlage jährlich
16,90
14,10
16,90
22.
Ausstellungswaren im Straßenraum 9,95
7,65
99,70
89,70
69,00
99,70
2,70
1,65
17,15
22.1 je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche monatlich 22.2 oder bei ausschließlichem Vertrieb von Obst, Gemüse, Blumen, Zeitschriften oder Büchern je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche jährlich 23.
Container
23.1 nicht Recycling je Container täglich 23.2 Recycling jährliche Pauschale 24.
127 823,00
Einrichtungen des Telekommunikationsund Postwesens
24.1 Telefonzellen sowie sonstige Einrichtungen der Telekommunikation je Anlage jährlich
613,55
613,55
24.2 Postablagekästchen je Anlage jährlich
140,50
140,50
1,10
0,70
12,35
1,20
0,80
90,00
29,65
28,10
1,20
0,70
112,50
73,10
49,50
35,20
25.
Gegenstände aller Art, die sich länger als 24 Std. im Straßenraum befinden und nicht unter eine andere Tarifstelle fallen, je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche täglich
26.
Straßenfeste
26.1 Kommerzieller Art: je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche täglich 26.2 Nachbarfeste täglich 27.
Schützen-, Volks-, Winzerfeste u. Ä. je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche täglich
28.
Zirkusgastspiele u.Ä. täglich
29.
Marktforschung Befragung bzw. Ansprechen von Passanten täglich pro Interviewer
212
Teil E
II. Behördliche Genehmigungen Lfd. Nr.
Art der Sondernutzung
Benutzungsgebühr
Zone 1 E 30.
Gewerbliche Informationsveranstaltungen und Sonderschauen je angefangener m2 beanspruchter Straßenfläche täglich
Zone 2 E
25,00
18,00
31.
Kommerzielle Verteilung von Druckerzeugnissen täglich pro Verteiler
15,20
10,65
32.
Sonstige Veranstaltungen täglich
42,20
33,80
33.
Bei Inanspruchnahme von gebührenpflichtigem Parkraum zusätzlich je Stellplatz
6,15
1,50
Mindestgebühr je Erlaubnis/ Gebührenbescheid E
200,00
Mittlerweile ist auch der Veranstalter der Love Parade verpflichtet, eine „Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes“ zu beantragen, da der vorher zugebilligte Demonstrationscharakter wegen der überwiegend kommerziellen Ausrichtung der Veranstaltung vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt wird.36
632
Oftmals wird die Gestattung der Sondernutzung von Auflagen begleitet. So haben die Veranstalter von Show-Truck-Events wie der Love Parade im Ruhrgebiet, der Reincarnation Parade in Hannover und dem Christopher Street Day in Köln dafür zu sorgen, dass die Trucks vor Veranstaltungsbeginn einer TÜV-Überprüfung unterzogen werden, entsprechende Versicherungen nachgewiesen wurden und das je Fahrzeug- oder Hängerachse an jeder Seite Securitykräfte zur Unfallvermeidung mitlaufen.
633
Beispiel Trotz strenger Auflagen kommt es bei diesen Mega-Events immer wieder zu Verletzungen. Im Jahre 2001 stürzte bei der Love Parade eine mitlaufende Securitykraft und wurde überrollt. Im gleichen Jahr stürzte ein Fotograf von einem Showtruck bei der Reincarnation Parade und fiel zeitweise ins Koma (das am Fahrzeug angebrachte Motto des Showtrucks war ironischerweise: „Feiern bis die Polizei kommt“). Im Jahre 2002 verletzte sich ein Tänzer am Christopher-Street-Day beim Sturz von einem Doppeldeckerbus. Im gleichen Jahr wurde ein 22-jähriger während der Love Parade beim Urinieren auf den S-Bahn-Gleisen überrollt, 463 Raver mussten ins Krankenhaus, 3 985 wurden an der Strecke behandelt. Die Polizei nahm 184 Teilnehmer wegen Drogenmissbrauchs, Diebstahls oder Körperverletzung vorübergehend in Gewahrsam. Alkohol, Drogen, Hitze und Erschöpfung sind die häufigsten Gründe für Verletzungen.
Auch für einzelne im öffentlich-rechtlichen Eigentum stehende Veranstaltungsorte existieren oft Benutzungssatzungen der Städte und Gemeinden. Nachfolgend sind exemplarisch die Benutzungssatzungen für die Düsseldorf-Oberkasseler Rheinwiesen und den Düsseldorfer Burgplatz in der Altstadt abgedruckt. 36 Siehe zu dieser Problematik ausführlich Rz. 685 ff.
213
634
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Abb. 29: Satzung für die Benutzung der Oberkasseler Rheinwiesen der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 2. Dezember 197537 Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf hat am 27. November 1975 aufgrund des § 4 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Dezember 1974 (GV NW 1975 S. 91/SGV NW 2023) folgende Satzung beschlossen: § 1 Geltungsbereich Als Oberkasseler Rheinwiesen im Sinne dieser Satzung gilt das Rheinvorland zwischen Strom-Kilometer 742 und 748. Landseitig wird das Gelände vom Strom-Kilometer 742 bis Oberkasseler Brücke durch den Böschungsfuß des Deiches und ab Oberkasseler Brücke bis Strom-Kilometer 748 durch den Böschungsfuß des Sommerdeiches begrenzt. Wasserseitig stellt die jeweilige Wasserlinie die Begrenzung dar. Diese bewegliche Grenze kann sich jedoch höchstens bis zum Mittelwasserbett verschieben, d.h. bis zu der Wasserlinie, die sich bei 4,00 m Düsseldorfer Pegel einstellt. § 2 Zweck Die Rheinwiesen dienen der Düsseldorfer Bevölkerung ausschließlich zur Erholung. § 3 Veranstaltungen Veranstaltungen aller Art sind unzulässig. Hiervon sind ausgenommen die traditionellen Veranstaltungen: 1. das Schützenfest des St.-Sebastianus-Schützenvereins 1813 e.V. Düsseldorf-Oberkassel, 2. das Schützen- und Volksfest des St.-Sebastianus-Schützenvereins Düsseldorf 1816 e.V., 3. einmal jährlich ein Zirkusgastspiel mit maximal zwanzig Vorstellungstagen. Darüber hinaus sind Jubiläumsveranstaltungen der Stadt Düsseldorf und des Landes Nordrhein-Westfalen zulässig. Das Benutzungsverhältnis zwischen der Stadt und dem Veranstalter wird durch Mietvertrag geregelt. § 4 Geltung anderer Vorschriften Im Übrigen werden die Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen beiderseits des Rheinstroms in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf sowie im Gebiet der Landesbaubehörde Ruhr vom 1. August 1972 (Abl. Reg. Ddf. Nr. 32 vom 10. August 1972) sowie die Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf und an den Straßen und in den Anlagen des Gebietes der Stadt Düsseldorf (Ddf. Amtsblatt Nr. 1 vom 9. September 1965, Abl. Reg. Ddf. Nr. 52 vom 23. Dezember 1964) – in ihrer jeweils gültigen Fassung – von dieser Satzung nicht berührt. § 5 Inkrafttreten Diese Satzung tritt mit dem Tage nach der Bekanntmachung in Kraft.
37 Düsseldorfer Amtsblatt Nr. 48 v. 6.12.1975.
214
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Abb. 30: Satzung der Stadt Düsseldorf zur Regelung von Veranstaltungen auf dem Burgplatz in der Düsseldorfer Altstadt
1.
2.
3.
4.
Richtlinien zur Benutzung des Burgplatzes der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 13. Februar 1996 Als Veranstaltungsort an zentraler Stelle der Stadt sind auf dem Burgplatz Veranstaltungen möglich, – deren Resonanz weit über Düsseldorf hinausgeht, – die gesamtstädtischen Anspruch erheben, – die allen Bürgerinnen und Bürgern offen stehen und – deren Anlass für die Stadt von herausragender Bedeutung ist. Hierzu zählen bereits bestehende Aktivitäten wie zB die Jazz Rally und der AltstadtHerbst, aber auch neue Veranstaltungen wie zB das Open-Air-Kino. Anträge für Veranstaltungen auf dem Burgplatz werden verwaltungsintern abgestimmt (Straßenverkehrsamt, Ordnungsamt, Werbeamt, Feuerwehr und ggf. weitere Ämter). Sofern der Beschluss eines politischen Gremiums erforderlich ist, wird dieser vom Straßenverkehrsamt eingeholt. Über die Liste der geplanten Veranstaltungen entscheidet der Oberstadtdirektor jeweils am Ende des Vorjahres, zusätzliche Veranstaltungen müssen dem Oberstadtdirektor zur Beratung in der Beigeordneten-Konferenz jeweils im Einzelfall zur Entscheidung vorgelegt werden. Auflagen und Bedingungen (siehe zB Ziffer 4) für eine Veranstaltung werden in die Sondernutzungserlaubnis aufgenommen. Hier sind insbesondere die gesetzlichen Bestimmungen über den Immissionsschutz zu beachten. Anlieger des Stiftsplatzes und des Burgplatzes sind von der Veranstalterin/dem Veranstalter rechtzeitig vor Aufbaubeginn schriftlich oder in anderer geeigneter Form über die geplante Veranstaltung zu informieren.
Zwischen den einzelnen Nutzungen des Burgplatzes soll mindestens ein zeitlicher Abstand von zwei Wochen mit einem veranstaltungsfreien Wochenende liegen.
Die Gemeinden können die Nutzung öffentlicher Festplätze im Interesse eines attraktiven Unterhaltungsangebotes nach Art und Zahl der Veranstaltungen beschränken.38
635
Beispiel Mehrere Galeristen scheiterten vor dem Kölner Landgericht bei ihren Anträgen gegen die Kölner Messegesellschaft wegen Nichtberücksichtigung. Sie hatten versucht im Wege von einstweiligen Verfügungen ihre Zulassung für die Kunstmesse Art Cologne durchzusetzen. Aufgrund von Platzmangel hatte die Messe von rund 500 Ausstellungsbewerbern nur 270 ausgewählt und zugelassen. Dies wurde vom Gericht als zulässig erachtet.
4. Straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis Neben den erforderlichen Sondernutzungsgenehmigungen kann eine Erlaubnis nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) erforderlich sein. Hier kann als Faustregel gelten, dass der Veranstalter immer dann, wenn es auf seinen Veranstal38 OVG Münster v. 5.8.1986 – 12 B 88/86, NVwZ 1987, 518.
215
636
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
tungen nach Benzin riecht oder öffentliche Straßen mit StVO-Geltung in die Veranstaltungsplanung einbezogen sind, möglicherweise eine Erlaubnis nach § 29 StVO eingeholt werden muss. 637
Nach § 29 Abs. 1 StVO sind Rennen mit Kraftfahrzeugen grundsätzlich verboten. Rennen im Sinne dieser Vorschrift sind Wettbewerbe oder Teile eines Wettbewerbes sowie Veranstaltungen zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen.39 Diese Veranstaltungen werden nur von dem Verbot erfasst, wenn sie auf für den öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen oder auf Straßen mit tatsächlich öffentlichem Verkehr stattfinden40.
638
Ausnahmegenehmigungen dürfen nur für den Fall erteilt werden, dass solche Straßen benutzt werden, die nur geringe Verkehrsbedeutung haben. Ein Rechtsanspruch auf eine Ausnahmegenehmigung vom Rennverbot besteht nicht.41 Die genutzten Straßen sind für die Zeit des Rennens für den allgemeinen Verkehr zu sperren. Hierzu ein Praxisfall im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 2008 in Peking: Beispiel Anlässlich der Olympischen Spiele richtete das chinesische Veranstaltungskomitee eine Sonderspur für Fahrzeuge von Athleten, Offiziellen und Journalisten ein. Die so genannte „Olympic Lane“ führte über insgesamt 263 Kilometer und durfte nur mit einem bestimmten Ausweis befahren werden.
Im Einzelfall wird von der Behörde geprüft, ob eine zumutbare Umleitung für den Verkehr vorhanden ist und ob das Interesse an der Veranstaltung so stark überwiegt, dass die Beeinträchtigung des allgemeinen Verkehrs hingenommen werden kann. In der Regel geht das Interesse von Erholungssuchenden dem Interesse des um eine Ausnahmegenehmigung nachsuchenden Rennveranstalters vor.42 Auch eine jahrelang in gleicher Form stattfindende und regelmäßig erlaubte Rennveranstaltung kann ermessensfehlerfrei versagt werden.43 639
Finden die Veranstaltungen auf Straßen statt, auf denen die StVO gilt, benötigt der Veranstalter bei mehr als verkehrsüblicher Inanspruchnahme der Straßen eine Erlaubnis zur Durchführung der Veranstaltung nach § 29 Abs. 2 StVO, die bei der zuständigen Behörde beantragt werden muss. Neben der Polizei sollen – sofern deren Zuständigkeit durch die Veranstaltung berührt wird – auch die Straßenverkehrsbehörde, die Straßenbaulastträger, die Forstbehörden und die Naturschutzbehörden gehört werden. Eine Erlaubnisversagung kann unter anderem auf Gründe des Naturschutzes gestützt werden.44 Allerdings finden nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz trotz des gestiegenen Umweltbewusstseins Rallye-Veranstaltungen immer noch in breiten Teilen der Be39 40 41 42 43
Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 29 Rz. 1a. OVG Münster, NJW-RR 1997, 4; OLG Braunschweig, DAR 1995, 30. BVerwG, VRS 1953, 236. BVerwG v. 16.3.1994 – 11 C 48/92, NZV 1994, 374 = NVwZ 1994, 1095. OVG Münster, VM 1994, 55; OVG Lüneburg v. 18.2.1992 – 12 M 919/92, ZfS 1992, 142. 44 VG Freiburg v. 16.9.1988 – 6 K 180/88, NZV 1989, 207.
216
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
völkerung Zustimmung, so dass sie bei lediglich kurzfristigen Lärmbelästigungen der Anlieger ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erlaubnisfähig sind.45 Beispiel Bei der umstrittenen Prominenten-Luxusauto-Rallye „Gumball 3000“ kam es im Jahr 2007 zu einem tödlichen Unfall in Mazedonien. Die seit 1999 ausgetragene „Gumball“ wird jährlich in London gestartet. Sie führte 2007 über Amsterdam zum Flughafen Frankfurt-Hahn und von dort per Flugzeug nach Istanbul. Über Athen, Tirana und Dubrovnik sollte es zurück nach Deutschland auf die Rennstrecke EuroSpeedway in der Lausitz und nach Berlin gehen. Ziel sollte wieder London sein. Viele Wagen waren in Deutschland von der Polizei gestoppt worden, weil das Rennen als illegal gilt. Offiziell gibt es bei der „Gumball 3000“ keine Siegerehrung. Intern und im Internet kursieren Ranglisten, bei denen hohe Geschwindigkeiten und die Höhe der kassierten Strafgelder als Erfolgskriterien dienen. Zwei britische Teilnehmer, deren Wagen in Mazedonien mit einem nicht an dem Rennen beteiligten Auto zusammenstieß, wurden von der dortigen Polizei verhört. Daraufhin sei das Rennen vorzeitig in der slowakischen Hauptstadt Bratislava beendet worden, teilten die Veranstalter in London mit. Der Sprecher des Rallye-Sponsoren Adidas sagte: „Nachdem wir mit Bestürzung und großem Bedauern von dem tragischen Todesfall erfahren hatten, haben wir uns sofort dazu entschlossen, uns vollständig, unverzüglich und für alle Zeit von der Rallye zurückzuziehen.“ Für Adidas waren ein Lamborghini Gallardo mit dem US-Hip-Hopper Xzibit sowie ein Maserati Quattroporte mit Jay Kay, dem Sänger der Band Jamiroquai, unterwegs. Auch ein anderes illegales Autorennen von London nach Zagreb, nämlich das Rennen „Cannonball 8000“ wurde im Jahre 2007 auf der zweiten Etappe von Brüssel nach Prag der deutschen Polizei gestoppt. Das Kölner Verwaltungsgericht hatte entschieden, dass dieses Rennen nicht auf deutschen Straßen ausgetragen werden durfte.46 Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass es Anzeichen dafür gab, dass mit der Veranstaltung ein Wettbewerb zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten beabsichtigt und daher mit Verkehrsverstößen zu rechnen sei. Die Bezirksregierung hatte einen Antrag der in Großbritannien ansässigen Firma Cannonball 8000 Limited auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach der Straßenverkehrsordnung zuvor abgelehnt. Die Polizisten der Bundesländer NRW und Rheinland-Pfalz stoppten auf den Autobahnen insgesamt 20 teilnehmende Fahrzeuge. Die Autos wurden sichergestellt. Gegen die deutschen Teilnehmer wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Die ausländischen Teilnehmer mussten jeweils 1 000 Euro Sicherheitsleistung hinterlegen.
Im Falle der Genehmigung gemäß § 29 Abs. 2 StVO bedarf es auch keiner zusätzlichen Sondernutzungserlaubnis nach den Straßen- und Wegegesetzen oder Waldgesetzen der Länder. Allerdings ist die Zulässigkeit nach den Landesnaturschutzgesetzen im Rahmen der Entscheidung nach § 29 Abs. 2 StVO einzubeziehen.47
640
Der Bundesminister für Verkehr hat in Abstimmung mit den zuständigen obersten Landesbehörden Formblätter für das Erlaubnisverfahren herausgegeben. Das Erlaubnisverfahren dauert in der Regel bis zu zwei Monate ab Antragstellung. Bei der Gestattung nach § 29 Abs. 2 StVO handelt es sich um einen im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde stehenden begünstigenden Verwaltungsakt.
641
45 VG Koblenz v. 15.7.1992 – 3 L 2211/92, DAR 1992, 394; VG Koblenz v. 17.7.1991 – 3 L 2046/91, DAR 1991, 435; LG Saarbrücken v. 25.3.1988 – 15 O 1275/88, DAR 1988, 385. 46 VG Köln v. 13.9.2007 – 11 L 1308/07. 47 VGH Mannheim v. 2.8.1990 – 5 S 1659/90, NVwZ-RR 1992, 57 = NZV 1991, 124.
217
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Die Erlaubnis wird erteilt, wenn die beteiligten Behörden und Dienststellen keine Bedenken gegenüber der geplanten Veranstaltung geäußert haben. Die Erlaubnisbescheide müssen während der Veranstaltung gemäß § 46 Abs. 3, Sätze 3, 4 StVG zumindest in Kopie mitgeführt werden. Die Erlaubnispflicht nach § 29 Abs. 2 StVO entfällt, wenn die Veranstaltung eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel iS des §§ 14, 15 VersammlungsG ist48. 642
Bei einer Motorsportveranstaltung, bei der 30 und mehr Fahrzeuge am gleichen Platz starten oder ankommen besteht immer eine Erlaubnispflicht. Unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Fahrzeuge gelten folgende Grundsätze: Abb. 31: Erlaubnispflicht bie Motorsportveranstaltungen Faktor
Merkmal
1. Geschwindigkeit a) vorgeschriebene Durchschnittsgeschwindigkeit
2. Strecke
erlaubnis- nicht erlaubpflichtig nispflichtig ×
b) vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit
×
a) vorgeschriebene Streckenführung
×
b) Ermittlung des Siegers nach meistgefahrenen km
×
c) freie Streckenwahl ohne Kontrollstelle
×
d) freie Streckenwahl mit Kontrollstellen (Dauer bis zu einer Woche)
×
3. Zeit
a) vorgeschriebene Fahrzeit
×
4. Besonderheiten
a) Sonderprüfungen
×
b) geschlossener Verband
×
b) ohne Bewertung der Fahrtzeit
×
643
Das Vorliegen eines der Faktoren reicht aus, um eine Erlaubnispflicht auszulösen. Nicht erlaubnisfähig sind: – Ballon-Begleitfahrten, – Moto-Ball, – Fahrten mit Motorschlitten, – Stock-Car-Rennen, – Autovernichtungs- und Karambolagerennen, – vergleichbare Veranstaltungen.
644
Veranstaltungen mit Fahrrädern sind nur dann erlaubnispflichtig, wenn es sich um Radrennen, Mannschaftsfahrten oder vergleichbares handelt. 48 BVerwG v. 21.4.1989 – 7 C 50/88, NJW 1989, 2411, s. zum Versammlungsbegriff auch Rz. 681 ff.
218
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Radmärsche, Umzüge bei Volksmärschen und vergleichbare Veranstaltungen sind ebenfalls erlaubnispflichtig. Volksmärsche und Volksläufe sind dann erlaubnispflichtig, wenn mehr als 500 Personen teilnehmen oder das überörtliche Straßennetz (ab Kreisstraße) beansprucht wird. Auch stationäre Veranstaltungen (zB eine auf einem Straßenabschnitt stattfindende Skateboard-Veranstaltung) fallen nach herrschender Meinung unter § 29 Abs. 2 StVO.49
645
Ortsübliche Prozessionen und andere ortsübliche kirchliche Veranstaltungen sowie kleinere örtliche Brauchtumsveranstaltungen sind verkehrsüblich und somit erlaubnisfrei. Allerdings sollte auch hier eine Anzeige der geplanten Veranstaltung bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde erfolgen, um im Einvernehmen mit der Polizei die notwendigen Maßnahmen im Interesse der Sicherheit und Ordnung treffen zu können.50 Keine Veranstaltung iS von § 29 StVO sind öffentliche Versammlungen und Aufmärsche gemäß §§ 14 ff. Versammlungsgesetz (VersammlG).51 Zwar sind diese ebenfalls anmeldepflichtig, können aber nur bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verboten werden.
646
Die Straßenverkehrsbehörde hat die für die reibungslose Durchführung der Veranstaltungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dies geschieht in der Hauptsache durch entsprechende Auflagen und Bedingungen. In einer schriftlichen Erklärung muss sich der Veranstalter gegenüber der Erlaubnisbehörde verpflichten, den Bund, die Länder, die Landkreise, die Gemeinden und sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts von allen Ersatzansprüchen freizustellen, die aus Anlass der Veranstaltung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen von Teilnehmern oder Dritten erhoben werden könnten. Außerdem muss er die Wiedergutmachung aller Schäden übernehmen, die – auch ohne eigenes Verschulden von Teilnehmern – an den zu benutzenden Grundstücken, Straßen, Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen entstehen. In der Regel wird dem Veranstalter die behördliche Auflage gemacht, eine Veranstaltungshaftpflichtversicherung mit von der Behörde vorgegebenen Mindestversicherungssummen abzuschließen.52
647
Der Veranstalter hat dafür Sorge zu tragen, dass die Verkehrsvorschriften sowie etwaige Bedingungen und Auflagen befolgt werden, § 29 Abs. 2 Satz 3 StVO. Verantwortlich sind alle Personen, die in irgendeiner Weise mit Genehmigung, Veranstaltung und Durchführung befasst sind.53 Die Veranstalter müssen ihr Publikum vor allen typischen Renngefahren schützen, soweit dies möglich und zumutbar ist.54 Die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters besteht dabei nicht nur gegenüber den Zuschauern, sondern auch gegenüber den Rennteil-
648
49 BVerwG v. 21.4.1989 – 7 C 5088, NZV 1989, 325 = NJW 1989, 2411; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 29 Rz. 4; aA AG Karlsruhe, VRS 1953, 472. 50 Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 29 Rz. 1a. 51 BVerwG v. 21.4.1989 – 7 C 5088, NZV 1989, 325 = NJW 1989, 2411. 52 Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 29 Rz. 1a. 53 BGH, VM 1982, 17. 54 AG Stuttgart, VR 1987, 1153.
219
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
nehmern.55 Allerdings zeigt der nachfolgende Praxisfall, dass nicht jede Art von behördlicher Bedingung zulässig ist. Beispiel Die Genehmigung eines Straßenradrennens wurde von der zuständigen Behörde an folgende „Bedingung“ geknüpft: „Die Erlaubnis wird auf die Gefahr des Veranstalters erteilt. Für Unfälle aller Art, die auf die Veranstaltung zurückzuführen sind, haftet der Veranstalter; desgleichen haftet er für die Ansprüche Dritter, insb. für alle Schäden, die durch die Veranstaltung oder aus Anlass der Veranstaltung durch Veranstaltungsleitung, Ordner, Fahrtteilnehmer, Zuschauer oder andere Verkehrsteilnehmer an Personen, Sach- und Vermögenswerten, insb. an Straßen und benachbarten Grundstücken (Böschungen, Äcker, Brücken, Bäumen usw.) erwachsen.“ Bei dem Radrennen verunglückte einer der für die Veranstaltung abgestellten Motorradpolizisten bei dem Versuch, einem plötzlich ausscherenden Radrennfahrer auszuweichen. Der zuständige Polizeipräsident versuchte daraufhin, den Veranstalter des Radrennens auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, weil dieser durch die bedingte Ausrichtungsgenehmigung jegliche Haftung auch für unverschuldete Rechtsgutsverletzungen übernommen habe. Diese Bedingung wurde vom OLG Köln als gesetzeswidrig und nichtig eingestuft, da die gesetzlichen Haftungsgrundlagen nicht ohne Ermächtigungsgrundlage durch Verwaltungsakte geändert werden können. Ein Veranstalter hafte nur bei Verschulden, insbesondere bei schuldhafter Verletzung seiner Verkehrspflichten56.
649
Nach § 24 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) handelt derjenige ordnungswidrig, der sich entgegen § 29 Abs. 1 StVO an einem Rennen beteiligt, wer entgegen § 29 Abs. 2 StVO eine unerlaubte Veranstaltung durchführt oder als Veranstalter entgegen § 29 Abs. 2 Satz 3 StVO nicht dafür sorgt, dass die in Betracht kommenden Verwaltungsvorschriften oder Auflagen befolgt werden. Gemäß § 24 Abs. 2 StVG kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden.
5. Benutzung von Tongeräten/Sing-Spielgenehmigung 650
Grundsätzlich ist die Benutzung von Geräten, die der Erzeugung oder der Wiedergabe von Schall dienen (Radios, Fernsehgeräte, Videorecorder, Tonbandgeräte, elektrische Verstärker, Megaphone, Lautsprecher, Musikinstrumente, u.Ä.), in für die Umwelt belästigender Lautstärke verboten, § 10 Abs. 1 Landesimmissionsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (LImschG NW). Wann eine erhebliche Belästigung unbeteiligter Personen vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere auch von der Tageszeit, dem Gebietscharakter sowie der Art und Dauer der Benutzung der Geräte. So kann das Üben eines Klavierspielers in den Abend- oder Mittagsstunden anders zu beurteilen sein als in den Vormittags- oder Nachmittagsstunden. Der auf wenige Tage begrenzte Lärm von Tongeräten im Zusammenhang mit einer Kirmes, oder einem ortsüblichen Volksfest kann anders zu beurteilen sein als der Lärm, der ständig von einem Vergnügungs- oder Freizeitcenter ausgeht. Bei Beurteilung der Belästigungsmög55 AG Karlsruhe, VR 1986, 662. 56 OLG Köln 10.1.1992 – 19 U 198/91, OLGReport 1992, 85.
220
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
lichkeit ist nicht auf eine mehr oder weniger empfindliche Person, sondern auf die Einstellung eines verständigen, durchschnittlich empfindlichen Mitbürgers abzustellen. Lediglich zeitlich begrenzte Darbietungen in innerstädtischen Fußgängerzonen (insbesondere musikalische Darbietungen) und Wahlwerbung sind allgemein zulässig. Ist der Einsatz einer Lautsprecheranlage für die musikalische Untermalung einer Veranstaltung oder zur Durchsage von Ergebnissen und sonstigen Mitteilungen geplant, muss ein entsprechender Antrag auf Ausnahmegenehmigung bei der örtlichen Polizei- oder Ordnungsbehörde gestellt werden, § 10 Abs. 4 LImSchG NW. Für diesen Fall kann das örtliche Ordnungsamt im Einzelfall durch besonderen Verwaltungsakt Ausnahmen zulassen, die unter Bedingungen erteilt oder mit Auflagen verbunden werden können. Beispiel Großveranstaltungen wie der Papstbesuch im Jahr 2005, die Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006 und der G8 Gipfel im Jahr 2007 verursachen Kosten in Millionenhöhe. Es wird deshalb diskutiert, ob ein Veranstalter bei kommerziellen Veranstaltungen Gebühren für die Inanspruchnahme der Polizei entrichten sollte. SCHMIDT liefert einen diesbezüglichen Regelungsvorschlag:57 „Für polizeiliche Maßnahmen bei kommerziellen Veranstaltungen soll von dem Veranstalter eine Gebühr erhoben werden. Die Höhe der Gebühr ist nach Art und Umfang der polizeilichen Maßnahmen zu bemessen und darf den aus der Veranstaltung zu erwartenden Gewinn nicht übersteigen. Von der Erhebung der Gebühr kann ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn die Erhebung unbillig ist oder dem öffentlichen Interesse widerspricht. Das Innenministerium bestimmt im Einvernehmen mit dem Finanzministerium durch Rechtsverordnung die gebührenpflichtigen Maßnahmen und legt Höchstsätze der zu erhebenden Gebühren fest.“
Bei Großveranstaltungen wird eine Ausnahmegenehmigung in der Regel erteilt, wenn sichergestellt ist, dass keine übermäßige Lärmbelästigung unbeteiligter Personen erfolgen wird. Allein gewisse Beeinträchtigungen für die Anlieger (eingeschränkte Anfahrmöglichkeit, Lärm, Abgase) machen die Erlaubniserteilung nicht rechtsfehlerhaft.58 Neben den bauaufsichtsbehördlichen und den Lärmschutz-Regelungen können auch gaststättenrechtliche Bestimmungen die Grundlage für eine behördliche Verfügung bilden. Beispiel Nach einer Entscheidung des VGH Kassel kann § 15 Abs. 3 Nr. 1 GastG als Rechtsgrundlage für eine gaststättenrechtliche Verfügung in Betracht kommen. Danach kann eine gaststättenrechtliche Erlaubnis widerrufen werden, wenn der Gewerbetreibende oder sein Stellvertreter die Betriebsart, für welche die Erlaubnis erteilt worden ist, unbefugt ändert, andere als die zugelassenen Getränke oder Speisen verabreicht oder sonstige inhaltliche Beschränkung der Erlaubnis nicht beachtet. In dem entschiedenen Fall änderte ein Gaststättenbesitzer die Betriebsart seiner Schankwirtschaft mit Kleinkunstdarbietungen in eine Diskothek mit Rock- und sonstigen Live-Veranstaltungen mit elektronisch verstärkter Musik.
57 Schmidt, Der Anspruch auf Ersatz von Polizeikosten bei Großveranstaltungen, ZRP 2007, 120. 58 VG Koblenz v. 15.7.1992 – 3 L 2211/92, DAR 1992, 394.
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Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
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Für die Veranstaltung von Live-Musik ist darüber hinaus in vielen Städten und Gemeinden eine Sing-Spielgenehmigung einzuholen. Für ihre Erteilung ist es idR erforderlich, dass die Genehmigungsbehörde ein öffentliches Interesse an der jeweiligen Spielstätte bejaht. In manchen Städten ist die Anzahl der SingSpielgenehmigungen zusätzlich limitiert, so dass die Genehmigung eines neuen Musikclubs o.Ä. von der Schließung eines anderen Betriebes mit Altkonzession abhängt.59
653
Die verantwortliche Betätigung in einer gastwirtschaftlichen Betriebsart, die von der erteilten Erlaubnis der Behörde nicht umfasst wird, stellt den unerlaubten Betrieb eines Gaststättengewerbes dar und kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, §§ 2 Abs. 1, 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG (zB die Gestattung regelmäßiger Tanzveranstaltungen in einer Schankwirtschaft unter Verwendung einer Lautsprecheranlage ohne entsprechende Erlaubnis60).
6. Schankerlaubnis 654
Die Verabreichung von Getränken und Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle sowie die Beherbergung von Gästen unterliegt grundsätzlich der Erlaubnispflicht gemäß § 2 Abs. 1 GastG. Ausnahmetatbestände sind in § 2 Abs. 2–4 GastG geregelt. Danach benötigt man keine Erlaubnis, – für die Verabreichung alkoholfreier Getränke, – für unentgeltliche Kostproben (zB bei Messen, § 68a GewO), – zubereitete Speisen oder – in Verbindung mit einem Beherbergungsbetrieb Getränke und zubereitete Speisen an Hausgäste (zB Kantinen). Beim Ausschank von alkoholischen Getränken sind auf Verlangen auch alkoholfreie Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle zu verabreichen. Davon ist mindestens ein alkoholfreies Getränk nicht teurer zu verabreichen, als das billigste alkoholische Getränk in gleicher Menge (§ 6 Gaststättengesetz). Getränkeschankanlagen dürfen nur von sachkundigen Personen installiert und erst dann in Betrieb genommen werden, wenn der Sachkundige über die ordnungsgemäße Beschaffenheit eine schriftliche Bescheinigung erteilt hat. Die Betriebserlaubnis ist am Veranstaltungsort aufzubewahren. In unmittelbarer Nähe jeder Zapfstelle muss eine Vorrichtung für das Spülen der Schankgefäße mit zwei Spülbecken vorhanden sein. Es darf nur Trinkwasser verwendet werden. Sämtliche Schankgefäße sind vor der ersten Benützung und nach jeder weiteren Benutzung mit warmen Wasser und Spülmittel zu reinigen und anschließend mit kaltem, frischem und klarem Wasser nachzuspülen. Das Wasser ist beim Reinigen der Schankgefäße durch ständigen Zulauf frischen Wassers (Ableitung durch Überlauf) fortlaufend zu erneuern. Bei Verwen59 VGH Kassel, NVwZ 1992, 615 f. 60 In Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft, 7.2, S. 315.
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II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
dung einer Gläserspülmaschine kann auf ein Becken verzichtet werden. Im Bereich der Getränkeausgabe muss der Boden zumindest mit einem Bretterbelag (zB Lattenrost) versehen sein. Der Getränkestand muss überdacht und seitlich gegen Witterungseinflüsse geschützt sein. In diesem Zusammenhang gelten auch Kennzeichnungsvorschriften: Die Getränke sind entsprechend ihrer Verkehrsbezeichnung zu kennzeichnen (zB Saft, Nektar, Fruchtsaftgetränke usw.), das heißt, dass ein Nektar bzw. Fruchtsaftgetränk nicht als Saft gekennzeichnet werden darf. Die Verwendung von Formvorderschinken ist bei der Herstellung von Pizza bzw. Schinkenbroten auf den Speisekarten anzugeben. Hier darf nicht nur die Bezeichnung „Schinken“ verwendet werden. Zusätze zu Lebensmitteln sind gesondert auf den Preisverzeichnissen zu kennzeichnen. Die Fremdstoffkennzeichnung (z.B. Brühwürstchen „mit Phosphat“, bei Lachsersatz „mit Farbstoff“, bei Essiggurken, Kartoffelsalat, Bismarckheringen usw. „mit Konservierungsstoff …“) der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung ist zu beachten. Bei Fleisch ist die Tierart anzugeben (zB Schweinehalssteak). Sämtliche Preise für Speisen und Getränke müssen gut sichtbar für die Gäste angeschrieben werden. Bei bestimmten Anlässen kann die Schankerlaubnis gemäß § 12 GastG unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden. Ein bestimmter Anlass im Sinne dieser Vorschrift ist ein kurzfristiges, nicht häufig auftretendes Ereignis (zB Volksfeste, Schützenfeste, Umzüge, Sportveranstaltungen, Werbeveranstaltungen, Tagungen). Beispiel Nach einer Entscheidung des VGH München war die Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs gemäß § 12 GastG und die Verkürzung der Sperrzeit im Rahmen eines zwanzigjährigen Vereinsjubiläums rechtmäßig. Die Klage des Bewohners eines benachbarten Grundstückes hatte keinen Erfolg, da nach Auffassung des Gerichts Feiern örtlicher Vereine zu den typischen Erscheinungsformen gemeindlichen Lebens gehörten. Die von einer solchen Veranstaltung ausgehenden Geräuschbelästigungen seien im Gegensatz zu gewerblichen Lärmimmissionen von den Nachbarn in höherem Maße als sozialadäquat hin zu nehmen.61
Weitere Voraussetzung für die Erlaubnis unter erleichterten Bedingungen ist, dass der besondere Anlass nicht ausschließlich in der gastronomischen Tätigkeit selbst liegen darf.
655
Die Kosten für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 GastG sowie die übrigen Kosten für die Tätigkeit der jeweiligen Behörde ergeben sich aus den Kostengesetzen der einzelnen Bundesländer und können je nach Größe der Veranstaltung im Rahmen der Kostengesetze in unterschiedlicher Höhe festgesetzt werden.
656
61 VGH München v. 13.5.1997 – 22 B 96.3327, NJW 1998, 401 = NVwZ 1998, 309.
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Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
u
M 18
Anmeldungsformular einer Gemeinde für den Antrag auf Schankerlaubnis
Gemeindeverwaltung Musterstadt (Name und Anschrift des Veranstalters) – Ordnungsamt – Musterstraße 99 99999 Musterstadt Antrag auf Erteilung einer Gestattung gem. § 12 GastG Es wird hiermit die Gestattung zum Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes nach § 12 des Gaststättengesetzes für folgende Veranstaltung beantragt: Ort des Ausschankes von Getränken bzw. der Verabreichung von Speisen:
Liegt die Genehmigung des Grundstücks- bzw. Hauseigentümers vor?
Nein l Ja l
Zeitraum der Veranstaltung (Datum und Uhrzeit angeben): Liegen lärmempfindliche Objekte in der Nähe? (Alten-Pflegeheime, Krankenhäuser, o.Ä.) Entfernung
Nein l Ja l
Sind Besonderheiten geplant, zB Feuerwerk, Knallkörper, Lichteffekte? Welche?
Nein l Ja l
Musikdarbietung Kapelle mit Verstärker Tonwiedergabegeräte
Kapelle ohne Verstärker Watt
Nein l Ja l
Getroffene Schallschutzmaßnahmen Bauliche Gebietsausweisung Entfernung zu Nachbarhäusern Abfallbehälter sind bestellt l Toiletten sind bestellt l
sind nicht bestellt l
sind vorhanden l
sind nicht erforderlich l
Inanspruchnahme öffentlichen Straßenraumes Genehmigung liegt vor l Genehmigung ist beantragt l
Nein l Ja l
Folgende Getränke sollen verabreicht werden: Folgende Speisen sollen verabreicht werden: Es werden alkoholische und nichtalkoholische Getränke angeboten, wobei beachtet wird, dass mindestens ein alkoholfreies Getränk nicht teurer sein darf als das billigste alkoholische Getränk in gleicher Menge. 224
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Anlass der Veranstaltung Es ist bekannt, dass 1. die polizeilichen Vorschriften über die Abgabe von alkoholischen Getränken an Jugendliche und deren Teilnahme an Tanzveranstaltungen sowie die Vorschriften über die Polizeistunden zu beachten sind, 2. der vorübergehende Betrieb von Getränkeschankanlagen der Abnahme durch den Sachkundigen vor Inbetriebnahme der Anlage bedarf. Die Anzeige über die Inbetriebnahme der Anlage ist mit der Bescheinigung des Sachkundigen spätestens am 2. Werktag nach der Inbetriebnahme der Verbandsgemeindeverwaltung Musterstadt, Zimmer 99, vorzulegen, 3. der Veranstalter dafür verantwortlich ist, dass Toilettenanlagen getrennt für Damen und Herren in ausreichender Zahl vorhanden sind, gegebenenfalls sind Toilettenwagen aufzustellen, 4. für Hinweisschilder mit entsprechenden Aufschriften wird Sorge getragen, 5. vor Betriebsöffnung die Abnahme eines Zeltes durch die Gemeindeverwaltung Musterstadt -Bauamt- zu erfolgen hat, 6. falls durch die Veranstaltung öffentliche Straßen und Plätze berührt werden, eine zusätzliche verkehrspolizeiliche Genehmigung erforderlich ist. Gebühr: pro Tag 30 Euro, bitte als Verrechnungsscheck beifügen Ort: . . . . . . . . . . . . . . Datum: . . . . . . . . . . . . . . Unterschrift: . . . . . . . . . . . . . . Eine Betriebsgenehmigung kann im Nachhinein auch wieder entfallen oder mit Auflagen belegt werden. Auf Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums hat der Bund-Länder-Ausschuss Flatrate-Partys per Beschluss für rechtlich nicht zulässig erklärt. Auf diesen Veranstaltungen zahlt der Gast einen Festpreis und darf dafür unbegrenzt trinken. Wer als Wirt dennoch solche Partys anbietet, muss mit Sanktionen rechnen – bis hin zum Entzug der Gaststättenerlaubnis. Einige Gewerberechts-Experten halten dies für rechtswidrig. Eine Gesetzesänderung ist für das Verbot der Flatrate-Partys nicht nötig, die bestehenden Regelungen im Gaststättengesetz reichen aus. Auch Werbung für diese Veranstaltungen ist nicht erlaubt. Die Debatte über Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen war im März 2007 durch den Tod eines Berliner Schülers ausgelöst worden, der nach einer Flatrate-Party gestorben war. Der 16-Jährige soll dabei rund 50 Tequila getrunken haben und war mit einem Blutalkoholwert von 4,8 Promille ins Krankenhaus gekommen. Dazu ein Praxisfall: Beispiel Ein Diskothekenbetreiber veranstaltete regelmäßig Events mit verschiedenen Veranstaltungskonzepten für die er mit Flyern und im Internet warb. Insbesondere warb er für eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel „10-Cent-Hammer-Event“, bei dem in unbegrenzter Menge Wodka-Energy-Mixgetränke für 0,10 Euro angeboten werden. Das Ordnungsamt
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Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
kontaktierte den Diskothekenbetreiber und forderte diesen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG auf, in Zukunft keine so genannten Flatrate-Partys und ähnliche Veranstaltungen mit Ausschank alkoholischer Getränke ohne Mengenbegrenzung zu einem einmal zu entrichtenden Preis mehr durchzuführen. Gleichzeitig wies die Behörde darauf hin, dass die 10-Cent-Veranstaltungen den Flatrate-Angeboten gleich zu setzen seien. Der Veranstalter ignorierte die Aufforderung der Ordnungsbehörde und bewarb dieses Veranstaltungskonzept weiter. Daraufhin erließ die Behörde eine Untersagungsverfügung mit sofortiger Vollziehung. Der Veranstalter klagte gegen diese Verfügung. Das Verwaltungsgericht Hannover hat entschieden, dass die Behörde ermessensfehlerfrei entschieden hat und das Partykonzept des Veranstalters geeignet war, Alkoholmissbrauch Vorschub zu leisten und damit die Gesundheit der – überwiegend jugendlichen – Partygäste zu gefährden.62
Beispielsweise kann ein Lokal seinen Charakter ändern und damit höhere Anforderungen an Sicherheit und Brandschutz stellen. Wenn der Betreiber einer Gaststätte mit überwiegend älterem Publikum zur Erzielung höherer Umsätze das Image des Lokales verändert, indem er ein erweitertes Party- und Musikprogramm anbietet, verliert er seine Betriebsgenehmigung, wenn er nicht parallel durch entsprechende Umbaumaßnahmen die erhöhten Sicherheitsanforderungen in Bezug auf Brandschutz und Notausgänge erfüllt.
" Praxistipp: Im Rahmen der EU-Anpassungen und fehlender gleichartiger
Regelungen in einigen anderen EU-Staaten könnte die Pflicht zur Einholung einer Schankerlaubnis kurz- bis mittelfristig entfallen. Eine entsprechende Änderung des Gaststättengesetzes sollte beobachtet werden.
7. Gesundheitszeugnis/Belehrung 658
Die Personen, die im Rahmen einer Veranstaltung gewerbsmäßig Lebensmittel herstellten oder mit ihnen in Berührung kamen, unterlagen bis zum 31.12.2000 einer Untersuchungspflicht nach Bundesseuchengesetz (BSeuchG) und mussten sich vor Beginn der Veranstaltung bei dem zuständigen Gesundheitsamt ein Gesundheitszeugnis ausstellen lassen.
659
Am 1.1.2001 ist das neue Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Kraft getreten und hat das Bundesseuchengesetz abgelöst. Nach diesem Gesetz (§ 43 Abs. 1 IfSG) müssen Personen, die im Lebensmittelgewerbe tätig sind, kein Gesundheitszeugnis mehr erwerben. Die vorher erforderliche amtsärztliche Untersuchung wurde durch eine Belehrung des Gesundheitsamtes über die Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote im Umgang mit Lebensmitteln gemäß § 42 IfSG ersetzt. Nach § 43 IfSG benötigt jede Person, die gewerbsmäßig Lebensmittel herstellt, behandelt oder in Verkehr bringt und dabei mit den Lebensmitteln in Berührung kommt, eine Bescheinigung des Gesundheitsamtes. Die Bescheinigungspflicht ist nicht an ein Berufsbild gekoppelt. Es kommt einzig und alleine auf eine Tätigkeit mit Lebensmittel an. Ferner benötigen auch Personen, die sich regelmäßig in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur
62 VG Hannover v. 11.7.2007 – 11 B 3480/07, NJW 2008, 1015; ähnlich VGH München v. 21.8.2007 – 22 CS07.1796, NVwZ-RR 2008, 26 = NJW 2008, 1017.
226
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Gemeinschaftsverpflegung aufhalten, eine solche Bescheinigung. Auch das Reinigungspersonal (zum Beispiel Spülfrauen) der Lebensmittelbedarfsgegenstände (etwa Töpfe, Teller) benötigt eine solche Bescheinigung. Die Bescheinigung nach § 43 IfSG ist ein Leben lang gültig. Die Belehrung beinhaltet Informationen über Erkrankungen, die leicht durch Lebensmittel auf andere Personen übertragen werden können sowie Informationen über Lebensmittel, über welche besonders leicht Krankheitserreger weiterverbreitet werden können. Außerdem werden Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote bei bestimmten Krankheiten bzw. Krankheitssymptomen aufgezeigt. Der Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Institution belehrt die betreffenden Personen nach Aufnahme ihrer Tätigkeit und im weiteren jährlich über die genannten Tätigkeitsverbote und über die Verpflichtung, dem Arbeitgeber oder Dienstherrn Hinderungsgründe unverzüglich mitzuteilen. Die Teilnahme an diesen Belehrungen wird dokumentiert. Die Bescheinigung über die Erstbelehrung und die letzte Dokumentation der Belehrung durch den Arbeitgeber sind beim Arbeitgeber aufzubewahren und an der Betriebsstätte verfügbar zu halten. Bei Tätigkeiten an wechselnden Standorten genügt die Vorlage einer beglaubigten Abschrift oder einer beglaubigten Kopie. Die entsprechende Bescheinigung darf bei Aufnahme der Tätigkeit nicht älter als drei Monate sein. Die Bescheinigung über die erfolgte Belehrung ist damit einzige Voraussetzung für die erstmalige Aufnahme einer Tätigkeit im Lebensmittelgewerbe.
659a
Der Veranstalter hat auch das Lebensmittelrecht zu beachten. Da das bis zum 6.9.2005 geltende Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen kurz Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) mit Bestimmungen der VO (EG) 178/2002 (so genannte Basisverordnung) kollidierte, wurde als Nachfolgegesetz das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) eingeführt. Die Kernpunkte der im LFGB getroffenen Regelungen betreffen den Gesundheits- und den Täuschungsschutz. Des Weiteren ermächtigt das LFGB die zuständigen Bundesministerien dazu eine Reihe von Verordnungen zu erlassen. Weitere Regelungen für einzelne Lebensmittel und Lebensmittelgruppen sind zB: – die Hackfleischverordnung – die Käseverordnung – die Verordnung über Milcherzeugnisse – die Honigverordnung – die Bierverordnung – die Diätverordnung – die Eier und Eiproduktverordnung – die Margarine- und Mischfettverordnung – die Kakaoverordnung – die Fruchtsaftverordnung – die Alkoholhaltige Getränke-Verordnung
659b
227
Teil E 659c
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Um das in der Basisverordnung geforderte „hohe Schutzniveau“ (Art. 1 Abs. 1 VO (EG) 178/2002) zu gewährleisten, wurde von der EU das sog. Hygienepaket verabschiedet: – VO(EG) 852/2004 (allgemeine Hygienevorschriften), – VO(EG) 853/2004 (spezifische Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs), – VO(EG) 854/2004 (besondere Verfahrensvorschriften für die amtliche Lebensmittelüberwachung). Diese regeln einerseits bestimmte vom Hersteller einzuhaltende Qualitätssicherungsmaßnahmen (HACCP-Konzept) und andererseits enthalten sie Vorschriften für die amtliche Überwachung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Weitere Verfahrensweisen für die Lebensmittelkontrolle werden in der VO(EG) 882/2004 festgelegt.
659d
Die Lebensmittelkontrolle ist an sich Ländersache (§ 38 Absatz 1 LFGB, Art 83 GG). In den Ländern sind diejenigen Behörden angesiedelt, die für Probenahme und die Laborkontrollen verantwortlich sind. Auf Art. 84 Abs. 2 GG erlassene allgemeine Verwaltungsvorschriften garantieren ein koordiniertes Vorgehen im gesamten Bundesgebiet. Die oberste Bundesbehörde ist das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz), dieser ist die Bundesoberbehörde Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unterstellt und bei ihr liegt neuerdings die Hauptkompetenz des Krisenmanagements in Verbindung mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung, welches für die Risikobewertung zuständig ist. Krisen- oder Risikomanagement sind ebenfalls neu entstandene Aktivitäten, die mit der Basisverordnung und der damit errichteten europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ins Leben gerufen wurden. Im Zuge der Vereinheitlichung des Europäischen Binnenmarktes und des Europäischen Verbraucherschutzes hat die Bundesrepublik Deutschland zahlreiche hoheitliche Befugnisse auf die Europäische Gemeinschaft abgetreten. Diese hat mit der EG-Verordnung 178/2002 eine bedeutende Regelung auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts mit der Einrichtung einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und mit Erlass allgemeiner Grundsätze auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts reagiert (Verordnung (EG) Nr. 178/2002).
659e
Am 30.12.2006 wurde die Verordnung EG Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel veröffentlicht (Health-ClaimsVerordnung). Sie trat am 1.7.2007 in Kraft und hat tief greifende Auswirkungen auf das Lebensmittelrecht in ganz Europa. Zeitgleich trat auch die Anreicherungsverordnung (Verordnung EG Nr. 1925/2006) in Kraft. Beide Verordnungen nehmen gegenseitig aufeinander Bezug.
659f
Hygienische Mindestanforderungen für Lebensmittelverkaufstände auf Märkten, Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen sind Folgende: – Der Verkaufsstand muss die Lebensmittel ausreichend schützen; die Einrichtungsgegenstände und Arbeitsgeräte müssen sauber und instand gehalten werden; 228
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
– Zum Behandeln der Lebensmittel dürfen nur Gegenstände/Anlagen/Einrichtungen benutzt werden, die einwandfrei und sauber sind; – Es müssen geeignete Temperaturen für hygienisch einwandfreies Behandeln (zB Kühllagerung) und Inverkehrbringen (zB Heißhaltung) von Lebensmitteln herrschen. Die Außentemperaturen sind zu beachten; – Die angebotenen Produkte sind mit den vorgeschriebenen Kennzeichnungsmerkmalen zu versehen, wie zB der Angabe über verwendete Zusatzstoffe, Preisangaben etc.; – Das verwendete Wasser muss Trinkwasserqualität haben: – Das Personal hat ein hohes Maß an Sauberkeit zu halten und muss angemessene, saubere Kleidung und erforderlichenfalls (beim Umgang mit unverpackten, leichtverderblichen Lebensmitteln) Hygieneschutzkleidung tragen. Das Personal muss gesund sein, das heißt frei sein von ansteckenden Erkrankungen, infizierten Wunden, Hautinfektionen oder Geschwüren. Weitergehende Anforderungen sind an die Herstellung, Behandlung und Abgabe von leichtverderblichen Lebensmitteln zu stellen. Solche sind Lebensmittel, die in mikrobiologischer Hinsicht in kurzer Zeit leicht verderblich sind und deren Verkehrsfähigkeit nur bei Einhaltung bestimmter Temperaturen oder sonstiger Bedingungen erhalten werden kann, wie zB Fleisch, Fisch, Käse sowie deren Erzeugnisse, Speiseeis, Backwaren mit nicht durch gebackener Füllung, Salate, und Imbissartikel. Diese sind aus einem Verkaufswagen oder Kiosk heraus zu verkaufen, der insbesondere folgenden Anforderungen genügen muss: – Der Fußboden ist gleitsicher, wasserundurchlässig und fugendicht herzurichten, er muss leicht zu reinigen sein; – Alle Wandflächen sind (bis zu einer Höhe von mindestens etwa 2 m) mit einem glatten, abwaschbaren, hellen Belag fugendicht zu versehen, darüber liegende Flächen müssen glatt und hell sein; – Die Decke muss glatt, dicht und geschlossen sein; – Über Koch-/Brat-/Grillanlagen sind Abzugshauben mit Fettfiltern anzubringen, die den anfallenden Wrasen nach außen/ggf. über Dach leiten; – Im Stand/Wagen muss eine hygienisch einwandfreie Waschgelegenheit mit fließendem Warm- und Kaltwasser von Trinkwasserqualität vorhanden sein. Seifenspender und saubere Einmalhandtücher sind im Bereich des Handwaschbeckens, das jederzeit und leicht zugänglich sein muss, vorzuhalten. Anfallendes Abwasser ist hygienisch einwandfrei aus dem Wagen herauszuleiten, aufzufangen (zB Kanister) und unter Beachtung der umwelthygienischen Vorschriften zu beseitigen; – Sofern Gästegeschirr abgewaschen werden soll (Verwendung von Mehrweggeschirr) muss eine gesonderte Geschirrspülmöglichkeit zusätzlich vorhanden sein; – Für die Bevorratung müssen ausreichend und geeignete Kühleinrichtungen vorhanden sein. Die vorgeschriebenen Lagertemperaturen sind ausnahmslos einzuhalten; eine Lagerung in nicht dafür vorgesehenen Privat-Pkws ist unzulässig; 229
659g
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
– Der Imbissstand/-Wagen muss über alle notwendigen Lagermöglichkeiten und Vorbereitungsflächen aus lebensmittelechtem Material und hygienisch einwandfreier Beschaffenheit verfügen; – Sollte ein Holzkohlegrill zusätzlich vor oder neben dem Wagen aufgestellt werden, so ist er ausreichend vor nachteiligen Einflüssen (Überdachung, Wandabplanung, Fußbodenbelag, Kundenschutz) zu schützen. 659h
Auf Volksfesten oder ähnlichen Veranstaltungen können bestimmt Lebensmittel auch aus anderen Ständen als Verkaufswagen, Imbisswagen, und Kiosken heraus verkauft werden, zB Verkaufszelte, sofern sie folgendermaßen hergerichtet werden: – Der Bereich muss vom Boden bis zur Arbeitshöhe allseitig umschlossen sein (zB im Viereck aufgestellte Tische, die vom Boden bis zur Arbeitshöhe mit Folie verkleidet sind); – Gegen Witterungseinflüsse ist der Stand abzuschirmen, zB durch ein Zeltdach (Sonnenschirm ist nicht ausreichend) sowie durch Seitenplanen (3 Seiten); – Der Fußboden im Verkaufsstand muss massiv sein (asphaltiert, betoniert, dicht verfugt, gepflastert etc.). Falls kein fester Fußboden vorhanden ist (zB auf einer Festwiese), ist ein geeigneter leicht zu reinigender Fußboden zu schaffen (zB Fußbodenbelag); – Die Arbeits- und Verkaufstische für unverpackte Lebensmittel müssen mit einer glatten, abwaschbaren Oberfläche versehen sein, so dass sie leicht zu reinigen sind; – Der Verkaufsstand (außer frisches Obst und Gemüse) muss mit einer Handwaschgelegenheit mit fließendem warmen Wasser (zB Campingausstattung), Einweghandtüchern und Seifenspender ausgestattet sein. Ein Eimer mit Wasser reicht nicht aus. Darüber hinaus muss eine Abwasserentsorgung vorhanden sein; – Unverpackte Lebensmittel (außer frisches Obst und Gemüse) sind so von den Käufern abzuschirmen, dass diese die Lebensmittel weder von vorn noch von oben berühren oder in anderer Weise – zB durch Anhauchen oder Anhusten/ -niesen/-spucken – nachteilig beeinflussen können (Abschirmung zB durch einen Thekenaufsatz oder durch Lagerung der Lebensmittel im rückwärtigen Bereich des Standes); – Behältnisse mit unverpackten Lebensmitteln dürfen nur übereinander gestapelt werden, wenn dadurch die Lebensmittel weder mittelbar noch unmittelbar nachteilig beeinflusst werden. Es sollten grundsätzlich fest verschlossene Behältnisse benutzt werden; – Falls Lebensmittel gereinigt werden, muss eine geeignete Vorrichtung vorhanden sein, die vom Handwaschbecken getrennt ist: – Falls Mehrweggeschirr verwendet wird, muss zur Geschirrreinigung zusätzlich eine Vorrichtung (Spülmobil, eigene Geschirrspüle, Geschirrspülautomat u.ä.) an geeigneter Stelle zur Verfügung stehen. Die im Verkaufsstand behandelten und abgegebenen Lebensmittel dürfen durch das Schmutz230
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
geschirr nicht beeinträchtigt werden (separate Geschirrrücknahme und -reinigung); – Die Lebensmittel sind garfertig in verpackter Form zu beziehen und bis zur Abgabe an den Verbraucher vorschriftsmäßig zu behandeln (Kühlhaltung, Heißhaltung, auch beim Transport). Folgende Anforderungen sind an das eingesetzte Personal zu stellen: – Das Personal/der Inhaber der Reisegewerbekarte muss im Besitz einer Belehrungsbescheinigung des Gesundheitsamtes zur Ausübung einer Tätigkeit im Lebensmittelbereich nach dem IfSG sein; – Das Personal muss Hygieneschutzkleidung tragen; – Für die Aufbewahrung von Straßen- und Hygienekleidung müssen getrennte Einrichtungen (zB Schränke) im Wagen/Stand oder an anderer geeigneter Stelle vorhanden sein, so dass die Lebensmittel nicht nachteilig beeinflusst werden können; – Für das Personal ist eine Personaltoilette mit Vorraum/Handwaschbecken mit fließend Warmwasser, Seifen- und Handtuchspender gefordert. Ausreichend ist das Mitnutzerrecht einer geeigneten Toilette in unmittelbarer Nähe des Standortes, sofern die Benutzung während der gesamten Verkaufszeit gesichert ist.
659i
Für den Standort eines Lebensmittelstandes ist Folgendes zu beachten: – Die Lebensmittelstände/-wagen müssen auf einem befestigten Platz in hygienisch geeignetem Umfeld aufgestellt werden; – Für hygienische Abfallaufbewahrung und -beseitigung ist Sorge zu tragen; die Abfallbehälter müssen Deckel haben, regelmäßig geleert und gereinigt werden; – Trinkwasserentnahmestellen sowie Abwasserentsorgungsmöglichkeiten müssen in angemessener Zahl vorhanden sein, ebenso Personaltoiletten.
659j
Des Weiteren ist zu beachten: – Produkte, die der Hackfleisch-VO unterliegen (zB Hackepeter-, Mettbrötchen) dürfen nicht angeboten werden; – Schankanlagen müssen über Spülbecken (oder ein geeigneter Gläserspülautomat) für Gläser verfügen, die an fließendes Wasser mit Trinkwasserqualität angeschlossen sind; ist kein Spülbecken vorhanden, dürfen nur Einwegbecher benutzt werden; Schankanlagen müssen das Betriebsbuch mitführen und einen gültigen Reinigungsnachweis haben. 659k
Die städtischen Auflagen könnten zB folgendermaßen formuliert sein: Lebensmittelrechtliche Auflagen für Küchen und Speisenabgabe 1. Die Essensstände, Zeltküchen oder Imbissfahrzeuge müssen so beschaffen sein, dass sie sauber und instand gehalten werden können u. die Lebensmittel von nachteiligen Beeinflussungen (zB durch Regen, Staub, Insekten usw.) geschützt sind. Der Fußboden muss gut zu reinigen sein, die Stände bzw. Küchen müssen überdacht und seitlich vor Witterungseinflüssen geschützt 231
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4.
5.
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Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
sein. Das Dach sollte an den Verkaufsseiten überstehen. Arbeits- und Ausgabetische müssen glatt und abwaschbar sein. Falls offene Lebensmittel zum Verkauf an den Ausgabetischen oder Theken bereitgehalten werden, sind diese gegen die Kunden durch einen entsprechenden Warenschutz (zB Glasaufsatz, Tortenhauben usw.) abzuschirmen, um ein Berühren, Anhusten und Anspucken oder sonstige Beeinträchtigungen zu vermeiden. Grillgeräte, Schneidemaschinen, offene Pfannen usw. müssen so aufgestellt sein, dass keine nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel stattfinden kann. Es müssen Handwaschbecken mit Seife und Einmalhandtüchern vorhanden sein. Außerdem muss für das Küchenpersonal eine eigene hygienisch einwandfreie Sanitäreinrichtung mit Handwaschgelegenheit zur Verfügung stehen. Zum Reinigen von Arbeitsgeräten müssen geeignete Vorrichtungen vorhanden sein (zB Spülbecken, Spülmaschinen, Geschirrmobil). Fließende Warmund Kaltwasserversorgung ist erforderlich. Leichtverderbliche Lebensmittel sind zu kühlen. Dabei ist zu beachten, dass offene Lebensmittel nicht zusammen mit Getränken und ungereinigten Lebensmitteln (z.B. Gemüse) gelagert werden. Fleisch- und Wurstwaren sind getrennt von anderen Lebensmitteln aufzubewahren (zB Käse, Fisch). Hackfleischerzeugnisse (Fleischklopse, Buletten, Frikadellen, Schaschlik, rohe Bratwürste, gesteaktes Fleisch) dürfen nur zubereitungsgerecht fertiggestellt von Betrieben im Sinne des § 9 Hackfleisch-VO (zB Metzgerei) bezogen werden. Sie sind vor der Abgabe an den Verbraucher vollständig durchzuerhitzen. Bei der Lagerung und beim Transport darf die nach der Hackfleisch-VO vorgeschriebene Mindestlagertemperatur von +4 Grad C sowie die Frist für das Inverkehrbringen (nur am Herstellungstag – rohe Bratwürste und Schaschlik auch am nächsten Tag) nicht überschritten werden. Im tiefgefrorenen Zustand dürfen Hackfleischerzeugnisse auch vom Großhandel oder anderen Betrieben bezogen werden, wenn die Herstellung, die Lagerung (bei mind. –18 Grad C), der Transport und die Verarbeitung entsprechend den Vorschriften der Hackfleisch-VO erfolgt ist. Die zuvor erwähnten Beschränkungen gelten nicht, wenn diese Erzeugnisse verzehrfertig und vollständig durcherhitzt bezogen werden. Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, müssen rostund korrosionsfrei sein und sich in sauberem und einwandfreiem Zustand befinden.
8. Verkaufs- und Arbeitstische müssen leicht zu reinigen und mit glatten, rissund spaltenfreien, leicht abwaschbaren Platten oder Belägen versehen sein. 9. Werden Lebensmittel mit Wasser behandelt, so darf hierfür nur Trinkwasser verwendet werden. 659l
Lebensmittel sind auf dem Transport vor Verunreinigungen und Witterungseinflüssen zu schützen. Es gibt Höchsttemperaturen zur Aufbewahrung leichtverderblicher Lebensmittel. 232
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Abb. 32: Maximaltemperaturen für die Lagerung von Lebensmitteln Milcherzeugnisse Käse Torten Fisch-, Krusten-, Schalen-, Weichtiererzeugnisse frischer Fisch bis tiefgefrorene Lebensmittel Konsummilch pasteurisiert Mayonnaise, Feinkostsalate u.Ä. Erzeugnisse frisches Fleisch, Fleisch- u. Wurstwaren Hackfleisch Geflügel
10° C 10° C 7° C 7° C 2° C –18° C 10° C 7° C 7° C 4° C 4° C
Zuwiderhandlungen gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen können als Straftat oder Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
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" Praxistipp: Wenn Sie als Veranstalter einen professionellen Caterer mit der
Zubereitung und Durchführung der Verköstigung beauftragen, sollten Sie sich die wesentlichen Dokumente wie Schankerlaubnis, Belehrung des Gesundheitsamtes etc. in Kopie vorlegen lassen. Gemäß § 278 BGB haften Sie für ein Verschulden Ihrer Erfüllungsgehilfen wie für eigenes Verschulden. Allein die Tatsache, dass der Caterer einen guten Namen hat und die mit ihm abgeschlossenen Verträge das Vorliegen entsprechender Dokumente voraussetzen, entbindet den Veranstalter nicht von einer weitergehenden Prüfpflicht. Zwar kann der Veranstalter den Caterer bei Nichtvorliegen vertraglich versicherter Dokumente später wegen Vertragsverletzung in Regress nehmen, ein durch Mängel im Bereich Catering entstehender Imageschaden wird dadurch aber nicht kompensiert.
8. Sperrzeiten/Sonn- und Feiertage Während der für die einzelnen Bundesländer geltenden Regelsperrzeiten müssen die unter § 18 Gaststättengesetz (GastG) fallenden Schank- und Speisewirtschaften sowie Vergnügungsstätten geschlossen bleiben. Nach dieser Vorschrift können die Länder in Rechtsverordnungen für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten geltende Sperrzeiten festsetzen. In den die Sperrzeit regelnden Rechtsverordnungen ist zu bestimmen, dass die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann, vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG.
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Die Sperrzeitregelungen dienen nach Wertung des Bundesverwaltungsgerichts dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere der Nachtruhe, der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs, der Volksgesundheit und dem Arbeitsschutz.63 Die kürzeste Sperrzeitregelung haben die Länder Berlin und Sachsen getroffen. In diesen Bundesländern dauert die Sperrzeit lediglich von
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63 BVerwG, GewA 1990, 142.
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Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
5.00–6.00 Uhr morgens. In Nordrhein-Westfalen wurde die Regelsperrzeit im Sommer 2001 ebenfalls von zwischen 1.00 Uhr nachts und 7.00 Uhr morgens auf die Zeit von 5.00–6.00 Uhr vormittags verkürzt. Für Biergärten und FreiluftRestaurants blieb es allerdings bei der alten Regelung. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Verlängerung sowie eine Verkürzung der Regelsperrzeit möglich. Im Zuge der geänderten Lebensgewohnheiten der Menschen sowie zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes für die Bearbeitung der Anträge auf Verlängerung, Verkürzung oder Aufhebung der Sperrzeit sind bereits fast alle Bundesländer dazu übergegangen, die Sperrzeit drastisch zu verkürzen. Insbesondere für Gaststätten ist in fast allen Bundesländern die Sperrzeit auf die so genannte Putz- bzw. Kehrstunde (5.00 Uhr bis 6.00 Uhr) reduziert. 661a
In den meisten Bundesländern besteht jedoch weiterhin (noch) eine unterschiedliche Sperrzeitregelung für Schank- und Speisewirtschaften einerseits und öffentliche Vergnügungsstätten andererseits. Abb. 33: Die Länderregelungen im Überblick Baden-Württemberg: §§ 9 ff. GastVO, BW Bayern: §§ 8 ff. GastV Berlin: §§ 6 ff. GastV Brandenburg: SperrzV Bremen: §§ 9 ff. GastVO Hamburg: SperrzeitV Hessen: SperrzeitVO Mecklenburg-Vorpommern: § 3 f. Gast-VO Niedersachsen: SperrzeitVO Nordrhein-Westfalen: §§ 3 ff. GastV Rheinland-Pfalz: §§ 17 ff. GastVO Saarland: §§ 17 ff. GastVO Sachsen: §§ 7 ff. GastVO Sachsen-Anhalt: SperrzeitVO Schleswig-Holstein: Sperrzeitverordnung wurde 2005 ersatzlos aufgehoben Thüringen: §§ 6 ff. ThürGastVO Nordrhein-Westfalen hat die Befugnis zur Festlegung einer Sperrzeit in § 3 GastV NW ausdrücklich auf die örtlichen Ordnungsbehörden übertragen. Fehlt eine Regelung der Kommunen, so gelten die Vorgaben des § 4 GastV NW.
Die konsequenteste Reform wurde in Schleswig-Holstein durchgeführt. Dort hat die Landesregierung die Rechtsgrundlage zur Festsetzung einer Sperrzeit im Zuge der Entbürokratisierung gänzlich aufgehoben. Es bleibt den Städten und Gemeinden jedoch unbenommen, im Rahmen ihrer Befugnisse Sperrzeiten festzulegen. 234
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Die zuständigen Behörden haben die Möglichkeit, die Verkürzung oder Aufhebung der Sperrzeit befristet oder widerruflich zu erteilen oder (auch noch nachträglich) mit Auflagen zu versehen. Diese Möglichkeiten der Anpassung der gesetzlich vorgesehenen Sperrzeiten dienen nicht nur dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern auch dem Nachbarschutz. So muss die entscheidende Behörde insbesondere alle Folgen, die die Verkürzung der Sperrzeit (also die Verlängerung der Öffnungszeiten) für die Nachtruhe der Anwohner hat, berücksichtigen, gleichgültig, ob der Gastwirt die Folgen beeinflussen kann oder nicht. Dies gilt auch für den Lärm, den Gäste vor der Gaststätte unter Verletzung von Rechtsnormen zB von Vorschriften der StVO verursachen.64
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Erlaubt die Ordnungsbehörde einem Betrieb eine Verkürzung der Sperrzeit, kann dies uU als eine Missachtung nachbarlicher Belange darstellen.
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Rechtlich kann der Nachbar mit Einlegung eines verwaltungsrechtlichen Rechtsmittels und zwar dem Widerspruch gegen die dem Betrieb gewährte Verkürzung der Sperrzeit vorgehen. Besondere Widerspruchsfristen gelten in diesen Fällen regelmäßig nicht, da die Nachbarn grundsätzlich nicht von der zuständigen Behörde in Kenntnis über den den Betrieb begünstigenden Verwaltungsakt gesetzt werden. Zu lange darf der Nachbar jedoch mit der Ergreifung des Rechtsmittels des Widerspruchs auch nicht warten, da er seinen Rechtsschutz verwirkt, wenn er die neuen Gegebenheiten über einen längeren Zeitraum untätig hinnimmt. Einige Monate des Abwartens stellen dabei noch kein zu langes Zögern dar. Wer aber erst ein Jahr, nachdem er die neuen Öffnungszeiten registriert hat, etwas unternehmen will, wird aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit Erfolg die Verkürzung der Sperrzeit rückgängig machen können. Ihm bleibt daher nur die Möglichkeit gegen auftretende Störungen der Nachtruhe im Einzelfall vorzugehen. War der Widerspruch in zulässiger Form erhoben, hat aber die zuständige Behörde dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann vor dem Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erhoben werden. Ursache für eine Verlängerung der Sperrzeit können Belästigungen der Anlieger durch an- oder abfahrende Fahrzeuge oder Unterhaltungen von kommenden oder gehenden Gästen sein. Die Geräusche stellen Immissionen iS des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) dar, § 3 Abs. 2 BImSchG. Neben den bundesrechtlichen Regelungen gibt es die Immissionsschutzgesetze der Länder, die die Begriffsbestimmungen des Bundesgesetzes übernehmen, zB § 2 Landesimmissionsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (LImSchG NW).
662
Von 22.00 bis 6.00 Uhr ist es verboten, Lärm zu verursachen, durch den andere Personen in ihrer Nachtruhe gestört werden können. In dieser Zeitspanne müssen Nachbarn und Anlieger Geräuschbelästigungen nicht mehr hinnehmen. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts liegen die neuen Lärmgrenzen bei 55 Dezibel in reinen Wohngebieten und 60 Dezibel in gemischten Wohn-Gewerbe-Gebieten.65
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64 BVerwG v. 18.9.1991 – 1 B 107/91, NVwZ-RR 1992, 68. 65 Siehe zu den Lärmgrenzwerten auch Rz. 1138 ff.
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Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Beispiel In Bayern wurde durch das bayerische Kabinett eine Biergartenverordnung erlassen, die den Betrieb von Biergärten bis 23.00 Uhr gestattete. Begründet wurde die Verordnung damit, dass von Biergärten keine schädlichen Umwelteinwirkungen einschließlich des ihnen zurechenbaren Straßenverkehrs ausgehen, wenn Musikdarbietungen um 22.00 Uhr enden, die Verabreichung von Getränken um 23.00 Uhr endet und die Betriebszeit so endet, dass der zurechenbare Straßenverkehr bis 23.00 Uhr abgewickelt ist. Der VGH München hielt diese Verordnung mit der bundesrechtlichen Ermächtigungsvorschrift des § 23 Abs. 1 BImSchG vereinbar, da es sich bei den Biergärten um „ein Stück angestammten bayerischen Kulturguts“ handele und damit eine maßvolle Absenkung des einzuhaltenden Schutzniveaus bei Gaststätten gerechtfertigt sei. Das Bundesverwaltungsgericht stufte in einem Normenkontrollverfahren auf Klage von sechs Anliegern eines Biergartens mit 2 000 Sitzplätzen und regelmäßiger Jazzmusikdarbietung in einem reinen Wohngebiet die Biergartenverordnung als nichtig ein, da für eine derartige Sonderregelung keine ausreichende Rechtsgrundlage im Bundesimmissionsschutzgesetz existiere und die Verordnung den von § 23 Abs. 1 BImSchG vorausgesetzten Inhalt in Bezug auf immissionsschutzrechtliche Anforderungen verfehle.66
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Überwacht wird die Einhaltung der Nachtruhe grundsätzlich von den örtlichen Ordnungsbehörden. Eilzuständig ist die Polizei. Geht die störende Betätigung von einem Gewerbebetrieb aus, sind grundsätzlich die staatlichen Umweltämter für die Ergreifung der notwendigen Maßnahmen zuständig. Das Landesimmissionsrecht gestattet den Gemeinden jedoch bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für Messen, Märkte, Volksfeste, Volksbelustigungen und ähnliche Veranstaltungen und für die Nacht vom 31. Dezember zum 1. Januar einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie, durch ordnungsbehördliche Verordnung allgemeine Ausnahmen von diesem Verbot zu regeln.
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Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung auf historischen oder kulturellen Umständen beruht oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt. Bei der Entscheidung über eine Sperrzeitverkürzung wird das öffentliche Interesse an der Verkürzung dem öffentlichen Interesse am Bestand der allgemeinen Sperrzeiten im Wege der Abwägung gegenübergestellt. Dabei sind alle Folgen, die die Sperrzeitverkürzung für die Nachtruhe der Anwohner hat, zu berücksichtigen, gleichgültig ob der Veranstalter die Folgen beeinflussen kann oder nicht (auch Lärm der aus Verletzung von Rechtsnormen, zB StVO, durch Gäste resultiert67).
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In der Praxis kann ein öffentliches Interesse an einer Sperrzeitverkürzung häufig nicht nachgewiesen werden68. Nach Ansicht des hessischen Verwaltungsgerichtshofes geht § 18 GastG davon aus, dass das Bedürfnis der Allgemeinheit für Bewirtung und Aufenthalt in Schank- und Speisewirtschaften sowie Vergnü66 BVerwG v. 28.1.1999 – 7 CN 1/97, NVwZ 1999, 651 = NJW 1999, 2201 = BVerwGE 108, 260. 67 BVerwG, NVwZ 1992, 68. 68 Gruber, Mein Recht als Gastwirt und Hotelier, 2000, S. 36.
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II. Behördliche Genehmigungen
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gungsstätten bis zum Beginn der allgemeinen Sperrzeit befriedigt werden kann.69 Beispiel Insbesondere im Bereich der Bewirtschaftung im Freien kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Open-Air-Veranstaltern und Nachbarn. Nach Auffassung der Biergartenbetreiber ist im Sommer in der Zeit vor 21.00 Uhr das Biergartengeschäft noch nicht richtig lukrativ. Außerdem sei 22.00 Uhr Sommerzeit – wegen des Zurückstellens der Uhr um eine Stunde – 21.00 Uhr im natürlichen Tagesablauf. Das Gros der Biergartenbesucher kommt erst um 21.00 Uhr in die deutschen Biergärten. Eine Schließung um 22.00 Uhr bringt daher für die Gastwirte immense Umsatzeinbußen. Der Hotel- und Gaststättenverband Nordrhein-Westfalens (DEHOGA NRW) hat daher auf einer Podiumsdiskussion im Oktober 1998 eine generelle Bewirtungsmöglichkeit im Freien bis mindestens 23.00 Uhr gefordert. Jedoch stehen die Regelungen des LImSchG NW einer solchen Allgemeinerlaubnis klar entgegen. In manchen Gemeinden stellt sich dieses Problem wegen lokaler Sondererlaubnisse nicht. So erlaubt die Landeshauptstadt Düsseldorf den Ausschank im Freien bis 23.00 Uhr, in der Altstadt sogar bis 24.00 Uhr. In Moers darf in der Innenstadt bis 23.00 Uhr, außerhalb aber nur bis 22.00 Uhr ausgeschenkt werden. Die Behörden in Solingen und Wesel lassen einen Ausschank bis 23.00 Uhr zu. In Viersen kann bis 1.00 Uhr auch draußen ausgeschenkt werden. In Krefeld besteht eine allgemeine Ausnahmegenehmigung bis 24.00 Uhr. Mönchengladbach und Kleve bestehen theoretisch auf der 22.00 Uhr-Schranke, es fehlt aber an behördlichen Kontrollgängen. Die Verwaltung der Stadt Duisburg hat bereits im Jahr 1995 nach eigenen Angaben „wegen des veränderten Freizeitverhaltens der Bürger“ im Außenbereich für 500 Betriebe einen Freiluftausschank bis 23.00 Uhr, für 40 Gaststätten sogar bis 24.00 Uhr zugelassen. Diese Ausnahmegenehmigungen sind jedoch von der Toleranz der Nachbarn und Anlieger abhängig. Ein Anlieger, der sich nach 22.00 Uhr durch den Freiluftausschank in seiner Nachtruhe belästigt fühlt, kann, wegen den Vorschriften des Landesimmissionsschutzgesetzes und der TALärm, im gerichtlichen Verfahren mittels einstweiliger Verfügung eine Schließung um 22.00 Uhr erreichen.
Besondere örtliche Verhältnisse liegen nach Ansicht des VGH Baden-Württemberg vor, wenn die Umstände insgesamt positiv für eine Verkürzung sprechen.70 Anhaltspunkte dafür liefern die unmittelbare und weitere Umgebung des Betriebes. Kriterien können dabei die Lage des Betriebes in einem Vergnügungsviertel (zB Düsseldorfer Altstadt, Reeperbahn), die Bedürfnisse der Einwohnerschaft und des Fremdenverkehrs sowie die Gemeindegröße sein.
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Sprechen die oben genannten Kriterien für eine Verkürzung, wird eine Sperrzeitverkürzung in widerruflicher und befristeter Form erteilt. Das Vorliegen der Voraussetzungen einer Sperrzeitverkürzung wurde von der Rechtsprechung beispielsweise in folgenden Fällen angenommen: – für ein Tanzlokal,71 – für eine Diskothek,72 – für eine Gaststätte.73
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69 70 71 72 73
VGH Kassel, GewA 1990, 73. VGH Mannheim, GewA 1994, 31. VGH Mannheim v. 14.4.1989 – 14 S 3712/88, NVwZ-RR 1990, 181. VGH Kassel v. 14.4.1989 – 14 S 3712/88, NVwZ-RR 1990, 183. VGH Mannheim v. 9.8.1991 – 14 S 2421/90, NVwZ-RR 1992, 358.
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Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
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Die Verkürzung der Regelsperrzeit sollte rechtzeitig vor Beginn der geplanten Veranstaltung bei der zuständigen Stelle der betreffenden Stadt- oder Gemeindeverwaltung beantragt werden.
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Wann eine Störung der Nachtruhe vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzustellen. Für die Prüfung der Ruhestörung ist insbesondere der Gebietscharakter des Einwirkungsbereichs von Bedeutung. Ergeben die planungsrechtliche Ausweisung oder die tatsächliche Bebauung eines Gebietes, dass es gegenüber Geräuschimmissionen nur eingeschränkt schutzbedürftig ist (zB wegen überwiegender gewerblicher Nutzung), sind die Geräusche anders zu beurteilen als in Wohngebieten. Allgemein können zur Beurteilung der Störung der Nachtruhe die TA Lärm und die VDI-Richtlinie 2058 entsprechend herangezogen werden.74 Allerdings ist eine schematische Anwendung dieser Regelwerke verfehlt, weil eine Anpassung der abstrakten technischen Grundsätze an die besonderen Erfordernisse und Gegebenheiten des Einzelfalles nötig sein kann. Dies kann insbesondere dort der Fall sein, wo Gebiete unterschiedlicher Nutzungsart aufeinander treffen und das Gebot gegenseitiger Duldung und Rücksichtnahme gilt. Das Recht auf Nachtruhe ist stets zu beachten.
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Die Verletzung der Sperrzeiten kann für den Gastwirt oder Veranstalter mit Bußgeld bis zu 5 000 Euro geahndet werden. Auch der Gast oder Zuschauer, der den Weisungen des Gastwirtes oder Veranstalters nicht Folge leistet, kann mit einem Bußgeld in derselben Höhe bestraft werden.
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Für Veranstaltungen, die an Sonn- und Feiertagen stattfinden, müssen nach den jeweiligen Ländergesetzen Ausnahmegenehmigungen bei der örtlichen Polizeioder Ordnungsbehörde eingeholt werden. Beispiel Der Kasseler Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass die Veranstaltung eines Weihnachtsmarktes am Totensonntag nicht dem ernsten Charakter dieses Feiertages entspricht und damit unzulässig ist. Auch wenn der Weihnachtsmarkt nicht ausschließlich gewerblich sei, handele es sich dennoch um eine Verkaufs-, Werbe- und Vergnügungsveranstaltung. Nach einer Entscheidung des VGH Mannheim sind Messen und Märkte (in der Entscheidung ging es um einen Trödelmarkt) an Sonn- und Feiertagen genehmigungspflichtig.75 In gleicher Weise entschied das OVG Münster.76 In Nordrhein-Westfalen gilt das Gesetz über die Sonn- und Feiertage (FeiertagsG NW). Nach § 6 Abs. 1 FeiertagsG NW sind an stillen Feiertagen (differenziert nach Art des Feiertages) eine Vielzahl von aufgelisteten Veranstaltungen wie Märkte, gewerbliche Ausstellungen, Sportveranstaltungen, Zirkusveranstaltungen und Volksfeste verboten. In einer Entscheidung des OVerwG Münster wurde die Aufführung des Musicals Starlight Express von Andrew Lloyd Webber an stillen Feiertagen verboten. Dabei wurde das Musical vom Gericht als „andere der Unterhaltung dienende öffentliche Veranstaltung“ iSv. § 6 Abs. 1
74 Vgl. hierzu Teil I Rz. 1145 ff. 75 VGH Mannheim v. 22.9.1987 – 10 S 2647/86, NJW 1988, 2258. 76 OVG Münster v. 15.4.1987 – 4 A 57/86, NJW 1987, 2602.
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Nr. 5 FeiertagsG NW gewertet. Somit sei die Aufführung ohne Ausnahmegenehmigung nach § 10 Abs. 1 FeiertagsG NW am Karfreitag ganztägig (§ 6 Abs. 3 Nr. 1 FeiertagsG NW), am Volkstrauertag, Totensonntag und an Allerheiligen von 5.00–18.00 Uhr (§ 6 Abs. 2 FeiertagsG NW) verboten. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Veranstalterin beim Bundesverwaltungsgericht hatte ebenfalls keinen Erfolg.77
9. Feuerwerke/Feuerwerkskörper Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern unterliegt in Nordrhein-Westfalen nach § 11 LImSchG NW dem Genehmigungsvorbehalt der örtlichen Ordnungsbehörde in dessen Bezirk das Feuerwerk abgebrannt werden soll. Ein Feuerwerk darf nach diesem Gesetz maximal 30 Minuten dauern und muss um 22.00 Uhr, im Mai/Juni/Juli um 22.30 Uhr und während der mitteleuropäischen Sommerzeit eine halbe Stunde später beendet sein. Selbstverständlich kann die zuständige Ordnungsbehörde Ausnahmegenehmigungen für besondere Anlässe (zB Silvester/Neujahr, Stadtjubiläen u.Ä.) erteilen.
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10. Glücks-/Gewinnspiele/Lotterien/Tombolen/Poker-Veranstaltungen Nach § 284 Strafgesetzbuch (StGB) ist die Veranstaltung eines öffentlichen Glückspiels und nach § 287 StGB die Veranstaltung öffentlicher Lotterien oder Ausspielungen ohne behördliche Genehmigung strafbar.
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Ein Glücksspiel liegt immer dann vor, wenn eine Mehrzahl von Personen die Möglichkeit hat, gegen einen bestimmten Einsatz einen Gewinn zu erlangen, dessen Erzielung vom Zufall abhängt. Zufall ist auch dann gegeben, wenn die Willkür des Unternehmens für die Verteilung der Gewinne maßgeblich ist oder wenn die Ankunftszeit der Lösungen über die Reihenfolge der Gewinner entscheiden soll. Glücksspiele in Deutschland bedürfen grundsätzlich einer staatlichen deutschen Zulassung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Ende 2003 entschieden, dass dieses Erfordernis der jeweiligen nationalen Genehmigung Inhaber von Glücksspiellizenzen anderer EU-Staaten unangemessen benachteiligt.78 Es stelle eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Ein Glücksspiel sei danach national zuzulassen, wenn die Genehmigung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erteilt wurde. Damit würde eine Glücksspiellizenz aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat in Deutschland theoretisch ausreichen. Juristisch ist dies aber auf nationaler Ebene bis heute ungeklärt. Öffentliche Lotterien, Ausspielungen und Tombolen sind erlaubnispflichtig. Eine Lotterie liegt vor, wenn einer Mehrzahl von Personen die Möglichkeit eröffnet wird, nach einem bestimmten Plan gegen ein bestimmtes Entgelt die Chance auf einen Geldgewinn zu erlangen. Können anstelle von Geld Sachen 77 BVerwG v. 21.4.1994 – 1 B 14/94, NJW 1994, 1975 = NVwZ 1994, 898 = DVBl. 1994, 1242. 78 EuGH v. 6.11.2003 – C-101/01.
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Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
oder andere geldwerte Vorteile gewonnen werden, liegt eine Ausspielung vor. Zu den öffentlichen Lotterien und Ausspielungen gehören auch eintägige Veranstaltungen (Tombolen), die in geschlossenen Räumen oder Bereichen durchgeführt werden. Öffentlich ist eine Lotterie, Ausspielung oder Tombola, wenn für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht oder es sich um gewohnheitsmäßig veranstaltete Lotterien oder Ausspielungen in Vereinen oder sonstigen geschlossenen Gesellschaften handelt. Die größeren Lotterien mit einem Gesamtpreis der Lose über 650 Euro (bei in Eintrittskarten enthaltenen Lospreisen = Wert der Gewinne) sind nach § 18 Nr. 1 Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) steuerpflichtig und müssen außerdem beim Finanzamt angemeldet werden. Unter 650 Euro besteht die Steuerpflicht, wenn der Veranstalter Gewerbetreibender (dann liegt die Grenze bei 240 Euro) ist oder Bargeld ausgeschüttet wird. Lotterien und Ausspielungen zu gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken sind nach § 18 Nr. 2 RennwLottG bis zu einem Gesamtpreis der Lose von 40 000 Euro steuerbefreit.79 Voraussetzung ist allerdings das Vorliegen einer behördlichen Genehmigung. Wer die genehmigungserteilende Behörde ist, richtet sich regelmäßig nach Landesrecht. Es kommt also darauf an, in welchem Bundesland der Veranstalter die Lotterie durchführen möchte. Je nachdem, welche Größenordnung die Veranstaltung hat (Losauflage, Umsatz, Verbreitungsgrad), sehen manche Bundesländer in ihren Glücksspielregelungen auch Erleichterungen, unter Umständen sogar eine gänzliche Befreiung von der Genehmigungspflicht, vor. Ob das der Fall ist, kann nur im Einzelfall beantwortet werden.
674b
u
M 19
Anmeldungsformular einer Gemeinde für den Antrag auf Genehmigung einer Lotterie/Ausspielung/Tombola
Antrag auf Genehmigung einer Lotterie/Ausspielung/Tombola gemäß dem Glücksspielstaatsvertrag vom 20.4.2007 iVm. … dem Gesetz des Bundeslandes Antragsteller (Name, Anschrift, Telefon): für die Einhaltung der Genehmigungsauflagen verantwortliche Person (Name, Anschrift, Telefon): Anlass der Veranstaltung (Welches Gemeininteresse besteht an der Durchführung?): Ort und Zeitraum der Veranstaltung/der Ausspielung (Tombola): Für welchen Zweck soll der Erlös verwendet werden?: 79 Näheres dazu in Rz. 1427 ff.
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II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Art der Verteilung der Gewinne (Lose mit sofortigem Gewinnentscheid, Ziehung o.a.): Höhe des geplanten Spielkapitals (Anzahl der Lose x Lospreis = Spielkapital):
Nachfolgende Aufstellungen sind auf gesonderten Blättern dem Antrag beizufügen: a) Spielplan Er muss sämtliche Kosten (z.B. für Losdruck, Lotterie-/Umsatzsteuer, Organisation, etc.), den vorgesehenen Reinertrag und die vorgesehene Gewinnsumme enthalten. Der Spielplan muss einen Reinertrag und eine Gewinnsumme von je mindestens 30 % des Spielkapitals vorsehen.
b) Gewinnplan Er muss die Auflistung aller zur Auslosung gelangenden Sachpreise mit Bezeichnung ihrer Art und ihres Wertes (Verkaufswert) enthalten. In ihm ist ebenfalls die Art der Verteilung der Gewinne an die Mitspieler festzulegen.
c) Nachweis vom Finanzamt über die Gemeinnützigkeit des Vereins Ort, Datum: Unterschrift Antragsteller: Unterschrift verantwortliche Person: Bei Gewinnspielen dagegen erfolgt kein entgeltlicher Einsatz oder die Gewinn-/ Verlust-Entscheidung hängt alleine von den Fertigkeiten und Fähigkeiten des Teilnehmers an. Gewinnspiele sind grundsätzlich zulassungsfrei und auch wettbewerbsrechtlich zulässig. Dies bedeutet, dass grundsätzlich auch Gewinnspiele mit Mehrwertdienste-Rufnummern wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Der Veranstalter ist rechtlich nicht verpflichtet, die Größe der Gewinnchance oder die Zahl der ausgesetzten Gewinne oder der vorgesehenen Gewinnlose anzugeben. Macht er hierzu jedoch Angaben, müssen diese stimmen und klar formuliert sein.
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Die Ankündigung und Durchführung einer Gewinnspielveranstaltung zu Zwecken des Wettbewerbs verstößt nach Ansicht des Berliner Kammergerichts aber gegen die guten Sitten und verletzt die Menschenwürde, wenn die Veranstaltung dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gewinn eines Kraftfahrzeugs des Typs Mercedes Benz C 180 demjenigen in Aussicht gestellt wird, der unter mehreren Teilnehmern am längsten in diesem ausharrt.80 Nach ständiger Rechtsprechung wird die Grenze des wettbewerbsrechtlich Zulässigen aber dann erreicht, wo der Erwerb von Waren oder die Inanspruchnahme von Leistungen des Gewinnveranstalters zwangsweise als Voraussetzung für die Teilnahme an einem Gewinnspiel verlangt wird (sog. Kopplungsfäl-
80 KG v. 5.11.1996 – 5 U 8611/95, OLGR 1997, 114.
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Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
le). Dabei unterscheidet man die Fälle der unmittelbaren und mittelbaren Kopplung. Eine Unmittelbarkeit liegt dann vor, wenn der Kauf einer Ware oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung zwingende Voraussetzung für die Teilnahme ist, § 4 Nr. 6 UWG (z.B. „jeder 10. Käufer gewinnt“ oder „jeder Kassenzettel eines Unternehmens ist ein Los“). Umstritten ist, ob diese Kopplung auch in den Fällen gegeben ist, wo Gewinnspiele mit Mehrwertdienste-Rufnummern veranstaltet werden, da ein Teil der durch die Mehrwertdienste-Nummern erzielten Einnahmen dem jeweiligen Gewinnveranstalter zufließt.81 Auch die Möglichkeit der alternativen Teilnahme lässt nach Auffassung der Gerichte die Wettbewerbswidrigkeit nicht entfallen, wenn diese andere Möglichkeit unbequem ist, nicht ernst genommen wird oder erfahrungsgemäß kaum beachtet wird. Mittelbare Kopplung ist zu bejahen, wenn dieser erforderliche Zwang fehlt. In diesen Fällen gibt es meist noch andere Mittel und Wege, um an dem Gewinnspiel teilzunehmen. Das bloße Porto, welches ein Teilnehmer aufwendet, um die Lösung an den Veranstalter zu senden, ist noch kein die Sittenwidrigkeit begründender Einsatz. Denn dieses fließt nicht dem Veranstalter, sondern dem Beförderungsunternehmen zu, dessen Dienstleistung in Anspruch genommen wird. 674e
Bis heute umstritten sind die Anforderungen an Pokerveranstaltungen u.Ä. Rheinland-Pfalz hat im Mai 2008 als erstes Bundesland alle öffentlichen Pokerveranstaltungen untersagt, bei denen ein Startgeld bezahlt werden muss. Pokern liegt seit Mitte 2007 in Deutschland voll im Trend. In verschiedenen Fernsehkanälen wie im Deutschen Sport Fernsehen (DSF) werden Spiele und Turniere live übertragen. Stefan Raab und Boris Becker fungieren als Werbeträger und zocken vor laufenden Kameras. In Deutschland darf Poker um Geld nur in staatlich lizenzierten Casinos gespielt werden. Insofern gilt nach wie vor das staatliche Glücksspielmonopol des am 1.1.2008 in Kraft getretenen GlücksspielStaatsvertrages (GlüStV) (Rechtsvorgänger war der Lotterie-Staatsvertrag – LotterieStV – vom 1.7.2004). Der Gesetzgeber musste hier handeln, weil das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr 2006 die bisherigen Regelungen des Lotterie-Staatsvertrages für verfassungswidrig erklärt hatte.
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Gemäß § 1 GlüStV sind die Ziele des Staatsvertrages: 1. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, 2. das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern, 3. den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten, 4. sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden. 81 Bejahend LG Dortmund v. 25.4.2001 – 20 O 27/01; LG Hamburg v. 8.1.2002 – 406 O 7/02; LG Memmingen v. 10.5.2000 – 1 H 2217/99; Bahr Rz. 615 ff.; verneinend OLG Düsseldorf v. 23.9.2003 – I-20 U 39/03.
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II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Dieses Monopol ist auch wegen fehlender ähnlicher gesetzlicher Regelungen in anderen EU-Staaten stark umstritten und nach unserer Ansicht weder zeitgemäß noch rechtlich haltbar. Die deutsche Politik argumentiert im Wesentlichen mit dem Schutz von Jugendlichen und Heranwachsenden im Hinblick auf eine etwaige Suchtgefahr, allerdings dürfte auch die Wertigkeit staatlicher Casinos als Einnahmequelle eine nicht geringe Rolle spielen. Mittlerweile gehen bereits einzelne Gerichte von einer Verfassungswidrigkeit des Wettmonopols aus.82 Nach Ansicht des VG Trier sind lediglich Internetsportwetten sowie die Annahme und Vermittlung von Sportwetten an Minderjährige, erkennbar Spielsuchtgefährdete und Überschuldete verboten. In Deutschland gibt es aktuell zahlreiche Turniere, bei denen die volljährigen Teilnehmer ein Startgeld zahlen müssen, über welches die Veranstaltung finanziert wird. Häufig werden für die besten Spieler des Wettbewerbs kleinere Sachpreise ausgelobt (zB iPod u.ä.). Das Verwaltungsgericht Münster hat Veranstaltungen der Poker-Bundesliga als illegales Glücksspiel bewertet und für die Zukunft untersagt.83 Die Veranstaltung sollte im Rahmen einer so genannten „Poker-Bundesliga“ stattfinden, die Teilnehmer sollten ein Startgeld von 15 Euro bezahlen, welches zur Deckung der Veranstaltungskosten verwendet werden sollte. Die Preise für die Gewinner wurden von Sponsoren gestellt. In NRW waren derartige Turniere bisher erlaubt, wenn das Startgeld der Spieler 15 Euro nicht überstieg. Die Stadt Rheine hat die Veranstaltung verboten, weil es sich nach Auffassung der Stadt um ein strafbares verbotenes Glücksspiel iS des § 284 StGB handeln soll. Leitsätze des VG Münster: 1. Poker (hier: „Texas Hold’em-Regeln“ ohne „Rebuy“-Möglichkeit im K.O.-System) ist zufallsbezogen und somit ein Glücksspiel. 2. Auch wenn die Eintrittsgelder i.H.v. 15,– Euro bei einem Pokerturnier ausschließlich zur Deckung der anfallenden Kosten (z.B. Lokalmiete, Personal) verwendet werden, handelt es sich bei dem Eintrittsgeld um einen Einsatz i.S.d. § 284 StGB, so dass ein strafbares Glücksspiel vorliegt. Insbesondere ist es unerheblich, wie das verlangte Entgelt vom Veranstalter genannt wird: Einsatz, Turniergeld, Teilnahmegebühr, Startgeld, Eintrittsgeld oder Unkostenbeitrag. 3. Erlaubt sind dagegen grundsätzlich Poker-Turniere, bei denen die Spieler als Einsatz eine freiwillige Spende zugunsten einer gemeinnützigen Organisation entrichten (sog. Charity-Turniere). Verboten ist es jedoch, diese Charity-Turniere mit anderen PokerTurnieren zu verknüpfen (z.B. in Form einer Poker-Bundesliga), bei denen als Einsatz keine Spende, sondern Eintrittsgelder verlangt werden.“
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat diese Entscheidung, auf eine vom Veranstalter eingelegte Beschwerde hin, wieder aufgehoben und das Verbot von Pokerveranstaltungen durch die Stadt Rheine als voraussichtlich rechtswidrig eingestuft.84 Bei Poker handele es sich nicht um ein verbotenes Glücks82 VG Trier v. 28.4.2008 – 1 L 240/08. 83 VG Münster v. 3.4.2008 – 9 L 13/08. 84 OVG Münster v. 10.6.2008 – 4 B 606/08.
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Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
piel bei dem ein Spieler einen Spieleinsatz zahle, aus dem eine Gewinnchance erwachse. Die vom Veranstalter solcher Turniere erhobene Teilnahmegebühr in Höhe von 15 Euro stelle insoweit keinen Spieleinsatz dar. Der Eintritt zu der Veranstaltung diene hier aber nur zur Finanzierung der sonstigen Kosten. Die Entscheidung eröffnet für Veranstalter und Teilnehmer an Pokerturnieren, die vor allem durch Fernsehübertragungen populär geworden sind, einen Rahmen, in dem solche Veranstaltungen rechtssicher durchgeführt werden können. Im Grundsatz verbleibt es aber dabei, dass das öffentliche Anbieten des Pokerspiels um Geld und sogar die Teilnahme daran strafbar sind. Nur dann, wenn keine Gewinne gemacht werden können, ist ein Turnier unbedenklich. Soweit im Rahmen solcher Pokerturniere für (andere) illegale Pokerveranstaltungen geworben werde, komme grundsätzlich nur ein Verbot der Werbung dafür, nicht aber des ganzen Turniers, auf dem geworben werde, in Betracht. Das OVG Münster hat zwar entschieden, dass auch Gewinnmöglichkeiten zulässig sein können, wenn diese nicht durch einen Spieleinsatz finanziert werden. Allerdings kann in diesem Fall eine Pokerveranstaltung noch als ein anderes Spiele mit Gewinnmöglichkeit nach § 33d GewO verboten werden, wenn sie gewerbsmäßig angeboten wird. Die erforderlichen Voraussetzungen für eine solche Veranstaltung (Erlaubnis, Unbedenklichkeitsbescheinigung) fehlten. Diese Entscheidung könne das Gericht selbst nicht treffen, weil bei einem solchen Verbot der Behörde Ermessen zustehe. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Es bleibt zu beobachten, ob diese Rechtsprechung Bestand hat oder sich andere Gerichte für Verbote aussprechen, die sich vielleicht auf die Veranstaltung von Skat- und Doppelkopfturnieren erstrecken. Aus unserer Sicht sind Kartenspiele um kleine Geldbeträge Teil des Brauchtums und eine übertriebene Einflussnahme von Behörden und Gerichten daher nicht angezeigt.
11. Sondernutzung Luftraum 675
Auch spektakuläre Eventbestandteile, wie das Landen in einem Sportstadion mit Fallschirmen, Drachen oder Ultra-Leicht-Fluggeräten bedürfen verschiedener Genehmigungen. Aber auch die bloße Verwendung größerer Mengen von Luftballons (Zahl von Behörde zu Behörde unterschiedlich) oder der Einsatz von den aus Asien stammenden sog. Himmelsfackeln oder Skylaternen kann eine Anmeldung der intendierten Performance erforderlich machen.
676
Der Deutsche Fallschirmspringerverband oder der Deutsche Aero Club müssen als erste eine sog. Außenlandegenehmigung für einen Ort außerhalb des jeweiligen Clubgeländes erteilen. Voraussetzung ist eine Lizenz und entsprechende Erfahrung.
677
Weiter ist die Genehmigung der zuständigen Behörde (zB in Düsseldorf das Amt für Verkehrsmanagement) der Stadt zuständig, in welchem die Landung stattfinden soll. Diese richtet sich nach dem Luftverkehrsgesetz (LuftVG). Bei privatem Gelände ist je nachdem der Eigentümer, Mieter oder Pächter der Ansprechpartner für die Landegenehmigung. 244
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
Außerdem ist der geplante Landeplatz von einem Geländegutachter zu inspizieren. Dieser unterteilt die potentiellen Landeflächen in drei Kategorien: 1. Riesige Wiese: kein Problem 2. Sportplatz: höhere Anforderungen 3. Stadien, Tribünen, Landefläche unter 70 Metern Durchmesser: strenge Maßstäbe
678
Wenn der Gutachter das Gelände akzeptiert, muss man anschließend die Deutsche Flugsicherung (DFS) einschalten. Ohne eine Genehmigung für die besondere Nutzung Luftraum darf in der Nähe von Flughafen-Einflugschneisen weder eine Wolke bunter Luftballons aufsteigen noch ein Fallschirmspringer Richtung Erde fliegen.
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Für Massenaufstiege für Kinderballons im Regierungsbezirk Düsseldorf ist beispielsweise die Einholung einer Flugverkehrskontrollfreigabe bei der Flugsicherung erforderlich. Die Freigabe ist erforderlich, wenn das Vorhaben mehr als 500 Ballons umfasst oder wenn das Vorhaben im Umkreis von 15 km (Schutzbereich) um einen Flughafen oder -platz stattfindet. Mit einem Vorlauf von 8 Werktagen benötigt die DFS folgende Informationen: – geplanter Zeitraum und Datum des Aufstiegs, – Ort des Aufstiegs (mit Postleitzahl und genauer Anschrift, ggf. geographische Koordinaten), – Anzahl der Ballons, – Ansprechpartner für Rückfragen (Telefon- und Faxnummer).
679a
Die Freigabe gilt als erteilt für den Aufstieg von weniger als 500 Ballons, die außerhalb der Schutzbereiche um Flughäfen oder -plätze stattfindet und die folgenden Auflagen erfüllen: – die Ballons dürfen nicht gebündelt werden, – zum Befüllen darf kein brennbares Gas benutzt werden, – es dürfen keine harten Gegenstände (zB Holz, Plastik, Metall oder Wunderkerzen) an den Ballons befestigt werden, – es werden keine Anhänger benutzt, die Postkartengröße (Din A6) überschreiten. Die Flugsicherung erklärt nach Prüfung der Unbedenklichkeit eine sog. Verkehrskontrollfreigabe. Mit dieser ergeht an alle anderen, die an diesem Tag denselben Luftraum nutzen, eine entsprechende Information über den beabsichtigten Event. Bei Fallschirmsprüngen wird nach Start des Flugzeugs die Beteiligung eines Fluglotsen erforderlich, der, nachdem der Pilot die Absprungbereitschaft mitteilt, die sog. Absetzfreigabe gibt. Auch wenn dieser Genehmigungsprozess sehr kompliziert erscheint, reicht bei einem Sprung auf ländliches Gebiet idR die Anmeldung 72 Stunden vor dem Event aus. Bei einem Absprung oder Flug über Stadtgebiet sollten mindestens 5 Tage Genehmigungszeit eingeplant werden. 245
680
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
12. Shuttleservice/Personenbeförderung 680a
Bei großen und mittleren Veranstaltungen hängt vieles von der BeförderungsLogistik ab. Im Rahmen eines Events sind Sie häufig darauf angewiesen Personen von Punkt A nach Punkt B zu befördern. Entweder sind Sie als Eventagentur dafür verantwortlich Personen am Flughafen oder Bahnhof abzuholen (sog. Shuttleservice), zu einer Veranstaltung zu bringen oder die Beförderung ist selbst Teil der Veranstaltung (zB bei Rundfahrten). In diesen Fällen befördern Sie Personen. Personenbeförderung ist nichts anderes als der Begriff für die gewerbliche Beförderung von Personen – wie es etwa Bus- und/oder Taxifahrer tun. Auch für „normale“ Autofahrer gibt es gesetzliche Regeln zur Personenbeförderung – so dürfen nach § 21 StVO nur so viele Personen in einem privaten Pkw befördert werden, wie Plätze mit Sicherheitsgurten vorhanden sind. Bei einem normalen Mittelklassewagen sind somit maximal fünf Passagiere zur Personenbeförderung zulässig – einschließlich des Fahrers. In einem Führerschein der Klasse B ist somit die Personenbeförderung inbegriffen – allerdings nur für den privaten Bereich. Wer jedoch gewerbsmäßig eine Personenbeförderung betreibt, braucht eine spezielle Fahrerlaubnis: den Personenbeförderungsschein (auch P-Schein genannt). Die Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung dient dem Schutz und der Sicherheit der beförderten Personen und stellt deshalb im Vergleich zur allgemeinen Fahrerlaubnis höhere Anforderungen an die Eignung und Verantwortung (Zuverlässigkeit) des Inhabers. Man darf mit dem Personenbeförderungsschein eine gewerbliche Personenbeförderung bis maximal acht Personen betreiben. Sollen mehr als acht Personen gleichzeitig befördert werden, handelt es sich um Omnibusverkehr. Für die Beförderung benötigt der Fahrer den entsprechenden Personenbeförderungsschein, einen Führerschein der Klasse D (sog. Busführerschein) und der Unternehmer die entsprechende Genehmigung.
680b
Wer gewerblich Personenbeförderung betreiben will und einen Personenbeförderungsschein beantragen möchte, muss gewisse Voraussetzungen erfüllen: – Vollendung des 21. Lebensjahres; – mindestens zwei Jahre Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis der EU; – polizeiliches Führungszeugnis; – Auszug aus dem Verkehrszentralregister in Flensburg; – eine medizinisch-psychologische Untersuchung beim TÜV oder einem speziell zugelassenen Arzt als Nachweis der geistigen und körperlichen Eignung (MPU); – Bescheinigung über das Sehvermögen; – Nachweis über die Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen. Der Personenbeförderungsschein kann bei der entsprechenden Verkehrsbehörde der jeweiligen Stadt oder Gemeinde beantragt werden (idR Straßenverkehrsamt). Der Personenbeförderungsschein gilt im Regelfall für fünf Jahre und kann danach verlängert werden. Die Kosten erfragt man am besten bei dem zuständigen Straßenverkehrsamt, da diese von Stadt zu Stadt variieren. 246
II. Behördliche Genehmigungen
Teil E
13. Nichtraucherschutz Nach langem Hin und Her und auf Druck der EU ist am 1.7.2007 auch in Deutschland das Nichtraucherschutzgesetz (NSG) in Kraft getreten. Dieses Gesetz soll primär das Passivrauchen verhindern und somit Nichtraucher, Kinder und Jugendliche vor dem Einatmen nikotin- bzw. tabakhaltiger Luft schützen. In Deutschland rauchte 2008 etwa ein Drittel der Erwachsenen. Das waren etwa 16 Millionen Menschen. Unter Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren griff fast jeder fünfte zur Zigarette. Spätestens seit dem 1.1.2008 ist das Rauchen in öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen (zB in Krankenhäusern, Ämtern etc.) sowie in Kindergärten, Schulen, auf Schulhöfen und an Arbeitsplätzen verboten und wird als Ordnungswidrigkeit geahndet. Seit Mitte Februar 2008 verfügen alle Bundesländer über ein Nichtrauchergesetz.
680c
Das Rauchverbot sollte nach dem neuen Gesetz in allen öffentlichen Gebäuden, Schulen, öffentlichen Verkehrsmitteln, am Arbeitsplatz, in der Gastronomie und in allen Einrichtungen des Bundes verboten werden. Ausnahmen bestätigten die Regel, denn je nach Bundesland traten mit dem neuen Gesetz auch diverse Ausnahmeregelungen in Kraft (zB für Festzelte, sog. Eckkneipen oder baulich abgetrennte Räume). Seit der Einführung des Gesetzes beschwerten sich viele Gastwirte über Umsatzeinbußen von über 50 % und mehr, Verfassungsbeschwerden wurden angestrengt. Um weiter existieren zu können, wurde jede Gesetzeslücke ausgenutzt. Wirte begannen damit, wieder Aschenbecher aufzustellen, indem sie kleine abgetrennte Räume (unter Umständen sogar die Besenkammer) ganz offiziell und gesetzeskonform als Nichtraucherraum deklarieren. Bei einer anderen Variante mussten alle Gäste des Lokals durch die Unterschrift in einer Liste einem sog. Raucherclub beitreten. In diesem Fall war allerdings eine permanente Einlasskontrolle durch den Inhaber der Gaststätte unerlässlich.
680d
Dieses juristische Durcheinander hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 30.7.2008 beseitigt,85 getreu der bewährten Maxime des Grundgesetzes, dass nur Ungleiches ungleich zu behandeln ist, Gleiches aber gleich. Nach Ansicht des höchsten deutschen Gerichtes gilt, wenn schon Ausnahmen vom generellen Rauchverbot installiert werden, dann müssen sie in allen Gastwirtschaften gelten. Die Rauchverbote in kleinen Kneipen verstoßen in den meisten Bundesländern gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hat die in Berlin und Baden-Württemberg geltenden Regelungen für Einraumkneipen für verfassungswidrig erklärt. In kleinen Kneipen in Baden-Württemberg und Berlin darf damit wieder geraucht werden. Den „Gastwirten der getränkegeprägten Kleingastronomie“ ist es, so sagt es das Bundesverfassungsgericht, „nicht zuzumuten“, die besonderen Belastungen, „die für sie durch das Rauchverbot geschaffen werden, hinzunehmen“. Zwar gelten die Gesetze vorerst weiter, die Länder müssen bis Ende 2009 eine Neuregelung erlassen. Und bis dahin gilt die Karlsruher Lösung: 85 BVerfG v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07, NVwZ 2008, 987.
247
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Rauchen unter folgenden Voraussetzungen erlaubt: – Gaststätte hat weniger als 75 Quadratmeter Gastfläche – kein abgetrennter Nebenraum vorhanden – kein Speisenangebot – Schild am Eingang: Raucherkneipe – Gäste unter 18 Jahren haben keinen Zutritt. Auch für Diskotheken hat das höchstrichterliche Urteil Konsequenzen: Wenn das Landesgesetz es zulässt, dass in abgetrennten Nebenräumen von Gaststätten geraucht werden darf, dann muss sich diese Ausnahmeregelung auch auf Diskotheken erstrecken, in diesen Nebenräumen darf aber nicht getanzt werden. Die höchsten Richter ließen aber wenig Zweifel, dass die Landesregierungen die Raucher ganz aus den Gaststätten verbannen könnten. Es gibt kein Grundrecht auf die Eckkneipe. Für die Abgabe von Tabakwaren und das Rauchen in der Öffentlichkeit steigt das Mindestalter ab September 2008 von 16 auf 18 Jahre. Zigarettenautomaten müssen bis Anfang 2009 entsprechend umgerüstet werden.
14. Anmeldung von Funkmikrofonen 680e
Die für jede Veranstaltung dringend zu empfehlenden Funkmikrofone müssen lizenziert sein. Lizenzen vergibt die Bundesnetzagentur (früher Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post). Da die Übertragung des Signals per Funk erfolgt, ist die Nutzung drahtloser Mikrofone und Mikrofonanlagen nicht unproblematisch. Um einen möglichst störungsfreien Betrieb mit anderen Funkdiensten (Fernsehen/Radio/Mobilfunk etc.) gewährleisten zu können, hat der Gesetzgeber allen Diensten bestimmte Frequenzen und Sendeleistungen zugeordnet. Zwar gibt es auch lizenzfreie Mikrofone. Diese sind zwar günstiger aber auch störungsanfällig und von schlechterer Tonqualität. Im Fall von wichtigen Durchsagen (zB bei Notfällen oder Warnungen) könnte das Verwenden unlizenzierter Mikrofone für den Veranstalter aufgrund des stark erhöhten Haftungspotentials zum finanziellen Boomerang werden, wenn Schäden entstehen und diese bei Verwendung lizenzierter Mikrofone vermieden worden wären.
III. Anmeldungspflicht nach Versammlungsgesetz 681
Nach Art. 8 Grundgesetz (GG) haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Dieses Recht wird allerdings in Art. 8 Abs. 2 GG für die Fälle eingeschränkt, dass es sich um Versammlungen unter freiem Himmel handelt. Grund für die besondere Behandlung von Freiluftversammlungen ist die Kommunikation mit der Außenwelt, die die Versammlung besonders störanfällig und gefährlich 248
III. Anmeldungspflicht nach Versammlungsgesetz
Teil E
macht.86 Versammlungen in Stadien und ummauerten Innenhöfen finden allerdings nicht unter freiem Himmel statt.87 In Art. 8 Abs. 2 GG wird die Möglichkeit eingeräumt, das allgemeine Versammlungsrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu beschränken. Ein solches Gesetz ist das Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz). Danach hat grundsätzlich jedermann das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Versammlungen teilzunehmen, § 1 Abs. 1 VersammlG. Eine Versammlung im Sinne des VersammlG ist immer dann gegeben, wenn: – sich eine Gruppe bildet, die zur Wahrnehmung ihrer Ziele die Gruppe benötigt, – Diskussions- oder Demonstrationscharakter bezogen auf öffentliche Angelegenheiten besteht, – eine öffentliche Versammlung vorliegt, dh. jedermann teilnehmen kann.
682
Es reicht also nicht jedes rein zufällige Zusammenkommen mehrerer Personen aus, sondern es ist eine gewisse innere Verbindung erforderlich. Gegenbegriff ist die Ansammlung von Personen, die nicht den Willen hat, gemeinsam Aussagen zu machen (zB Konzert-, Theater- oder Ausstellungsbesucher).
683
Entscheidend für die Klassifizierung einer Veranstaltung als privilegierte Demonstration und Versammlung iS des Versammlungsgesetzes ist weiterhin der veranstaltungsimmanente Gesamtzweck.
684
Beispiel Das OVerwG Berlin stellte bereits Ende 2000 klar, dass eine angemeldete Veranstaltung (in diesem Fall eine Weihnachtsparade), die nach dem Gesamtzweck von kommerziellen Zwecken beherrscht wird, so dass vorhandene caritative Elemente und das vom Veranstalter vorgegebene Motto „Weihnachten für alle“ nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen, nicht den Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes erfülle.88 Beispiel Das BVerwG hat in Bezug auf ein anlässlich des Kirchentages 2003 in Berlin geplantes Protestprojekt des Veranstalters Walter Herrmann in einem Grundsatzurteil entschieden, dass politische Kundgebungen immer dann der Versammlungsfreiheit unterliegen, wenn sie vorrangig auf die Meinungsbildung und Meinungsäußerung abzielen. Dies war nach Auffassung des Gerichts bei der „Klagemauer“ gegen den Irakkrieg der Fall. Das beklagte Land Berlin hatte die Protestaktion nicht als politische Versammlung, sondern als Informationsstand eingestuft.89
Die Versammlungsbehörde des Berliner Senats hat die durch DJ Matthias Roeingh, der unter dem Künstlernamen „Dr. Motte“ im Jahr 1989 mit 150 Gleichgesinnten ins Leben gerufene Love Parade, die zuvor als politische Demonstration iS des Versammlungsgesetzes eingestuft wurde, aufgrund der hohen Ge86 87 88 89
BVerwG v. 31.1.1967 – I C 98.64, NJW 1967, 1191 = BVerwGE 26, 135 (137). Pieroth/Schlink, Rz. 795. OVG Berlin v. 30.11.2000 1 SN 101/00, NJW 2001, 1740 = NVwZ 2001, 830. BVerwG v. 22.8.2007 – 6 C 22/06, NVwZ 2007, 1434 = DÖV 2008, 32.
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Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
winne des Veranstalters aus Startgeldern, Sponsoring und Merchandising mittlerweile als kommerzielle Veranstaltung klassifiziert. Dies hatte zur Folge, dass die Veranstalter für die Müllentsorgung an der Paradestrecke und für die Umweltschäden im Berliner Tiergarten aufkommen mussten.90 Bei Demonstrationen ist es nicht selbstverständlich, dass der Veranstalter für eine damit zusammenhängende Verunreinigung der Straße verantwortlich ist. Dies ist vielmehr nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes nur dann der Fall, wenn der Initiator der Demonstration die Verunreinigung von Straßen oder Plätzen unmittelbar verursacht hat. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn der Veranstalter die Demonstrationsteilnehmer mit Speisen und Getränken versorgt und Flugblätter oder Handzettel verteilt.91 686
Allerdings hat der Berliner Wirtschaftssenat die Gebühren für Müllbeseitigung, kaputte Laternen, Toiletten und Absperrungen maßvoll festgesetzt, da die Love Parade für die Stadt mit durchschnittlich 1 Millionen Besuchern, die pro Kopf ca. 130 Euro in Berlin lassen, einen enormen gesamtstädtischen Wirtschaftsfaktor darstellte. Hotels, Kneipen, Geschäfte sowie Tattoo- und Piercingstudios erzielten alljährlich einen Umsatz in Höhe von ca. 130 000 000 Euro. Im Jahre 2002 waren die Zahlen erstmalig rückläufig. Für das Jahr 2003 hat der Veranstalter, seinerzeit die Love Parade GmbH, erstmals sogar die Absage des Megaevents in Betracht gezogen. Zahlungen des Veranstalters für die abschließende Straßenreinigung, Verlegung von Bushaltestellen und Rettungsdienst sowie der Besucherrückgang von vormals durchschnittlich einer Millionen auf 700 000 im Jahr 2002 und das damit verbundene verminderte Sponsoreninteresse ließen die Veranstalter pessimistisch in die Zukunft blicken. 2003 kamen nur noch 500 000 Raver, das Defizit der Veranstaltung in diesem Jahr betrug 500 000 Euro. In den Jahren 2004 und 2005 gab es mangels hinreichender Sponsorenunterstützung keine Love Parade. Gefeiert wurde woanders, so fand in der Schweiz die sog. Street Parade in Zürich statt, um die Nachfrage der in Europa immer noch zahlreich vorhandenen Technojünger zu befriedigen. 2006 kehrte die Love Parade unterstützt durch das Sponsoring einer großen Fitnessstudiokette, die auch aktueller Hauptsponsor der Love Parade ist, nach Berlin zurück.
686a
Eine neue Blüte erlebte die Großveranstaltung aber erst wieder im Jahre 2007 und zwar an anderer Stelle, im Ruhrgebiet. Die Verlegung der Love Parade von Berlin ins Ruhrgebiet erwies sich zumindest bei der Premiere in Essen als Glücksfall. 1,2 Mio. Raver feierten auf einer 2,5 Kilometer langen Strecke mit 27 Show-Trucks (Floats) ohne relevante Zwischenfälle und viel Enthusiasmus im Pott. Auch kommerziell war die Megaveranstaltung ein voller Erfolg. Die Besucher brachten der Stadt Essen bei Kosten in Höhe von 2,3 Mio. Euro etwa 114 Millionen Euro Umsatz ein. Rund um die Love Parade gab es 120 Partys mit 700 Künstlern und Disc-Jockeys. Die Fernsehsender RTL2 und VIVA übertrugen die Parade live. Ganz nach dem Motto der Parade 2007 „Love is everywhere“ verfolgten die Anhänger der Elektromusikszene in aller Welt die Parade im In90 Siehe zur Umweltproblematik auch Rz. 1127 ff. 91 BVerwG v. 6.9.1988 – 1 C 71/86, NJW 1989, 52 ff.
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III. Anmeldungspflicht nach Versammlungsgesetz
Teil E
ternet und im Fernsehen. So wurden selbst in den USA, in Afrika, Lateinamerika und Australien Bilder aus Essen ausgestrahlt. Im Jahr 2008 in Dortmund, Motto „Highway to Love“ wurde eine neue Rekordmarke mit 1,6 Mio. Besuchern erreicht, nächste Etappen sind Bochum (2009), Duisburg (2010) und Gelsenkirchen (2011). Im Jahr 2001 wurde über den Veranstaltungstermin ein verwaltungsgerichtlicher Streit entfacht. Gegner der Love Parade hatten für den geplanten Termin der Parade eine Gegendemonstration, die Fuckparade unter dem Motto „Rettet den Tiergarten vor der Love Parade“ angemeldet. Da bei der Anmeldung von Veranstaltungen der Prioritätsgrundsatz (Vorrang des Erstanmelders) gilt, waren die Veranstalter der Love Parade zur Verlegung der Parade vom üblichen Termin am 2. Juliwochenende gezwungen. Das Verwaltungsgericht Berlin wies den Antrag des Veranstalters der Love Parade auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurück.92 Das OVG bestätigte diese Entscheidung.93
687
Dagegen wurde die Fuckparade in erster Instanz als Versammlung eingestuft, da diese Veranstaltung nicht den Charakter einer rein unterhaltenden, öffentlichen Massenparty wie die Love Parade habe.94 Allerdings widersprach das Oberverwaltungsgericht dieser Einschätzung und beschloss, die Fuckparade könne nicht als Versammlung angesehen werden, weil die Veranstaltung nach dem Gesamteindruck den Charakter einer rein unterhaltenden Massenparty trage und das Element der Meinungskundgabe deutlich in den Hintergrund gedrängt würde.95
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Beispiel Mit Beschluss vom 12.7.2001 wies das Bundesverfassungsgericht die Anträge der Veranstalter der Love Parade und der Fuckparade auf Anerkennung als Versammlung iSv. Art. 8 GG zurück.96 Nach Ansicht des höchsten deutschen Gerichts sei der Versammlungsbegriff eng zu fassen. Demnach fallen Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen ebenso wenig unter den Versammlungsbegriff, wie die bloße Zurschaustellung eines Lebensgefühls oder eine auf Spass und Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty. Mittlerweile wurde die Berliner Fuckparade vom Bundesverwaltungsgericht als Versammlung im Sinne des Grundgesetzes angesehen, da diese Zusammenkunft sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die anderen Zwecken dienen, enthalte.97
Für öffentliche Versammlungen oder Aufzüge unter freiem Himmel besteht die Pflicht, diese spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges zu melden, § 14 Abs. 1 VersammlG. Sinn dieser Vorschrift ist es, im öffentlichen 92 93 94 95 96
VG Berlin v. 28.6.2001 – 1 A 195/01. OVG Berlin v. 6.7.2001 – 1 SN 54/01. VG Berlin v. 28.6.2001 – 1 A 166/01. OVG Berlin v. 6.7.2001 – 1 S 11/01. BVerfG v. 12.7.2001 – 1 BvQ 28/01 und 1 BvQ 30/01, NJW 2001, 2459 = NVwZ 2001, 1024 = DÖV 2001, 907. 97 BVerwG v. 22.8.2007 – 6 C 22/06, NVwZ 2007, 1434 = NJW 2008, 96 = DÖV 2008, 32.
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Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Interesse die Polizei von der Versammlung zu unterrichten, damit ausreichende Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung getroffen werden können.98 Oft dient die Information aber auch dem Interesse des Veranstalters, weil zB durch entsprechende Verkehrsregelung für einen reibungslosen Ablauf der Versammlung gesorgt wird. Allerdings wird § 14 VersammlG dahingehend ausgelegt, dass bei Unmöglichkeit einer rechtzeitigen Anmeldung auch eine kürzere Anmeldefrist ausreicht, um Spontandemonstrationen zu ermöglichen.99 Bei der Anmeldung muss gemäß § 14 Abs. 2 VersammlG angegeben werden, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll. 690
Nach § 17 VersammlG sind religiöse Feiern und traditionelle Volksfeste vom Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes ausgenommen. Auf solche Versammlungen findet wie auf Sport- und Kulturveranstaltungen lediglich das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht Anwendung.
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Nach § 15 Abs. 1 VersammlG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen100 abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Die Versammlungsfreiheit muss aber nur dann zurücktreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist.101 Wenn der Veranstalter einer Versammlung und sein Anhang sich friedlich verhalten und Störungen lediglich von Gegendemonstranten oder Störgruppen ausgehen, müssen die behördlichen Maßnahmen primär gegen die Störer gerichtet werden und die Versammlung schützen.102
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Der Veranstalter einer verbotenen Versammlung oder eines verbotenen Aufzuges macht sich gemäß § 26 VersammlG strafbar. Die Teilnahme an einer verbotenen Veranstaltung stellt eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 VersammlG dar. Beispiel Wer sich anschickt, an einer Veranstaltung wie den „7. Lindauer Chaostagen“ teilzunehmen, obwohl diese für einen bestimmten Bereich verboten wurde, kann nach Auffassung des Bayerischen Oberlandesgerichts von der Polizei aus diesem Bereich verwiesen und, wenn dies zur Durchsetzung der Platzverweisung unerlässlich ist, in Gewahrsam genommen werden.103 Bei der Prüfung der Unerlässlichkeit gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine besonders sorgfältige Abwägung zwischen dem verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Platzverweisung. 98 99 100 101 102 103
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Pieroth/Schlink, Rz. 798. Pieroth/Schlink, Rz. 798. BVerfG v. 21.4.1998 – 1 BvR 2311/94, NJW 1998, 2965 = NVwZ 1998, 834 (835). BVerfG v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, NJW 1985, 2395. BVerfG v. 21.4.1998 – 1 BvR 2311/94, NJW 1998, 2965 = NVwZ 1998 834 (836). BayObLG v. 10.2.1999 – 3 Z BR 25/99.
IV. Genehmigungen im Sportbereich
Teil E
IV. Genehmigungen im Sportbereich Neben den behördlichen Genehmigungen müssen bei Sportveranstaltungen auch Genehmigungen auf sportlicher Ebene eingeholt werden. Grundsätzlich sind diese Genehmigungen kostenpflichtig.
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Wenn ein Veranstalter ein Turnier, einen Wettkampf oder eine Breitensportveranstaltung durchführen will, muss er diese Sportveranstaltung beim zuständigen Fachverband, Spitzenverband oder Betriebssportverband anmelden. Durch diese Anmeldung können die erzielten Leistungen zum einen später auch sportlich anerkannt werden; zum anderen besteht für die teilnehmenden Sportler/innen in den meisten Fällen über die Landessportbünde Versicherungsschutz. Die Anmeldung führt auch dazu, dass nationale und internationale Spitzensportler teilnehmen können.
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Vorsicht ist geboten bei der Einbindung von Sponsoren. Oft haben die verschiedenen Verbände Ausrüsterverträge und feste Sponsoring- sowie Medienpartner.104 Die Verteilung von Startnummern mit einem Ausrüsterlogo kann daher bestehende Sponsoringverträge verletzen. Man sollte daher im Vorfeld Erkundigungen beim jeweiligen Verband einholen.
694a
Beispiel Bei einer Marathonveranstaltung wie im Ausgangsfall zu Kapitelbeginn, ist die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) erforderlich, um folgende Punkte zu gewährleisten: – Finden eines geeigneten Zeitfensters, keine Kollision mit anderen Städtemarathonveranstaltungen – Gewährleistung eines guten Starterfeldes und damit einhergehend Schaffung von Medieninteresse – Begutachtung und Vermessung der Strecke von Seiten des Verbandes sowie Wettkampfbegleitung und Zeitnahme über offizielle Schiedsrichter – Einbindung von bestehenden Sponsoren des Verbandes, Abgrenzung zu lokalen CoSponsoren – Sachkundige Beratung durch den Verband, Einbindung lokaler Sportvereine und damit Akquise ehrenamtlicher Helfer für die Streckenüberwachung und Versorgung der Läufer.
1. Genehmigung der Veranstaltung beim Landesfachverband Mit der Anmeldung der Veranstaltung bestellt der Veranstalter einen Turnier-/ Veranstaltungsleiter bzw. eine Verbandsaufsicht zur Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung. Mit der Anmeldung schickt der Veranstalter auch den Turnier-/Wettkampfplan (Spiel- und Zeitplan) an den Fachverband. Beispiel Im Zusammenhang mit der Genehmigung durch den Sportverband hatte das Landgericht Frankfurt/M einen Kartellrechtsverstoß zu prüfen.105 Der Deutsche Leichtathletik Ver104 Fritzweiler/Pfister/Summerer, 2. Teil, Rz. 199. 105 LG Frankfurt/M. v. 4.6.1997 – 2/6 O 84/97, SpuRt 1997, 129 = WRP 1997, 1108 = ZUM-RD 1997, 562.
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Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
band (DLV) hatte die Fernsehrechte am Stuttgarter „Sparkassen-Cup“ im Paket mit anderen Rechten an Leichtathletikveranstaltungen ab 1.1.1995 an das Deutsche Sport Fernsehen (DSF) vergeben und dem Württembergischen Leichtathletikverband die Ausrichtungsgenehmigung erteilt. Die als Veranstalterin fungierende Messe- und Kongressgesellschaft Stuttgart wollte die Fernsehrechte für ein höheres Entgelt an das erste deutsche Fernsehen (ARD) veräußern. Der DLV berief sich auf seine Deutsche LeichtathletikOrdnung (DLO), in der geschrieben steht, dass „der Veranstalter mit der Anmeldung die Regelungen und vertraglichen Vereinbarungen anerkennt, die der DLV oder die Landesverbände zur Veräußerung der Fernsehrechte für alle von ihnen bzw. ihren Unterorganisationen genehmigten Veranstaltungen getroffen haben“. Die Beschränkung der Genehmigung von Sportveranstaltungen auf die Mitgliedsverbände wurde vom Gericht als sachdienlich erachtet, da nur auf diese Weise die vom DLV verfolgten sportlichen Interessen durchgesetzt werden könnten.
2. Genehmigung durch den Spitzenverband 696
Internationale Sportveranstaltungen (Teilnahme ausländischer Athleten und Mannschaften) müssen darüber hinaus über den Spitzenverband auch bei den Internationalen Verbänden (zB Leichtathletik-Meetings bei der European Athletic Association [EAA] oder International Amateur Athletic Federation [IAAF]) angemeldet werden.
3. Anforderung der Schieds- und Kampfrichter beim Schieds-/ Kampfrichterobmann des Landesfachverbandes 697
Nur durch den Einsatz offizieller Schieds- und Kampfrichter kann gegenüber dem Fachverband gewährleistet werden, dass alle sportlichen Regeln eingehalten worden sind. Auch hier ist mit der Anforderung der Spiel- und Zeitplan einzureichen. Offizielle Schieds- und Kampfrichter sind auch erforderlich, um einem auf einer Sportveranstaltung erzielten Rekord die offizielle Anerkennung und das damit einhergehende sportliche Renommee zu verschaffen.
4. Antrag auf Bezuschussung beim Landesfachverband 698
Für bestimmte Sportveranstaltungen (zB Tennisturnier aus Anlass eines Vereinsjubiläums) gewähren die Fachverbände Zuschüsse.
V. Einbindung von Sanitätsorganisationen, Polizei, Feuerwehr und öffentlichen Verkehrsbetrieben 699
Bei Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen, in Stadthallen oder öffentlichem Straßenraum verbinden die jeweiligen Ordnungsbehörden die Erteilung einer Veranstaltungsgenehmigung mit der Auflage zur Bereitstellung eines genau vorgegebenen Kontingents von Sanitätspersonal und -equipment. Je nach Größe, Art und Ort der Veranstaltung wird der Umfang des einzusetzenden Sanitätsper254
V. Einbindung von Sanitätsorganisationen, u. a.
Teil E
sonals von den Sanitätsorganisationen und/oder der Polizei vorgegeben und mit dem Veranstalter abgestimmt. Oft sind entsprechende Vorgaben schon im jeweiligen Hallen- oder Geländepachtvertrag enthalten.106 Beispiel So werden zB beim Shell Hanse-Marathon in Hamburg ungefähr 450 Sanitäter und 30 Ärzte eingesetzt. Hinzu kommen 34 Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeuge. Für das Rolling Stones Konzert im Düsseldorfer Rheinstadion wurden 200 Sanitäter und 6 Notärzte aufgeboten. Bei einem Bundesliga-Fußballspiel des Hamburger SV sind 20– 30 Sanitäter, 4 Ärzte und sechs Rettungswagen im Stadion; während für die Durchführung einer Deutschen Leichtathletikmeisterschaft an gleicher Stelle der Einsatz von 12 Sanitätern, einem Arzt und drei Rettungswagen als ausreichend erachtet wird. Beim Kölner Ringfest mit 2 Mio. Besuchern waren es im Jahre 2002 186 Sanitäter.
Bei allen Veranstaltungen, die durchgeführt werden, sollte der verantwortungsbewusste Veranstalter nicht die Einbindung einer der ehrenamtlich tätigen Sanitätsorganisationen (zB Johanniter, Malteser, Arbeiter-Samariter-Bund [ASB], Deutsches Rotes Kreuz [DRK]) oder eines kommerziellen Sanitätsdienstes vergessen. Bestimmte Veranstaltungen setzen sogar den Einsatz eines Arztes voraus. Oft wird auch die kommunale freiwillige Feuerwehr eingeschaltet.
700
Neben den Veranstaltungen, bei denen der Veranstalter zur Einrichtung eines Sanitätsdienstes verpflichtet ist, führen viele Veranstalter auch freiwillig Sanitätsdienste durch. In beiden Fällen muss der Veranstalter mit den Hilfsorganisationen privatrechtliche Verträge abschließen. Im Rahmen dieser Verträge verpflichten sich die Hilfsorganisationen gegen Zahlung eines Entgelts zu: – Maßnahmen der allgemeinen Betreuung, – Maßnahmen zur Ersten Hilfe und – Lebensrettenden Sofortmaßnahmen.
701
Die Hilfsorganisationen werden bei der Beurteilung der Gefahrenneigung einer Veranstaltung und des sich daraus ergebenden Umfanges des Sanitätsdienstes als beratender Partner von der jeweiligen Genehmigungsbehörde gehört. Die Verantwortung für eine richtige Gefahrenprognose trifft aber allein die Behörden. Für die Gefahrenprognose bzw. Risikoanalyse verschafft sich der Sanitätsdienst zunächst ein genaues Bild vom Gefahrenpotential bzw. den potentiellen Risiken der Veranstaltung.
702
Für die Prognose sind die Art der Veranstaltung, die erwartete Besucheranzahl und die Art des Publikums relevant. Bei Veranstaltungen mit überwiegend älteren Menschen, Personen, die dem Konsum von Rauschmitteln aufgeschlossen sind oder politischen Veranstaltungen extremistischer Gruppierungen (zB Neonazis, Autonome, PKK etc.) ist ein erhöhtes Gefahrenpotential zu erwarten. Als Veranstaltungen mit verhältnismäßig geringem Gefahrenpotential können in der Regel Messen, Ausstellungen, Tagungen, Kongresse, Theatervorstellungen u.Ä. gelten. Im durchschnittlichen Gefahrenbereich liegen Volksfeste, Flohmärkte, Straßen- und Stadtteilfeste. Überdurchschnittliches bzw. sehr hohes
703
106 Siehe dazu auch Rz. 307 ff.
255
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Gefahrenpotential ist bei Flugtagen, Sportveranstaltungen, Kundgebungen, Demonstrationen, Rockkonzerten und politischen Veranstaltungen gegeben. Wenn Alkoholkonsum der überwiegende Zweck des Festes ist, wirkt auch dies gefahrerhöhend (zB beim Oktoberfest, bei Weinfesten). 704
Weiterhin müssen die besonderen Gefahren der jeweiligen Veranstaltungsstätte berücksichtigt werden. Für die Beurteilung spielen folgende Faktoren eine Rolle: – Eignung des Raumes für die geplante Veranstaltungsart, – ausreichende Größe des Raumes für die erwartete Besucherzahl, – Existenz von besonderen Gefahrenquellen (zB besteigbare Einrichtungen, zugängliche Stromversorgungseinrichtungen, Engpässe, Hindernisse, Treppen, Glas, Verkehr, Gewässer etc.), – erhöhtes Verletzungsrisiko durch unebenen Untergrund, Alkoholausschank, fehlende Drängelgitter/Wellenbrecher, Zäune, Glas, Treppen, Höhenunterschiede, – ungünstige Witterungseinflüsse (zB große Hitze, Sturmgefahr), – ausreichend Fluchtwege vorhanden, – Zustand der Sicherheitseinrichtungen, – ständiger Sanitätsraum vorhanden, – Ausschilderung von Notausgängen, Sanitätsräumen, – Erreichbarkeit durch Sanitätsfahrzeuge.
705
Zusätzlich ist die Beurteilung der gesamten Region erforderlich: – freie Anfahrtswege, – rettungsdienstliche Infrastruktur, – Länge der Anfahrtswege des öffentlichen Rettungsdienstes, – Vorhandensein, Größe und Entfernung von Krankenhäusern, – Landemöglichkeiten für Hubschrauber. Ein Beispiel für die Bedeutung einer gründlichen Einsatzplanung in Hinsicht auf alle der oben genannten Faktoren ist die schreckliche Katastrophe bei der Flugschau am 28. August 1988 in Ramstein. Beispiel Bei einer gut besuchten Flugschau auf dem amerikanischen Militärgelände kam es zu einem verheerenden Unglück, als drei Militärflugzeuge einer italienischen Kunstflugstaffel zusammenstoßen. Eines davon stürzt direkt in die Zuschauermenge, 70 Menschen werden getötet und 400 Menschen verletzt. Ein ähnliches Unglück ereignete sich im 27. Juli 2002 bei einer Flugschau in der westukrainischen Stadt Lwiw. Dort stürzte ein Abfangjäger in die Zuschauermenge, 83 Menschen starben, 116 Personen wurden verletzt. Im April 2008 forderte eine über die Startbahn hinaus schießende einmotorige tschechische Maschine 2 Todesopfer, 12 Menschen wurden verletzt. Zum Zeitpunkt des Unglücks befanden sich rund 5 000 Menschen auf dem Flugplatz. Die auf zwei Tage angesetzte Flugschau wurde abgesagt. Das Luftfahrtbundesamt wurde eingeschaltet; die Polizei in Gotha leitete Ermittlungen zur Unglücksursache ein.
256
Teil E
V. Einbindung von Sanitätsorganisationen, u. a.
Der Arbeiter- und Samariterbund gibt eine Broschüre heraus, aus denen Richtwerte für die jeweilige Einsatzplanung ersichtlich sind.
706
Abb. 34: Schema für die Berechnung des Umfangs der sanitätsdienstlichen Absicherung des ASB Gefahrenpotential durch:
gering =1
durchschnittüberdurchlich = 2 schnittlich = 3
hoch =4
sehr hoch =5
die Veranstaltung das Publikum den Ort
Für alle drei Faktoren (Veranstaltung, Publikum, Ort) werden Punkte von 1 (gering) bis 5 (sehr hoch) vergeben. Die Punkte werden addiert, durch 3 geteilt und mit der Anzahl der Besucher dividiert durch 1 500, multipliziert. Das Ergebnis ist die erforderliche Stärke des Sanitätsdienstes. Falls die Anzahl der Besucher nicht bekannt ist, kann man von der Größe der Veranstaltungsfläche auf die erwartete Besucherzahl schließen, wenn man von einer Belegung von zwei Besuchern pro m2 ausgeht.
707
Bei Veranstaltungen unter 7 500 Besuchern oder unter Stärke 10 gilt entsprechend der errechneten Stärke:107
708
bis Stärke 2 = 2 Sanitätshelfer (generell kein Einzeldienst) ab Stärke 3 = abwechselnd je 1 RH/RS/RettAss, dann ein Sanitätshelfer
Wird bei Beurteilung der Gefahrenneigung bei mindestens einem Faktor mindestens einmal das Gefahrenpotential „hoch“ oder „sehr hoch“ festgestellt, sollte mindestens ein RTW/KTW eingesetzt werden. ab Stärke 4 sollte mindestens ein weiblicher Sanitäter eingesetzt werden
Bei Veranstaltungen über 7 500 Besuchern oder über Stärke 10 gilt entsprechend der errechneten Stärke: 50 % der Stärke des Sanitätsdienstes = Sanitätshelfer 50 % der Stärke des Sanitätsdienstes = RH/RS/RettAss Stärke
12– 30
= 1 RTW
Stärke
30– 55
= 2 RTW
Stärke
56– 80
= 3 RTW
Stärke
81–110
= 4 RTW
107 KTW = Krankentransportwagen, NAW = Notarztwagen, NEF = Notarzteinsatzfahrzeug, RH = Rettungshelfer, RS = Rettungssanitäter, RettAss = Rettungsassistent, RTW = Rettungswagen.
257
709
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Stärke
111–150
= 5 RTW
ab Stärke
151
= 6 RTW
Stärke
10– 20
= 1 KTW
Stärke
21– 40
= 2 KTW
Stärke
41– 60
= 3 KTW
Stärke
61– 80
= 4 KTW
Stärke
81–100
= 5 KTW
Stärke
101–131
= 6 KTW
Stärke
132–170
= 7 KTW
ab Stärke
170
= 8 KTW
Stärke
15– 40
= 1 Notarzt
Stärke
41– 80
= 2 Notärzte
Stärke
81–120
= 3 Notärzte
ab Stärke
121
= 4 Notärzte
NEF/RTW als NAW je nach örtlichen Erfordernissen
710
Beispiel I. Wendt wird die Veranstaltung eines Open-Air-Rockkonzertes einer Punkrockband übernehmen. Es werden 30 000 Zuschauer erwartet. Als Veranstaltungsort soll ein FußballBundesligastadion dienen, welches in unmittelbarer Nähe einer deutschen Großstadt liegt. Herr Wendt stellt folgende Gefahrenanalyse auf: Gefahrenpotential durch:
gering =1
durchschnittüberdurchlich = 2 schnittlich = 3
hoch =4
sehr hoch =5
die Veranstaltung
×
das Publikum
×
den Ort
×
Das Gefahrenpotential der Veranstaltung schätzt Wendt als sehr hoch ein. Da im Stadion Alkohol ausgeschenkt wird und die Punkrockfans keine Kinder von Traurigkeit sind, nimmt er auch hier ein sehr hohes Gefahrenpotential an. Das Stadion ist als Veranstaltungsort auf sportliche Großereignisse abgestimmt. Die Bausubstanz ist gut, erst vor kurzem wurden neue Wellenbrecher installiert. Fluchtwege sind ausreichend vorhanden. Aufgrund der Großstadtnähe ist auch die regionale Anbindung in Bezug auf medizinische Versorgungsleistungen gut. Insofern geht Wendt von einem durchschnittlichen Gefahrenpotential aus. Nach der oben dargestellten Berechnungsformel ergibt sich folgende Sanitätsdienststärke: Der Sanitätsdienst für das geplante Rockkonzert sollte somit nach der Formel des ASB aus 80 Leuten bestehen. Davon sollten 40 Sanitätshelfer sein, weitere 40 Rettungshelfer, Rettungssanitäter oder Rettungsassistenten. Außerdem sollten drei Rettungswagen, vier Krankentransportwagen und 2 Notärzte eingesetzt werden.
258
Teil E
V. Einbindung von Sanitätsorganisationen, u. a.
In ähnlicher Weise geht Maurer von der Berufsfeuerwehr Köln vor. Er führt eine Risikoanalyse durch, die durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst wird.108 Diese Faktoren werden in Gruppen zusammengefasst: – Besucherzahl (zulässige und tatsächliche) – Veranstaltung in geschlossen Räumen oder im Freien – Gefahrenneigung nach Art der Veranstaltung – Beteiligung prominenter Persönlichkeiten mit Sicherheitsstufe – Berücksichtigung polizeilicher Erkenntnis
711
Die nach diesen Kriterien ermittelten Risiken werden mit einem Punktesystem belegt und so ein für jede Veranstaltung und jeden Ort individuelles Risiko berechnet.
712
Abb. 35: Risikopunktesystem nach Maurer Bis zu einer Besucheranzahl von
Punkte
500
1
1 000
2
1 500
3
3 000
4
6 000
5
10 000
6
20 000
7
30 000
8
40 000
9
50 000
10
Für jeweils weitere 10 000 Besucher erhöht sich der Punktwert um 1. Aufgrund erhöhter Risiken bei Veranstaltungen in baulichen Anlagen wird der so ermittelte Wert verdoppelt. Zu erwartende Besucherzahl
713
Aus dem Kartenvorverkauf, aus Erfahrungen ähnlicher Veranstaltungen oder aus der zur Verfügung stehenden Freifläche ergibt sich die Zahl der tatsächlichen oder zu erwartenden Besucher. Bei der Ermittlung über die Freifläche ist aus Sicherheitsgründen von einer Belegung von lediglich 2 Besuchern pro m2 auszugehen. Für jede volle 500 Besucher wird ein Punkt vergeben.
108 Klaus Maurer, Rettungsdienstliche Planung und Betreuung von Großveranstaltungen.
259
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Abb. 36: Gefahrenneigung nach Art der Veranstaltung nach Maurer Art der Veranstaltung Allgemeine Sportveranstaltung
0,3
Allgemeine Veranstaltung*
0,3
Ausstellung
0,3
Basar
0,3
Demonstration
0,8
Feuerwerk
0,4
Flohmarkt
0,3
Flugveranstaltung
0,9
Karnevalsveranstaltung
0,7
Karnevalsumzug
0,7
Kombiveranstaltung (Sport/Musik/Show)
0,35
Konzert
0,2
Kundgebung
0,5
Langlauf
0,3
Martinsumzug
0,3
Messe
0,3
Motorsportveranstaltung
0,8
Musikveranstaltung
0,5
Oper/Operette
0,2
Radrennen
0,3
Reitsportveranstaltung
0,1
Rockkonzert (mit Boygroup o.ä.)
714
Multiplikator
1 (1,2)
Schauspiel/Theater
0,2
Schützenfest
0,5
Show
0,2
Stadtteilfest
0,4
Straßenfest
0,4
Tanzsportveranstaltung
0,3
Volksfest
0,4
Weihnachtsmarkt
0,3
Findet eine Veranstaltung unter Beteiligung von Prominenten statt, so ist für je 5 prominente Teilnehmer ein Punktwert von 10 Punkten zu berücksichtigen. *
260
Sammelposition zur programmtechnischen Umsetzung bei Veranstaltungen mit einem geringen Risiko.
Teil E
V. Einbindung von Sanitätsorganisationen, u. a.
Je nach der Zusammensetzung der zu erwartenden Besuchergruppe liegen polizeiliche Erkenntnisse über die Gewaltbereitschaft der Teilnehmer vor. Ist dies aus Abstimmungsgesprächen erkennbar, so ist der das Risiko beschreibende Punktewert nach Maurer um weitere 10 Punkte zu erhöhen.
715
Die Punktewerte der „zulässigen Besucherzahl“ und der „tatsächlichen Besucherzahl“ werden addiert. Dieser Wert wird mit dem Bewertungsfaktor (Gefahrenneigung) multipliziert. Anschließend wird ein evtl. VIP und/oder Gewaltbonus hinzu addiert. Das Ergebnis kennzeichnet das Gesamtrisiko der Veranstaltung. Abb. 37: Bemessung des Einsatzpotentials in Abhängigkeit von der Gefahrenanalyse nach Maurer Punktwert 0,1– 2,0 2,1– 4,0
Kein SWD* (ggf. 2) (3)
4,1– 13,5
5
13,6– 22,0
10
22,1– 40,0
20
40,1– 60,0
30
60,1– 80,0
40
80,1–100,0
80
100,1–120,0
120
Punktwert
Krankentransportwagen (KTW)
0,1– 4,0
0
4,1– 13,0
1
13,1– 25,0
2
25,1– 40,0
3
40,1– 60,0
4
60,1– 80,0
5
80,1–100,0
6
100,1–120,0
8
Punktwert
Rettungswagen (RTW)
0,1– 6,0
*
Helfer
0
6,1– 25,5
1
25,6– 45,5
2
SWD = Sicherheitswachdienst.
261
716
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte Punktwert
Rettungswagen (RTW)
45,6– 60,5
3
60,6– 75,5
4
75,6–100,0
5
100,1–120,0
6
ab 120,1
7
Punktwert
Notärzte ggf. mit Notarzteinsatzfahrzeug
0,1– 13,0
0
13,1– 30,0
1
30,1– 60,0
2
60,1– 90,0
3
90,1–120,0
4
ab 120,1
5
Punktwert
Großraumkrankentransportwagen (GKTW)
0,1–90,0
0
ab 90,1
1
Punktwert
Einsatzleitung
0,1–30,0
0
30,1–60,0
Stabsmäßig mit reduzierter Besetzung
ab 60,1
Voll stabsmäßig strukturiert
" Praxistipp: Ein elektronisches Instrument zur Einsatzplanung des Sanitätsdienstes bei Großveranstaltungen nach einer Handlungshilfe von K. Maurer finden Sie unter: http://www.institut-aser.de/540.htm.
Beispiel Eine vorausschauende und relativ präzise Kalkulation der Besucherzahlen kann äußerst wichtig sein. Bei einer Strandparty im britischen Seebad Brighton im Jahre 2002 gab es Tote und Verletzte. Statt der vom Veranstalter erwarteten 60 000 Besucher kamen 250 000 Menschen. Notärzte kamen aufgrund der Menschenmassen nicht zu den Verletzten durch. Im Juni 2008 kamen 85 000 Zuschauer zu der Kultveranstaltung „Rock am Ring“ mit 98 beteiligten Bands wie Metallica, Rage against the maschine, Pete Doherty & the Babyshambles, Sportfreunde Stiller, Fettes Brot, Die Toten Hosen. Für diesen Event bedurfte es folgendem Aufwand: 8 km Zäune, 36 km Stromkabel, 190 000 Watt Musikleistung an der Hauptbühne,
262
V. Einbindung von Sanitätsorganisationen, u. a.
Teil E
1 200 000 Watt Lichtleistung an der Hauptbühne, 120 Reisebusse für die Bands, 1 200 Security-Kräfte, 1 250 Cateringkräfte, 350 Toiletten im Innenbereich, 1 400 im Außenbereich, 180 Kisten stilles Mineralwasser für die Bands, 5 000 Liter Kaffee für Produktions- und Bühnenarbeiter, 250 Sanitäter.
Die Städte und Kommunen geben den Veranstaltern von Großereignissen auch auf, wie viele Ordnungskräfte und Parkordner gestellt werden müssen. Auch die Kosten für den Einsatz auswärtiger Polizeikräfte können auf den Veranstalter abgewälzt werden. Die Abwälzung der Polizeikosten ist bei kommerziellen Veranstaltungen die Regel.
717
Beispiel Der Inhaber einer Konzertagentur veranstaltete 1982 auf einem Sportgelände ein Popkonzert mit 10 000 bis 15 000 Besuchern. In der städtischen Erlaubnisverfügung wurde ihm aufgegeben, einen Ordnungsdienst von 50 Personen und einen Parkordnungsdienst von 10 Personen zu stellen. Außerdem sei neben eigenen Polizisten auch der Einsatz auswärtiger Polizeikräfte zur Durchführung aller sicherheits-, verkehrs- und ordnungspolizeilichen Maßnahmen vorgesehen. Die Kosten müsse der Veranstalter tragen. Die Landespolizeidirektion forderte vom Veranstalter für den Einsatz auswärtiger Polizeikräfte folgende Summen: Verpflegungskosten Aufwandsvergütung Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten Mehrarbeitsvergütung Kilometerentgelt für Einsatzfahrzeuge Summe
504,00 DM 240,00 DM 432,00 DM 10 036,80 DM 683,28 DM 11 896,08 DM (ca. 6 000 Euro)
Der VGH Mannheim entschied auf Klage des Veranstalters, dass die Behörde auch ohne Hinweis auf die voraussichtliche Kostenhöhe Ersatz für den Polizeieinsatz verlangen konnte.109 Zwar habe der Veranstalter mit der Veranstaltung ein Verlustgeschäft gemacht, die Veranstaltung war aber unter dem privatnützigen Interesse der Einnahmenerzielung organisiert worden.
Um die Eintrittsgelder in Bezug auf die Unkosten – zu denen auch die Kosten für Polizeieinsätze gehören – besser kalkulieren zu können, sollte sich der Veranstalter vor der Veranstaltung nach den erfahrungsgemäß anfallenden Polizeikosten erkundigen. IdR werden die Behörden, falls eine ungefähre Prognose vor Veranstaltung möglich ist, gerne Auskunft geben. Eine Rechtspflicht für eine solche Information besteht allerdings seitens der Behörde nicht.
718
Bei kulturellen Veranstaltungen können die Behörden gemäß ihren jeweiligen Verwaltungsvorschriften von einer Ersatzforderung für die Polizeieinsatzkosten
719
109 VGH Mannheim v. 20.1.1986 – 1 S 1895/84, NVwZ 1986, 657.
263
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
absehen, wenn die durch die Veranstaltung erzielten Einnahmen die Unkosten – ohne Polizeikosten – höchstens decken oder nur geringfügig überschreiten.110 719a
Ein ausreichender Brandschutz sowie die Zusammenarbeit mit Feuerwehr und Brandschutzwachen sind wichtige Faktoren für Veranstaltungen. Dies gilt nicht nur für Veranstaltungen bei denen Pyrotechnik und Feuerwerkskörper eingesetzt werden. Kneipen, Discotheken, Ball- und Kinosäle werden von den Brandschutzexperten der Feuerwehr und der Bauaufsichtsämter kontrolliert. In NRW ist alle 5 Jahre eine sog. Brandschau vorgeschrieben, gleiches gilt für die Neueröffnung oder den Inhaberwechsel bei einem Lokal.
719b
Die Feuerwehr beklagt bei der Kontrolle von Locations immer wieder, dass sorglose Veranstalter mehr als die genehmigte Höchstzahl an Gästen einlassen und die Notausgänge und Fluchtwege mit Leergutkästen, Kühlschränken und Spielautomaten zugestellt sind. Oft sind Notausgänge auch abgeschlossen, um Zechprellern die Flucht ins Freie zu versperren.
719c
Auch die Dekorationen, die anders als feste Baubestandteile in Konzessionsverträgen und Baugenehmigungen nicht festgeschrieben sind, insbesondere Girlanden und Luftschlangen in der Karnevalszeit können im Brandfall zu tödlichen Fackeln werden. Immer beliebter werden seit dem Jahr 2007 Ballons aus Papier und Bambus, die man mit Hilfe eines kleinen Zündsatzes gen Himmel steigen lassen kann. Sie werden im Handel oder über das Internet als „Himmelsfackeln“ oder „Skylaternen“ vertrieben. Ähnlich einem Heißluftballon erhitzt sich die im Papierballon enthaltene Luft über einer offenen Flamme und treibt das Fluggefährt bis zu 500 Meter nach oben. Bei Nacht ergibt sich dadurch ein magisches Bild, wenn die Ballons am Himmel flackern. Daher werden diese – ursprünglich aus China stammenden – Gefährte, bei Veranstaltungen aller Art immer beliebter. Die Feuerwehr warnt jedoch, dass diese Laternen auch erhebliche Gefahren bergen. Zum einen besteht bereits beim Entzünden die Gefahr, dass sich auch die Papierhülle entzündet. Hierdurch sind Verbrennungen möglich oder brennbare Gegenstände in der Umgebung können in Brand gesetzt werden. Weitaus größer ist noch die Gefahr, wenn diese fliegenden Fackeln je nach Wind- und Wetterlage unkontrolliert umher treiben. Manche Hersteller stellen in den Sicherheitshinweisen fest, dass die Ballons nur bei Windstille betrieben werden dürfen. Windstille bedeutet aber nicht, dass es nur am Boden beim Startplatz windstill sein darf, sondern auch in höheren Luftschichten, wenn der Ballon beispielsweise aus dem Windschatten von Gebäuden hinausfliegt. Es ist sehr fraglich, ob man für diese Voraussetzung garantieren und als Veranstalter die Verantwortung übernehmen kann. Sollte der Ballon von einer Windböe erfasst werden wird dieser unkontrolliert abgetrieben. Je nach Art, brennt der enthaltene Zündsatz bis zu 30 Minuten. Fallende Winde oder eine Beschädigung können die Fackel zu Boden treiben und es kann zu Bränden führen. Auf jeden Fall sollte das entsprechende Risiko gut versichert werden.
110 ZB Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg v. 16.5.1983 – III 6061/384.
264
VI. Jugendschutz bei Veranstaltungen
Teil E
Beispiel In Österreich kam es 1999 bei Bränden in zwei Discotheken zur Verletzung von mehr als 90 Jugendlichen. In den Tanzlokalen hatten sog. Styropor-Partys statt gefunden, bei denen die Tanzfläche knöcheltief mit Flocken aus diesem Kunststoff bedeckt ist. Leichtsinnige Teilnehmer hatten ausprobiert, ob die ausgestreuten Flocken brennbar seien und damit das Unglück ausgelöst. Nach Angaben der Feuerwehr ist Styropor leicht entzündlich und setzt beim Verbrennen giftige Gase frei. Nach Entdeckung der Brände stürmten die Discobesucher panikartig ins Freie. Viele erlitten Brandwunden und Rauchvergiftungen. Die Gäste mussten zum Hauptausgang, da die Notausgänge durch Spielautomaten blockiert waren, mehrere Gäste stürzten und wurden überrannt. Einige schlossen sich in den Toiletten ein und zertrümmerten die Fenster. 100 Feuerwehrleute kamen zum Einsatz, 15 Ärzte kümmerten sich um die Verletzten. Beispiel Feuergefahr kann auch von den Besuchern einer Veranstaltung ausgehen. Beim bis dahin friedlichen Bizarre-Festival auf dem Flughafen Weeze-Laarbruch im Jahr 2002 wurden die Wagen der Standbetreiber umgeschmissen und vereinzelte Zelte in Brand gesteckt. Schließlich entfachten 500 Besucher ein Großfeuer. Als Sicherheitskräfte den Brand löschen wollten, wurden diese mit Flaschen, Dosen und Eisenstangen beworfen. Erst mit massivem Polizeieinsatz und der Festnahme von 13 Personen konnte die Lage geklärt werden. Unabhängig von diesen Ausschreitungen kam in derselben Nacht die siebenjährige Tochter eines Bühnenarbeiters ums Leben als sie im Bereich hinter der Hauptbühne in ein altes Löschbecken stürzte.
Bei Großveranstaltungen wie Stadtfesten, Kirmesveranstaltungen sowie Events wie dem Ringfest in Köln, der POPKOMM in Berlin und der Love Parade im Ruhrgebiet werden auch die öffentlichen Verkehrsbetriebe an der Veranstaltungsplanung beteiligt. Die Einrichtung von Sonderzügen und Pendelbussen (Park & Ride) muss zur Vermeidung von chaotischen Verkehrszuständen bei einem hohen Publikumsverkehr gewährleistet werden. Bei der Love Parade werden bundesweit Sonderzüge eingerichtet, um auswärtige Technofans zum Veranstaltungsort zu bringen. Die S- und U-Bahnen fahren viele Sonderschichten.
720
Beispiel In Düsseldorf kam es im Juni 2007 im Anschluss an den Japan-Tag mit abschließendem Feuerwerk gegen 23.00 Uhr zum Verkehrschaos. Auf der Suche nach einem Taxistand, der kurzfristig verlegt worden war, drängten viele Besucher der Großveranstaltung unkontrolliert auf die Straße und versuchten Taxis anzuhalten. Da die wenigsten der Besucher stark alkoholisiert waren, ereignete sich zum Glück kein Unfall.
VI. Jugendschutz bei Veranstaltungen Für Jugendliche gilt in Deutschland das Jugendschutzgesetz (JuSchG). Mit dem Jugendschutzgesetz des Bundes wurden das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) und das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (JSG) zu einem einheitlichen Gesetz zusammengeführt. Zweck dieses Gesetzes ist es, das körperliche, geistige und seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen zu schützen. 265
721
Teil E 721a
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Wesentliche Kernpunkte des Jugendschutzgesetzes sind: – Computerspiele und Bildschirmspielgeräte müssen wie Kino- und Videofilme mit einer Altersfreigabekennzeichnung versehen werden. Diese Bildträger dürfen nur an Kinder und Jugendliche abgegeben werden, die das gekennzeichnete Alter haben. – Die Verbote für schwer jugendgefährdende Medien, insbesondere die mit Gewaltdarstellungen, wurden erweitert und verschärft. So sind auch ohne Indizierung durch die Bundesprüfstelle Trägermedien (zB Bücher, Videos, CD, CD-ROM, DVD), die den Krieg verherrlichen, die Menschen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung zeigen, mit weit reichenden Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverboten belegt. – Die Kompetenzen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wurden erweitert. Sie kann neben allen herkömmlichen auch alle neuen Medien – mit Ausnahme des Rundfunks – indizieren. Des Weiteren ist das Indizierungsverfahren neu geregelt worden. Die Bundesprüfstelle kann auch ohne Antrag auf Anregung bestimmter Stellen tätig werden, um zu gewährleisten, dass möglichst alle jugendgefährdenden Angebote in die Liste der Bundesprüfstelle aufgenommen werden. – Die gewerbliche Abgabe von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist verboten. Für Zigarettenautomaten gilt eine Übergangsfrist: sie müssen bis 31.12.2008 technisch so umgerüstet sein, dass Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren die Entnahme von Zigaretten nicht möglich ist. – Außerdem wurde ein Verbot für Tabak- und Alkoholwerbung in Kinos vor 18 Uhr festgelegt. Jugendlicher iS dieses Gesetzes ist, wer mindestens 14 aber noch keine 18 Jahre alt ist, § 1 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG.
722
Geht von einer öffentlichen Veranstaltung oder einem Gewerbebetrieb eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen aus, so kann die zuständige Behörde gemäß § 7 JuSchG anordnen, dass der Veranstalter oder Gewerbetreibende Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nicht gestatten darf. Die Anordnung kann Altersbegrenzungen, Zeitbegrenzungen oder andere Auflagen enthalten, wenn dadurch die Gefährdung ausgeschlossen oder wesentlich gemindert wird.
722a
Polizei und Jugendämter überprüfen und kontrollieren regelmäßig und unangekündigt entsprechende Örtlichkeiten. Ein Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann gemäß § 28 JuSchG mit einem Bußgeld bis 50 000 Euro, bei vorsätzlichen Verstößen sogar mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden, § 27 JuSchG. Der Gesetzestext JuSchG muss in Auszügen am Veranstaltungsort gut lesbar und deutlich sichtbar mit folgendem Inhalt aushängen (Stand November 2008):
266
VI. Jugendschutz bei Veranstaltungen
Teil E
Abb. 38: Auszug aus dem Jugendschutzgesetz (JuSchG)* § 1 Begriffsbestimmungen – Auszug (1) Im Sinne dieses Gesetzes 1. sind Kinder Personen, die noch nicht 14 Jahre alt sind, 2. sind Jugendliche Personen, die 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind, 3. ist personensorgeberechtigte Person, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht, 4. ist erziehungsbeauftragte Person, jede Person über 18 Jahren, soweit sie auf Dauer oder zeitweise aufgrund einer Vereinbarung mit der personensorgeberechtigten Person Erziehungsaufgaben wahrnimmt oder soweit sie ein Kind oder eine jugendliche Person im Rahmen der Ausbildung oder der Jugendhilfe betreut. (...) § 4 Gaststätten (1) Der Aufenthalt in Gaststätten darf Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren nur gestattet werden, wenn eine personensorgeberechtigte oder erziehungsbeauftragte Person sie begleitet oder wenn sie in der Zeit zwischen 5 Uhr und 23 Uhr eine Mahlzeit oder ein Getränk einnehmen. Jugendlichen ab 16 Jahren darf der Aufenthalt in Gaststätten ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person in der Zeit von 24 Uhr und 5 Uhr morgens nicht gestattet werden. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn Kinder oder Jugendliche an einer Veranstaltung eines anerkannten Trägers der Jugendhilfe teilnehmen oder sich auf Reisen befinden. (3) Der Aufenthalt in Gaststätten, die als Nachtbar oder Nachtclub geführt werden, und in vergleichbaren Vergnügungsbetrieben darf Kindern und Jugendlichen nicht gestattet werden. (4) Die zuständige Behörde kann Ausnahmen von Absatz 1 genehmigen. § 5 Tanzveranstaltungen (1) Die Anwesenheit bei öffentlichen Tanzveranstaltungen ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person darf Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren nicht und Jugendlichen ab 16 Jahren längstens bis 24 Uhr gestattet werden. (2) Abweichend von Absatz 1 darf die Anwesenheit Kindern bis 22 Uhr und Jugendlichen unter 16 Jahren bis 24 Uhr gestattet werden, wenn die Tanzveranstaltung von einem anerkannten Träger der Jugendhilfe durchgeführt wird oder der künstlerischen Betätigung oder der Brauchtumspflege dient. (3) Die zuständige Behörde kann Ausnahmen genehmigen. § 6 Spielhallen, Glücksspiele (1) Die Anwesenheit in öffentlichen Spielhallen oder ähnlichen vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden Räumen darf Kindern und Jugendlichen nicht gestattet werden. (2) Die Teilnahme an Spielen mit Gewinnmöglichkeit in der Öffentlichkeit darf Kindern und Jugendlichen nur auf Volksfesten, Schützenfesten, Jahrmärkten, Spezialmärkten oder
*
Auszug aus dem Gesetz v. 23.7.2002, BGBl. I, S. 2730 ff., zuletzt geändert am 31.10. 2008.
267
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
ähnlichen Veranstaltungen und nur unter der Voraussetzung gestattet werden, dass der Gewinn in Waren von geringem Wert besteht. § 7 Jugendgefährdende Veranstaltungen und Betriebe Geht von einer öffentlichen Veranstaltung oder einem Gewerbebetrieb eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen aus, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Veranstalter oder Gewerbetreibende Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nicht gestatten darf. Die Anordnung kann Altersbegrenzungen, Zeitbegrenzungen oder andere Auflagen enthalten, wenn dadurch die Gefährdung ausgeschlossen oder wesentlich gemindert wird. § 8 Jugendgefährdende Orte Hält sich ein Kind oder eine jugendliche Person an einem Ort auf, an dem ihm oder ihr eine unmittelbare Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl droht, so hat die zuständige Behörde oder Stelle die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Wenn nötig, hat sie das Kind oder die jugendliche Person 1. zum Verlassen des Ortes anzuhalten, 2. der erziehungsberechtigten Person im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 6 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuzuführen oder, wenn keine erziehungsberechtigte Person erreichbar ist, in die Obhut des Jugendamtes zu bringen. In schwierigen Fällen hat die zuständige Behörde oder Stelle das Jugendamt über den jugendgefährdenden Ort zu unterrichten. § 9 Alkoholische Getränke (1) In Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit dürfen 1. Branntwein, branntweinhaltige Getränke oder Lebensmittel, die Branntwein in nicht nur geringfügiger Menge enthalten, an Kinder und Jugendliche, 2. andere alkoholische Getränke an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren weder abgegeben noch darf ihnen der Verzehr gestattet werden. (2) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn Jugendliche von einer personensorgeberechtigten Person begleitet werden. (3) In der Öffentlichkeit dürfen alkoholische Getränke nicht in Automaten angeboten werden. Dies gilt nicht, wenn ein Automat 1. an einem für Kinder und Jugendliche unzugänglichen Ort aufgestellt ist oder 2. in einem gewerblich genutzten Raum aufgestellt und durch technische Vorrichtungen oder durch ständige Aufsicht sichergestellt ist, dass Kinder und Jugendliche alkoholische Getränke nicht entnehmen können. § 20 Nr. 1 des Gaststättengesetzes bleibt unberührt. (4) Alkoholhaltige Süßgetränke im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 des Alkopopsteuergesetzes dürfen gewerbsmäßig nur mit dem Hinweis „Abgabe an Personen unter 18 Jahren verboten, § 9 Jugendschutzgesetz“ in den Verkehr gebracht werden. Dieser Hinweis ist auf der Fertigpackung in der gleichen Schriftart und in der gleichen Größe und Farbe wie die Marken- oder Phantasienamen oder, soweit nicht vorhanden, wie die Verkehrsbezeichnung zu halten und bei Flaschen auf dem Frontetikett anzubringen. § 10 Rauchen in der Öffentlichkeit, Tabakwaren (1) In Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit dürfen Tabakwaren an Kinder oder Jugendliche weder abgegeben noch darf ihnen das Rauchen gestattet werden. (2) In der Öffentlichkeit dürfen Tabakwaren nicht in Automaten angeboten werden. Dies gilt nicht, wenn ein Automat 1. an einem Kindern und Jugendlichen unzugänglichen Ort aufgestellt ist oder
268
VI. Jugendschutz bei Veranstaltungen
Teil E
2. durch technische Vorrichtungen oder durch ständige Aufsicht sichergestellt ist, dass Kinder und Jugendliche Tabakwaren nicht entnehmen können. § 11 Filmveranstaltungen (1) Die Anwesenheit bei öffentlichen Filmveranstaltungen darf Kindern und Jugendlichen nur gestattet werden, wenn die Filme von der obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle im Rahmen des Verfahrens nach § 14 Abs. 6 zur Vorführung vor ihnen freigegeben worden sind oder wenn es sich um Informations-, Instruktions- und Lehrfilme handelt, die vom Anbieter mit „Infoprogramm“ oder „Lehrprogramm“ gekennzeichnet sind. (2) Abweichend von Absatz 1 darf die Anwesenheit bei öffentlichen Filmveranstaltungen mit Filmen, die für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren freigegeben und gekennzeichnet sind, auch Kindern ab sechs Jahren gestattet werden, wenn sie von einer personensorgeberechtigten Person begleitet sind. (3) Unbeschadet der Voraussetzungen des Absatzes 1 darf die Anwesenheit bei öffentlichen Filmveranstaltungen nur mit Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person gestattet werden 1. Kindern unter sechs Jahren, 2. Kindern ab sechs Jahren, wenn die Vorführung nach 20 Uhr beendet ist, 3. Jugendlichen unter 16 Jahren, wenn die Vorführung nach 22 Uhr beendet ist, 4. Jugendlichen ab 16 Jahren, wenn die Vorführung nach 24 Uhr beendet ist. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für die öffentliche Vorführung von Filmen unabhängig von der Art der Aufzeichnung und Wiedergabe. Sie gelten auch für Werbevorspanne und Beiprogramme. Sie gelten nicht für Filme, die zu nichtgewerblichen Zwecken hergestellt werden, solange die Filme nicht gewerblich genutzt werden. (5) Werbefilme oder Werbeprogramme, die für Tabakwaren oder alkoholische Getränke werben, dürfen unbeschadet der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 4 nur nach 18 Uhr vorgeführt werden. § 12 Bildträger mit Filmen oder Spielen (1) Bespielte Videokassetten und andere zur Weitergabe geeignete, für die Wiedergabe auf oder das Spiel an Bildschirmgeräten mit Filmen oder Spielen programmierte Datenträger (Bildträger) dürfen einem Kind oder einer jugendlichen Person in der Öffentlichkeit nur zugänglich gemacht werden, wenn die Programme von der obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle im Rahmen des Verfahrens nach § 14 Abs. 6 für ihre Altersstufe freigegeben und gekennzeichnet worden sind oder wenn es sich um Informations-, Instruktions- und Lehrprogramme handelt, die vom Anbieter mit „Infoprogramm“ oder „Lehrprogramm“ gekennzeichnet sind. (2) Auf die Kennzeichnungen nach Absatz 1 ist auf dem Bildträger und der Hülle mit einem deutlich sichtbaren Zeichen hinzuweisen. Das Zeichen ist auf der Frontseite der Hülle links unten auf einer Fläche von mindestens 1 200 Quadratmillimetern und dem Bildträger auf einer Fläche von mindestens 250 Quadratmillimetern anzubringen. Die oberste Landesbehörde kann 1. Näheres über Inhalt, Größe, Form, Farbe und Anbringung der Zeichen anordnen und 2. Ausnahmen für die Anbringung auf dem Bildträger oder der Hülle genehmigen. Anbieter von Telemedien, die Filme, Film- und Spielprogramme verbreiten, müssen auf eine vorhandene Kennzeichnung in ihrem Angebot deutlich hinweisen. (3) Bildträger, die nicht oder mit „Keine Jugendfreigabe“ nach § 14 Abs. 2 von der obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle im Rahmen des Verfahrens nach § 14 Abs. 6 oder nach § 14 Abs. 7 vom Anbieter gekennzeichnet sind, dürfen
269
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
1. einem Kind oder einer jugendlichen Person nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden, 2. nicht im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die Kunden nicht zu betreten pflegen, oder im Versandhandel angeboten oder überlassen werden. (4) Automaten zur Abgabe bespielter Bildträger dürfen 1. auf Kindern oder Jugendlichen zugänglichen öffentlichen Verkehrsflächen, 2. außerhalb von gewerblich oder in sonstiger Weise beruflich oder geschäftlich genutzten Räumen oder 3. in deren unbeaufsichtigten Zugängen, Vorräumen oder Fluren nur aufgestellt werden, wenn ausschließlich nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 gekennzeichnete Bildträger angeboten werden und durch technische Vorkehrungen gesichert ist, dass sie von Kindern und Jugendlichen, für deren Altersgruppe ihre Programme nicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 freigegeben sind, nicht bedient werden können. (5) Bildträger, die Auszüge von Film- und Spielprogrammen enthalten, dürfen abweichend von den Absätzen 1 und 3 im Verbund mit periodischen Druckschriften nur vertrieben werden, wenn sie mit einem Hinweis des Anbieters versehen sind, der deutlich macht, dass eine Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle festgestellt hat, dass diese Auszüge keine Jugendbeeinträchtigungen enthalten. Der Hinweis ist obwohl auf der periodischen Druckschrift als auch auf dem Bildträger vor dem Vertrieb mit einem deutlich sichtbaren Zeichen anzubringen. § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. Die Berechtigung nach Satz 1 kann die oberste Landesbehörde für einzelne Anbieter ausschließen. § 13 Bildschirmspielgeräte (1) Das Spielen an elektronischen Bildschirmspielgeräten ohne Gewinnmöglichkeit, die öffentlich aufgestellt sind, darf Kindern und Jugendlichen ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person nur gestattet werden, wenn die Programme von der obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle im Rahmen des Verfahrens nach § 14 Abs. 6 für ihre Altersstufe freigegeben und gekennzeichnet worden sind oder wenn es sich um Informations-, Instruktions- oder Lehrprogramme handelt, die vom Anbieter mit „Infoprogramm“ oder „Lehrprogramm“ gekennzeichnet sind. (2) Elektronische Bildschirmspielgeräte dürfen 1. auf Kindern oder Jugendlichen zugänglichen öffentlichen Verkehrsflächen, 2. außerhalb von gewerblich oder in sonstiger Weise beruflich oder geschäftlich genutzten Räumen oder 3. in deren unbeaufsichtigten Zugängen, Vorräumen oder Fluren nur aufgestellt werden, wenn ihre Programme für Kinder ab sechs Jahren freigegeben und gekennzeichnet oder nach § 14 Abs. 7 mit „Infoprogramm“ oder „Lehrprogramm“ gekennzeichnet sind. (3) Auf das Anbringen der Kennzeichnungen auf Bildschirmspielgeräten findet § 12 Abs. 2 Satz 1 bis 3 entsprechende Anwendung. §§ 14–27 nicht abgedruckt § 28 Bußgeldvorschriften – Auszug (...) (5) Eine Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. §§ 29–30 nicht abgedruckt
270
Teil E
VI. Jugendschutz bei Veranstaltungen
Das JuSchG stellt für die Behandlung von Jugendlichen verschiedene Regeln auf, die in der folgenden Tabelle im Wesentlichen zusammengefasst werden: Abb. 39: Jugendschutz in Deutschland JuSchG Norm
Sachverhalt
Kinder unter 14 Jahre
Jugendl. unter 16 Jahre
Jugendl. unter 18 Jahre
nicht erlaubt*
nicht erlaubt*
erlaubt bis 24 Uhr*
nicht erlaubt
nicht erlaubt
nicht erlaubt*
erlaubt bis 24 Uhr
§4I
Aufenthalt in Gaststätten
§ 4 III
Aufenthalt in Nachtbars, Nachtclubs oder nicht vergleichbaren Vergnügungsbetrieben erlaubt
§5I
Anwesenheit bei öffentlichen Tanzveranstaltungen, u.a. Disco (Ausnahmegenehmigung durch zuständige Behörde möglich)
§ 5 II
erlaubt Anwesenheit bei Tanzveranstaltungen von anerkannten Trägern der Jugendhilfe, bis bei künstl. Betätigung o. zur Brauchtums- 22 Uhr pflege
erlaubt bis 24 Uhr
erlaubt bis 24 Uhr
§6I
Anwesenheit in öffentlichen Spielhallen, Teiln. an Spielen mit Gewinnmöglichkeiten
nicht erlaubt
nicht erlaubt
nicht erlaubt
§7
Anwesenheit bei jugendgefährdenden Veranstaltungen und in Betrieben (die zuständige Behörde kann durch Altersund Zeitbegrenzungen sowie andere Auflagen das Verbot einschränken)
nicht erlaubt
nicht erlaubt
nicht erlaubt
§8
Aufenthalt an jugendgefährdenden Orten
nicht erlaubt
nicht erlaubt
nicht erlaubt
§ 9 I Nr. 1 Abgabe/Verzehr von Branntwein, branntweinhaltigen Getränken und Lebensmitteln, hierzu gehören auch die beliebten Alkopops
nicht erlaubt
nicht erlaubt
nicht erlaubt
§ 9 I Nr. 2 Abgabe/Verzehr anderer alkoholischer Getränke; zB Wein, Sekt, Bier o.Ä. (Ausnahme: erlaubt bei 14- u. 15-jährigen in Begleitung einer personensorgeberechtigten Person)
nicht erlaubt
nicht erlaubt
erlaubt
§ 10
nicht erlaubt
nicht erlaubt
Seit 1.9.2007 nicht erlaubt
*
Abgabe und Konsum von Tabakwaren
nicht erlaubt*
Beschränkungen/zeitliche Beschränkungen werden durch die Begleitung einer erziehungsberechtigten Person aufgehoben (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG).
271
722b
Teil E JuSchG Norm
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte Sachverhalt
Kinder unter 14 Jahre
Jugendl. unter 16 Jahre
Jugendl. unter 18 Jahre
§ 11
Besuch öffentlicher Filmveranstaltun- erlaubt bis gen nur bei Freigabe des Films und 20 Uhr Vorspanns: ohne Altersbeschränkung/ab 6/12/16 Jahre (Kinder unter 6 Jahre nur mit einer erziehungsbeauftragten Person. Die Anwesenheit ist grundsätzlich an die Altersfreigabe gebunden. Ausnahme: Filme ab 12 Jahre: Anwesenheit ab 6 Jahre in Begleitung einer personensorgeberechtigten Person gestattet.)
erlaubt bis 22 Uhr
erlaubt bis 24 Uhr
§ 12
Abgabe von Bildträgern mit Filmen oder erlaubt Spielen nur entsprechend der Freigabekennzeichen: ohne Altersbeschränkung/ab 6/12/16 Jahre
erlaubt
erlaubt
§ 13
Spielen an elektronischen Bildschirmspielgeräten ohne Gewinnmöglichkeit nur nach den Freigabekennzeichen: ohne Altersbeschränkung/ab 6/12/16 Jahre
erlaubt
erlaubt
erlaubt
722c
Für die Übernahme von Erziehungsaufgaben im Sinne des JuSchG ist ein bestehendes Autoritätsverhältnis als zwingende Voraussetzung zu sehen. Beispielsweise der 18-jährige Freund einer 17-jährigen oder ein volljähriges Mitglied einer Jugendclique scheiden als erziehungsbeauftragte Personen aus, da hier die Annahme eines entsprechenden Autoritäts- und Unterordnungsverhältnisses einem modernen Partnerschaftsverständnis bzw. der Lebenswirklichkeit beim Umgang von Jugendlichen und Heranwachsenden untereinander völlig widerspricht.
723
Ausnahmen sind in § 5 Abs. 2 JuSchG für Tanzveranstaltungen zugelassen, die von anerkannten Trägern der Jugendhilfe durchgeführt werden oder der künstlerischen Betätigung und Brauchtumspflege dienen. Gemäß § 5 Abs. 3 JuSchG können auch aus Vorschlag des Jugendamtes Ausnahmen zugelassen werden.
VII. GEMA-Gebührenpflicht 724
Durch das Urheberrecht wird der Urheber von Werken aus den Bereichen Literatur, Wissenschaft und Kunst geschützt. Immer dann, wenn für eine Veranstaltung Musikdarbietungen eingeplant werden, muss man nicht nur die Immissionsschutzgesetze und die Lärmschutzverordnung berücksichtigen, sondern auch an die GEMA denken.111 111 Die GEMA-Anmeldepflicht ist urheberrechtlicher Natur und wird daher in Teil H, Rz. 1042 ff. detailliert dargestellt.
272
VIII. Religiöse und ethische Erwägungen
Teil E
VIII. Religiöse und ethische Erwägungen Letztlich werden die Veranstaltungsmöglichkeiten bzw. die Genehmigungsfähigkeit von Veranstaltungen durch religiöse und ethische Überlegungen eingegrenzt. Zunächst sollen religiöse Aspekte dargestellt werden.
725
Beispiel So wurde die Aufführung des Rock-Comicals „Das Maria Syndrom“ durch behördliche Ordnungsverfügung untersagt, weil für diese Veranstaltung die Gefahr bestand, dass im Rahmen der öffentlichen Aufführung die Beschimpfung des religiösen Bekenntnisses anderer gemäß § 166 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) stattfinden würde. Der Veranstalter klagte gegen diese Entscheidung, verlor aber in allen Instanzen. Das Bundesverwaltungsgericht vertrat die Auffassung, dass das Interesse potentieller Besucher an einer Beschimpfung iS von § 166 Abs. 1 StGB – auch unter Berücksichtigung der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstfreiheit – gegenüber dem in dieser Vorschrift geschützten öffentlichen Frieden als Gut von verfassungsrechtlichem Gewicht nachrangig sein muss.112 Der amerikanische Jazz-Pianist und Mitglied der Scientology-Organisation Chick Corea verklagte die Landesregierung Baden-Württemberg auf Unterlassung. Der Künstler sollte anlässlich der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1993 im Rahmenprogramm des Landes auftreten. Nachdem die Agentur von der Scientology-Zugehörigkeit des Klägers erfuhr, wurden die Vertragsverhandlungen mit ihm abgebrochen. Daraufhin stellte das Ministerium für Kultur und Sport im Rahmen einer sog. Kleinen Anfrage eine staatliche Förderung von Veranstaltungen in Frage, wenn an dieser aktiv und offen bekennende Scientologen und Mitglieder ähnlicher Gruppen auftreten. Die Klage hatte keinen Erfolg. Auch die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde abgewiesen, weil nach Ansicht des Gerichts keine Feststellungen darüber getroffen werden konnten, dass die Kleine Anfrage Veranstalter von Festivals zur Zurückweisung von ScientologyMitgliedern veranlassen könnte.113
Auch ethische Bedenken können bei der Versagung von Veranstaltungen eine Rolle spielen. Zur Zeit des Golfkriegs wurden 1991 in der Bundesrepublik vielerorts die Karnevalsveranstaltungen und Faschingsumzüge abgesagt, weil ausgelassene Feierlichkeiten angesichts der weltweiten Krisensituation und des Kriegselends von der öffentlichen Meinung als unangebracht gewertet wurden. Beispiel 1 In diesem Zusammenhang versagte der Ortsvorsteher einer Gemeinde wegen allgemeiner Krisenlage und aus Sicherheitsgründen die Überlassung der Gemeindehalle an einen ortsansässigen Karnevalsverein zum Zwecke von Faschingsveranstaltungen.114 Daraufhin klagte eine vor Ausbruch des Golfkrieges engagierte Tanzkapelle gegenüber dem Karnevalsverein ihre vereinbarte Gage in Höhe von 18 000 DM (ca. 9 000 Euro) bzw. entsprechenden Schadensersatz ein, weil nach ihrer Ansicht die Faschingsveranstaltungen trotz des Golfkrieges durchführbar gewesen seien. Der Karnevalsverein hätte ihrer Meinung nach gegen die Gemeinde wegen Erteilung der gaststättenrechtlichen und polizeirechtlichen Genehmigungen vorgehen müssen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies die Klage der Tanzkapelle ab. Nach Auffassung des Gerichts hatte der Karnevalsverein den Ausfall der Faschingsveranstaltung nicht zu vertreten. Die Geschäftsgrundlage für den 112 BVerwG v. 11.12.1997 – 1 B 60/97, NJW 1999, 304 = NVwZ 1999, 422. 113 BVerwG v. 15.5.1997 – 3 B 19/97, NJW 1998, 2919 f. = NVwZ 1999, 769. 114 OLG Karlsruhe v. 15.5.1992 – 15 U 297/91, NJW 1992, 3176 (3177).
273
726
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Musikveranstaltungsvertrag sei durch den Ausbruch des Krieges und den damit verbundenen Wandel in der öffentlichen Meinung in Bezug auf Karnevalsveranstaltungen entfallen. Deshalb müsse jede Vertragspartei ihre Ausfälle selber tragen. Da die Tanzkapelle mit 70 bzw. 75 % der erzielten Einnahmen am Umsatz beteiligt gewesen wäre, sei diese wirtschaftlich als Mitveranstalter anzusehen. Daher sei es ihr überlassen gewesen, selber gegen die Genehmigungsversagung vorzugehen. Allerdings sei die Entscheidung des Ortsvorstehers in Anbetracht der Umstände rechtmäßig gewesen. Beispiel 2 Eine aufsehenerregende Entscheidung fällte das Verwaltungsgericht Neustadt zum Thema „Zwergenweitwurf“. Ein kleinwüchsiger Mensch wurde von einer GmbH, die einen Freizeitpark mit Diskothek betrieb und dafür u.a. eine Gewerbeerlaubnis gem. § 33a GewO besaß, engagiert. Die GmbH begann sogleich mit der Plakatwerbung für ihre Veranstaltung, die u.a. den Schriftzug trug: „Die neue Sensation aus den USA: Zwergenweitwurf, zuerst bei Gottschalk, jetzt live in Eurer Disco“. Mit Verfügung vom 18.5.1992 untersagte die zuständige Behörde der GmbH die Durchführung der geplanten Veranstaltung mit A. Sie begründete ihre Entscheidung insbesondere damit, dass es sich bei dem „Zwergenwerfen“ um eine entwürdigende Behandlung eines Menschen handele, die mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sei. Hierfür spreche insbesondere das Ziel der Veranstaltung, einen Menschen von einem anderen weitaus stärkeren Menschen zur Belustigung des Publikums wie ein Sportgerät möglichst weit zu werfen. Als Veranstaltung mit Wettbewerbscharakter sei das „Zwergenwerfen“ nicht nur demütigend, sondern auch gefährlich für die Gesundheit der Geworfenen. Der sportliche oder akrobatische Charakter trete demgegenüber deutlich in den Hintergrund. Dass A sich freiwillig werfen ließe, spiele keine Rolle, da die Menschenwürde ein unverfügbarer Wert sei, auf dessen Beachtung der Einzelne nicht verzichten könne. Der Veranstalter wehrte sich gerichtlich gegen diese Behördenentscheidung, das Verwaltungsgericht hielt die Entscheidung des Amtes aber für ermessensfehlerfrei.115 Beispiel 3 In München gab es im Jahr 2007 Probleme bei der Ansetzung der Popveranstaltung „MTV Europe Music Awards“ an Allerheiligen. Das Münchener Erzbistum kritisierte diesen Termin scharf. Münchens Oberbürgermeister Ude rechtfertigte die Beibehaltung des Veranstaltungstermins damit, dass Allerheiligen nicht so ein strenger Feiertag wie Karfreitag sei, Ausnahmereglungen daher möglich seien und es sich um eine einmalige nicht verschiebbare Veranstaltung handele, die ausschließlich im Olympiapark stattfinde.
726a
Sowohl religiöse als auch ethische Bedenken spielten Im Hinblick auf die Terminierung der Landespresseballs in Baden-Württemberg im Jahr 2007 eine Rolle. Beispiel 4 Es kam zum Eklat, als der Landespresseball für den 9. November terminiert wurde. Der Zentralrat der Juden beurteilte diese Terminierung aufgrund des identischen Jahrestages der Pogromnacht als geschmacklos und verlangte Verlegung. Der Schirmherr der Veranstaltung Ministerpräsident Oettinger nahm dies zum Anlass, eine Änderung des Veranstaltungscharakters vorzunehmen. Der Termin blieb bestehen, aber die Veranstaltung fand entgegen den Vorjahren ohne Tanz statt.
115 VG Neustadt v. 21.5.1992 – 7 L 1271/92, NVwZ 1993, 98 ff. – Zwergenweitwurf.
274
IX. Überlegungen zu einem einheitlichen Veranstaltungsgesetz
Teil E
IX. Überlegungen zu einem einheitlichen Veranstaltungsgesetz Auf dem deutschen Juristentag 1998 wurde beschlossen, die wichtigsten Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters von Großveranstaltungen in einem Veranstaltungsgesetz zu konkretisieren, das Schutzgesetz iS von § 823 Abs. 2 BGB ist.116 Gleichzeitig wurde beschlossen, den Vertrieb von Alkohol auf sportlichen Großveranstaltungen zu verbieten.117 Bisher wurden diese Beschlüsse nicht in die Praxis umgesetzt.
727
In Österreich sind die öffentlich-rechtlichen Vorschriften für die Genehmigung und Durchführungen von Veranstaltungen aller Art in für die verschiedenen Bundesländer (Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien) eigens entwickelten Veranstaltungsgesetzen geregelt. Die einzelnen Gesetze umfassen zwischen 18 und 38 Paragrafen und werden teilweise durch Veranstaltungsstättengesetze ähnlich der deutschen Versammlungsstättenverordnung ergänzt.
728
Fraglich ist, ob eine solche Kodifizierung auch in Deutschland Sinn macht. Diesem Kapitel ist zu entnehmen, wie vielseitig die Genehmigungserfordernisse strukturiert sind. Der Gesetzgeber muss sich daher Gedanken machen, ob die Entfernung der Vorschriften aus den bisherigen Gesetzesgrundlagen systematisch angezeigt ist oder zu einer Unvollständigkeit der Ursprungsgesetze und damit zu einer Unübersichtlichkeit des Anmeldewesens bei Veranstaltungen führt.
729
Manche deutsche Großstadt liefert den Veranstaltern durch die Zurverfügungstellung von umfangreichen Meldeformularen wertvolle Hilfe bei der Planung von Veranstaltungen im jeweiligen Stadtgebiet. Exemplarisch finden Sie hier den Link für das Online-Formular zur Veranstaltungsanmeldung der Stadt Frankfurt am Main: http://secure.kiv.de/Formularserver/forms/form.asp?Form=/ formularserver/Formulare/Frankfurt/pdf/Antrag_Veranstaltung.pdf
730
Checkliste: Genehmigungen Ist die Location bereits behördlich als Versammlungsstätte zugelassen oder bedarf Sie einer Baugenehmigung wegen Nutzungsänderung? fi Baugenehmigung (Ordnungsamt, Bauordnungsamt) Findet die Veranstaltung oder Teile derselben auf öffentliche Flächen oder im öffentlichen Straßenraum statt? fi Sondernutzungsgenehmigung (Ordnungsamt, Straßenverkehrsamt) Wird auf einer öffentlichen Veranstaltung Musik gespielt? fi Anmeldung (GEMA)
116 62. Deutscher Juristentag: Die Beschlüsse, NJW 1999, 118 4a). 117 62. Deutscher Juristentag: Die Beschlüsse, NJW 1999, 118 4b).
275
Teil E
Genehmigungen, Anmeldepflichten und Erlaubnisvorbehalte
Werden Funkmikrofone eingesetzt? fi Lizenzierung (Bundesnetzagentur) Werden auf der Veranstaltung Speisen und Getränke angeboten? fi Schankerlaubnis, (Ordnungsamt) fi Belehrung nach § 43 IfSG (Gesundheitsamt) Sind für die Veranstaltung eine Tombola oder eine Lotterie geplant? fi Genehmigung (Ordnungsamt, Finanzamt) Wird der Luftraum durch ein Feuerwerk oder andere Objekte die denselben nutzen (Ballons, Fallschirme, Skylaternen etc.) tangiert? fi Genehmigung, Freigabe (Ordnungsamt, Luftverkehrsamt, DFS) Dauert die Veranstaltung bis 22.00 Uhr oder länger? Kann es zu Störungen von Nachbarn und/oder Anliegern kommen? fi Nachtruhe, Sperrzeitenverkürzung (Ordnungsamt)
276
Teil F Haftung und Versicherungen Beispiel In einer Grafenberger Villa in der Nähe des Düsseldorfer Rochusclubs verschüttete eine der von einem Party-Service gestellten Servierkräfte ein Glas Rotwein. Durch dieses Malheur wurde der cremefarbene Hochflor-Teppichboden verunreinigt. Da die Flecken nicht entfernt werden konnten, ließ der Gastgeber den gesamten Teppich, insgesamt 95 m für einen Preis von 41 000 DM (ca. 21 000 Euro), erneuern. In dieser Höhe rechnete der Gastgeber mit der Forderung des Party-Services von 50 000 DM (ca. 26 000 Euro) auf. Daraufhin klagte der Party-Service vor dem Landgericht Düsseldorf. Der mit dem Austausch des Bodenbelages beauftragte Raumausstatter erklärte als Zeuge, dass eine Beseitigung des Rotweinflecks oder eine stückchenweise Ausbesserung des Teppichs unmöglich gewesen sei.
I. Einführung Dieser Fall zeigt, dass bei Veranstaltungen kleine Unaufmerksamkeiten einen beträchtlichen Schaden verursachen können. In der Regel ist der Veranstalter auch für das Verhalten seiner Organe (§ 31 BGB) und seiner Mitarbeiter und Beauftragten (Erfüllungsgehilfen, § 278 BGB; Verrichtungsgehilfen, § 831 BGB) verantwortlich.
730
Dieses Kapitel soll dem Veranstalter bzw. der beauftragten Eventagentur einen Überblick über Schadensquellen, Risiken und Haftungsgrundlagen sowie über Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung, des Haftungsausschlusses und der Versicherung geben. Außerdem wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit beleuchtet. Abb. 40: Haftungsrisiken bei Events Gefahrenquellen
Praxisbeispiel
Location
Tribüneneinsturz Hillsborough-Stadion
Event
Flugschaukatastrophe Ramstein
Besucher, Zuschauer, Publikum
Tote Hosen Konzert Rheinstadion
Wetter
Sturm bei Open Air Festivals
Dritte
Monica Seles Hamburger Rothenbaum
" Praxistipp: Haftungsrisiken können unterschiedlichster Natur sein. Wich-
tig ist, dass sich der Veranstalter vor der Veranstaltung gedanklich mit möglichen Risiken der von ihm geplanten Veranstaltung auseinandersetzt. Anschließend kann er durch Risk Management entscheiden, wie er den Risiken begegnet.1
Veranstalter ist nach Definition des Bundesgerichtshofes derjenige der die organisatorische und finanzielle Verantwortung für einen Event trägt.2 Bei Corpo1 Siehe zum Risk Management auch Rz. 805 ff. 2 BGH v. 29.4.1970 – I ZR 30/68, NJW 1970, 2060 = GRUR 1971, 46 mit Anmerkung.
277
730a
Teil F
Haftung und Versicherungen
rate Events fallen diese beiden Verantwortungsbereiche auch häufig auseinander. So ist der Kunde, in dessen Auftrag die Veranstaltung durchgeführt wird für die finanzielle Seite zuständig, während eine beauftragte Eventagentur den organisatorischen Part ausfüllt. Sind für einen Veranstaltungsteilnehmer beide Seiten und ihre Verantwortungsbereiche erkennbar, hat er im Falle einer während der Veranstaltung erlittenen Rechtsverletzung die Wahl, ob er den Kunden oder die Agentur oder beide nebeneinander als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt. 730b
Der Veranstalter hat für die Sicherheit der Zuschauer ebenso zu sorgen wie für diejenige der auftretenden Künstler und der Anlieger, wobei nur Letztere auf Deliktsansprüche beschränkt sind, während sich Zuschauer und Künstler daneben auf die Vertragshaftung stützen können, ohne dass dies Auswirkungen auf Inhalt und Umfang der Sicherungspflichten hätte.
730c
Die Anlieger sind vor veranstaltungstypischen Begleiterscheinungen zu schützen, z.B. vor Schäden, die Besucher anlässlich eines Flugtages auf dem benachbarten Grundstück anrichten, obwohl das für sie bestimmte Flughafengelände genügend Platz bot. Entscheidend ist in jedem Fall, ob eine Gefährdung durch das Verhalten der Besucher nahe liegt.3
730d
Allerdings ist die Rechtsprechung nicht einheitlich. Während das vereinzelte verkehrswidrige Parken auf Nachbargrundstücken von Besuchern eines Naherholungszentrums nicht zum Schadensersatz des Veranstalters bzw. Betreibers führen soll,4 wird die Haftung bei Beschädigung eines parkenden Kfz durch Wachsflecken infolge einer traditionellen karnevalistischen Veranstaltung5 ebenso bejaht wie bei Beschädigung von Baucontainern während einer RaveVeranstaltung.6 Da die Inanspruchnahme fremden Eigentums zu eigenem Nutzen über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht und Ansprüche aus § 906 ausscheiden, ist eine weitgehende Haftung des Veranstalters für erkennbares Fehlverhalten der Teilnehmer im Ergebnis richtig. Beispiel Das Anbringen eines gut lesbaren Hinweisschildes am Eingang einer gegen ein Entgelt nutzbaren Parkfläche mit der Aufschrift: „Die Parkplätze werden überwacht“ ist ein Umstand, der nach Auffassung des OLG den Willen des Betreibers erkennbar macht, über das Zurverfügungstellen eines Parkplatzes hinaus durch geeignete Kontrollmaßnahmen den Kunden vor rechtswidrigen Zugriffen Dritter zu schützen. Im Hinblick auf die daraus resultierende Verpflichtung zur schadensfreien Rückgabe des Fahrzeugs aus der Obhut kommen die Regelungen des Verwahrungsrechtes zur Anwendung.7
730e
Der Veranstalter von Freizeitevents hat mit dem typischen Freizeitverhalten von Besuchern zu rechnen, die durch Darstellungen oder Attraktionen in ihrer Aufmerksamkeit abgelenkt werden. Auch muss der Veranstalter mit betrunke3 4 5 6 7
BGH v. 2.10.1979 – VI ZR 245/78, NJW 1980, 223. OLG Karlsruhe, VersR 1982, 452. LG Köln, VersR 1990, 991. LG Hamburg v. 30.10.1997 – 309 S 26/97, NJW 1998, 1411 f. OLG Karlsruhe v. 14.7.2004 – 1 U 46/04, OLGR 2004, 473.
278
I. Einführung
Teil F
nen8 oder in Rauschzustand befindlichen Personen rechnen. Nach Ansicht des BGH ist vor allem aber ist dem massenpsychologischen Effekt Rechnung zu tragen, der zur Enthemmung des Individuums beiträgt.9 Den Veranstalter einer Massenveranstaltung trifft die Pflicht zur Sicherung des Zu- und Abgangs der Besucher,10 dies gilt auch im Hinblick auf Gefahren für Nachbargrundstücke, die von Zuschauern, die Abgrenzungen umgehen oder überwinden, ausgehen.11 Der Veranstalter hat daher Sicherungen zum Schutz der Teilnehmer der Veranstaltung, aber auch der Anlieger oder Dritter zu ergreifen. Die daran zu stellenden Anforderungen hängen von der Art der Veranstaltung, der Zahl der erwarteten Besucher und ihrer Enthemmung während der Veranstaltung ab. Veranstalter einer Technomusikfeier mit Alkoholausschank müssen mit einer weitgehenden Enthemmung der Besucher und dadurch erheblich steigenden Gefahr der Fremdund Selbstgefährdung rechnen. Seichte Wasserbassins, die keine Kopfsprünge von der Einstiegsleiter erlauben, dürfen beispielsweise bei einer solchen Veranstaltung nicht aufgestellt werden.12 Hysterischenundpanikartigen Massenreaktionen muss durch Organisations- und Absperrmaßnahmen vorgebeugt werden, zB durch besondere Ordnerdienste, Trennung von rivalisierenden Zuschauergruppen.13
730 f
Beispiel Beim Chicago-Marathon im Oktober 2007 setzten Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius den Marathonläufern derartig zu, dass es zum kollektiven Kollaps kam. Innerhalb der ersten 3 1/2 Stunden des Rennens kletterten die Temperaturen um 11 Grad. Der Veranstalter forderte alle Teilnehmer zum normalen Gehen auf. Alle Teilnehmer, die noch nicht die Halbmarathon-Marke passiert hatten, sollten aufgeben. An den Verpflegungsstationen kamen die Helfer nicht mehr mit dem Auffüllen der Wasserbecher nach. Als ein 35-jähriger Teilnehmer starb und ca. 350 andere Läufer kollabierten, brachen die Veranstalter das Rennen ab. Die Lokalzeitung Chicago Tribune sprach von „Läufer-Folter“. Im April 2007 war bereits der Rotterdam-Marathon bei 25 Grad gestoppt worden, weil 14 Läufer und 19 Zuschauer kollabierten.
Die Pflichten betreffen nicht nur den Ablauf der Veranstaltung, sondern auch die bauliche Gestaltung und den Zustand des Veranstaltungsgeländes, soweit der Veranstalter darauf Einfluss hat. So muss der Besucher indes bei Volksfesten mit Bodenunebenheiten14 sowie generell bei Veranstaltungen mit auf dem Bo8 BGH, VersR 1965, 515; OLG Frankfurt, VersR 1973, 1124 f.; OLG München v. 17.3.1995 – 32 W 3051/94, NJW-RR 1995, 1113; OLG München v. 18.4.1996 – 19 U 5469/95, VersR 1997, 1250. 9 BGH v. 2.10.1979 – VI ZR 245/78, NJW 1980, 223; BGH v. 16.2.1959 – III ZR 199/57, MDR 1959, 466. 10 BGH v. 21.11.1989 – VI ZR 236/89, NJW 1990, 905. 11 BGH v. 2.10.1979 – VI ZR 245/78, NJW 1980, 223 12 OLG München v. 17.3.1995 – 32 W 3051/94, NJW-RR 1995, 1113; weniger restriktiv aber OLG München v. 18.4.1996 – 19 U 5469/95, VersR 1997, 1250; kritisch dazu Steike, Das Wasserbassin in der Diskothek – Verkehrssicherungspflichten eines Diskounternehmers, VersR 1994, 911 (914). 13 OLG Düsseldorf, VersR 1980, 1147 f.; OLG Düsseldorf v. 4.3.1994 – 22 U 209/93, SpuRt 1994, 146 f. 14 OLG Celle v. 5.8.1992 – 9 U 135/91, VersR 1992, 1417 f.; LG Freiburg, VersR 1976, 101 LS.
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730g
Teil F
Haftung und Versicherungen
den befindlichen Abfall rechnen.15 Gegenstände, die Stolpergefahren auslösen, wie elektrische Versorgungskabel, müssen gesichert werden, hilfsweise ist vor ihnen zu warnen.16 Auch der Zu- und Abgang zum Veranstaltungsort ist vom Veranstalter zu sichern, zB durch eine Beleuchtung zum Parkplatz des Geländes, insbesondere hat er für eine ordnungsgemäße Lenkung der Verkehrsströme in unmittelbarer Nähe des Veranstaltungsortes zu sorgen.17 Massenveranstaltungen erfordern die Einrichtung adäquater Ordnungs- und Sanitätsdienste. 730h
Der Veranstalter einer Ausstellung, der auf dem Ausstellungsgelände Zelte als Ausstellungsräume aufstellen lässt, ist verkehrssicherungspflichtig, da er derjenige ist, der die Gefahrenquelle eröffnet.18 Ist er aber befugt, den Verkehr in seinem räumlichen Herrschaftsbereich zu beschränken und macht er davon durch Absperrungen, Verbotsschilder oder in ähnlicher geeigneter Weise Gebrauch, dann trifft ihn prinzipiell auch nur eine entsprechend begrenzte Verkehrssicherungspflicht; gegenüber den von ihm nicht zum Verkehr zugelassenen, unbefugten Personen ist er idR nicht gehalten, zusätzliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen.19 Jedenfalls gegenüber Erwachsenen kommt der verkehrssicherungspflichtige Veranstalter seiner Pflicht dadurch nach, dass er für Ausstellungszelte entsprechende Hinweis- und Verbotstafeln aufstellt. Eine Sperrung sämtlicher Zu- und Abfahrtswege ist wegen des Lieferverkehrs unzumutbar.20
730i
Manche Arten von Veranstaltungen bergen besondere Risiken. So kam es bei der Veranstaltung von sog. Schaumpartys immer wieder zu Verletzungen und sogar Toten. Beispiel Im Jahr 2003 kam es im niederbayerischen Ergolding bei einer Schaumparty in einer Hüpfburg zu einem schweren Unfall. Etwa 50 Kinder im Alter zwischen 4 und 15 Jahren stürmten damals eine mit Schaum gefüllte Hüpfburg in einem Schwimmbad. Das aufblasbare Konstrukt stürzte unter dem Ansturm ein. Bei der anschließenden Panik rutschten mehrere Kinder aus und stürzten übereinander. Dabei atmeten die Kinder den Schaum ein und verschluckten ihn. Dabei kam es zu Verätzungen, Augenreizungen und Atembeschwerden. 38 Kinder und ein zu Hilfe eilender Feuerwehrmann wurden verletzt. Im Juli 2008 starben in Antalya/Türkei drei Touristen bei einer Schaumparty, zwei wurden schwer verletzt, als ein Mitarbeiter des Veranstalters, der die Schaummaschine bediente, stürzte und dabei die Maschine umriss. Im August desselben Jahres mussten vier Mitglieder einer katholischen Jugendgruppe ins Krankenhaus gebracht werden, als bei einer Schaumparty in einer Schützenhalle bei Mars15 16 17 18
OLG Köln v. 29.11.1993 – 12 U 83/93, MDR 1994, 780. OLG Celle v. 5.8.1992 – 9 U 135/91, VersR 1992, 1417 f. BGH v. 21.11.1989 – VI ZR 236/89, NJW 1990, 905. OLG Düsseldorf v. v. 6.11.1998 – 22 U 95/98, NJW-RR 1999, 672 f. unter Verweis auf BGH v. 5.11.1992 – III ZR 91/91, NJW 1993, 1647 = MDR 1993, 517. 19 BGH v. 27.1.1987 – VI ZR 114/86, NJW 1987, 2671 f.; BGH v. 11.12.1984 – VI ZR 292/82, NJW 1985, 1078 f.; OLG Düsseldorf v. 6.11.1998 – 22 U 95/98, NJW-RR 1999, 672 f. 20 OLG Düsseldorf v. 6.11.1998 – 22 U 95/98, NJW-RR 1999, 672 f.
280
II. Event und Haftungsrecht
Teil F
berg/Gütersloh bei den Teilnehmern Husten und Atemwegsbeschwerden auftraten. Weitere Teilnehmer wurden ambulant versorgt. Erste Ermittlungen ergaben, dass das zur Produktion des Schaums verwendete Seifenkonzentrat von den Betreuern wohl nicht ausreichend verdünnt wurde. Die Polizei stellte die Schaummaschine und die Behälter mit dem Schaummittel sicher und nahm Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung auf.
Haftender Pflichtenträger ist primär der Veranstalter des jeweiligen Ereignisses,21 daneben aber auch der Eigentümer der jeweiligen Festhalle oder der Freifläche, in bzw. auf der die Veranstaltung stattfindet. Dessen Verantwortlichkeit beschränkt sich allerdings auf seinen eigenen Zuständigkeitsbereich, insbesondere auf die bauliche Sicherheit der überlassenen Anlagen, während er nicht dafür zu sorgen hat, dass bei einer Musikveranstaltung die im Interesse des Gesundheitsschutzes gebotenen Schallpegel nicht überschritten werden.
730j
Beispiel Den Gaststättenbetreiber, der das Präsidium einer Festveranstaltung auf einem nach hinten offenen Podium von 80 cm Höhe sitzen lässt, trifft nach Ansicht des OLG Celle eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht gegen das Absturzrisiko, das sich angesichts der baulichen Gegebenheiten (Stuhlabstand zur rückwärtigen Podiumskante (0,40 bis 0,50 m) im Falle einer Augenblicksunaufmerksamkeit verwirklichen kann.22 Veranstalter und damit verkehrssicherungspflichtig ist nach einer Entscheidung des OLG Rostock nur, wer die Veranstaltung organisiert und durchführt. Überlässt eine Kommune einem Verein die Organisation und Durchführung, wird sie nicht dadurch verkehrssicherungspflichtig, dass sie sich als Veranstalter bezeichnet, tatsächlich aber nur die sog. Schirmherrschaft übernimmt.23
II. Event und Haftungsrecht Die Rechtsprechung hat folgende Orientierungsformel für eine Haftung entwickelt:
731
„Es sind diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fern liegender bestimmungswidriger Benutzung drohen.“
In der Regel haftet derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht (Sorgfalts- bzw. Verkehrssicherungspflicht) gegenüber einem anderen schuldhaft verletzt und dadurch einen Schaden verursacht. Im Wesentlichen sind drei Schadensarten zu unterscheiden:
21 BGH v. 13.3.2001 – VI ZR 142/00, NJW 2001, 2019 f.; OLG Zweibrücken v. 26.8.1999 – 6 U 40/98, OLGReport 2000, 530; OLG Karlsruhe v. 30.3.2000 – 19 U 93/99, JZ 2000, 789 m. Anm. Stadler/Bensching; OLG Koblenz v. 13.9.2001 – 5 U 1324/00, NJW-RR 2001, 1604 f.= VersR 2003, 336; OLG Hamm v. 29.10.2001 – 13 U 146/01, MDR 2002, 518, VersR 2003, 335; LG Trier v. 29.10.1992 – 3 S 191/92, NJW 1993, 1474. 22 OLG Celle v. 3.12.2003 – 9 U 109/03, OLGReport 2004, 179. 23 OLG Rostock v. 23.10.2003 – 1 U 182/01, OLGReport 2004, 302.
281
732
Teil F
Haftung und Versicherungen
Abb. 41: Schadensarten Personenschäden Verletzung oder Tod von Personen
733
Sachschäden Verlust, Beschädigung oder Zerstörung von Gegenständen
Reine Vermögensschäden Eingriff in das Vermögen als solches (zB falsche Beratung)
Bei der Haftung wird zwischen der vertraglichen bzw. vorvertraglichen Haftung und der sog. deliktischen Haftung unterschieden. Eine Haftung des Veranstalters kann gegenüber Teilnehmern, Zuschauern, eigenem Personal und sonstigen Dritten (zB Sanitätern oder Polizeikräften) bestehen.
1. Vorvertragliche und vertragliche Haftung 734
Vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten können gegenüber dem Zuschauer durch den Verkauf einer Eintrittskarte und gegenüber einem Wettbewerbsteilnehmer durch einen gesonderten Vertrag entstehen.
735
Vertragspartner des Besuchers, Zuschauers oder Gastes ist immer der Veranstalter.24 a) Verschulden bei Vertragsschluss
736
Schon ein Verschulden bei Vertragsschluss kann zu einer vorvertraglichen Haftung des Veranstalters führen. Die Haftung soll die Parteien im Zeitpunkt der Vertragsanbahnung vor der Verletzung von Rechtsgütern bewahren.
737
Nach diesen Grundsätzen haftet der Veranstalter gemäß §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB beispielsweise, wenn er es versäumt, bei Glätte den Eingangsbereich zur Location ordnungsgemäß durch Streugut zu sichern und ein potentieller Kunde schon vor Beginn von Vertragsverhandlungen stürzt und sich verletzt. Vor der großen Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 ergab sich die vorvertragliche Haftung nicht aus dem Gesetz, sondern war als sog. culpa in contrahendo (c.i.c.) Rechtsfortbildung der Gerichte zur Schließung einer Regelungslücke im Gesetz. Mit dem neuen § 311 Abs. 2 BGB wurde die vorher bereits durch Richterrecht anerkannte vorvertragliche Haftung gesetzlich fixiert. Dies ist insbesondere deshalb sinnvoll, weil sich der Veranstalter gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB bei Nachweis fehlenden Auswahlverschuldens in Bezug auf seinen Verrichtungsgehilfen auf deliktischer Seite vom Schuldvorwurf befreien kann.25 § 311 Abs. 2 BGB Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch 1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
24 Siehe dazu Rz. 237 ff. 25 Siehe dazu Rz. 769 ff.
282
II. Event und Haftungsrecht
Teil F
2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder 3. ähnliche geschäftliche Kontakte. Beispiel Wenn I. Wendt bei einem Stadtbummel ein Schauspielhaus betritt und dort – auch ohne konkrete Kaufabsicht – vor dem Kassenhäuschen beim Studieren der Eintrittspreisliste durch ein herabfallendes Veranstaltungsplakat verletzt wird, kommt daher nicht nur eine Haftung aus Delikt – wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten – in Betracht, sondern auch eine Haftung aus vorvertraglicher Haftung, denn er fällt als potentieller Kunde in den Schutzbereich.
Eine vorvertragliche Haftung kommt auch dann in Betracht, wenn eine Partei Offenbarungspflichten verletzt. Dies können Aufklärungen oder Mitteilungen sein, die die eine Partei der anderen verschweigt, die aber für einen Vertragsschluss von wesentlicher Bedeutung sind (zB Unfallschäden bei einem Gebrauchtwagen).26
738
Konsequenz einer vorvertraglichen Haftung ist, dass der Verpflichtete den Zustand herstellen muss, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (sog. Vertrauensschaden).
739
Beispiel Die Vereinbarung einer Tischreservierung im Restaurant dient der Anbahnung noch auszuhandelnder, eventuell abzuschließender Bewirtungsverträge. Die Nichtinanspruchnahme einer Reservierung kann daher nach Auffassung des LG Kiel zu einem Schadensersatzanspruch iH des Vertrauensschadens führen.27 Ein solcher Vertrauensschaden sei beispielsweise bei Abweisung anderer Gäste im Hinblick auf die Tischreservierung anzunehmen. Das LG Siegen verneinte einen Anspruch auf Ersatz eines Vertrauensschadens des Mitteldeutschen Rundfunks gegenüber dem Veranstalter eines Motorsport-Festivals in Oscherleben namens „Rock the Race“ bei dem unter anderem Herbert Grönemeyer und die Fantastischen Vier auftraten. Der MDR verlangte 40 131,20 Euro für die Ausstrahlung eines Werbetrailers für die Veranstaltung. Nach Auffassung des Gerichts standen die Vorverhandlungen über eine Medienpartnerschaft unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass man sich Anfang 2008 weiter verständigen wolle. Dazu kam es nicht, denn im Dezember 2007, einige Monate vor der Veranstaltung, wechselte der Veranstalter den Medienpartner. Die vom Bundesgerichtshof geforderte sichere Annahme, ein Vertrag würde zustandekommen,28 sah das Gericht nicht als gegeben an.29 In anderer Sache hat das OLG Hamm entschieden, dass ein entstandener Vertrauensschaden iH von 40 000 Euro für Promotion-Maßnahmen, den ein Software- und Musikproduktionsunternehmen in eine Band investiert hat, keine Ersatzpflicht auslöst, wenn die Vertragsverhandlungen aufgrund eines triftigen Grundes (hier Trennung der Band vom Sänger) abgebrochen wurden und der intendierte Bandübernahmevertrag deshalb scheiterte.30
26 27 28 29 30
Palandt/Heinrichs, Ergänzungsband, § 280 Rz. 30. LG Kiel v. 22.1.1998 – 8 S 160/97, NJW 1998, 2539. BGH v. 11.4.2006 – XI ZR 220/05, NJW 2006, 1963 (1964). LG Siegen v. 28.5.2008 – 5 O 74/08. OLG Hamm v. 14.8.2007 – 4 U 44/07, NJW 2008, 764 = OLGReport 2008, 301.
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Teil F
Haftung und Versicherungen
b) Vertragliche Haftung 740
Im Bereich der Vertragsverletzung differenziert man zwischen der Verletzung von Hauptleistungs- und Nebenleistungspflichten. So stellt der Ausfall eines Konzertes die Verletzung einer Hauptleistungspflicht aus dem Zuschauervertrag – nämlich Durchführung der Veranstaltung – dar.31 Die Gewährleistung eines sicheren Veranstaltungsgeländes (zB sicherer Tribünen) betrifft eine Nebenleistungspflicht des Veranstalters.32 Nebenleistungspflichten können Vorbereitungs-, Obhuts-, Erhaltungs-, Aufbewahrungs-, Auskunfts-, Anzeige- oder Geheimhaltungspflichten sein.
741
Bei allen solchen Mängeln ist zu beachten, dass der Veranstalter eines Events für seine Mitarbeiter und die dem Publikumsverkehr eröffneten Einrichtungen einzustehen hat (sog. Verkehrssicherungspflicht).33
742
Dem Kunden stehen immer die gesetzlich vorgesehenen Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche zu. Dass der Veranstalter im Innenverhältnis möglicherweise den für den Mangel verantwortlichen Künstler in Regress nehmen kann, ist für das Verhältnis zum Zuschauer oder Gast unerheblich.
743
Die absolute Sicherheit gegen alle Gefahren, die mit einer Verkehrseröffnung verbunden sind, kann weder gefordert noch gewährleistet werden. Der Umfang einer Verkehrssicherungspflicht orientiert sich somit daran, was zur Gefahrenabwehr notwendig und zumutbar ist, um Dritte vor Gefahren zu schützen, die er selbst bei Anwendung der von ihm in der konkreten Situation zu erwartenden Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann.34
744
Die Verkehrssicherungspflichten werden bei vertraglicher und deliktischer Haftung grundsätzlich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes hergeleitet.35 Von Literatur und Rechtsprechung wurden allgemeingültige Kriterien für den Inhalt von Verkehrssicherungspflichten erarbeitet: – Art und Schwere der drohenden Gefahr und des Schadens; – Möglichkeit der Gefahrbeherrschung; – Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts; – Möglichkeit der Selbstvermeidung des Schadens durch den Geschädigten und Zumutbarkeit, den Schaden selbst zu tragen; – Umfang der Schadensverhinderungskosten.
31 Siehe dazu Rz. 237 ff. 32 Auf die vertraglichen Hauptleistungspflichten der für Veranstaltungen interessanten Vertragstypen wurde bereits in Rz. 204 ff. eingegangen. 33 Münchener Kommentar.BGB/Mertens, § 823 BGB Rz. 208; siehe zu diesem Thema auch die Rechtsprechungsübersicht im Anhang A. 34 Riedmeier, Verkehrssicherungspflicht, Rechtsprechungsübersicht, VersR 1990, S. 1315. 35 Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 5 Rz. 67.
284
II. Event und Haftungsrecht
Teil F
Abb. 42: Verkehrssicherungspflichten Verkehrssicherungspflichten – Aus Verkehrseröffnung – aus Teilnahme am Verkehr – aus tatsächlicher Verfügungsgewalt über gefährliche Gegenstände oder Unternehmen – bei Veranstaltungen – Hersteller- oder Produzentenhaftung
Verletzt der Veranstalter seine Nebenleistungspflichten, ergibt sich der Anspruch aus § 241 Abs. 2 BGB. Wie bei der vorvertraglichen Haftung bestand auch im Hinblick auf die Verletzung von vertraglichen Nebenleistungspflichten vor der Schuldrechtsreform eine Gesetzeslücke, die über die richterliche Rechtsfortbildung geschlossen wurde. Die Rechtsprechung leitete die Schadensersatzansprüche vor der Schuldrechtsreform aus der sog. positiven Forderungs- bzw. Vertragsverletzung ab.
745
Der Veranstalter haftet daher, wenn er durch ein Handeln oder Unterlassen eine vertragliche Nebenleistungspflicht verletzt und dem Vertragspartner dadurch einen Schaden verursacht und ihm ein pflichtwidriges und schuldhaftes Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Ein schuldhaftes Verhalten liegt nach § 276 BGB immer dann vor, wenn der Schuldner vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Fahrlässigkeit ist nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB immer dann gegeben, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird.
746
Merken sollte man sich in diesem Zusammenhang, dass immer der Veranstalter der Vertragspartner des Zuschauers oder Gastes ist. Das bedeutet, dass man im Falle von Leistungsstörungen den Zuschauer oder Gast nicht an denjenigen seiner Angestellten verweisen kann, der die Leistungsstörung tatsächlich zu vertreten hat.
747
Bei den vielseitigen Angeboten im Veranstaltungssektor sind derartige Schlechtoder Nichtleistungen häufig anzutreffen. Mängel können sich beispielsweise ergeben bei der Organisation (zB Kartenüberverkauf), bei der Qualität der Einrichtungen (zB Tribüne mit Holzsplittern), bei den persönlichen Voraussetzungen (zB schlechte Musiker) usw.
748
Bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch haftet der verantwortliche Vertragspartner gemäß § 278 BGB auch dann, wenn ihn persönlich kein Verschulden trifft, für jedes Verschulden seiner Mitarbeiter (Angestellte, einzelne Funktionsträger, ehrenamtliche Mitarbeiter), deren er sich zur Erfüllung seiner Pflichten bedient (sog. Haftung für den Erfüllungsgehilfen). Der Veranstalter hat gegenüber dem Teilnehmer alle Fehler seiner Erfüllungsgehilfen zu vertreten und zwar genauso, als wenn er selbst gehandelt hätte (§ 278 BGB). Das bedeutet, dass der Veranstalter im Falle von Leistungsstörungen den Zuschauer oder Gast nicht an denjenigen seiner Angestellten verweisen kann, der die Leistungsstörung tatsächlich zu vertreten hat.
749
285
Teil F
Haftung und Versicherungen
750
Der Veranstalter haftet, wenn ihm ein pflichtwidriges und schuldhaftes Fehlverhalten vorzuwerfen ist.
751
Die Verletzungshandlung kann in einem positiven Tun (zB Anfahren, Treten u.s.w.) oder Unterlassen (zB fehlende Präparierung von Skipisten, Nichtentfernen von Hindernissen) liegen. Der gastgebende Verein einer Sportveranstaltung ist im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht auch angehalten, ausreichende Maßnahmen gegen Randale und rassistische Äußerungen durch die Zuschauer zu treffen.36 Hier gehören insbesondere präventive Maßnahmen (zB Kampagnen gegen Rassismus) aber auch Sanktionen (zB Stadionverbot, Geldstrafe) zum Instrumentarium des Veranstalters.
752
Hinsichtlich der Haftung bei Veranstaltungen hat die Rechtsprechung innerhalb der letzten Jahre sehr strenge Maßstäbe gesetzt. Aufgrund der Vielzahl der Fälle und Situationen können hier jedoch keine Patentrezepte gegeben werden. Veranstalter und Organisatoren von Veranstaltungen haben vielmehr bei ihren Planungen und Vorbereitungen stets auch das besondere Haftungsrisiko zu berücksichtigen, das sich aus der geplanten Veranstaltung ergeben kann. Für diese so genannte Veranstalterhaftung gelten die allgemeinen Haftungsregelungen wie sie auch aus dem Zivil- und Strafrecht bekannt sind. Beispiel I. Wendt hat die Verantwortung für die Präsentation einer neuen Prozessorgeneration eines bekannten Computerherstellers übernommen. Der entsprechende Veranstaltungsvertrag zwischen I. Wendt und dem Prokuristen der Computerfirma wurde geschlossen. Der für die Präsentation engagierte Zauberkünstler erscheint nicht. Das beauftragte Cateringunternehmen liefert verdorbene Speisen. I. Wendt kann die Kunden in einem solchen Fall nicht an den Zauberer oder das Cateringunternehmen verweisen, sondern ist dem Kunden gegenüber ersatzpflichtig. Er muss sich als Vertragspartner das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen (§ 278 BGB).
753
Für den Ausgleichsanspruch, den er gegen seine Erfüllungsgehilfen geltend machen kann, kommt es darauf an, wie das Vertragsverhältnis zwischen diesen beiden Vertragsparteien zu qualifizieren ist. Als Vertragsarten kommen in erster Linie Dienst- und Werkverträge in Betracht. Dienstverträge (§§ 611–630 BGB) sind nicht auf einen bestimmten Erfolg, sondern eher auf ein Tätigwerden für einen bestimmten Zeitraum gerichtet (zB Beschäftigung für ein Jahr). Bei Werkverträgen hingegen wird die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges (zB Durchführung eines Rockkonzerts) geschuldet.
754
Die Grenzen zwischen diesen beiden Vertragsarten sind häufig fließend, die Rechtsfolgen aber ganz unterschiedlich. So ist beispielsweise beim Vorliegen eines Dienstvertrages auch bei der Schlechtleistung die Vergütung nicht zurückzuzahlen, sondern sie ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten (§ 614 BGB). Der Vertragspartner ist hier auf die Wahrnehmung seiner Kündigungsrechte angewiesen, währenddessen er nach dem Werkvertragsrecht Nacherfül36 Weller, Die Haftung von Fußballvereinen für Randale und Rassismus, NJW 2007, 960 ff.
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Teil F
II. Event und Haftungsrecht
lung, Selbstvornahme und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen, Rücktritt oder Minderung, Schadensersatz oder Ersatz der erforderlichen Aufwendungen (§§ 633 ff. BGB) wählen kann. Im Rahmen eines Arbeits- oder Anstellungsverhältnisses kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes auch auf den Verschuldensgrad an, ob der Arbeitgeber seinen Beschäftigten für den entstandenen Schaden in Regress nehmen kann.
755
c) Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte Sogar wenn kein direktes Vertragsverhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten besteht, kann es über den sog. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu einer vertraglichen Haftung des Ersteren gegenüber dem Verletzten kommen37. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn zwischen einem Veranstaltungshallenbetreiber und dem Veranstalter eines Events ein Vertrag besteht, der als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Zuschauer angesehen wird, so dass dem Zuschauer ein direkter Anspruch gegen den Hallenbetreiber zustehen kann.
756
Abb. 43: Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Veranstalter
gemischttypischer Werk-Mietvertrag
Mietvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Vermieter
Besucher
Vertragliche, deliktische Schadensersatzansprüche, Eigentumshaftung
Nicht alle Veranstaltungen können in den eigenen Räumlichkeiten durchgeführt werden. Es werden daher Veranstaltungsräume (zB Lanxess Arena, Philipshalle) angemietet. Die meisten Haftungsfälle werden durch den schlechten baulichen Zustand der genutzten Einrichtung verursacht oder treten dort auf, wo die Verantwortlichen die ihnen obliegende Überwachungspflicht der Veranstaltungsräume vernachlässigt oder unterlassen haben.
757
Ansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und Ansprüche wegen verschuldensunabhängiger Gebäudehaftung können nicht komplett ausgeschlossen werden.
758
37 Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 5 Rz. 5.
287
Teil F
Haftung und Versicherungen
d) Veranstaltungsausfall (der 11. September 2001) 759
Am 11.9.2001 führten drei von Terroristen herbeigeführte Flugzeugabstürze zur Zerstörung der Zwillingstürme des World Trade Center in New York City und zur Beschädigung des Pentagon. Mehr als 4 000 Menschen verloren ihr Leben. Als Folge dieser beispiellosen Tragödie wurde die Weltwirtschaft in eine tiefe Krise und Konjunkturflaute gestürzt. Insbesondere die Werbewirtschaft und mit ihr die Eventbranche erlitt erhebliche Einbußen. Viele Veranstaltungen wurden abgesagt. Beispiel
760
Eine von unzähligen betroffenen Veranstaltungen war die „1. Nacht der Medien“ des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, die für den 14.9.2001 angesetzt war. Im Zusammenhang mit dem Ausfall vieler Veranstaltungen ergab sich die Rechtsfrage: „Wer haftet für bereits entstandene Kosten und fest gebuchte Künstler und Dienstleister?“ Die Antwort fiel nicht einheitlich aus. Beispielsweise bewertete das Landgericht Nürnberg den Ausfall eines 290 000 Euro teuren Betriebsfestes der Firma Schwan unter dem Motto „Schwan in Motion“ aufgrund der Ereignisse in New York als einen Fall von höherer Gewalt. Dies hatte zur Folge, dass die im Streit befindlichen Parteien, nämlich die Firma Schwan-Stabilo und die Eventagentur „Create and Realize Event GmbH“ einen Vergleich schlossen. Danach war die Agentur verpflichtet, auf die 110 000 Euro ihres Honorars zu verzichten.
761
Aus unserer Sicht ist diese Gerichtsauffassung falsch. In der Praxis verzichteten viele Agenturen, Dienstleister und Künstler angesichts des „Ausnahmezustandes“ in Wirtschaft und Bevölkerung und, um den jeweiligen Kunden nicht zu verlieren, aus Kulanz auf Teile der vereinbarten Vergütung für die ausgefallenen Veranstaltungen oder waren mit deren Verlegung auf einen späteren, weniger emotional belasteten Termin einverstanden. Eine rechtliche Verpflichtung gab es dafür jedoch nicht. Angemietete Locations müssten bezahlt werden, gebuchte Künstler honoriert und geordertes Equipment oder Catering abgenommen werden.
762
Der Verweis auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe von 1992,38 in der es um den Ausfall einer Karnevalsveranstaltung während des Golfkriegs ging, führt nicht weiter. In der damaligen Entscheidung ging das Gericht davon aus, dass die klagenden Musiker keinen Anspruch gegen den Veranstalter auf Vergütung oder Schadensersatz hatten, weil die Geschäftsgrundlage für den dem Anspruch zugrunde liegenden Werkvertrag nach den Grundsätzen von Treu und Glauben weggefallen sei.39 Die Gemeinde hatte in diesem Fall dem Veranstalter die Überlassung der gemieteten Halle verweigert. Somit ging das Gericht davon aus, dass der Veranstalter den Ausfall der Veranstaltung nicht zu vertreten hatte.
763
Die Anschläge in New York führten nicht zu einer Kriegs- oder Terrorsituation in Deutschland. Somit würde auch eine Veranstaltungsausfallversicherung, die Kriegs- und Terrorismusrisiken entgegen der Regel einschließt, nicht eingreifen. Der jeweilige Versicherer könnte zu Recht geltend machen, dass die Situation in den USA nicht zu einem Versicherungsfall in Deutschland führt. 38 OLG Karlsruhe v. 15.5.1992 – 15 U 297/91, NJW 1992, 3177. 39 Siehe dazu auch Rz. 726.
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II. Event und Haftungsrecht
Teil F
Somit hat der 11.9.2001 die Ansprüche von vor diesem Datum verpflichteten Künstlern, Musikern, Technikern, Securitykräften, Caterern etc. nicht entfallen lassen. Hat der Veranstalter aus Pietät, Ethik, Betroffenheit oder weil er glaubt, dass die Veranstaltung wegen der zeitlichen Nähe zu den Anschlägen nicht angebracht oder nicht kommerziell erfolgreich sein wird, auf die Durchführung verzichtet, ist dies seine unternehmerische Entscheidung. Rechtlich hat er für alle eingegangenen Verpflichtungen geradezustehen. Lediglich nicht entstandene Kosten für Anfahrt, Hotels und Verpflegung können als ersparte Aufwendungen von den Honorarforderungen der verpflichteten Personen abgezogen werden. Es verbleibt bei dem alten Sprichwort „Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch“.
764
2. Deliktische Haftung Die deliktische Haftung (Haftung aus unerlaubter Handlung) ergibt sich aus § 823 BGB. Diese Vorschrift besagt:
765
§ 823 BGB 1. Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 2. Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Die Ansprüche aus Delikt werden durch bestehende vertragliche Ansprüche nicht ausgeschlossen. Beide Haftungsarten sind nebeneinander anwendbar. Liegt eine zum Schadensersatz verpflichtende deliktische Haftungsgrundlage vor (§§ 823 ff. BGB), kam früher bei Verletzungen an Körper und/oder Gesundheit anders als bei der vertraglichen Haftung zusätzlich ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Betracht, § 847 BGB (alte Fassung). Der frühere § 847 BGB wurde durch das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz zum 1.8.2002 abgeschafft und vom Wortlaut fast unverändert in einen neuen § 253 Abs. 2 BGB übernommen. Diese Verankerung des Schmerzensgeldanspruchs im allgemeinen Schuldrecht hat zur Folge, dass ein Schmerzensgeldanspruch im Gegensatz zum alten Recht auch bei vertraglicher Haftung und in Fällen der Gefährdungshaftung in Frage kommt.
766
Als Schutzgesetze iS des § 823 Abs. 2 BGB sind die im Strafgesetzbuch niedergelegten Straftatbestände zu klassifizieren. Aber auch neben den Strafvorschriften existieren viele Normen, die Schutzgesetze iS von § 823 Abs. 2 BGB sind (zB AbfallG, StVG, StVZO, BImSchG etc.).
767
Die Verletzungshandlung kann in einem positiven Tun (zB Anfahren, Treten usw.) oder Unterlassen (zB keine Überprüfung der Standfestigkeit von Zuschauertribünen, fehlende Präparierung von Rennstrecken, Nichtentfernen von Hindernissen) liegen und muss kausal für den verursachten Schaden gewesen sein. Die Verletzung muss rechtswidrig und schuldhaft geschehen sein.
768
289
Teil F
Haftung und Versicherungen
Beispiel Eine Zuschauerin verklagte die Rockband Kiss wegen Körperverletzung. Die Frau wurde während eines Konzertes im US-Bundesstaat Michigan nach eigenen Angaben durch umherfliegende Gitarrenteile verletzt. Der Lead-Sänger habe eine Gitarre zertrümmert und die Reste ins Publikum geschleudert. Dabei habe sich eine messerscharfe Gitarrensaite um die Hand der Zuschauerin gewickelt und sie verletzt.
769
Im deliktischen Bereich haftet der Veranstalter gemäß § 831 BGB für seine Verrichtungsgehilfen. § 831 BGB ist eine eigene Anspruchsgrundlage. Im Unterschied zur Zurechnungsnorm des § 278 BGB auf vertraglicher Ebene haftet der Veranstalter im Rahmen von § 831 BGB nicht für fremdes, sondern für eigenes Verschulden. Die Haftung resultiert bei § 831 BGB aus der Vermutung des eigenen Verschuldens des Geschäftsherrn bei der Auswahl, Überwachung oder Leitung der Hilfspersonen bzw. bei der Beschaffung der erforderlichen Vorrichtungen oder Gerätschaften. Jedoch kann der Geschäftsherr anders als bei § 278 BGB einen Entlastungsbeweis führen, § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB. Maß und Umfang der Sorgfaltspflichten richten sich nach der Verkehrsanschauung und den Besonderheiten des Einzelfalles.40
770
Im obigen Fall würde eine Haftung des Veranstalters nicht in Frage kommen. Künstler und Musiker werden in aller Regel nicht als Verrichtungsgehilfen des Veranstalters einzustufen sein. Allerdings organisieren viele weniger bekannte Künstler und Musiker ihre Veranstaltungen auch selbst und haften in dem Fall natürlich auch. Die Haftung des Verrichtungsgehilfen selbst bleibt jedoch unberührt, so dass die Zuschauerin, wenn sie den Vorfall richtig dargestellt hat, einen direkten Anspruch gegen den Leadsänger hätte. Da die Schmerzensgeldrechtsprechung in den USA im Unterschied zur deutschen Rechtsprechung gegenüber den Geschädigten äußerst großzügig ist, kann leicht eine siebenstellige Summe für die Verletzte heraus kommen.
771
In diesem Zusammenhang spielte auch der Begriff des Organisationsverschuldens eine wichtige Rolle. Für größere Unternehmen besteht eine Organisationspflicht als Spezialfall der Aufsichtspflicht. Der Veranstalter muss durch ausreichende Anweisungen gewährleisten, dass eine Schädigung Dritter durch betriebliche Abläufe und Arbeitsabläufe verhindert wird.41 Wenn ein Organisationsmangel vorliegt, der zur Verletzung von Verkehrspflichten führt, kommt eine Haftung des Unternehmens wegen Organisationsverschulden aus § 823 Abs. 1 BGB oder §§ 31, 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Eine Entlastungsmöglichkeit wie bei § 831 BGB gibt es beim Organisationsverschulden nicht. Beispiel Ein schreckliches Beispiel für die schlechte Organisation einer Sportveranstaltung und der daraus resultierenden Folgen ist die Zuschauerkatastrophe im Heysel-Stadion in Brüssel beim Europacupspiel des FC Liverpool gegen Juventus Turin 1985. Hier war es aufgrund der unzureichenden Trennung der Fanblöcke mit starkem Hooliganpotential zu Massenschlägereien und Panik mit 39 Toten und zahlreichen Verletzten gekommen. 40 BGH v. 30.1.1996 – VI ZR 408/94, NJW-RR 1996, 867. 41 BGH, MDR 1968, 139
290
II. Event und Haftungsrecht
Teil F
Die größte Katastrophe aus dem Bereich der europäischen Fußballveranstaltungen ereignete sich im April 1989 im Hillsborough-Stadion in Sheffield. Zum Pokalhalbfinale zwischen Nottingham Forest und dem FC Liverpool wurden von der Polizei kurz vor Spielbeginn 2 000 Zuschauer in das schon ausverkaufte Stadion eingelassen. Auf einer Stehplatztribüne kam es daraufhin zu einem Massengedränge. Aufgrund eines massiven Stadionzauns, der von den Polizeikräften nicht geöffnet wurde, kamen 96 Liverpool-Fans ums Leben – die meisten davon wurden zu Tode gequetscht –, mehr als 700 wurden verletzt. Eigentlich wurden die Zäune in den siebziger Jahren eingeführt, um zu verhindern, dass Hooligans den Platz stürmen, und sollten der Sicherheit dienen.
Die Bedeutung des Organisationsverschuldens wird durch die neue Gesetzgebung im Schadensersatzrecht abnehmen. Denn durch die Möglichkeit vertragsrechtlicher Schmerzensgeldansprüche gemäß § 253 Abs. 2 BGB, ist der Entlastungsbeweis des Geschäftsherrn gemäß § 831 BGB durch die Haftung für Gehilfenversagen nach § 278 BGB faktisch abgeschnitten.42
772
Die Veranstalter haften für zu glatte Parkettböden, herabfallende Scheinwerfer und Gehörschäden aufgrund zu lauter Musik. Über § 278 BGB werden dem Veranstalter nicht nur die Fehler eigener Mitarbeiter zugerechnet, sondern auch das Versagen selbständiger Unternehmen.43
773
Beispiel Bei einer Helikopter-Skipassreise setzten die Veranstalter die mit Snowboards und Skiern ausgerüsteten Reisenden mit Hilfe eines Helikopters in etwa 4 000 m Höhe auf einem Gletscher ab. Bei der zweiten Abfahrt stürzte eine Teilnehmerin mit ihrem Snowboard etwa 10 m tief in eine quer zum Gletscherhang verlaufende Gletscherspalte und verletzte sich dabei so schwer, dass sie querschnittsgelähmt blieb. Die Verletzte verklagte die Veranstalter auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Reiseveranstalter verpflichtet seien, die geschuldeten Reiseleistungen derart zu organisieren und zu erbringen, dass eine über das bei Gletscherabfahrten bestehende allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefährdung der Teilnehmer ausgeschlossen war. Das Gericht stellte eine Verletzung der Organisationspflichten von einem der Veranstalter fest, weil die Skiführer nicht detailliert angewiesen worden wären, nach welchen Gesichtspunkten die vorgesehenen Abfahrtstrecken auszuwählen und welche gebotenen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen seien. Zur Feststellung der Verantwortlichkeit des zweiten Veranstalters und eines Auswahlverschuldens wurde der Rechtsstreit zur Klärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.44
Hinsichtlich der Haftung bei Veranstaltungen hat die Rechtsprechung innerhalb der letzten Jahre sehr strenge Maßstäbe gesetzt. Veranstalter und Organisatoren von Veranstaltungen haben bei ihren Planungen und Vorbereitungen stets das besondere Haftungsrisiko zu berücksichtigen, das sich aus der geplanten Veranstaltung ergeben kann. Der nachfolgende Praxisfall soll die potentiellen Haftungsrisiken veranschaulichen.
42 Wagner, Das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz, NJW 2002, 2056. 43 Wagner, Das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz, NJW 2002, 2056. 44 BGH v. 12.3.2002 – X ZR 226/99, NJW-RR 2002, 1056 ff.
291
774
Teil F
Haftung und Versicherungen
Beispiel Das LG Hamburg hatte über das spektakuläre Attentat auf die damalige Nr. 1 der Tennisweltrangliste Monica Seles zu befinden.45 Diese war während des „Citizen Cup“ auf dem Gelände der Hamburger Tennisanlage Rothenbaum von einem geistig verwirrten Steffi Graf-Fan während eines Spieles auf dem Center Court in den Rücken gestochen worden. Die nach wenigen Wochen äußerlich verheilte Stichwunde habe nach Darstellung der Klägerin noch monatelang zu einer Bewegungseinschränkung des rechten Armes geführt. Erst Ende 1993 sei der Bewegungsapparat wieder völlig hergestellt gewesen. Die Unterbrechung der Tenniskarriere sei ausschließlich auf die physischen und psychischen Folgen des Attentates zurückzuführen. Seit Juli 1993 habe die Klägerin 100 Sitzungen psychologischer Beratung in Anspruch genommen. Mitte 1995 sei sie erstmalig zu einem erneuten Auftritt in der Öffentlichkeit fähig gewesen. Die Tennisspielerin hatte deshalb den Veranstalter des Turniers, ein Wirtschaftsunternehmen des Deutschen Tennisbundes (DTB), auf Zahlung von knapp 24,5 Mio. DM (ca. 12,5 Mio. Euro) wegen ärztlicher Behandlungskosten, Rechtsberatungskosten, entgangener Preisgelder und Werbeeinnahmen verklagt. Zudem sei ein Schmerzensgeld von mindestens 50 000 DM (ca. 25 500 Euro) wegen der psychischen Beeinträchtigungen und eingebüßter Lebensfreude zu zahlen. Das LG Hamburg wies die Klage in vollem Umfang ab. Der Veranstalter habe mit dem Einsatz von 74 Ordnungskräften – davon allein 52 auf dem Center Court – seiner Verkehrssicherungspflicht genügt. Hinter jeder Spielerbank war eine Ordnungskraft postiert. Diese überwältigte den Täter auch unmittelbar nach der Attacke. Da das Attentat im Jahre 1993 das erste seiner Art gewesen ist, waren nach Überzeugung des Gerichts weitere Sicherungsmaßnahmen zu diesem Zeitpunkt nicht angezeigt.
774a
775
Heute würde derselbe Fall anders entschieden. Kriterien für jede Form der Haftung in Deutschland sind die Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts und die Zumutbarkeit von angemessenen Gegenmaßnahmen. Zur Zeit der Entscheidung des LG Hamburg waren derartige Schadensfälle für einen Veranstalter nicht vorhersehbar. Durch diesen Präzedenzfall hat sich dies geändert. Heute ist es state of the art, dass der Veranstalter die Auswechsel- oder Pausenbank bei Sportveranstaltungen gegen derartige Übergriffe durch Plexiglasscheiben oder eine Fixsecurity mit Blick Richtung Zuschauertribüne absichert. Dies gilt aber nicht generell, denn in den unteren Ligen und im Amateurbereich ist der damit verbundene Kostenaufwand für die Vereine nicht zumutbar. Durch gut geschulte Mitarbeiter und eine verantwortungsvolle Organisation kann ein solches Risiko zwar verringert werden, aber gerade bei Großveranstaltungen mit vielen Teilnehmern und Mitarbeitern ergeben sich neue Gefahrenquellen und Gefährdungsbereiche: – Verkehrssicherungspflicht bei Sportanlagen, – hohe Anzahl von Gästen, Besuchern und Zuschauern, – Veranstaltungen, die im öffentlichen Straßenraum stattfinden, – Veranstaltungen in fremden (zB angemieteten) Räumlichkeiten, – mehrere Organisatoren und Träger beteiligen sich an der Ausrichtung der Veranstaltung mit verschiedenen Aufgaben- und Verantwortungsbereichen, – Veranstaltungen mit besonderem Haftungsrisiko (zB Autorennen), – Veranstaltungen, bei denen besondere Anlagen und Geräte eingesetzt werden (zB Bühne oder Tribüne, die extra aufgebaut wird). 45 LG Hamburg v. 10.12.2006 – 305 O 140/96, NJW 1997, 2606.
292
II. Event und Haftungsrecht
Teil F
Für diese sog. Veranstalterhaftung gelten die allgemeinen Haftungsregelungen. Die meisten Haftungsfälle werden durch den schlechten baulichen Zustand der genutzten Einrichtung verursacht oder treten dort auf, wo die Veranstalter die ihnen obliegende Überwachungspflicht der Veranstaltungsräume vernachlässigt oder unterlassen haben.
776
Bei Risikosportarten wie Tauchen, Riverrafting, Canyoning oder Klettern ist es erforderlich, dass der Veranstalter über ein detailliertes Sicherheitskonzept verfügt. In den Jahren 2007 und 2008 kam es in diesen Bereichen zu mehreren tragischen Todesfällen und schweren Verletzungen von Veranstaltungsteilnehmern. So starben in Frankreich und Österreich mehrere Menschen beim Canyoning, bei der Benutzung von Kletterhallen und Hochseilgärten wurden ein 9-jähriges Mädchen (München), ein 44-jähriger Mann (Hahnstätten), ein 34-jähriger (Werfen) beim Klettern getötet und ein 22-jähriger (Stuttgart-Degerloch) lebensgefährlich verletzt. Eine Mandantin unserer Kanzlei erlitt mehrere Wirbelbrüche in einer Kölner Kletterhalle. Der Betreiber einer Kletterhalle oder eines Hochseilgartens muss neben der Einwandfreiheit des Sicherungsgerätes und des Kletterparcours dafür sorgen, dass eine ausreichende Sicherheitseinweisung stattfindet. Außerdem muss der Veranstalter geschultes Aufsichtspersonal in ausreichender Anzahl stellen (mindestens ein Mitarbeiter pro Klettergruppe). Das OLG Köln hat in der Berufungsverhandlung zu einem Urteil des Landgerichts Köln46 deutlich gemacht, dass es der Auffassung ist, dass der Veranstalter in Bezug auf Sicherheitseinweisung, Überwachung und Anweisungen strenge Maßstäbe anzulegen hat.47
776a
Beispiel Selbst die Veranstaltung eines Kindergeburtstages birgt haftungsrechtliche Risiken. Das OLG Celle hat entschieden, dass selbst die Einladung von Kindern zu einem Kindergeburtstag weitreichende Haftungsfolgen auslösen kann.48 Die Eltern des einladenden Geburtstagskindes erklären sich durch die mündliche oder schriftliche Einladung zum Geburtstag bereit, die Aufsichtspflicht der Eltern der Besuchskinder zu übernehmen. Bei Verletzung derselben müssen die Gasteltern haften und Schadensersatz und Schmerzensgeld bezahlen.
Verfügt der Veranstalter über eine eigene Veranstaltungsörtlichkeit (zB Bundesligaverein mit eigenem Stadion) und werden aufgrund des Gebäudezustandes Personen- oder Sachschäden verursacht, treten neben die Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB die §§ 836–838 BGB. Diese Haftung besteht nicht nur gegenüber den Zuschauern, sondern auch gegenüber Sportlern, Schiedsrichtern, Ordnern, Künstlern, Sanitätspersonal etc. Insbesondere bei durch Zuschauerausschreitungen verursachten Einstürzen von Zäunen, Geländern, Tribünen oder Mauern ist der Eigentümer der Veranstaltungsstätte immer dafür verantwortlich, dass das Gebäude den besonderen hiermit verbundenen Gefahren standhält.49 46 47 48 49
LG Köln v. 13.2.2008 – 3 O 360/07. OLG Köln, Vergleich v. 5.8.2008 – 15 U 42/08. OLG Celle v. 1.7.1987 – 9 U 36/86, NJW-RR 1987, 1384. Münchener Kommentar.BGB/Mertens, § 836 BGB Rz. 16.
293
777
Teil F
Haftung und Versicherungen
Beispiel Bei einem Konzert der deutschen Kultband Tokio Hotel in Tel Aviv wurden im Jahr 2007 acht Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren durch Splitter verletzt, als am Eingang des Kongresszentrums der Messe in Tel Aviv eine Glastür platzte, weil Tausende von Fans in das Gebäude drängten.
778
Eine verschuldensunabhängige Haftung des Gebäudeinhabers kann sich aus §§ 836 ff. BGB ergeben. Diese Vorschriften regeln Sonderfälle der Verletzung von Verkehrspflichten. Im Unterschied zu § 823 BGB wird allerdings bei diesen Sondervorschriften ein Verschulden vermutet. Im Rahmen dieser Haftungstatbestände hat der verletzte Besucher somit Beweislastvorteile, weil er lediglich die Schädigung aufgrund mangelhafter Gebäudeerhaltung beweisen muss, nicht aber ein Verschulden des Eigentümers.
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Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 836 ff. BGB ist: – der Einsturz eines Gebäudes, eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werkes oder die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder Werkes (zB Abfallen von Stuckelementen o.Ä.); – die dadurch bedingte Verursachung eines Personen- oder Sachschadens; – als Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung.
780
Der Personenkreis der Ersatzpflichtigen ergibt sich aus §§ 836–838 BGB.
781
Der Anspruch gemäß §§ 836 ff. BGB kann ausgeschlossen sein, wenn der Verpflichtete zur Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat, § 836 Abs. 1 Satz 2 BGB. § 836 Abs. 2 und 3 BGB enthalten besondere Regelungen für den früheren Eigenbesitzer.
782
Nicht alle Veranstaltungen können in den eigenen Räumlichkeiten durchgeführt werden. Es werden daher Veranstaltungsräume (zB eine Stadthalle) angemietet.
783
Inwieweit ein Veranstalter unabhängig von der Haftungspflicht des Besitzers oder Eigentümers (zB Veranstaltungshalle) haftet, hat der Bundesgerichtshof im Kern dahingehend entschieden, dass dem Veranstalter primär die Verkehrssicherungspflicht für die gesamte Veranstaltung auferlegt wird, auch wenn es sich um eine Feier in der Öffentlichkeit handelt. Diese Haftung umfasst vor allem auch die Sicherung aller Besucher auf den Zu- und Abgängen.50 Eine Haftung nach §§ 836–838 BGB scheidet allerdings aus, da diese Bestimmungen nicht für Mieter gelten.51
784
In der Praxis wird die alleinige Haftung des Veranstalters von der öffentlichen Hand durch Satzung oder Mietvertrag eindeutig festgelegt.52 Eine Musterklausel lautet beispielsweise:
50 BGH v. 21.11.1989 – VI ZR 236/89, VersR 1990, 756. 51 Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 5, Rz. 81. 52 Siehe dazu Rz. 294 ff. und 634 ff.
294
II. Event und Haftungsrecht
Teil F
Beispiel Für Schäden, die der Stadt oder Dritten aus einer Sondernutzung entstehen, haftet der Erlaubnisnehmer/Veranstalter. Er hat die Stadt von Ersatzansprüchen Dritter freizustellen.
" Praxistipp: Allerdings dürfte der absolute Haftungstransfer im Hinblick auf
die neue MVStättVO nicht mehr so einfach gelingen. In § 38 MVStättVO sind die Pflichten der Betreiber, Veranstalter und Beauftragten geregelt.53 Zwar ist es gemäß Abs. 5 Satz 1 möglich, die Verpflichtungen des Locationbetreibers auf den Veranstalter zu übertragen, allerdings wird er dadurch nicht aus seiner Gesamtverantwortung für die Versammlungsstätte entlassen, § 38 Abs. 5 Satz 2 MVStättVO. Dies ist deswegen der Fall, weil der Betreiber im Unterschied zum Veranstalter seine Location wie seine Westentasche kennt und kurze Einweisungen des Veranstalters dessen mangelnde Ortskenntnis und die fehlende Vertrautheit mit den technischen Einrichtungen nicht ersetzen können.54
Werden bei einer Veranstaltung Tiere eingesetzt (zB Zirkustiere, Rennpferde, Wachhunde), kann sich eine Haftung des Veranstalters auch aus § 833 BGB oder § 834 BGB ergeben. Diese sog. Tierhalter- oder Tieraufseherhaftung besagt, dass der Tierhalter, nach § 834 BGB der Tieraufseher, für Personen- und Sachschäden haftet, die ein Tier verursacht. Schäden, die auf spezifischen Tiergefahren (zB Bellen, Anspringen, Beißen, Scheuen, Durchgehen, Entlaufen) beruhen.
785
Eine Haftung des Tierhalters ist nach § 833 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn – es sich um ein Haustier handelt, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient (hierzu gehören keine gezähmten Tiere oder Luxustiere) und – der Tierhalter beweisen kann, dass er bei Aufsicht des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat (Widerlegung der Verschuldensvermutung) oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre (Widerlegung der Ursächlichkeitsvermutung).
786
Beispiel: Der vor der Teilnahme an einer Schleppjagd erteilte Hinweis, die Teilnahme an der Veranstaltung erfolge für alle Reiter „auf eigene Gefahr“, schließt nach Auffassung des OLG Hamm Ansprüche gegen den Halter eines Pferdes nach § 833 BGB nicht aus.55 Solche Ansprüche hat der Verletzte jedoch dann nicht, wenn er bei einer Schleppjagd wesentliche Kernregeln zur Vermeidung der Irritation von Pferden selbst verletzt und dieses reiterliche Fehlverhalten das Ausschlagen eines Pferdes verursacht.
Eine Haftung des Tieraufsehers ist nach § 834 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn er die Vermutung seines Verschuldens oder die Ursächlichkeitsvermutung widerlegt, gleichgültig, ob es sich um ein Haustier handelt oder nicht.
53 Siehe zur neuen MVStättVO Anhang D. 54 Gerling, Kommentar zum MVStättV 2002, S. 56 f. 55 OLG Hamm v. 11.12.1998 – 9 U 170/98, OLGReport 1999, 123.
295
787
Teil F
Haftung und Versicherungen
Abb. 44: Vertragliche und deliktische Haftung Vertragliche Haftung
Deliktische Haftung
Grundlage: z.B. Zuschauer-/Konzertbesuchervertrag, Reisevertrag
Grundlage: § 823 Abs. 1 BGB Vor- oder Unfall, Verletzung, Beschädigung, § 823 Abs. 2 BGB Schutzgesetzverletzung §§ 833 ff. BGB Gefährdungshaftung
Verschuldensform: Vorsatz oder Fahrlässigkeit
Verschuldensform: Vorsatz oder Fahrlässigkeit
Haftung für Mitarbeiter: Über § 278 BGB
Haftung für Mitarbeiter: Über §§ 831, 31 BGB
Möglichkeit der Entschuldung: Nein
Möglichkeit der Entschuldung: Ja, § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB
Rechtsfolge: Schadensersatz, Schmerzensgeld
Rechtsfolge: Schadensersatz, Schmerzensgeld
3. Organhaftung und Event 788
Im Bereich von Sportveranstaltungen, und immer wenn eine juristische Person Veranstalter ist, spielt auch noch die Organhaftung eine wichtige Rolle, § 31 BGB. Diese Norm, die von der Gesetzessystematik im Vereinsrecht angesiedelt ist, gilt für alle juristischen Personen und ist auf die oHG und die KG entsprechend anzuwenden.56 Nach dieser Vorschrift ist der Verein „für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatze verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt“.
789
§ 31 BGB ist keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern setzt eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung voraus. Diese kann vorvertraglicher, vertraglicher oder deliktischer Natur sein.
4. Art und Umfang des Schadensersatzes 790
Art, Inhalt und Umfang des zu leistenden Schadensersatzes ergibt sich aus den §§ 249 ff. BGB. Diese Normen enthalten keine Anspruchsgrundlagen, sondern ergänzen die Schadensersatztatbestände auf Rechtsfolgenseite. Sie finden auf alle Arten von Schadensersatzansprüchen Anwendung, gleichgültig ob diese vorvertraglicher, vertraglicher oder deliktischer Natur sind.57 Gemäß § 249 Satz 1 BGB hat die zum Schadensersatz verpflichtete Person den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (sog. Naturalrestitution). Handelt es sich um Schadens56 RGZ 76, 48; BGH NJW 1952, 538; VersR 1962, 664. 57 Palandt/Heinrichs, § 254 BGB Rz. 2.
296
II. Event und Haftungsrecht
Teil F
ersatz für die Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, § 249 Satz 2 BGB. Nach § 253 Abs. 1 BGB können unter gewissen Umständen auch immaterielle Schäden ersatzfähig sein. Durch das zweite Schadensrechtsänderungsgesetz wurde zum 1.8.2002 mit § 253 Abs. 2 BGB ein allgemeiner Anspruch auf Schmerzensgeld in den Paragrafen aufgenommen, der neben der deliktischen Verschuldenshaftung auch für Vertrags- und Gefährdungshaftung Schmerzensgeldansprüche vorsieht, wenn der Schaden unter Berücksichtigung seiner Art und Dauer nicht unerheblich ist.
791
Besteht auf Seiten des Verletzten ein Mitverschulden, so muss er sich dieses gemäß § 254 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Ein Mitverschulden wird immer dann angenommen, wenn der Geschädigte diejenige Aufmerksamkeit und Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren.58
792
Beispiele So muss der Besucher einer schlecht ausgeleuchteten oder rutschigen Veranstaltungsstätte beispielsweise entsprechend vorsichtig gehen.59 Wer beim Verlassen eines Gebäudes in die Dunkelheit hinaustritt, sich dabei ohne seine Augen zu gewöhnen unvorsichtig vorwärts bewegt und noch Gegenstände auf seinen Armen trägt und so die Möglichkeit, sich beim Sturz abzustützen, einschränkt und darüber hinaus nicht dafür sorgt, dass Licht angeschaltet wird, handelt dermaßen sorgfaltswidrig, dass die Haftung eines Verkehrssicherungspflichtigen (Einschalten des Lichts) bei einem Sturz demgegenüber ganz zurücktritt.60 Bei einem Besucher einer Rennveranstaltung, der sich leichtfertig auf die Rennstrecke begibt, reduziert sich die Haftung des Veranstalters auf null.61 Derjenige, der beim Tontaubenschießen als Tool einer Incentive-Reise trotz entsprechender Hinweise des Projektleiters keinen Gehörschutz trägt, ist selbst schuld und kann den Veranstalter nicht in Anspruch nehmen. Ein stark alkoholisierter freier Fotograf, der aufgrund seiner Alkoholisierung im Rahmen einer Streetparade das Gleichgewicht verliert und von einem Showtruck stürzt, muss den Lohnausfall selber tragen und hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Auch der, der an einer ungesicherten Garderobe einen wertvollen Pelzmantel ablegt62 oder in der Künstlergarderobe wertvolle Gegenstände63 zurücklässt, hat sich den Verlust selber zuzuschreiben.64
58 RGZ 105, S. 119; BGHZ 3, 49; BGH v. 18.3.1953 – II ZR 182/52, BGHZ 9, 118 = NJW 1953, S. 824; Palandt/Heinrichs, § 254 BGB Rz. 12 ff. 59 Palandt/Heinrichs, § 254 BGB Rz. 25 ff.; siehe hierzu auch Rechtsprechung im Anhang A. 60 OLG Koblenz v. 16.6.1998 – 4 U 707/97, OLGReport 1998, 386. 61 OLG Koblenz, VRS 1983, 401. 62 BGH, VersR 1974, 141. 63 OLG Karlsruhe v. 16.5.1990 – 1 U 307/89, NJW-RR 1991, 1245. 64 Siehe hierzu auch Rz. 333a ff.
297
Teil F
Haftung und Versicherungen
Gegenüber einer etwaigen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters einer Ausstellung, der durch einen anderen Unternehmer Zelte als Ausstellungsräume aufstellen lässt, wiegt das Verschulden eines Schaulustigen, der trotz der unübersehbaren Gefährlichkeit der Aufbauarbeiten zwischen diesen spazieren geht, so schwer, dass ein Schadensersatzanspruch ganz entfällt.65
793
Der Geschädigte hat darüber hinaus eine sog. Schadensabwendungs- und -minderungspflicht. Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB darf der Geschädigte es nicht unterlassen, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen oder den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Von dieser Pflicht sind all die Maßnahmen umfasst, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Minderung ergreifen würde66 (zB Aufsuchen eines Arztes bei nicht ganz geringen Körperverletzungen67).
5. Haftungsrechtliche Freizeichnungsklauseln 794
Der Veranstalter eines Events kann seine Haftung durch entsprechende vertragliche Vereinbarung oder Klauseln in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam beschränken.68 Diese Vereinbarung kann vor oder nach dem schädigenden Ereignis getroffen werden.
795
Allerdings sind Schilder wie „Eltern haften für ihre Kinder“ und „Für selbst verursachte Unfälle wird keine Haftung übernommen“ rechtlich irrelevant und finden keine Stütze im Gesetz.
796
Die Haftung für vorsätzliches Verhalten kann sowohl im vertraglichen als auch im deliktischen Bereich auf keinen Fall im Voraus ausgeschlossen werden, vgl. § 276 Abs. 3 BGB. Auch vertragliche Haftungsmilderungen sind nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen. Beispiel Der bloße Aufdruck einer Haftungsbeschränkung auf der Eintrittskarte zu einer Veranstaltung entbindet den Veranstalter idR bei der Verletzung grundlegender Verkehrssicherungspflichten nicht von seiner Haftung, da eine stillschweigende Einwilligung der Besucher zu einer derartigen Haftungsbeschränkung nicht unterstellt werden kann.69 Außerdem ist bei Aushändigung der Eintrittskarte der Vertrag bereits geschlossen, so dass eine derartige als AGB einzustufende Haftungsbeschränkung im Nachhinein nicht mehr wirksam vereinbart werden kann.
797
Bei der Haftung für das Verhalten eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters gibt es keine Freizeichnungsmöglichkeit. Handelt lediglich ein Erfüllungsgehilfe, kann eine vollständige Freizeichnung auf vertraglicher Ebene erfolgen. Der 65 OLG Düsseldorf v. 6.11.1998 – 22 U 95/98, OLGReport 1999, 375. 66 BGH v. 7.6.1991 – III ZR 181/50, NJW 1951, S. 797 = BGHZ 2, S. 276; Palandt/Heinrichs, § 254 BGB Rz. 36. 67 RGZ 72, S. 219; BGH, VersR 1964, 94. 68 Zu den AGB siehe auch Rz. 187 ff. 69 BGH v. 29.11.1983 – VI ZR 137/82, NJW 1984, 801; LG Trier v. 29.10.1992 – 3 S 191/92, NJW 1993, 1474.
298
II. Event und Haftungsrecht
Teil F
Erfüllungsgehilfe kann aber im Einzelfall wegen unerlaubter Handlung zur Verantwortung gezogen werden. Beim Verrichtungsgehilfen kann der Geschäftsherr den sog. Entlastungsbeweis gemäß § 831 Abs. 1 BGB führen. Dh. er muss nachweisen, dass er bei der Auswahl des Verrichtungsgehilfen die erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat. Die Haftung des Verrichtungsgehilfen selbst bleibt jedoch unberührt. Der Haftungsausschluss des AGB-Verwenders wegen Vorsatz und Fahrlässigkeit in Bezug auf deliktische und vertragliche Ansprüche durch entsprechende AGB-Klauseln ist unwirksam, vgl. § 309 Nr. 7b) BGB. Zusätzlich kann die Haftung wegen leichter Fahrlässigkeit für solche Vertragspflichten nicht ausgeschlossen werden, deren Verletzung in typischer Weise eine Gefährdung von Leben und Gesundheit des Teilnehmers herbeiführen kann, § 309 Nr. 7a) BGB.70 Dies ergibt sich auch aus der Generalklausel, § 307 BGB, welche eine Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben verbietet. Dieser Grundsatz gilt in gleicher Weise für die Haftungsfreistellung des Erfüllungsgehilfen.
798
Zusätzlich kann die Haftung wegen leichter Fahrlässigkeit für solche Vertragspflichten nicht ausgeschlossen werden, deren Verletzung in typischer Weise eine Gefährdung von Leben und Gesundheit des Teilnehmers herbeiführen kann. Dies ergibt sich aus der Generalklausel, § 307 BGB, welche eine Benachteiligung entgegen dem Gebot von Treu und Glauben verbietet.71 Dieser Grundsatz gilt in gleicher Weise für die Haftungsfreistellung des Erfüllungsgehilfen.
799
Beispiel Eine Konzertveranstalterin verwendete beim Abschluss von Zuschauerverträgen mit Konzertbesuchern folgende Klauseln: (1) Bei Konzerten kann aufgrund der Lautstärke die Gefahr von möglichen Hör- und Gesundheitsschäden bestehen, für die der Veranstalter keinerlei Haftung übernimmt. (2) Der Tourneeveranstalter behält sich das Recht vor, den Konzerttermin zu verlegen. In diesem Falle hat der Kartenkäufer keinen Rückerstattungsanspruch auf den Kaufpreis. (3) Zurücknahme der Eintrittskarten erfolgt ausschließlich bei genereller Absage der Veranstaltung bis zu 2 Wochen nach dem Konzerttermin. Das Landgericht München I beurteilte die drei Klauseln als unzulässig.72 Die „Lautstärkeklausel“ verstoße gegen § 11 Nr. 7 AGBG (jetzt § 309 Nr. 7 BGB), da ein Konzertveranstalter grds. die vertragliche Nebenpflicht trage, Vorkehrungen zu treffen, dass eine Gesundheitsbeschädigung der Konzertbesucher verhindert wird. Die Unzulässigkeit der zweiten Klausel wurde vom Veranstalter noch vor Urteilsspruch anerkannt, weil die Verlegung des Konzerttermins im Verantwortungsbereich des Veranstalters liegt. Auch die dritte AGBKlausel wurde vom Gericht für unzulässig erachtet. Sie verstoße gegen § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 BGB), weil der Veranstalter nicht darlegen konnte, warum eine Rücknahme der Karten nur bis 2 Wochen nach dem Veranstaltungstermin zumutbar sein sollte.
70 Schumacher, Materielle Neuregelungen im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, MDR 2002, 973 (978 ff.). 71 Siehe zu den AGB auch Rz. 187 ff. 72 LG München I v. 7.2.1991 – 7 O 16 538/90, NJW 1991, 1491.
299
Teil F
Haftung und Versicherungen
Auch sei der Begriff „generelle Absage der Veranstaltung“ unklar gefasst, so dass diese Unklarheit nach § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) zu Lasten des Verwenders geht. Beispiel Auch eine Klausel in den Ausschreibungs-Bedingungen eines Auto-Clubs für einen Fahrerlehrgang, in der der Veranstalter keinerlei Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden übernimmt und die Teilnehmer (Fahrer, Helfer) unter Ausschluss des Rechtsweges für jeden im Zusammenhang mit der Veranstaltung erlittenen Unfall oder Schaden auf jedes Recht des Vorgehens oder Rückgriffs u.a. gegen den Veranstalter sowie gegen Fahrer und Halter von Fahrzeugen, die an der Veranstaltung teilnehmen, verzichten, wurde als unwirksam erachtet. Solche Haftungsfreistellungsklauseln seien auch in den Fällen unwirksam, in denen es um die Haftung aus deliktischen Ansprüchen geht, die nicht mit vertraglichen Schadensersatzansprüchen konkurrieren.73
800
Allerdings ist der Haftungsverzicht des Teilnehmers an einem Motorradrennen zulässig und wirksam, wenn er sich auf Ersatz von Schäden erstreckt, soweit diese nicht auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Veranstalters beruhen.74
801
Formularmäßige Haftungsfreizeichnungen dürften nach neuem Recht in folgendem Rahmen zulässig sein: – Begrenzung der Schadensersatzhaftung bei der Verletzung wesentlicher Pflichten für den Fall leichter Fahrlässigkeit des AGB-Verwenders, seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen durch Begrenzung (nicht Ausschluss) des Schadensersatzes etwa durch Festlegung einer Haftungshöchstsumme oder durch Ausgrenzung vertragsuntypischer nicht vorhersehbarer Schäden, mit Ausnahme von Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit; – Ausschluss der Schadensersatzhaftung bei der Verletzung von Nebenpflichten für den Fall leichter Fahrlässigkeit mit Ausnahme von Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit; – Ausschluss oder Beschränkung von Rücktrittsrechten bei nicht zu vertretenen Pflichtverletzungen, die nicht in der Lieferung mangelhafter neu hergestellter Sachen oder Herstellung eines mangelhaften Werkes bestehen. Checkliste: Haftungsausschlusserklärung fi Schriftform, Unterschrift, Unterzeichner volljährig fi Haftungserklärung bezieht sich auf typische mit dem Event verbundene Risiken (zB Deko-Unfall beim Tauchen, Unfall beim Autorennen, Schwimmfähigkeit bei Wassersport). fi Faustformel: Wenn sich dasselbe Risiko verwirklicht, welches bei privater Durchführung des Events durch den Geschädigten aufgetreten wäre und der Veranstalter kein zusätzliches Wissen nutzen (zB Wettervorhersage etc.) oder keine zumutbaren Maßnahmen ergreifen musste (zB Schutzabsperrungen etc.), ist der Haftungsausschluss wirksam. 73 OLG Karlsruhe v. 23.8.1989 – 1 U 353/88, NJW-RR 1989, 1333 (1334). 74 OLG Saarbrücken v. 2.2.1990 – 3 U 144/88, DAR 1991, 102 f.
300
II. Event und Haftungsrecht
Teil F
fi Maßstab ist einerseits die Vorhersehbarkeit des Schadens für den Veranstalter und andererseits die Ergreifung von für den Veranstalter zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung eines solchen.
6. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Neben den obengenannten zivilrechtlichen Haftungstatbeständen, kann die schuldhafte Verletzung seiner Verkehrssicherungspflichten für den Veranstalter oder die von diesem beauftragten Personen auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Dem Veranstalter obliegt eine Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf die Gefahren, die von seiner Veranstaltung ausgehen.75 Diese Verkehrssicherungspflicht beinhaltet eine Pflicht zum Handeln zur Gefahrenabwehr auf Grund der selbst gesetzten Gefahr und der für die Gefahrenquelle übernommen Verantwortung. Diese Verantwortung trifft nicht nur den Veranstalter selbst, sondern auch die einzelne Person, die die Erfüllung der mit der Verkehrssicherungspflicht zusammenhängenden Aufgaben übernimmt. Beispiel Bei den deutschen Meisterschaften im Mountainbike-Downhill auf einer Mountainbikestrecke in Todtnau kam es während der Wettrennen zu einem tödlichen Unfall. An einer Steilstrecke stürzte einer der Teilnehmer, sein Fahrrad wurde durch die Luft geschleudert und traf einen 31-jährigen Zuschauer am Kopf. Dieser zog sich ein schweres Schädelhirntrauma zu und starb. Das Landgericht Waldshut-Tiengen befand den Vorsitzenden des Wettkampfausschusses, der dafür zuständig war, dass die Rennstrecke den Wettkampfregeln des Verbandes entsprach und den Kurs abnehmen sollte, der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen gemäß §§ 222, 13 StGB schuldig.76 Nach Auffassung des Gerichts hätte die Tötung des Zuschauers vermieden werden können, wenn der für die Sicherheit verantwortliche Angeklagte den gefährdeten Bereich durch entsprechende Absperrungsbänder für Zuschauer gesperrt hätte. Beispiel Am 6.7.2001 war in Straßburg ein 70 Tonnen schwerer Baum während eines Sturms auf die Zuschauer eines Freiluft-Konzertes gefallen. 13 Menschen kamen dabei ums Leben, mehr als 100 wurden verletzt, einige erlitten Querschnittslähmungen und andere dauerhafte Körperschäden. Offenbar hat der Veranstalter des Konzertes dieses trotz Unwetterwarnung und des offensichtlich aufziehenden Gewitters durchführen wollen. Vor Ort sprachen die Einwohner von grober Fahrlässigkeit. Erst als das Unwetter begann und bereits Sturmböen durch den Park fegten, wurde die Veranstaltung abgebrochen. Die Zuschauer flüchteten unter ein Schutzzelt vor der Bühne, es sollen sich dramatische Szenen abgespielt haben. Die Stadt Straßburg musste sich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht verantworten. Damals hatte die Stadt die im Vorfeld aufkommenden Unwetterwarnungen nicht ernst genommen. Zudem war die beim Unwetter entwurzelte und umgestürzte 40 Meter hohe Platane angeblich bereits im Dezember 1999 bei dem Orkan „Lothar“ schwer beschädigt worden.
75 BGH v. 26.11.1974 – VI ZR 164/73, NJW 1975, 533. 76 LG Waldshut-Tiengen v. 12.9.2000 – NS 22 Js 6046/98, NJW 2002, 153.
301
802
Teil F
Haftung und Versicherungen
Beispiel Bei einem Unfall im Vergnügungspark Kernwasser Wunderland bei Kalkar erlitt ein 14-Jähriger im Jahr 2006 zahlreiche Knochenbrüche. Er war in ein viereinhalb Meter tiefes Bodenloch im ehemaligen Brüter gestürzt. Er hatte sich verstecken wollen und sich über die unbeleuchtete Absperrung des Lochs geschwungen. Das Amtsgericht hat befunden, dass eine Kiste vor schwarzen Wänden in einer dunklen Nische als Absperrung vor dem gefährlichen, tiefen Loch nicht ausreichte. Ein Warnschild, das den Jugendlichen vor dem Unglück hätte bewahren können, gab es nicht. Die damals noch nicht genehmigte Baustelle war bei der Errichtung des Brüter Museums im Kernwasser Wunderland entstanden. Das zuständige Amtsgericht stellte fest, dass die Bauvorschriften zwar eingehalten worden seien, die Absperrung habe zur Verkehrssicherung aber nicht ausgereicht, zumal häufig Kinder das Wunderland besuchten, so die Urteilsbegründung. Der 14-Jährige wurde mehrfach operiert. Seine sportlichen Betätigungen musste er einschränken, Spätfolgen an der Wirbelsäule sind nicht ausgeschlossen. Das Amtsgericht hatte den Geschäftsführer des Freizeitparks im März 2008 wegen fahrlässiger Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 5 400,00 Euro verurteilt. Im Juni 2008 wollte der Angeklagte vor dem Landgericht Kleve in die Berufung gehen, zog seinen Antrag aber kurzfristig zurück. Somit ist das Urteil vom März rechtskräftig. Zivilrechtlich wurde das Kernwasser Wunderland schon zur Zahlung von Schmerzensgeld an den Jungen verurteilt. Dieses Verfahren liegt inzwischen beim OLG Düsseldorf, da man sich über die Höhe der Mitschuld des Jugendlichen an dem Unglück nicht einig ist. Beispiel Bei einem Extrem-Berglauf auf der Zugspitze mit mehreren hundert Läufern kam es am 13. Juli 2008 zu zwei Todesfällen. Gestartet wurde im österreichischen Ehrwald, die Distanz der Laufstrecke betrug 16,1 km bei rund 2 000 Metern Höhenunterschied. Ein 41-jähriger und ein 45-jähriger Sportler starben nach einem Wettersturz an Unterkühlung und Erschöpfung. Sie brachen rund 150–250 Höhenmeter unter dem Gipfel des 2 962 Meter hohen Berges zusammen. Weitere 6 Teilnehmer kamen nach dem Rennen unterkühlt und völlig erschöpft ins Krankenhaus. Das Rennen wurde gegen 9.00 Uhr morgens bei Regen gestartet. Bei zunehmender Höhe gingen die Niederschläge allmählich in Schnee über. Hinzu kam ein eisiger Wind. Streckenweise liefen die Teilnehmer in kurzen Hosen und T-Shirts durch 10 Zentimeter Neuschnee. Von mehreren Hütten wurden Bayrisches Rotes Kreuz und Bergwacht alarmiert, 94 Helfer und zwei Hubschrauber waren im Einsatz. Zahlreiche Läufer mussten reanimiert werden. Aus Sicht der Sicherheitskräfte hätte das Rennen unter diesem Wetterbedingungen bereits im Vorfeld abgesagt werden müssen. Die Veranstalter hatten im Vorfeld kommuniziert, sie würden bei der Knorrhütte bei Meter 2 051 ein Schild aufhängen, wenn man abbrechen müsste, geschehen ist dies aber nicht. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung auf.
III. Event und Versicherung Beispiel Nach Auskunft des Versicherungsunternehmens Albingia und dessen weltweiten Partnern war die Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich derzeit das höchst versicherte Sportereignis aller Zeiten. Die Versicherungssumme iH von 640 Millionen Mark (ca. 327 Mio. Euro) deckte den Ausfall sowie die zeitliche und örtliche Verlegung der kompletten Veranstaltung oder einzelner Spiele. Der Ausfall der Fernseh-Übertragung durch Leitungs- oder Satellitenstörung war mit 50 Millionen Mark (ca. 25,5 Mio. Euro) versichert. Der Weltfußballverband FIFA hat zur Abwicklung seiner Geschäfte eine Aktiengesellschaft gegründet. Für die WM 2002 in Japan und Korea wurden von der FIFA Versicherun-
302
III. Event und Versicherung
Teil F
gen im Gesamtwert von 1,5 Milliarden DM (ca. 767 Mio. Euro) abgeschlossen, da Erdbeben und Vulkanausbrüche in dieser Region nicht ausgeschlossen werden können. Bei Komplettausfall der WM betrug die Gesamtversicherungssumme sogar 2,5 Milliarden DM (ca. 1,28 Milliarden Euro). Nach den tragischen Ereignissen des 11.9.2001 (Zerstörung des World Trade Center in New York und Beschädigung des Pentagon in Washington durch Luftfahrtterrorismus) wurde die Ausfallversicherung für die Fußball-WM durch den bisherigen Versicherer AXA Colonia Sports & Entertainment GmbH (Aufkäufer der Albingia) aufgekündigt. Der Versicherungssprecher sagte, die Anschläge hätten die Gefahrenlage verändert. In derartigen Fällen kann der Konsortialführer, in diesem Falle AXA, den Ausstieg für alle Versicherer erklären. Der Abschluss einer neuen Versicherung gestaltete sich problematisch. Später wurde glücklicherweise eine neue Versicherungsgemeinschaft gefunden und Deutschland Vize-Weltmeister. Bei der Fußball-WM 2006 war die Hamburg-Mannheimer und deren Mutter Ergo verantwortliche Versicherer in Bezug auf 95 % der Risiken. Im Falle einer Absage der Weltmeisterschaft hätte das deutsche Organisationskomitee (OK) 158 Millionen Euro von den Versicherern erhalten. Ein ersatzloser Ausfall einer derartigen Veranstaltung wurde von den Versicherern allerdings als unwahrscheinlich eingestuft. Realistischer ist die Verschiebung um einen Monat oder eine Verlegung ins nächste Jahr. Die Deckungssumme der Haftpflichtversicherung für die WM betrug für das OK 140 Mio. Euro und für die FIFA weitere 35 Mio. Euro. Diese deckt Personen- und Sachschäden in den Stadien im Falle von Ausschreitungen, Unfällen und Vandalismus ab. Auch die Verletzung eines Topspielers beim Sturz über ein Kabel wäre hinsichtlich eines Verdienstausfalls versichert gewesen. Verletzungen durch grobe Fouls auf dem Platz wurden nicht vom OK versichert, hier muss jeder nationale Fußballverband seine Spieler entsprechend versichern. Eventuelle Randale von Hooligans außerhalb der Stadien war nicht versichert. Mit der Eintrittskarte erwarben die 3,2 Mio. Fans eine Unfallpolice, die im Todesfall 10 000 Euro und bei Invalidität 70 000 Euro zahlt. Außerdem enthielt die Eintrittskarte eine Rechtsschutzpolice, um etwa gegen Hooligans bei einer eigenen Schädigung ohne Prozessrisiko klagen zu können. Ein Diebstahl oder eine Beschädigung des WM-Pokals war mit 350 000 Euro versichert, obwohl der reine Goldmaterialwert nur 50 000 Euro beträgt. Es ist jedoch auch bei einer Fußball-WM nicht alles versichert, eine Versicherungspolice für die milliardenschweren Prämien, welche TV-Sender für die Übertragungsrechte bezahlen müssen, fehlt. Im Terrorfall hätte ebenfalls keine Versicherung gezahlt.
Der Veranstalter sieht sich heute zunehmend wachsenden Risikopotentialen gegenüber. Insbesondere der Bereich der Veranstaltungstechnik wird im multimedialen Zeitalter zunehmend komplizierter. Der Ausfall (zB aufgrund einer Bombendrohung) einer nicht gegen Ausfall versicherten Veranstaltung kann für den Veranstalter den Ruin bedeuten, wenn nicht nur die Einnahmen ausbleiben, sondern darüber hinaus schon erhebliche Kosten für Saalmiete, engagierte Künstler, Equipment, Catering etc. entstanden sind.
803
Als Unternehmer ist der Veranstalter bestrebt, die bestehenden Risiken einzuschränken und die Veranstaltung gegen Schäden zu versichern. Eine Risikobegrenzung lässt sich durch das sog. Risk Management und den Abschluss von entsprechenden Versicherungen erreichen.
804
303
Teil F
Haftung und Versicherungen
1. Risk-Management 805
Um sowohl eine Über- als auch eine Unterversicherung zu vermeiden, ist es sinnvoll, ein entsprechendes Risk-Management zu betreiben.
806
Die primären Ziele des Risk-Managements sind: 1. Sicherung der Existenz des Unternehmens, 2. Sicherung des zukünftigen Unternehmenserfolgs, 3. Senkung der Risikokosten.
807
Die Risikokosten umfassen die selbst zu tragenden Schadenskosten, die Kosten für Versicherungsprämien, die Kosten für die Schadensverhütung und die Verwaltungskosten. Abb. 45: Entwicklung der Risikokosten77
Nicht versicherte Schäden
Programme zur Risikoverminderung
Nicht versicherte Schäden
Versicherungsprämien
Versicherungsprogramme
Versicherungsprämien
Schadenverhütung
Finanzierungsprogramme
Schadenverhütung
Verwaltung
808
Risk Management
Verwaltung
In der obigen Abbildung wird verdeutlicht, wie durch Erhöhung des Kostenanteils für die Schadenverhütung eine starke Verringerung der Risikokosten erreicht wird. Verstärkte Sicherungsmaßnahmen sorgen für einen verbesserten Schadenverlauf, der wiederum die Last der selbst zu tragenden Schäden verringert und die Position des Veranstalters für die Aushandlung günstigerer Versicherungsprämien stärkt. Beispiel Im Zusammenhang mit der Fußball WM 2006 in Deutschland haben DFB und Polizei im Vorfeld durch vertragliche Bestimmungen im Besuchervertrag sowie öffentlich-rechtliche Polizeiverordnungen und Satzungen normative Vorkehrungen für die Sicherheit in den Stadien getroffen und damit Hooliganaktivitäten erfolgreich unterbunden. Zum Maßnahmenkatalog gehörten neben Stadionverboten auch Gefährderansprachen, Meldeauflagen, Aufenthaltsverbote und Präventivgewahrsam.78 77 Quelle: Hoffmann, Risk Management – neue Wege der betrieblichen Risikopolitik, Karlsruhe 1985. 78 Breucker, Sicherheitsmaßnahmen für die Fußballweltmeisterschaft 2006, NJW 2006, 1233 ff.
304
Teil F
III. Event und Versicherung Abb. 46: Stufen des Risk-Managements79
Risikoanalyse Erkennen der Risiken (Wo liegen die Risikoauslösungsfaktoren? Welche Ereignisse können eintreten?) Bewerten der Risiken
1. Stufe
Abwägen der Handlungsmöglichkeiten RisikoControlling – Vermeiden – Vermindern – Begrenzen
Festlegen des Risk ManagementMix
Durchführung und Kontrolle
3. Stufe
4. Stufe
RisikoFinanzierung – Selbsttragen – Versichern
2. Stufe
Für ein gutes Risk-Management ist zunächst eine Risikoanalyse durchzuführen.80 Der Veranstalter sollte im Rahmen seiner Risikoanalyse die folgenden Arbeitsschritte durchgehen:81 1. Bildung von Risikobereichen bzw. Ablaufphasen der Leistungserfüllung, 2. Besichtigung der Veranstaltungsörtlichkeit, 3. Auswertung interner und externer Informationsquellen, 4. Schadensanalyse, 5. Analyse der Maßnahmen zur Risikokontrolle, 6. Interviews, Checklisten.
79 Quelle: Kühlmann, Erfolgreiches Risikomanagement in der Tagungs-, Kongress- und Messewirtschaft, 1996, S. 10. 80 Funke in Unverzagt/Röckrath, Kultur & Recht, H 2 Ziffer 2. 81 In Anlehnung an Kühlmann, Erfolgreiches Risikomanagement in der Tagungs-, Kongress- und Messewirtschaft, Karlsruhe 1996, S. 11.
305
809
Teil F
Haftung und Versicherungen
Abb. 47: Schadensquellen
Nichterscheinen von Personen Wetterrisiko Nichtverfügbarkeit einer Veranstaltungsstätte
Sabotage, Demonstrationen
Schadensquellen
Nichtanlieferung von Equipment Behördliche Verfügungen
Ethische Bedenken
810
Wenn man die möglichen Schadensquellen zusammengestellt hat, bewertet man die Risiken nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit In der Praxis beschränkt man sich dabei einerseits auf die mögliche Schadenshöhe als Bewertungsmaßstab und andererseits auf die Schadenswahrscheinlichkeit nach der Risikoklassifikation: sehr hoch, hoch, mittel, niedrig, sehr niedrig.
811
Ein Teilbereich des Risk-Managements ist das sog. Risiko-Controlling. Die drei Stufen des Risiko-Controllings sind: 1. Vermeiden von Risiken, 2. Vermindern von Risiken, 3. Begrenzen von Risiken.
812
Die erste Stufe stellt den Idealfall dar, ist allerdings in Bezug auf mittlere und größere Veranstaltungen nur in geringem Umfang realisierbar und mit hohen Kosten verbunden. Hier muss für den Fall, dass der engagierte Star wegen Krankheit o.Ä. ausfällt, ein gleichwertiger Ersatzkünstler verpflichtet werden.
813
Das Vermindern von Risiken kann durch schadensverhütende und schadensvermindernde Maßnahmen erreicht werden. Die Schadensverhütung verringert da306
III. Event und Versicherung
Teil F
bei die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, während die Schadensverminderung die Höhe eines entstehenden Schadens beeinflusst. Klassisches Mittel zur Schadensverminderung ist der Einsatz von Sprinkleranlagen in Veranstaltungsstätten. Allerdings kann eine solche Maßnahme, die originär zur Schadensverminderung gedacht war, selbst einen großen Schaden verursachen. Beispiel So ereignete sich zur weltweit größten Druck- und Papiermesse DRUPA in Düsseldorf der Fall, dass ein großer Aussteller, der eine gesamte Messehalle angemietet hatte, am Vorabend der Messeeröffnung mit dem Aufbau einer riesigen elektronischen Farbdruckmaschine fertig geworden war und aus später nicht mehr zu klärenden Umständen die Sprinkleranlage der Halle aktiviert wurde, was einen Schaden iH von ca. 500 000 Euro verursachte. Weil die Druckmaschine über Nacht nicht mehr repariert werden konnte und die Messe in der Branche einen überragenden Stellenwert hat, wurde noch am selben Tag aus dem Stammhaus eine neue Maschine angeliefert. Mit hohem Aufwand an Manpower und Geld wurde die beschädigte Maschine entfernt, der aufgequollene Parkettboden ausgebessert und die neue Maschine aufgebaut, um die Schäden über Nacht zu beseitigen. Über die Verantwortung für die erheblichen Schäden wurde zwischen der Messegesellschaft und dem Aussteller gestritten.
Die deutschen Musical-Häuser verringern das Risiko eines krankheitsbedingten Veranstaltungsausfalls bzw. den Nichtauftritt von Teilen der Starbesetzung, indem bei jeder Vorstellung immer Ersatzkräfte bereitgehalten werden (sog. Backup). Dies senkt einerseits die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes und gewährleistet andererseits einen höheren Sicherheitsgrad in Bezug auf die Leistungserfüllung gegenüber den Zuschauern.
814
Die letzte Stufe begrenzt die Risiken durch Risikostreuung und Risikoüberwälzung auf andere Wirtschaftspartner. Im Rahmen der Risikostreuung können beispielsweise zwei räumlich voneinander getrennte Veranstaltungsorte angemietet werden, um bei Eintritt eines Schadensfalles auf die andere Lokalität zurückgreifen zu können.
815
Allerdings wird in der Praxis kaum ein Veranstalter eine derartige Möglichkeit wegen der hohen Kosten in Erwägung ziehen. Interessanter ist die Möglichkeit der Risikoüberwälzung durch Haftungsfreizeichnung u. Ä. Allerdings setzt eine Risikoüberwälzung immer eine gute Verhandlungsposition voraus. So wird beispielsweise die Stadt als Vermieter einer Mehrzweckhalle kaum damit einverstanden sein, die Verantwortung für gewisse Risiken der Veranstaltung zu übernehmen. Andererseits kann sich ein Messeveranstalter von allen Schadensersatzansprüchen der einzelnen Aussteller befreien lassen, die diese durch den Abschluss eines – vom Messeveranstalter empfohlenen – Versicherungsvertrages hätten abdecken können.
816
Für die Bereiche in denen das Risiko-Controlling keine entsprechende Lösung bietet, greift die Risiko-Finanzierung ein. Die zwei Alternativen der Risiko-Finanzierung sind: 1. Selbsttragen und 2. Versichern.
817
307
Teil F
Haftung und Versicherungen
Abb. 48: Versicherung von Risiken82
Großrisiko
Keine Alternative zur Versicherung (Existenzbedrohung)
Abwägen nach Rentabilitätsbetrachtung
Mittleres Risiko
Nicht versichern, da Risikotransfer zu teuer
Kleinrisiko
Anzahl der Schäden
818
Die Versicherung von Kleinrisiken ist idR nicht lukrativ, da zwar die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts relativ groß ist, aber wegen des geringen Schadensvolumens eine Nichtversicherung der wirtschaftlichere Weg ist.
819
Bei den mittleren Risiken muss der Veranstalter oder die Eventagentur abwägen, ob die Selbsttragung oder die Versicherung die kostengünstigere Alternative darstellt. Hierbei spielt der Risikoausgleich in der Zeit eine wichtige Rolle. Dieser ergibt sich oft erst nach mehreren Jahren. Mehrere mittlere Schadenseintritte innerhalb eines Jahres können die Existenz des Veranstalters gefährden. Die Entscheidung über Versicherung oder Nichtversicherung muss jeder Veranstalter unter Berücksichtigung seiner individuellen Voraussetzungen für sich selber treffen, ein Allgemeinrezept gibt es für den Bereich der mittleren Risiken nicht.
820
Für Großrisiken muss der Veranstalter den sog. Probable Maximum Loss (PML), also den Höchstschaden ermitteln. Wenn der PML über der individuellen Schadensgrenze liegt, welche der Veranstalter gerade noch tragen kann, gibt es keine Alternative zur Versicherung.
82 Quelle: Hoffmann, Risk Management – neue Wege der betrieblichen Risikopolitik, 1985.
308
III. Event und Versicherung
Teil F
Checkliste: Sicherungsmaßnahmen bei Events fi Kontrolle der Location einschließlich Ein- und Ausgänge/Nahbereich der Umgebung/Parkplätze fi Gewährleistung eines trockenen, rutschsicheren Untergrundes im Besucherbereich fi Gewährleistung ausreichender Beleuchtung fi Gewährleistung von Fluchtwegen und Notausgängen fi Vorausschauende Organisation (zB Trennung von Fanblöcken) fi Ausreichende Anzahl an Polizisten, Ordnern, Feuerwehrleuten, Sanitätern, Notärzten etc. fi Hinreichende Veranstaltungsabsicherung (zB Wellenbrecher, Plexiglaswände, Absperrungen, Abstandszonen) fi Untersuchung der Besucher nach Waffen und Wurfgegenständen (nur bei Risikoveranstaltungen)
2. Allgemeines Versicherungsrecht Gesetzliche Grundlage für den Versicherungsvertrag ist das Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Dieses Gesetz enthält Bestimmungen über Art und Form des Versicherungsvertrages sowie die Rechte und Pflichten, die aus ihm abgeleitet werden können.
821
Der Abschluss der verschiedenen Versicherungen für ein Event ist kompliziert und bedarf eingehender Berechnung und Kalkulation (teilweise unter Einschaltung von Gutachtern). Somit spielt die Vorabversicherung eine wichtige Rolle.
822
Diese wird von den Versicherern Deckungszusage genannt und enthält die Aussage, dass nur das grob umrissene Risiko angegeben wird, für welches sich der Versicherer im Schadensfall zur Schadensregulierung verpflichtet. In diesem Vorstadium des eigentlichen Versicherungsvertrages kann keine Über- oder Unterversicherung erfolgen, da die endgültige Bewertung und Prämienfestlegung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.
823
Der Versicherungsvertrag besteht aus einem Versicherungsantrag und einer Versicherungspolice. Der vom Versicherungsnehmer gestellte Antrag führt die zu versichernden Risiken auf. Bei einer Veranstaltung hilft für die Erfassung der einzelnen Versicherungssegmente oft ein sog. Risikoerfassungsbogen (vgl. Abb. 49 in Rz. 837). In der Police wird die Versicherung erteilt und der Versicherungsvertrag kommt zustande.
824
Der Versicherungsvertrag kommt aufgrund der Angaben des Versicherungsnehmers zustande. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben können dazu führen, dass der Versicherungsschutz teilweise oder vollständig versagt wird.
825
309
Teil F
Haftung und Versicherungen
Beispiel I. Wendt plant eine Großveranstaltung in einer angemieteten Stadthalle. Die verpflichtete Band möchte zwingend Innenpyrotechnik einsetzen. I. Wendt weiß von einer seiner letzten Konzertorganisation, dass die Angabe von Innenpyrotechnik die Versicherungspolice deutlich teurer gemacht hat. Er verschweigt daher im Risikoerfassungsbogen der Versicherung dieses Risiko und hofft, dass schon nichts passieren wird. Tatsächlich läuft der Einsatz der Pyrotechnik einwandfrei ab, es kommt jedoch in einem anderen Bereich zum Schadensfall. I. Wendt meldet den Schaden der Veranstalterhaftpflichtversicherung. Diese erfährt bei ihrer Schadensrecherche, dass Pyrotechnik eingesetzt wurde. Auch wenn diese mit dem eigentlichen Schadensereignis nichts zu tun hatte, berechtigt die Falschangabe von I. Wendt in Bezug auf das Vorhandensein von Pyrotechnik in der Halle den Versicherer zur Anfechtung des Versicherungsvertrages aufgrund von arglistiger Täuschung (§ 123 BGB). Damit ist der gesamte Versicherungsvertrag von vornherein ungültig. I. Wendt bleibt auf dem Schaden sitzen.
Im Falle des Schadenseintrittes prüft daher die Versicherung zunächst, ob das Risiko voll abgedeckt war und somit die gesamten Erstattungsansprüche erfüllt werden können. Daher ist es wichtig, dass die Angaben im Risikoerfassungsbogen vollständig und präzise sind. 826
Auch bei korrekter Ermittlung der Versicherungssumme bei Stellung des Antrages kann im Zeitpunkt des Schadensfalles eine Unterversicherung eingetreten sein. Ursache dafür können beispielsweise der seit Vertragsschluss gestiegene Wiederbeschaffungswert von Equipment oder inzwischen getätigte Neuanschaffungen sein. Der Veranstalter sollte daher bei sich periodisch wiederholenden Veranstaltungen jährlich die Versicherungssumme an die Kostenentwicklung anpassen.
827
Um welch hohe Summen es bei Ausfall einer Veranstaltung gehen kann, verdeutlicht nachstehender Praxisfall. Beispiel Gegenstand einer Entscheidung des OLG Celle war die Klage eines Verbraucherverbandes gegen einen regionalen Veranstalter von musikalischen Großveranstaltungen wegen der Verwendung bestimmter AGB-Klauseln. Die Klausel Nr. 10 der Beklagten-AGB beschränkte den Rückerstattungsanspruch der Konzertbesucher auf den Eintrittspreis. Vorverkaufsgebühren und Nahverkehrsabgaben waren danach von der Rückerstattung ausgeschlossen. Das für den Streitwert maßgebliche Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der AGB der Beklagten wurde vom Gericht in seiner Entscheidung mit 1,7 Millionen DM (ca. 870 000 Euro) bewertet.83
828
Zum Schutz vor Schadensersatzansprüchen, die sich aus Veranstaltungen ergeben, tritt grundsätzlich die Haftpflichtversicherung ein.
829
Es empfiehlt sich jedoch der Abschluss einer gesonderten Haftpflichtversicherung, die vor allem das Risiko im Rahmen von Veranstaltungen abdeckt.84
830
Der Versicherungsschutz erstreckt sich zunächst auf die gesetzliche Haftpflicht. Darüber hinaus sollten Nebenrisiken mitversichert werden, die sich ergeben 83 OLG Celle v. 14.10.1994 – 13 U 78/94, OLGReport Celle 1995, 107. 84 Näheres dazu Rz. 855 ff.
310
III. Event und Versicherung
Teil F
– aus der Durchführung eines Rahmenprogramms, – aus der Delegation von Leistungspflichten als Ausrichter an fremde Unternehmen oder selbständige Personen unter Ausschluss deren persönlicher gesetzlicher Haftpflicht, – aus der Abgabe von Speisen und Getränken. Mitversichert werden sollten neben den Repräsentanten, gesetzlichen Vertretern, Mitarbeitern und ehrenamtlichen Mitarbeitern (bei Vereinen/Verbänden) des Versicherungsnehmers auch die Künstler oder Sportler und deren Betreuer gegen Schäden, die durch die Teilnahme an der Veranstaltung entstehen können.
831
Eine Deckungserweiterung wird abgeschlossen für die Ansprüche der Versicherten untereinander (Personen- und Sachschäden), für Tätigkeitsschäden (Schäden an fremden Sachen) und für Be- und Entladeschäden.
832
Vielfach wird auch bei der Anmietung von Räumlichkeiten oder der Genehmigung von Veranstaltungen der Nachweis einer abgeschlossenen Haftpflichtversicherung verlangt, die für mögliche Schadensfälle, die der Veranstalter zu verantworten hat, einsteht.85
833
Der Veranstalter muss in der Praxis darauf achten, dass er die Versicherungsbelastung in einem wirtschaftlich vernünftigen Rahmen hält und gleichzeitig möglichst günstige Prämien-Konditionen erzielt.
834
Im Idealfall sollten der tatsächliche Wert der versicherten Veranstaltungsrisiken und die Versicherungssumme deckungsgleich sein. Anderenfalls liegt entweder eine Über- oder eine Unterversicherung vor.
835
Eine Überversicherung ist gegeben, wenn die vereinbarte Versicherungssumme höher liegt als der Wert der versicherten Veranstaltung, das bedeutet, dass der Veranstalter eine zu hohe Versicherungsprämie zahlt. Der Wert der versicherten Veranstaltung bildet im Schadensfall die Obergrenze für die Entschädigungszahlung durch den jeweiligen Versicherer.
836
Kommt es zu einer Unterversicherung, werden bei Eintritt des Versicherungsfalles im Verhältnis zwischen Veranstaltungswert und Versicherungssumme Abzüge bei der Schadensregulierung vorgenommen, das heißt, es erfolgt nur eine anteilige Zahlung durch den Versicherer.
837
85 Siehe dazu auch Rz. 298 ff. und 855 ff.
311
Teil F
Haftung und Versicherungen
Abb. 49: Risikoerfassungsbogen 1
Versicherungsnehmer Name/Firma Anschrift Ansprechpartner Wie lange ist der Versicherungsnehmer bereits unter diesem Namen/Firma tätig? Was ist die übliche Geschäftstätigkeit des Versicherungsnehmers und wie lange wird diese Tätigkeit bereits ausgeübt?
2
Veranstalter, falls von Versicherungsnehmer abweichend Name/Firma Anschrift Ansprechpartner
3
Veranstaltung(en) Bezeichnung der Veranstaltung(en)
4
Termin und Zeitdauer der Veranstaltung(en) von bis Beide Tage eingeschlossen
5
Veranstaltungsstätte(n) Name Anschrift Falls nur Teile davon benutzt werden, benennen Sie diese bitte
6
Termin/Zeitraum der Anmietung der Veranstaltungsstätte(n) von bis Beide Tage eingeschlossen
7
Gibt es einen schriftlichen Miet- oder sonstigen Vertrag mit dem Vermieter der Veranstaltungsstätte(n)? l ja l nein Falls nein, welche Vereinbarung existiert? Bitte benennen Sie alle wichtigen Einzelheiten
8
Sind alle Vorbereitungen für eine erfolgreiche Durchführung der Veranstaltung getroffen? l ja l nein Sind alle notwendigen Lizenzen, Visa sowie sonstige Genehmigungen erhalten? l ja l nein Gibt es Auflagen von behördlicher Seite? Wenn ja, welche? l ja l nein
9
312
Art der Veranstaltung(en) l Kongress mit Ausstellung l Kongress ohne Ausstellung l Ausstellung für Endverbraucher l Ausstellung für Fachhandel l Ausstellung mit Seminaren und Workshops l Telekonferenz oder Veranstaltung mit Satellitenkommunikation l Sonstige Veranstaltung (nennen Sie bitte Einzelheiten)
Teil F
III. Event und Versicherung 10
Veranstaltungsinformationen a) Budgetierte Gesamteinnahmen b) Budgetierte Gesamtkosten c) Erwarteter Gesamtgewinn d) Erwartete Anzahl von Ausstellern Fachbesuchern Teilnehmern Zahlenden Besuchern
11
Aus welchen Ländern kommen die Aussteller und/oder Teilnehmer? % Aussteller % Teilnehmer Deutschland Europa Übersee
12
Budget der Veranstaltung(en)
Euro Euro Euro
Budgetierte Gesamteinnahmen Eintrittskarten Teilnehmergebühren Sponsoring, Werbung Fernsehrechte Merchandising Anzeigen, Programmheft Catering Alle sonstigen Einnahmen
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
Budgetierte Gesamtkosten (1) Allgemeine Organisation (2) Drucksachen, Werbung, Presse (3) Miete Veranstaltungsstätte (4) Miete Technik, Einrichtungen (5) Kommunikationsaufwand (6) Gehälter, Honorare, Aushilfen (7) Reise, Hotel, Bewirtung (8) Alle sonstigen Kosten
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8)
Sind die budgetierten Einnahmen und Kosten alle angegeben? l ja l nein Soll der budgetierte Gewinn mitversichert werden? l ja l nein Sind neben dem Versicherungsnehmer weitere Unternehmen an den Einnahmen beteiligt? l ja l nein 13
Findet die Veranstaltung gemeinsam mit einer anderen statt oder hängt sie von einer anderen Veranstaltung ab? l ja l nein Falls ja, nennen Sie bitte alle wichtigen Einzelheiten
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Kann das Nichterscheinen eines Redners oder einer anderen Einzelperson/ Personengruppe zur Absage/Abbruch der Veranstaltung führen? l ja l nein Falls ja, nennen Sie bitte alle wichtigen Einzelheiten
313
Teil F
Haftung und Versicherungen
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Findet die Veranstaltung oder ein Teil davon l im Freien l in einem nicht massiven Gebäude l in einem Zelt oder zeltähnlicher Konstruktion statt? Falls ja, nennen Sie bitte alle wichtigen Einzelheiten
16
Ist die Veranstaltungsstätte zurzeit voll funktionsfähig und bleibt dies bis zum Ende der versicherten Veranstaltung so? l ja l nein Ist bekannt, dass Änderungs- oder Umbauarbeiten zum Zeitpunkt der Veranstaltung an der Veranstaltungsstätte stattfinden müssen, damit die Veranstaltung durchgeführt werden kann? l ja l nein
17
Wie oft und seit wann wurde die Veranstaltung bereits durch geführt? War immer derselbe Veranstalter für die Veranstaltung verantwortlich? l ja l nein
18
Falls die Veranstaltung bereits einmal durchgeführt wurde, gab es dabei einen Ausfallschaden? l ja l nein
19
Hat der Versicherungsnehmer früher bereits einen Ausfallschaden (versichert oder nicht versichert) im Zusammenhang mit der Durchführung einer Veranstaltung erlitten? l ja
l nein
20
Gibt es wichtige Tatsachen oder Informationen bezüglich der zu versichernden Veranstaltung, die genannt werden müssen (eine wichtige Tatsache oder Information ist dann gegeben, wenn diese die Annahme oder Beurteilung des Risikos durch den Versicherer beeinflussen kann). l ja l nein
21
Bestehen Wünsche zur Absicherung spezieller Risiken, die im Rahmen des Fragebogens nicht angesprochen wurden? l ja l nein Falls ja, welche?
Wird die Versicherung abgetreten? Wenn ja, an wen? (Zustimmung des Versicherers erforderlich)! Die Unterschrift unter diesen Fragebogen verpflichtet weder den Unterzeichner noch den Versicherer zum Abschluss der Versicherung, aber der Unterzeichner erklärt sich einverstanden, dass dieser Fragebogen Bestandteil einer Versicherung wird, die möglicherweise für die angesprochene Veranstaltung (Veranstaltungsreihe) abgeschlossen wird. Ort, Datum
Unterschrift
3. Versicherungsarten bei Veranstaltungen 838
Eine Versicherung im Veranstaltungsbereich können alle diejenigen abschließen, die ein in Geld messbares Interesse an der planmäßigen Durchführung 314
III. Event und Versicherung
Teil F
von Konzerten oder Tourneen oder sonstigen Veranstaltungen haben (zB örtliche Veranstalter, Tourneeveranstalter, Künstler, Künstlervermittler, Sponsoren etc.). Unter anderem ist für folgende Veranstaltungen Versicherungsschutz zu bekommen: – Tourneen, – Konzerte, – Messen, – Kongresse, – Ausstellungen, – Filmproduktionen, – Konferenzen, – Produktvorstellungen und -präsentationen, – Theater, – Opern, Operetten, Musicals, – Feste, – Open-Air-Festivals, – Feuerwerke, – Werbekampagnen, – Gewinn- und Lotteriespiele, – Sportveranstaltungen.
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Die sogenannte „Messeklausel“ (Haftungsausschluss für Schäden durch Teilnahme an Messen: Der Versicherer leistet ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen keine Entschädigung für Schäden durch … Teilnahme an Ausstellungen, Messen und Modeschauen, Ausstellen in Hotelvitrinen, es sei denn, dass mit dem Versicherer hierüber schriftliche Vereinbarungen getroffen wurden …) umfasst nicht nur den Zeitraum der eigentlichen Messe-Veranstaltung, sondern gilt auch für Schäden, die sich während des Auf- und Abbaus der Ausstellungsstücke ereignen.86 Die Versicherungsarten im Eventbereich lassen sich im Wesentlichen in vier Gruppen unterteilen: – Veranstaltungs-Ausfall-Versicherungen, – Veranstalter-Haftpflicht-Versicherungen, – Elektronik-Versicherungen und – Shortfall-Guarantee-Versicherungen.
" Praxistipp: Man sollte bei Abschluss einer Veranstaltungsversicherung darauf achten, dass der Versicherer auf den Bereich von Veranstaltungsrisiken spezialisiert ist. Die Spezialversicherer haben den Vorteil, dass sie die typischen Veranstaltungsrisiken kennen und dementsprechend Versicherungsdeckung und Versicherungsprämie richtig dimensionieren.
86 OLG Karlsruhe v. 16.1.1997 – 12 U 167/97, OLGReport 1997, 97.
315
840
Teil F
Haftung und Versicherungen
a) Veranstaltungs-Ausfall-Versicherung 841
Bei der Veranstaltungs-Ausfall-Versicherung gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, wenn die in der Police bezeichnete Veranstaltung – ausfällt, – abgebrochen, – in der Durchführung geändert oder eingeschränkt, – zeitlich verschoben, – oder örtlich verlegt wird. Beispiel Anfang Dezember 2002 lieferte sich der umstrittene Leadsänger Liam Gallagher von der Gruppe Oasis eine Prügelei mit italienischen Touristen im Nachtclub eines Münchner Hotels. Unerfreuliches Ergebnis für Gallagher: Verlust von zwei Schneidezähnen und Übernachtung in einem Münchner Gefängnis. Unerfreuliches Ergebnis für Veranstalter und Fans: Abbruch der Deutschlandtournee und Ausfall der Konzerte in Düsseldorf und Bremen. Der Skandalrocker und ehemalige Lebensgefährte des Supermodels Kate Moss Pete Doherty sagte im Jahr 2006 zunächst ein Konzert ab und später wurde auch noch die Deutschland-Tournee um volle drei Wochen verschoben.
Da die meisten Konzertbesucher nicht frei planen können, sondern auf die Gewährung von Urlaub angewiesen sind, können sie ihr Eintrittsgeld bei Absage des Künstlers vom lokalen Veranstalter des jeweiligen Konzertes zurückverlangen. 842
Die Veranstaltungs-Ausfall-Versicherung soll den Veranstalter im Falle einer Absage oder Verschiebung der Veranstaltung so stellen, als hätte die Veranstaltung planmäßig stattgefunden. Sie ist von der Rechtsnatur her eine Eigenschadenversicherung. Das heißt, der Veranstalter versichert seine aufgewendeten oder noch aufzuwendenden Kosten dagegen, dass die Veranstaltung nicht durchgeführt werden kann. Der Versicherer übernimmt bei Schadenseintritt alle angefallenen Kosten und erstattet, falls dies mitversichert ist, auch den entgangenen Gewinn. Zu den versicherten Kosten gehören Hallen- bzw. Stadionmieten, Mieten bzw. Stornierungskosten für Power Amplifier (PA = Leistungsendverstärker), Licht, Bühne, Truck und Tourbus sowie Kosten für Hotel, Catering, Künstler etc. Neben Kosten und Gewinn können Sponsorengelder ebenso mitversichert werden wie Gastronomie- und Merchandisingumsätze sowie Vorverkaufsgebühren und Rückabwicklungskosten.
843
In der Regel bieten die Versicherer verschiedene Versicherungsvarianten an, um derartige Risiken abzudecken. Allen Policentypen gemeinsam ist die Eintrittspflicht des Versicherers, die durch die Verwirklichung der versicherten Gefahr ausgelöst wird. Grundsätzlich wird zwischen solchen Schäden unterschieden, die im Nichterscheinen von Künstlern, Musikern oder Sportlern ihre Ursache haben (Variante 1) und solchen, die zu Absagen wegen Nichtdurchführbarkeit einer Veranstaltung führen (Variante 2–4). Es können generell vier Gefahrenarten unterschieden werden: 316
III. Event und Versicherung
Teil F
1. Ausfall einer Veranstaltung wegen Nichterscheinens des oder der Künstler, Musiker oder Sportler; 2. Ausfall einer Veranstaltung wegen der Unmöglichkeit der Durchführung, obwohl der oder die Künstler auftrittsfähig da ist/sind; 3. Ausfall einer Veranstaltung wegen schlechten Wetters; 4. Ausfall einer Veranstaltung wegen Eingriffen der Staatsgewalt. Alle Risiken können idR einzeln und in Kombination versichert werden. Häufige Tourneeverschiebungen und Veranstaltungsausfälle in der Praxis zeigen, dass immer die Möglichkeit besteht, dass ein gebuchter Künstler erkrankt, mit dem Auto verunglückt, seine Frau verstirbt oder bei Veranstaltungsbeginn noch im Stau steht und dadurch die planmäßige Durchführung eines Events vereitelt wird. Dazu das folgende Praxisbeispiel in Bezug auf die Rolling Stones: Im Jahr 1998 machten die Rippenverletzung des Leadgitarristen Keith Richards und die kurze Zeit später auftretende Kehlkopfentzündung des Sängers Mick Jagger diverse Verschiebungen der Konzerttermine erforderlich. Welche Risiken vorhanden waren, zeigt der Umfang der Tour. Die „Bridges to Babylon“ Tournee der Stones war ein gigantisches Spektakel. 20 Trucks wurden für den Transport des Tour-Equipments aufgeboten. 200 Mitarbeiter waren Tage vor dem jeweiligen Konzertbeginn damit beschäftigt, die 54 Meter breite und 25 Meter hohe Bühne und die Stromversorgung für das 250 000 Watt starke Soundsystem und 100 Bühnenmonitore zu installieren. Hier hat sich ein potentielles Risiko verwirklicht. Zwar ist es nicht zu einem Komplettausfall der Tour gekommen. Aber auch die Verschiebung von derartigen Großveranstaltungen verursacht – je nachdem wie weit die Vorbereitungen bereits abgeschlossen sind – gigantische Kosten. Die Werbekosten verschlingen Millionen. Hunderttausende von Karten werden verkauft. Bühnen, Licht- und Tonanlagen sowie Zuschauertribünen werden aufgebaut. Bühnenarbeiter, Ordner, Platzanweiser und Sanitäter werden engagiert, Sponsoringverträge abgeschlossen, Fernsehübertragungsrechte verkauft. Ein Veranstalter ohne entsprechende Ausfallversicherung wäre wahrscheinlich gezwungen, Insolvenz anzumelden. Beispiel Auch 2006 wurden einige Konzerte wegen einer Kopfverletzung von Keith Richards abgesagt. Diesmal soll der Sturz von einer Palme die Ursache gewesen sein. Die Rolling Stones haben ihr geplantes Konzert in Tschechien abgesagt. Ursprünglich sollten die Stones dort bereits am 16. Juni auftreten. Aufgrund von Keith Richards Verletzung wurde der Gig zunächst verschoben, ein Ersatztermin ließ sich indes nicht mehr finden. Zuvor waren auch Termine in Nürnberg, Leipzig und Frankfurt abgesagt worden. Bei einer weiteren kurzfristige Absage eines Rolling-Stones-Konzerts in Atlantic City (USStaat New Jersey) im Jahr 2006 haben zwei Fans die Band und ein Konzertkartenunternehmen auf 51 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt, wie der Internetdienst „E!Online“ berichtete. Die Absage wegen Kehlkopfbeschwerden von Mick Jagger erfolgte nur wenige Stunden vor dem geplanten Konzertbeginn. In ihrer Sammelklage fordern die enttäuschten Konzertgänger Martin und Rosalee Druyan von den Veranstaltern eine Entschädigung für
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844
Teil F
Haftung und Versicherungen
Tausende von Fans für Reise- und Hotelkosten. Das Konzert wurde auf den 17. November 2006 verschoben. Auch ein geplanter Auftritt in New York war am gleichen Morgen gecancelt worden. Die Ärzte hätten Frontmann Mick Jagger eine Ruhepause verschrieben, um seine Stimme zu schonen, hieß es auf der Webseite der Band. Im Sommer 2006 musste die Band auch in Spanien mehrere Konzerte absagen. Bei der erneuten Europatour im Jahr 2007 hatte es vor Beginn des Konzertes in Frankfurt erhebliche Probleme mit den Karten gegeben. Noch während die Vorgruppe spielte, warteten Hunderte darauf, dass ihre Eintrittskarten für bestimmte Blöcke umgetauscht wurden. Dies war notwendig geworden, weil das Management nach schleppendem Kartenvorverkauf entschieden hatte, die Bühne auf eine der Längsseiten des Stadions zu stellen, statt wie zunächst geplant auf eine Stirnseite. An den eigens eingerichteten Umtauschschaltern waren die versprochenen Karten aber nicht vorhanden. Etliche Sitzplatzkarteninhaber bekamen schließlich eine wesentlich günstigere Stehplatzkarte, sie konnten sich den Differenzbetrag anschließend zurückzahlen lassen. Auch beim Konzert in der LTU-Arena Düsseldorf gab es Probleme.
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Teilweise kann auch der Ausfall von Hauptpersonen versichert werden. Dazu ein Beispiel: Beispiel I. Wendt erhält den Auftrag für ein Firmenjubiläum. Er mietet einen alten Herrensitz an, bucht Künstler, bestellt ein aufwendiges Buffet. Am Veranstaltungstag erleidet der Jubilar einen Schlaganfall. Daraufhin muss die Veranstaltung abgesagt oder verschoben werden. Vermieter, Caterer und Künstler haben Anspruch auf Bezahlung.
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Oft ist ein Versicherungsschutz nicht gegeben, wenn die versicherte Person bereits bei Abschluss der Versicherung erkrankt war. Dies kann häufig der Fall sein, wenn man bedenkt, dass die Inkubationszeit der meisten infektiösen Krankheiten (zB Grippe, Masern, Röteln, Hepatitis) vierzehn Tage und mehr beträgt. Wenn der Veranstalter einen Künstler gegen Nichterscheinen versichern möchte, aber nichts über den derzeitigen Gesundheitszustand des Verpflichteten weiß, hat er ein Problem. Normalerweise geht der Veranstalter gegenüber dem Versicherer leer aus, wenn sich im Schadenfalle herausstellt, dass der oder die Künstler zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ausfallversicherung schon krank waren. Der Veranstalter sollte daher insbesondere bei Tourneeveranstaltungen über einen längeren Zeitraum vom verpflichteten Künstler einen Fragebogen über dessen Gesundheitszustand ausfüllen lassen. Beispiel Im Jahr 2007 sagte die Newcomerin in Sachen Punk/Soul und mehrfache Grammy-Preisträgerin, die britische Sängerin Amy Winehouse, aus gesundheitlichen Gründen die Konzerte in Norwegen und Dänemark ab. Auch ihre Konzerte im Vorprogramm der Rolling Stones in Düsseldorf und Hamburg wurden abgesagt. Die 23-jährige ging in London wegen „schwerer Erschöpfung“ (so eine Sprecherin ihres Platten-Labels Universal Music) ins Krankenhaus. Die Ärzte hatten ihr geraten, sich auszuruhen. Die britische Zeitung „Sun“ berichtete in diesem Zusammenhang sogar von einer Überdosis Drogen. Daher sei ihr der Magen ausgepumpt worden, schrieb das Blatt. Die stark abgemagerte Sängerin hatte bereits früher Probleme mit Drogen eingeräumt. Sie nehme Marihuana und Kokain, hatte sie damals gesagt. Zudem kämpfe sie mit Magersucht und Bulimie. Winehouse wurde bei den Brit-Awards im Februar 2007 noch als beste britische Künstlerin ausgezeichnet. 2008 folgten weitere Konzertabsagen.
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III. Event und Versicherung
Teil F
Nicht versicherbar sind idR Personen, die einem extrem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Hierunter fallen zB Fallschirmspringer, Hochseilartisten, Stuntmen, Pyrokünstler, Messerwerfer u.Ä.
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Andere Versicherungsvarianten decken Ausfallrisiken ab, die die Durchführung der Veranstaltung vereiteln, obwohl der oder die Künstler, Musiker oder Sportler auftrittsfähig sind. Diese Ausfallversicherung tritt nur für solche Schäden ein, die zum Ausfall, zum Abbruch oder zur Durchführungsänderung einer Veranstaltung führen und vom Versicherungsnehmer nicht zu vertreten sind (zB kurz vor der Veranstaltung fällt die öffentliche Stromversorgung aus, weil ein Bagger beim Graben ein Kabel beschädigt hat).
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Beispiel Ein Markenprodukt feiert Geburtstag. I. Wendt hat den Auftrag, eine Geburtstagsfeier durchzuführen. Das Budget beträgt 1,6 Millionen Euro. Alle Gäste sind eingeladen. Herr Wendt plante eine Riesenshow und ist namens seines Kunden Verpflichtungen in entsprechender Höhe eingegangen. Zwei, drei Tage vor der Veranstaltung brennt die Location ab. Eine neue Location ist in dieser kurzen Zeit nicht aufzutreiben. I. Wendt muss absagen. Der Kunde verliert viel Geld.
Als Zusatzrisiko können auch Witterungsverhältnisse, die insbesondere für Open-Air-Veranstaltungen große Signifikanz besitzen, versichert werden. Die Höhe der zu zahlenden Versicherungsprämie ist idR vom Veranstaltungsort, dem Veranstaltungsdatum, der Niederschlagsmenge sowie dem Beobachtungszeitraum, in dem der Niederschlag zu Ausfall führen würde, abhängig.
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Beispiel I. Wendt lädt Gäste und zahlende Teilnehmer ein, um eine Veranstaltung auf einer Karibikinsel durchzuführen. Der Termin liegt ausgerechnet in der Hurrikan-Hochsaison. Was ist, wenn man von Miami aus nicht ablegen kann, weil die gebuchte Location von einem Hurrikan zerstört wurde oder die zuständige US-Behörde das Auslaufen untersagt?
Die im Versicherungsumfang weiteste Versicherungsvariante versichert die Nichtdurchführbarkeit einer Veranstaltung aus allen Gründen, die außerhalb der Einflussmöglichkeit der versicherten Künstler oder Sportler und des Veranstalters liegen, sog. All-Risk-Versicherung. Diese Versicherung deckt neben den typischen Schadensfällen wie Unfall, Krankheit, Tod von versicherten Personen auch den Ausfall der Veranstaltung wegen Tod des Ehegatten eines Künstlers, Fluglotsenstreiks, Schneewehen, Sturm, etc. ab.
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Beispiel Ein Kunde von I. Wendt plant die Einführung eines neuen Produktes. Der Ort der Veranstaltung für die Produktpräsentation ist eine europäische Großstadt. Das Budget liegt bei rund 1,3 Millionen Euro. Alle Vorbereitungen sind getroffen. Einen Tag vor dem Event verstirbt das Staatsoberhaupt. Je nach Land werden zwischen drei und sieben Tagen Staatstrauer verhängt, einhergehend mit einem generellen Veranstaltungsverbot. Die Veranstaltung kann somit nicht durchgeführt werden. Der Kunde hat die gesamten Kosten umsonst aufgewendet.
In diesen Fällen erstattet der Versicherer üblicherweise den festgestellten Nettoverlust abzüglich aller Ausgabenersparnisse sowie erzielter Einnahmen (zB 319
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Teil F
Haftung und Versicherungen
nicht rückzahlbare Sponsorengelder). Unter dem Nettoverlust (also ohne Mehrwertsteuer) versteht man die Summe aller Auslagen, Kosten und/oder eingegangenen Verbindlichkeiten, die vernünftigerweise und notwendigerweise im Zusammenhang mit der versicherten Veranstaltung entstanden sind. 852
Gewisse Risiken werden von den Versicherungen allerdings von der Versicherungsleistung ausgenommen. Zu nennen sind hier beispielsweise Schäden, die durch Krieg, Attentatsdrohungen und Kernenergie verursacht werden. Auch wird die Haftung der Versicherung in der Höhe durch die vereinbarte Versicherungssumme begrenzt. Hierbei zählen die Beiträge zur Ausfallversicherung selbstverständlich nicht als Kosten und werden nicht erstattet, denn wenn der Versicherer im Zuge der Schadenregulierung die Prämie wieder zurückerstattet, hätte der Veranstalter seine Police kostenfrei gehabt. Treten über die Versicherungssumme hinausgehende Schäden auf, ist insoweit wiederum der Veranstalter verantwortlich. Seit den Ereignissen des 11.9.2001 in Bezug auf die Twin Towers in New York ist es auch grundsätzlich nicht mehr möglich Versicherungsschutz für das Risiko „Terrorismus“ zu erhalten. Vorher konnte dieses Risiko in die Police einbezogen werden. Beispiel Die Relevanz des Risikos Terrorismus für Großveranstaltungen wurde Anfang 2008 deutlich, als die berühmte Dakar-Rallye einen Tag vor dem geplanten Start aufgrund von Terrorismusdrohungen abgesagt wurde. Nach dem Mord an vier französischen Touristen hatte Frankreich seinen Staatsbürgern von Reisen nach Mauretanien abgeraten, durch das acht der 15 Etappen verlaufen sollten. Die Tat wurde militanten Islamisten zugeschrieben Französische und US-Geheimdienste hatten die Rallye-Veranstalter vor einem möglichen Überfall gewarnt, das französische Verteidigungsministerium die Bedrohung als real eingestuft. Aus Angst vor Terroristen ist die Wüstenrallye Dakar erstmals in ihrer 30-jährigen Geschichte abgesagt worden. Bislang waren lediglich einzelne Etappen ausgefallen. Zuletzt waren 2004 zwei Etappen in Mali aus Angst vor Überfällen von Rebellen abgesagt worden. Die wohl spektakulärste Aktion hatte es 2000 gegeben, als die RallyeOrganisatoren wegen Terrorwarnungen vier Etappen im Niger abgesagt und alle Teilnehmer nach Libyen ausgeflogen hatten. Der Einsatz von zwei riesige russische Transportflugzeugen vom Typ Antonow 124, die in 18 Flügen rund 1500 Personen, 64 LKW, 150 Autos und 144 Motorräder ausflogen, kostete damals rund 9 Mio. DM. Im Nachhinein kamen Gerüchte auf, dass es sich bei den angeblich auf Satellitenfotos erkannten rund 300 Rebellen lediglich um Tausende von Kamelen gehandelt haben soll. Einen Tag vor dem Start der 30. Auflage in Lissabon gab der Veranstalter ASO am Freitagmittag die Absage bekannt, nachdem es eine Reisewarnung der französischen Regierung für Mauretanien gegeben hatte. Es habe „direkte Drohungen von Terrorgruppen gegen die Rallye“ gegeben, erklärte die ASO. In dem westafrikanischen Land Mauretanien hätten in den Dünen der Sahara 8 der insgesamt 15 Etappen stattfinden sollen. Bereits am Morgen hatte die ASO die beteiligten Hersteller wie VW, Mitsubishi oder KTM. Die mauretanische Regierung, die zu Sicherung der Rallye 4000 Soldaten und Zivilkräfte einsetzen wollte, war der Meinung, dass keine Gefahr bestehe. Mitte Januar 2008 kam es zu einem Treffen aller Teams, um über die Möglichkeiten für das Jahr 2009 zu sprechen. Die Fahrer selber schließen eine baldige Rückkehr nach Afrika aus. Als Alternativziele werden Südamerika, China oder Russland genannt. Neben der unklaren Zukunft der Rallye im sportlichen Bereich machen den Beteiligten auch die finan-
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III. Event und Versicherung
Teil F
ziellen Einbußen zu schaffen. Der Gesamtschaden dürfte sich im dreistelligen MillionenBereich bewegen. Allein VW investiert angeblich rund 30 Mio. Euro jährlich in das RallyeProjekt. Rekordsieger Mitsubishi, der seit 2001 ungeschlagen ist, lässt sich das Spektakel rund 20 Mio. Euro kosten. Auch für viele Privatfahrer ist die Absage ein schwerer Schlag, auch finanziell, da viele Sponsorenverträge beginnen erst mit dem Start der Rallye. Die gemeldeten Teilnehmer erhalten aber die Startgebühren von insgesamt zwölf Millionen Euro zurück. Die südportugiesische Stadt Portimao hat Schadenersatz gefordert. Die Rallye-Leitung wies jedoch deren Forderungen umgehend zurück.
Anfang Oktober 2002 wurde von 16 Versicherungsunternehmen der Kölner Terrorversicherer Extremus AG gegründet. Dieser Spezialversicherer deckt unter Mitwirkung des Bundes Schäden bis zu 10 Milliarden Euro ab. Bei Terrorereignissen haften die Erst- und Rückversicherer für Schäden bis 2 Milliarden Euro, bei Überschreitung dieser Summe tritt der deutsche Staat mit weiteren 8 Milliarden Euro ein. Aber auch eine bei der Extremus AG abgeschlossene Terrorversicherung zahlt nur für solche Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden, die ein deutsches Risiko abdecken. Das bedeutet, wenn eine deutsche Veranstaltung ausfällt, weil ein Auftraggeber im Ausland ein Terroropfer geworden ist, muss keine Entschädigung durch den Versicherer geleistet werden. Auch der Ausfall einer ausländischen Veranstaltung nach einem Anschlag in Deutschland wäre nicht versichert. Weitere Information zum Terrorversicherer findet man unter www.extremus.de.
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Zu beachten ist immer, dass der Veranstalter eine Schadenminderungspflicht hat. Das heißt, der Veranstalter hat in einem Schadenfalle alles zu tun, um den Schaden so gering wie möglich zu halten und sich so zu verhalten, als ob er gar nicht versichert wäre. Der Veranstalter muss daher schon mal mit Vermieter der Halle verhandeln, ob trotz Absage die volle Miete zu zahlen ist oder ob auch eine Stornogebühr berechnet werden könnte.
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b) Veranstalter-Haftpflicht-Versicherung Die Veranstalterhaftpflichtversicherung ist im Unterschied zur Ausfallversicherung eine Fremdschadenversicherung. Hier versichert der Veranstalter Schäden, die er verursacht hat, und für die er in Anspruch genommen wird.
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Der Veranstalter muss gewährleisten, dass jedermann seine Veranstaltungen besuchen kann, ohne Schaden zu nehmen. Da dies einerseits unmöglich ist, andererseits die drohenden Schäden besonders groß sind, ist ein Risiko-Transfer auf einen Versicherer nahezu unumgänglich. Viele Veranstalter fühlen sich durch Ihre bestehende Haftpflichtversicherung ausreichend abgesichert. Doch meistens handelt es sich um sog. Bürohaftpflichtversicherungen, die sich auf den Umfang der Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen (AHB) beschränkt. Dieser Versicherungsschutz beschränkt sich wirklich nur auf den Bürobetrieb. Die speziellen Risiken einer Veranstaltung sind nicht abgedeckt.
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Um zu prüfen, welche Haftpflichtversicherung man braucht, muss man von Auftrag zu Auftrag zu differenzieren. Entscheidend ist, ob die Agentur selbst als Veranstalter auftritt oder nicht. Dieses sollte in dem mit dem Kunden ge-
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321
Teil F
Haftung und Versicherungen
schlossenen Agentur- oder Veranstaltungsvertrag eindeutig geregelt sein. Werden Einladungen verschickt oder Karten verkauft und der Name oder das Logo der Agentur ist aufgedruckt, haftet diese zumindest mit. 858
Nur wenn der Kunde eine Freistellung erteilt, dh., schriftlich versichert, dass alles, was die Agentur tut, in seinen Haftungsbereich fällt und er ausreichend versichert ist, genügt die einfache Haftpflichtversicherung. Eine solche Freistellung wird isR aber nicht erteilt. Die Agentur wird auch nicht darauf bestehen, da der Kunde nicht für zukünftige Aufträge verlorengehen soll.
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Und selbst, wenn die Agentur eine Freistellungserklärung erhält, verbleibt das Auswahl- und Organisationsverschulden. Das bedeutet, die Agentur muss nachweisen, dass ihr bei der Beauftragung von Subunternehmern (zB Security, Catering etc.) kein Fehler unterlaufen ist.
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Der Abschluss einer solchen Veranstalter-Haftpflicht-Versicherung ist deshalb auch Grundvoraussetzung für die Anmietung der meisten Locations. Ohne den entsprechenden Versicherungsnachweis kann üblicherweise keine Halle und kein Stadion angemietet werden.87 Beispiel In einem vor dem OLG Stuttgart verhandelten Fall hatte sich eine Stadtgemeinde für die Vermietung von öffentlichen Räumlichkeiten für ein Rockkonzert vom Veranstalter den Abschluss einer Haftpflichtversicherung zusichern lassen.88 Als die Stadt sich bei der Haftpflichtversicherung über die vollständige Mitteilung der Veranstaltungsrisiken (Auftritt einer Rockgruppe der rechtsradikalen Szene) erkundigte, zog die Versicherung nach Bekanntwerden der Identität der Gruppe die Deckungszusage zurück und das Konzert musste abgesagt werden. Daraufhin klagte die Konzertagentur gegen die Stadt auf Schadensersatz iH von 49 802 DM (ca. 25 000 Euro). Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des OLG Stuttgart hatte die beklagte Stadt ein berechtigtes Interesse an dem wirksamen Bestand der Deckungszusage. Die Anfrage der Stadt bei der Versicherung stellte danach kein vertragswidriges Verhalten gegenüber der veranstaltenden Konzertagentur dar, zumal diese, um ihren Pflichten aus dem Versicherungsvertrag zu genügen, über das besondere Schadensrisiko durch Benennung der Gruppe hätte aufklären müssen.
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In der Regel sind die Verträge über die Anmietung privater und öffentlicher Veranstaltungsorte bezüglich der Haftung wie folgt abgefasst: 1. Der Mieter trägt das Risiko für das gesamte Programm und den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung, einschließlich ihrer Vorbereitung und nachfolgenden Abwicklung. 2. Der Mieter haftet insbesondere für alle Personen- und Sachschäden der Parteien oder Dritter, die durch ihn, seine Beauftragten, Gäste oder sonstige Dritte in Zusammenhang mit der Veranstaltung verursacht werden. 3. Der Mieter stellt den Vermieter von allen Schadensersatzansprüchen, die im Zusammenhang mit der Veranstaltung geltend gemacht werden können, frei. 4. Der Mieter ist verpflichtet, eine alle Bereiche umfassende und ausreichende Haftpflichtversicherung abzuschließen, ein entsprechender Nachweis ist 87 Siehe dazu auch Rz. 298. 88 OLG Stuttgart v. 2.3.1994 – 1 U 167/93, NJW-RR 1994, 1012.
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III. Event und Versicherung
Teil F
spätestens zwei Wochen vor Veranstaltungsbeginn dem Vermieter gegenüber zu erbringen. 5. Der Vermieter haftet lediglich für Schäden, die auf mangelnde Beschaffenheit der vermieteten Flächen und des vermieteten Inventars oder auf vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der von ihm übernommenen Verpflichtungen zurück zu führen sind. 6. Bei Versagen irgendwelcher Einrichtungen, Betriebsstörungen oder sonstigen die Veranstaltung beeinträchtigenden Ereignissen haftet der Vermieter lediglich, wenn diese Ereignisse nachweisbar von ihm oder seinen Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder fahrlässig verschuldet worden sind. Durch Arbeitskampf verursachte Störungen hat der Vermieter nicht zu vertreten. 7. Für eingebrachte Gegenstände des Mieters, seiner Mitarbeiter und Zulieferer übernimmt der Vermieter keinerlei Haftung. Daher ist die wichtigste Versicherung die Veranstalter-Haftpflicht-Versicherung. Mit dieser Versicherung wird eine Vielzahl von Risiken versichert. Mitversichert gilt bei den spezialisierten Versicherungsunternehmen die gesetzliche Haftpflicht insbesondere – aus dem Auf- und Abbau von zur Veranstaltung erforderlichen Einrichtungen, Technik und dergleichen; – aus Verkehrssicherungspflichten im Hinblick auf die Veranstaltung; – aus Bewachung und Sicherung der Veranstaltung; – aus der Beauftragung fremder Unternehmen mit der Ausführung von Aufgaben/Arbeiten im Interesse des Veranstalters; – aus dem Besitz oder der Verwendung von Hebezeugen, zB Kräne, Feldbahnen zur Beförderung von Sachen; – aus Werbeveranstaltungen, dem Vorhandensein von Werbeeinrichtungen (Transparente, Leuchtröhren, Werbetafeln etc.).
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Beispiel Für das Comeback-Konzert der Kultband aus den 80er Jahren Police am 13. Oktober 2007 in der Düsseldorfer LTU-Arena wurden 25 Sattelschlepper, 180 Techniker und 500 Sicherheitskräfte eingesetzt. Acht Personen sorgten für ein angemessenes Catering und 15 Assistenten bildeten das Büro-Team der ausführenden Konzertagentur vor Ort.
Die Deckungssummen eines Spezialversicherers könnten beispielsweise so aussehen: – Für Personenschäden: 2 000 000 Euro – Für Sachschäden: 1 000 000 Euro – Für Vermögenschäden: 100 000 Euro – Für Leitungsschäden: 20 000 Euro – Für Tätigkeitsschäden: 20 000 Euro – Für Schäden an gemieteten Gebäuden infolge Brand und Explosion: 1 000 000 Euro
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Teil F
Haftung und Versicherungen
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Zusätzlich versicherbar sind: – Vorsorgeversicherung/Versehensklausel; – Kraftfahrzeuge/Arbeitsmaschinen (nicht zulassungspflichtig und nicht versicherungspflichtig); – Vermögensschäden; – Vor- und Nacharbeiten; – Beschädigung, Vernichtung und Abhandenkommen von Belegschaftshabe; – Vertragshaftung aus der Verkehrssicherung; – Mietsachschäden an Gebäuden/Räumlichkeiten durch Brand, Explosion, Leitungswasser und Abwasser; – erweiterte Mietsachschadendeckung bei Veranstaltungen; – Be- und Entladeschäden an KFZ und Containern; – Be- und Entladeschäden an fremden Ladungen; – Allmählichkeits-/Abwässerschäden; – Tätigkeitsschäden; – Abdeckschäden; – Leitungsschäden; – Schlüsselschäden; – Umwelthaftpflicht-Basisversicherung; – Auslandsschäden (Europadeckung); – Aufstellen und Betrieb von Verkaufsbuden.
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In Abb. 51 ist die Multi-Cover-Police (Versicherungsschein für verschiedene Schadensrisiken) eines Versicherers abgebildet. c) Elektronik-Versicherung/Veranstaltungsgüterversicherung
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Oftmals müssen Veranstalter kurzfristig Zelte, Bühnen, Sanitärcontainer, Video, Caterertechnik, Absperrtechnik, PA oder Licht anmieten. Die Verleihfirmen haben in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen isR den Passus, dass jegliche Haftung für das entliehene Equipment auf den Entleiher übergeht. Vielfach wird diese Regelung vom Veranstalter überlesen und erst im Falle einer Beschädigung der Anlage taucht die Frage auf, in welcher der vorhandenen Versicherungen dieses Risiko denn nun enthalten sei. Man sieht sich in einer Haftung der Verleihfirma gegenüber und denkt, dass die Haftpflichtversicherung zuständig ist. Doch diese lehnt einen Eintritt ab, entweder weil Schäden an gemieteten Sachen überhaupt nicht versichert sind, oder, weil sich die Versicherung von Mietsachschäden nur auf Gebäude und Gebäudebestandteile bezieht. Ton, Licht, Video- oder AV-Technik fallen aber nicht unter diese Positionen. Ein Schaden ist schnell verursacht (zB Cola läuft ins Mischpult oder beim Auf- und Abbau wird etwas beschädigt).
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Über eine sog. Elektronikversicherung wird die stationäre und mobile Technik wie Aufnahme-, Bearbeitungs- und Wiedergabegeräte, Licht und Beschallung, 324
Teil F
III. Event und Versicherung
Antennen und Sendemasten, Ü-Wagen und Büroelektronik versichert. Die Elektronikversicherung ist eine eigenständige Versicherung mit Allgefahrendeckung. In den Allgemeinen Bedingungen für die Elektronik-Versicherung (ABE) sind die versicherten Schäden und Gefahren im Detail festgelegt. Abb. 50: Möglicher Versicherungsumfang nach § 2 ABE Klassische Ge- Gefahren durch fahren der Sach- menschliches Versagen versicherung
Technische Gefahren
– Konstrukti– Bedienungs– Brand ons-, Materialfehler, unsach– Leitungsoder Ausfühgemäße Handwasser rungsfehler habung – Sturm (= ab – Kurzschluss Windstärke 8) – Ungeschick– Überspannung lichkeit – direkter Blitz– Unterspanschlag nung – Explosion – Influenz – Anprall, Ab– Induktion sturz eines – BlitzstromFlugkörpers, wanderwellen seiner Teile – indirekter oder seiner Blitzschlag Ladung – Implosion – Löschen, Niederreißen, Ausräumen oder Abhandenkommen bei Einbruchdiebstahl, Raub, Vandalismus, Plünderung
Politische Gefahren
Höhere Gewalt
Sonstige Gefahren
– Streik – Aussperrung – Sabotage – Innere Unruhen89
– Sturm, Windböen (unter Windstärke 8) – Hagel – Felssturz – Lawinen – Schneedruck – Erdrutsch – Erdsenkung – Eisgang – Hochwasser, Überschwemmung – Vulkanausbruch – Erdbeben90
– Fahrzeuganprall – Rauch – Überschallknall – Verschmoren, Versengen, Verglimmen – Diebstahl – Feuchtigkeit – SprinklerLeckage – Grundwasser – Meerwasser – Regenwasser – Rückstau – Plansch- und Reinigungswasser – Schwamm – Ratten- und Mäusefraß
" Praxistipp: Die Versicherer nehmen in Bezug auf die in der Elektronikver-
sicherung inkludierte Diebstahlsversicherung häufig die Nachtzeit (beginnt je nach Versicherer zwischen 22.00 und 22.30 Uhr) von einer Versicherung aus. Dies ist insbesondere bei Konzertveranstaltungen, bei denen die Hauptgruppe erst gegen 22.00 Uhr oder später die Bühne betritt, unbefriedigend. Die Gefahr eines Diebstahls in Bezug auf die in den Trucks gelagerten Instrumente und PAs ist natürlich in dieser Zeit besonders hoch. Somit sollte entweder darauf geachtet werden, dass die Versicherung die Nachtzeit mit einbezieht oder die Equipmenttrucks durch Security abgesichert werden (meistens die kostengünstigere Alternative). Es sollte auch darauf geachtet werden, ob der Neu- oder Zeitwert versichert ist. Eine Neuwertversicherung macht aufgrund der höheren Kosten einer solchen und der schnellen Veraltung von technischen Werten allerdings nur bei annähernd neuem Equipment Sinn.
89 Nur gegen Beitragszuschlag und/oder Selbstbehalt versicherbar, bei innerer Unruhe zusätzlich besondere Kündigungsfrist 90 Nur gegen Beitragszuschlag und/oder Selbstbehalt versicherbar, bei innerer Unruhe zusätzlich besondere Kündigungsfrist
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Teil F
Haftung und Versicherungen
Abb. 51: Multi-Cover-Police für eine Veranstalter-Haftpflicht-Versicherung 1. Deckungssummen a) Veranstalterhaftpflichtversicherung – – – – – –
Für Personenschäden: 2 000 000 Euro Für Sachschäden: 1 000 000 Euro Für Vermögenschäden: 100 000 Euro Für Leitungsschäden: 20 000 Euro Für Tätigkeitsschäden: 20 000 Euro Für Schäden an gemieteten Gebäuden infolge Brand und Explosion: 1 000 000 Euro Nachstehende Deckungssummen stehen im Rahmen der Sachschaden-Deckungssumme zur Verfügung – Für Leitungsschäden: 20 000 Euro – Für Tätigkeitsschäden: 20 000 Euro – Für Schäden an gemieteten Räumen und Gebäude infolge Brand und Explosion 1 000 000 Euro Die genannten Deckungssummen stehen für die Veranstaltung zweifach maximiert zur Verfügung.
b) Umweltbasisversicherung – Für Personenschäden 2 000 000 Euro – Für Sachschäden 1 000 000 Euro Die genannten Deckungssummen stehen für die Veranstaltung einfach zur Verfügung. 2. Erweiterungen des Versicherungsschutzes Mitversichert sind – Vor- und Nacharbeiten bis jeweils 3 Tage – vertraglich übernommene gesetzliche Haftpflicht des Halleneigentümers (sog. Freistellung des Vermieters) – Tätigkeits- bzw. Bearbeitungsschäden – nicht zulassungspflichtige und nicht versicherungspflichtige Arbeitsmaschinen wie z.B. Gabelstapler 3. Mietsachschäden Unter Mietsachschäden versteht man Schäden an gemieteten Immobilien (zB an der gemieteten Halle). Bitte beachten Sie, dass hier Schäden an Immobilien versichert gelten, nicht jedoch an mobilen Sachen wie zB Equipment etc. 4. Prämien (alle Prämien gelten Brutto, dh. inkl. Versicherungssteuer) Diese hängen ab von der Zuschauerzahl und der Höhe der gewünschten Mietsachschaden-Deckung
326
Teil F
III. Event und Versicherung Pauschalbeitrag Mietsachschäden durch sonstige Ursachen an Immobilien
bis 500 Besucher
Beitrag je Besucher
bis 1 000 Besucher
bis 1 500 Besucher
bis 2 000 Besucher
von 2 001 von 10 001 von 50 001 bis bis 10 000 bis 50 000 100 000 Besucher Besucher Besucher
ohne
85 Euro
112 Euro
168 Euro
224 Euro
0,11 Euro
0,09 Euro
0,05 Euro
1 000 Euro
102 Euro
135 Euro
202 Euro
270 Euro
0,13 Euro
0,10 Euro
0,06 Euro
2 000 Euro
119 Euro
157 Euro
236 Euro
314 Euro
0,15 Euro
0,12 Euro
0,08 Euro
3 000 Euro
136 Euro
180 Euro
270 Euro
360 Euro
0,17 Euro
0,14 Euro
0,09 Euro
4 000 Euro
153 Euro
202 Euro
303 Euro
404 Euro
0,19 Euro
0,15 Euro
0,10 Euro
5 000 Euro
170 Euro
225 Euro
337 Euro
449 Euro
0,22 Euro
0,16 Euro
0,11 Euro
25 000 Euro
198 Euro
258 Euro
388 Euro
519 Euro
0,26 Euro
0,19 Euro
0,13 Euro
50 000 Euro
221 Euro
292 Euro
438 Euro
584 Euro
0,29 Euro
0,20 Euro
0,14 Euro
Die Restauration in eigener Regie kann gegen eine Prämie von 8 Euro je Person eingeschlossen werden. Veranstaltungszelte (hierbei geht es um die Schäden durch die Zelte, nicht jedoch an den Zelten) können gegen eine Prämie von 85 Euro bis 500 qm bzw. 175 Euro bis 1 000 qm versichert werden. Zuschlag für Gabelstapler über 6 km/h 75 Euro (sofern per Ausnahmegenehmigung von der Zulassungspflicht befreit). Alle o.g. Prämien gelten inkl. 19 % Versicherungssteuer. Zusatzrisiken wie zB Pyrotechnik, Festzelte über 1000 qm, Feuerwerke etc. müssen gesondert beantragt werden. Schäden, die durch Zuschauer verursacht werden, sind nicht versichert, auch nicht versicherbar! Ferner gelten Schäden an gemieteten, geliehenen oder überlassenen Mobilien nicht mitversichert. Für das gemietete Equipment empfehlen wir eine kurzfristige Elektronikversicherung. Die Veranstalterhaftpflichtversicherung kann auch als Jahresvertrag abgeschlossen werden.
Beispiel Selbstverständlich ist auch der Rosenmontagszug in Düsseldorf regelmäßig versichert. Sämtliche Personen, 250 Pferde und Gebäude rund um den Zug waren im Jahr 2007 in die Haftpflichtversicherung eingeschlossen. Alle 5 500 aktiven Zugteilnehmer waren mit 15 000 Euro für Invalidität, 5 000 Euro für Tod und fünf Euro Unfall-Tagegeld versichert. Außerdem existierte eine Kfz-Versicherung für alle 100 offiziell protokollierten Wagen und Gefährte. Die Versicherungspolice deckt Personenschäden iH von 2 Mio. Euro, Sachschäden iH von 1 Mio. Euro sowie Vermögensschäden iH von 100 000 Euro ab und kostet ca. 17 600 Euro.
" Praxistipp: Die Spezialversicherer eines Events nehmen Bearbeitungs- und
Verarbeitungsschäden sowie Transportrisiken häufig aus ihrem Grundversicherungspaket aus. Kommt es dann beim Auf- oder Abbau der Veranstaltungstechnik oder Bühnen zu Beschädigungen muss die Versicherung nicht zahlen, denn vom Wortbegriff gilt die Veranstaltungshaftpflichtversicherung nur für die Dauer der Veranstaltung selbst. Achten Sie daher darauf, diese Risiken explizit in die Versicherung einzubeziehen. 327
Teil F
Haftung und Versicherungen
868
Bei der Multi-Cover-Versicherung leistet der Versicherer Entschädigungen für Sachschäden an versicherten Sachen durch vom Versicherungsnehmer oder dessen Repräsentanten nicht rechtzeitig vorhergesehene Ereignisse (zB Bedienungsfehler, Kurzschluss, Überspannung, Induktion, Brand, Blitzschlag, Explosion, Implosion, Wasser, Feuchtigkeitsschäden) und bei Abhandenkommen versicherter Sachen durch strafbare Handlungen (zB Vandalismus, Sabotage, Diebstahl etc.). Ersetzt wird der Neuwert zur Zeit der Anschaffung und/oder Erstellung zuzüglich der Kosten für Verpackung, Fracht, Zölle und Montage.
869
Auf Wunsch des Veranstalters können auch die Schadennebenkosten wie: – Bewegungs- und Schutzkosten; – Erd-, Pflaster-, Maurer- und Stemmarbeiten, Bergungsarbeiten, Bereitstellung eines Provisoriums, Luftfracht; – Entsorgungs- und Dekontaminationskosten in die Versicherung eingeschlossen werden.
870
Allerdings werden aus verständlichen Gründen auch innerhalb einer Allschädenversicherung Schäden aufgrund von Vorsatz des Versicherungsnehmers oder von dessen Repräsentanten, Kriegsereignissen jeder Art, Kernenergie und Abnutzung, Verschleiß und Alterung nicht abgedeckt.
871
Je nach Bedarf kann neben dem stationären Risiko auch das sog. Bewegungsrisiko mitversichert werden. Damit wird der Versicherungsschutz für die Geräte auf das Gebiet der ganzen Bundesrepublik Deutschland oder Europas ausgedehnt. Eine derartige Versicherungserweiterung empfiehlt sich für bundesoder europaweite Tourneen von Künstlern oder Ausstellungen.
872
Bei der Elektronik-Mehrkostenversicherung leistet der Versicherer Entschädigung für Kosten, die zusätzlich aufgewendet werden müssen, um eine Beeinträchtigung oder Unterbrechung des Betriebes infolge eines Sachschadens an versicherter Technik zu vermeiden. Dabei sind zeitabhängige und zeitunabhängige Mehrkosten versicherbar.
873
Die Elektronik-Betriebsunterbrechungsversicherung ersetzt den entgangenen Betriebsgewinn sowie die fortlaufenden Kosten, die aufgrund eines versicherten Schadenereignisses entstehen und das Betriebsergebnis mindern. Hier gelten zusätzlich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Elektronik-Betriebsunterbrechungsversicherung (ABEBU).
874
Letztlich gibt es auch eine Daten-/Datenträgerversicherung, die Daten (zB Stamm- und Bewegungsdaten aus Dateien, Datenbanken, Daten aus serienmäßig hergestellten betriebsfertigen Programmen) und Datenträger, auf denen die versicherten Sachen gespeichert sind (zB Magnetwechselplatten, Magnetbänder und Disketten), versichert.
328
III. Event und Versicherung
Teil F
d) Shortfall-Guarantee-Versicherung Bei einer Shortfall-Guarantee-Versicherung handelt es sich um eine Versicherung, die den sog. „Break-Even-Point,, des Veranstalters absichert. Mit diesem Instrument kann ein vorhandenes Kalkulationsrisiko des Veranstalters auf den Versicherer abgewälzt werden. Die Versicherung dient der Abdeckung der angefallenen Kosten, wenn sich die Veranstaltung aufgrund mangelnden Zuschauerinteresses und daraus resultierenden geringen Besucherzahlen nicht amortisiert, dh. nicht einmal die entstandenen Kosten deckt.
875
Eine Shortfall-Guarantee-Versicherung stellt sich wie folgt dar: – Der Veranstalter erarbeitet eine Break-Even-Kalkulation für die geplante Veranstaltung auf Basis örtlicher Kosten plus Künstlergage minus Sponsoreneinnahmen. Diese Ausgabenseite der Veranstaltung muss über den Ticketverkauf abgedeckt werden, um schwarze Zahlen zu erreichen (Break-EvenPoint). – Weiterhin muss der Veranstalter abschätzen, wie viele Tickets der verschiedenen Preiskategorien voraussichtlich mit Sicherheit abgesetzt werden können. Die so ermittelte in Euro ausgedrückte Summe ist die Selbstbeteiligung des Veranstalters und wird dem Break-Even gegenübergestellt. – Die Differenz zwischen Break-Even-Point und Selbstbeteiligung ist die Versicherungssumme.
876
Beispiel I. Wendt ist Veranstalter eines Open-Air-Rockkonzerts und braucht zur Deckung seiner Kosten ca. 200 000 Euro (Break-Even-Point). Er rechnet mit sicheren Kartenverkäufen im Gesamtwert von 130 000 Euro, erhofft sind 275 000 Euro. Zur Sicherheit schließt I. Wendt eine Shortfall-Guarantee-Versicherung ab. Aufgrund des schlechten Wetters werden nur Karten im Gegenwert von 160 000 Euro verkauft. Welchen Betrag erhält Herr Wendt von seinem Versicherer ersetzt? Abwandlung: Was ist, wenn I. Wendt lediglich Karten im Wert von 100 000 Euro verkauft?
Der Break-Even-Point lag bei 200 000 Euro. Diese Summe entspricht den Aufwendungen für die Organisation des Konzertes. Im Versicherungsvertrag setzte Wendt die Mindestverkaufsprognose von Karten im Wert von 130 000 Euro ein. In dieser Höhe bestand daher Selbstbeteiligungspflicht. Tatsächlich wurden Karten im Wert von 160 000 Euro verkauft. Zur Erreichung seiner Kostendeckung fehlen somit 40 000 Euro. Diesen Betrag muss der Versicherer aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrages als Entschädigung an I. Wendt bezahlen.
877
In der Abwandlung des Falles muss der Versicherer die komplette Versicherungssumme iH von 70 000 Euro (Differenz zwischen Selbstbeteiligung und Break-Even) an I. Wendt auszahlen. I. Wendt kommt daher durch die Verkäufe (100 000 Euro) und die Versicherungszahlung (70 000 Euro) auf 170 000 Euro. Das Konzert verursachte somit einen Verlust von 30 000 Euro, den er selbst tragen muss, weil er zu optimistisch bei seiner Prognose war.
878
329
Teil F
Haftung und Versicherungen
" Praxistipp: Der Abschluss einer solchen Versicherung ist kostspielig, da das unternehmerische Planungsrisiko durch die Versicherung getragen wird. In den meisten Fällen dürften die hohen Kosten einer Shortfall-Guarantee-Versicherung den Abschluss unökonomisch werden lassen.
e) Imageverlust- und Sponsorenausfall-Versicherung 878a
Bei dieser Spezialversicherung wird der Vermögensschaden versichert, der dem Veranstalter dadurch entsteht, dass ein Event oder eine Werbekampagne nicht gestartet, verschoben, abgebrochen oder modifiziert werden muss. Der wirtschaftliche Erfolg einer Veranstaltung, Werbekampagne kann unberechenbar werden. Investoren und Sponsoren brauchen zusätzliche Sicherheit, wenn sie sich finanziell in Engagements begeben, die vom Erfolg einer einzelnen Person abhängen. Im Rahmen dieser Versicherung werden die vergeblich aufgewendeten Kosten ersetzt, die angefallen sind, weil eine Werbekampagne deshalb nicht stattfinden kann, infolge dass die verpflichtete Person erkrankt, verunfallt, verstirbt, invalide wird oder einen infolge kriminellen Verhaltens, Verletzung des öffentlichen Geschmacks sowie Beleidigung oder Schockierung der Öffentlichkeit einen Imageverlust erleidet, der die Verwendung der bereits produzierten Werbung oder die Weiterführung einer Kampagne unmöglich macht. f) Umweltschadenversicherung
878b
Im November 2007 ist das neue Umweltschadengesetz (USchadG) in Kraft getreten.91 Das Gesetz gilt für Umweltschäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht werden, die ab dem 30.4.2007 stattgefunden haben (sog. unechte Rückwirkung). Es wird Versicherungsschutz angeboten für Schäden infolge einer plötzlichen und unfallartigen Störung eines Betriebes. Schäden infolge des Normalbetriebes sind praktisch nicht versicherbar.
878c
Die Umweltschadenversicherung (USV) erinnert im Aufbau und Regelungsinhalten sehr stark an die bekannte Umwelthaftpflichtversicherung (UHV). Im Gegensatz zur UHV, welche sich mit privatrechtlichen Ansprüchen befasst, befasst sich die USV mit öffentlich-rechtlichen Ansprüchen. Das heißt, die UHV bleibt zur Versicherung von privatrechtlichen Schadensersatzansprüchen Dritter neben der USV bestehen. Wie bereits geschildert, befasst sich die USV mit öffentlich-rechtlichen Ansprüchen der Behörden. Von den meisten Versicherungsgesellschaften werden eine sog. Grunddeckung sowie Zusatzversicherungen angeboten.
878d
Die Grunddeckung bietet idR Versicherungsschutz in Hinsicht auf öffentlichrechtliche Ansprüche durch plötzlich und unfallartig, während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages eingetretene Störfälle. Gedeckt werden die Kosten einer primären/ergänzenden Sanierung oder Ausgleichssanierung von 91 Siehe dazu auch Rz. 1137a.
330
III. Event und Versicherung
Teil F
geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen und von Oberflächengewässern außerhalb des eigenen oder gemieteten Grundstückes. Sanierungskosten am Boden dieser fremden Grundstücke jedoch nur, soweit ein erhebliches Risiko einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit besteht. Ersetzt werden in vorgenannten Fällen Kosten für die Sanierung einschließlich notwendiger Gutachter-, Sachverständigen-, Anwalts-, Zeugen-, Verwaltungsverfahrensund Gerichtskosten. Ersetzt werden auch Aufwendungen vor Eintritt eines Versicherungsfalles. Der Versicherungsfall ist die nachprüfbare erste Feststellung des Umweltschadens durch den Versicherungsnehmer, die zuständige Behörde oder einen sonstigen Dritten. Wichtige Ausschlüsse der Grunddeckung sind: – Kfz-Ausschluss – Schäden an eigenen/gepachteten Grundstücken/eigenen Gewässern – Grundwasser – Vorschäden – Schäden durch Verkleckerung und Verplanschung – Notwendige oder in Kauf genommene Umwelteinwirkungen (hierbei kann es sich auch um den notwendigen Weiterbetrieb einer geschädigten Anlage mit Inkaufnahme höherer Emissionen handeln) – Elementarschäden (insbesondere Überschwemmungen etc.) – Zwischenlagerung von Abfällen (zB Altölen) ohne behördliche Genehmigung. Von besonderer Bedeutung ist der Kfz-Ausschluss. Nach den derzeit bestehenden Kraftfahrzeughaftpflicht-Versicherungsbedingungen besteht nämlich nur Versicherungsschutz für privatrechtliche Schadenersatzansprüche. Damit werden Ansprüche nach dem Umweltschadensgesetz nicht erfasst. Die Kraftfahrzeugversicherer reagierten zwischenzeitlich auf diese Deckungslücke. Teilweise wird bereits Deckungsschutz zur Verfügung gestellt (manchmal mit extrem engen Obliegenheiten – zB Meldung des Schadeneintritts spätestens innerhalb einer Stunde nach dem Austreten umweltgefährdender Stoffe). Die Grunddeckung zielt demnach im Wesentlichen darauf ab, Versicherungsschutz für durch Störfall verursachte Schäden an geschützten Arten natürlichen Lebensräumen und an offenen Gewässern außerhalb des eigenen/gepachteten Betriebsstandortes zu bieten. Wer diesen Versicherungsumfang für ungenügend hält, kann Zusatzversicherungen abschließen. Diese bieten beispielsweise Versicherungsschutz für geschützte Arten und natürliche Lebensräume sowie für Schäden auf eigenen/gemieteten Grundstücken und an eigenen/gemieteten Gewässern. Es besteht auch die Möglichkeit, Versicherungsschutz für Schäden am Grundwasser zu erwerben. Darüber hinaus bieten diese Zusatzversicherungen Versicherungsschutz im Hinblick auf Ansprüche wegen Schäden am eigenen/gemieteten Boden. Dies gilt allerdings nur, soweit von diesem Boden Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen. Gerade die Möglichkeit, Schäden am Grundwasser zu versichern, ist Ausdruck eines erheblichen Umdenkungsprozesses in der Versicherungswirtschaft. Ein 331
878e
Teil F
Haftung und Versicherungen
derartiger Versicherungsschutz war bislang praktisch nicht erhältlich. Gleichwohl können zuständige Behörden weitergehende Sanierungsmaßnahmen am Boden auf Grundlage des Bundesbodenschutzgesetzes fordern. Diese können grundsätzlich mit einer Bodenkaskoversicherung versichert werden. Sie greift für Ansprüche nach dem Bodenschutzgesetz für Schäden am eigenen/gemieteten Boden durch ein plötzliches und unfallartiges Ereignis. g) Gewinnspiel- und Preisgeldversicherung 878f
Über diese Spezialversicherung wird der Vermögensschaden, der dem Veranstalter dadurch entsteht, dass ein ausgelobter Gewinn oder ein ausgelobtes Preisgeld fällig wird. Ersetzt wird der Nettoverlust, der entstanden ist in Form von vertraglich vereinbarten Preisgeld/Gewinnauszahlungen. Versichert werden können beispielsweise Fernsehshows, Jubiläen, Firmenevents und Preisgelder. h) Veranstaltungsrechtsschutzversicherung
878g
Es gibt auch die Möglichkeit eine Rechtsschutzversicherung für Musik- und Konzertveranstaltungen, Sportveranstaltungen, Kirmes-, Stadt- und Schützenfeste, Ausstellungen und Events aller Art abzuschließen. Versichert wird hierbei die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit der Vorbereitung, Durchführung und Beendigung der beschriebenen Veranstaltung bzw. Veranstaltungsserie.
4. Die Versicherung von Sportveranstaltungen 879
Besonderheiten existieren für den Bereich von Sportveranstaltungen. Für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Sporthilfe e.V. als Selbsthilfeeinrichtung des Landessportbundes NRW folgende Aufgaben zu erfüllen: – Unterhaltung eines Krankenhauses für Sportverletzte, – Ermöglichung einer kollektiven Unfallversicherung für alle organisierten Sportler in NRW, – Einrichtung einer Unfallzuschusskasse, – sportmedizinische Forschung, – Förderung der Sportunfallverhütung.
880
Der Versicherungsschutz bezieht sich auf die Veranstaltungen, die üblicherweise von einem Verein (bzw. Verband) durchgeführt werden. Dazu zählen zB Training, Wettkämpfe, sportliche Demonstrationen, Versammlungen, Tagungen, Lehrgänge, Abteilungs- oder Ausschusssitzungen oder nicht öffentliche gesellige oder gesellschaftliche Veranstaltungen.
881
Die Landessportbünde haben Gruppenversicherungsverträge mit Versicherungsunternehmen zugunsten der Vereinsmitglieder und Funktionäre der ihnen angeschlossenen Sportvereine abgeschlossen. Diese Verträge entfalten auch Wirkung zugunsten von Nichtmitgliedern für die Teilnahme an Sportveranstal332
Teil F
III. Event und Versicherung
tungen, die von Sportverbänden oder Sportvereinen organisiert werden (zB Volksläufe). Abb. 52: Versicherte bei der Sporthilfe e.V. im LSB/NW Organisationen
Personen
– Landessportbund – Mitgliedsverbände – Kreis- und Stadtsportbünde – Stadt- und Gemeindesportverbände – Vereine
– – – –
Aktive und passive Mitglieder Ehrenamtlich tätige Personen Funktionäre Übungsleiter, Trainer, Schieds-, Kampf-, Ziel- und Linienrichter – Entgeltlich und unentgeltlich tätige Personen, Angestellte und Arbeiter – Mitglieder, die freiwillig an Bauobjekten, Wartungs-/Instandsetzungsarbeiten ihres Vereins mithelfen – Nichtmitglieder (im Rahmen der Volkswettbewerbe und Trimm-Aktionen)
In der Sportversicherung enthalten sind folgende Versicherungen, die allerdings erst dann eintreten, wenn die sonstigen Möglichkeiten (zB private Haftpflichtversicherung) ausgeschöpft sind.
882
a) Sportunfallversicherung Im Unterschied zu den allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen schließt diese typische sportspezifische Risiken ein. Sie gilt in erster Linie im Todesfall und im Invaliditätsfall. Invalidität liegt vor, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit als Folge eines Unfalls dauernd beeinträchtigt ist. Weitere Leistungen sind ferner zB Übergangsgeld (bei Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bis zur abschließenden Feststellung der Invalidität), Tagegeld/Nachhilfestunden (bei Arbeitsunfähigkeit = entspricht der Lohnfortzahlung) oder Bergungskosten.
883
b) Sport-Haftpflichtversicherung Diese tritt für Schäden ein, die aufgrund der Vereins- bzw. Verbandstätigkeit entstehen können. Sie deckt die Befriedigung berechtigter und die Abwehr unberechtigter gesetzlicher Schadensersatzansprüche Dritter gegenüber Verbänden, Vereinen, Funktionären oder Vereinsmitgliedern (bei Vereinstätigkeit, insbesondere Sportausübung im Verein) ab. Der Haftpflichtversicherungsschutz ist sehr weitgehend. Beispiel Sehen die Versicherungsbedingungen einer Sportversicherung vor, dass sich eine Kfz-Zusatzversicherung auf die Selbstbeförderung eines Betreuers mit seinem Pkw zu einem Auswärtsspiel erstreckt, so ist nach Ansicht des OLG Düsseldorf der auf einer solchen Fahrt entstandene Kaskoschaden am Pkw des Betreuers auch dann versichert, wenn er die Mannschaft einer Spielgemeinschaft mit Spielern aus zwei Vereinen betreut und er
333
884
Teil F
Haftung und Versicherungen
nicht dem Verein angehört, der die Versicherung abgeschlossen hat, sondern dem anderen Verein. Besteht Versicherungsschutz nur auf dem direkten Wege zu einer Veranstaltung und bleibt der Schutz bei einer Unterbrechung der Fahrt erhalten, solange der zeitliche und räumliche Zusammenhang mit der Veranstaltung gewahrt ist. Sehen die Bedingungen vor, dass auch Fahrten zur Beförderung von unmittelbar bei der versicherten Veranstaltung benötigten Sportgeräten mitversichert sind, so deckt die Versicherung den Unfall, der sich beim Abholen der Trikots für das Spiel ereignet hat, weil es sich bei den Trikots um Sportgeräte im Sinne der Bedingungen handelt.92
So sind hier zB eingeschlossen die Haftpflicht – aus satzungsgemäßen Veranstaltungen, – als Eigentümer, Mieter, Pächter von Grundstücken und Einrichtungen, die den satzungsgemäßen Zwecken zu dienen bestimmt sind, – aus Besitz und Verwendung von Arbeitsmaschinen, – als Halter eigener Wasserfahrzeuge etc. 885
Der BGH fordert Vorkehrungen gegen Gefahren durch unerlaubte und vorsätzliche Eingriffe Dritter, wenn nach sachkundigem Urteil die Möglichkeit von Verletzungen besteht. Dies führt zu einer Verpflichtung des Veranstalters zu prüfen, mit welchen Zwischenfällen aufgrund bisheriger Erfahrungen zur rechnen ist und welche Maßnahmen zur Vermeidung getroffen werden können. Der Veranstalter muss dabei folgende Punkte berücksichtigen: – die Art und Schwere der drohenden Gefahr, – die Art und Schwere des möglichen Schadens, – die Möglichkeit der Gefahrbeherrschung, – die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, – die Möglichkeit der Selbstvermeidung der Schäden durch den Geschädigten, – die Zumutbarkeit zur Selbsttragung des Schadens, – der Umfang der Schadensverhinderungskosten.
886
Zu den vorhersehbaren Risiken gehörten Zuschauerausschreitungen und Gewalttätigkeiten in Sportstadien. Für den Bereich von Großveranstaltungen wurde in Deutschland folgender Pflichtenkatalog diskutiert: – ausreichende Einlasskontrollen, – ausreichende Organisation während der Veranstaltung zur Sicherung von verschiedenen Fangtruppen, – ausreichende Organisation von Fluchträumen, – Einsatz von ausreichend qualifizierten Personal, – ausreichende Sanitätskräfte, – ständige Beobachtung und Kontrolle von Zuschauern.
887
Seit dem 11.9.2001 gehören auch Terroranschläge zu den vorhersehbaren Risiken bei einer Großveranstaltung.
888
Auch in Deutschland müssen Eigentümer von Sportstätten und Veranstalter von Sportereignissen, insbesondere bei Großveranstaltungen, über erhöhte Sicher92 OLG Düsseldorf v. 10.6.2003 – I-4 U 241/02, OLGReport 2004, 383.
334
III. Event und Versicherung
Teil F
heitsvorkehrungen nachdenken, um dem gewaltigen Haftungspotential entgegen zu wirken. 889
Denkbare Antiterrormaßnahmen sind: – Ausschluss von Überflugrechten während der Veranstaltungen, – Verwendung von Metalldetektoren, – Verbot von Rucksäcken, – Parkverbote in der Nähe der Sportstätten, – Fahrzeugkontrollen auch bei legitimierten Fahrzeugen, – erhöhtes Sicherheitspersonal, – zusätzliches Überwachungs- und Beobachtungsgerät, – Notfallschulungen des Personals, – Notfallpläne. Beispiel Die verschärften Sicherheitsvorkehrungen bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City/USA zur Verhinderung von Anschlägen und Absicherung der Sportveranstaltungen kosteten ca. 310 Millionen Dollar. Die Organisatoren der Olympischen Spiele 2004 in Athen setzten ebenfalls auf höchstmögliche Absicherung der Veranstaltungen. Es wurden 45 000 speziell trainierte Sicherheitskräfte eingesetzt. Die Sicherheitsmaßnahmen werden insgesamt auf ein Kostenvolumen von 621 Mio. Euro geschätzt.
c) Vertrauensschadenversicherung Diese sieht eine Erstattung der nachgewiesenen Vermögensverluste vor, wenn „Vertrauenspersonen“, zB ein Kassenwart, den Verband oder Verein um Gelder betrügen, Urkunden fälschen, Unterschlagungen oder Untreue begehen. Auch Raub, Erpressung, Diebstahl und Betrug gegenüber Vertrauenspersonen sind von der Versicherung umfasst.
890
d) Reisegepäckversicherung Sie bezieht sich auf Auslandsreisen und versichert Vereinsmitglieder gegen Verlust oder Beschädigung des Reisegepäcks.
891
e) Sport-Krankenversicherung Die Sport-Krankenversicherung tritt erst dann ein, wenn die Kosten oder ein Teil der Kosten für die Heilbehandlung nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Sie gewährt aber im Gegensatz zur normalen Krankenversicherung auch Zuschüsse zu beschädigten Brillen, Sportbrillen oder Kontaktlinsen. Auch bei Zahnbehandlung und Zahnersatz gehen die Leistungen der Sport-Krankenversicherung über die der anderen Krankenkassen hinaus. Im Falle eines Sportunfalls werden auch die Rückbeförderungskosten der verletzten Person übernommen.
335
892
Teil F
Haftung und Versicherungen
u
M 20
Fragebogen zur Veranstaltungsversicherung (hier: Fragebogen der Sporthilfe e.V.)
Bitte vollständig ausgefüllt und unterschrieben zurückschicken an: Versicherungsbüro bei der Sporthilfe e.V. Musterstraße 9 99999 Musterstadt Fragebogen zur Veranstaltungsversicherung Wir bitten um Prüfung und Stellungnahme zum Versicherungsschutz für die nachfolgend beschriebene Veranstaltung: Name und Anschrift des zuständigen Mitgliedes: (auch Telefon-Nummer – tagsüber –) Art der Veranstaltung: (Kurze Programmbeschreibung bzw. Ausschreibung zur Veranstaltung bitte beifügen) Veranstalter/Ausrichter: Vereinskennziffer: Veranstaltungsort: Veranstaltungszeitraum: Der Versicherungsschutz soll folgende Risiken beinhalten: – Öffentliche Tanzveranstaltung/ Festveranstaltung Geschätzte Besucherzahl: – Vereinsinterne Tanzveranstaltung/Festveranstaltung – Festzug – Teilnehmer überwiegend Mitglieder von Vereinen im LSB NW – Festzug – Teilnehmer überwiegend nicht Mitglieder von Vereinen im LSB NW Geschätzte Teilnehmerzahl: – Festzelt – Schäden am Zelt Wert des Zeltes Euro – Schäden an gemieteten unbeweglichen Sachen – Verkaufsstände (z.B. Grillstand, Bierstand) Anzahl der Stände: – Schießbuden/-stände (mobil) Anzahl der Schießbuden/-stände:
– Mobile Tribünen (keine Bühnen) Anzahl der Stab- und Sitzplätze: – Auf- und Abbau von Tribünen Anzahl der Steh- und Sitzplätze: – Pferde (ausgenommen Gespanne) Anzahl der Pferde: – Kutschen/Pferdewagen Anzahl der Gespanne: – Böller, Mörser, Schallkanonen Anzahl der Geräte: – Feuerwerk Wert: Euro – Transparente/Lichterketten/Reklametafeln Anzahl: – Sonstige Risiken (z.B. Auflagen der Behörde)
Ort, Datum
Unterschrift/Stempel des Vereins
336
III. Event und Versicherung
Teil F
f) Sport-Rechtsschutzversicherung Diese übernimmt das Kostenrisiko, wenn es darum geht, eigene Schadensersatzansprüche gegenüber Dritten durchzusetzen oder sich in einem Strafverfahren wegen der Vereinstätigkeit verteidigen zu müssen.
893
In Ergänzung zur Sportversicherung besteht eventuell weiterer Versicherungsbedarf. Mögliche Zusatzversicherungen sind zB: – KFZ-Zusatzversicherung (zB Fahrten von Mitgliedern zu Veranstaltungen), – Haftpflichtversicherung für Reit- und Fahrvereine/Wassersportvereine, – Haftpflichtversicherung für Festveranstaltungen, – Reiseversicherung, – Gebäude- und Gebäudeinhaltsversicherung.
894
Checkliste: Versicherungen Immer abschließen: Veranstaltungshaftpflicht fi Sind Bearbeitungs- und Verarbeitungsschäden mit versichert? fi Sind Transportschäden mit versichert? fi Sind besondere veranstaltungsimmanente Risiken (Pyrotechnik, Feuerwerke) zu versichern? fi Sind besondere äußere Risiken (Naturkatastrophen, Streiks) zu versichern? fi Ist das Umweltschadenrisiko inkludiert? Bei Wetter-/Künstlerrisiko abschließen: Veranstaltungsausfallversicherung Für angemietete oder firmeneigene Technik abschließen: Elektronik/-Veranstaltungsgüterversicherung fi Gilt eine Diebstahlsversicherung auch für die Nachtzeit (nach 22.00 Uhr)? fi Ist der Zeit- oder Neuwert versichert?
337
Teil G Event und Arbeitsrecht Beispiel I. Wendt ist in der Aufbauphase und muss dementsprechend vorsichtig disponieren. Mit einem festangestellten Mitarbeiter trifft Herr Wendt die Vereinbarung, dass er in den ersten beiden Jahren nach der Geschäftseröffnung bei einer 6-Tage-Woche 20 Werktage Urlaubsanspruch hat. Danach sollen 25 Werktage vertraglich fixiert werden. Wäre eine derartige vertragliche Vereinbarung wirksam?
I. Einführung 895
Das Arbeitsrecht kann als das Sonderrecht der Arbeitnehmer definiert werden. Eine Kodifizierung des gesamten Arbeitsrechtes durch den Gesetzgeber hat bis heute nicht stattgefunden. Das Arbeitsrecht ist teilweise Privatrecht, teilweise öffentliches Recht. Vorschriften sind in zahlreichen Gesetzen und Verordnungen zu finden. Privates Arbeitsrecht wird in Individualarbeitsrecht und kollektives Arbeitsrecht unterteilt. Das öffentliche Arbeitsrecht regelt vor allem den Arbeitsschutz. Daneben gibt es noch eine Reihe von Grundsätzen, die das Arbeitsrecht beherrschen. Außerdem gibt es das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), das gegenüber der Zivilprozessordnung (ZPO) Sonderregelungen für arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen enthält.
II. Arbeitsrechtliche Begriffe 896
Im Anschluss sollen die wesentlichen Begriffe des deutschen Arbeitsrechtes in kurzer Form beleuchtet werden.
1. Individualarbeitsrecht 897
Zunächst soll der Bereich des Einzel- oder Individualarbeitsrechts behandelt werden. Das Individualarbeitsrecht regelt die rechtlichen Beziehungen des einzelnen Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber und ihre beidseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Dazu zählen die Zahlung von Arbeitslohn, Gratifikationen, Incentives und Ruhegeldern, die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern, das Kündigungsrecht, die Haftung der Parteien sowie die Treuepflicht des Arbeitnehmers und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.1
1 Auf den Bereich des Individualarbeitsrecht wird in Rz. 929 ff. und 985 ff. unter eventspezifischen Gesichtspunkten näher eingegangen.
338
II. Arbeitsrechtliche Begriffe
Teil G
2. Kollektives Arbeitsrecht Das kollektive Arbeitsrecht befasst sich mit den rechtlichen Bestimmungen, die die Existenz, Organisation und Funktion der Koalitionen (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) und Belegschaften, sowie ihre rechtlichen Beziehungen zu ihren Mitgliedern und Verhandlungsgegnern regeln. Zum kollektiven Arbeitsrecht zählt insbesondere das Koalitionsrecht, das Arbeitskampfrecht (Streik, Aussperrung), das Tarifvertragsrecht und die Betriebsverfassung. Größere Veranstaltungsagenturen könnten unter die Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts fallen. Ziel des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist es, die Mitarbeiter in die Gestaltung der Arbeitsbedingungen einzubeziehen. Die Betriebsverfassung enthält die Regelungen, nach denen sich im Betrieb das Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vollzieht.
898
Betriebsverfassungsrechtliche Organe sind zB: – Betriebsversammlung, – Betriebsrat, – Betriebsratsausschüsse.
899
Je nach Zahl der Mitarbeiter besteht die gewählte Vertretung der Arbeitnehmer (Betriebsrat) entweder aus einer Person oder mit zunehmender Arbeitnehmerzahl jeweils aus zwei Mitgliedern mehr.
900
Gewählt wird der Betriebsrat alle vier Jahre von der Belegschaft. Je nach Größe des Betriebs besteht der Betriebsrat aus einem Mitglied bis über 35 Mitgliedern. Je nach Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb muss der Arbeitgeber ab 200 Arbeitnehmern ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder freistellen. Eine der wichtigsten Aufgaben des Betriebsrats ist es, darüber zu wachen, dass die zugunsten von Arbeitnehmern erlassenen Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Außerdem hat er die Interessen der Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten, Anregungen aus der Belegschaft zu prüfen und an den Arbeitgeber weiterzuleiten.
900a
Betriebsräte bestimmen mit bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen und -zeiten, bei Einstellung und Versetzung. Sie müssen vor jeder Kündigung gehört werden. Und sie achten auf die richtige Umsetzung eines Tarifvertrages. Wenn sich die Arbeitsbedingungen ändern, können Betriebsräte auch selbst initiativ werden.
900b
Der Betriebsrat hat auch darauf zu achten, dass alle Arbeitnehmer nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit gleich behandelt werden. Insbesondere soll er dafür sorgen, dass jede unterschiedliche Behandlung wegen der Abstammung, der Religion, der Nationalität, der Herkunft, der politischen Einstellung oder gewerkschaftlicher Betätigung sowie des Geschlechts oder der sexuellen Identität unterbleibt. Sollen Arbeitszeitkonten eingeführt werden, so kann der Betriebsrat mit der Geschäftsleitung eine Betriebsvereinbarung aushandeln. Gelingt es nicht, sich mit dem Arbeitgeber zu einigen, kann der Betriebsrat in vie-
900c
339
Teil G
Event und Arbeitsrecht
len Fragen die Einigungsstelle anrufen. Kommt es zu keiner Einigung mit dem Betriebsrat, entscheidet nach § 87 Abs. 2 BetrVG eine Einigungsstelle verbindlich. Bei der Einigungsstelle handelt es sich um eine Art Schlichtungsstelle, die von Betriebsrat und Arbeitgeber paritätisch besetzt wird und die einen neutralen Vorsitzenden bekommt (idR ein Richter des Arbeitsgerichts). In allen Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG fällt diese Einigungsstelle, wenn es auch in dem Einigungsstellenverfahren nach § 76 BetrVG zu keiner Einigung kommt, eine verbindliche Entscheidung. Der Einigungsstellenspruch ist für Arbeitgeber und Betriebsrat verbindlich. 900d
Damit nicht genug: Eine Regelung, die auf der Basis des § 87 BetrVG zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat zustande gekommen ist, bleibt auch im Falle einer einseitigen Kündigung der Vereinbarung weiterhin gültig. Die alte Betriebsvereinbarung gilt solange weiter, bis eine neue einvernehmliche Regelung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat getroffen wurde! Dies gilt übrigens für alle Betriebsvereinbarungen, die per Einigungsstelle erzwingbar sind. Das schafft Rechtssicherheit für die Belegschaft. Und Sicherheit schafft Freiräume für kreatives Arbeiten.
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Der Betriebsrat hat ein Recht auf 1. Mitbestimmung (betriebliche Maßnahmen werden erst mit Zustimmung durch den Betriebsrat wirksam). Gäbe es bei den Beteiligungsrechten des Betriebsrats eine Rangfolge, würde ohne Zweifel der § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes an der Spitze stehen. Es kann daher zu Recht von dem Kernbereich der betrieblichen Mitbestimmung gesprochen werden. Die herausragende Stellung dieses § 87 im Betriebsverfassungsrecht ergibt sich durch das Recht des Betriebsrats, wesentliche betriebliche Arbeitsbedingungen auf der Grundlage gleichberechtigter Mitbestimmung verbindlich mitzugestalten. Mitbestimmung bedeutet: Der Arbeitgeber darf in diesen Regelungsfragen nicht einseitig handeln. Die im Rahmen dieses § 87 Abs. 1 BetrVG zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung zustande gekommenen Regelungen sind Betriebsvereinbarungen. Sie gelten zwingend für alle Arbeitnehmer des gesamten Betriebs, bzw. für den in der jeweiligen Vereinbarung benannten Arbeitsbereich bzw. für die darin beschriebene Arbeitnehmergruppe. Beispiele Einführung von Stechuhren, Tor- und Taschenkontrollen, Radioverbot im Betrieb, Beginn und Ende der Arbeitszeit, Pausenregelungen, Einführung von Bereitschaftszeiten, Anordnung von Überstunden/Kurzarbeit, Einführung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen, Arbeitsplatzausschreibungen, Personalbögen etc.
Rechtsfolge der Missachtung: Maßnahmen unter Missachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind unwirksam. Die Mitbestimmung ist erzwingbar. 2. Mitwirkung (der Betriebsrat hat das Recht, Vorschläge zu machen und mit dem Arbeitgeber zu beraten) (sog. Initiativrecht). 340
II. Arbeitsrechtliche Begriffe
Teil G
Der Betriebsrat ist keineswegs darauf angewiesen, abzuwarten, ob der Arbeitgeber zu bestimmten Fragen beispielsweise der Ordnung des Betriebs oder zu betrieblichen Entgeltfragen Vorstellungen entwickelt und an den Betriebsrat herantritt. Vielmehr kann der Betriebsrat auch von sich aus initiativ werden und zB Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie Vorschläge über den Gesundheitsschutz oder Regelungen zur Verhinderung von unangemessenen Leistungs- und Verhaltenskontrollen und dergleichen auf den Tisch legen und die Verwirklichung solcher Regelungen fordern. Beispiele Vorschlag von Kurzarbeit durch den Betriebsrat, Maßnahmen in Bezug auf soziale, personelle und wirtschaftliche Angelegenheiten, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen.
Rechtsfolge der Missachtung: Die Anregungen können nicht zwangsweise durchgesetzt werden. 3. Information (der Betriebsrat hat das Recht, über betriebliche Vorgänge unterrichtet zu werden). Der Betriebsrat hat nach § 80 Abs. 2 BetrVG ein sehr weitgehendes Informationsrecht, danach muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle Angelegenheiten informieren, bei denen die Möglichkeit besteht, dass gesetzliche Aufgaben des Betriebsrates berührt sind. Darüber hinaus hat der Betriebsrat noch besondere Informationsrechte bei Veränderung der Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe, bei der Personalplanung, bei der Berufsbildung und bei allen betriebsändernden Maßnahmen. Rechtsfolge der Missachtung: Verweigert der Arbeitgeber Informationen, kann der Betriebsrat seinen Informationsanspruch gerichtlich durchsetzen. Die innerbetriebliche Mitbestimmung ist nicht an die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband gebunden. Nach dem BetrVG muss ein Betriebsrat bei einer Mindestzahl von fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern (auf Verlangen der Arbeitnehmer) eingerichtet werden.
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3. Günstigkeitsprinzip Da es zum Teil sich widersprechende Vorschriften und Abmachungen geben kann, gilt im Arbeitsrecht das Günstigkeitsprinzip. Danach darf eine Abmachung oder Vorschrift nur dann für einen Arbeitnehmer gelten, wenn es auf der nächsthöheren Stufe keine für ihn günstigere Regelung gibt.
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Teil G
Event und Arbeitsrecht
Abb. 53: Stufen des Günstigkeitsprinzips Grundgesetz › Gesetze › Tarifverträge › Betriebsvereinbarungen › Individueller Arbeitsvertrag
904
Für den Praxisfall und den Agenturinhaber I. Wendt bedeutet das: Im individuellen Arbeitsvertrag sind 20 Werktage Urlaub vereinbart. Da das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in § 3 Abs. 1 BUrlG aber mindestens 24 Werktage Urlaub (also 4 Wochen bei einer 6-Tage-Woche) vorschreibt, ist die Regelung im Arbeitsvertrag nichtig. Es gilt die gesetzliche Regelung.
4. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz/Gleichbehandlungsgesetz 905
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein privatrechtlicher Grundsatz, der die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen, in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern verbietet.
906
Dieser Grundsatz wirkt anspruchsbegründend, wenn der Ausschluss bestimmter Arbeitnehmer von der Leistungsgewährung unwirksam ist (zB wenn einige Arbeitnehmer Urlaubs- oder Weihnachtsgeld erhalten, andere aber nicht).
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Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist immer dann anwendbar, wenn: – eine Gruppenbildung vorliegt, – ein Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht (gleichgültig ob Arbeits- oder Ruhestandsverhältnis) und die Arbeitnehmer im gleichen Betrieb beschäftigt sind, – eine unsachgemäße Differenzierung vorliegt.
908
Eine unsachgemäße Differenzierung liegt immer dann vor, wenn sie aus den in Art. 3 Grundgesetz (GG) oder § 75 BetrVG aufgezählten Gründen erfolgt (zB Differenzierung zwischen Frauen und Männern). Weiterhin ist eine Differenzierung unwirksam, wenn sie gegen die Billigkeit verstößt.
908a
Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist die Regierungskoalition ihrer Verpflichtung nachgekommen, vier europäische Antidiskriminierungsrichtlinien in deutsches Recht zu überführen. Die EU-Richtlinien und somit auch das nunmehr vorliegende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sehen in ihrem arbeitsrechtlichen Teil vor, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten vor Benachteiligungen wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale 342
II. Arbeitsrechtliche Begriffe
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Teil G
Geschlecht, Behinderung, Alter, Rasse oder ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, sexuelle Identität,
schützen soll.2 Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind unwirksam. Hierunter fallen Arbeitsverträge, aber auch kollektivrechtliche Regelungen wie Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge. Eine bloße so genannte „geltungserhaltende Reduktion“, nach der eine unzulässige Bestimmung so ausgelegt wird, dass sie mit dem Gesetz vereinbar ist, ist nicht möglich. Eine Benachteiligung durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten. Das Gesetz ist am 18. August 2006 in Kraft getreten. Da es für die arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbote keine Übergangsfristen gibt, müssen Arbeitgeber kurzfristig dafür sorgen, dass ihre betrieblichen Abläufe und Strukturen und alle arbeitsrechtlichen Verträge und Maßnahmen mit dem AGG vereinbar sind. Anderenfalls drohen Schadensersatzklagen sowie die Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Maßnahmen.
908b
Der arbeitsrechtliche Teil des AGG findet gemäß § 6 AGG Anwendung auf Beschäftigte. Beschäftigte iS des Gesetzes sind: – Arbeitnehmer/innen (einschließlich Leiharbeitnehmer), – zur Berufsbildung Beschäftigte (zB Auszubildende), – Bewerber/innen, – Arbeitnehmer/innen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist, – arbeitnehmerähnliche Personen (einschließlich Heimarbeiter).
908c
Im Hinblick auf den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg, gelten die Benachteiligungsverbote des AGG auch für Selbstständige und Organmitglieder (insbesondere Geschäftsführer/innen und Vorstände) entsprechend.
908d
Der sachliche Anwendungsbereich des AGG umfasst neben dem laufenden Arbeitsverhältnis auch das Bewerbungsverfahren. Eine Benachteiligung kann unmittelbar durch Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen erfolgen. Denkbar ist auch die mittelbare Benachteiligung, die dem Anschein nach keine Person ungleich behandelt, bei genauerer Betrachtung aber dennoch benachteiligt.
908e
Beispiele Frauen werden mittelbar benachteiligt, wenn bei der Berechnung der Beschäftigungszeit für eine Abfindung oder Eingruppierung die Elternzeit nicht mitgerechnet wird, weil überdurchschnittlich viele Frauen die Elternzeit nutzen. 2 Münchener Kommentar.AGG/Thüsing, § 1 AGG Rz. 50 ff.
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Weiterhin fallen unter den Begriff der Benachteiligung auch Belästigungen (zB Anfeindung, Einschüchterung, Entwürdigung, Erniedrigung und Beleidigung) einschließlich sexueller Belästigungen.
908f
Benachteiligungen wegen eines der genannten Diskriminierungsmerkmale sind im Einzelnen unzulässig in Bezug auf: – Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit sowie für den beruflichen Aufstieg; – die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen (Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge); – Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg; – den Zugang zu allen Formen der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung;
908g
Für Kündigungen sollen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Unter Juristen wird aber diesbezüglich bereits über die Wirksamkeit dieser Einschränkung diskutiert, da sie in den EU-Richtlinien nicht vorgesehen ist.3 Nach dem reinen Gesetzeswortlaut dürfte es bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung an sich nicht statthaft sein, die Kündigung auch auf einen Benachteiligungsverstoß zu überprüfen. Es ist jedoch zu erwarten, dass in der Praxis gleichwohl auch im Rechtsstreit wegen einer Kündigung, insbesondere in Kleinbetrieben, in denen das Kündigungsschutzgesetz nicht greift, die Frage der Diskriminierung eine zunehmende Rolle spielen wird. Die besonderen Regelungen für Schwerbehinderte nach SGB IX bleiben unberührt.
908h
Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der Diskriminierungsmerkmale ist zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Eine Ungleichbehandlung kann für diese Fälle nicht durch Erwägungen der bloßen Zweckmäßigkeit zulässig werden. Vielmehr muss die an den Beschäftigten gestellte Anforderung erforderlich sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen beruflichem Zweck und Schutz vor Benachteiligung standhalten. Beispiel Für einen Bauarbeiter stellt die körperliche Belastbarkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar. Eine Person mit schwerer körperlicher Behinderung wird diesen Beruf daher in der Regel nicht ausüben können.
3 Münchener Kommentar.AGG/Thüsing, § 2 AGG Rz. 14 ff.
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II. Arbeitsrechtliche Begriffe
Teil G
Bei einer Behinderung des Bewerbers muss sich der Arbeitgeber aber fragen, ob eine Beschäftigung trotz dieser Behinderung durch geeignete Maßnahmen oder Hilfsmittel (zB Rampen für Rollstuhlfahrer, Seh- und Hörhilfen) ermöglicht werden kann. Grundsätzlich dürfen Behinderte nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Allerdings darf der Arbeitgeber auch nicht durch unverhältnismäßig hohe Kosten belastet werden.
908i
Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung ist bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften im Einzelfall zulässig.
908j
Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist nach § 10 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, wobei die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein müssen. Da eine solche Formulierung nichts anderes aussagt, als dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen hat, sind die Regelbeispiele in § 10 Nr. 1–8 AGG besonders heranzuziehen.
908k
Dies schließt insbesondere Folgendes ein: – Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung insbesondere von Jugendlichen und älteren Beschäftigten zu fördern; – Mindestalter/Berufserfahrung für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte Vorteile, insbesondere für Urlaubsregelungen; – Höchstalter für die Einstellung auf Grund spezifischer Ausbildungsanforderungen oder der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Ruhestand; – Festsetzung von Altersgrenzen bei Systemen der sozialen Sicherheit; – Vereinbarungen, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung ab Erreichen des Rentenalters vorsehen. Beispiel Die Neueinstellung eines 64jährigen Bewerbers kann zum Beispiel dann abgelehnt werden, wenn die Einweisung am Arbeitsplatz aufwendig ist und betriebswirtschaftlich eine nur kurze Beschäftigungszeit vor Eintritt in den Ruhestand nicht sinnvoll erscheint.
Die bevorzugte Einstellung von Personen mit Berufserfahrung wäre dann zulässig, wenn die Einarbeitung eines Anfängers aus tatsächlichen Gründen unmöglich, der Arbeitseinsatz aber sofort notwendig ist. Verbunden mit der Einführung des AGG ergeben sich besondere Organisationspflichten des Arbeitgebers. Besondere Bedeutung erhält das AGG im Bewerbungsverfahren einschließlich des Einstellungsgesprächs. Bereits nach bisheriger Rechtslage hatte eine Stellenausschreibung geschlechtsneutral zu erfolgen. Bei Zuwiderhandlungen drohten Schadensersatzforderungen abgelehnter Bewerber/innen. Mit dem AGG wird das Erfordernis einer neutralen Stellenausschreibung auf die in § 1 AGG 345
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Event und Arbeitsrecht
genannten Diskriminierungsmerkmale erweitert. Als Faustregel gilt, Stellenausschreibungen sind so zu formulieren, dass sie sich ausschließlich auf die Tätigkeit selbst beziehen und nur Anforderungen auflisten, die für die ausgeschriebene Stelle wirklich erforderlich sind. Die Stellenausschreibungen sollten daher neutral formuliert werden. Doppeldeutige Formulierungen wie „junge dynamische Mitarbeiter“ „erfahrener alter Hase“ „Sie sind idealerweise zwischen xx und xx Jahre alt“
dürften nach AGG unzulässig sein. Das Erfordernis der akzentfreien Beherrschung der deutschen Sprache oder der deutschen Nationalität wird regelmäßig nicht gefordert werden können, soweit es keinen entscheidenden Einfluss auf die fachliche Leistung hat. Auch dürfen bei Tätigkeiten mit schwerer körperlicher Belastung Frauen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Man sollte auch keine Lichtbilder mehr vom Bewerber anfordern. Vielmehr genügt der Hinweis auf aussagekräftige Bewerbungsunterlagen. Regelmäßig werden die Bewerber von sich aus Lichtbilder beifügen. Gleiches gilt für die Altersangabe. Ohne Aufforderung gemachte Angaben des Bewerbers, die der Arbeitgeber eigentlich gar nicht wissen wollte, müssen jedoch nicht aussortiert oder geschwärzt werden. Empfehlenswert ist außerdem, die Stellenausschreibung zeitlich zu befristen, um verspätete Bewerbungen sofort aussortieren zu können, ohne dass insofern eine Diskriminierung in Betracht kommt. Bedient sich der Arbeitgeber zur Stellenausschreibung eines Dritten (zB Arbeitsvermittler) und verletzt dieser die Pflicht zur neutralen Stellenausschreibung, so ist diese Pflichtverletzung dem Arbeitgeber zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn die Bundesagentur für Arbeit „Dritter“ in diesem Sinne ist. 908m
Fragen nach Diskriminierungsmerkmalen müssen im Einstellungsgespräch unterbleiben. Ebenso wie die Frage nach der Schwangerschaft einer Bewerberin schon bisher unzulässig war, sind Fragen nach Religionszugehörigkeit oder sexueller Identität unzulässig, da sie regelmäßig nichts mit der beruflichen Tätigkeit zu tun haben, sondern lediglich Anhaltspunkte für eine Diskriminierung bieten können. Einen Personalfragebogen, in dem sich Fragen nach Alter oder Religionszugehörigkeit finden, sollte man deshalb erst nach Abschluss des Arbeitsvertrages überreichen.
908n
Der Arbeitgeber ist bei Einstellungen nach wie vor nicht an sachliche Gründe gebunden, sondern kann einen Bewerber auch aufgrund einer bloßen persönlichen Sympathie einstellen. Allerdings sollte der Arbeitgeber seine Entscheidung wenn möglich auch immer auch auf objektive Kriterien stützen. Die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber sollten solange aufbewahrt werden, bis mit Klagen wegen der gesetzlichen Ausschlussfristen nicht mehr zu rechnen ist.
908o
Der Arbeitgeber ist zukünftig verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines der oben genannten Diskriminierungsmerkmale zu treffen. 346
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Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Beschwerdestelle einzurichten sowie den Inhalt des AGG und des § 61b Arbeitsgerichtsgesetz und die Beschwerdestelle (zB durch Aushang am „Schwarzen Brett“ oder im Intranet) bekannt zu geben. Die Mitarbeiter müssen vom Arbeitgeber über das AGG unterrichtet werden, die Unzulässigkeit von Benachteiligungen sollte in Personalgesprächen, im Rahmen einer Betriebsversammlung oder durch Mitarbeiterschulungen kommuniziert werden. Bestehende Belästigungen und Benachteiligungen müssen vom Arbeitgeber konsequent durch Maßnahmen, die geeignet, erforderlich und angemessen sind (Mitarbeitergespräche, Ermahnung, Abmahnung, Umsetzung, Kündigung) beseitigt werden.
5. Arbeitnehmerschutz Unter Arbeitsschutz versteht man die Gesamtheit der Rechtsnormen, die öffentlich-rechtliche Pflichten des Arbeitgebers begründen, um die dem Arbeitnehmer von der Arbeit drohenden Gefahren zu beseitigen oder zu verringern. Der Arbeitnehmerschutz ist in verschiedenen deutschen Gesetzen geregelt. Es existieren darüber hinaus eine Vielzahl von EWG-Richtlinien, die den Arbeitsschutz betreffen. Beispiel 1 Die Teilnahme an einer Betriebsfeier ist grundsätzlich unfallversichert. Allerdings hat das Hessische Landessozialgericht entschieden, dass hinsichtlich eines Angestellten, der nach Beendigung der Feier stark alkoholisiert die Treppe herunterstürzte, kein Versicherungsschutz über die Firma bestand.4 Ein Verwaltungsangestellter, der mit der Verwaltung der Bürgerhäuser betraut war, nahm neben weiteren 25 Mitarbeitern an einer vom Amt für Kultur und Sport veranstalteten Weihnachtsfeier in einem Nebenraum der Bürgerhausgaststätte teil. Das Ende der Feier war offiziell nicht bestimmt. Um 1.30 Uhr waren außer dem Kläger und dem Amtsleiter sowie den Pächtern der Gaststätte alle gegangen. Gegen 3.00 Uhr stürzte der Kläger auf dem Weg zur Toilette und zog sich ein schweres SchädelHirn-Trauma zu. Die Unfallkasse Hessen lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab, da die Feier zum Unfallzeitpunkt bereits seit Stunden beendet gewesen und der Unfall zudem wesentlich auf den Alkoholgenuss des Klägers zurückzuführen sei. Dem hat das Sozialgericht Frankfurt widersprochen.5 Die als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unfallversicherte Weihnachtsfeier sei zum Unfallzeitpunkt nicht offiziell beendet gewesen. Daher habe der Kläger von der Fortdauer der Veranstaltung ausgehen können. Die Richter der 2. Instanz haben die Entschädigungspflicht der Unfallkasse verneint. Der Senat sah die Weihnachtsfeier auch ohne offizielle Erklärung des Amtsleiters als beendet an, als nur noch der Kläger und der Amtsleiter anwesend waren und das Pächterehepaar sich zu diesen gesellte. Der Weg des Klägers zur Toilette sei im Rahmen eines sich an die Weihnachtsfeier anschließenden privaten Zusammenseins erfolgt.
4 Hessisches LandessozG v. 26.2.2008 – L 3 U 71/06. 5 SozG Frankfurt/M. v. 24.1.2006 – S 10 U 2623/03.
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Beispiel 2 Die Teilnahme an einer Incentive-Veranstaltung steht nach Ansicht des Sozialgerichts Düsseldorf nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.6 Der Kläger hatte als Anerkennung seiner Arbeitsleistungen von seinem Arbeitgeber die Einladung zu einem fünftägigen Aufenthalt auf Barbados erhalten. Der Ablaufplan sah neben unternehmensbezogenen Diskussionen gemeinsame Mahlzeiten, sportliche Aktivitäten und Exkursionen vor. Bei einem Segeltörn mit einem Katamaran verletzte sich der Kläger beim Anlegemanöver, als er aus rund 1,80 Metern Höhe auf den Sandstrand sprang. Die Beklagte hatte die Anerkennung dieses Geschehens als Arbeitsunfall abgelehnt, weil die Veranstaltung für den Kläger eine Belohnung dargestellt habe und Motivations-Reisen keinen Versicherungsschutz genössen. Das Gericht folgte der Auffassung der Beklagten und hob hervor, dass das Einladungsschreiben des Arbeitgebers zeige, dass bei der Reise der Erholungseffekt im Vordergrund gestanden habe, nicht jedoch Arbeitsinhalte. Solche Motivationsoder Incentive-Reisen stünden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der das SozG folge, aber nicht unter dem Schutz des gesetzlichen Unfallversicherung.
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Der Gesundheitsschutz oder technische Arbeitsschutz ist grundlegend in der Gewerbeordnung, im Arbeitssicherheitsgesetz, der Arbeitsstättenverordnung und der Arbeitsstoffverordnung geregelt. Zuständige Stellen für den Arbeitsschutz sind das Gewerbeaufsichtsamt (überwacht die Einhaltung der Schutzbestimmungen, nimmt Betriebsbesichtigungen vor, fordert zur Beseitigung von Mängeln auf usw.), der Technische Überwachungsverein (TÜV, überprüft technische Anlagen auf ihre Sicherheit) und die Berufsgenossenschaften (Unfallverhütungsvorschriften).
910a
Die Einführung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes (BNSG) zum 1.1.2008 und die Änderung von § 5 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) schützen die Arbeitnehmer vor den Gefahren des Passivrauchens. Absatz 1 des § 5 ArbStättV besagt: „Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen.“
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Eine andere Art des Arbeitnehmerschutzes ist der Arbeitszeitschutz. Nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) darf die werktägliche Arbeitszeit für Arbeitnehmer 8 Stunden nicht überschreiten. Eine Verlängerung auf 10 Stunden ist möglich, wenn in einer Zeitspanne von 6 Monaten bzw. 24 Wochen eine durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden nicht überschritten wird. Die bei Veranstaltungen regelmäßig erforderliche Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ist gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 ArbZG zulässig. § 10 ArbZG Sonn- und Feiertagsbeschäftigung (1) Sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können, dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen abweichend von § 9 beschäftigt werden (…) 4. in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung sowie im Haushalt, 6 SozG Düsseldorf v. 28.10.2008 – S 6 U 29/08, nicht rechtskräftig.
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5. bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen, Filmvorführungen, Schaustellungen, Darbietungen und anderen ähnlichen Veranstaltungen, 6. bei nichtgewerblichen Aktionen und Veranstaltungen der Kirchen, Religionsgesellschaften, Verbände, Vereine, Parteien und anderer ähnlicher Vereinigungen, 7. beim Sport und in Freizeit-, Erholungs- und Vergnügungseinrichtungen, beim Fremdenverkehr sowie in Museen und wissenschaftlichen Präsenzbibliotheken, 8. (…) 9. bei Messen, Ausstellungen und Märkten im Sinne des Titels IV der Gewerbeordnung sowie bei Volksfesten, (…)
Es müssen jedoch mindestens 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben, § 11 Abs. 1 ArbZG. Außerdem muss jedem Arbeitnehmer, der am Wochenende tätig ist, ein Ersatzruhetag innerhalb von 2 Wochen nach der Wochenendbeschäftigung gewährt werden. Vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen diese Arbeitszeitbestimmungen können mit einer Geldbuße bis zu 15 000 Euro geahndet werden, § 22 Abs. 2 ArbZG. Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes können arbeitsvertraglich nicht ausgeschlossen werden.
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Letztlich existiert noch ein Sonderschutz für bestimmte Arbeitnehmer. Viele gesetzliche Bestimmungen widmen sich dem Schutz von Arbeitnehmern, die besondere Eigenschaften haben.
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Kinder und Jugendliche werden durch das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) vor übermäßiger Beanspruchung in Bezug auf Arbeitszeit und körperliche Anstrengungen geschützt. Allerdings besagt § 5 JArbSchG, der das Verbot der Beschäftigung von Kindern unter 15 Jahren regelt, dass die Aufsichtsbehörde für Veranstaltungen Ausnahmen bewilligen kann. So kann diese gemäß § 6 Abs. 1 JArbSchG auf Antrag bewilligen, dass
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1. bei Theatervorstellungen Kinder über sechs Jahre bis zu vier Stunden täglich in der Zeit von 10 bis 23 Uhr, 2. bei Musikaufführungen und anderen Aufführungen, bei Werbeveranstaltungen sowie bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Tonund Bildträger sowie bei Film- und Fotoaufnahmen, a) Kinder über drei bis sechs Jahre bis zu zwei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 17 Uhr, b) Kinder über sechs Jahre bis zu drei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 22 Uhr gestaltend mitwirken und an den erforderlichen Proben teilnehmen. Eine Ausnahme für die Mitwirkung in Kabaretts, Tanzlokalen und ähnlichen Betrieben sowie auf Vergnügungsparks, Kirmessen, Jahrmärkten und bei ähnlichen Veranstaltungen, Schaustellungen oder Darbietungen gibt es nicht. Auch zum Schutz der schwangeren Arbeitnehmerin existieren gesetzliche Bestimmungen im sog. Mutterschutzgesetz (MuSchG). Der Mutterschutz ist dem sozialen Arbeitsschutz zuzuordnen und enthält Richtlinien in Bezug auf 349
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Teil G
Event und Arbeitsrecht
die Gestaltung des Arbeitsplatzes und verschiedene Beschäftigungsverbote für die Zeit während und nach der Schwangerschaft. Außerdem genießen schwangere Frauen einen besonderen Kündigungsschutz, § 9 MuSchG. 916
Das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) soll behinderten Menschen die Möglichkeit bieten, sachgerecht in die Arbeitsprozesse eingegliedert zu werden. Nach § 2 Abs. 2 SGB IX gilt derjenige als schwerbehindert, der einen Behinderungsgrad von wenigstens 50 % aufweist. Personen mit einem Behinderungsgrad von 30 % und mehr können den Schwerbehinderten gleichgestellt werden, § 2 Abs. 3 SGB IX.
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Es würde hier zu weit führen, auf die Vielzahl der sozialen Arbeitsschutzbestimmungen im Einzelnen einzugehen. Daher sollen die wichtigsten Regelungen in der nachfolgenden Übersicht zusammengefasst werden. Abb. 54: Arbeitsschutzbestimmungen Gesetzliche Regelungen
Gesundheitsund Unfallschutz
Arbeitszeitschutz
Allgemeine Schutzbestimmungen durch Gewerbeordnung (GewO) BGB Arbeitszeitgesetz (ArbZG) Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Schutz von Leben und Gesundheit
regelmäßige täg- Mindesturlaub: 24 Werktage liche Arbeitszeit: 8 Std., Ausdehnung für bestimmte Arbeiten um 2 Std. täglich, jedoch höchstens auf 10 Std.; befristete Arbeitszeitverlängerung durch Gewerbeaufsichtsamt; Mindestruhepausen und -zeiten
Sonderschutz für Jugendliche durch Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)
Verbote der Kinderarbeit (unter 15 Jahren); Verbot gefährlicher und tempoabhängiger Arbeit, Erstuntersuchungspflicht
tägliche Arbeitszeit höchstens 8 Std.; wöchentliche Arbeitszeit höchstens 40 Std.; Fünftagewoche; Verbot der Sonntagsund Nachtarbeit
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Urlaubsanspruch
erhöhter Urlaubsanspruch: bis 16 Jahre 30 Werktage, bis 17 Jahre 27 Werktage, bis 18 Jahre 25 Werktage
Kündigungsschutz Mindestkündigungsfrist 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats für Angestellte und Arbeiter Erfordernis der sozial gerechtfertigten Kündigung bei Anwendung des KSchG
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II. Arbeitsrechtliche Begriffe Gesetzliche Regelungen
Gesundheitsund Unfallschutz
Arbeitszeitschutz
Urlaubsanspruch
Kündigungsschutz
Sonderschutz für Mütter und Eltern durch Mutterschutzgesetz (MuSchG) und Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG)
Verbot schwerer körperlicher Arbeit für werdende Mütter; Beschäftigungsverbot für 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt
Verbot der Mehrarbeit, Sonntags- und Nachtarbeit für werdende und stillende Mütter
Anspruch auf Erziehungsurlaub (für Kinder, die nach dem 31.12. 1992 geboren wurden, bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres, § 15 BErzGG)
Kündigungsschutz während der Schwangerschaft und bis 4 Monate nach der Geburt Kündigungsschutz während des Erziehungsurlaubs
Anspruch auf Zusatzurlaub
Kündigung nur mit Zustimmung des zuständigen Integrationsamtes (früher Hauptfürsorgestelle)
Sonderschutz für Schwerbehinderte durch Sozialgesetzbuch (SGB IX)
Sonderschutz für langjährige beschäftigte Angestellte und Arbeiter im BGB
Verlängerung der Kündigungsfristen für Angestellte und Arbeiter Betriebszugehörigkeit 2 Jahre 5 Jahre 8 Jahre 10 Jahre 12 Jahre 15 Jahre 20 Jahre
Kündigungsfrist in Monaten 1 2 3 4 5 6 7
Sonderschutz für Wehrdienstleistende durch Arbeitsplatzschutzgesetz (ArbPlSchG)
Kündigungsschutz während des Grundwehrdienstes oder während einer Wehrübung, § 2 ArbPlSchG
Sonderschutz für Betriebsratsmitglieder
Kündigungsschutz, § 15 KSchG
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Teil G
Event und Arbeitsrecht
Gesetzliche Regelungen
Gesundheitsund Unfallschutz
Sonderschutz für Nichtraucher durch Arbeitsstättenverordnung
Erforderliche Maßnahmen des Arbeitgebers in der Arbeitsstätte, § 5 ArbStättV
Arbeitszeitschutz
Urlaubsanspruch
Kündigungsschutz
6. Arbeitsverfahrensrecht 918
Das Arbeitsverfahrensrecht umfasst die Gesamtheit der Normen, die zur Beilegung von Streitigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts existieren. Innerhalb des Verfahrensrechtes wird zwischen der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Schlichtung differenziert.
919
Für Streitigkeiten, die sich zwischen Arbeitnehmern oder deren Vertretungen einerseits und Arbeitgebern oder deren Vertretungen andererseits ergeben, sind nach Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) die Arbeitsgerichte zuständig.
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Die Arbeitsgerichtsbarkeit wird durch die Arbeits-, Landesarbeitsgerichte sowie durch das Bundesarbeitsgericht ausgeübt. Jeder streitigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht geht ein sog. Gütetermin voraus, der die gütliche Einigung der Parteien zum Ziel hat, § 54 Abs. 1 ArbGG. In der ersten Instanz muss im Unterschied zum allgemeinen Zivilprozess jede Partei – unabhängig davon, ob sie verliert oder obsiegt – ihre Anwaltskosten selber tragen, § 12a ArbGG. In allen drei Instanzen wirken neben den Berufsrichtern auch ehrenamtliche Richter mit, die sich zu gleichen Teilen aus Arbeitnehmern und Arbeitgebervertretern rekrutieren.
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Die Schlichtung dient der Beilegung von arbeitsrechtlichen Differenzen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften durch Abschluss kollektivrechtlicher Vereinbarungen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) zur Vermeidung von Arbeitskämpfen (Streik, Aussperrung). Eine Schlichtung kann durch Vereinbarung der Tarifparteien oder aufgrund staatlicher Schlichtung erfolgen. Voraussetzung des Schlichtungsverfahrens ist idR das Scheitern von Vertragsverhandlungen zwischen den Tarifparteien. Ziel ist die Annäherung der Standpunkte der Tarifparteien durch Beratung und Aufklärung und die Herbeiführung einer Einigung. Das staatliche Schlichtungsverfahren findet nur für den Fall statt, dass ein vereinbartes Schlichtungsverfahren nicht besteht oder gescheitert ist. Schlichtungsbehörden sind die Schlichtungs- oder Schiedsausschüsse, die aus einem unparteiischen Vorsitzenden und einer gleichen Anzahl von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern als Beisitzern bestehen.
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III. Allgemeines Arbeitsrecht
Teil G
III. Allgemeines Arbeitsrecht Zunächst soll ein allgemeiner Überblick über die arbeitsrechtlichen Grundlagen gegeben werden.
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1. Begriff des Arbeitgebers Arbeitgeber sind alle natürlichen oder juristischen Personen, die jemanden im Arbeitsverhältnis mit abhängiger Arbeit beschäftigen. Somit sind auch die handelsrechtlichen Gesellschaften wie oHG und KG als Arbeitgeber zu qualifizieren.
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2. Begriff des Arbeitnehmers Im Bereich des Arbeitsrechtes ist der Begriff des Arbeitnehmers eine feste Größe. Denn nicht jeder, der im Rahmen eines Vertrages für andere Arbeit leistet, ist als Arbeitnehmer zu qualifizieren.7 Arbeitnehmer ist derjenige, der sich zur Leistung fremdbestimmter, abhängiger bzw. unselbstständiger Arbeit unter Leitung und nach Weisung aufgrund privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten Rechtsverhältnisses (Angestellte im öffentlichen Dienst) verpflichtet.8 Durch die persönliche Abhängigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung, die sich insbesondere in der Weisungsgebundenheit widerspiegelt,9 unterscheidet sich der Arbeitnehmer von anderen Dienstverpflichteten wie zB Architekten oder Rechtsanwälten. Jemand, der aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses im Dienst eines Anderen Arbeit ableistet, ist kein Arbeitnehmer, sondern zB Beamter, Soldat oder Richter.
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Im Bereich des Veranstaltungsrechts spielt oft der Begriff der arbeitnehmerähnlichen Personen eine Rolle. Arbeitnehmerähnliche Personen sind solche, die, ohne Arbeitnehmer zu sein, für andere in wirtschaftlich abhängiger Stellung Arbeit leisten.10 Zu den arbeitnehmerähnlichen Personen zählen zB nicht angestellte Musiker, Künstler und freie Mitarbeiter im Bereich Presse und Medien.
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Grundsätzlich findet das Arbeitsrecht für arbeitnehmerähnliche Personen keine Anwendung.11 Arbeitnehmerähnliche Personen sind aber der Arbeitsgerichtsbarkeit unterstellt12 (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) und haben Anspruch auf Urlaub (§§ 1, 2 Satz 2 1. Halbs. BUrlG).
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Gemäß § 12a Tarifvertragsgesetz (TVG) können auch für arbeitnehmerähnliche Personen Tarifverträge abgeschlossen werden. Voraussetzungen dafür sind:
927
7 Siehe dazu auch Rz. 937 ff. 8 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 8 II 3e; Münchener Kommentar.BGB/Söllner, § 611 BGB Rz. 117. 9 BAG, v. 13.1.1983 – 5 AZR 149/82, NJW 1984, 1985 = BB 1983, 1855. 10 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 9 I 1a. 11 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 6 Rz. 56. 12 BAG v. 17.10.1990 – 5 AZR 639/89, NJW 1991, 1629 f. = NZA 1991, 402.
353
Teil G
Event und Arbeitsrecht
– wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, für den sie aufgrund von Dienst- oder Werkverträgen arbeiten, – soziale Schutzbedürftigkeit wie für einen Arbeitnehmer, – persönliche Leistungserbringung (im Wesentlichen ohne Mitarbeiter). 928
Eine wirtschaftliche Abhängigkeit iS von § 12a TVG liegt vor, wenn es sich um Personen handelt, die entweder zeitlich überwiegend für eine Person tätig sind (§ 12a Abs. 1 Nr. 1a) oder es Personen sind, die künstlerische, schriftstellerische oder journalistische Leistungen erbringen oder an der Erbringung der Leistungen insbesondere der technischen Gestaltung unmittelbar mitwirken und von einem Auftraggeber im Durchschnitt mindestens ein Drittel des Entgelts beziehen, das sie für ihre Erwerbstätigkeit insgesamt erhalten (§ 12a Abs. 3 TVG).
3. Der Arbeitsvertrag 929
Ein Arbeitsverhältnis wird durch einen privatrechtlichen Vertrag begründet. Der Arbeitsvertrag richtet sich nach den Regelungen über den Dienstvertrag, §§ 611 ff. BGB. Vom Vertragstyp handelt es sich um einen gegenseitigen Austauschvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.13 Sofern Gesetze oder Tarifverträge keine Schriftform vorschreiben, kann ein Arbeitsvertrag auch mündlich oder konkludent (Aufnehmen der Tätigkeit) abgeschlossen werden. Es muss lediglich Einigkeit darüber bestehen, dass der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung und der Arbeitgeber zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sein sollen.14 Ein Arbeitsvertrag muss allerdings gemäß Nachweisgesetz (NachwG) innerhalb von einem Monat nach Abschluss des Vertrages mit seinen wesentlichen Bestandteilen schriftlich niedergelegt werden.
929a
Diese Bestandteile sind gemäß § 2 NachwG: 1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, 2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, 3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, 4. der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, 5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, 6. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, 7. die vereinbarte Arbeitszeit, 13 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 29 I 3. 14 BAG v. 24.2.1955 – 2 AZR 10/54, BAG v. 10.11.1955 – 2 AZR 591/54, AP BGB § 616 Nr. 2; AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2.
354
III. Allgemeines Arbeitsrecht
Teil G
8. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, 9. die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, 10. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebsoder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Der Arbeitgeber muss im Krankheitsfalle das Arbeitsentgelt weiterzahlen. Im Krankheitsfall und bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge (Kuraufenthalte) oder Rehabilitation wurde die Höhe der Entgeltfortzahlung wieder auf 100 % des Arbeitslohnes angehoben. Überstunden bleiben aber unberücksichtigt. Die bisher mögliche Anrechnung von Krankheitstagen auf den Urlaub entfällt. Auch eine Anrechnung der Zeit medizinischer Vorsorge oder Rehabilitation auf den Erholungsurlaub ist für Fälle, in denen ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, unzulässig.
930
Außer der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht zur Arbeitsleistung muss der Arbeitnehmer auch verschiedene Nebenpflichten beachten.15 So darf er Dritten keine Geschäfts- bzw. Betriebsgeheimnisse zukommen lassen (sog. Verschwiegenheitspflicht). Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses muss er außerdem jede Art von Konkurrenz mit dem Arbeitgeber unterlassen. Oft wird dieses Wettbewerbsverbot vertraglich auf einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgedehnt. Eine solche Wettbewerbsklausel setzt allerdings eine schriftliche Vereinbarung, ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers und eine monatliche Entschädigung für den Arbeitnehmer voraus, §§ 74 ff. HGB.
931
Neben den allgemeinen Pflichten des Arbeitnehmers (Verpflichtung zur Arbeitsleistung und Treuepflicht) und des Arbeitgebers (Lohnzahlungspflicht und allgemeine Fürsorgepflicht) sollte ein Arbeitsvertrag folgende Punkte enthalten: – genaue Tätigkeitsbeschreibung, – Arbeitszeit, – Arbeitslohn, – Mehrarbeit, – Überarbeit, – Arbeitsort, – Urlaub, – soziale Leistungen.
932
Da für das individuelle Arbeitsrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt, können die einzelnen Regelungen grundsätzlich frei bestimmt werden.16 Natürlich wird die Vertragsfreiheit eingeschränkt durch verschiedene Vorschriften des Arbeitsrechts (zB BUrlG, MuSchG, EntgeltfortzahlungsG, ArbZG, etc.). Wird eine Probezeit vereinbart, darf diese idR nicht länger als 6 Monate dauern.
933
15 Münchener Kommentar.BGB/Söllner, § 611 BGB Rz. 392 ff. 16 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 31 II 1.
355
Teil G
Event und Arbeitsrecht
Die arbeitsvertraglichen Pflichten werden durch das sog. Direktionsrecht des Arbeitgebers näher bestimmt. 934
Das Direktionsrecht ist die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers, die ihm die rechtliche Grundlage bietet, die im Rahmen der vertraglich umschriebenen Verwendung des Arbeitnehmers konkret noch nicht festgelegten Leistungspflichten nach Ort, Art und Zeit im Einzelnen nach billigem Ermessen zu bestimmen, soweit damit die gesetzlichen oder kollektivrechtlich gezogenen Grenzen der Arbeitspflicht nicht überschritten werden.17 a) Verträge mit freien Mitarbeitern
935
Jede Veranstaltung erfordert zusätzliches Personal. Der Einsatz muss zeitgerecht kalkuliert und entsprechende Verträge müssen geschlossen werden. Da es sich bei den durchzuführenden Veranstaltungen meist um zeitlich begrenzte Aktionen handelt, empfiehlt es sich, grundsätzlich nur Dienstverträge mit freien Mitarbeitern abzuschließen. Vorteile für den Arbeitgeber hierbei sind: – vertragliche Verpflichtung ist die bloße Leistung von Diensten gegen Entgelt, – keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit, – kein Urlaubsanspruch, – kein Urlaubsgeld, – keine erschwerten Kündigungsmöglichkeiten.
936
Im Gegensatz zum Arbeitnehmer ist der freie Mitarbeiter selbstständig tätig. Er ist unabhängig und nicht weisungsgebunden. Die Leistung fremdbestimmter Arbeit unter Anleitung und nach Weisung des Arbeitgebers erfordert eine persönliche Abhängigkeit, die sich als fremdgeplante Arbeit und als Eingliederung in einen fremden Organisationsbereich darstellt.18 Die Abbildung 55 zeigt die wesentlichen Abgrenzungen zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen.
937
Allerdings müssen die Eventagenturen oder Veranstalter, die freie Mitarbeiter beschäftigen, vorsichtig sein. Nach einer Studie der Bundesanstalt für Arbeit existieren in allen Berufszweigen formal Selbständige, die von der Sozialversicherungspflicht befreit sind, aber faktisch wie Arbeitnehmer bei den jeweiligen Unternehmen beschäftigt sind (nach Schätzungen des Bundesministeriums für Arbeit ca. 938 000 Erwerbstätige). Abb. 55: Abgrenzungskriterien zwischen Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern Arbeitnehmer
Freier Mitarbeiter (Selbständiger)
ausgeprägte fachliche Weisungsgebundenheit
fehlende oder geringe Fachaufsicht
Bindung an feste Arbeitszeit und festen Arbeitsort
zeitliche und örtliche Unabhängigkeit bei Erfüllung der Dienstpflicht
17 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 31 VI 1a. 18 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 8 II 3.
356
Teil G
III. Allgemeines Arbeitsrecht Arbeitnehmer Bezeichnung als „Arbeitnehmer“ oder „Angestellter“
Freier Mitarbeiter (Selbständiger) Bezeichnung als „freier Mitarbeiter“
Eingliederung in den Betrieb: Angewiesen- Dienstleistung ohne fremde oder mit Hilfe sein auf fremdbestimmte Organisation eigener Werkzeuge und Mittel Schuldung der gesamten Arbeitskraft
Tätigkeit für mehrere Dienstberechtigte
Entlohnung durch festes Gehalt
Bezahlung nach Stunden/Tagen oder Tätigkeitserfolgen
Abführung von Lohnsteuer und Sozialver- Rechnungsstellung unter Ausweisung der sicherungsbeiträgen durch Arbeitgeber Mehrwertsteuer, Einkommen selbst versteuern Anmeldung bei der Krankenkasse
eigene Krankenversicherung
Zahlung von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld Tätigkeit einfacherer Art
Oft anspruchsvollere geistige Tätigkeit
Weiterbezahlung des Entgelts auch bei Krankheit
Entlohnung ausschließlich für geleistete Dienste (Unternehmerrisiko)
Die Bezeichnung im Dienstvertrag ist für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, unbeachtlich. Allein die Betitelung eines Vertrages als „Vertrag über freie Mitarbeit“ führt nicht zur entsprechenden rechtlichen Behandlung. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche praktische Durchführung des Vertrages.
938
Wird jemand als freier Mitarbeiter eingestellt, hat dies für den Arbeitgeber folgende Vorteile: – es entfallen nahezu alle arbeitsrechtlichen Schutznormen, – steuerlich: Vorsteuerabzug, Eigenabführung der Steuern durch den Mitarbeiter, – sozialversicherungsrechtlich: Wegfall des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung.
939
Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ist derjenige als Arbeitnehmer einzuordnen, der in persönlicher Abhängigkeit tätig ist.19
940
Folgende Kriterien sprechen für ein Arbeitsverhältnis: – Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, – Eingliederung, Einbindung in eine fremdbestimmte Organisation, – Tätigkeit in nur einem Unternehmen, – keine eigene Betriebsstätte, keine eigenen Mitarbeiter, – Zahlung von Vergütungen bei Verhinderung, zB durch Krankheit, – Zahlung von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, – Tätigkeit einfacherer Art (zB Tontechniker, Bühnenarbeiter), – mit anderen Arbeitnehmern identische Tätigkeiten,
941
19 BAG AP 15 ff., 24, 42, 43, 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit.
357
Teil G
Event und Arbeitsrecht
– Anmeldung bei der Krankenkasse, – nebenberuflich mehr als 6 Stunden wöchentlich. Beispiel Dass die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen nicht immer einfach ist, zeigt eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). In dem Ende 2001 entschiedenen Fall klagte ein ehemals bei dem beklagten Restaurant angestellter Büfettier und Kellner auf Kündigungsschutz. Das ursprüngliche Anstellungsverhältnis wurde zwischen den Parteien in einen Vertrag abgeändert, nach dem der ehemalige Kellner nun eigenverantwortlich die gesamte Schank- und Pausenbewirtung in einer Festhalle übernehmen sollte. Im Vertrag wurde auch klar gestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer, noch weisungsabhängig sein sollte. Dieser meldete daraufhin ein Gewerbe „Organisation und Serviceleistungen“ an. Der ehemalige Arbeitgeber übermittelte dem Kläger vor den einzelnen Veranstaltungen schriftliche Anweisungen über Öffnungszeiten, die anzubietenden Getränke, Preise, Anzahl und Aufstellung der Theken und Stände und bestimmte, welche Speisen anzubieten waren. Bei großen Veranstaltungen beschäftigte der Kläger bis zu 100 Arbeitnehmer, die er selbst auswählte und einstellte. Zudem durfte der Kläger laut Vertrag andere berufliche und gewerbliche Tätigkeiten entfalten. Aufgrund der hohen Anzahl eigener Angestellter qualifizierte das BAG den Kläger als Selbstständigen und wies die Kündigungsschutzklage ab. Das Gericht war der Auffassung, dass die Tatsache, dass der Kläger selbst das benötigte Personal auswählte und dieses einwies, kontrollierte und motivierte, ein wesentliches Merkmal selbstständiger Tätigkeit sei. Derjenige, der nach tatsächlichen Umständen nicht in der Lage ist, seine vertraglichen Leistungsverpflichtungen zu erfüllen, sondern auf Hilfskräfte angewiesen und vertraglich berechtigt ist, seine Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, ist nach Auffassung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts regelmäßig kein Arbeitnehmer.20
942
Die Konsequenzen einer Falschbezeichnung und -behandlung als „freien Mitarbeiter“ durch den Arbeitgeber sind: – die arbeitsrechtlichen Regelungen gelten (Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung, Urlaubsanspruch etc.); – die Sozialversicherungsbeiträge (Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung) müssen ab Beginn des Beschäftigungsverhältnisses nachentrichtet werden; – wenn das Unternehmen die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung einzahlt, die eigentlich der Arbeitnehmer zu zahlen hätte, stellt dies für den Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil dar. Auf diesen muss das Unternehmen Lohnsteuer entrichten; – der Arbeitgeber ist neben dem Arbeitnehmer Gesamtschuldner für die Abführung der Lohnsteuer. Die Abführung muss – je nach der Höhe der Lohnsteuer – monatlich, vierteljährlich oder jährlich an das Finanzamt erfolgen. Der Arbeitgeber haftet bei zu wenig oder nicht gezahlter Lohnsteuer. Das zuständige Finanzamt hat ein Wahlrecht, ob es den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber auf Zahlung in Anspruch nimmt; – die vom Scheinselbstständigen gestellten Rechnungen enthalten in der Regel Umsatzsteuer. Diese Umsatzsteuer kann der Arbeitgeber von seiner Vorsteuer abziehen. Da der Scheinselbstständige im Nachhinein als Arbeitneh20 BAG v. 12.12.2001 – 5 AZR 253/00, NJW 2002, 2411 ff. = NZA 2002, 2411.
358
III. Allgemeines Arbeitsrecht
Teil G
mer behandelt wird, ist dem Arbeitgeber ein Vorsteuerabzug hinsichtlich der gestellten Rechnungen nicht gestattet. Die vom Arbeitgeber zu zahlende Umsatzsteuer erhöht sich daher um die zu Unrecht in Vorsteuerabzug gebrachten Beträge. Oft werden Techniker und Kaufleute als Scheinselbstständige beschäftigt. Aber auch Handwerker und Dienstleister werden immer öfter scheinselbstständig beschäftigt. Im Eventbereich dürfte die Problematik nicht unbekannt sein. Durch ein Gesetz vom 1.1.1999 (Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte) sollte das Scheinselbstständigenproblem eingedämmt werden. Aufgrund praktischer Probleme in der Anwendung dieses Gesetzes trat am 10.1.2000, rückwirkend zum 1.1.1999 das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit in Kraft. Eine Scheinselbstständigkeit bzw. ein Beschäftigungsverhältnis wurde im sozialversicherungsrechtlichen Sinn bei fehlender Kooperation der Beteiligten (sog. Mitwirkungsverweigerung) für die Fälle vermutet, in denen drei von fünf im § 7 Abs. 4 SGB IV (alte Fassung) aufgezählten Kriterien vorlagen. Auch diese Regelung wurde wieder verworfen.
943
Zuständige Einzugsstellen für die Sozialversicherungsbeiträge sind die gesetzlichen Krankenkassen (AOK, Techniker Krankenkasse, Barmer Ersatzkasse etc.). Bei entsprechenden Hinweisen auf ein Beschäftigungsverhältnis fordern diese den Arbeitgeber auf, Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Der Betroffene bzw. sein Arbeitgeber kann versuchen, die Vermutung zu widerlegen. Dabei steht beiden das Recht zu, schriftlich eine Entscheidung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einzuholen, § 7a Abs. 1 SGB IV. Von dieser Stelle erhält der Auftraggeber bzw. Auftragnehmer eine schriftliche Mitteilung, welche Angaben benötigt werden, um eine Entscheidung zu treffen und einen zweiseitigen Fragebogen. Außerdem weist die BfA darauf hin, dass sie nach Ablauf einer im Einzelfall festzusetzenden Frist aufgrund der Vermutungsregelung entscheiden kann, wenn die benötigten Auskünfte nicht erteilt werden. Falls die Entscheidung vom Antrag abweichen soll, teilt die BfA dies mit und gibt den Beteiligten die Möglichkeit zur ergänzenden Stellungnahme. Gegen die Entscheidung ist Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht möglich. Sowohl Widerspruch als auch die Klage haben aufschiebende Wirkung, dies bedeutet, dass bis zur endgültigen Entscheidung keine Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind. Sind auch diese Rechtsmittel erfolglos ausgeschöpft worden, haben der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer jeweils die Hälfte des Sozialversicherungsbeitrages zu zahlen (Ausnahme: Handelsvertreter).
944
Der Arbeitgeber ist gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge. Eine spät festgestellte Scheinselbstständigkeit kann den Arbeitgeber insolvent werden lassen, da für diesen Fall die Sozialversicherungsbeiträge der letzten vier Jahre nachgezahlt werden müssen, und zwar auch der Arbeitnehmeranteil. Der Nachentrichtungsanspruch verjährt gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV grundsätzlich in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er fällig geworden ist. Ein direkter Regress beim Arbeitnehmer scheidet grundsätzlich aus. Gemäß § 28g SGB IV kann der Arbeitgeber nur durch ein Abzugsverfahren bei den nächsten drei Lohn- und Gehaltszahlungen einen Teil der
945
359
Teil G
Event und Arbeitsrecht
nach zu entrichtenden Beiträge einbehalten, anschließend nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist.
" Praxistipp: Bei Unklarheiten sollte sich die Eventagentur oder der Ver-
anstalter an seinen Sozialversicherungsträger oder das jeweilig zuständige Finanzamt wenden. Auf diese Weise erhalten die Beteiligten eine schnelle und rechtsverbindliche Auskunft, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt oder nicht. Wenn der Antrag innerhalb eines Monats nach Aufnahme der jeweiligen Beschäftigung gestellt wird, tritt die Versicherungspflicht erst am Tag der Bekanntgabe der Statusentscheidung ein. Damit ist die Gefahr von rückwirkend nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträgen ausgeräumt.
b) Verträge mit Teilzeitmitarbeitern und Aushilfen 946
Am 1.1.2001 ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) mit dem Ziel in Kraft getreten, Teilzeitarbeit zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern, vgl. § 1 TzBfG. Derjenige, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, gilt gemäß § 2 Abs. 1 TzBfG als Teilzeitbeschäftigter. Nach § 2 Abs. 2 TzBfG gelten auch die Arbeitnehmer als teilzeitbeschäftigt, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) ausüben. Nach § 4 Abs. 1 TzBfG dürfen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund nicht anders als Vollzeitbeschäftigte behandelt werden. Daher gelten idR die für die Vollzeitarbeit geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen (Urlaub, Lohnfortzahlung, Überstundenvergütung, Mutterschutz, ua.). Beispiel I. Wendt beschäftigt eine Teilzeitkraft, die unter die Geringfügigkeitsgrenze (2008: Monatsverdienst bis zu 400,00 Euro) fällt. Es handelt sich um einen jungen Mann, der je nach Arbeitsanfall beim Bühnenaufbau aushilft. Er meldet sich für voraussichtlich sechs Wochen krank. Hat er Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes? Wenn ja, in welcher Höhe soll es gezahlt werden, da ja nicht feststeht, wie viel Stunden er in den sechs Wochen effektiv gearbeitet hätte?
947
Oft kann der Mitarbeiter mit Teilzeitbeschäftigung bei Bedarf abgerufen werden. Zu beachten ist bei solchen Verträgen, dass der Arbeitgeber auch hier nicht willkürlich verfahren darf. Er muss zB rechtzeitig seinen Bedarf anmelden. Ist keine Arbeitszeitdauer festgelegt, so gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart, siehe § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG.
948
Eine Beschäftigung kann wegen – der Entgelthöhe (sog. geringfügig entlohnte Beschäftigung) oder – ihrer kurzen Dauer (kurzfristige Beschäftigung) geringfügig und damit steuerfrei sein. Am 1.1.2003 traten die beiden Gesetze „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ zu den sog. Hartz-Reformen in 360
III. Allgemeines Arbeitsrecht
Teil G
Kraft. Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt dann vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400,00 Euro nicht übersteigt. Seit 2003 sind die Arbeitnehmer mit einem Einkommen bis 400,00 Euro von Steuern und Sozialabgaben befreit. Eine Zeitgrenze (bisher: weniger als 15 Stunden in der Woche) gibt es nicht mehr. Bei der Zusammenrechnung mehrerer geringfügig entlohnter Beschäftigungen bleiben diese versicherungsfrei, sofern die Arbeitsentgelte aus diesen Beschäftigungen insgesamt 400,00 Euro nicht überschreiten. Bei der Zusammenrechnung von geringfügig entlohnter Beschäftigungen mit einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung bleibt die erste geringfügige Beschäftigung versicherungsfrei. Jede weitere geringfügige entlohnte Beschäftigung wird durch die Zusammenrechnung mit der versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung versicherungspflichtig. Diese Regelung findet jedoch nur in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung Anwendung. In der Arbeitslosenversicherung werden Hauptbeschäftigungen nicht mit geringfügig entlohnten Beschäftigungen zusammengerechnet. Die geringfügig entlohnten Beschäftigungen bleiben in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei, es sei denn, die Arbeitsentgelte aus diesen Beschäftigungen überschreiten insgesamt 400,00 Euro. Bei den zeitweilig oder auf Abruf beschäftigten Arbeitskräften, die insbesondere im Veranstaltungsbereich stark vertreten sind, kommt es auf den Jahresdurchschnitt an. Dazu ein kurzer Beispielsfall: Beispiel Der Roadie Klaus Belträger hat in den Monaten Mai bis September für Aufbauarbeiten bei Open-Air-Konzerten 500,00 Euro verdient. Wegen der schlechten Wetterverhältnisse lag sein Verdienst in den Monaten Oktober bis April bei 250 Euro. Fraglich ist, ob K. Belträger als geringfügig Beschäftigter zu qualifizieren ist. Es ergibt sich folgende Berechnung: 5 × 500 Euro 7 × 250 Euro Jahresentgelt
= = =
2 500,00 Euro 1 750,00 Euro 4 250,00 Euro
Ein Zwölftel des Jahresentgelts beträgt 354,17 Euro. Damit handelt es sich bei K. Belträger um einen geringfügig Beschäftigten.
Bei den geringfügig entlohnten Beschäftigungen hat der Arbeitgeber seit dem 1.7.2006 Pauschalbeträge iH von 30 % (vorher 25 %) aufgeteilt in Krankenversicherung 13 %, Rentenversicherung 15 % und Steuer 2 % allein zu tragen. Für geringfügige Beschäftigungen in Privathaushalten gilt nach wie vor die Besonderheit, dass der Arbeitgeber Pauschalbeiträge iH von 12 % (5 % Rentenversicherung, 5 % Krankenversicherung und 2 % Steuer) zu zahlen hat. Eine haushaltsnahe geringfügige Beschäftigung liegt nach § 8a SGB IV vor, wenn diese durch einen privaten Haushalt begründet ist und die Tätigkeit sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt wird.
949
Bei Veranstaltungen werden häufig sog. geringfügig Beschäftigte eingestellt. Diese Art der Beschäftigung ist allerdings nur für die Veranstalter oder Eventagenturen interessant, die ständig solche Arbeitskräfte beschäftigen, da es sich insoweit um Dauerarbeitsverhältnisse handelt.
950
361
Teil G 951
Event und Arbeitsrecht
Für Arbeitsentgelte, die oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegen, wurde zum 1.4.2003 zwischen 400,01 Euro und 800,00 Euro eine Gleitzone eingeführt. Für Arbeitsentgelte innerhalb der Gleitzone wird in der Renten-, Kranken-, Pflegeund Arbeitslosenversicherung zunächst die beitragspflichtige Einnahme mit einer Formel ermittelt: F × 400 + (2 – F) × (AE – 400). Dabei steht F für den Faktor, der das Verhältnis zwischen 30 % (13 % [KV] + 15 % [RV] + 2 % [Pauschalsteuer]) und dem durchschnittlichen Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz bestimmt und AE für das Arbeitsentgelt. Seit dem 1.1.2007 gilt als Faktor F = 0,7673. Beispielsrechnung: Arbeitsentgelt des Versicherten 600 Euro 0,7673 × 400 + (2 – 0,7673) × (600 – 400) = 553,46 Euro (beitragspflichtige Einnahme) Multipliziert mit dem Beitragssatz (für 2008 19,9 %) der Rentenversicherung ergibt sich der zu zahlende Rentenversicherungsbeitrag. 553,46 Euro × 19,9 % = 110,14 Euro (Rentenversicherungsbeitrag).
Der Arbeitgeberanteil ermittelt sich aus der Hälfte des Betrages, der sich bei Multiplikation des tatsächlichen Arbeitsentgelts mit dem Rentenversicherungsbeitragssatz ergibt. Für unseren Beispielsfall bedeutet das: Arbeitgeber 600 Euro × 19,9 % : 2 = 59,70 Euro. 952
Der Arbeitnehmeranteil ergibt sich aus dem Unterschied zwischen dem zu zahlenden Rentenversicherungsbeitrag und dem Arbeitgeberanteil. Im obigen Beispiel somit: Arbeitnehmer zahlt Differenz 110,14 Euro – 59,70 Euro = 50,44 Euro. Die mit der obigen Formel ermittelten beitragspflichtigen Einnahmen liegen am unteren Ende der Gleitzone erheblich unter dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt. Es gilt folgende Regel: je näher das Arbeitsentgelt bei 800,00 Euro liegt, desto mehr nähert sich auch die beitragspflichtige Einnahme diesem Wert an. Dies wird durch die nachstehende Tabelle verdeutlicht. Arbeitsentgelt in Euro
Beitragspflichtige Einnahme in Euro
Beitrag zur Rentenversicherung in Euro21
Anteil des Arbeitgebers in Euro
Anteil des Arbeitnehmers in Euro
400,01
306,92
61,08
39,80
21,28
500,00
430,19
85,60
49,75
35,85
600,00
553,46
110,14
59,70
50,44
700,00
676,73
134,66
69,65
65,01
800,00
800,00
159,20
79,60
79,60
21 Beitragssatz 19,9 %
362
III. Allgemeines Arbeitsrecht
Teil G
Hier wird ersichtlich, dass der Arbeitnehmeranteil am Rentenversicherungsbeitrag im unteren Gleitzonenbereich sehr niedrig ist. Im oberen Bereich nähert er sich immer mehr der 50%-Grenze. Da die Entgeltpunkte aus den beitragspflichtigen Einnahmen ermittelt werden, ermäßigen sich auch die Rentenanwartschaften entsprechend. Ähnlich wie bei geringfügigen Beschäftigungen kann der Arbeitnehmer in der Rentenversicherung auf die Besonderheiten verzichten, die sich aus der Anwendung der Gleitzone ergeben.
953
Bei der kurzfristigen Beschäftigung hat der Gesetzgeber keine Änderungen vorgenommen. Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn sie für eine Zeitdauer ausgeübt wird, die im Laufe eines Kalenderjahres (vorher: im Laufe eines Zeitjahres) seit ihrem Beginn auf nicht mehr als – zwei Monate oder – insgesamt 50 Arbeitstage
954
nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist. Wird eine Beschäftigung an mindestens fünf Tagen in der Woche ausgeübt, ist der Zweimonatszeitraum maßgeblich. Bei Beschäftigung an regelmäßig weniger als fünf Tagen in der Woche, ist der Zeitraum von 50 Arbeitstagen maßgebend. Eine kurzfristige Beschäftigung liegt dann nicht mehr vor, wenn sie berufsmäßig ausgeübt wird und das erzielte Arbeitsentgelt 400,00 Euro übersteigt. Für kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse sind keine Arbeitgeberpauschalbeträge zur Sozialversicherung zu zahlen. Die Grundsätze zu geringfügig entlohnten bzw. kurzfristigen Beschäftigungen gelten entsprechend, soweit an Stelle einer Beschäftigung eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird, vgl. § 8 Abs. 3 SGB IV. Zu beachten sind folgende Unterschiede: – Anstelle des Arbeitsentgelts ist bei einem selbständig Tätigen vom Arbeitseinkommen auszugehen. – Pauschale Arbeitgeberbeiträge fallen bei geringfügig selbständigen Tätigkeiten nicht an. – Die Besonderheiten der Berechnung der Beiträge innerhalb der Gleitzone gelten nicht für versicherungspflichtige Selbständige, die mit ihrem Arbeitseinkommen im Monat 400,00 Euro überschreiten.
955
Aushilfskräfte sind entweder Ersatzkräfte für eine ausgefallene Arbeitskraft oder aufgrund zeitlich absehbar erhöhten Arbeitsanfalls zusätzlich eingestellt. Es handelt sich also um Arbeitsverhältnisse, die – anders als bei Teilzeitbeschäftigung – von vornherein erkennbar für eine kurze Zeit gelten. Voraussetzung ist, dass der Arbeitsvertrag die nur vorübergehend beabsichtigte Beschäftigung als Aushilfe durch eine sog. Aushilfsklausel deutlich macht und der Tatbestand des nur vorübergehenden Bedarfs auch objektiv erfüllt ist. Für ein unbefristetes Aushilfsarbeitsverhältnis gelten grundsätzlich die gesetzlichen Kündigungsfristen gemäß §§ 622 Abs. 1 und 622 Abs. 2 BGB. Allerdings kann die gesetzliche Kündigungsfrist im Rahmen eines Aushilfsarbeitsverhältnisses während der
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363
Teil G
Event und Arbeitsrecht
ersten drei Monate vertraglich verkürzt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht länger als drei Monate fortgesetzt wird, § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB. Ein Aushilfsarbeitsverhältnis kann auch befristet abgeschlossen werden. Soll das Aushilfsarbeitsverhältnis für länger als sechs Monate bestehen bleiben, muss in jedem Fall ein sachlicher Grund dafür bestehen.22 Anderenfalls entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Ein sachlicher Grund kann zB bei der Einstellung eines Roadies nur für eine Tournee vorliegen. c) Verträge mit Vollzeitmitarbeitern Wir können und wollen an dieser Stelle nicht auf alle möglichen Einzelheiten eines kompletten Anstellungsvertrages eingehen. Daher ist nachfolgend ein ausführlicher Mustervertrag für die Einstellung eines Projektleiters abgedruckt.
957
u
M 21
Anstellungsvertrag
Zwischen der EvilVents GmbH und Herrn/Frau … (nachfolgend Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin genannt) wird Folgendes vereinbart: § 1 Art der Tätigkeit 1. Die Gesellschaft überträgt dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin die Projektleitung der Abteilung … 2. Die Stelle ist mit Prokura/Handlungsvollmacht/Generalvollmacht ausgestattet. oder Nach einer Einarbeitungszeit von … Monaten wird dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin bei Bewährung Prokura/Handlungsvollmacht/Generalvollmacht erteilt. 3. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin … ist leitende(r) Angestellter iS des § 5 Abs. 3 BetrVG. 4. EvilVents behält sich vor, den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin auch andere seiner/ihrer Vorbildung und seiner/ihrer Fähigkeit entsprechende und zumutbare Aufgaben zu übertragen und/oder ihn/sie an einen anderen Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen. 5. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin … tritt seine/ihre Stelle spätestens ab … an. § 2 Arbeitszeit 1. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt … Stunden wöchentlich; ihre Einteilung richtet sich nach den betrieblichen Regelungen unter besonderer Berücksichtigung der Erfordernisse des Betriebes. 22 Siehe dazu auch Rz. 965 ff.
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Teil G
III. Allgemeines Arbeitsrecht
2. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, seine/ihre ganze Arbeitskraft im Interesse von EvilVents einzusetzen und auch im Falle der Erforderlichkeit über die betriebliche Arbeitszeit hinaus zu arbeiten. 3. Sollte EvilVents gezwungen sein, Kurzarbeit einzuführen, ist der Arbeitnehmer/ die Arbeitnehmerin damit einverstanden, dass seine/ihre Arbeitszeit vorübergehend im gleichen Umfang verkürzt wird wie die seiner/ihrer Untergebenen. Für die Dauer der Arbeitszeitverkürzung erfolgt eine entsprechende Gehaltsreduzierung. § 3 Vergütung 1. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält eine monatlich am Monatsschluss zahlbare Bruttovergütung von … Euro. Im Falle von Tariferhöhungen oder -ermäßigungen erhöht oder ermäßigt sich die Bruttovergütung um den Prozentsatz wie sich das höchste Tarifgehalt für Angestellte des … Tarifvertrages verändert. Im Übrigen bleibt die Veränderung der Vergütung einer besonderen Vereinbarung vorbehalten. 2. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält jedes Jahr am … eine Weihnachtsgratifikation iH von … Euro. Der Anspruch auf die Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Auszahlungszeitpunkt endet. Anteilige Zahlungen werden nicht gewährt. Der Anspruch auf Gratifikation entfällt, wenn sich das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet, ausgenommen das Arbeitsverhältnis endet aus betriebsbedingten Gründen. Diese Regelung gilt sinngemäß für Aufhebungsvereinbarungen, die das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen auflösen. Eine gewährte Weihnachtsgratifikation ist zurückzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund von ihm/ihr zu vertretender außerordentlicher oder ordentlicher verhaltensbedingter Kündigung der Gesellschaft bis zum 31.3. des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht nicht bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin aus betriebsbedingten Gründen. Diese Regelung gilt sinngemäß für Aufhebungsvereinbarungen, die das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen auflösen. EvilVents ist berechtigt, mit ihrer Rückzahlungsforderung gegen rückständige oder nach der Kündigung (Aufhebungsvereinbarung) fällig werdende Vergütungsansprüche im Rahmen der gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften aufzurechnen. 3. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält mit der Vergütung nach Abs. 1 jeweils für den Monat … eine Urlaubsgratifikation von … Euro. Die Urlaubsgratifikation steht dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin nur zu, wenn er/sie sich am 1.5. des Urlaubsjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet. Scheidet der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nach Empfang der Gratifikation bis zum 30.9. des Urlaubsjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist er/sie zur Rückzahlung der Urlaubsgratifikation verpflichtet, es sei denn, das Arbeitsver365
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Event und Arbeitsrecht
hältnis endet vorzeitig aus betriebsbedingten oder aus anderen Gründen, die Herr/Frau … nicht zu vertreten hat. 4. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält eine Gewinnbeteiligung iH von … % des sich aus der Handelsbilanz der Gesellschaft ergebenden Jahresgewinns, mindestens aber eine Gewinnbeteiligung von jährlich … Euro. Die Gewinnbeteiligung gelangt binnen Monatsfrist nach Verabschiedung der Bilanz zur Auszahlung. Scheidet der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin innerhalb des laufenden Geschäftsjahres aus der Gesellschaft aus, steht ihm/ihr nur ein Anspruch auf Gewinnbeteiligung pro rata temporis der Zugehörigkeit zur Gesellschaft zu. oder Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält eine Sondervergütung, die nach Abschluss des Geschäftsjahres zum 31.3. des folgenden Kalenderjahres ausgezahlt wird. Die Höhe der Sondervergütung wird von der Gesellschaft in Abhängigkeit vom Geschäftsergebnis und der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin jedes Jahr neu festgesetzt. Bei einer Beschäftigungsdauer von weniger als 12 Monaten in einem Geschäftsjahr wird die Sondervergütung anteilig im Verhältnis zur Dauer der Firmenzugehörigkeit gezahlt. 5. Sofern der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin eine Sonderzuwendung nach Nr. 2 bis 4 erhält, geschieht dies in Form einer freiwilligen Leistung. Die wiederholte freiwillige Zahlung begründet keinen Rechtsanspruch auf Leistungsgewährung für die Zukunft. 6. Für die Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch auf eine Gratifikation nach Abs. 2 bis 4. Dabei ist es unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung ruht. Auch für Zeiten des Erziehungsurlaubs wird eine Gratifikation nicht gezahlt. 7. Mit dieser Vergütungsregelung sind Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit abgegolten. § 4 Verschwiegenheitspflicht Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses über alle nicht allgemein bekannten geschäftlichen Angelegenheiten sowohl gegenüber Außenstehenden als auch gegenüber anderen Mitarbeitern, die mit dem betreffenden Sachgebiet nicht unmittelbar befasst sind, Verschwiegenheit zu wahren und erhaltene Anweisungen zur Geheimhaltung zu erfüllen. § 5 Nebentätigkeiten 1. Die Übernahme jeder auf Erwerb gerichteten Nebentätigkeit, auch die tätige Beteiligung an anderen Unternehmen, die Mitgliedschaft in Organen fremder Gesellschaften sowie die Übernahme von Ehrenämtern in wirtschaftlichen Verbänden oder im öffentlichen Leben bedürfen der schriftlichen Einwilligung von EvilVents. Dies gilt auch für direkte oder indirekte Beteiligungen an Unternehmen, sofern Herr/Frau … durch seine Stellung oder Tätigkeit bei EvilVents einen direkten Einfluss auf die Geschäftsbeziehungen zu diesen Unternehmen ausüben kann. 366
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III. Allgemeines Arbeitsrecht
2. Ohne schriftliche Einwilligung von EvilVents darf der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin auf den Geschäftsgebieten der Gesellschaft keine Geschäfte auf eigene oder fremde Rechnung vornehmen. 3. Vorträge und/oder Veröffentlichungen, die die Interessen von EvilVents tangieren, bedürfen der vorherigen Zustimmung. § 6 Urlaub 1. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin hat pro Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch von … Arbeitstagen. Der Urlaub sollte nach Möglichkeit jeweils zusammenhängend in ein oder zwei Urlaubsperioden genommen werden. Eine Übertragung von Urlaub auf das nächste Kalenderjahr ist nicht statthaft. Der Zeitpunkt des Urlaubs ist jeweils rechtzeitig mit der Firma abzustimmen. 2. Während des Urlaubs wird das Grundgehalt gemäß § 3 in vollem Umfange weitergezahlt. § 7 Reisekosten 1. Für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin … Euro pro gefahrenen Kilometer/eine Benzinkostenpauschale von … Euro pro Monat. 2. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin … erhält für jeden Reisetag eine Pauschale iH von … Euro. 3. Für jede nachgewiesene Übernachtung erhält Herr/Frau … eine Übernachtungspauschale iH von … Euro. oder: Die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Kosten erstattet. 4. Die Erstattung von Aufwendungen setzt entstandene Aufwendungen voraus; während des Urlaubs oder einer anderen Arbeitsverhinderung wird demgemäß kein Aufwendungsersatz geleistet. § 8 Erfindungen, Urheberrechte 1. Für die Behandlung von schutzfähigen Erfindungen gelten die gesetzlichen Bestimmungen. 2. Sonstige Urheberrechte aller Art, die aufgrund der Tätigkeit von Herrn/Frau … entstehen, sind auf die Gesellschaft zu übertragen, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen. Die Übertragung dieser Rechte ist durch die Vergütung nach § 3 abgegolten. § 9 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot 1. Herr/Frau … verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder ein Arbeitsverhältnis zu einem mit der Gesellschaft in Wettbewerb stehenden Unternehmen zu begründen noch ein Wettbewerbsunternehmen zu errichten oder sich an einem solchen zu beteiligen. 2. Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich räumlich auf das Gebiet der … 3. Das Arbeitsgebiet der Gesellschaft erstreckt sich auf nachfolgende Bereiche: … 367
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Event und Arbeitsrecht
4. Die Gesellschaft verpflichtet sich, Herrn/Frau … für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbotes mindestens die Hälfte der von Herrn/Frau … zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. 5. Die Karenzentschädigung wird fällig am Schluss eines jeden Monats. 6. Herr/Frau … verpflichtet sich, während der Dauer des Wettbewerbsverbotes auf Verlangen Auskunft über die Höhe seiner Bezüge zu geben und die Anschrift seines jeweiligen Arbeitgebers mitzuteilen. Am Schluss eines Kalenderjahres ist er/ sie verpflichtet, seine Lohnsteuerkarte vorzulegen. 7. Herr/Frau … hat für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe von … Euro zu zahlen. Im Fall eines Dauerverstoßes (Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen von länger als einem Monat) ist die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat neu verwirkt, in ihrer Höhe aber auf … Euro begrenzt. 8. Das Recht der Gesellschaft gegenüber Herrn/Frau …, einen weitergehenden Schaden geltend zu machen, wird durch Abs. 1 nicht berührt. § 10 Altersversorgung Herr/Frau … hat Anspruch auf betriebliche Altersversorgung im Rahmen der Betriebsvereinbarung vom …, deren Anwendbarkeit auf das vorliegende Anstellungsverhältnis ausdrücklich vereinbart wird. oder Herr/Frau … erhält betriebliche Altersversorgung aufgrund einer Ruhegeld-Direktzusage, die diesem Vertrag als Anlage beigefügt ist. § 11 Vergütungsfortzahlung 1. Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit erhält Herr/Frau … das Monatsgehalt nach § 3 Abs. 1 für die Dauer von … Monaten fortbezahlt. Sondervergütungen nach § 3 Abs. 1 bis 4 werden für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht gekürzt. 2. Sollte Herr/Frau … während des ungekündigten Bestands des Arbeitsverhältnisses sterben, so erhalten seine/ihre Erben oder unterhaltsberechtigten Angehörigen bis zum Ende des Sterbemonats und danach noch für … Monate das Monatsgehalt nach § 3 Abs. 1 als Sterbegeld. Die Bezugsdauer erhöht sich nach fünfjähriger Betriebszugehörigkeit auf … Monate und nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit auf … Monate. 3. Falls Herr/Frau … gegenüber der Gesellschaft keine schriftliche Bestimmung getroffen hat, bleibt es der Gesellschaft überlassen, an welchen Erben oder Unterhaltsberechtigten das Sterbegeld nach Abs. 2 gezahlt wird. Die Erben bzw. Unterhaltsberechtigten haben sich ggf. selbst auseinanderzusetzen. 4. Schadensersatzansprüche, die Herr/Frau …, seine/ihre Erben oder seine/ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen wegen des Verdienstausfalls im Falle seiner/ihrer Arbeitsunfähigkeit oder seines/ihres Todes gegen Dritte haben, tritt Herr/Frau … hiermit an die Gesellschaft bis zur Höhe des Betrages ab, den sie nach den vorstehenden Absätzen zahlt. Versicherungsansprüche gegen ge368
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setzliche oder private Lebens-, Unfall- und Krankenversicherungsträger fallen nicht hierunter. § 12 Umzugskosten 1. Die Gesellschaft verpflichtet sich, Herrn/Frau … die Umzugskosten von … nach … gegen Vorlage der Belege zu erstatten. 2. Die Erteilung des Umzugsauftrages darf nur im Einverständnis mit der Gesellschaft erfolgen. Vorher hat Herr/Frau … die Angebote von mindestens … Möbelspediteuren beizubringen. 3. Scheidet Herr/Frau … vor Ablauf von 3 Jahren nach dem Umzugstermin aus dem Arbeitsverhältnis aus, ohne dass er dafür einen wichtigen Grund hat, oder beruht eine Kündigung der Gesellschaft innerhalb dieses Zeitraums aus Gründen, die Herr/Frau … zu vertreten hat, so ist Herr/Frau … verpflichtet, die Umzugskosten zurückzuzahlen, wobei pro Monat der Betriebszugehörigkeit 1/36 der Umzugskosten als getilgt gelten. § 13 Vertragsstrafe Im Falle der Nichtaufnahme der Tätigkeit oder der vertragswidrigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses ist die Gesellschaft berechtigt, eine Vertragsstrafe iH von … Monatsgehältern nach § 3 Abs. 1 zu verlangen. Darüber hinaus ist die Gesellschaft berechtigt, auch einen weitergehenden Schaden geltend zu machen. § 14 Beendigung des Anstellungsverhältnisses 1. Während der ersten 6 Monate kann das Anstellungsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Monatsschluss gekündigt werden. Vor der Arbeitsaufnahme kann das Arbeitsverhältnis nicht ordentlich gekündigt werden. 2. Nach Ablauf von 6 Monaten beträgt die Kündigungsfrist … Monate zum Halbjahresschluss. 3. Ohne dass es einer Kündigung bedarf, endet das Anstellungsverhältnis spätestens mit Ablauf des Monats, in dem Herr/Frau … sein/ihr 65. Lebensjahr vollendet. 4. Jede Kündigung bedarf der Schriftform. 5. Während der Kündigungsfrist ist die Gesellschaft berechtigt, Herrn/Frau … unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung etwaiger restlicher Urlaubsansprüche von der Arbeit freizustellen. Entsprechendes gilt bei einverständlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses. § 15 Ausschlussfristen 1. Alle Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis und solche, die mit dem Anstellungsverhältnis in Verbindung stehen, sind innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verwirkt. 2. Bleibt die Geltendmachung erfolglos, so muss der Anspruch innerhalb einer Frist von 2 Monaten nach schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei eingeklagt werden, anderenfalls ist er ebenfalls verwirkt. 369
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§ 16 Schlussbestimmungen 1. Änderungen und/oder Ergänzungen zu diesem Vertrag bedürfen der Schriftform. 2. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages und/oder seiner Änderungen bzw. Ergänzungen unwirksam sein, so wird dadurch die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht berührt. Die unwirksame Bestimmung wird durch eine wirksame ersetzt, die dem wirtschaftlich Gewollten am nächsten kommt. 3. Für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, seiner Beendigung und Abwicklung ist das Arbeitsgericht … zuständig. Unterschriften 958
Im Agenturbereich besteht die Gefahr, dass die angestellten Mitarbeiter über den Bereich der eigentlichen Tätigkeit hinaus betriebsfremd aktiv werden. Manchmal lässt sich das mit der Haupttätigkeit vereinbaren, oft aber auch nicht. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass durch zusätzliche Tätigkeiten auch betriebsinterne Ideen nach außen gelangen, sollte immer geprüft werden, ob der Arbeitseinsatz für die Haupttätigkeit nicht leidet.
958a
Außer den arbeitsvertraglichen Hauptpflichten zur Arbeitsleistung und der Vergütung sind in den Arbeitsverträgen und freien Mitarbeiterverträgen eine Reihe von Nebenpflichten geregelt. So finden sich in den Verträgen regelmäßig neben Verschwiegenheitsklauseln und Wettbewerbsverboten sog. Vertragsstrafeklauseln. In den Vertragsstrafeklauseln wird mit den Beschäftigten die Zahlung einer vertraglichen Geldstrafe für den Fall vereinbart, dass sich der Beschäftigte in schwerwiegender Weise vertragswidrig verhält. Vertragswidrig verhält sich ein Mitarbeiter einer Eventagentur insbesondere, wenn er geplante neue Events oder attraktive Ideen für Promotion-Aktionen an Dritte verrät, ohne Wissen der Agentur in Konkurrenz zu dieser tritt oder der Mitarbeiter in vertragswidriger Weise sein Beschäftigungsverhältnis beendet oder nicht antritt.
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Doch häufig halten die Vertragsstrafeklauseln einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Vertragsstrafeklauseln werden, wenn sie vorformuliert sind, im Falle einer gerichtlichen Überprüfung einer Inhaltskontrolle nach den Vorschriften der §§ 305 ff BGB unterzogen. Mit einer solchen Vertragsstrafeklausel hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom 21.4.200523 zu befassen. Ein Arbeitnehmer, der sich noch in der Probezeit befand, war von seinem Arbeitgeber fristlos gekündigt worden. Der Arbeitgeber forderte außerdem von seinem Arbeitnehmer aufgrund der fristlosen Kündigung eine Vertragsstrafe iH eines Monatsgehaltes. Die diesem Anspruch zugrunde liegende Vertragsklausel lautete wie folgt: „§ 12 Vertragsstrafe, Schadensersatz Tritt der/die Arbeitnehmer/in das Arbeitsverhältnis nicht an, löst er/sie das Arbeitsverhältnis unter Vertragsbruch oder wird der Arbeitgeber durch schuldhaft vertragswidriges 23 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053 = AP BGB § 307 Nr. 3.
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Verhalten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst, so hat der/die Arbeitnehmer/in an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe iH von einem Brutto-Monatsgehalt/-lohn zu zahlen. Der Arbeitgeber kann einen weitergehenden Schaden geltend machen.“
Gleichzeitig beinhaltete der Vertrag eine Klausel, wonach die Parteien während der Probezeit das Arbeitsverhältnis binnen einer Frist von 2 Wochen beenden können. Das BAG entschied, dass ein Anspruch auf ein Monatsgehalt nicht besteht, da nach Auffassung der Richter die Klausel rechtswidrig sei. Nach Auffassung des Gerichts ist eine arbeitsvertragliche Vertragsstrafeklausel unwirksam, sofern sie dem Arbeitnehmer entgegen Treu und Glauben benachteiligt, wobei an die Prüfung zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen sei. So führte das Gericht in seinen Entscheidungsgründen wörtlich aus: „Der Senat hat mit Urteil vom 4.3.200424 entschieden, dass ein Monatsgehalt generell als Maßstab einer angemessenen Vertragsstrafe geeignet sei. Betrage die Kündigungsfrist in der Probezeit allerdings nur zwei Wochen, sei eine Vertragsstrafe von einem Monat in der Regel unangemessen hoch. Die unangemessene Benachteiligung führe nach § 307 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel.“
Im konkreten Fall erklärte das BAG die Klausel allerdings aus einem anderen Grunde für unwirksam. Die Richter vertraten die Auffassung, dass die zu beurteilende Klausel nicht klar und verständlich gefasst wurde. „Die vorliegende Vertragsstrafenabrede ist schon wegen mangelnder Bestimmtheit unwirksam. Die Verwirkung der vereinbarten Vertragsstrafe durch „schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst“, ist nicht klar und verständlich, weil die Pflichtverletzungen nicht hinreichend bestimmt sind. Die vereinbarte Vertragsstrafe muss nämlich nicht nur die zu leistende Strafe, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten zielen, sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam.“
Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass eine Vertragsstrafe iH eines Monatslohnes zwar grundsätzlich zulässig ist. Jedoch muss die Klausel die kürzere Kündigungsfrist der Probezeit berücksichtigen und auch eindeutig die einzelnen Pflichtverletzungen benennen, die zu einer Vertragsstrafe führen.
4. Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann verschiedene Gründe haben. Hier sollen nur die drei wichtigsten Beendigungsgründe dargestellt werden. Diese sind: – Fristablauf; – Aufhebungsvertrag; – Kündigung. 24 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen.
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a) Befristete Arbeitsverhältnisse 960
§ 620 Abs. 1 BGB lautet: „Das Dienstverhältnis endigt mit dem Ablaufe der Zeit, für die es eingegangen ist.“
Daraus geht hervor, dass der Abschluss eines Arbeitsvertrages befristet und unbefristet möglich ist. Die Beendigung erfolgt durch Fristablauf, wenn der Arbeitsvertrag für einen bestimmten Zeitraum abgeschlossen wurde, § 15 Abs. 1 TzBfG. 961
Der Abschluss befristeter Verträge kann auch unwirksam sein, wenn beispielsweise durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Richterrecht eine Befristung ausdrücklich ausgeschlossen ist.
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Nach § 14 Absatz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrages nur bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig und bis zu dieser Gesamtdauer kann ein befristeter Arbeitsvertrag auch höchstens dreimalig verlängert werden, § 14 Abs. 2 TzBfG. Außerdem bedarf es für die Befristung eines sachlichen Grundes.25
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Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses kann kalendermäßig bestimmt sein.26 Außerdem ist es möglich, die Befristung nach der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienstleistung zu bestimmen, § 15 Abs. 2 TzBfG. Dies ist im Veranstaltungsbereich insbesondere bei der vorübergehenden Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte für eine Großveranstaltung der Fall. Für die Veranstaltungsbranche ist die Befristung wegen der Verträge mit Künstlern, Musikern und Schauspielern häufig Vertragsinhalt. Allerdings sollte der Veranstalter bzw. die Eventagentur beim Abschluss befristeter Arbeitsverträge beachten, dass der Abschluss von sog. Kettenarbeitsverträgen oft unwirksam ist.
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Ein Kettenarbeitsvertrag ist der aufeinanderfolgende Abschluss mehrerer Zeitarbeitsverträge in der Weise, dass mit Fristablauf eines Arbeitsvertrages jeweils ein neuer befristeter beginnt.
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Ein sachlicher Grund für die Befristung (sog. Zweckbefristung) wird gefordert, um eine Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes zu verhindern.
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Als sachliche Gründe für eine Befristung gelten gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1–8 TzBfG: – ein betrieblicher Bedarf an Arbeitsleistung. der nur vorübergehend besteht; – die Befristung erfolgt im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern; – der Arbeitnehmer wird zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt; – die Eigenart der Arbeitsleistung rechtfertigt die Befristung; – die Befristung erfolgt zur Erprobung; 25 Palandt/Weidenkaff, § 620 BGB Rz. 17, 31. 26 Palandt/Weidenkaff, § 620 BGB Rz. 7.
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– in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe rechtfertigen die Befristung; – der Arbeitnehmer wird aus Haushaltsmitteln vergütet, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er wird entsprechend beschäftigt; – die Befristung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Ist die Befristung unwirksam, so gilt das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen, § 16 TzBfG. Wenn der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Befristung geltend machen will, muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses beim zuständigen Arbeitsgericht Klage einreichen, § 17 TzBfG. Zum 1.1.2004 wurden auch im Teilzeit- und Befristungsgesetz Änderungen vorgenommen, um speziell Existenzgründern die – auch befristete – Einstellung von Arbeitskräften zu erleichtern. Zur besseren Transparenz wurde der neue Gesetzestext des Paragraphen 14 TzBfG komplett abgedruckt. Die Neuerungen sind im Fettdruck hervorgehoben. § 14 Zulässigkeit der Befristung (1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn 1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, 2. die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, 3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, 4. die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt, 5. die Befristung zur Erprobung erfolgt, 6. in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen, 7. der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder 8. die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. (2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes, Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. (2a)27 In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. 27 § 14 Abs. 2a TzBfG wurde eingefügt durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I, S. 3002, 3003, in Kraft seit 1.1.2004).
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Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung. (3)28 Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig. Alte Fassung: (3) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt. Bis zum 31. Dezember 2006 ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 58. Lebensjahres das 52. Lebensjahr tritt (nach EuGH unzulässig, siehe unten). (4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
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Nach Abs. 2 wurde ein Abs. 2a eingefügt. Danach ist in den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig. Außerdem soll auch die mehrfache Verlängerung bis zur Gesamtdauer von vier Jahren zulässig sein. Voraussetzung ist jedoch die Neugründung eines Unternehmens. Nicht dazu gehören Neugründungen im Zusammenhang mit rechtlichen Umstrukturierungen von Unternehmen und Konzernen. Entscheidend für den Gründungszeitpunkt ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Im Übrigen sollen die Sätze 2 bis 4 des § 14 Abs. 2 TzBfG entsprechend angewendet werden.
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Nach der Begründung des Gesetzgebers haben sich die bisherigen Regelungen des TzBfG zur erleichterten Befristung bewährt, um Arbeitgebern zu ermöglichen, hinsichtlich ihrer Mitarbeiter auf unsichere Auftragslagen flexibel zu reagieren. Erleichterungen durch Befristungen ohne Sachgrund waren bis zum 31.12.2003 (§ 14 Abs. 2 TzBfG) bis zur Dauer von zwei Jahren und nach Abs. 3 aF bei Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, möglich. Diese im Rahmen der Hartz-Gesetze beschlossene Regelung der Teilzeitarbeit sollte die Anstellung äl-
28 § 14 Abs. 3 TzBfG wurde neu gefasst durch das Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen vom 19.4.2007 (BGBl. I 2007, S. 538, in Kraft seit 1.5.2007).
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terer Arbeitnehmer begünstigen. Tatsächlich erhielten durch das neue Teilzeitund Befristungsgesetz fast 300 000 Mitarbeiter ab 52 Jahren einen neuen Job. § 14 Abs. 3 TzBfG aF wurde allerdings Ende 2005 durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg durch ein entsprechendes Urteil verworfen.29 Nach Auffassung der höchsten europäischen Richter gibt es zwar grundsätzlich trotz des Diskriminierungsverbotes einen nationalen Spielraum für „eine unmittelbar auf das Alter gestützte Ungleichbehandlung“. Allerdings müsse eine solche Alters-Diskriminierung durch ein legitimes Ziel „objektiv und angemessen gerechtfertigt sein“. Zwar ist die Absicht, älteren Menschen einen beruflichen Wiedereinstieg zu erleichtern, nach Auffassung des Gerichts ein solches legitimes Ziel, der deutsche Gesetzgeber sei aber mit der Regelung in § 14 Abs. 3 aF TzBfG über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgegangen. Nach Ansicht der Luxemburger Richter würde die Regelung in der Praxis dazu führen, dass man allen Arbeitnehmern in Deutschland, die 52 Jahre und älter sind, bis zum Ruhestand befristete und immer wieder verlängerbare Arbeitsverträge anbieten könne.
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Aufgrund des EuGH-Urteils können Mitarbeiter ab 52 Jahren somit künftig darauf bestehen, dass sie entweder einen unbefristeten Vertrag bekommen oder dass der potentielle Arbeitgeber einen sachlichen Grund für die Befristung vorbringen kann. Laut Statistischem Bundesamt haben von derzeit 7,1 Millionen abhängig Beschäftigten im Alter von 50 bis 65 Jahren rund 284 000 einen zeitlich begrenzten Vertrag. Die Vorgaben des EuGH sind für die deutschen Arbeitsgerichte bindend30, so dass der Wortlaut des § 14 Abs. 3 TzBfG aF vom deutschen Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen v. 19.4.200731 geändert wurde.
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Da der wirtschaftliche Erfolg bei Existenzgründern gerade in der Aufbauphase noch wesentlich unsicherer ist als bei bestehenden Unternehmen, wurde mit Gesetzesänderung zum 1.1.2004 diesen die Einstellung von Arbeitnehmern erleichtert. Im Umkehrschluss erhoffte man sich dadurch auch die tatsächliche Einstellung von Arbeitnehmern. Insoweit wird die Erfahrung zugrunde gelegt, dass befristete Beschäftigungen häufig in Dauerbeschäftigungen übergehen.
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Im Einzelnen erhielten Existenzgründer folgende Erleichterungen: – befristete Arbeitsverträge können ohne sachlichen Befristungsgrund bis zur Dauer von vier Jahren nach Existenzgründung abgeschlossen werden; – auch Unternehmen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht länger als vier Jahre existieren, können die Erleichterung in Anspruch nehmen; – ein zunächst kürzer befristeter Arbeitsvertrag kann innerhalb der vier Jahre mehrfach verlängert werden.
29 EuGH v. 22.11.2005 – C-144/04, NJW 2005, 3695 = NZA 2005, 1345 = ZP 2005, 2171. 30 BAG v. 26.4.2007 – 7 AZR 500/04, NZA 2006, 1162 = BB 2006, 1858; v. 16.10.2008 – 7 AZR 253/07. 31 BGBl. I 2007, S. 538, in Kraft seit 1.5.2007.
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Voraussetzungen für diese Erleichterungen waren: – es musste sich um ein neu gegründetes Unternehmen handeln, wobei es bei dem Zeitpunkt für die Existenzgründung auf die Aufnahme einer nach § 138 Abgabenordnung mitteilungspflichtigen Erwerbstätigkeit ankommt. – Eine Neugründung, die auf die Umstrukturierung von Unternehmen zurückzuführen ist, reicht nicht aus. b) Aufhebungsvertrag 968
Weiterhin kann das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Ein Aufhebungsvertrag ist die Einigung der Arbeitsvertragsparteien, dass das Arbeitsverhältnis zu einem gewissen Zeitpunkt beendet werden soll. Diese Erklärung wird in einem Aufhebungsvertrag fixiert. Dieser Vertrag sollte klären: – Abfindung (brutto, netto), – Datum der Freistellung (Resturlaub), – Zeugnis, – Anteil an der Jahresprämie (Gratifikationen/Provisionen/Weihnachtsgeld), – Konkurrenzklausel (Aufhebung/Verzicht/Einschränkung), – Ausgleichsklausel (enthält Verzicht auf alle nicht erwähnten Ansprüche). Beim Aufhebungsvertrag sind die Parteien nicht auf die Einhaltung von Kündigungsfristen oder die Einholung behördlicher Genehmigungen angewiesen. c) Kündigung Beispiel Herr I. Wendt beschäftigt in seiner Agentur drei Festangestellte und fünf Teilzeitkräfte mit einer Arbeitszeit von durchschnittlich 14 Wochenstunden. Als er einem der Angestellten kündigt, droht dieser mit einer Kündigungsschutzklage. Herr I. Wendt bleibt gelassen, da er davon ausgeht, dass das Kündigungsschutzgesetz erst bei mehr als fünf Vollzeitkräften Anwendung findet. Hat Herr I. Wendt Recht?
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Der Normalfall für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist die Kündigung. Es werden die ordentliche und die außerordentliche Kündigung unterschieden. Die Kündigung muss deutlich und zweifelsfrei erklärt werden.32 Nach § 623 BGB ist eine Kündigung nur dann wirksam, wenn sie in schriftlicher Form erfolgt.
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Bei einer ordentlichen Kündigung müssen die vorgeschriebenen Kündigungsfristen eingehalten werden. Die im BGB (§ 622) festgeschriebene allgemeine Kündigungsfrist für Arbeiter und Angestellte beträgt vier Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende. Ist zunächst ein Probearbeitsverhältnis vorgesehen, kann während der Probezeit eine zweiwöchige Kündigungsfrist vereinbart werden. Wenn über 25-jährige Arbeitnehmer länger als zwei Jahre bei einem Unternehmen beschäftigt sind, erhöht sich die Kündigungsfrist auf bis zu sieben Monate zum Monatsende. 32 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 123 III 1.
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III. Allgemeines Arbeitsrecht
Teil G
Die außerordentliche Kündigung erfolgt fristlos aus wichtigem Grund. Ein wichtiger Grund ist die grobe Verletzung einer vertraglichen Pflicht oder eine Störung im Vertrauensbereich (zB Diebstahl von Betriebseigentum/Verrat von Betriebsgeheimnissen). Die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden des wichtigen Grundes erfolgen. Die Kündigung sollte immer als letztes Mittel verwendet werden. Daher ist idR vor Aussprechen der Kündigung eine Abmahnung des jeweiligen Arbeitnehmers zu erfolgen. Zum notwendigen Inhalt einer Abmahnung gehört eine genaue Schilderung des Sachverhaltes. Sinnvoll sind Hinweise auf den abgeschlossenen Arbeitsvertrag und die darin enthaltenen Pflichten. Unter Umständen können Zeugenaussagen die Abmahnung erhärten. Auf jeden Fall soll das Androhen von Konsequenzen im Wiederholungsfall den Sinn der Abmahnung verdeutlichen.33
971
Erbringt ein Arbeitnehmer oder ein freier Mitarbeiter schuldhaft seine Arbeitsleistung nicht, verliert er seinen Anspruch auf Entlohnung.
972
Erbringt er dagegen seine Leistung nur mangelhaft, kommt eine Minderung der Gegenleistung nicht in Betracht. Wenn leichte Pflichtverletzungen vorliegen, ist kein Grund für eine fristlose Kündigung vorhanden. Als wichtige Gründe können beispielsweise in Betracht kommen: – häufige Unpünktlichkeit, – unberechtigte Arbeitsverweigerung, – grobe Beleidigung von Arbeitgeber oder Mitarbeitern, – Eigentumsdelikte (zB Diebstahl, Unterschlagung, Untreue), – tätliche Auseinandersetzungen im Betrieb. Um die Situation am Arbeitsmarkt zu verbessern, hat der Bundestag zum 1.1.2004 ein Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt beschlossen. Dazu gehörten die Änderung des Kündigungsschutzgesetzes, des Teilzeit- und Befristungsgesetzes sowie Neuregelungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch. Eine der wichtigsten Änderungen im Rahmen dieser Reform war die Anhebung des Schwellenwertes für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes von fünf auf zehn Beschäftigte. Somit ist die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes an folgende Voraussetzungen geknüpft:
973
1. Arbeitsverhältnis besteht ohne Unterbrechung länger als 6 Monate 2. Im Betrieb sind ohne Auszubildende mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Teilzeitbeschäftigte werden bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bis zu 20 Stunden mit 0,5 und bei einer Arbeitszeit bis zu 30 Stunden mit 0,75 berücksichtigt, § 23 Abs. 1 KSchG. Der Schutz der befristeten Arbeitnehmer erfolgt nach wie vor über das Teilzeitund Befristungsgesetz (TzBfG), dessen allgemeine Bestimmungen durch die Änderung des KSchG unberührt bleiben. Danach gilt wie bisher der Grundsatz, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages eines sachlichen Grundes bedarf, § 14 33 Siehe zur Abmahnung auch Rz. 977.
377
973a
Teil G
Event und Arbeitsrecht
Abs. 1 TzBfG, sofern es sich nicht um eine erleichterte Befristung, also um eine Neueinstellung bis zur Dauer von zwei Jahren nach § 14 Abs. 2 TzBfG handelt. 973b
Die Änderung betrifft nur befristete Arbeitsverhältnisse, die am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes oder danach begründet wurden. Entscheidend ist der vereinbarte Tag der Arbeitsaufnahme. Auf Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt bereits befristet beschäftigt waren, ist die alte Rechtslage anzuwenden, so dass sie ihren Kündigungsschutz behalten.
974
Für Kleinbetriebe, dh. für solche Betriebe, die ohne Auszubildende in der Regel nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen, hat sich Folgendes geändert: Es gilt auch für Arbeitnehmer in Kleinbetrieben, die nicht unter den Anwendungsbereich des KSchG fallen, die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG sowie die §§ 5–7 KSchG. Das hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass er nach Ablauf von drei Wochen nicht mehr mit einer Kündigung des Arbeitnehmers rechnen muss. Nur wenn der Arbeitnehmer die strengen Voraussetzungen der Zulassung einer verspäteten Klage nach § 5 KSchG erfüllt, ist künftig nach Ablauf der Dreiwochenfrist noch mit einer Klage zu rechnen. Abgesehen von diesem Ausnahmefall kann der Arbeitgeber ansonsten davon ausgehen, dass die Kündigung, egal aus welchem Grund, gemäß § 7 KSchG als wirksam anzusehen ist. Der Nachteil für den Arbeitgeber wird jedoch darin gesehen, dass sich die Regelung der Frist für die Erhebung der Klage im KSchG befindet. In § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG werden die §§ 4–7 und § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 KSchG als Ausnahme eingefügt. Weitere Änderungen für Kleinbetriebe ergeben sich nicht. Insbesondere können Arbeitnehmer nach wie vor keinen Auflösungsantrag gegen Zahlung einer Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG stellen, so dass dem Arbeitgeber keine Zahlungsansprüche drohen.
975
Es gibt im Kündigungsschutzgesetz drei unterschiedliche Kündigungsgründe: – die verhaltensbedingte Kündigung, – die krankheits- oder personenbedingte Kündigung und – die betriebsbedingte Kündigung.
976
Die sog. verhaltensbedingte Kündigung wird in Fällen von arbeitsvertraglichen Pflichtwidrigkeiten ausgesprochen. Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt zB in folgenden Fällen in Frage: – Arbeitsverweigerung; – außerdienstliches Verhalten; – Minderleistung oder Schlechtleistung; – Verbüßung einer Freiheitsstrafe; – Straftat zum Nachteil des Arbeitgebers oder der Kollegen; – unentschuldigte Fehlzeiten; – Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot; – Missachtung von Sicherheitsvorschriften.
977
Die verhaltensbedingte Kündigung setzt grundsätzlich ein Fehlverhalten voraus. Darüber hinaus sollte einer verhaltensbedingten Kündigung in jedem Fall eine 378
III. Allgemeines Arbeitsrecht
Teil G
Abmahnung des Arbeitgebers vorausgehen. Eine Abmahnung sollte schriftlich abgefasst werden. Inhaltlich sollte sie daher eine konkrete Beschreibung des Fehlverhaltens (Dokumentations- und Hinweisfunktion) und die Androhung bestandsschutzrechtlicher Konsequenzen im Wiederholungsfall (Warnfunktion) enthalten. Obwohl eine Abmahnung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, hat die Praxis der Arbeitsgerichtsprozesse gezeigt, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung den Arbeitnehmer immer abmahnen sollte. Eine früher ausgesprochene, korrekt und ausführlich formulierte Abmahnung stärkt die Position des Arbeitgebers vor dem Arbeitsgericht. Bei der sog. krankheits-/oder personenbedingten Kündigung müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: – negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen zukünftigen Gesundheitszustandes, – erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und eine – umfassende Interessenabwägung.
978
Die betriebsbedingte Kündigung erfolgt aus betrieblichen Erfordernissen, die einen Wegfall von Arbeitsplätzen nötig machen.
979
Bei den betrieblichen Erfordernissen wird zwischen – außerbetrieblichen Ursachen und – innerbetrieblichen Ursachen differenziert. Außerbetriebliche Ursachen können beispielsweise Auftragsmangel, Umsatzrückgang usw. sein. Diese Ursachen müssen sich unmittelbar auf den Arbeitskräftebedarf auswirken.
379
980
Teil G
Event und Arbeitsrecht
Abb. 56: Kündigung von Arbeitsverträgen
Der Kündigungsschutz im Überblick Arbeitnehmer kündigt fristgemäß
Arbeitgeber kündigt fristgemäß
ja
Arbeitgeber kündigt fristlos
Betriebsrat vorher angehört
nein
Arbeitnehmer klagt vor dem Arbeitsgericht (3-Wochen-Frist beachten)
Arbeitsgericht prüft, ob die Kündigung gerechtfertigt ist Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn – sie nicht in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers begründet ist; – sie nicht aus betrieblichen Erfordernissen heraus erforderlich war; – der Betriebsrat zu Recht widerspricht
Arbeitsvertrag beendet, da Kündigung wirksam
nein
ja nein
Auflösung des Arbeitsvertrages mit Abfindung des Arbeitnehmers
981
Kündigung sozial ungerechtfertigt?
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber zumutbar?
ja
Kündigung unwirksam! Arbeitsverhältnis besteht weiter
– Innerbetriebliche Ursachen führen zum Wegfall bestimmter Arbeitsplätze (zB bei Wegfall einzelner Abteilungen oder der Verlagerung gewisser Aufgaben an Fremdbetriebe) oder zur Rationalisierung des gesamten Unternehmens. 380
III. Allgemeines Arbeitsrecht
Teil G
– Weiterhin müssen die betrieblichen Erfordernisse dringend sein. Das bedeutet, dass die Kündigung von Arbeitnehmern unvermeidbar sein muss (ultima ratio Prinzip). Dies ist nicht der Fall, wenn – der Wegfall der Arbeitsplätze durch ein anderes, milderes Mittel vermeidbar ist oder – die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen, freien Arbeitsplatz erfolgen kann.
982
Letztlich muss der Arbeitgeber eine richtige Sozialauswahl treffen. Bei betriebsbedingten Kündigungen finden sich seit dem 1.1.2004 Änderungen bei der Sozialauswahl und im Zusammenhang mit Betriebsänderungen. Außerdem wurde ein gesetzlicher Abfindungsanspruch in einem neuen § 1a KSchG aufgenommen. Dadurch sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit einer einfachen, wirkungsvollen und kostengünstigen vorgerichtlichen Klärung erhalten.
983
Die bei betriebsbedingten Kündigungen erforderliche Sozialauswahl war bis zum 31.12.2003 im KSchG so geregelt, dass der Arbeitgeber bei der „Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte“ ausreichend zu berücksichtigen hatte, wenn er wirksam kündigen wollte, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Dies gilt nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nur dann nicht, wenn ein oder mehrere Arbeitnehmer aufgrund „betriebstechnischer, wirtschaftlicher oder sonstiger betrieblicher Bedürfnisse“ weiterzubeschäftigen sind und damit aus der Sozialauswahl herausfallen. Die Sozialauswahl erfolgt in drei Stufen:
983a
– Feststellung der Erforderlichkeit der Sozialauswahl – Durchführung der Sozialauswahl, § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG – Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl, § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG Auf der ersten Stufe ist festzustellen, ob überhaupt eine Sozialauswahl erforderlich ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn lediglich einzelne Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt werden sollen und mehrere vergleichbare Arbeitnehmer vorhanden sind, unter denen ausgewählt werden kann. Das sind Arbeitnehmer, die untereinander ausgetauscht werden können, ohne dass der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen muss. Maßgeblich ist die bisher ausgeübte Tätigkeit (zB Projektleiter).
983b
Der Arbeitgeber führt die Sozialauswahl durch, indem er unter den ermittelten Arbeitnehmern denjenigen heraussucht, der sozial stärker ist als die anderen Arbeitnehmer. Soweit dieser nicht aufgrund der dritten Stufe wieder aus der Sozialauswahl heraus fällt, hat der Arbeitgeber ihm vorrangig zu kündigen. Hier lag bislang das eigentliche Kernstück der Sozialauswahl, welches für den Arbeitgeber viele Gefahren und Rechtsunsicherheiten barg. Berücksichtigte er nämlich bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit soziale Gesichtspunkte iS des § 1 Abs. 3 Satz1 KSchG nicht hinreichend, konnten sich alle in diesem Zusammenhang gekündigten sozial schwächeren Arbeitnehmer hierauf berufen. Der Arbeitgeber lief also Gefahr, dass er mit sei-
983c
381
Teil G
Event und Arbeitsrecht
ner betriebsbedingten Kündigung aufgrund fehlerhafter Sozialauswahl im Kündigungsschutzprozess unterlag. Die Unsicherheit folgte daraus, dass die sozialen Gesichtspunkte, die der Arbeitgeber zu berücksichtigen hatte, nirgendwo geregelt waren. Von der Rechtsprechung waren lediglich die Hauptgesichtspunkte Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers anerkannt. Welche Aspekte darüber hinaus vom Arbeitgeber beachtet werden mussten, war teilweise umstritten und wird von den Arbeitsgerichten höchst unterschiedlich entschieden. In Betracht kamen zB die Einkünfte des Ehegatten und anderer Familienangehöriger, der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, seine Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt usw. Zwar stand dem Arbeitgeber ein Ermessensspielraum zu. Jedoch war zunächst schon die Ermittlung und die Gewichtung dieser Daten für den Arbeitgeber schwierig. Darüber hinaus trug er das Risiko, dass das Gericht im Kündigungsschutzprozess zu dem Ergebnis kommt, er habe soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt und daher sei die Kündigung unwirksam. 983d
Um diese Ungewissheit für den Arbeitgeber zu vermeiden, wird die Sozialauswahl seit dem 1.1.2004 auf die drei Grunddaten: – Dauer der Betriebszugehörigkeit, – Lebensalter und – Unterhaltspflichten begrenzt. Diese Daten können durch den Arbeitgeber einfach ermittelt werden, indem er sie den Personalunterlagen entnimmt oder den Arbeitnehmer befragt. Die alte Formulierung in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG „soziale Gesichtspunkte“ wurde durch die ausdrückliche Aufnahme der Sozialkriterien ersetzt. Jedem der drei Gesichtspunkte soll gleiches Gewicht zukommen. Jedoch soll dem Arbeitgeber bei der Gewichtung ein Beurteilungsspielraum zustehen. Wichtig ist nur, dass er die drei Grunddaten ausreichend berücksichtigt. Wann dies der Fall ist, lässt sich weder dem Gesetzentwurf noch der Begründung entnehmen. Über die drei Gesichtspunkte hinaus sollen nach wie vor unbillige Härten im Einzelfall beachtet werden dürfen. Dabei denkt der Gesetzgeber zB an die Berücksichtigung von Berufskrankheiten oder unverschuldeten Arbeitsunfällen. Erforderlich ist jedoch, dass Tatsachen, die zusätzlich berücksichtigt werden dürfen, in einem unmittelbaren spezifischen Zusammenhang mit den Grunddaten stehen müssen oder sich aus offensichtlichen betrieblichen Gegebenheiten herleiten. Die Rechte der Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz, wie schwerbehinderte Menschen, Frauen im Mutterschutz oder Arbeitnehmer in der Elternzeit werden in besonderen Schutzgesetzen geregelt.
983e
Eine Änderung erfährt auch § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Nach geltendem Recht fallen Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl heraus, wenn sie aufgrund „betriebstechnischer, wirtschaftlicher oder sonstiger betrieblicher Bedürfnisse“ weiterzubeschäftigen sind. Über die Anwendung dieser Vorschrift herrscht häufig Unklarheit. Fälschlicherweise wird in der Praxis häufig davon ausgegangen, ein Leistungsträger, der sozial weniger schutzbedürftig sei als andere Arbeitnehmer, sei bei betriebsbedingten Kündigungen immer vorrangig zu berücksichtigen, ge382
III. Allgemeines Arbeitsrecht
Teil G
treu dem Motto wer zuletzt kommt, geht auch zuerst. Dieser Praxis soll durch die Neuregelung begegnet werden. Im Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Betriebes sollen künftig betriebliche Erfordernisse gegenüber sozialen Gesichtspunkten in den Vordergrund treten. Nach dem neuen § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sollen Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herausfallen, „deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt“. Dadurch wird klargestellt, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht zur Einbuße der Leistungsfähigkeit des Betriebes führen müssen. Nach § 1 KSchG wird mit § 1a KSchG ein gesetzlicher Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung eingefügt. Während dies zB in Österreich lange schon unter dem Stichwort Abfertigung praktiziert wird, wird in das deutsche Recht erstmalig ein Anspruch auf Abfindung aufgenommen. Dadurch sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit einer einfachen, wirkungsvollen und kostengünstigen vorgerichtlichen Klärung erhalten. Begründet wird die Einführung dieses Anspruches damit, dass bereits jetzt die Mehrzahl der Kündigungsschutzprozesse durch Abfindungsvergleiche endet. Der eigentliche Kündigungsschutz, nämlich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, werde kaum noch erzielt. Dies sei den Parteien in der Regel von vornherein klar. Um jedoch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wenigstens in den Genuss einer Abfindung zu gelangen, müssten überflüssige und teure Kündigungsschutzklagen geführt werden. Daher soll der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen zwischen der Erhebung einer Kündigungsschutzklage und einer Abfindung wählen können. Neben der Entlastung der Arbeitsgerichte werden für beide Parteien Vorteile in dieser Regelung gesehen. Dem Arbeitgeber wird der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen künftig erleichtert, da er das Kostenrisiko eines ungewissen Prozessausgangs vermindern kann. Dies gilt vor allem für Kosten des Annahmeverzuges, die möglicherweise dadurch entstehen, dass das Gericht die Kündigung für unwirksam hält und der Arbeitgeber das während der Dauer des Prozesses entstandene Arbeitsentgelt nachzahlen muss, ohne dafür eine Gegenleistung erhalten zu haben. Dem Arbeitnehmer wird die Angst genommen, die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses entschädigungslos hinnehmen zu müssen. Aufgrund seines Wahlrechtes bleibt ihm der bisherige Kündigungsschutz unverändert erhalten. Er bekommt lediglich eine zusätzliche Möglichkeit angeboten.
984
Damit der Arbeitnehmer den Abfindungsanspruch geltend machen kann, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
984a
– Der Arbeitgeber muss die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe stützen und den Arbeitnehmer in der Kündigungserklärung darauf hinweisen, dass er den gesetzlichen Abfindungsanspruch hat, wenn er nicht innerhalb der Dreiwochenfrist Kündigungsschutzklage erhebt. – Der Arbeitnehmer darf innerhalb der Dreiwochenfrist keine Kündigungsschutzklage erheben. 383
Teil G
Event und Arbeitsrecht
984b
Der Abfindungsanspruch entsteht in diesem Fall mit dem Ablauf der Kündigungsfrist, dh. im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Demnach hat der Arbeitgeber es in der Hand, ob das Wahlrecht des Arbeitnehmers überhaupt entsteht. Unterlässt er den Hinweis auf den gesetzlichen Abfindungsanspruch des § 1a KSchG, verbleibt es dabei, dass der Arbeitnehmer nur im Wege eines Kündigungsschutzprozesses gegen die Kündigung vorgehen kann. Die Kündigung wird dann wie bisher wirksam, sofern der Arbeitnehmer nicht innerhalb der Dreiwochenfrist das Gericht anruft. Ein Abfindungszwang des Arbeitgebers entsteht somit nicht. Außerdem können Arbeitgeber und Arbeitnehmer unabhängig von der beabsichtigten Neuregelung nach Ausspruch einer Kündigung nach wie vor vereinbaren, dass der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet.
984c
Beabsichtigt der Arbeitgeber also einen Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen ordentlich zu kündigen, muss er sich zunächst überlegen, ob er überhaupt zur Zahlung einer Abfindung bereit ist, um dadurch möglicherweise eine Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers zu vermeiden. Der Abfindungsanspruch ist auf betriebsbedingte Kündigungsgründe, also solche, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, und auf ordentliche Kündigungen beschränkt. Bei verhaltens- oder personenbedingten Kündigungsgründen sowie bei fristlosen Kündigungen aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB gibt es die Möglichkeit nicht. Ist der Arbeitgeber bereit, die gesetzlich festgesetzte Abfindung zu zahlen, muss er wie folgt vorgehen:
984d
Er muss in dem Kündigungsschreiben gemäß § 623 BGB als Kündigungsgrund dringende betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG angeben. Die Kündigung muss nicht näher begründet werden. Die Bezeichnung als betriebsbedingt ist ausreichend. Danach muss er den Arbeitnehmer schriftlich auf die Möglichkeit des gesetzlichen Abfindungsanspruchs hinweisen. Der Arbeitgeber muss darauf achten, dass er sowohl die betriebsbedingten Gründe als auch den Hinweis schriftlich mitteilt. Der Inhalt ist gemäß § 1a Abs. 1 KSchG gesetzlich vorgegeben. Durch die strengen Vorgaben sollen irrtümliche Erklärungen des Arbeitgebers vermieden werden. Für den Arbeitnehmer soll dies der Rechtsklarheit und Beweissicherung dienen. Wählt der Arbeitgeber diesen Weg, muss er dann nur noch das Verstreichen der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG abwarten. Einer ausdrücklichen Erklärung des Arbeitnehmers, dass er den Abfindungsanspruch geltend macht, bedarf es nicht.
984e
Die Höhe der Abfindung wird in § 1a Abs. 2 KSchG festgelegt. Sie beträgt danach 0,5 Bruttomonatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Der Faktor 0,5 entspricht der derzeitigen Faustformel eines halben Monatsbruttogehaltes pro Beschäftigungsjahr, an der sich die Arbeitsgerichte bei der Berechnung der Höhe der Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG orientieren. Hinsichtlich des Monatsverdienstes verweist § 1a Abs. 2 KSchG auf § 10 Abs. 3 KSchG. Danach gilt als Monatsverdienst, „was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2 KSchG), an Geld und Sachbezügen zusteht“. Indem sich die Höhe der Abfindung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet, soll sich der Abfin384
IV. Eventspezifisches Arbeitsrecht
Teil G
dungsbetrag für Arbeitgeber und Arbeitnehmer leicht und zweifelsfrei ermitteln lassen. Gemäß § 1a Abs. 2 KSchG ist bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden. Dadurch wird den Arbeitnehmern, die die sechsmonatige Wartezeit des § 1 KSchG zwar erfüllt haben, aber vor Ablauf eines Beschäftigungsjahres wieder aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, der Abfindungsanspruch gesichert.
IV. Eventspezifisches Arbeitsrecht Im Eventbereich sind die arbeitsrechtlichen Problematiken im Wesentlichen dieselben wie bei anderen Arbeitsverhältnissen. Der Schwerpunkt liegt auch hier in der Abgrenzung Arbeitnehmer/Selbständiger.34 Viele der bei Events beschäftigten Musiker, Roadies, Beleuchter, Kameraleute, Artisten oder Sportler werden als freie Mitarbeiter bezeichnet, sind in Wirklichkeit aber Arbeitnehmer.
985
Arbeitgeber ist idR das Unternehmen, welches die Veranstaltung organisiert oder die Veranstaltungsstätte (zB Theater, Oper etc.) betreibt. In besonderen Fällen kann allerdings – insbesondere im Sport – auch ein Sponsor als Arbeitgeber klassifiziert werden. Wenn der Sportler bei der Ausübung seines Sports bei Veranstaltungen strikt einzuhaltenden Pflichten gegenüber seinem Sponsor unterliegt, ist er ungeachtet seiner Individualität als Sportler Arbeitnehmer35. Dies gilt insbesondere im Bereich des personenbezogenen Dauersponsorings (zB Sponsor als offizieller Ausrichter)36.
986
Die Beschäftigten an den Theatern: – Tänzer, – Sänger, – Schauspieler, – Spielleiter, – Inspizienten, – Souffleusen, – Chöre, – Theater- und Kostümmaler, – Maskenbildner, – technische Angestellte (zB Beleuchter etc.)
987
sind überwiegend Arbeitnehmer. Die Bühnenkünstler sind unabhängig davon, ob sie einen Spielzeitvertrag (Saisonvertrag für eine oder mehrere Spielzeiten), einen Gastspielvertrag (für einen vorübergehenden Zeitraum) oder einen Stückdauervertrag haben, in der Regel Arbeitnehmer. Die Arbeitsverträge mit Bühnenkünstlern richten sich nach 34 Siehe dazu auch Rz. 936 ff. 35 Schimke, Sportrecht, S. 26. 36 Siehe zum Sponsoringvertrag auch Rz. 273 ff.
385
988
Teil G
Event und Arbeitsrecht
dem BGB und Tarifverträgen, die durch den Deutschen Bühnenverein (dem DGB zugehörig) bzw. die Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (ver. di zugehörig) mit den jeweiligen Arbeitgebervereinigungen abgeschlossen wurden. 989
Ein Tarifvertrag ist ein schriftlicher Vertrag zwischen einem oder mehreren Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden und einer oder mehreren Gewerkschaften zur Festsetzung von Normen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Auf tarifvertraglicher Ebene werden mit sog. Normalverträgen (Kürzel: NV) – Opernchorsänger (NV Chor), – Balletttänzer (NV Tanz), – Solisten (NV Solo) und – Bühnentechniker mit künstlerischer Tätigkeit (BTT) erfasst. Für langjährige Beschäftigte nach NV Solo und BTT haben die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht (TVM) abgeschlossen. Beispiel Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil aus dem Jahr 1999 zu einem tarifgebundenen Bühnenengagementvertrages eines langjährig beschäftigten Bühnenmitglieds entschieden, dass eine Nichtverlängerungsmitteilung nach § 2 Abs. 3 TVM zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen billigem Ermessen entsprechen muss.37
990
Zu diesen Tarifverträgen gehören im Wesentlichen gleichlautende Hausordnungen (HO). Außerdem gibt es eine Vielzahl von Bühnenbräuchen, denen in der Praxis eine große Bedeutung zukommt.
991
Die Gewerbeordnung findet bei Bühnenkünstlern keine Anwendung. Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Bühnenkünstler und Auftraggeber sind nach Tarifvertrag die Bühnenschiedsgerichte zuständig. Gegen den dort gefällten Schiedsspruch ist die arbeitsgerichtliche Aufhebungsklage nur unter den engen Voraussetzungen des § 110 ArbGG zulässig.
992
Als Bühnenkünstler nach NV Solo werden im Allgemeinen die Personen bezeichnet, die innerhalb einer Kunstgattung (zB Schauspiel, Oper, Operette, Musical etc.) als Einzeldarsteller auftreten.
993
Der Bühnenkünstler muss angemessen beschäftigt werden und muss eine feste Gage erhalten. Zu Proben an Sonntagen sind Bühnenkünstler nur dann verpflichtet, wenn besondere Umstände diese erforderlich machen.
994
Allerdings sind die Stars einer Theateraufführung, die von diesen inhaltlich zumindest mitgestaltet wird, idR nicht als Arbeitnehmer einzustufen.38 Gleiches muss für den einmaligen Auftritt eines Musikers oder einer Gruppe von Musi-
37 BAG v. 24.8.1999 – 9 AZR 361/97, BB 2000, 882 = NZA 2000, 602. 38 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 6, Rz. 29.
386
IV. Eventspezifisches Arbeitsrecht
Teil G
kern gelten. Das Konzert einer Kammersängerin, die Gala von Startenören oder die Tournee eines Popsängers erfolgen in selbständiger Verantwortung.39 Beispiel Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts war der anlässlich eines Unternehmensjubiläums verpflichtete Zauberer nicht als Arbeitnehmer zu klassifizieren, weil allein die Bindung an Ort und Zeit der Veranstaltung keine persönliche Abhängigkeit schaffe. Anders wäre nach Auffassung des BAG zu entscheiden gewesen, wenn ein Engagement durch ein Varieté vorgelegen hätte.40
Besonderheiten gelten im Bereich von Wanderbühnen. Ein Gastspielvertrag ist nur dann gegeben, wenn die konkrete Aufgabe bereits im Vertrag festgelegt ist oder einvernehmlich festgelegt werden soll.
995
Unterhaltungskünstler sind alle Personen, die zur Auf- oder Vorführung einer Darbietung oder zur Unterhaltung des Publikums in anderer Form verpflichtet werden. Für diese gelten die §§ 611 ff. BGB und der zwischen dem Internationalen Varieté-Theater und Circus-Direktoren-Verband Düsseldorf bzw. dem Verband Deutscher Theater und verwandter Unternehmen (Direktorenverband), München auf der einen und dem JAL Berufsverband Show und Unterhaltung in der IG-Kunst (dem DGB zugehörig) auf der anderen Seite abgeschlossenen Verträge.
996
Musiker ist derjenige, der sich schöpferisch oder reproduzierend im Bereich der Musik beruflich betätigt. Arbeitsrechtlich werden die reproduzierenden Musiker nach BGB behandelt. Ergänzend kann der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) Anwendung finden.
997
Bei Unterhaltungsmusikern, Rock-Bands, Sängern und Zirkus- bzw. Varieté-Musikern ist die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen oft schwierig zu treffen. Die für einige Monate bei einem Zirkus oder Varieté beschäftigten Kapellenmusiker sind Arbeitnehmer. Schwieriger wird es, wenn eine Sängerin für eine dreiwöchige Kreuzfahrt oder eine Jazzgruppe, von einem Club für zwei Wochen engagiert wird. Entscheidend ist in diesen Grenzfällen immer, welche Gestaltungsmöglichkeiten den Künstlern außerhalb der eigentlichen künstlerischen Darbietung verbleiben. Bei vertraglicher Festlegung der Auftrittszeit, des Auftrittsortes, der Anzahl der Auftritte spricht vieles für eine Arbeitnehmereigenschaft. Bei genauer Bestimmung von Programmablauf und Programminhalt durch die jeweiligen Künstler liegt eine Selbständigkeit nahe.
998
Wichtiges Indiz bei der Abgrenzung ist die Dauer des Engagements. Der einmalige abendliche Auftritt eines Musikers oder einer Musikgruppe stellt immer eine selbständige Tätigkeit dar.41 Auch die mit einem Konzertveranstalter vereinbarte Tournee eines Popsängers erfolgt als selbständige Leistungserbringung.42
999
39 40 41 42
BGH v. 13.3.1984 – VI ZR 204/82, NJW 1985, 2133 f. BAG v. 6.12.1974 – 5 AZR 418/74, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 14. Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 6 Rz. 84. BGH v. 13.3.1984 – VI ZR 204/82, NJW 1985, 2133 f.
387
Teil G
Event und Arbeitsrecht
1000
Für die Frage, ob Sportler, die an Sportveranstaltungen teilnehmen, Arbeitnehmer sind, ist zunächst die Einordnung als Amateur, Vertragsamateur oder Profi entscheidend. Die Grenzen zwischen Vertragsamateuren und Profisportlern sind allerdings fließend. Eine gesetzliche Definition für diese Begriffe gibt es nicht.
1001
Ein Amateur ist ein Sportler, der ohne finanzielle Interessen aus Freude Sport betreibt. Der „echte“ Amateur erhält also weder von einem Verein, noch von einem Veranstalter irgendwelche finanzielle Zuwendungen, die über den Ersatz der nachgewiesenen oder zuweilen auch pauschalierten Aufwendungen hinausgehen. Im Bereich des DFB darf der pauschalierte Aufwendungsersatz maximal 149,99 Euro pro Monat betragen (§ 8.1 der Spielordnung des DFB). Einigkeit besteht darüber, dass dieser kein Arbeitnehmer sein kann, da ein Arbeitsverhältnis immer eine entgeltliche Tätigkeit voraussetzt.
1002
Vertragsamateure (im Bereich des DFB nunmehr „Vertragsspieler“) haben eine vertragliche Bindung zu einem Verein und erhalten ein Entgelt für ihre Tätigkeit, betreiben ihren Sport also nicht nur aus reiner Freude, sondern auch aus finanziellen Interessen heraus. Vertragsamateur ist danach ein Vereinsmitglied, das aufgrund einer vertraglichen Bindung mit einem Verein gegen Entgelt Fußball spielt. Nach § 8.2 der Spielordnung des DFB erhält ein Vertragsspieler eine Vergütung bzw. andere geldwerte Vorteile von mindestens 150 Euro pro Monat. Auch in anderen Sportarten, insbesondere den Mannschaftssportarten, gibt es Vertragsamateure, auch wenn die Verbandsstatuten einen derartigen Begriff nicht verwenden.
1003
Für den Profi oder Lizenzspieler ist die Ausübung des Sportes die ausschließliche oder überwiegende Einnahmequelle. Dementsprechend bezeichnet auch § 8.3 der neuen Spielordnung des DFB den Lizenzspieler als einen Fußballspieler, welcher aufgrund eines beim Ligaverband des DFB lizenzierten Vertrages mit einem Lizenzverein oder einer Kapitalgesellschaft betreibt.
1004
Aufgrund der Vielfalt von vertraglichen Konstruktionen bereitet es Schwierigkeiten, im Einzelfall festzustellen, ob ein Vertragsamateur aufgrund eines Arbeitsverhältnisses oder eines freien Dienstverhältnisses tätig wird. Letztendlich entscheidend ist hier – wie bei anderen Berufszweigen auch – nach der Rechtsprechung die tatsächliche Vertragsabwicklung.43
1005
Bei Profi-Sportlern im Mannschaftssport sind sich Rechtsprechung und Literatur weitgehend darin einig, dass beispielsweise Fußballspieler im Profi-Fußball trotz ihrer teilweise astronomischen Vergütungen und trotz ihrer erheblichen eigenen Werbeaktivitäten Arbeitnehmer des Vereins sind.44 Es liegt auf der Hand, dass ein Mannschafts-Sportler, der entgeltlich tätig wird, hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt seiner Leistungen einem Weisungsrecht des Vereines unterliegt, da sonst ein ord43 Siehe dazu auch Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 3 Rz. 14 ff. 44 BAG v. 17.1.1979 – 5 AZR 498/77, NJW 1980, 470; Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 3 Rz. 15.
388
IV. Eventspezifisches Arbeitsrecht
Teil G
nungsgemäßer Trainings- und Rundenbetrieb nicht gewährleistet wäre. Der Mannschaftssportler ist insbesondere den Weisungen des Trainers unterstellt und in die Betriebsorganisation des Vereines eingegliedert. Aus diesem Grund wird bei entgeltlich tätigen Mannschaftssportlern zumeist das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit iS der Rechtsprechung vorliegen. Anders sieht es im Bereich der Einzelsportarten (zB Leichtathletik, Tennis, Golf, etc.) aus. Hier werden die Spitzensportler, die zumeist kein dauerhaftes Vertragsverhältnis haben und nicht in einen fest organisierten Trainingsablauf eingegliedert sind, zumeist als freie Dienstnehmer tätig sein.45 Teilweise wird aber auch hier eine Arbeitnehmereigenschaft angenommen, wenn Spitzenverbände ihre Mannschaften so organisieren und vermarkten, dass der Einzelsportler abhängig und weisungsgebunden ist.46
1006
Im Bereich der Einzelsportarten ist im Einzelfall auch zu prüfen, ob zwischen dem Spitzensportler und dem Veranstalter ein Arbeitsverhältnis zustande kommt (sog. Kurzzeitbeschäftigungsverhältnis).
1007
Nationale und internationale Spitzensportevents wie Leichtathletik-Meetings (zB Zürich) oder Tennisturniere (zB ATP-Tour) bieten den Spitzensportlern immer höhere Start- und Preisgelder an, um durch die Verpflichtung der Stars die Attraktivität der Veranstaltung und damit die bessere Vermarktung in Bezug auf Medien, Sponsoren und Zuschauer zu erreichen. Der Veranstalter organisiert die Sportveranstaltung zeitlich, örtlich und inhaltlich und verlangt vom Sportler die exakte Einhaltung der organisatorischen Vorgaben, insbesondere in Bezug auf den Zeitplan. Außerdem ist er gegenüber Veranstalter und Kampfrichtern weisungsgebunden. Auch bei einer relativ kurzfristigen Beschäftigung können daher nach der Rechtsprechung die Kriterien einer persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit erfüllt sein.47
1008
Allerdings ist das Abgrenzungsproblem wegen der Kurzfristigkeit der Veranstaltungen arbeitsrechtlich von geringer Relevanz, weil viele Arbeitnehmerschutzgesetze von einer Mindestbeschäftigungsdauer (zB Kündigungsschutz-6 Monate; Urlaub-1 Monat) abhängig sind.48 Die Qualifizierung als Arbeitnehmer kann aber bei der Verletzung eines Sportlers (Arbeitsunfall oder nicht) und bei der Vermittlung von Einzelsportlern zu einer Veranstaltung (erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung oder nicht) Bedeutung haben.
1009
Ein typischer Fall von Arbeitnehmerüberlassung ist gegeben, wenn ein Arbeitgeber einem Dritten einen Arbeitnehmer zur vorübergehenden Arbeitsleistung überlässt. Im Bereich des Sports liegt eine Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn der Sponsor ausdrücklich einen Arbeitsvertrag mit einem Sportler abschließt, diesen aber anschließend vollständig oder weitgehend für den Spielbetrieb eines
1010
45 46 47 48
Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht Teil 3 Rz. 17. ArbG Bielefeld v. 12.7.1989 – 2 Ca 2132/88, NZA 1989, 966. Schimke, Sportrecht, S. 21 ff. Zur sozial- und steuerrechtlichen Problematik siehe Rz. 1264 ff. und 1271.
389
Teil G
Event und Arbeitsrecht
Vereines freistellt.49 Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung bedarf in Deutschland nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) einer staatlichen Erlaubnis, § 1 Abs. 1 AÜG. 1011
Auch im Fall von Wirtschaftsunternehmen wie der Modefirma Benetton, die gegenüber der Formel 1-Vereinigung FOCA als Sportveranstalter im Rennsport ihre Sportleistung anbietet, in deren Organisation der Sportler eingegliedert ist, liegt ein Arbeitsverhältnis zwischen Sportler und Veranstalter vor.50
1012
Es ist auch rechtlich möglich, dass ein Sportler gleichzeitig mit mehreren Personen in einem Arbeitsverhältnis steht (zB Verein, Veranstalter und Sponsor). Hier wird von der sog. Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen auf zwei oder mehr Arbeitgeber gesprochen.
1013
Für den Bereich sog. Freizeithostessen existiert eine interessante Entscheidung des Landessozialgerichtes Schleswig-Holstein. Die Hostessen, die oft nur für Stunden zur gemeinsamen Gestaltung der Freizeit wechselnder Auftraggeber engagiert werden, leisten nach Ansicht der Richter keine abhängige Arbeit, sondern einen Dienst höherer Art. Eine Freizeithostess müsse in Bezug auf Einfühlungsvermögen, Spontaneität, Kreativität und darstellende Fähigkeiten hohen Anforderungen gerecht werden. Ihre Leistung sei daher in Hinsicht auf den persönlichen Einsatz eher mit Freiberuflern gleichzustellen.51 Checkliste Scheinselbständigkeit Die folgenden Punkte sind einzeln oder gemeinsam auftretend Indizien für eine Arbeitnehmereigenschaft des Beschäftigten: fi Weisungsbefugnis des Auftraggebers fi feste Bürozeiten fi feste Arbeitszeiten fi festes Gehalt fi keine eigenen Arbeitsmittel fi keine eigenen Mitarbeiter fi Tätigkeit nur für einen Auftraggeber
49 Schimke, Sportrecht, S. 28. 50 Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 3, Rz. 17. 51 LSozG Schleswig-Holstein v. 27.11.1987 – L 1 Ar 133/86, NZA 1988, 751.
390
Teil H Event und Medien Beispiel Herr I. Wendt hat den Zuschlag eines Großkunden für seinen ersten Mega-Event erhalten. Er will natürlich keine Fehler machen, da er sich auf der einen Seite bei gutem Gelingen des Events von dem Großkunden Folgeaufträge erhofft und andererseits über das entsprechende Medieninteresse eine Werbeplattform für seine Agentur schaffen kann. Was muss I. Wendt beachten? Was ist presse- und werbetechnisch zulässig? Wie kann Herr Wendt sich sein neu konzipiertes Veranstaltungskonzept schützen lassen?
I. Einführung Event und Medien müssen in heutiger Zeit als Einheit auftreten. Ein Großevent kann ohne eine ansprechende Medienarbeit und eine daraus resultierende Medienpräsenz keinen Erfolg haben. Wir haben in diesem Kapitel unter dem Oberbegriff Medien die Teilbereiche Urheberrecht, Wettbewerbs- und Medienrecht zusammengefasst, da diese Bereiche im Rahmen der Medienpräsenz oft miteinander verknüpft sind.
1014
II. Event und Urheberrecht Bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen werden in den unterschiedlichsten Bereichen Urheberrechte erworben oder vorhandene Urheberrechte anderer berührt. Für den Veranstalter bzw. die Eventagentur ist es daher von Bedeutung, über urheberrechtliche Fragen Bescheid zu wissen.
1015
1. Allgemeines Urheberrecht Das Urheberrecht ist die Summe aller Rechtsnormen, die den sozialen Tatbestand der Werkherrschaft und das subjektive Recht des Urhebers an seinem Werk regeln. Seit dem 1.7.2002 gilt das durch das Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern geänderte Urheberrechtsgesetz. Wesentliche Änderungen betrafen den neu gefassten § 32 UrhG (Angemessene Vergütung) und den neu eingefügte sog. Bestsellerparagraph § 32a UrhG (weitere Beteiligung des Urhebers). Nach diesen Vorschriften wird eine angemessene Mindestvergütung des Urhebers garantiert und verhindert, dass die vertraglich vereinbarte Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht. Als Orientierung gilt die gemeinsame Vergütungsregel des § 36 UrhG.
1016
Zum 1.1.2008 ist das zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft in Kraft getreten. Hier wurden durch den sog. „Zweiten Korb“ weitere Änderungen im Urheberrechtsgesetz vorgenommen, die ins-
1017
391
Teil H
Event und Medien
besondere die Digitalisierung und die Einräumung bis dato unbekannter Nutzungsrechte zum Gegenstand hatten. 1018
Das Urheberrechtsgesetz schützt die kulturelle Leistung im wirtschaftlichen Verkehr und sichert den Urheber in den §§ 15 ff. UrhG gegen jede ihm vorbehaltene Benutzung seines Werkes im wissenschaftlichen, künstlerischen oder privaten Bereich ab.
1019
Zu diesem Bereich gehört das Werkschaffen von Komponisten und Literaten, aber auch solche Leistungen, die den schöpferischen Werken nahe kommen oder die mit der Verwertung urheberrechtlich schutzfähiger Werke in engem Zusammenhang stehen, wie die Darbietungen ausübender Künstler, insbesondere der Musiker, Sänger, Dirigenten, Tänzer, Schauspieler und sonstiger Interpreten schutzfähiger Werke, vgl. §§ 73 ff. UrhG.1
1020
Ob der erforderliche Grad an Individualität und Gestaltungshöhe erreicht ist, wird nach dem Gesamteindruck beurteilt, der sich den mit musikalischen Fragen und einigermaßen vertrauten und hierfür aufgeschlossenen Geschäftskreisen vermittelt.2 Nach Rehbinder ist Urheber derjenige, „der seinem individuellen Geist im Werk Form und Gestalt gegeben hat“.3 Beispiel Das OLG Jena beschäftigte sich mit der Urheberrechtsschutzfähigkeit eines Plakatentwurfes für das „R. Vogelschießen“ in Thüringen. Im konkreten Fall stellte das Gericht fest, dass das Plakatmotiv als persönliche geistige Schöpfung iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG Urheberrechtsschutz genießt. Die Verbindung der Elemente wies nach Ansicht des Gerichts eindeutig ausreichende individuelle Merkmale von ausreichender Gestaltungshöhe auf.4
1021
„Werk“ iS des Urheberrechts sind persönliche geistige Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG), zB: – Texte und Reden; – Fotos (klassisch und digital), Filme, Videos; – Computer-Software; – wissenschaftliche und technische Zeichnungen, Pläne, Konzepte, Karten, Skizzen, Tabellen und Modelle; – Werke derbildenden Kunst, Baukunst, derMusik, Tanzkunst und Pantomime.5
1022
Außerdem können auch künstlerisch verfremdete Fotografien,6 Happenings7 oder Bühnenbilder8 Werke der bildenden Kunst iS des Urheberrechts sein. 1 2 3 4 5 6 7 8
Rehbinder, Urheberrecht, § 55 III, S. 306. Rehbinder, Urheberrecht, § 55 III, S. 306. Rehbinder, Urheberrecht, § 18 I, S. 119. OLG Jena v. 8.5.2001 – 2 U 764/01, OLGReport 2003, 116. Branahl, Medienrecht, S. 175. OLG Koblenz v. 18.12.1986 – 6 U 1334/85, AfP 1988, 46. BGH v. 6.2.1985 – I ZR 179/82, NJW 1985, 1633 = GRUR 1985, 529 mit Anmerkung. BGH v. 28.11.1985 – I ZR 104/83, NJW 1987, 1404 = GRUR 1986, 458.
392
II. Event und Urheberrecht
Teil H
Beispiel Ein Messestand oder ein gewisses Messedesign sind in aller Regel nicht urheberrechtlich geschützt. Messestände haben einen Gebrauchszweck und erreichen normalerweise nicht die, von den Gerichten und der juristischen Literatur geforderte, „weit überdurchschnittliche Eigenart, die weit jenseits des Handwerklichen beginnt“. Auch eine Schutzfähigkeit als Geschmacksmuster dürfte nur bei solchen Ständen möglich sein, die ein neues, nie dagewesenes Design darstellen. Lediglich in einer Entscheidung aus dem Jahr 1987 wurde einem Messestand Schutzwürdigkeit und Urheberschutz zugebilligt. Hier waren wabenförmige Raumteilungen verwendet worden, die keinem alltäglichen Gebrauchszweck dienten. Nach einer Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf kann eine Messestand-Gestaltung nur als Werk der angewandten Kunst Urheberrechtsschutz genießen. In Fällen der angewandten Kunst sei aber eine überdurchschnittliche Gestaltung zur Erlangung von Urheberrechtsschutz notwendig, da ansonsten keine Abgrenzung zum Geschmacksmusterschutz möglich sei. Das Design eines Messestands sei nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn die Gestaltung über das rein Handwerkliche hinausgehe und die „Handschrift“ des Designers eindeutig erkennen lasse. Da in dem zu entscheidenden Fall das Design auch an den technischen Gegebenheiten und an Zweckmäßigkeitserwägungen orientiert war, hat das Gericht den urheberrechtlichen Schutz verneint.9
Die bloße Idee zu einem Werk, der schöpferische Gedanke als solcher, wird nicht geschützt. Wenn die Idee allerdings in eine bestimmte Form gebracht wird, entsteht das Werk und gleichzeitig ohne weitere Formalien (zB Eintragung beim Patentamt, Veröffentlichung im Titelschutzanzeiger, Copyright-Vermerk) das Urheberrecht. Oft passiert in der Praxis folgendes: Beispiel Eine Agentur übergibt im Rahmen einer Ausschreibung das umfangreiche und mit viel Aufwand (Manpower, Zeit) entwickelte Veranstaltungskonzept an den Kunden. Der Kunde prüft das Konzept, weist dieses später aber als uninteressant oder zu kostspielig zurück. Einige Zeit später wird das Konzept in identischer oder leicht veränderter Form durch eine andere billigere Agentur oder kundeneigenes Personal umgesetzt. Der im anschließenden Schadensersatzprozess benötigte Beweis, dass die Idee von der klagenden Agentur stammt, misslingt.
" Praxistipp: Eine Agentur, die an einer Ausschreibung teilnimmt oder eine
Initiativbewerbung für einen Event abgibt, sollte versuchen, ihre Konzepte, soweit sie neu oder einzigartig sind, zu schützen. Da für derartige geistige Schöpfungen das Gesetz keinen Schutz bietet, müssen tatsächliche Schutzmaßnahmen getroffen werden. Eine von uns immer wieder empfohlene Option ist die Hinterlegung des originären Werkes bei einem Anwalt, bevor die Idee oder das Konzept an Dritte weiter gegeben wird. Der Anwalt bestätigt den Zeitpunkt der Hinterlegung, bezeichnet den Schutzgegenstand und archiviert die entsprechenden Unterlagen oder den Datenträger, der die Präsentation enthält. Auf diesem Wege kann später im Falle eines Plagiates in vielen Fällen zur Überzeugung des Gerichts der Beweis geführt werden, dass das Konzept von der jeweiligen Eventagentur stammt. Für diesen Fall kommen Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz (zB fiktive Lizenzgebühren), oder Vernichtung in Frage.
9 8 LG Düsseldorf v. 12.6.2002 – 12 0 414/01, GRUR-RR 2003, 38.
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Teil H
Event und Medien
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Oft fehlt es in den zwischen Agentur und Kunde geschlossenen Vereinbarungen auch an unmissverständlichen Regelungen darüber, wer denn nun, Agentur oder Kunde, die erarbeiteten Konzepte und Innovationen nach Ende der Zusammenarbeit verwenden darf. Hier stellt sich zum Beispiel die Frage, ob ein exklusiv und teuer erkauftes Veranstaltungskonzept nach Veranstaltungsende vom Kunden auch für weitere Veranstaltungen weiterhin genutzt werden darf oder ob die Agentur das eigens kreierte Konzept an andere Kunden weiter geben darf.
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Nach § 22 Satz 1 Kunsturhebergesetz (KUG) bedarf die Verbreitung oder das öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen der Einwilligung des Abgebildeten. Die Bildberichterstattung über ein Konzert ist die Verbreitung von Bildnissen. Allerdings ist gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte keine Einwilligung des Künstlers erforderlich. Künstler und Stars, die größere Veranstaltungsstätten füllen, fallen nach ständiger Rechtsprechung unter diese Norm.10 Personen der Zeitgeschichte dürfen fotografiert werden, wenn die Aufnahme in irgendeinem Zusammenhang zur zeitgeschichtlichen Bedeutung des Abgebildeten steht (zB Musiker beim Auftritt, Schauspieler auf der Bühne). Auch die Konzertbesucher können kein Recht am eigenen Bild geltend machen, weil sie an einem einer Versammlung ähnlichen Vorgang iS von § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG teilnehmen.
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Nach §§ 74 ff. UrhG ist für die Bildschirm- und Lautsprecherübertragung, die Vervielfältigung und die Funksendung der Darbietung eines ausübenden Künstlers dessen Genehmigung erforderlich.
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Weiterhin ist die Veranstaltung von Darbietungen ausübender Künstler über § 81 UrhG geschützt. Diese Vorschrift besagt: § 81 UrhG Schutz des Veranstalters Wird die Darbietung des ausübenden Künstlers von einem Unternehmen veranstaltet, so bedarf es in den Fällen der §§ 74, 75 Abs. 1 und 2 und § 76 Abs. 1 neben der Einwilligung des ausübenden Künstlers auch der Einwilligung des Inhabers des Unternehmens.
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Veranstalter iS des Urheberrechtsgesetzes ist jeder, der die Darbietung durch den ausübenden Künstler vor Publikum organisiert und hierfür wirtschaftlich verantwortlich ist. Hierzu zählen daher Konzertveranstalter, Theaterunternehmen, Hotelunternehmen oder Gastwirte.
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§ 81 UrhG ist auch auf Rundfunkanstalten, Filmproduzenten und Tonträgerhersteller anwendbar, soweit diese Aufführungen zu Aufnahmezwecken veranstalten.11 Die Einwilligungsrechte des Veranstalters gemäß § 81 UrhG entstehen originär mit der Einbringung der Veranstalterleistung. Beispiel Das OLG München hat entschieden, dass sie auch unabhängig von denen des ausübenden Künstlers entstehen. Es handele sich um ein absolutes Recht, das es dem Veranstalter ge10 Vgl. Gounalakis, Rechte und Pflichten privater Konzertveranstalter gegenüber den Massenmedien, AfP 1992, 345. 11 Vgl. Rehbinder, Urheberrecht, § 56 I, S. 312.
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II. Event und Urheberrecht
Teil H
stattet, jeden Dritten von einer Nutzung der von ihm veranstalteten Darbietung auf die in den §§ 74, 75 Abs. 1 und 2 und § 76 Abs. 1 UrhG genannten Arten auszuschließen. Die Rechte des Veranstalters eines Konzerts gem. § 81 UrhG wirken gegenüber jedermann. Der Verzicht auf diese Rechte im Verhältnis zum Künstler (im entschiedenen Fall Michael Jackson) enthält nicht ohne weiteres auch einen Verzicht auf sie mit Wirkung gegenüber Dritten.12
Die kulturelle Leistung des Veranstalters liegt nicht im künstlerischen, sondern im organisatorischen und wirtschaftlichen Gebiet. Das Urheberrechtsgesetz gibt auch den Veranstaltern eigene Leistungsschutzrechte. Dem ausübenden Künstler ist die Nutzung seiner Leistungen (Bildschirm-, Lautsprecherübertragung, Vervielfältigung der Sendung oder Darbietung etc.) daher nicht ohne Einwilligung des Veranstalters gestattet. Bei Personenverschiedenheit von Künstler und Veranstalter muss daher zwischen beiden Parteien eine Einigung über die Nutzung des Werkes erfolgen.
" Praxistipp: Auch derartige Vereinbarungen sollten schriftlich fixiert werden, um spätere Unstimmigkeiten zwischen Veranstalter und Künstler zu vermeiden. Hier ein Praxisfall dazu:
Beispiel Robbie Williams hat während einer Deutschland-Tournee an einem privaten Fußballspiel teilgenommen. Das Gelände war im Vorfeld durch Sicherheitsdienste abgesperrt worden. Die Medienvertreter wurden bei diesem Ereignis als unerwünscht abgewiesen. Trotzdem gelang einem Paparazzi eine Aufnahme, die den Sänger am Spielfeldrand fast unbekleidet beim Umziehen zeigte. Dieses Foto wurde dann in der Boulevard-Zeitung B.Z. veröffentlicht. Daraufhin verklagte Mr. Williams die Zeitung. Das LG Berlin sah in der Veröffentlichung des Fotos eine Verletzung der Privatsphäre von Robbie Williams und begründete die Entscheidung wörtlich wie folgt:13 „Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR überwiegt im vorliegenden Fall das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers gegenüber der Pressefreiheit der Antragsgegnerin. Auf der Seite des Antragstellers streiten sein Persönlichkeitsrecht und das berechtigte Interesse, in seinem Privatleben nicht von Fotoreportern behelligt zu werden. Auch einem „Superstar“ wie dem Antragsteller muss das Recht zugebilligt werden, unbehelligt von der Öffentlichkeit ein Privatleben zu führen. Das streitgegenständliche Bild ist auch nicht etwa kontextneutral, sondern zeigt den Antragsteller in einer privaten Situation, nämlich beim Umziehen bis auf die Unterhose. Der Antragsteller muss es in seinem Privatleben nicht hinnehmen, von der Unterhaltungspresse in das Licht der Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Auch die Verrichtung erkennbar privater Lebensvorgänge in der Öffentlichkeit, bei der der Einzelne nicht gewärtigt, dass er unter Beobachtung der Medien steht, ist Teil des Schutzbereichs der Privatsphäre, da es nämlich einen grundsätzlichen Unterschied macht, ob die Szene von einzelnen Passanten beobachtet werden kann oder ob dies vor einem Millionenpublikum ausgebreitet wird. Aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen durfte der Antragsteller sich darauf verlassen, dass er vor dem Einblick von Fotoreportern geschützt sein würde. Die mit der ständigen Gefahr der Aufzeichnung privater Verhaltensweisen verbundene Beeinträchtigung der Unbefangenheit im Alltag stellt eine erhebliche Einschränkung des Rechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar.“
12 OLG München v. 14.11.1996 – 29 U 1615/95, OLGReport 1997, 202. 13 LG Berlin v. 28.9.2006 – 27 O 857/06, ZUM-RD 2007, 88.
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Teil H
Event und Medien
Allerdings ist die Informationszwecken der Öffentlichkeit dienende nachrichtenmäßige Berichterstattung über kulturelle Tagesereignisse „in einem durch den Zweck gebotenen Umfang“ von den Beschränkungen des Urheberrechtes befreit, § 50 UrhG. Dies gilt aber nur für die Verwendung kleinerer Ausschnitte, weil die Künstler und Veranstalter insoweit keinen urheberrechtlichen Schutz genießen.14 1031
Öffentliche Gebäude und Plätze dürfen fotografiert werden. Dies gilt auch für an öffentlicher Stelle dauerhaft aufgestellte Kunstwerke, § 59 UrhG. Allerdings ist ein Werk der bildenden Kunst dann nicht „bleibend“ an einem öffentlichen Ort, wenn das Werk im Sinne einer zeitlich befristeten Aussstellung präsentiert wird. Unerheblich ist dabei, ob ein Werk nach dem Abbau fortbesteht oder ob es mit dem Abbau untergeht.15 Es ist daher nicht statthaft, Fotos des von Christo und JeanneClaude im Jahre 1995 verhüllten Reichstages in Berlin kommerziell zu verwerten, ohne eine entsprechende Lizenzgebühr an die Künstler zu zahlen.16 Beispiel In einer neuen Entscheidung verurteilte der BGH eine von den Künstlern auf Unterlassung verklagte Foto- und Bildagentur, die ohne Zustimmung der Künstler Postkarten mit den Motiven des verhüllten Reichstags verkaufte. Das Gericht stellte dabei fest, dass das Projekt „Verhüllter Reichstag“ urheberrechtlichen Schutz genieße. Das Kunstwerk habe sich deshalb nicht bleibend iS von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG an einem öffentlichen Ort befunden, weil es iS einer zeitlich befristeten Ausstellung präsentiert wurde.17
1032
Bei Aufnahme auf Bild- und Tonträger dauert das Schutzrecht gemäß § 82 UrhG für den Künstler 50 und für den Veranstalter 25 Jahre vom Erscheinen des Bildund Tonträgers an bzw. nach der Darbietung, wenn der Bild- oder Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen ist. Für den Urheber endet der Urheberschutz 70 Jahre nach seinem Tod, § 64 UrhG.
1033
Die Verletzung von Urheberrechten löst gemäß § 97 UrhG Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche sowie Vernichtungsansprüche in Bezug auf alle rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke, § 98 UrhG, und Herstellungsvorrichtungen, § 99 UrhG, aus.
1034
Die künstlerische Aufführung wird heutzutage durch Lautsprecher übertragen und durch Rundfunk und Fernsehen gesendet und mit Sendung in öffentlichen Lokalitäten wahrnehmbar gemacht sowie auf Ton- und Bildträger aufgezeichnet. Dies kann zu einer Gefährdung der Künstleransprüche auf angemessene Vergütung seiner Leistungen führen. Daher muss der Künstler davor bewahrt werden, dass eine ungenehmigte Verwertung seiner unmittelbaren Leistung 14 Gounalakis, Rechte und Pflichten privater Konzertveranstalter gegenüber den Massenmedien, AfP 1992, 346. 15 BGH v. 24.1.2002 – I ZR 102/99, MDR 2002, 771 = NJW 2002, 2394. 16 KG v. 30.1.1996 – 5 U 7926/95, NJW 1996, 2379 – „Christo I“; KG v. 31.5.1996 – 5 U 889/96, NJW 1997, 1160 = GRUR 1997, 129 – „Christo II“; Flechsig in Unverzagt/ Röckrath, Kultur & Recht, B 1.1, S. 45. 17 BGH v. 24.1.2002 – I ZR 102/99, MDR 2002, 771 = NJW 2002, 2394.
396
II. Event und Urheberrecht
Teil H
durch einen anderen als den Vertragspartner geschieht.18 Der Leistungsschutz von EU-Künstlern wird durch das Rom-Abkommen ergänzt. Am 26.10.1961 wurde das Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen unterzeichnet. Am 21.10.1966 trat die Bundesrepublik dem Abkommen unter einigen Vorbehalten bei.19 Diesem Abkommen gehören gegenwärtig 86 Staaten an.20 Hierzu ein Praxisfall: Beispiel Während einer Welttournee gastierte der bekannte Rockmusiker Bruce Springsteen am 5.6.1992 in Los Angeles. Das Konzert wurde von einer Reihe von Rundfunksendern live übertragen. Eine Firma brachte in Deutschland eine Aufzeichnung der Live-Veranstaltung auf CD unter dem Titel „Bruce Springsteen – Live Los Angeles June 5th 1992“ in den Handel, die während des Konzertes mitgeschnittene Aufnahmen enthielt. Die deutsche Tochtergesellschaft der Firma, die die Rechte an der Konzertveranstaltung erworben hatte, verklagte daraufhin zusammen mit dem britischen Leadgitarristen der aufgetretenen Band die die CD vertreibende Firma wegen Verletzung der Leistungsschutzrechte aus §§ 78, 125 Abs. 5, 97 Abs. 1 UrhG; Art. 4 Buchst. c und Art. 6 Rom-Abkommen auf Unterlassung und Schadensersatz. Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht war der Auffassung, dass die Beklagte Leistungsschutzrechte verletzt hat, und auch einem ausländischen ausübenden Künstler eine Inländerbehandlung nach den Bestimmungen des Rom-Abkommens zukommt, die sich auf die Weiterverwendung seiner Darbietung bezieht, wenn diese in einer durch das Abkommen geschützten Sendung ausgestrahlt wurde.21
Der Veranstalter kann außerdem gegen unbefugte Aufnahmen seiner Veranstaltungen und deren Wiedergabe in den Medien gemäß § 823 BGB wegen eines Eingriffes in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (sonstiges Recht iS von § 823 Abs. 1 BGB) und nach § 1 UWG geschützt sein.22
1035
Die Wiedergabeist gemäß § 15 Abs. 3UrhG öffentlich, wenn siefür eine Mehrzahl von Personen erfolgt. Lediglich wenn der Personenkreis abgegrenzt und durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter eine persönliche Verbindung der Gruppe besteht, ist keine Öffentlichkeit gegeben. Demzufolge ist die Wiedergabe im Freundes- und Bekanntenkreis nicht öffentlich.
1036
Auch auf Vereinsveranstaltungen kann die Wiedergabe öffentlich sein, wenn nach dem Gefüge des Vereines ein engeres persönliches Band zwischen den Vereinsmitgliedern fehlt.23
1037
Öffentliche Wiedergabe wurde von der Rechtsprechung angenommen, bei: – Abschlussbällen,24 – Tanzkursen,25
1038
18 19 20 21 22 23 24 25
Rehbinder, Urheberrecht, § 7 I 6b, S. 56. BGBl. II 1966, S. 1473. Stand 1.12.2008. BGH v. 23.4.1998 – I ZR 205/95, NJW 1999, 139 = GRUR 1999, 49 BGH v. 29.4.1970 – I ZR 30/69, NJW 1970, 2247 = BGHZ 55, 1. RGSt 21, 254; vgl. auch Rz. 886 ff. (889). BGH GRUR 1960, 360. OLG Frankfurt/M. v. 20.3.1986 – 6 U 43/85, ZUM 1987, 91; OLG München v. 28.11.1985 – 4440/84, ZUM 1986, 482.
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Teil H – – – – – – –
Event und Medien
Betriebsveranstaltungen,26 Club-Bars,27 Hotels,28 Krankenhäusern,29 Sportheimen,30 Altersheimen,31 Gefängnissen.32
1039
Als Richtschnur kann angenommen werden, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Wiedergabe als eine öffentliche einzustufen ist, je nach Veranstaltungsgröße und Maß der Anonymität zunimmt.
1040
Die Verwertung seines Werkes in körperlicher und unkörperlicher Form ist dem Urheber vorbehalten.33 Die in den §§ 15 bis 22 UrhG geregelten Verwertungsrechte sind untrennbar mit dem Urheber verbunden, § 29 UrhG. Die Rechte und Interessen der Komponisten und Künstler werden von den sog. Verwertungsgesellschaften wahrgenommen.
1041
In Deutschland regelt das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (WahrnG) die Zulassung und Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften. Im Juni 2008 waren bei der Aufsichtsbehörde der deutschen Verwertungsgesellschaften, dem Deutschen Patent- und Markenamt zwölf Gesellschaften zugelassen: – Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), vertritt das gesamte Weltrepertoire an urheberrechtlich geschützter Musik – Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), nimmt die Leistungsschutzrechte für ausübende Künstler, Tonträgerhersteller und Musikvideoproduzenten wahr – Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort), nimmt die Rechte der Autoren von Sprachwerken aller Art und den Verlagen wahr – Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst), nimmt die Erst- und Zweitverwertungsrechte für bildende Künstler wahr – Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten (VFF), Verwertungsgesellschaft im Bereich der Filmproduzenten von Eigen- und Auftragsproduktionen – Verwertungsgesellschaft Musikedition (VG Musikedition)
26 27 28 29 30 31 32 33
BGH v. 24.6.1955 – I ZR 178/53, NJW 1955, 1356 = BGHZ 17, 376. BGH v. 15.5.1986 – I ZR 22/84, MDR 1986, 1000 = ZUM 1986, 543. BGH v. 28.11.1961 – I ZR 56/60, NJW 1962, 532, BGHZ 36, 181. BGH v 9.6.1994 – I ZR 23/92, MDR 1994, 1103 =ZUM 1994, 585 = GRUR 1994, 797. BGH v. 7.10.1960 – I ZR 17/59, GRUR 1961, 99. BGH v. 12.7.1974 – I ZR 68/73, GRUR 1975, 33 = NJW 1974. 1872. BGH v. 8.7.1993 – I ZR 124/91, MDR 1994, 154 = NJW 1993, 2871 = BGHZ 123, 149. Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 3 Rz. 85.
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II. Event und Urheberrecht
Teil H
– Gesellschaft zur Übernahme und Wahrnehmung von Filmaufführungsrechten mbH (GÜFA), vertritt die Rechte der Filmproduzenten/Rechteinhaber, die sich überwiegend mit der Herstellung von erotischen und pornographischen Filmen beschäftigen – Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte an Filmwerken mbH (VGF), nimmt die Rechte von deutschen und ausländischen Kinofilmproduzenten, Produzenten anderer Filmwerke sowie Regisseuren von Spielfilmen wahr. – Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten mbH (GWFF), nimmt die Rechte von Film- und Fernsehproduzenten wahr, für Vergütungsansprüche bei Vervielfältigungen und Zweitnutzungen. – AGICOA Urheberrechtschutz Gesellschaft mbH – Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen mbH (VG Media) – Verwertungsgesellschaft Werbung und Musik mbH (VGWM) Nach dem WahrnG gilt für Verwertungsgesellschaften eine Erlaubnispflicht, Wahrnehmungszwang, Abschlusszwang und Staatsaufsicht. Für die Veranstalter von öffentlichen Wiedergaben hebt § 13a WahrnG die bereits aus dem Urheberrecht folgende Pflicht zur Einholung einer Einwilligung der Verwertungsgesellschaft vor Veranstaltungsbeginn noch einmal hervor. Diese Verpflichtung besteht für Veranstaltungen, es sei denn, es werden nicht geschützte oder nur unwesentlich bearbeitete Werke der Musik aufgeführt.34
2. GEMA-Anmeldung Die wichtigste Verwertungsgesellschaft in Deutschland ist die GEMA. Sie ist in der Rechtsform eines wirtschaftlichen Vereines organisiert und arbeitet ohne eigenen Gewinn. Die GEMA nimmt auf dem Gebiet der Musik treuhänderisch Rechte der deutschen Komponisten, Textdichter, Songwriter, Musiker und Musikverleger sowie die der ausländischen Musikurheber wahr. Die GEMA vertritt die Urheberrechte von mehr als 60 000 Mitgliedern sowie von über 1 Million Rechteinhabern aus aller Welt. Sie ist mit einem Ertrag von 874 Millionen Euro für die Nutzung des Musik-Weltrepertoires im Geschäftsjahr 2006 weltweit eine der größten Verwertungsgesellschaften für Werke der Musik. Bei einer öffentlichen Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Musikwerke ist die GEMA sowohl als Zustimmungsinstanz als auch als Interessenvertretung der Urheber anzusehen. Die Erträge werden nach Abzug der entstehenden Verwaltungskosten an die eigenen Berechtigten und über die Schwestergesellschaften in aller Welt an die ausländischen Berechtigten ausgeschüttet.
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Die GEMA prüft, ob urheberrechtlich geschützte Musik aufgeführt, gesendet, vervielfältigt oder verbreitet wird und ob insoweit Vergütungsansprüche gegeben sind. Die geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vertritt die sog. GEMA-Vermutung, welche besagt, dass davon auszugehen ist, dass alle
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34 Rehbinder, § 60 III 4, S. 333.
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Teil H
Event und Medien
bei öffentlichen Veranstaltungen gespielten Musikstücke urheberrechtlich geschützt sind.35 1044
Hierzu zählen: – Veranstaltungen mit Musik durch Musiker und/oder Tonträger, – Wiedergabe von Musik über Radio, Kassetten, Compact-Disc etc., – Musikautomaten, – Weiterübertragung von Musik mittels einer eigenen Verteileranlage, – Musikdarbietungen bei Wiedergabe von Fernsehsendungen, – Musikaufführungen bei Versammlungen und Kundgebungen, – Platzkonzerte im Freien, – Festzüge, Umzüge etc., – Musikaufführungen bei Sportveranstaltungen, – Musikaufführungen im Freien, – Festveranstaltungen, Festzelte.
1045
Entscheidend für die Annahme einer Gebührenpflicht ist die Öffentlichkeit der Wiedergabe. Öffentlichkeit der Wiedergabe ist nach § 15 Abs. 3 Urheberrechtsgesetz (UrhG) dann gegeben, wenn die Musikdarbietung für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist. Nicht öffentlich ist die Darbietung, wenn der Teilnehmerkreis durch wechselseitige Beziehungen einen in sich geschlossenen, nach außen individuell abgegrenzten Personenkreis darstellt. Entscheidendes Kriterium ist nach dem Bundesgerichtshof ein zwischen den Teilnehmern erkennbares persönliches inneres Band.36 Beispiel Die GEMA ist wachsam. Eine Familie aus Lübeck mietete im Juni 1997 anlässlich der Geburtstage von Vater (50 Jahre) und Tochter (18 Jahre) einen Raum in einer Gaststätte an und lud Freunde, Verwandte und Kollegen ein. Nach dem Essen wurde auch zur Musik mitgebrachter CDs getanzt. Fast ein Jahr später bekam die Familie Post von der GEMA und wurde aufgefordert, die Veranstaltung vom Sommer letzten Jahres anzumelden. Die Familie sandte die beigefügte Antwortkarte mit dem Vermerk „private Geburtstagsfeier“ zurück. Daraufhin schickte die GEMA eine Rechnung iH von 72,23 DM (ca. 37,00 Euro) für die Nutzung von Unterhaltungsmusik mit Tonträgern, da die von der Lübecker Familie zur Verfügung gestellte Gästeliste (Nachbar, Babysitterin, Studienkollege etc.) den Schluss zuließe, dass die Veranstaltung öffentlich war. Die Familie zahlte die Gebühr.
1046
Die GEMA-Mitarbeiter lesen Lokalzeitungen und befragen Gastwirte, um unangemeldete Veranstaltungen ausfindig zu machen. Nach einer Entscheidung des Amtsgerichtes Düsseldorf muss derjenige, der behauptet, seine Veranstaltung sei nicht öffentlich, „im einzelnen darlegen, wen er eingeladen hat und 35 BGH v. 24.6.1955 – I ZR 178/53, NJW 1955, 1356 = BGHZ 17, 376 (378); BGH v. 7.10.1960 – I ZR 17/59, NJW 1961, 121 = GRUR 1961, 97 (98); BGH v. 11.5.1974 – I ZR 145/71, GRUR 1974, 35 (39). 36 BGH v. 24.6.1955 – I ZR 178/53, NJW 1955, 1356 = BGHZ 17, 376 (378).
400
II. Event und Urheberrecht
Teil H
in welcher Beziehung die eingeladenen Gäste untereinander und zu ihm stehen“.37 Wird eine Musikdarbietung ohne die Einholung der erforderlichen Einwilligung abgehalten, haftet der Veranstalter nach gefestigter Rechtsprechung auf das Doppelte des normalen Gebührensatzes (sog. Kontrollzuschlag). Veranstalter von öffentlichen Wiedergaben urheberrechtlich geschützter Werke haben vor der jeweiligen Aufführung/Veranstaltung die Einwilligung der GEMA einzuholen. Diese Einwilligung setzt eine ordnungsgemäße und rechtzeitige Anmeldung voraus. Sie muss alle tarifrelevanten Angaben enthalten wie: Höhe des Eintrittsgeldes, Größe des Veranstaltungsraumes, Art der Veranstaltung und Musikdarbietung, weil nur so eine Berechnung nach den einschlägigen Vergütungssätzen möglich ist. Die GEMA erteilt die für die Nutzung erforderliche Einwilligung entweder in Form einer Einzeleinwilligung oder in Form eines Pauschalvertrages (Zahlung einer Jahrespauschale), zieht die anfallenden Gebühren ein und führt sie an den Urheber ab.
1047
Musik ist nicht gleich Musik. Die GEMA bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Tarife hinsichtlich der verschiedenen Nutzergruppen, Musikarten und dem jeweiligen Spielkontext an. So gibt es unterschiedliche Tarife für – Arztpraxen – Diskotheken und Tanzlokale – Einzelhandel – Fitnessstudios – Gaststätten – Hotels – Narrenvereinigungen und -verbände – Messen – Spielhallen
1048
Die Aufführung von Live-Musik spaltet sich beispielsweise in verschiedene Unterkategorien auf: – Unterhaltungsmusik (U-Musik) – Hintergrundmusik – regelmäßige Musikaufführungen von Varietébetrieben, Kabarettbetrieben, Gastspielunternehmen und Zirkusunternehmen – Musikwiedergaben von Großhallenbetrieben und Gastspielunternehmen in Räumen oder auf Veranstaltungsplätzen mit über 3 000 Personen Fassungsvermögen – Konzert ernste Musik (E-Musik) – Konzert E-Musik (pädagogische Zwecke) – Musik in Bühnen und Theatern – Bühnenaufführungen aus Werken des Kleinen Rechts im Zusammenhang mit Shows, Compilation Shows, Revuen, etc. 37 AG Düsseldorf, 57 C 441/96, n.v.
401
Teil H – – – – –
Event und Medien
Musik in Kleinkunstbühnen Musik in Kurorten (Kurkapellen) Musik in Gottesdiensten Musikaufführungen mit Musikern in Tanzlokalen Musik mit Werbung
Darüber hinaus gibt es weitere Tarife und Untertarife für: – Wiedergabe von Tonträgern und Bildtonträgern (Videos u.Ä.) – Wiedergabe von Funksendungen – Filmvorführung – Weiterübertragung von Musik – Vervielfältigung auf Tonträger und deren Verbreitung – Vervielfältigung auf Bildtonträger und deren Verbreitung – Internet – Sendung von Musik – Vermieten und Verleihen von bespielten Tonträgern und Bildtonträgern Der nachfolgende Praxisfall soll einen Eindruck darüber vermitteln, wie wichtig die Kalkulation der GEMA-Kosten im Einzelfall im Rahmen einer Großveranstaltung sein kann. Beispiel Die drei Tenöre José Carreras, Placido Domingo und Luciano Pavarotti gaben am 24.8.1996 im Düsseldorfer Rheinstadion ein Konzert vor 60 000 Zuschauern. Der Veranstalter meldete das Konzert im Tarif E bei der GEMA an. Die GEMA-Kosten beliefen sich dabei auf 40 091,73 DM (20 498,58 Euro). Die GEMA ordnete das Konzert wegen seiner populären Anziehungskraft und den hohen Eintrittspreisen (90 – 750 DM = ca. 46 – 383 Euro) der Unterhaltungsmusik und damit Tarif VK zu und erhob Klage vor dem Landgericht Mannheim. Die beteiligte Schiedsstelle beim Deutschen Patentamt hat den höheren Lizenzanspruch der GEMA mit Entscheidung vom 7.7.1997 für das Konzert der Drei Tenöre vollinhaltlich bestätigt. Die Großkonzerte der drei Tenöre würden nach Auffassung der Schiedsstelle Konzerte, die nicht unter den GEMA-Tarif E (Ernste Musik) fallen, darstellen. Die Schiedsstelle begründete dies damit, dass der Schaucharakter und der Umfang des Konzerts gegen eine Einstufung als reines Konzert der Ernsten Musik iS des Tarifs E sprechen würde. Die Schiedsstelle führte aus, dass bei E-Konzerten der Gedanke des Musikgenusses und der Musikverbreitung im Vordergrund steht, dagegen bei den Konzerten der drei Tenöre im Vordergrund die Vermarktung der Musik steht. Das Landgericht Mannheim schloss sich der Einschätzung der Schiedsstelle an und entschied, dass der Tarif E auf Darbietungen so genannter ernster Musik mit relativ geringen Zuschaueraufkommen zugeschnitten ist. Es folgte dem Klägerantrag und setzte für das Konzert der drei Tenöre Tarif VK (G) für Großveranstaltungen mit mehr als 3 000 Personen zugrunde. Danach wurden GEMA-Gebühren iH von 1 372 308,27 DM (701 650,04 Euro) zugesprochen, also die mehr als 34fache Summe.38 Nachdem die Veranstalter der „Drei Tenöre“-Konzerte zahlungsunfähig geworden sind, wurde am 24.5.2000 das beim Oberlandesgericht Karlsruhe anhängige Berufungsverfahren gegen das obige Urteil übereinstimmend für erledigt erklärt. 38 LG Mannheim v. 13.3.1998 – 7 O 445–97, NJW 1998, 1417.
402
Teil H
II. Event und Urheberrecht
Überall dort, wo Musik nur zur Umrahmung, als Pausenfüller oder vor und nach Wettbewerben eingesetzt wird, gibt die GEMA Ermäßigungen. Ebenso können durch Abschlüsse von Gesamtverträgen (Dachorganisationen der Veranstalter haben mit der GEMA einen Vertrag geschlossen) günstigere Tarifsätze vereinbart werden.39
1049
Die Bundesvereinigung der Musikveranstalter hat beispielsweise mit der GEMA einen Rahmenvertrag abgeschlossen, welcher den Mitgliedern einen 20%igen Rabatt einräumt. Bei der regelmäßigen Durchführung von Veranstaltungen mit Gebührenpflicht sollte ein entsprechendes Abkommen mit der GEMA getroffen werden, um in den Genuss von Vorzugssätzen zu kommen.
1050
Abb. 57: GEMA I. Allgemeine Vergütungssätze für Unterhaltungs- und Tanzmusik mit Musikern (U-VK-Tarif, Stand 1.1.2008) Gruppe A Größe des Veranstalohne oder tungsraums bis zu in m2 Wand 1,00 Euro zu Wand geEintritt messen Vergütungssatz bis 100 m2
21,50
Gruppe B
Gruppe C
Gruppe D
Gruppe E
bis zu 1,50 Euro Eintritt Vergütungssatz
bis zu 2,50 Euro Eintritt Vergütungssatz
bis zu 4,00 Euro Eintritt Vergütungssatz
bis zu 6,00 Euro Eintritt Vergütungssatz
29,80
46,60
62,70
78,90
Gruppe F
Gruppe G
bis zu bis zu 10,00 Euro 20,00 Euro Eintritt Eintritt VergüVergütungssatz tungssatz 84,90
100,40
2
24,50
46,60
69,60
93,40
115,60
127,10
152,20
bis 200 m2
34,30
63,40
97,20
124,80
153,80
171,40
202,00
bis 133 m
bis 266 m2
49,70
81,10
123,20
157,60
189,10
218,80
251,80
bis 333 m2
63,40
98,00
148,30
189,10
228,00
266,30
302,50
bis 400 m2
78,90
114,70
173,70
222,60
265,50
312,20
352,80
bis 533 m2
97,20
134,60
205,00
262,40
316,70
368,80
420,10
bis 666 m2
114,70
155,50
234,20
299,80
367,90
423,90
485,90
bis 1 332 m2
186,80
238,00
352,80
467,60
572,40
655,70
755,20
bis 2 000 m2
256,40
322,20
472,90
635,90
773,50
888,40
1 029,80
bis 2 500 m2
321,40
403,40
591,40
795,00
966,50
1 111,20
1 288,60
bis 3 000 m2
386,40
483,70
710,80
952,70
1 160,80
1 332,10
1 545,50
je weitere 500 m2 bis 10 000 m2
64,30
81,10
120,10
158,30
193,50
222,60
257,90
je weitere 500 m2 über 10 000 m2
64,30
156,20
249,30
341,20
433,10
525,70
617,60
Bei Entgelten über 20,00 Euro erhöhen sich die Vergütungssätze für je angefangene weitere 10,00 Euro Eintrittsgeld um je 10 %.
39 Scholz, GEMA, GVL & KSK, S. 35.
403
Teil H
Event und Medien
II. Besondere Vergütungssätze 1. Musikaufführungen bei Versammlungen und Kundgebungen (ID 505, 702) Vergütungssätze in Abschnitt I mit einem Nachlass von 25 % 2. Platzkonzerte im Freien (ohne Bewirtung) (ID 506) Dauer im Allgemeinen bis zu 20 Minuten – je Konzert 43,40 Euro 3. Musikaufführungen bei Festzügen und Umzügen (ID 507) a) je mitwirkende Kapelle 24 Euro b) je mitwirkender Spielmannszug (Trommler- und Pfeiferkorps) 12 Euro 4. Musikaufführungen bei Sportveranstaltungen (ID 508–510) a) Sportveranstaltungen, bei denen Musik integrierter oder unverzichtbarer Bestandteil ist (Bsp. Eiskunstlauf, Rhythmische Sportgymnastik, Tanzen, Body Building) Vergütungssätze in Abschnitt I, nach der Gesamtbesucherzahl (1 1/ 2 Personen = 1 m2) b) Sportveranstaltungen in Verbindung mit Musikdarbietungen (z.B. bei Programmpunkten wie Cheerleader oder Moderationen etc.), sofern der sportliche Wettkampf im Vordergrund steht Anzahl der Zuschauer
Vergütung je Veranstaltung in Euro
bis zu
1 000 Zuschauer
112,30
bis zu
2 000 Zuschauer
182,80
bis zu
3 000 Zuschauer
250,80
bis zu
4 000 Zuschauer
378,10
bis zu
5 000 Zuschauer
441,00
je weitere 1 000 Zuschauer
84,10
c) Sportveranstaltungen mit lediglich musikalischer Umrahmung (vor Beginn, am Ende, bzw. in den Pausen der Veranstaltung), sofern die Zeitdauer der Hintergrundmusikwiedergabe insgesamt 30 min nicht übersteigt, nicht während des Wettkampfes erfolgt und nicht zur Untermalung zusätzlicher Programmpunkte wie Cheerleader oder Moderationen dient. aa) bis zu 500 Besucher 16,50 Euro bb) bis zu 1 000 Besucher 33,00 Euro cc) je weitere angefangene 1 000 Besucher 16,50 Euro III. Allgemeine Bestimmungen 1. Geltungsbereich Die Vergütungssätze U-VK finden für Einzelaufführungen mit Musikern – gleichgültig ob Berufs- oder Laienmusiker – Anwendung; sie gelten für Unterhaltungs- und Tanzmusikaufführungen, ferner für Unterhaltungskonzerte, Festzeltveranstaltungen, Musikaufführungen bei Varietéveranstaltungen, Bunten Nachmittagen, Bunten Abenden, Modenschauen und ähnlichen Veranstaltungen. 2. Berechnung Die allgemeinen Vergütungssätze in Abschnitt I werden je nach Art der Aufführungen für einen bestimmten Zeitraum oder je Veranstaltung berechnet. Für eigene Musikaufführungen von Gastwirten erfolgt die Berechnung ausschließlich nach Ziffer 2a) der Allgemeinen Bestimmungen.
404
II. Event und Urheberrecht
Teil H
a) Unterhaltungs- und Tanzmusikaufführungen Die Vergütungssätze in Abschnitt I gelten für Unterhaltungs- und Tanzmusikaufführungen nach 15 Uhr, soweit sie spätestens um 22 Uhr beendet sind, oder für Aufführungen nach 18 Uhr. Bei Musikaufführungen, die zwischen 15 Uhr und 18 Uhr beginnen und länger als bis 22 Uhr dauern, erhöhen sich die Vergütungssätze um 50 %. Der Zuschlag von 50 % entfällt bei Musikaufführungen im Freien, die bei ungünstiger Witterung nicht in einen geschlossenen Raum verlegt werden können. Finden an den gleichen Tagen auch nachmittags oder abends Musikaufführungen statt, werden für die Musikaufführungen vor 15 Uhr 33 1/ 3 % der Vergütungssätze berechnet. b) Unterhaltungskonzerte, Varietéveranstaltungen, Bunte Nachmittage, Bunte Abende, Modenschauen und ähnliche Veranstaltungen Für Unterhaltungskonzerte, Varietéveranstaltungen, Bunte Nachmittage, Bunte Abende, Modenschauen und ähnliche Veranstaltungen werden die Vergütungssätze in Abschnitt I je Veranstaltung berechnet. Für weitere Veranstaltungen derselben Art des gleichen Veranstalters, die am gleichen Tage im gleichen Veranstaltungsraum oder auf dem gleichen Veranstaltungsplatz durchgeführt werden, ermäßigen sich die Vergütungssätze um 50 %. Bei Veranstaltungen mit verschiedenen Eintrittspreisen gilt die Veranstaltung mit dem höchsten Eintrittsgeld als erste Veranstaltung. c) Musikaufführungen vor Stuhlreihen Für Musikaufführungen vor Stuhlreihen werden die Vergütungssätze in Abschnitt I nach der Anzahl der vorhandenen Sitzplätze (1 1/2 Sitzplätze = 1 m2) berechnet. d) Musikaufführungen zu besonderen Anlässen vor geladenen Gästen Für Veranstaltungen vor geladenen Gästen (wie z.B. Firmenjubiläen, Empfänge, Werbeveranstaltungen, Produktpräsentationen etc.), bei denen der Veranstalter kein Eintrittsgeld oder sonstiges Entgelt erhebt, errechnet sich das Entgelt iS der Vergütungssätze in Abschnitt I in Abweichung zu Gruppe A wie folgt: Die Aufwendungen für musikalische Darbietungen (wie z.B. Künstlerhonorare, Aufwendungen für die Bühne und die Technik, Moderatoren, DJs etc.) werden durch die Anzahl der geladenen Gäste dividiert. e) Musikaufführungen im Freien Für Musikaufführungen im Freien werden die Vergütungssätze in Abschnitt I nach dem Personenfassungsvermögen der Veranstaltungsplätze (1 1/2 Personen = 1 m2) oder, wenn die genaue Angabe des Personenfassungsvermögens nicht möglich ist, nach der Gesamtbesucherzahl berechnet. f) Abschluss eines Jahrespauschalvertrages Der Abschluss eines Jahrespauschalvertrages setzt voraus, dass mindestens 5 Veranstaltungen im Vertragsjahr durchgeführt und vertraglich geregelt werden. Bei Abschluss eines Jahrespauschalvertrages wird auf die Vergütungssätze in Abschnitt I ein Vertragsnachlass von 10 % bis zur 40sten Veranstaltung, 20 % ab der 41sten Veranstaltung bis zur 80sten Veranstaltung, 30 % ab der 81sten Veranstaltung bis zur 120sten Veranstaltung, 40 % ab der 121sten Veranstaltung bis zur 160sten Veranstaltung, 50 % für Veranstaltungen ab der 161sten Veranstaltung gewährt. Nachlässe von 20 % und mehr können nur dann gewährt werden, wenn die Veranstaltungen innerhalb des gleichen Veranstaltungsbetriebes durchgeführt werden.
405
Teil H
Event und Medien
Grundsätzlich sind die Vergütungen jährlich im Voraus zu zahlen. Bei halbjähriger Zahlungsweise erhöhen sich die Vergütungssätze um 2,5 %, bei vierteljähriger Zahlungsweise erhöhen sie sich um 5 %. Die besonderen Vergütungssätze werden je Veranstaltung berechnet. Rechtzeitiger Erwerb der Einwilligung Die Vergütungssätze finden nur für Musikaufführungen Anwendung, für die die Einwilligung von der GEMA rechtzeitig vorher erworben wird. Umfang der Einwilligung Durch die Vergütungssätze sind nur Musikaufführungen in dem der Berechnung zugrunde liegenden Umfang abgegolten. Für die Übertragung der Musikaufführungen in weitere Veranstaltungsräume oder auf weitere Veranstaltungsplätze ist eine besondere Einwilligung erforderlich. Die Vergütungssätze gelten nicht für Musikaufführungen mit Werbung. Soweit die Berechnung der Vergütungssätze nicht nach der Größe bzw. dem Personenfassungsvermögen der Veranstaltungsräume und Veranstaltungsplätze oder nach der Besucherzahl erfolgt (Abschnitt II, Ziffer 2, 3 und 4), wird die Einwilligung nur für die unmittelbaren Darbietungen durch Musiker erworben. Die Einwilligung umfasst nur die der GEMA zustehenden Rechte. Die Einwilligung berechtigt nicht zur Vervielfältigung der aufgeführten Musikstücke (Aufnahme auf Schallplatte, Band, Draht usw.). Die Vergütungssätze sind unbeschadet der Anzahl der aufgeführten Musikstücke und unabhängig davon, in welchem Umfang von den zur Verfügung gestellten Aufführungsrechten Gebrauch gemacht wird, zu zahlen. Abgegolten sind nur die Musikaufführungen, für die zwischen dem Veranstalter und dem ausübenden Künstler ein Vertrag besteht. Härtefallnachlassregelung für Musikwiedergabe bei Einzelveranstaltungen Sofern der Veranstalter den Nachweis erbringt, dass die Bruttoeinnahme (geldwerter Vorteil nach § 13 Abs. 3 Satz 1 UrhWG) aus der Veranstaltung im Einzelfall in grobem Missverhältnis zur Höhe der Pauschalvergütungssätze für die Musiknutzung bei Einzelveranstaltungen steht, berechnet die GEMA auf schriftlichen Antrag eine für die Veranstaltung angemessene Vergütung nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen: 5.1 Berechnungsgrundlage für die Bruttoeinnahme sind insbesondere Eintrittsgelder und/oder sonstiges Entgelt wie z.B. Sponsorengelder, Spenden, Werbeeinnahmen und sonstige Zuschüsse. Die Vergütung nach der Härtefallnachlassregelung kann die Vergütungen der pauschalen Vergütungssätze in deren unterster Gruppe (Gruppe A in Abschnitt I) nicht unterschreiten (Mindestvergütung). 5.2 Der Antragsteller hat der zuständigen Bezirksdirektion der GEMA durch eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen Rechnung über die Veranstaltung zu legen und hierzu – soweit Belege erteilt zu werden pflegen – Belege vorzulegen. Mehrere Veranstalter sind verpflichtet, Antrag und Rechnungslegung gemeinsam einzureichen. Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnungslegung sind durch Unterschrift zu bestätigen. 5.3 Der Antrag ist unverzüglich nach Rechnungsstellung der GEMA, spätestens aber bis zum 15. Tag des auf die Rechnungsstellung folgenden Monats schriftlich bei der zuständigen Bezirksdirektion der GEMA zu stellen. Die Rechnungslegung nach Ziff. 2 ist dem Antrag beizufügen. 5.4 Für den Fall dass der/die Veranstalter seinen/ihren Obliegenheiten nach Ziffern 5.2 und 5.3 nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt/nachkommen, legt die GEMA der Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr die Pauschalsätze in Abschnitt I der vorliegenden Vergütungssätze U-VK zugrunde.
406
II. Event und Urheberrecht
Teil H
6. Gesamtvertragsnachlass Den Mitgliedern von Organisationen, mit denen die GEMA einen Gesamtvertrag für diesen Tarif geschlossen hat, wird ein Nachlass entsprechend den gesamtvertraglichen Vereinbarungen eingeräumt.
Aktuelle Informationen zu GEMA-Anmeldung und Tarifen findet man im Internet unter http://www.gema.de/musiknutzer/abspielen-auffuehren/tarifeim-ueberblick/.
1051
" Praxistipp: Bei zusätzlicher kommerzieller Werbewirkung reicht die schlichte GEMA/GVL-Anmeldung nicht aus. Für diesen Fall müssen zusätzliche Zahlungen für die Einräumung einer Lizenz gezahlt werden.
Beispiel Die CDU setzte beim Wahlkampf um das Kanzleramt zur Unterstützung ihrer Kanzlerkandidatin Angela Merkel unter Anspielung auf den Vornamen der Kandidatin das bekannte Musikstück „Angie“ der Rolling Stones ein. Eine entsprechende GEMA-Anmeldung war im Vorfeld erfolgt. Allerdings war dies für die Erlaubnis dieses Songs im Rahmen einer Wahlkampagne nicht ausreichend. Wird mit einem GEMA-pflichtigen Song eine Werbebotschaft verknüpft, muss der Künstler seine Einwilligung durch Erteilung einer entsprechenden Lizenz explizit erklären. Damit wird verhindert, dass eine verkaufssteigernde oder wahlkampfunterstützende Musik ohne Honorierung des Urhebers verwendet wird. Über die Höhe der nachträglich erhobenen Lizenzgebühr durch das Management der Rolling Stones ist nichts bekannt.
3. Die GVL Neben der GEMA existiert eine weitere für Veranstaltungen wichtige Verwertungsgesellschaft, nämlich die GVL. Die GVL ist die urheberrechtliche Vertretung der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller. Ihre Träger sind die Deutsche Orchestervereinigung e.V. (DOV) und der Bundesverband Musikindustrie e.V. Ausübende Künstler sind Musiker, Sänger, Tänzer, Schauspieler und alle sonstigen Werkinterpreten. Tonträgerhersteller sind Schallplattenbzw. CD-Firmen und sonstige Tonträger-Produzenten mit eigenem Label. Die GVL nimmt die sog. Zweitverwertungsrechte für die Künstler und die Hersteller wahr. Sie zieht hierfür auf der Basis der von ihr aufgestellten Tarife und abgeschlossenen Verträge die Vergütungen ein und verteilt sie an ihre Berechtigten. Es handelt sich dabei um die gesetzlichen Vergütungsansprüche – gegen Hörfunk- und Fernsehsender für die Verwendung erschienener Tonträger in ihren Programmen, – gegen Kabelbetreiber für die Einspeisung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen ins Kabelnetz, – gegen Diskotheken, Gaststätten, Hotels etc. für die öffentliche Wiedergabe von Tonträgern und von Radio- und Fernsehsendungen, – gegen die Hersteller von Aufnahmegeräten und Leermedien für die private Überspielung von Tonträgern und Videokassetten sowie von Radio- und Fernsehsendungen, – gegen die Videotheken für die Vermietung von Bildtonträgern und Tonträgern (Vermieterlaubnis durch den Hersteller vorausgesetzt), 407
1051a
Teil H
Event und Medien
– gegen die öffentliche Hand für den Verleih von Tonträgern und Bildtonträgern in öffentlichen Bibliotheken, – gegen die Schulbuchverleger für die Aufnahme von Titeln aus erschienenen Tonträgern in Sammlungen für den Schul- und Unterrichtsgebrauch, – in anderen Fällen der Zweitverwertung von künstlerischen Darbietungen und erschienenen Tonträgern. 1051b
Den Tonträgern stehen bei der GVL Musikvideos gleich. Vielen Veranstaltern wird die GVL kein Begriff sein. Dies liegt an einem einfachen Grund, bei der öffentlichen Wiedergabe führt die GEMA (die urheberrechtliche Vertretung der Komponisten, Texter und Musikverlage, siehe oben Ziffer 2) das Inkasso für die GVL mit durch.40 Dies bedeutet, dass der Veranstalter seine musikalischen Veranstaltungsbestandteile nicht separat bei zwei Verwertungsgesellschaften anmelden muss, sondern die Anmeldung bei der GEMA reicht aus. Die von der GEMA aufgestellten Tarife werden bei Tonträgerwiedergabe um 20 % für die GVL-Abgabe erhöht, bei der Wiedergabe von Rundfunksendungen sind es 26 % GVL-Anteil.
1051c
Bei der privaten Überspielung tritt gegenüber der Industrie die ZPÜ (Zentralstelle für private Überspielungsrechte) als Zusammenschluss aller urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften auf.Kabelrechte, Vermietung und Verleih werden von der GVL im Verbund mit anderen Verwertungsgesellschaften wahrgenommen. Die Verteilung der eingezogenen Vergütungen an die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller obliegt der GVL. Die Verteilungsgrundsätze sind im Gesellschaftsvertrag festgelegt, die Verteilungspläne im Einzelnen werden jährlich vom Beirat beschlossen. Bis zu 5 % des jährlichen Verteilungsvolumens stehen für kulturelle Förderungsmaßnahmen und soziale Zwecke nach den vom Beirat verabschiedeten Richtlinien zur Verfügung. Checkliste Musik bei Veranstaltungen Verwertungsgesellschaften: fi GEMA = Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte fi GVL = Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten Alle öffentlichen Veranstaltungen auf denen GEMA/GVL-pflichtige Live- und/ oder Konserven-Musik gespielt wird, sind anmeldepflichtig. Ausnahmen: fi Keine öffentliche Veranstaltung (ein inneres Band verbindet alle Veranstaltungsteilnehmer) fi Musiker und gespielte Titel sind nicht bei der GEMA angemeldet fi Komponist/Musiker ist 70 Jahre tot (Beispiel: Klassik) Bei Verstoß: Kontrollzuschlag 100 % der regulären Gebühren
40 Scholz, GEMA, GVL & KSK, S. 104.
408
III. Event und Wettbewerbsrecht
Teil H
III. Event und Wettbewerbsrecht Beispiel Die Eventagentur von I. Wendt entwickelt sich soweit gut. Wenn nur der Ärger mit einem Konkurrenten nicht wäre. Offensichtlich übernimmt dieser laufend die Marketingkonzepte von I. Wendt. Angefangen bei der Preisdifferenzierung über bestimmte Werbemaßnahmen bis hin zu Sonderaktionen werden die Marketingmaßnahmen von I. Wendt inhaltsgleich nachgeahmt. Die Aktionen des Konkurrenten kommen Herrn Wendt – insbesondere weil sie immer Zeit versetzt zwei Wochen nach der eigenen Kampagne beginnen – bekannt vor. Inwieweit muss Herr Wendt solche „Geistesdiebstähle“ hinnehmen?
Hier wird das Problem des irregulären Wettbewerbs angesprochen. Sie können an der entsprechenden Rechtslage nicht nur das Verhalten Ihrer Konkurrenten sondern auch Ihr eigenes Verhalten in Fragen des Wettbewerbs überprüfen.
1052
Seit dem 8.7.2004 gilt das umfassend geänderte Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Im § 1 dieses Gesetzes heißt es zum Zweck: § 1 Zweck des Gesetzes Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
Das UWG, einige Spezialgesetze und die Rechtsprechung haben festgelegt, was unter „unlauterem Wettbewerb“ zu verstehen ist. Im § 3 UWG heißt es:
1053
§ 3 Verbot unlauteren Wettbewerbs Unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, sind unzulässig.
Einige wichtige Bestimmungen sollen im Folgenden dargestellt werden.
1. Schutz von Namen und Bezeichnungen In dem Eingangsfall wird I. Wendt in der Praxis kaum Möglichkeiten haben, gegen seinen Konkurrenten vorzugehen. Anders als im Urheberrecht gilt im Wettbewerbsrecht der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit. Die Nachahmung sonderrechtlich nicht geschützter fremder Leistungen ist im Interesse des wirtschaftlichen Fortschritts erlaubt.
1054
Die folgenden gewerblichen Schutzrechte, die eine Nachahmung durch andere als den Rechteinhaber verhindern sollen, kennt das deutsche Recht: – Patente, geregelt im Patentgesetz (PatG) – Gebrauchsmuster, geregelt im Gebrauchsmustergesetz (GebrMG) – Geschmacksmuster, geregelt im Geschmacksmustergesetz (GeschmMG) – Marken, geregelt im Markengesetz (MarkenG)
1055
Das Patent gehört zu den technischen Schutzrechten und schützt eine neue technische Konstruktion, die Lösung eines technischen Problems oder eine
1056
409
Teil H
Event und Medien
sonstige erfinderische Leistung. Eine Patentanmeldung muss verschiedene Bestandteile aufweisen: – einen Antrag auf Erteilung eines Patentes, in dem die jeweilige Erfindung kurz, aber genau bezeichnet werden muss, – einen oder mehrere Patentansprüche, in denen angegeben ist, was unter Patentschutz gestellt werden soll, – eine Beschreibung der Erfindung. Im Eventbereich könnte beispielsweise eine neuartige Projektorart zur Erzeugung von dreidimensionalen Hologrammen patentfähig sein. Die maximale Schutzdauer eines Patents beträgt 20 Jahre. 1057
Ein Gebrauchsmuster schützt Arbeitsgerätschaften und Gebrauchsgegenstände, die eine erfinderische Lösung aufweisen. Deshalb wird das Gebrauchsmuster auch als kleines Patentrecht betitelt. Eine technische Erfindung kann sowohl als Patent als auch als Gebrauchsmuster geschützt werden. Im Unterschied zum Patent können aber als Gebrauchsmuster nur Erzeugnisse geschützt werden, keine Verfahren. Die maximale Schutzdauer für ein Gebrauchsmuster beträgt 10 Jahre.
1058
Das Geschmacksmuster regelt den Schutz der gewerblich verwertbaren Muster und Modelle im Bereich der industriellen Formgebung. Hierzu gehören beispielsweise Textilmuster wie der „Burberry-Check“ und diverse Formen des Industriedesigns. Hier geht der Schutz in Zielrichtung Form- und Farbgebung und nicht in Richtung technische Lösung. Im Eventbereich könnte beispielsweise die spezielle Optik eines Messestandes geschmacksmusterfähig sein, wenn sie als neu und eigentümlich (von besonderer Eigenart) beschaffen ist. Der Schutzzeitraum beträgt maximal 20 Jahre.
1059
Über eine Marke oder ein Warenzeichen können geschäftliche Bezeichnungen wie Unternehmenskennzeichen und Werktitel geschützt werden. Eintragungsfähig sind Zeichen jeglicher Art, die geeignet sind, Waren und Dienstleistungen zu unterscheiden und grafisch darstellbar sind. In diesem Rahmen ist es möglich Buchstabenkombinationen, originäre Wortkreationen und Logos jeder Art Markengeltung zu verschaffen (zB AEG, Pentium, kogag etc.). Aber auch Veranstaltungsbezeichnungen können markenfähig sein (zB Düsseldorfer Mediennacht, Rock the Race, Rosenmondnacht, Närrisches Bermudadreieck41, Miss Continental42).
1060
Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster und Marken dienen dazu, dem Erfinder/Schöpfer für seine gewerblich verwertbare Erfindung zumindest für eine gewisse Zeit eine Monopolstellung zu geben und damit sein geistiges Eigentum zu schützen. Im Bereich des Veranstaltungsrechts ist der gewerbliche Schutz von Patenten, Gebrauchs- und Geschmacksmustern von nachrangiger Bedeutung. Interessant ist aber der Schutz von Namen und Marken. 41 OLG Koblenz v. 17.11.2005 – 6 U 407/05, OLGReport 2006, 595. 42 KG Berlin v. 16.4.2004 – 5 U 391/03.
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III. Event und Wettbewerbsrecht
Teil H
Der Name ist gemäß § 12 BGB und § 5 MarkenG im Geschäftsverkehr geschützt. Dabei dient § 12 BGB zur Kennzeichnung oder Individualisierung von Personen, unabhängig von deren Tätigkeit, während § 5 MarkenG die Verwendung des Namens im geschäftlichen Verkehr voraus setzt.43
1061
Beispiel Das Namensrecht einer Opernsängerin ist nach Ansicht des OLG Frankfurt am Main nicht verletzt, wenn ihr Name bereits während der Vertragsverhandlungen in eine mit dem Vermerk „Änderungen vorbehalten“ versehene Besetzungsliste eines Werbeprospekts für Reisen zum Besuch der Opernaufführung aufgenommen und dieser Prospekt auch noch nach dem Scheitern der Verhandlungen verteilt wird.44
Die Voraussetzungen für einen Namensschutz sind: – Unterscheidungskraft bezogen auf natürliche Personen, juristische Personen oder gleichgestellte Personengesellschaften; – Namensfunktion, entweder von Hause aus oder kraft Verkehrsgeltung; – Wortzeichen; allerdings wenden die Gerichte § 12 BGB entsprechend auf Nichtwortzeichen an, falls diese im Verkehr als Name gewertet werden (zB das Rote Kreuz Zeichen).
1062
Nach dem BGH liegt namensmäßige Unterscheidungskraft dann vor, wenn die Bezeichnung unterscheidungskräftig und geeignet ist, bei der Verwendung im geschäftlichen Verkehr ohne weiteres als Name des Unternehmens zu wirken. Maßgebend ist insoweit die Verkehrsauffassung, die sich ihrerseits in erster Linie am Charakter der Bezeichnung als Personenname, Sachangabe u.s.w., und wenn es an einem solchen fehlt, daran orientiert, ob sich üblicherweise Unternehmen im Handelsverkehr in derartiger Weise namensmäßig zu bezeichnen pflegen. Soweit es sich dabei um aus sich heraus nicht verständliche Buchstabenzusammenstellungen handelt, ist in der Rechtsprechung anerkannt worden, dass solche, wenn sie kein aussprechbares Wort ergeben, regelmäßig nicht ohne weiteres als Unternehmensname wirken und daher zur Erlangung des Firmenschutzes der Verkehrsdurchsetzung bedürfen.45 Bezeichnungen, die von Hause aus keine namensmäßige Unterscheidungskraft aufweisen, können diese erwerben, indem sie sich im Verkehr durchsetzen. Dies können auch Buchstabenkombinationen sein.46
1063
Beispiel Die Firmenschlagwort- bzw. Geschäftsbezeichnung „Arena“ für einen Veranstalter von unterhaltenden und kulturellen Veranstaltungen in einer Großveranstaltungshalle ist nach Ansicht des Berliner Kammergerichts kennzeichenrechtlich ohne Verkehrsgeltung nicht schutzfähig. Die Internet-Domain „arena-berlin.de“ eines solchen Veranstalters kann als Geschäftsbezeichnung einen kennzeichenrechtlichen Schutz begründen.47
43 44 45 46 47
Ilzhöfer, Patent-, Marken- und Urheberrecht, Rz. 87. OLG Frankfurt v. 15.9.1998 – 6 W 124/98, OLGReport 1999, 38. BGH v. 17.1.1985 – I ZR 172/82, GRUR 1985, 462. BGH v. 7.3.1979 – I ZR 45/77, NJW 1979, 2311 = GRUR 1979, 470 mit Anmerkung. KG Berlin v. 4.4.2003 – 5 U 335/02.
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Teil H 1064
Event und Medien
Der Namensschutz entsteht: – bei bürgerlichen Namen kraft Gesetzes; – bei Wahlnamen durch Aufnahme der Benutzung im Inland; bei Bezeichnungen, die von Hause aus namensmäßige Unterscheidungskraft aufweisen (zB EvilVents); – bei Wahlnamen durch Aufnahme der Benutzung im Inland; bei Bezeichnungen, die von Hause aus keine namensmäßige Unterscheidungskraft (zB AEG) aufweisen, bei Verkehrsgeltung. Beispiel Um Namens- bzw. Titelschutz ging es auch in dem Rechtsstreit, den das Nachrichtenmagazin Focus und der Automobilhersteller Ford führten. Ford wollte seinen neuen Mittelklassewagen Ford Focus nennen. Daraufhin klagte das Nachrichtenmagazin auf Unterlassung dieser Typenbezeichnung wegen der Kundenassoziation mit dem Magazin. Focus entschied den Prozess für sich und Ford musste – um die Typenbezeichnung beibehalten zu können – eine nicht bekannte Summe an das Magazin zahlen.
" Praxistipp: Als erstes sollte der Gründer einer neuen Eventagentur bei der
ortsansässigen IHK anfragen, ob der gewählte Firmenname für die jeweilige Sparte noch frei ist oder ob die Gefahr einer Verwechslung besteht. Diese Auskunft ist kostenlos. Wenn der Firmengründer Visionen hat und sich eine Verbreitung seiner Agentur überregional, national oder auch international vorstellen kann, bietet sich eine Marken-Recherche an. Verschiedene Anbieter und Verlage bieten einen großen Pool an Recherchemöglichkeiten an. Zu nennen sind hier, – Markenidentitäts-Recherche – Markeninhaber-Recherche – Markenähnlichkeits-Recherche – Firmennamen-Recherche – Wortmarken-Recherche – Bildmarken-Recherche – Titelschutz-Recherche – Domainnamen-Recherche – Recherche nach Slogans/Claims Alle Recherchen können üblicherweise in Bezug auf den deutschsprachigen Raum oder das Ausland erfolgen. Wer sich unsicher fühlt, ob der Schutz der intendierten Marke erfolgversprechend ist oder wirtschaftlich Sinn macht, sollte einen spezialisierten Rechtsanwalt hinzuziehen.
1065
Die Firma ist gemäß §§ 17 ff. HGB der Handelsname des Kaufmanns. Durch die Firma soll sich der Kaufmann mit seinem Unternehmen von anderen unterscheiden können.48 Jeder Kaufmann hat also ein Recht darauf, dass sein Name nicht von einem Konkurrenten oder jemand anderem, der von diesem Ruf pro48 Siehe dazu auch Rz. 554 ff.
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III. Event und Wettbewerbsrecht
Teil H
fitieren will, kopiert wird. Jedes neue Unternehmen muss sich deshalb vor Ort erkundigen, ob der geplante Name bereits existiert. Trifft dies zu, muss ein Name gefunden werden, der sich davon deutlich unterscheidet. Der registerrechtliche Schutz der Firma ist in § 37 HGB geregelt. Das Registergericht fordert von Amts wegen denjenigen, der unzulässig eine Firma benutzt, auf, dies zu unterlassen. Als Druckmittel kann für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, § 37 Abs. 1 HGB. Ein firmeneigener Unterlassungsanspruch gegen den Namensrechteverletzer ergibt sich auch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 HGB. Neben diesem Anspruch kann die betroffene Firma möglicherweise zusätzlich Ansprüche auf Schadensersatz aus anderen Normen ableiten, § 37 Abs. 2 Satz 2 HGB.
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Der sachliche Schutz der Firma erfolgt wiederum über § 12 BGB und §§ 5, 15 MarkenG.
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Eine Idee als solche ist nicht schutzfähig. Allerdings regelt das Markengesetz (MarkenG) den Schutz von – Marken, – geschäftlichen Bezeichnungen und – geographischen Herkunftsangaben, § 1 MarkenG.
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Zu den geschäftlichen Bezeichnungen werden Unternehmenskennzeichen und Werktitel gerechnet, § 5 MarkenG. Schutz genießt eine Idee nach dem MarkenG allerdings erst, wenn sie als Format oder Konzept verwirklicht wurde bzw. wenn man mit dem Konzept nach außen wahrnehmbar gearbeitet hat.
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Nach § 4 MarkenG entsteht Markenschutz: – durch Eintragung des Zeichens in das Markenregister beim Deutschen Patentamt; – bei Benutzung des Zeichens zu dem Zeitpunkt, an dem das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erlangt hat; – bei notorischer Bekanntheit des Zeichens zu dem Zeitpunkt, zu dem das Zeichen nach allgemeiner Kenntnis der beteiligten inländischen Verkehrskreise als Marke für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird.
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Wenn mehrere Kennzeichen aufeinandertreffen, richtet sich der Vorrang der Rechte nach Zeitrang oder Priorität der Kennzeichen, § 6 MarkenG. Man bestimmt den Zeitrang: – bei eingetragenen Marken nach dem Anmeldetag oder Prioritätstag und – bei nicht eingetragenen Marken nach dem Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme einer unterscheidungskräftigen Bezeichnung, sonst ab Erreichen der Verkehrsgeltung.
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Beispiel In diesem Zusammenhang hat das Landgericht Düsseldorf entschieden, dass die Düsseldorfer Messe das m2-Logo nicht mehr verwenden darf. Ein Kölner Messebau-Unternehmen hatte geklagt, weil es bereits seit 1994 unter „m2 Messebau GmbH & Co. KG“ im Handelsregister eingetragen war. Konsequenz der Entscheidung des Gerichtes war es,
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Teil H
Event und Medien
dass die Messeverantwortlichen ca. 800 000 Euro für die entsprechende Änderung aller Unterlagen und Werbeträger hätten ausgeben müssen. Die Parteien einigten sich vergleichsweise auf die Entfernung der hochgestellten 2 aus dem Messelogo. Um Urheberund Nutzungsrechte ging es auch in einem Rechtsstreit um das Logo der Düsseldorfer „Jazz Rally“, ein Saxophon spielendes Krokodil. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte den Rally-Veranstalter wegen ungerechtfertigter Nutzung im Jahr 1996 zur Zahlung von 12 500 DM (ca. 6 400 Euro) an den alleinigen Inhaber der Nutzungsrechte. Dieser hatte 28 750 DM (ca. 14 700 Euro) Schadensersatz gefordert. Mittlerweile hat die „Jazz Rally“ ein eigenes Krokodil mit Saxophon entwerfen und dieses beim Deutschen Patentamt als Marke eintragen lassen.
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Eine Markenanmeldung gestaltet sich recht unkompliziert und die Marke genießt nach Eintragung zehn Jahre lang Schutz, § 47 Abs. 1 MarkenG. Dieser Schutzzeitraum kann um jeweils weitere zehn Jahre verlängert werden (vgl. § 47 Abs. 2 MarkenG). Eine Markenanmeldung für drei Klassen beim Deutschen Marken- und Patentamt49 kostete im Jahr 2008 300 Euro. Bei einem Antrag auf beschleunigte Prüfung kamen noch 200 Euro hinzu. Entsprechende Anmeldeformulare können auf der Homepage des Deutschen Marken- und Patentamtes unter www.patent-undmarkenamt.de heruntergeladen werden. Der Schutzzeitraum beginnt nach Eintragung der Marke rückwirkend mit dem Anmeldetag.
" Praxistipp: Die Eintragung einer Marke kann erhebliche Zeit in Anspruch
nehmen, da das Deutsche Patent- und Markenamt in München aufgrund einer Flut von Anträgen stark überlastet ist. Hier kann es aus Beschleunigungsgesichtspunkten Sinn machen, die Dienststelle Jena, Goethestraße 1, 07743 Jena für den Antrag zu wählen.
1073
Für geplante Veranstaltungen (zB Rock am Ring, Rock the Race) kann in einem Fachorgan wie dem Titelschutzanzeiger50 oder ähnlichen Publikationsorganen51 der sog. Titelschutz beantragt werden. Der vorläufige Schutz eines Titels kann für die Dauer von sechs Monaten durch Publikation in einem der Fachorgane erworben werden.52
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Man kann sich auch ein Logo schützen lassen, damit es nicht von der Konkurrenz übernommen wird. Ein Titel oder ein Logo oder eine bestimmte Gestaltung kann als Bildmarke oder Wort-/Bildmarke gegen Gebühr in das Markenregister beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen werden.53
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Verletzungen eines bestehenden Markenschutzes können Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche auslösen (§ 15 Abs. 4 und 5 MarkenG). Zusätzlich besteht eine strafrechtliche Komponente, vgl. § 143 MarkenG. 49 Deutsches Patent- und Markenamt, 80297 München. 50 Der Titelschutzanzeiger, Presse Fachverlag GmbH, Nebendahlstraße 16, 20041 Hamburg. 51 ZB B.I.S, Business Information Service, Am Schäfersberg 7, 51580 Reichshof, BPV Medien Vertrieb GmbH & Co. KG, Römerstraße 90, 79618 Rheinfelden; Titelschutz JOURNAL, rundy media GmbH, Am Glockenturm 6, 63814 Mainaschaff; text intern, Text Verlag GmbH, Postfach 10 61 24, 20042 Hamburg. 52 OLG Hamburg v. 28.9.1995 – 3 U 170/95, NJW-RR 1996, 879. 53 Siehe zur Markeneintragung auch Praxistipp unter Rz. 1064 ff.
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III. Event und Wettbewerbsrecht
Teil H
Sinnvoll ist in jedem Fall auch eine DENIC-Anfrage, ob die dem Firmennamen oder der Marke entsprechende Internetadresse (zB evilvents. de) noch frei ist. Einstweilen frei.
1076
1077, 1078
Die DENIC eG ist eine eingetragene Genossenschaft. Sie wurde am 17. Dezember 1996 gegründet und am 29. September 1997 ins Genossenschaftsregister eingetragen. Die Mitglieder der DENIC eG sind Internet Service Provider (ISP), die ihren Kunden lokale Zugänge zum Internet zur Verfügung stellen.
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Zu den Aufgaben der DENIC eG gehören: – Betrieb des Primary-Nameservers für die Toplevel-Domain DE – Bundesweit zentrale Registrierung von Domains unterhalb der Top Level Domain DE – Administration des Internet in Zusammenarbeit mit internationalen Gremien – Bereitstellung verschiedener Datenbankdienste – Bereitstellung verschiedener Informationen, insbesondere zu rechtlichen Fragen bei der Domainregistrierung und -verwaltung
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Ist die gewünschte Domain besetzt und man ist der Auffassung, dass einem ein älteres oder besseres Recht (zB Firmenname, Marke etc.) an der Domain als dem aktuellen Domaininhaber zusteht, kann man einen sog. Dispute-Eintrag stellen. Dieser Eintrag bewirkt vor allem, dass der Domaininhaber die Domain nicht auf einen Dritten übertragen kann und verhindert somit, dass er sich der Auseinandersetzung mit Ihnen entzieht. Allein eine Übertragung der Domain auf den Disputesteller bleibt möglich. Außerdem gewährleistet der eingerichtete Dispute-Eintrag, dass man automatisch neuer Domaininhaber wird, wenn der bisherige Domaininhaber die Domain freigibt. Damit trägt die DENIC insbesondere der Tatsache Rechnung, dass manche Gerichte sich weigern, den Domaininhaber zur Übertragung der streitgegenständlichen Domain zu verurteilen, und ihn stattdessen lediglich zur Freigabe verpflichten. Die Freigabe einer Domain kann außer durch eine Freigabeklage auch durch außergerichtliche Verhandlungen erreicht werden.
1081
" Praxistipp: Eine einprägsame Internetadresse in Verbindung mit einem
guten Homepageauftritt ist für die Agenturpräsentation heutzutage fast unerlässlich. Eine Domainanfrage kann online kostenlos unter http://www. denic.de durchgeführt werden.
2. Werbung und Wettbewerb Beispiel Der Konkurrent von I. Wendt kopiert nicht nur einen Großteil seiner Ideen, sondern scheut auch nicht davor zurück, in seiner Werbung darauf hinzuweisen, dass seine Veranstaltungsagentur schneller, besser und professioneller arbeitet als die von Herrn Wendt. Was kann I. Wendt unternehmen?
Werbung ist in der Lage, dem Anbieter Vorteile zu verschaffen. Da sie sich im Wettbewerb durchsetzen muss, ist die Gefahr der Anwendung unfairer Metho415
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Teil H
Event und Medien
den groß, die dann vorübergehend unangemessene Vorteile verschaffen und den Konkurrenten direkt schädigen können. Als unlauterer Wettbewerb wird zB das Anlocken von Kunden durch sog. Lockvogelangebote angesehen. 1083
Ein Lockvogelangebot ist gegeben, wenn Werbung mit preiswerten Waren gemacht wird, diese aber nur in viel zu geringen Mengen bereitgehalten werden.54 Hier wird dem Unternehmer der Vorwurf gemacht, dass er das verlockende Angebot nur deswegen bewirbt, um die Kunden mit der Hoffnung zum Betreten seines Ladens zu animieren, dass diese auch andere Produkte kaufen, wenn das gewünschte Angebot bereits ausverkauft ist.55
1084
Im obigen Praxisfall handelt es sich offensichtlich um vergleichende Werbung, die früher ausdrücklich verboten war und heute in § 6 UWG geregelt ist. Gemäß § 6 Abs. 1 UWG ist vergleichende Werbung „… jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar mindestens einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht“.
Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen einer Angleichung an EU-Recht entschieden, dass vergleichende Werbung dann zulässig ist, wenn sie nicht irreführend ist, nachprüfbare und typische Eigenschaften miteinander verglichen werden und der Mitbewerber nicht herabgesetzt oder verunglimpft wird.56 Nur wesentliche und objektiv nachprüfbare Eigenschaften sind daher im Rahmen von Werbung vergleichbar. Beispiel Um vergleichende Werbung ging es auch bei einer Entscheidung Landgerichts München aus dem Jahre 2002.57 Das Gericht verbot dem Stern in einer Werbeanzeige mit einer Dogge zu werben, die neben zwei wesentlich kleineren Hunden sitzt, die die Mitbewerber „Spiegel“ und „Focus“ darstellen sollten. Das Gericht ging in seinem Beschuss davon aus, dass diese Art der Werbung das Maß erlaubter Ironie überschritten habe.
1085
Zu Grenzfällen gibt es zahlreiche Urteile. Grundtatbestände hat der Gesetzgeber im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und in der Preisangabenverordnung (PAngV) definiert.
1086
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb definiert in § 4 UWG als Beispiele für unlauteren Wettbewerb: – Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen; – Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, die geschäftliche Unerfahrenheit insbesondere von Kindern oder Jugendlichen, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen; 54 55 56 57
Baumbach/Hefermehl, UWG, § 3 UWG Rz. 284 f. BGH v. 17.9.1969 – I ZR 35/68 – Lockvogel, NJW 1969, 2143 = GRUR 1970, 33. BGH v. 23.4.1998 – I ZR 2/96, MJW 1998, 3561 = MDR 1999, 176 = GRUR 1999, 69. LG München v. 23.4.2002 – 7 O 3275/02.
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III. Event und Wettbewerbsrecht
Teil H
– die Verschleierung des Werbecharakters von Wettbewerbshandlungen; – Unklarheiten im Zusammenhang mit Bedingungen bei der Inanspruchnahme von Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken; – Unklarheiten im Zusammenhang mit den Teilnahmebedingungen bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter; – die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, es sei denn, das Preisausschreiben oder Gewinnspiel ist naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden; – die Herabsetzung oder Verunglimpfung von Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnissen eines Mitbewerbers; – die Behauptung oder Verbreitung von Tatsachen über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; – das Anbieten von Waren oder Dienstleistungen, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeigeführt wird, die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausgenutzt oder beeinträchtigt wird oder die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt wurden; – die gezielte Behinderung von Mitbewerbern; – die Verletzung von gesetzlichen Vorschriften, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. In § 5 UWG wird die sog. irreführende Werbung angesprochen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbung irreführend ist, sollen alle ihre Bestandteile berücksichtigt werden, insbesondere in ihr enthaltene Angaben über: – Merkmale der Waren oder Dienstleistungen wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Zusammensetzung, Verfahren und Zeitpunkt der Herstellung oder Erbringung, die Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, die geographische oder betriebliche Herkunft oder die von der Verwendung zu erwartenden Ergebnisse oder die Ergebnisse und wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen; – der Anlass des Verkaufs und der Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, und die Bedingungen, unter denen die Waren geliefert oder die Dienstleistungen erbracht werden; – die geschäftlichen Verhältnisse, insbesondere die Art, die Eigenschaften und die Rechte des Werbenden, wie seine Identität und sein Vermögen, seine geistigen Eigentumsrechte, seine Befähigung oder seine Auszeichnungen oder Ehrungen. 417
Teil H
Event und Medien
Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sollen insbesondere deren Bedeutung für die Entscheidung zum Vertragsschluss nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung berücksichtigt werden. Beispiele Eine Werbung für ein Ballett, das nicht das Original Bolshoi Ballett ist, aber auf den Werbeplakaten für die Veranstaltung so bezeichnet wird, ist eine irreführende Angabe iSd. UWG und damit wettbewerbswidrig.58 Irreführend wirbt nach Ansicht des Berliner Kammergerichts auch, wer durch die Weiterführung einer Bezeichnung für eine Veranstaltung eine Kontinuität vortäuscht, die in Wirklichkeit nicht besteht. Zwar wird die Person des Veranstalters einer „Oldie-Nacht“ die Fans nicht interessieren, doch ist auch für sie von Interesse, ob es sich um eine eingeführte Veranstaltung handelt. Damit hat die Irreführung die erforderliche wettbewerbliche Relevanz.59
Angaben im obigen Sinne sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen. Nach § 5 Abs. 4 UWG wird beispielsweise vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Es wird auch als irreführend eingestuft, für eine Ware oder Dienstleistung zu werben, die unter Berücksichtigung der Art der Ware oder Dienstleistung sowie der Gestaltung und Verbreitung der Werbung nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorgehalten ist. Neben § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG der Irreführung bei der Preisangabe oder den mit dem Preis verknüpften Bedingungen untersagt und § 5 Abs. 4 UWG, der eine nur unangemessen kurzfristige Preisreduzierung verbietet, sorgt die sog. Preisangabenverordnung (PAngVO) für Verbraucherschutz. Diese verlangt – dass der Einzelhändler seine Waren mit dem Preis auszeichnet, der einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen ist (sog. Endpreis), – dabei die handelsübliche Gütebezeichnung (zB „Reine Baumwolle“, „Echt Leder“) – und die Verkaufs- oder Leistungseinheit (zB Stück, Paar, Pfund, Kilo, Liter) angibt (§ 1 Abs. 1 PAngVO). Für Veranstaltungen bedeutet das, dass sämtliche Preise für Speisen und Getränke gut sichtbar für die Gäste angeschrieben werden. 1088
Das nicht mehr zeitgemäße Rabattgesetz und die Zugabeverordnung sind im Jahr 2001 abgeschafft worden. Grund für die Abschaffung war ua. auch die Benachteiligung Deutschland beim Wettbewerb mit anderen EU-Staaten. Mit der 58 OLG Hamm v. 3.6.2005 – 4 U 6/05, OLGReport 2005, 446 f. 59 KG Berlin v. 27.2.2001 – 5 U 7362/99.
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III. Event und Wettbewerbsrecht
Teil H
Novelle des UWG wurden auch Sonderveranstaltungen, Räumungsverkäufe und Schlussverkäufe abgeschafft. Die schwierige Abgrenzung zwischen den an spezielle Voraussetzungen geknüpften zulässigen Schlussverkäufen und den unzulässigen Sonderverkäufen entfällt daher zukünftig. Die Beschränkung von Rabattaktionen auf Einzelstücke entfällt ebenfalls. Es wird Händlern nunmehr erlaubt sein auch befristete Rabatte auf das gesamte Sortiment zu gewähren. Begrenzt werden Sonderveranstaltungen vor allem durch die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Regelungen. So etwa unter dem Gesichtspunkt der Irreführung (§ 5 UWG), wenn der angebliche Schlussverkauf tatsächlich keiner ist oder die versprochenen Schnäppchen nicht in ausreichender Anzahl vorrätig sind. Dieses betrifft nicht nur den Einzelhandel. Auch Online-Shops müssen Sonderangebote in ausreichender Menge vorrätig haben.60 Schließlich wird es auch weiterhin unzulässige Rabattaktionen geben, wenn die Angebote derart günstig sind, dass die Aktion als übertriebenes Anlocken zu werten ist oder den Konkurrenten gezielt Schaden zugefügt werden soll. Es bleibt abzuwarten, wo die Rechtsprechung zukünftig im Einzelfall die Grenzen ziehen wird.
1089
Nach § 7 UWG sind auch unzumutbare Belästigungen eines Marktteilnehmers als unlauterer Wettbewerb zu charakterisieren. Eine unzumutbare Belästigung ist insbesondere anzunehmen, – bei einer Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der Empfänger diese Werbung nicht wünscht; – bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung oder gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung; – bei einer Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten oder elektronischer Post, ohne dass eine Einwilligung der Adressaten vorliegt (sog. spam mail); – bei einer Werbung mit Nachrichten, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.
1089a
Eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post ist nicht anzunehmen, wenn – ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat, – der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, 60 OLG Hamburg v. 5.6.2003 – 315 O 243/02, n. v.
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Teil H
Event und Medien
– der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und – der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. 1089b
Diese betrifft regelmäßig die sog. Direktwerbung, sie ist nicht an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sondern spricht den einzelnen Kunden direkt „in persona“ an. Zulässige Direktwerbung ist nur über Briefkastenwerbung (es sei denn Aufkleber „Keine Werbung“), Handzettelwerbung und Vertreterbesuche möglich. Unzulässig ist Telefonwerbung, Telefaxwerbung, Ansprechen in der Öffentlichkeit und Werbung mit Gefühlen, wenn das Werbemotiv nicht mit dem beworbenen Produkt zu tun hat. Insbesondere unzulässig ist das Versenden von Spam oder Junk mail. Spam ist die Abkürzung für „Spiced Pork And Meat“ und bezeichnet in Gelee eingelegtes Frühstücksfleisch. Spam bezeichnet jedwede Art von unverlangt zugesandten kommerziellen E-Mails. Nicht zu Spam im rechtlichen Sinne – wenn auch häufig unerwünscht – zählen Werbe-Mails von Unternehmen, mit denen der Empfänger bereits in geschäftlichem Kontakt gestanden hat. In den USA wird inzwischen weit mehr als die Hälfte des E-MailVerkehrs mit unerbetenen Werbe-Nachrichten bestritten. Ähnlich sieht es auch hierzulande aus, wo ein Aufkommen von zum Teil mehreren Hundert SpamMails am Tag in vielen Postfächern keine Seltenheit ist. In Deutschland ist die Versendung derartiger Mail rechtswidrig.
1089c
Bestand noch so etwas wie Rechtsunsicherheit bei der juristischen Beurteilung von E-Mail-Marketing, so ist diese spätestens mit dem Spam-Urteil des Bundesgerichtshofs sowie der Reform des Wettbewerbsrechts (UWG) zum allergrößten Teil vom Tisch. Durch die eindeutige und richtige Festlegung des Gesetzgebers und der Gerichte auf das Opt-In-Prinzip ist die Rechtlage auch für die Betreiber von E-Mail-Marketing nunmehr eindeutig geregelt. Nur wer die elektronische Adresse eines Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat, darf diese Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen nutzen. Dabei ist dem Kunden jederzeit die Möglichkeit zu gewähren, die weitere Nutzung seiner Mail zu untersagen. Die Nachweispflicht für eine solche Erlaubnis trifft nach der Grundsatzentscheidung61 des Bundesgerichtshofs (BGH) den Versender der Werbe-E-Mail.
1089d
Das Versenden von Newslettern an eigene Kunden oder interessierte Käufer gehört zweifellos zu den wirksamsten Mitteln des Online-Marketings. Wer seinen Geschäftspartnern darin interessante Informationen bietet und sie über Neuigkeiten im Unternehmen informiert, erhält und stärkt die Kundenbindung zu einem unvergleichlich günstigen Preis. Die rechtlich einwandfreie Methode ist es, nur denjenigen in den Verteiler aufzunehmen, der den Newsletter auch ange61 BGH v. 11.3.2004 – I ZR 81/01, NJW 2004, 1655 = GRUR 2004, 517.
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III. Event und Wettbewerbsrecht
Teil H
fordert hat. Bei der Anmeldeprozedur sind ebenfalls datenschutzrechtliche Grundsätze zu beachten. So muss der Empfänger über die Speicherung seiner Daten aufgeklärt werden und die Erlaubnis dazu sowie zum Versenden der Mails an ihn ausdrücklich bestätigen. Hierzu empfiehlt es sich, eine Checkbox einzubauen, durch deren Aktivierung der Interessent dies bekräftigt. Um dieser Obliegenheit genügen zu können, empfiehlt es sich, den Nutzer die Anmeldung für einen Newsletter noch einmal ausdrücklich im Rahmen einer zweiten E-Mail bestätigen zu lassen (Double Opt-In). Diese doppelte Absicherung, die den Missbrauch fremder Mail-Adressen verhindern soll, empfehlen beispielsweise der Verband der Deutschen Internetwirtschaft (http://www.eco.de) und der Deutsche Multimedia Verband (http://www.dmmv.de). Kommt es zu einem Verfahren über die Zulässigkeit einer Werbe-Mail, dürfte die in der Praxis häufig verwendete Confirmation-Mail, die dem User lediglich die Anmeldung bestätigt, als Nachweis für eine Anmeldung kaum ausreichen. Zu beachten ist weiterhin, dass die Bestätigungs-E-Mails ihrerseits keine ausufernde Werbung enthalten dürfen, da bereits dies von einigen Gerichten als Spam bewertet worden ist. Zu den Pflichtangaben vgl. auch Kapitelabschnitt 3.3. Das Bundeskabinett hat am 21.5.2008 den Entwurf zu weiteren Änderungen des UWG beschlossen. Das Gesetz gibt den Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Rechtssicherheit, u.a. wird es eine „Schwarze Liste“ von unlauteren Geschäftspraktiken geben. Die Novelle setzt die EU-Richtlinie 2005/29/EG um und baut das hohe Verbraucherschutzniveau im Wettbewerbsrecht aus, das in Deutschland bereits mit der letzten Novelle des UWG im Jahr 2004 geschaffen wurde. Das UWG wird um einen Anhang mit 30 irreführenden und aggressiven geschäftlichen Handlungen ergänzt, die unter allen Umständen verboten sind. Beispiele unzulässiger Handlungen: – die unwahre Behauptung eines Unternehmers, zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodexes zu gehören (Nr. 1 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG-E); – die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, gesetzlich ohnehin bestehende Rechte wie Widerrufs- oder Rücktrittsrechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar (Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG-E); – die unwahre Angabe, der Unternehmer werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen (Nr. 15 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG-E); – die Übermittlung von Werbematerial unter Beifügung einer Zahlungsaufforderung, wenn damit der unzutreffende Eindruck vermittelt wird, die beworbene Ware oder Dienstleistung sei bereits bestellt (Nr. 22 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG-E); Künftig gilt das UWG ausdrücklich auch für das Verhalten der Unternehmen während und nach Vertragsschluss. Bisher bezogen sich die Regelungen des UWG nur auf geschäftliche Handlungen vor Vertragsschluss. Die Informationspflichten werden erweitert: Unternehmen sollen Verbrauchern solche Informationen nicht vorenthalten dürfen, die diese für ihre wirtschaftliche Entschei421
1089e
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Event und Medien
dung benötigen. Ein entsprechender – nicht abschließender – Katalog von Informationsanforderungen soll Transparenz und Rechtssicherheit schaffen. Auch der Schutz bei Auslandsgeschäften wird erweitert. Verbraucher sollen künftig beim Einkauf im Ausland oder über eine ausländische Website vor unlauteren geschäftlichen Handlungen und betrügerischen Unternehmern genauso geschützt werden wie im Inland. Checkliste E-Mail-Marketing fi Nur explizit selbst angeforderte Werbung verschicken fi Anmeldung per E-Mail per „double opt-in“ oder wenigstens „confirmed Optin“ fi Der Empfänger kann sich selbst aus dem Verteiler streichen fi Kündigungsmöglichkeit in jeder Mail fi Verwendung von Adressen nur zum angegebenen Zweck fi Keine Adressweitergabe ohne Zustimmung fi Erläuterung des Umgangs mit personenbezogenen Daten 1090
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen regelt insbesondere kartellrechtliche Beschränkungen des Wettbewerbs und verhindert Monopolbildung sowie Preisabsprachen oder sonstige abgestimmte Verhaltensweisen unter den Marktführern.
1091
Weiterhin existiert eine Preisangabenverordnung. Diese verlangt, – dass der Einzelhändler seine Waren mit dem Preis auszeichnet, – dabei die handelsübliche Gütebezeichnung (zB reine Schurwolle, echtes Leder etc.), – und die Verkaufseinheit (zB Kilo, Stück) angibt.
3. Folgen von Wettbewerbsverstößen 1092
Störer im wettbewerbsrechtlichen Sinne ist der, der die Verletzung selbst und unmittelbar veranlasst, aber auch der, der ein solches Verhalten für sich ausnutzt, soweit er die Möglichkeit hat, dieses Verhalten zu verhindern.
1092a
Verstößt ein Mitbewerber nach Ihrer Meinung gegen Wettbewerbsvorschriften, so kann er gemäß § 8 UWG auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen werden. In der Praxis können Sie ihn auffordern, diesen (tatsächlichen oder nur vermuteten) Wettbewerbsverstoß zu unterlassen und ihn gleichzeitig zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern.62 Konkret schreiben Sie (oder Ihr Rechtsanwalt) Ihrem Mitbewerber, weisen auf den Verstoß hin, verlangen eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklä62 Baumbach/Hefermehl, Einl. UWG, Rz. 269 ff.
422
III. Event und Wettbewerbsrecht
Teil H
rung und fordern einen Kostenersatz. Diese Aufforderung nennt man wettbewerbsrechtliche Abmahnung. Mit dieser wendet sich der in seinen Rechten verletzte Wettbewerbsteilnehmer oder dessen Rechtsanwalt an den verletzenden Konkurrenten, weist auf den Verstoß hin und fordert ihn unter Festlegung einer Vertragsstrafe für den Fall der Wiederholungshandlung (üblich sind 5 100,00 Euro wegen der Zuständigkeit der Landgerichte – Sonderzuständigkeit der Kammern für Handelssachen) auf, eine unterzeichnete Erklärung über die zukünftige Nichtbenutzung eines Namens, eines Arbeitstitels o. ä. abzugeben und fordert einen Kostenersatz. Abmahnungskosten sind nach dem Zweck der Abmahnung Vorbereitungskosten des Klage- und Verfügungsverfahrens.63 Reagiert Ihr Mitbewerber nicht oder verstößt er gegen seine Aussagen in der Unterlassungserklärung, hat er mit einer Vertragsstrafe und mit einem gerichtlichen Nachspiel zu rechnen. Abmahnungskosten sind nach dem Zweck der Abmahnung Vorbereitungskosten des Klage- und Verfügungsverfahrens. Die gerichtlichen Möglichkeiten bei einem Wettbewerbsverstoß sind: – die einstweilige Verfügung, – die kombinierte Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzklage.
1092b
Für Ansprüche, die nicht warten können, wie dies oft bei Ansprüchen auf Unterlassung, Duldung oder Herausgabe der Fall ist, wie bei Verletzung eines Vertrages, einer Bezeichnung oder einer Marke (zB Logo) ist ein Klageverfahren zu langsam. In diesen Fällen kann eine einstweilige Verfügung beantragt werden. Das einstweilige Verfügungsverfahren erfordert neben dem Verfügungsanspruch auch einen Verfügungsgrund, der die besondere Eilbedürftigkeit ausmacht. Ein Verfügungsanspruch ist ein nicht auf eine Geldforderung gerichtetes subjektives Recht, dessen Verwirklichung durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung gesichert werden soll. Ein Verfügungsgrund besteht in der Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann. Sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund müssen glaubhaft gemacht werden. Dies geschieht i.d.R. über eine eidesstattliche Versicherung. Da die einstweilige Verfügung nur der kurzfristigen vorübergehenden Sicherung einer Rechtsposition dienen soll, kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch (zB Anwaltskosten, Lizenzgebühr) erst im Wege einer anschließenden Klage geltend gemacht werden. Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine unerlaubte Handlung begeht, ist den Mitbewerbern gemäß § 9 UWG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Beispiel Ein Fall der in Deutschland für Aufsehen sorgte, war die Verhinderung der Verlosung einer Schönheitsoperation in einer Diskothek in Celle. Am 22.11.2008 sollte während einer Diskothekennacht unter 30 Bewerberinnen eine Brustvergrößerung verlost werden. Die 63 Baumbach/Hefermehl, Einl. UWG, Rz. 552 ff.
423
1092c
Teil H
Event und Medien
Veranstaltung wurde unter dem Motto „Kämpfe um Deinen Traum“ beworben. Da Operationen einem grundsätzlichen Werbeverbot unterliegen, mahnte die Wettbewerbszentrale (Einrichtung der deutschen Wirtschaft) den Betreiber der Diskothek sowie die vermittelnde Agentur mit Erfolg ab.64 Die Veranstalter verpflichteten sich zur Unterlassung der fragwürdigen Werbeaktion und setzte stattdessen als Gewinn eine Schönheitsbehandlung im Wert von 3 700 Euro an.
Gibt der Abgemahnte eine Unterlassungserklärung ab und verstößt er nach Abgabe der gegen die dort getätigten Aussagen, so wird die in der strafbewehrten Unterlassungserklärung fixierte Vertragsstrafe als pauschalierter Schadensersatz fällig.65 1093
Ein neues Instrument im Kampf gegen wettbewerbswidrige Praktiken ist die Einführung des sog. Gewinnabschöpfungsanspruchs in § 10 UWG. Wettbewerbsverstöße sollen sich zukünftig betriebswirtschaftlich nicht mehr lohnen. In der Vergangenheit wurde häufig bewusst gegen die Normen des UWG verstoßen, da sich das wettbewerbswidrige Verhalten, auch nach Abzug von Abmahnungs- und Prozesskosten immer noch rechnete und so erhebliche Gewinne erzielt wurden. Bei einem vorsätzlichen Wettbewerbsverstoß kann derjenige, der wettbewerbswidrig gehandelt hat, von Verbänden, IHK, Wettbewerbsund Verbraucherschutzvereinen auf Herausgabe des dadurch erzielten Gewinns in Anspruch genommen werden. Dieser wird dann dem Bundeshaushalt zugeführt. Ursprünglich war vorgesehen, dass auch bei einem grob fahrlässigen Verstoß ein Gewinnabschöpfungsanspruch bestehen sollte. Dies wurde aber nicht umgesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung das Verschuldenserfordernis handhaben wird.
1094
Alternativ zur gerichtlichen Geltendmachung besteht auch die Möglichkeit die Einigungsstelle zur Beilegung von Wettbewerbsstreitigkeiten bei der Industrieund Handelskammer anzurufen (§ 15 UWG).
1094a
Die Einigungsstelle hat die Aufgabe, in Wettbewerbsstreitfällen eine gütliche Einigung anzustreben. Sie soll es ermöglichen, ohne Inanspruchnahme der Gerichte Wettbewerbsstreitigkeiten einfach und kostensparend beizulegen. Die Einigungsstelle ist sachlich für die Behandlung von bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Wettbewerbsrecht (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG) zuständig. Dies gilt stets bei Wettbewerbsverstößen, die den Geschäftsverkehr mit dem Letztverbraucher betreffen. Bei sonstigen Wettbewerbsstreitigkeiten können die Einigungsstellen tätig werden, sofern der Gegner zustimmt (§ 15 Abs. 3 Satz 1 UWG).
1094b
Die örtliche Zuständigkeit ist gegeben, wenn der Antragsgegner im IHK-Bezirk eine gewerbliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat oder die in Streit befindliche Handlung dort begangen wurde (§§ 15 Abs. 4, 14 UWG).
64 NJW Aktuell Heft 48/2008, S. X. 65 Baumbach/Hefermehl, Einl. UWG, Rz. 274 ff.
424
III. Event und Wettbewerbsrecht
Teil H
Die Einigungsstelle ist mit einem Rechtskundigen, der die Befähigung zum Richteramt hat, als Vorsitzender und mit sachverständigen Gewerbetreibenden als Beisitzer besetzt. Die Liste der Vorsitzenden und Beisitzer kann bei der Geschäftsstelle der IHK eingesehen werden. Die Beisitzerliste wird jährlich in den IHK-Mitteilungen veröffentlicht und enthält Gewerbetreibende der verschiedensten Wirtschaftszweige.
1094c
Für die Ausschließung und Ablehnung von Mitgliedern der Einigungsstelle (zB wegen befürchteter Befangenheit) gelten die entsprechenden Bestimmungen der Zivilprozessordnung (vgl. § 15 Abs. 2 UWG iVm. den §§ 41–43 und 44 Abs. 2–4 ZPO).
1094d
Wer ein Verfahren vor der Einigungsstelle einleiten will, hat einen Antrag mit Begründung schriftlich bei der Geschäftsstelle einzureichen oder dort zu Protokoll zu erklären; Urkunden oder sonstige Beweisstücke, die der Begründung des Antrags dienen, sind beizufügen (§ 5 der Verordnung über Einigungsstellen).
1095
Antragsberechtigt sind: – Gewerbetreibende, die Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt anbieten, – Wettbewerbs- und Verbraucherschutzverbände sowie in bestimmten Fällen auch Verbraucher, – Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern. Durch die Anrufung der Einigungsstelle wird die Verjährung des Wettbewerbsverstoßes in gleicher Weise wie durch Klageerhebung unterbrochen (§ 15 Abs. 9 Satz 1 UWG). Während der Anhängigkeit eines Einigungsstellenverfahrens ist Klage auf Feststellung, dass der geltend gemachte Anspruch nicht besteht, unzulässig. (§ 15 Abs. 10 Satz 4 UWG).
1095a
In der Regel wird auf den Antrag hin ein Verhandlungstermin vor der Einigungsstelle anberaumt. Wenn jedoch die Einigungsstelle den geltend gemachten Anspruch von vornherein für unbegründet oder sich für unzuständig erachtet, kann sie die Einleitung von Einigungsverhandlungen ablehnen (§ 15 Abs. 8 UWG).
1095b
Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Bei Vorliegen eines berechtigten Interesses kann jedoch der Vorsitzende Dritten die Anwesenheit gestatten (§ 6 Abs. 1 der VO über Einigungsstellen). Um den vertraulichen Charakter der Verhandlung zu wahren, kann der Vorsitzende allen Teilnehmern die Geheimhaltung von Tatsachen, die ihnen durch das Verfahren bekannt werden, zur Pflicht machen (§ 6 Abs. 3 der Verordnung über Einigungsstellen). Die Beschlüsse der Einigungsstelle werden mit Stimmenmehrheit gefasst. Die Parteien werden von dem Vorsitzenden der Einigungsstelle zur mündlichen Verhandlung geladen. Wettbewerbsstreitfälle sind zumeist eilbedürftig. Daher beträgt die Ladungsfrist zur mündlichen Verhandlung drei Tage. Sie kann von dem Vorsitzenden abgekürzt oder verlängert werden (§ 7 der Verordnung über Einigungsstellen). Die Verhandlung vor der Einigungsstelle sollte – auch wenn persönliches Erscheinen nicht angeordnet ist – von den Parteien persönlich wahrgenommen 425
1095c
Teil H
Event und Medien
werden. Dies ist der Aufklärung des Sachverhalts und einer gütlichen Einigung förderlich. Die Vertretung durch Bevollmächtigte ist grundsätzlich zulässig. Der Bevollmächtigte hat eine schriftliche Vollmacht vorzulegen und muss zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage und zur Abgabe von Erklärungen, insbesondere zum Abschluss eines Vergleichs, ermächtigt sein. Der Vorsitzende der Einigungsstelle kann das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen und durch Ordnungsgelder erzwingen (§ 15 Abs. 5 UWG), es sei denn, ein geeigneter Vertreter ist zum Verhandlungstermin anwesend. Die Einigungsstelle hat einen gütlichen Ausgleich anzustreben. Sie kann im Einzelfall den Parteien auch einen schriftlichen, mit Gründen versehenen Einigungsvorschlag machen (§ 15 Abs. 6 UWG). Kommt eine Einigung zwischen den Parteien vor der Einigungsstelle zustande, dann wird sie in einem schriftlichen Vergleich in einer besonderen Urkunde niedergelegt. In dem Vergleich kann insbesondere vereinbart werden, dass der Antragsgegner für die Zukunft die Unterlassung der beanstandeten Werbung zusichert. Außerdem kann Schadensersatz, die Zahlung eines Ausgleichsbetrages und für zukünftige Zuwiderhandlungen gegen den Vergleich eine Vertragsstrafe vereinbart werden. Aus einem vor der Einigungsstelle geschlossenen Vergleich kann die Zwangsvollstreckung wie aus einem Urteil unter entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung betrieben werden (§ 15 Abs. 7 UWG). Ist eine Einigung nicht erzielbar, stellt die Einigungsstelle dies fest. Es bleibt dann den Parteien überlassen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Für das Verfahren vor der Einigungsstelle werden Gebühren nicht erhoben. Im Übrigen trägt jede Partei die ihr entstandenen Kosten selbst, einschließlich die ihrer Bevollmächtigten (§ 12 Abs. 4 der Verordnung über Einigungsstellen).
" Praxistipp: Das Wettbewerbsrecht ist ein komplizierter und kostenträchti-
ger Bereich. Bevor eine Unterlassungserklärung abgegeben wird oder man selbst eine strafbewehrte Unterlassungserklärung versendet, sollte unbedingt der Rat eines im Wettbewerbsrecht spezialisierten Anwalts eingeholt werden. Ungenauigkeiten und fehlende Erfahrung können im Wettbewerbsrecht enorme Kosten in Form von hohen Gerichts- und Anwaltskosten sowie Vertragsstrafen und Schadensersatzleistungen verursachen. Auch die Vernichtung bereits erstellter Produkte oder Werbemittel ist eine kostspielige und frustrierende Angelegenheit.
IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events 1096
Um auf eine Veranstaltung aufmerksam zu machen, ist Werbung erforderlich. Diese erfolgt entweder über die lokalen Printmedien oder im Rundfunk oder Fernsehen. Auch sog. Werbefahrzeuge werden genutzt, die durch ihr ungewöhnliches Äußeres oder starke Lautsprecher die Aufmerksamkeit von Passanten und Anwohnern auf sich ziehen. Der Veranstalter kann aufgrund seines Hausrechtes bestimmen, ob jemand und wer Fernsehaufnahmen von der Veranstal426
IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
Teil H
tung machen und senden darf, er hat die Vermarktungsrechte. Bei großen LiveKonzerten wird die Dreherlaubnis im Vorfeld stark eingeschränkt. Teilweise sichtet der Veranstalter oder auch der Künstler selber nach der Veranstaltung das vorhandene Film- und Fotomaterial und entscheidet, was davon veröffentlicht werden darf und was vernichtet werden muss. Verschiedene Stars dulden lediglich eigene Kameraleute, um rein positives, teilweise retuschiertes Material in die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Um als Veranstalter die Werbemöglichkeiten in den verschiedenen Medien beurteilen zu können, ist es erforderlich, zu wissen, was rechtlich zulässig bzw. unzulässig ist. Grundsätzlich gilt, dass zwischen der redaktionellen Berichterstattung und der reinen Werbung streng getrennt werden muss. Dadurch soll gewährleistet werden, dass bei Berichterstattungen oder Fernsehsendungen Informationen und Werbeinhalte nicht verquickt und somit die Zuschauer über den Aussagewert der Informationen nicht getäuscht werden.
1097
1. Presserechtliche Schranken Die Pressefreiheit ist grundgesetzlich über Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative GG gewährleistet und reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen.
1098
Unter den Begriff der Presse fallen alle zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse, wie Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Flugblätter, Handzettel, Aufkleber und Plakate44. Die presserechtlichen Fragen sind Ländersache.
1099
Die wichtigste Rechtsgrundlage bildet hierbei das Landespressegesetz des jeweiligen Bundeslandes. Wichtige Regelungen betreffen: – Trennung von redaktionellem Textteil und Anzeigenteil, – Kennzeichnung des werblichen Textes durch das Wort „Anzeige“.
1100
Objektive redaktionelle Berichterstattung über eine Veranstaltung ist zulässig. Wird jedoch ein Entgelt für die Berichterstattung gezahlt, liegt keine objektive Berichterstattung vor, sondern Werbung.
1101
Über Veranstaltungen – auch gesponserte Veranstaltungen – darf ein Fernsehsender berichten, wenn – es sich bei der Veranstaltung um ein bedeutendes Ereignis handelt und ein überwiegendes Programminteresse besteht, – die Unabhängigkeit der Programmgestaltung nicht eingeschränkt wird, – die Berichterstattung im Vordergrund steht, – der Programminhalt nicht mit einem Sponsor identifiziert werden kann, – Hinweise auf Sponsoren nicht das unvermeidliche Maß an Werbung überschreiten,
1101a
Kommt es zu einer Darstellung durch die Medien, hat der persönlich betroffene Veranstalter einen Gegendarstellungsanspruch. Ein solcher besteht, wenn
1102
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Teil H
Event und Medien
1. in einem periodischen Druckwerk oder in einer bestimmten Sendung 2. eine den Anspruchsteller betreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt wurde und 3. der Anspruch nicht mangels berechtigten Interesses oder anderer Gründe ausgeschlossen ist. Dieser Anspruch setzt somit weder eine unwahre, noch eine ehrverletzende Darstellung voraus. Der von der Medienberichterstattung Betroffene kann in diesem Fall verlangen, dass das Medium eine von ihm selbst verfasste Gegendarstellung in gleicher Weise veröffentlicht wie die Erstmitteilung. Beispiel Entgegen den Tatsachen wird in einer Lokalzeitung behauptet, auf einem von I. Wendt veranstalteten Event wäre es bei mehreren Gästen nach Verzehr des Buffets zu schwerwiegenden Salmonellenerkrankungen gekommen. Was kann I. Wendt gegen derartige Pressemeldungen unternehmen?
1103
Dem Verletzten kann auch ein sog. Berichtigungsanspruch zustehen. Dieser setzt voraus, dass 1. eine erweislich unwahre Tatsachenbehauptung aufgestellt worden ist, 2. dadurch eine andauernde rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung ausgelöst wurde und 3. zur Beseitigung dieser eine Berichtigung erforderlich ist.66
1104
Die Berichtigung kann durch Widerruf oder Richtigstellung erfolgen. Darüber hinaus können denjenigen, die durch Pressemeldungen in ihren Rechten verletzt werden, auch Unterlassungs-, Herausgabe- und Schadensersatzansprüche zustehen. Im obigen Fall kann I. Wendt von der Lokalzeitung verlangen, dass diese die abgedruckte Falschmeldung in der nächsten Ausgabe an selber Stelle und in selber Druckgröße widerruft. Des Weiteren kommen Schadensersatzansprüche wegen des verursachten Imageschadens in Betracht. Je nach Einzelfall kommt auch eine Strafanzeige wegen übler Nachrede oder Verleumdung in Betracht, §§ 186 f. StGB.
2. Rundfunk- und fernsehrechtliche Bestimmungen 1105
Die verfassungsrechtliche Grundlage für das Recht auf Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film ist Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 2. und 3. Alternative GG.
1106
Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für Funk und Fernsehen bilden die Landesrundfunkgesetze, der Rundfunkstaatsvertrag sowie der ZDF-Staatsvertrag und der Staatsvertrag für die regionalen Arbeitsgemeinschaften der ARD. Auf Län66 BGH v. 15.11.1994 – VI ZR 56/94 – Caroline von Monaco II, NJW 1995, 861 (863) = GRUR 1995, 224; Paschke, Medienrecht, Rz. 863.
428
IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
Teil H
derebene werden die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages durch entsprechende Ländergesetze näher ausgestaltet (zB für NRW: Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen – LRG NW). Um eine einheitliche Regelung zu erzielen, haben die Bundesländer einen gemeinsamen Rundfunkstaatsvertrag (RfStV) mit letzten Änderungen zum 1.3.2007 geschlossen:
1107
– Werbung muss im Rundfunk durch akustische und im Fernsehen durch optische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt werden, § 7 Abs. 3 Satz 2 RfStV; – die Kennzeichnung der Werbung ist vorgeschrieben (§ 7 Abs. 3 Satz 1 RfStV) entweder durch ein eingespieltes „Jingle„ (Rundfunk) oder durch die Einblendung des Wortes „Werbung“ (Fernsehen); – Werbung oder Werbetreibende dürfen das übrige Programm nicht beeinflussen, § 7 Abs. 2 RfStV; – Fernsehwerbung in Blöcken und zwischen einzelnen Sendungen ist erlaubt. Dieses Blockwerbeangebot soll das Programm von Werbung freihalten und dadurch verhindern, dass das Programm durch zu viele Unterbrechungen auseinandergerissen wird, § 14 Abs. 2 RfStV. Dieser Staatsvertrag wird durch die Gesetze der einzelnen Bundesländer in Landesrecht umgesetzt. Für Nordrhein-Westfalen galt früher insoweit das Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LRG NRW). Seit dem 2.7.2002 wurde dieses Gesetz durch das neue Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen (LMG NRW) abgelöst, um insbesondere den technischen Entwicklungen Rechnung zu tragen und den Anwendungsbereich auf alle Mediendienste zu erweitern. Die Zulassung zur Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk bedarf einer Zulassung durch die Landesanstalt für Medien (LfM), zuvor Landesanstalt für Rundfunk (LfR), § 4 Abs. 1 iVm. §§ 52 ff. LMG NRW. Nach langem Streit um neue Regeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und insbesondere dessen Aktivitäten im Internet haben die Ministerpräsidenten der Länder am 18.12.2008 in Berlin den zwölften Rundfunkstaatsvertrag unterzeichnet. Das Dokument soll den öffentlich-rechtlichen Sendern eine neue Geschäftsgrundlage geben. Dazu fehlt nur noch die Zustimmung der Länderparlamente, dann kann der neue Rundfunkstaatsvertrag zum 1.6.2009 in Kraft treten.
1107a
Mit dem neuen Regelwerk will Deutschland vor allem der Kritik der EU-Kommission am deutschen Rundfunksystem begegnen. Die für den Wettbewerb zuständige EU-Kommissarin hatte ein Missbrauchsverfahren wegen wettbewerbswidriger staatlicher Beihilfen für die Sender gegen die Auflage eingestellt, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein klares Regelwerk zu geben. Nach dem ersten Echo aus Brüssel dürfte dies gelungen sein. Die neuen Regeln betreffen insbesondere die Online-Aktivitäten der Sender. Die von kommerziellen Medienunternehmen besonders gefürchteten presseähnlichen Angebote im Netz sind nun ausschließlich mit direktem Sendungs429
1107b
Teil H
Event und Medien
bezug erlaubt. TV-Sendungen müssen nach einer Frist von 24 Stunden bis 7 Tagen wieder von öffentlich-rechtlichen Websites verschwinden. 1107c
Sämtliche Online-Formate und neue Angebote müssen zudem in einem von den Sendern zu organisierenden Drei-Stufen-Test darauf überprüft werden, ob sie mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag der Sender übereinstimmen. Die Übergangsfrist, bis zu der auch bereits bestehende Angebote den Test absolvieren müssen, wurde von den Ministerpräsidenten auf Ende August 2010 festgesetzt. Die seit Monaten erbittert um Inhalte des Vertragstextes streitenden Parteien sind mit dem schließlich gefundenen Kompromiss nicht hundertprozentig glücklich. Für die Verleger ist der Vertrag ein Schritt in die richtige Richtung. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) begrüßte die Unterzeichnung zumindest insoweit, dass der neue Staatsvertrag eine „staatlich finanzierte Online-Presse“ verhindere. Die ARD bedauerte die Verkürzung der Übergangsfrist für den ohnehin ungeliebten Drei-Stufen-Test bestehender Angebote.
1108
Während die Medien über Großveranstaltungen, insbesondere über Konzerte bekannter Musikinterpreten berichten wollen, haben die privaten Veranstalter (zB weil sie wegen der Rundfunk- oder Fernsehübertragung geringere Besucherzahlen und damit Umsatzeinbußen erwarten oder die Berichterstattung den Ablauf des Konzerts stören kann) an einer Übertragung oft kein Interesse und wollen die Berichterstattung verhindern.67
1109
Die Kurzberichterstattung durch Fernsehveranstalter ist in § 5 des Staatsvertrages über den Rundfunk geregelt. Nach § 5 Abs. 1 des Staatsvertrages wird geregelt, dass das Recht auf unentgeltliche Kurzberichterstattung über Veranstaltungen und Ereignisse, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Informationsinteresse sind, jedem in Europa zugelassenen Fernsehveranstalter zu eigenen Sendezwecken zusteht. Eine entsprechende Anwendung des Staatsvertrages auch auf Tonberichterstattung für den Rundfunk ist angezeigt, weil die Schaffung der technischen Voraussetzungen für eine Aufzeichnung oder Übertragung ähnliche Anforderungen, wie für eine Fernsehaufzeichnung oder -übertragung stellt. Anders als bei Sportveranstaltungen macht die akustische Übertragung eines Konzerts eine Veranstaltung auch für Personen direkt erlebbar, die kein Eintrittsgeld bezahlt haben.
1110
Ein Anspruch der Massenmedien auf Zulassung zu Veranstaltungen Privater besteht nicht. Hier gilt das Hausrecht des Veranstalters. Er allein bestimmt, wem unter welchen Bedingungen Zutritt gewährt wird und wem nicht.68 Unberechtigt eingedrungene Personen begehen einen strafbaren Hausfriedensbruch (§ 123 StGB).
1111
Viele Prominente verkaufen die Exklusivrechte für Aufzeichnungen und Fotos von ihren Privatveranstaltungen mit Exklusivverträgen an einzelne Fernsehsender oder die Regenbogenpresse (zB Hochzeiten Lauterbach, Schiffer). 67 Zur urheberrechtlichen Seite siehe Rz. 1014 ff. 68 Paschke, Medienrecht, Rz. 303.
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IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
Teil H
Gemäß § 4 RfStV darf die Ausstrahlung von Großereignissen, das sind nach gesetzlicher Definition Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung, nicht ausschließlich in verschlüsselter Form und gegen besonderes Entgelt erfolgen, sondern muss zumindest Zeit versetzt auch im allgemein zugänglichen Fernsehprogramm ausgestrahlt werden. Solche Großereignisse sind gemäß § 4 Abs. 2 RfStV u.a. Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften.
1112
Mit dem 1997 neu eingefügten Art. 3a EG-Richtlinie wurde den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, Ereignisse, denen der Mitgliedstaat eine hohe gesellschaftliche Bedeutung beimisst (wie für Deutschland die Fußballweltmeisterschaft), der ausschließlichen Ausstrahlung durch Pay-TV-Sender zu entziehen.
1113
Die Ausübung des Rechts auf Kurzberichterstattung setzt eine Anmeldung des Fernsehveranstalters beim Veranstalter bis spätestens zehn Tage vor Beginn der Veranstaltung, bei kurzfristigen Veranstaltungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt voraus, § 5 Abs. 8 RfStV.
1114
Allerdings wird dieses Recht in § 5 Abs. 4 RfStV zeitlich beschränkt. Für kurzfristige und regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen wie Fußball-Bundesligaspiele ist eine Höchstdauer von 1 1/ 2 Minuten festgesetzt. Wenn man Konzertveranstaltungen nicht als kurzfristige und regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen einstuft, dürfte für diese eine Höchstdauer von drei Minuten angemessen sein.69
1115
Nach § 5 Abs. 5 RfStV kann der Veranstalter die Übertragung oder die Aufzeichnung einschränken oder ausschließen, wenn die Durchführung der Veranstaltung in Frage gestellt, das sittliche Empfinden der Veranstaltungsteilnehmer gröblich verletzt wird oder Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entgegenstehen würden, die das öffentliche Interesse an der Information überwiegen.
1116
Im Jahr 2005 erging folgende Entscheidung des Kartellsenates des Bundesgerichtshofes zu den Hörfunkrechten für die Übertragung von Bundesligaspielen.70 Beispiele Fußballvereine dürfen auch von Hörfunksendern Entgelt für die Berichterstattung aus den Stadien verlangen. Fußballvereine (im Streitfall handelte es sich um den HSV und den FC St. Pauli) sind berechtigt, auch von Hörfunksendern (hier: Radio Hamburg) für die Berichterstattung über Bundesligaheimspiele ein besonderes Entgelt zu verlangen, wenn diese Berichterstattung aus den Stadien der Vereine erfolgt. Dies hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs entschieden. Der HSV und FC St. Pauli sind, wie alle lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften, deren Mannschaften den Fußball-Lizenzligen angehören, Mitglied im so genannten Ligaverband. Der DFB hat dem Ligaverband die „Vermarktungsrechte“ an der Bundesliga über69 Ebenso Gounalakis, Rechte und Pflichten privater Konzertveranstalter gegenüber den Massenmedien, AfP 1992, 344. 70 BGH v. 8.11.2005 – KZR 37/03, NJW 2006, 98 = GRUR 2006, 249.
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Event und Medien
lassen. Der Ligaverband hat diese Rechte seinerseits auf die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) übertragen. Anders als bei Fernsehübertragungen verlangten die Fußballvereine für die Radioberichterstattung aus den Stadien bis zur Saison 1999/2000 kein Entgelt. Inzwischen hat die DFL für ihre Mitglieder Vermarktungskonzepte entwickelt, die die entgeltliche Vergabe von Verwertungsrechten an Bundesligaspielen nicht nur für die Fernseh-, sondern auch für die Radioberichterstattung sowie das Internet vorsehen. Danach sollen die Sender in jeder Bundesligasaison für die Radioberichterstattung aus den Stadien vom Umfang der Berichterstattung abhängige Pauschalzahlungen leisten. Radio Hamburg begehrt u.a. die Feststellung, dass dem HSV, dem FC St. Pauli und der DFL keine „Hörfunkrechte“ an den Bundesligaheimspielen (der FC St. Pauli spielte in der Saison 2001/2002 in der 1. Bundesliga und 2002/2003 in der 2. Bundesliga) zustehen. Ferner will der Sender geklärt wissen, ob die verklagten Fußballvereine für die Nutzung der Presseplätze, die Teilnahme an allen Pressekonferenzen, den Zutritt zu Mixed-Zonen, einen Arbeitsplatz und technische Dienstleistungen, eine über die Summe der hierfür aufgewandten Kosten (Aufwendungsersatz) und über das sonst übliche Eintrittsentgelt hinausgehende Vergütung verlangen können. Das Landgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht Hamburg zurückgewiesen. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt und die von Radio Hamburg eingelegte Revision zurückgewiesen. Nach dem Urteil dürfen die beklagten Fußballvereine als Veranstalter der Spiele bestimmen, dass mit dem Erwerb einer Eintrittskarte noch nicht die Befugnis zur Rundfunkberichterstattung aus dem Stadion erworben wird. Darin liegt weder ein Verstoß gegen das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB noch gegen das Verbot, eine marktbeherrschende Stellung durch die Forderung von Entgelten missbräuchlich auszunutzen, die von denjenigen Entgelten abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden (§ 19 Abs. 1, 2 Nr. 2 GWB). Den beklagten Fußballvereinen steht als (Mit-)Veranstaltern der Heimspiele ihrer Mannschaften das aus §§ 858 ff., 1004 BGB abzuleitende Hausrecht zur Seite. Das Hausrecht bildet eine ausreichende Grundlage dafür, den Zutritt von Hörfunkveranstaltern von der Entrichtung von Entgelten für die Hörfunkberichterstattung aus dem Stadion abhängig zu machen. Das Hausrecht ermöglicht seinem Inhaber, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er die Örtlichkeit zugänglich macht und wem nicht. Dies schließt das Recht ein, den Zutritt – auch als Voraussetzung für die Radioberichterstattung – von Bedingungen wie der Zahlung eines Entgelts abhängig zu machen. Die sachliche Rechtfertigung dafür, dass für die Möglichkeit zur Radioberichterstattung ein höheres Entgelt als der normale Eintrittspreis verlangt wird, sieht der Bundesgerichtshof darin, dass ein Hörfunkveranstalter den ihm gewährten Zutritt zum Stadion und zu dem dort veranstalteten Spiel intensiver nutzt als ein normaler Zuschauer oder auch Pressevertreter. Das wird auch an den Leistungen deutlich, die Radio Hamburg für seine RadioReporter in Anspruch nimmt (Presseplätze, Teilnahme an allen Pressekonferenzen, Zutritt zu den „Mixed-Zonen“, Arbeitsplatz und technische Dienstleistungen). Die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verleiht Radio Hamburg nicht das Recht, den der Öffentlichkeit gewährten Zutritt zum Stadion und zum Spiel gegen bloßen Aufwendungsersatz zu nutzen. Denn die Veranstaltung der Bundesligaspiele steht ihrerseits unter dem verfassungsrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Müsste der Veranstalter Rundfunkübertragungen von Bundesligaspielen unentgeltlich ermöglichen, wäre ihm ein Teil der wirtschaftlichen Verwertung seiner Leistung genommen. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass die Vermarktung von „Hörfunkrechten“ nicht dazu führen darf, dass der Hörfunkveranstalter – etwa durch eine vertragliche Verpflichtung zur Verbreitung redaktioneller Beiträge zum Thema Fußball – in der freien Gestal-
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IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
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tung seines Programms und der aktuellen und von Dritten unbeeinflussten Information seiner Hörer behindert wird.
Der Veranstalter kann auch von den Medienvertretern das allgemein vorgesehene Eintrittsgeld verlangen71 und hat einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die ihm durch Gewährleistung des Rechts auf Kurzberichterstattung entstehen, § 5 Abs. 6 RfStV. Bei sog. Megaevents, bei denen Eintrittskarten schon im Vorfeld schwer zu beschaffen sind und andererseits die Öffentlichkeit ein besonders großes Informationsinteresse hat, muss der Veranstalter eine angemessene Anzahl an Pressekarten zurückhalten, um das Recht auf Kurzberichterstattung zu gewährleisten. Allerdings steht den Pressevertretern nur ein Zugangsrecht für die Bereiche zu, die auch den übrigen Besuchern zugänglich sind.72 Ohne Zustimmung des Veranstalters kann ein Zutritt zum Bühnenbereich oder zu den Räumlichkeiten hinter der Bühne (Backstage-Area) nicht erfolgen. Falls die Tätigkeit der Pressevertreter die Gefahr einer Störung der Veranstaltung in sich birgt, kann der Veranstalter ihnen aufgrund seines Hausrechtes Beschränkungen auferlegen.73 Die Verwendung von Blitzlichtern kann immer unterbunden werden. Bei Veranstaltungen mit ausschließlich Sitzplätzen kann sogar das Umherlaufen von Pressevertretern verboten werden. Bei beharrlichen Verstößen gegen die Verhaltensregeln auf dem Veranstaltungsgelände kann dem jeweiligen Pressevertreter ein Hausverbot erteilt werden, nicht jedoch bei der Gefahr von Geschäftsschädigung durch kritische Berichterstattung.
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Nachdem die sogenannten neuen Medien in den 90er-Jahren auch in Deutschland weite Verbreitung gefunden hatten, war der Gesetzgeber aufgerufen, die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Rechtsgrundlage für alle Online-Angebote waren die von Bund und Ländern aufeinander abgestimmten Regelungen des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes (IuKDG) des Bundes (auch Teledienstegesetz genannt) und des Mediendienstestaatsvertrages (MDStV) der Länder. Dabei wurde unterschieden zwischen Telediensten und Mediendiensten.
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Der Mediendienstestaatsvertrag sowie das Teledienstegesetz sollten noch im Jahr 2005 durch das neue Telemediengesetz (TMG) ersetzt werden – dieses Vorhaben konnte aber aufgrund der Neuwahlen nicht realisiert werden. Mittlerweile wurde dies nachgeholt. Die Bundesregierung hat mit ihrem Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz (ElGVG) die rechtlichen Anforderungen für elektronische Informations- und Kommunikationsdienste – die sogenannten Telemedien – vereinheitlicht. Dessen Kernstück ist das Telemediengesetz, ein vom Deutschen Bundestag am 18.1.2007 verabschiedetes Gesetz.
71 Kübler, Das Recht auf freie Kurzberichterstattung, ZUM 1989, 326. 72 Gounalakis, Rechte und Pflichten privater Konzertveranstalter gegenüber den Massenmedien AfP 1992, 344. 73 Kübler, Massenmedien und öffentliche Veranstaltungen, S. 75.
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Event und Medien
Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird in § 1 Abs. 1 TMG wie folgt definiert: „Für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes, die ganz in der Übertragung von Signalen der Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages sind (Telemedien). Dieses Gesetz gilt für alle Anbieter einschließlich der öffentlichen Stellen unabhängig davon, ob für die Nutzung ein Entgelt erhoben wird.“
Das Telemediengesetz unterscheidet von seinem Anwendungsbereich her nicht zwischen den Angeboten privater und öffentlicher Stellen. Das Telekommunikationsgesetz und die Pressegesetze sind davon unberührt. Die an die Inhalte von Telemedien zu richtenden besonderen Anforderungen ergeben sich aus dem Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag). Nach § 2 TMG iS dieses Gesetzes ist Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Nutzer ist jede natürliche oder juristische Person, die Telemedien nutzt, insbesondere um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen. Bei Telemedien handelt es sich beispielsweise um: – Online-Angebote von Waren/Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit (zB Angebot von Verkehrs-, Wetter-, Umwelt- oder Börsendaten, Newsgroups, Chatrooms, elektronische Presse, Fernseh-/Radiotext, Teleshopping) – Video auf Abruf, soweit es sich nicht nach Form und Inhalt um einen Fernsehdienst iS der Richtlinie 89/552/EWG (Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen) handelt, der also zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt ist und nicht auf individuellen Abruf eines Dienstleistungsempfängers erbracht wird. Solche Dienste unterliegen der Rundfunkregulierung durch die Länder. Hierbei orientiert sich die Einordnung an den europarechtlichen Vorgaben, die inzwischen durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) konkretisiert wurden. – Online-Dienste, die Instrumente zur Datensuche, zum Zugang zu Daten oder zur Datenabfrage bereitstellen (zB Internet-Suchmaschinen), sowie die kommerzielle Verbreitung von Informationen über Waren-/Dienstleistungsangebote mit elektronischer Post (zB Werbe-Mails) Somit gehören alle Angebote im Internet dazu, beispielsweise Webshops wie Amazon, Online-Auktionshäuser wie eBay und Webportale wie Yahoo! Auch private Websites gelten als Telemedien. Das Gesetz wird daher umgangssprachlich auch als Internetgesetz bezeichnet. Früher war das deutsche Internetrecht noch im Teledienstegesetz, im Teledienstedatenschutzgesetz und im Mediendienstestaatsvertrag geregelt. Diese Regelwerke wurden durch das Telemediengesetz abgelöst. Das Telemediengesetz schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und klärt Fragen des Datenschutzes. Parallel dazu gilt weiterhin das bereits bestehende Telekommunikationsgesetz (TKG), vgl. § 1 TMG. Internetangebote, die sowohl Telemedien als auch Telekommunika434
IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
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tionsdienstleistungen beinhalten, werden sowohl den Regeln des Telemedienals auch denen des TKG unterliegen. Das TMG gilt für alle elektronischen IuKDienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, die ganz in der Übertragung von Signalen bestehen, oder Rundfunk iS von § 2 RStV sind. Folgende Dienste sind danach keine Telemediendienste: – herkömmlicher Rundfunk – Live-Streaming (IPTV) (zusätzliche parallele/zeitgleiche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das Internet) – Webcasting (ausschließliche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das Internet) Entscheidend ist, ob bewegte Bilder auf die Meinung der Allgemeinheit einwirken – dann genehmigungspflichtig – oder nicht.74 Beim Livestream, dem sog. IPTV gelten dieselben Grundsätze wie beim klassischen Fernsehen. Insbesondere gilt der medienrechtliche Grundsatz, dass der redaktionelle Teil des Sendeformates vom werbenden Teil klar abgegrenzt werden muss. Hier müsste bei Sendungen mit Werbecharakter wie in der Verbreitung über Kabel oder Satellit auch im Internet zum Verbraucherschutz der Hinweis „Werbesendung“ oder „Dauerwerbesendung“ eingeblendet werden.
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Hintergrund für die derzeitige Zurückhaltung vieler Fernsehsender in Sachen Livestreaming ist neben den Kosten vor allem die problematische Rechtslage: Während die Sender für einen großen Teil ihres Programms nur Sendelizenzen für Deutschland besitzen, können die Livestreams von Internetnutzern auf der ganzen Welt empfangen werden. Auf dem Livestreaming-Kanal des ZDF läuft deswegen nur ein Teil des Programms mit selbst produzierten Sendungen. Die Sender, die ihr Programm komplett über das Internet übertragen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihr Programm komplett selber produzieren. Hier müssen keine weltweiten Rechte für die Ausstrahlung von Sportübertragungen, Spielfilmen oder Serien vorhanden sein.
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Der Nachrichtensender N-TV strahlt schon seit Jahren das TV-Programm auch über das Internet aus. Verzichten müssen TV-Zuschauer hier allerdings auf Nachrichten aus der Welt des Sports, weil der Sender nicht über die nötigen Rechte verfügt. Während im Fernsehen Sport-Berichterstattung läuft, empfangen Internetnutzer nur ein Testbild. Eine große Auswahl an Regionalsendern aus vielen Teilen Deutschlands strahlt das TV-Programm auch über das Internet aus. Nicht nur große TV-Anbieter, sondern auch viele Regionalsender übertragen inzwischen ihr Programm parallel zur konventionellen Ausstrahlung per Livestream. Besonders viele OnlineAusstrahlungen kommen von den Regionalprogrammen aus Bayern. So gut wie alle Sender übertragen ihr Programm im WMV-Format von Microsoft, das neben dem Windows Media Player auch beinahe alle Freeware-Alterna74 Fechner, Medienrecht, Kapitel 12 Rz. 87.
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tiven abspielen können. Nur einige wenige Sender setzen auf andere Formate wie Real Player, Flash, Clipstream oder Shoutcast. 1117f
Telekommunikationsdienste, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, sind ebenfalls keine Telemediendienste, sondern beurteilen sich ausschließlich nach dem TKG. Davon zu unterscheiden sind die Telekommunikationsdienste, die überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, also neben der Übertragungsdienstleistung noch eine inhaltliche Dienstleistung anbieten, wie Internet-Zugang und E-Mail-Übertragung. Diese sind zugleich Telemediendienste und fallen damit mit Ausnahme der Vorschriften zum Datenschutz (s.u.) auch unter das TMG und die darin enthaltenen Regeln zum Herkunftslandprinzip, zur Zugangsfreiheit und zur Haftungsprivilegierung. Dieser Regelungszusammenhang ist europarechtlich vorgegeben, denn diese Dienste fallen als Dienste der Informationsgesellschaft und zugleich elektronische Kommunikationsdienste unter die E-Commerce-Richtlinie wie auch unter die TK-Rahmenrichtlinie. Die bloße Internet-Telefonie (Voice over Internet Protocol – VoIP) fällt nicht unter die Telemediendienste.75
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Durch das Telemediengesetz wird u.a. die Möglichkeit geschaffen, mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro gegen Versender von Spam-Mail vorzugehen. Der Versender von kommerziellen E-Mails hat gemäß § 6 Abs. 1 TMG folgende Voraussetzungen zu beachten: – Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein. – Die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag kommerzielle Kommunikationen erfolgen, muss klar identifizierbar sein. – Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke müssen klar als solche erkennbar sein, und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden. – Preisausschreiben oder Gewinnspiele mit Werbecharakter müssen klar als solche erkennbar und die Teilnahmebedingungen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden.
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Werden kommerzielle Kommunikationen per E-Mail versandt, darf in der Kopfund Betreffzeile weder der Absender noch der kommerzielle Charakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht werden. Ein Verschleiern oder Verheimlichen iS von § 6 Abs. 2 TMG liegt dann vor, wenn die Kopf- und Betreffzeile absichtlich so gestaltet sind, dass der Empfänger vor Einsichtnahme in den Inhalt der Kommunikation keine oder irreführende Informationen über die tatsächliche Identität des Absenders oder den kommerziellen Charakter der Nachricht erhält. Die Neuregelung in § 6 TMG umfasst diejenigen Anbieter, die ihren Mailversand durch gezielte Täuschungshandlungen besonders undurchsichtig gestalten. Der Empfänger wird so gehindert, sich durch geeignete technische 75 Fechner, Medienrecht, Kapitel 12 Rz. 118.
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oder organisatorische Maßnahmen (zB Einrichtung eines Spam-Filters) vor unerwünschter Werbung zu schützen. Bereits nach derzeitiger Rechtslage ist die Versendung von Spam-Mails unzulässig.76 Die Norm des § 6 Abs. 2 TMG lässt die bereits bestehenden Regelungen gegen unerwünschte Werbung unberührt. Der Schutz der Empfänger von kommerziellen Kommunikationen – insbesondere der Verbraucher – wird hier durch höhere Transparenzanforderungen an die Versender von kommerziellen Kommunikationen mittels elektronischer Post gestärkt. Der Empfänger einer elektronischen Werbenachricht soll besonders davor geschützt werden, dass bereits in der Kopf- und Betreffzeile einer E-Mail (sog. Header-Informationen) irreführende Angaben enthalten sind, die seine Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen. Die grundsätzliche Erkennbarkeit des Absenders an der Kopfzeile einer elektronischen Nachricht ist für den Empfänger bei der Frage, ob und wie er mit einer E-Mail-Nachricht umgehen will, von entscheidender Bedeutung. Schließlich verbietet § 6 Abs. 2 auch die Verschleierung oder Verheimlichung des kommerziellen Charakters einer Nachricht. Wenn in der Betreffzeile bewusst irreführende Aussagen (zB „letzte Mahnung“, „Achtung, besonders dringend!“, „Ihr Strafverfahren Aktenzeichen XY“) gemacht werden, um über den kommerziellen Charakter der Nachricht zu täuschen, ergeben sich die gleichen Probleme wie bei der Verheimlichung oder Verschleierung des Absenders: Die Entscheidungsfreiheit des Empfängers soll beeinflusst werden, um möglichst hohe Öffnungsraten zu erzielen.
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Analog zu den Informationspflichten in den Landespressegesetzen müssen die Diensteanbieter für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien gemäß § 5 Abs. 1 TMG folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar halten: – Den Namen und die ladungsfähige Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, bei juristischen Personen zusätzlich den Vertretungsberechtigten – Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post – Soweit der Dienst im Rahmen einer Tätigkeit angeboten oder erbracht wird, die der behördlichen Zulassung bedarf, Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde – Das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das sie eingetragen sind, und die entsprechende Registernummer – Soweit der Dienst in Ausübung gewisser Berufe (zB Rechtsanwalt, Arzt, Steuerberater u.Ä.) angeboten oder erbracht wird, Angaben über die Kammer, welcher die Diensteanbieter angehören, die gesetzliche Berufsbezeichnung und den Staat, in dem die Berufsbezeichnung verliehen worden ist, die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und dazu, wie diese zugänglich sind
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76 Siehe hierzu oben unter Rz. 1089a und b.
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– In Fällen, in denen sie eine Umsatzsteueridentifikationsnummer nach § 27a des Umsatzsteuergesetzes oder eine Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung besitzen, die Angabe dieser Nummer Es gibt eine Vielzahl von Kritikpunkten am neuen Telemediengesetz. Es ist davon auszugehen, dass einige Paragraphen zeitnah nachgebessert werden. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
3. Zulässigkeit von Veranstaltungs-Sponsoring und Sonderwerbeformen 1118
Über Veranstaltungen – auch gesponserte Veranstaltungen – darf ein Fernsehsender berichten, wenn – es sich bei der Veranstaltung um ein bedeutendes Ereignis handelt und ein überwiegendes Programminteresse besteht, – die Unabhängigkeit der Programmgestaltung nicht eingeschränkt wird, – die Berichterstattung im Vordergrund steht, – der Programminhalt nicht mit einem Sponsor identifiziert werden kann, – Hinweise auf Sponsoren nicht das unvermeidliche Maß an Werbung überschreiten.
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Zulässig sind auch folgende Sonderwerbeformen: – Bandenwerbung wird als gegebene Realität akzeptiert, obwohl die Gefahr einer Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Werbung und Programm besteht; – Product Placement (die Platzierung eines Produktes oder einer Dienstleistung an einer werbewirksamen Stelle), wenn durch eine solche Platzierung nicht Einfluss auf den Programminhalt genommen wird.
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Am 3.10.1989 ist eine EG-Fernseh-Richtlinie77 verabschiedet worden. Zwischenzeitlich wurde diese mehrfach modifiziert. Die EG-Fernseh-Richtlinie besagt, dass Schleichwerbung im Fernsehen verboten ist. Gemäß Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie ist Schleichwerbung, bei der ein Produkt allein um des Werbeeffektes willen gezeigt wird, grundsätzlich unzulässig.
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Art. 1d der Richtlinie definiert Schleichwerbung folgendermaßen: Die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Warenzeichen oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Fernsehveranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.
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Den verschiedenen EU-Staaten wurde durch die Richtlinie lediglich eine Orientierungshilfe gegeben. Die innerstaatliche Umsetzung kann danach auch in strengeren Grenzen erfolgen, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 der EG-Richtlinie. Eine Um77 RL 89/522/EWG, ABl. EG Nr. L 298 v. 17.10.1989, S. 23–30.
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setzung der Richtlinie erfolgte in der Bundesrepublik in den §§ 1, 3 UWG, den Landespressegesetzen, dem Rundfunkstaatsvertrag, § 22 Abs. 3 des ZDF-Staatsvertrages, den Werberichtlinien und den ARD-Grundsätzen zur Trennung von Werbung und Programm. Schleichwerbung ist über § 7 Abs. 6 RStV verboten. Bei gesponserten Sendungen muss gemäß § 8 Abs. 1 RStV zu Beginn und am Ende auf die Finanzierung durch den Sponsor in vertretbarer Kürze deutlich hingewiesen werden. Beispiel Der Willi Bogner-Film „Feuer, Eis und Dynamit I“ durfte nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1995 im Kino nur mit einem einleitenden Hinweis auf seinen Werbecharakter gezeigt werden.78 In diesem Film gibt es unter anderem ein Rennen, an dem eine MilkaKuh, ein Chiquita-Bananen-Boot und ein Paulaner-Bierfass teilnehmen. Nach BGH haben die Markenartikelunternehmen jeweils 150 000 DM (76 693,78 Euro) an Bogner gezahlt.
Das EU-Parlament hat sich Ende 2006 bei der Abstimmung über die umstrittene Novelle der EU-Fernsehrichtlinie in Straßburg mit großer Mehrheit für eine umfassende Liberalisierung der Werbemöglichkeiten in audiovisuellen Mediendiensten ausgesprochen. Ende 2007 haben die Kultur-Minister die neue Richtlinie formell verabschiedet. So dürfen Sender nach dem Willen der Abgeordneten künftig alle 30 Minuten Werbeblöcke schalten. Es ist nun möglich, Sportsendungen mit Einzelwerbespots ohne zeitliche Vorgaben zu unterbrechen. Bei anderen Programmen sollen sie die Ausnahme bleiben. Produktplatzierungen werden mit dem angenommenen Text zwar offiziell zunächst verboten. Den EU-Mitgliedsstaaten wird aber gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, Product Placement in Spielfilmen, Fernsehserien und Sportübertragungen „ausdrücklich zuzulassen“. So besagt Art. 3g der EU-Richtlinie:
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1. Produktplatzierung ist untersagt. 2. Sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes beschließen, ist Produktplatzierung abweichend von Absatz 1 zulässig – in Kinofilmen, Filmen und Serien für audiovisuelle Mediendienste, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung oder – wenn kein Entgelt geleistet wird, sondern lediglich bestimmte Waren oder Dienstleistungen wie Produktionshilfen und Preise im Hinblick auf ihre Einbeziehung in eine Sendung kostenlos bereitgestellt werden. Die Abweichung nach dem ersten Gedankenstrich gilt nicht für Kindersendungen.
Faktisch ist diese umstrittene Werbeform somit EU-weit freigegeben.
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Beispiel Die Liberalisierung bedeutet allerdings nicht, dass jede Form von Schleichwerbung in Zukunft ungeahndet bleibt. Aktuelles Beispiel für Konsequenzen im Bereich Schleichwerbung ist der Fall der Moderatorin des ZDF-Fernsehgartens Andrea Kiewel, welche Ende 2007 aufgrund ihrer geheimen Werbeverträge ihren Job beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen einbüßte. Für den Werbevertrag mit „Weight Watchers“ kassierte sie seit dem
78 BGH v. 6.7.1995 – I ZR 58/93, NJW 1995, 3177 = MDR 1996, 382 = GRUR 1995, 744.
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Jahr 2000 über 500 000 Euro. Eine Sonderklausel vereinbarte für verbotene Schleichwerbung im TV Extra-Prämien im fünfstelligen Bereich.
Jugend- und Verbraucherschutz, das Kurzberichterstattungsrecht, der verbesserte Zugang für Behinderte zu audiovisuellen Mediendiensten und die Förderung europäischer Inhalte wurden ebenfalls als besondere Vorschriften durch die neuen Vorgaben für die Zukunft gesichert. Generell sieht der Reformvorschlag, zu dem nun der EU-Rat eine gemeinsame Stellungnahme unter deutscher Führung erarbeitet hat, einen abgestuften Regulierungsansatz und die Einführung des Systems der „Ko-Regulierung“ vor. „Lineare Dienste“, die dem klassischen TV-Angebot entsprechen, sollen vergleichsweise strengen Auflagen wie im jetzigen Rundfunk unterworfen werden. Nicht-lineare Dienste wie die Bestellung eines Videos auf Abruf müssen dagegen nur gewisse Grundregeln etwa beim Jugendschutz oder bei der Unterbindung rassistischer Äußerungen einhalten. Im Gegenzug soll für sie das „Herkunftslandsprinzip“ gelten, wonach für sie die rechtlichen Bedingungen an ihrem Standort maßgeblich sind. Gegen jugendgefährdende Angebote aus anderen EU-Ländern könnten sich die Staaten nur noch in besonders schwerwiegenden Fällen wehren. Selbst dann habe die Kommission noch das letzte Wort. Für die Bundesrepublik stellt dies letztendlich einen Eingriff in das verfassungsrechtlich gebotene Ziel des Jugendschutzes dar. Die Auswirkungen würden sich schon heute im Satellitenfernsehen zeigen, über das unverschlüsselt Pornographie zu empfangen ist, obwohl solche Angebote in Deutschland verboten sind. Zudem erhalten Video-on-Demand-Anbieter aus anderen EU-Ländern die Möglichkeit, Filme ohne deutsche Altersvorgaben, Vertriebsbeschränkungen oder sogar Vertriebsverbote zu senden. 1122c
Foto-, Video- und Bildrechte erlangen im Rahmen von Veranstaltungen immer größere Bedeutung. Die Veranstalter stellen Fotos von den auf der Veranstaltung anwesenden Gästen ins Internet, um damit Werbung für ihre Events oder Locations zu betreiben.
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Gegenstand ist das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Persönlichkeit. Dieses Recht umfasst das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Dies gilt selbstverständlich auch gegenüber Medienvertretern. Es ist deshalb verletzt, wenn ein Bild aus der Privatsphäre veröffentlicht wird.79 Die Privatsphäre umfasst dabei nicht nur den häuslichen oder familiären Bereich, sondern auch das Leben außerhalb dieses Bereichs, wenn die Betroffenen ersichtlich privat bleiben wollen. Den Anstoß für einen Schutz der Persönlichkeit vor Beeinträchtigung durch die Verbreitung von Bildnissen brachte die Erfindung der Fotografie. Auslöser der Gesetzesentwicklung war der sog. Bismarck-Fall. Zwei Journalisten waren in das Sterbezimmer des Staatsmanns eingedrungen, hatten den Leichnam fotografiert und die Fotos veröffentlicht. Aus der öffentlichen Empörung über diesen Vorgang entstand eine gesetzgeberische Diskussion. 79 BGH v. 19.12.1995 – VI ZR 15/95, NJW 1996, 1128 = MDR 1996, 913 = GRUR 1996, 923.
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Diese mündete in der Schaffung des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie (KUG) das 1907 in Kraft trat. Im Jahre 1965 wurde es durch das neugeschaffene Urheberrechtsgesetz fast vollständig ersetzt. Einige Vorschriften blieben bestehen. Davon sind lediglich die § 22–24 KUG (Schutz der Abgebildeten) von Bedeutung. Das Recht am eigenen Bild ist eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 und 2 GG). Nur in Bezug auf diesen persönlichkeitsrechtlichen Hintergrund hat es etwas mit Urheberrecht zu tun. Üblicherweise wird aber zwischen Urheberrecht und Recht am eigenen Bild aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtung unterschieden.
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Voraussetzung ist das Vorliegen eines Bildnisses. Der Bildnisbegriff ist weit zu verstehen. Darunter versteht man die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt.80 Unter den Begriff fallen also auch Abbildungen, die zwar nicht oder nicht ausschließlich das Gesicht des Abgebildeten zeigen, wohl aber bestimmte charakteristische äußere Merkmale erscheinen lassen. Dabei ist die Art der technischen Darstellung gleichgültig. Neben Fotografien können also auch Zeichnungen oder Ähnliches unter den Bildnisbegriff fallen. Unerheblich ist auch, ob eine reale oder lediglich eine fiktive Situation wiedergegeben wird. Beispiel Ein Softwarehersteller vertreibt das Computerspiel „FIFA Soccer Worldcup 2006“. Eine der Spielfiguren gleicht dem berühmten Fußballspieler Koslowski. Unterstrichen wird dies durch eine ausdrückliche Namensnennung neben der Spielfigur. Liegt ein Bildnis des Koslowski vor?
Der Schutzbereich erstreckt sich nach § 22 Satz 1 KUG nicht auf das Herstellen von Bildnissen, sondern nur auf deren Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung. Heute ist aber anerkannt, dass auch eine Vorverlagerung des Rechtsschutzes auf den Zeitpunkt des Herstellens von Aufnahmen nach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt sein kann. Das ist zumindest dann der Fall, wenn dies in der Absicht einer Veröffentlichung geschieht. Der Begriff des „Verbreitens“ ist weiter als der entsprechende Begriff im Urheberrecht. Er betrifft zum Beispiel auch die Weitergabe eines Fotos im privaten Bereich.
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Weitere Voraussetzung ist die Einwilligung des Abgebildeten zu einer Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung seines Bildnisses. Einwilligung bedeutet vorherige Zustimmung. Es handelt sich um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Deshalb kann bei Minderjährigen eine Einwilligung wirksam nur durch den gesetzlichen Vertreter erklärt werden. Eine bestimmte Form der Einwilligung ist vom Gesetz nicht vorgeschrieben, sie kann mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Aus Beweisgründen ist jedoch die Schriftform (§§ 126 ff. BGB) zu empfehlen. Sind mehrere abgebildet, kann von der Einwilligung einer der Personen nicht automatisch auf eine Einwilligung auch der anderen Personen geschlossen werden. Im Allgemeinen
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80 OLG Hamburg v. 13.1.2004 – 7 U 41/03, Computer und Recht 2004, 459.
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ist aber bei der Annahme einer konkludenten oder gar stillschweigenden Einwilligung Zurückhaltung geboten. Nach § 22 Satz 2 KUG wird eine Einwilligung des Abgebildeten gesetzlich vermutet, wenn er dafür, dass er sich abbilden ließ, ein Honorar erhalten hat. Die Vermutung kann allerdings vom Betroffenen widerlegt werden. Für die Frage, ob tatsächlich ein Honorar bezahlt wurde, ist wiederum der Verwerter im Zweifel beweispflichtig. Deshalb ist auch hier anzuraten, schriftliche Verträge zu schließen und sich Zahlungen quittieren zu lassen. Der Zahlende erwirbt durch die Honorarzahlung ein Recht zur Verbreitung und öffentlichen Zuschaustellung des Bildnisses im Rahmen des geschlossenen Nutzungsvertrages und, unabhängig davon, der allgemeinen Grenzen des Persönlichkeitsrechts. Dazu ein Beispiel: Beispiel Arbeitnehmer Axel F. Otogen ist bei I. Wendt angestellt. I. Wendt will einen Firmenprospekt erstellen und dabei auch ein Foto von Otogen aufnehmen. Benötigt er hierzu die Einwilligung seines Arbeitnehmers? Oder wird diese durch das bestehende Arbeitsverhältnis vermutet? Allein die Tatsache, dass Axel F. Otogen Arbeitnehmer bei I. Wendt ist, führt nicht zu der Vermutung, dass er mit der Abbildung in einer Imagebroschüre einverstanden ist. Lässt er sich in Kenntnis der geplanten Broschüre fotografieren, kann er nach Herrn Wendt nach Drucklegung nicht mehr zur Unterlassung der Fotoverwendung auffordern.
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Wenn sich eine Person ins Bild drängt, darf vermutet werden, dass sie mit einer zweckgemäßen Verwertung des Bildnisses einverstanden ist. Eine Genehmigung, dh. eine nachträgliche Zustimmung zur Verwendung von Fotos oder Videoaufnahmen, ist möglich, hängt allerdings von dem „Wohlwollen“ des Abgebildeten ab. Denkbar ist es, die Einwilligung in die Verbreitung und Veröffentlichung erst dann einzuholen, wenn die Bilder bereits abfotografiert sind. Theoretisch bietet sich damit die Möglichkeit, die Einwilligungen erst am Ende der Veranstaltung einzuholen. Als „in den Verkehr gebracht“ kann jedoch u.U. bereits die Beauftragung eines Fotolabors mit der Erstellung von Abzügen bewertet werden, falls das Bild auf einem Speichermedium wie CD-ROM, DVD oder Blu Ray befindet, oder wenn das Original im privaten Bereich an Dritte weitergegeben wird. Damit trifft den Verwender des Bildmaterials die Verbreiterhaftung. Insgesamt stellt die Verwendung von Bildmaterial ohne Einwilligung der Abgebildeten nicht nur ein finanzielles Risiko dar, auch wenn in der Vergangenheit seitens der Abgebildeten keine Einwände erhoben. Dies kann in der Form geschehen, dass man bereits in der Einladung zu einer Veranstaltung einen entsprechenden Hinweis auf die Erstellung des Bildmaterials aufnimmt. Eine andere Möglichkeit wäre, zu Beginn der Veranstaltung die Veranstaltungsteilnehmer darauf hinzuweisen, dass die während der jeweiligen Veranstaltung gemachten Bilder zur Veranstaltungsdokumentation, für Pressearbeit oder für Prospektmaterial bzw. eine Imagebroschüre verwendet werden. Hierzu reicht es, dass der Fotograf sich deutlich kenntlich macht (Badge o.Ä.). 442
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Immer restriktiver werden die Fotorechte bezüglich bekannter Künstler auf Pop- und Rockkonzerten gehandhabt. Künstlermanagement und Veranstalter möchten die Pressevertreter immer öfter dazu verpflichten, Fotoverträge abzuschließen, in denen den Medienvertretern unzumutbare Bedingungen abverlangt werden. Diese Verträge verfolgen im Wesentlichen zwei Ziele: 1. die Möglichkeit, bis ins letzte Detail das eigene Bild in den Medien zu bestimmen und 2. aus der Arbeit der Fotografen nach Belieben Gewinn zu ziehen.
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Beispiel So sah ein im Rahmen des Auftakts zur Deutschland-Tournee 2006 in München bei den Nachrichtenagenturen vorgelegter Fotovertrag des Rolling Stones-Managements vor, dass das Copyright an den bei der Veranstaltung aufgenommenen Bildern dem Konzertmanagement abgetreten werden sollte. Dies ist nach deutschem Urheberrecht aber gar nicht möglich, da nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz die Nutzungsrechte, nicht aber das originäre Urheberrecht übertragen werden kann. Eine weitere Klausel des Vertrages sah vor, dass die Weitergabe von Bildrechten an Kunden der Nachrichtenagentur verboten sein sollte. Außerdem sollte die Nutzungsdauer für bei der Tournee entstandene Bilder auf 3 Monate begrenzt werden. Nachdem die deutschen Nachrichtenagenturen ihre Argumente gegen die Fotoverträge beim Management der Stones vorbrachten, verzichteten diese noch vor dem zweiten Konzert in Hannover auf die Unterzeichnung der Foto-Verträge. Gleichermaßen reagierte das Management des Musikers Carlos Santana bei einem Konzert in Hamburg. Das Management von Robbie Williams beharrte auf die Unterzeichnung ähnlich gelagerter Fotoverträge und erhielt dafür die Quittung der Medien. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) verzichteten auf jede Berichterstattung, so gab es weder Foto- noch Wortberichte durch die deutschen Nachrichtenagenturen. Genauso reagierten Pressevertreter bei unzumutbaren Bedingungen der Künstler Lenny Kravitz, Coldplay und Justin Timberlake.
Der Bildnisschutz ist nicht auf die Abbildung lebender Personen beschränkt. Auch bei der Abbildung einer Leiche kann, vorbehaltlich der Erkennbarkeit, ein Bildnis vorliegen. Weil ein toter Mensch seine Rechte nicht selbst geltend machen kann, wurde § 22 Abs. 3 geschaffen. Danach bedarf es nach dem Tode des Abgebildeten bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige iS dieser Vorschrift sind der überlebende Ehegatte und die Kinder des Abgebildeten, und wenn weder ein Ehegatte noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten. Nach § 23 KUG gilt bei Personen der Zeitgeschichte kein Zustimmungserfordernis. Foto- und Filmaufnahmen solcher Personen dürfen ohne deren Einverständnis im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbreitet werden. Der Bereich der Zeitgeschichte ist grundsätzlich weit zu verstehen; er umfasst alles, was bei der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit findet.81
81 Vgl. Schricker, Urheberrrecht, § 60/§ 23 KUG Rz. 8.
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Beispiel A hat es sich zur Aufgabe gemacht, verurteilte Kinderpornographie-Straftäter öffentlich anzuprangern. Er veröffentlichte auf seiner Website zwei Portraitfotos des B ohne seine Einwilligung. B verlangt Unterlassung.82 In den Zeitschriften „Freizeit Revue“ und „Bunte“ werden Fotografien veröffentlicht, die Prinzessin Caroline von Monaco im (öffentlichen) Alltagsleben zeigen, etwa beim Einkaufen, Fahrrad fahren oder mit einem Begleiter in einer versteckten Ecke eines französischen Gartenlokals. Eine Einwilligung von Caroline liegt nicht vor.83 Variante 1: Die Fotos zeigen die Prinzessin zusammen mit ihren Kindern Pierre und Andrea. Variante 2: Die Fotos zeigen die Prinzessin in einer öffentlichen Badeanstalt, wie sie gerade stolpert und zu Boden fällt. A ist Mitglied eines privaten Fanclubs des örtlichen Handballvereins. Der Fanclub betreibt unter anderem eine Homepage. A ist Inhaber der Domain und für die Pflege der Seiten verantwortlich. Die Vereinsmannschaft spielt in der 2. Bundesliga. A fertigt beim öffentlichen Training Fotos von neuen Spielern an und stellt die Spieler zusammen mit den Fotos auf der Homepage vor. Zwar haben die Spieler nichts dagegen, wohl aber der Vereinsvorstand (V). Er reklamiert die Rechte an den Spielerfotos für sich. Kann V von A Unterlassung der öffentlichen Wiedergabe der Spielerfotos verlangen?
Zu unterscheiden ist zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte. Zu einer relativen Person der Zeitgeschichte wird eine Person durch einen bestimmten aktuellen Ereignisbezug. Das kann eine einmalige publikumswirksame Aktion, aber z.B. auch ein Unfall sein. Von solchen Personen dürfen ohne deren Zustimmung Aufnahmen gemacht werden, die im Zusammenhang mit dem betreffenden Ereignis stehen. Aber auch hier gelten die allgemeinen persönlichkeitsrechtlichen Grenzen (vgl. hierzu auch § 23 Abs. 2 KUG). Beispielsweise darf das Opfer eines Unfalls darf – obwohl relative Person der Zeitgeschichte – nicht ohne seine Zustimmung eingeklemmt und blutend in seinem Fahrzeug fotografiert und das Foto an die Zeitung verkauft werden. Etwas anderes kann gelten, wenn das Foto zur Beweissicherung in einem Zivilprozess gilt. 1122k
Absolute Personen der Zeitgeschichte sind solche Personen, die regelmäßig im Rampenlicht stehen (zB Politiker, bekannte Sportler usw.). Von solchen Personen dürfen ereignisunabhängige Aufnahmen gemacht werden. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist hier regelmäßig größer als deren Interesse auf eigene Verwertung ihrer Abbildung. Aber auch hier ist ein „unantastbarer Kernbereich“ der Privat- und Intimsphäre immer geschützt. Beispiel Elektrogroßhändler E präsentiert in einem Werbeprospekt (im Jahre 1999) auf dem Bildschirm eines angepriesenen Fernsehgerätes Boris Becker (B) bei seiner damaligen Berufsausübung. B verlangt Schadensersatz (80 000 Euro).
82 AG Charlottenburg v. 27.3.2000 – 10 C 317/99, MMR 2000, 772. 83 BVerfG v. 15.12.1999 – 1 BvR 653/96 – Caroline von Monaco., NJW 2000, 1021 = GRUR 2000, 446 – Caroline von Monaco.
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IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
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In den zahlreichen „Caroline von Monaco“-Fällen hat das Bundesverfassungsgericht im Mai 200184 beispielsweise die Prinzessin als eine „absolute Person der Zeitgeschichte“ und Prinz Ernst August als Begleiter als „relative Person der Zeitgeschichte“ bezeichnet, wenn und soweit er mit ihr in der Öffentlichkeit auftritt. Daher dürften Fotoaufnahmen von beiden auch ohne ihre Einwilligung veröffentlicht werden. Auch die Veröffentlichung von Bildausschnitten, auf denen nur Ernst August zu sehen sei, sei erlaubt. Dies gelte selbst dann, wenn der dazu gehörige Zeitungsartikel auf ein anderes Ereignis eingehe. In den entschiedenen Fällen ging es um den tätlichen Angriff des Prinzen auf einen Kameramann. Das dazu abgebildete Portraitfoto war aber aus dem Archiv entnommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil vom 25.6.2004 die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingeschränkt. Danach sollen auch von absoluten Personen der Zeitgeschichte ungefragt nur noch Bildnisse veröffentlicht werden dürfen, die die Person in Ausübung einer bestimmten Funktion oder eines bestimmten Amtes zeigen. Die ungenehmigte Veröffentlichung rein privater Aufnahmen wäre danach nicht mehr erlaubt. Die Tragweite der Entscheidung für den deutschen Rechtsraum ist noch nicht abschließend geklärt. Das Paparazzi-Wesen dürfte durch die Entscheidung jedoch spürbar beeinträchtigt werden. Mit einer Entscheidung vom 6.3.2007 folgte der BGH dem Caroline-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg85. Prinzessin Caroline von Hannover und ihr Mann Prinz Ernst August bekamen mit ihrer Klage gegen deutsche Illustrierte weitgehend Recht. Die Zeitschriften hatten im Jahr 2002 heimlich aufgenommene Urlaubsfotos abgedruckt, die das Paar auf belebten Straßen und in einem Sessellift zeigen. Der BGH begründete seine Auffassung damit, dass auch die Berichterstattung über absolute Personen der Zeitgeschichte einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten und dürfe nicht allein der Befriedigung der Neugierde dienen. Allerdings gab das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 einer Beschwerde der Zeitschrift „7 Tage“ gegen dieses Urteil statt. Nach den Worten der Verfassungsrichter schützt die Pressefreiheit aber grundsätzlich auch unterhaltende Beiträge über das Privat- und Alltagsleben Prominenter. Unter Befolgung dieser Grundsätze des höchsten deutschen Gerichtes billigte der BGH die Veröffentlichung der streitigen Fotos86. Allerdings hielt der BGH einen Spaziergang von Oliver Kahn mit seiner Freundin in St. Tropez nicht für einen „Vorgang von zeitgeschichtlichem Interesse“. Das Verhalten im Urlaub wertet das Gericht auch bei Prominenten als „Kernbereich der Privatsphäre“. Dass Kahn kurz zuvor noch Familienurlaub mit Frau und Kindern gemacht hatte, ließ es als Rechtfertigung für die Publikation der Fotos nicht gelten.87 84 85 86 87
BVerfG v. 26.4.2001 – 1 BvR 758/97 – Prinz Ernst August, NJW 2001, 1921. BGH v. 6.3.2007 – VI ZR 13/06, 14/06 und 50/06 bis 53/06. BGH v. 1.7.2008 – VI ZR 67/08. BGH v. 3.7.2007 – VI ZR 164/06.
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Teil H
Event und Medien
Am Verhalten von Personen, die eine herausragende Stellung im öffentlichen Leben bekleiden (Politiker, Manager u.Ä.), besteht auch dann ein öffentliches Informationsinteresse, wenn dieses Auswirkungen auf ihr berufliches Wirken hat. So musste Prinz Albert von Monaco hinnehmen, dass in einem Bericht, der aufdeckte, dass der kinderlos geglaubte Fürst einen unehelichen Sohn hat, Fotos verbreitet wurden, die ihn mit diesem zeigten. Denn dieser komme als möglicher Thronfolger in Betracht, argumentierte das OLG Karlsruhe.88 Hinreichender Sachgehalt liegt dann vor, wenn das Verhalten des Prominenten in Widerspruch steht zu dem Image, mit dem er sich der Öffentlichkeit präsentiert. Das könnte etwa für ein Bild gelten, das einen prominenten Umweltschützer dabei zeigt, wie er in seinem privaten Verhalten die Regeln zur Mülltrennung missachtet. Jedoch muss die neue Lebensgefährtin von Herbert Grönemeyer die Veröffentlichung von Fotos, die sie mit ihm bei einem Stadtbummel in Rom zeigen, nicht schon deshalb dulden, weil er seinen Schmerz nach dem Tod seiner Frau in seinen Liedern verarbeitet hat.89 Insgesamt machen die oben genannten Entscheidungen der Gerichte deutlich, dass es auch in Zukunft stark auf den jeweiligen Einzelfall ankommen wird und die Vorhersehbarkeit des Ausganges einer gerichtlichen Auseinandersetzung weiterhin schwierig bleibt. Zulässig ist die zustimmungsfreie Ablichtung von Personen als Beiwerk neben einer Landschaft oder Örtlichkeit. Die Person darf nicht Zweck der Aufnahme sein. 1122l
Auf Veranstaltungen (Sportveranstaltungen, Versammlungen, öffentliche Feste, Demonstrationen usw.) dürfen zustimmungsfrei Aufnahmen in die Menge hinein gemacht werden. Voraussetzung ist dabei, dass bei den Aufnahmen das Geschehen als solches und nicht die abgebildete Person im Vordergrund steht.90 Beispiel Die (ausdrücklich oder stillschweigend erklärte) Einwilligung in die Verbreitung von Bildnissen einer Person über deren Teilnahme an einem internationalen Sportwettbewerb beinhaltet nach Auffassung des BGH grundsätzlich kein Einverständnis mit der Veröffentlichung der dort entstandenen Fotos in anderem Zusammenhang. Die Verwendung eines bei einem Sportwettbewerb entstandenen Bildnisses zur Illustration eines Pressebeitrags, der keine Berichterstattung über diese Veranstaltung ist, sondern nahezu ausschließlich persönliche Belange der abgebildeten Person zum Inhalt hat, ist unzulässig, wenn diese Verbreitung des Fotos die berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzt. Bei der hierbei gebotenen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit kommt dem Schutzbedürfnis von Kindern und Jugendlichen besonderes Gewicht zu.91
88 89 90 91
OLG Karlsruhe v. 18.11.2005 – 14 U 169/05, NJW 2006, 617 = OLGReport 2006, 106. BGH v. 19.6.2007 – VI ZR 12/06, GRUR 2007, 899 = BGHReport 2007, 976. Schotthöfer, Recht im Marketing, S. 79. BGH v. 28.9.2004 – VI ZR 305/03, MDR 2005, 273.
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IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
Teil H
Allgemein gilt, dass in jedem Einzelfall zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Berichterstattung und dem privaten Recht auf Bildnisschutz abgewogen werden muss. Eine spezielle zivilrechtliche Rechtsfolge sieht das KUG nicht vor. Eine schuldhafte Verletzung kann prinzipiell einen Schadensersatzanspruch (nach §§ 823 Abs. 2 BGB iVm. § 22, 23 KUG) nach sich ziehen kann. Der Schaden wird nach einer Lizenzanalogie iS des UrhG berechnet. Weitere Ansprüche auf Unterlassung (nach §§ 1004, 862, 12 BGB analog iVm. § 823 Abs. 2 BGB), Vernichtung hinsichtlich der Fotoaufnahmen sowie der hierzu verwendeten Vorrichtungen nach § 37 KUG oder Schmerzensgeld als Folgeanspruch sind ebenfalls grundsätzlich möglich.92 Alternativ kann der Betroffene nach § 38 KUG auch die Übernahme der Fotos und der Vorrichtungen verlangen. Die Schutzdauer beträgt grundsätzlich 10 Jahre, auch über den Tod des Abgebildeten hinaus.
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Einwilligung für Foto-/Videoaufnahmen
M 22
Einverständnis für Foto- und/oder Videoaufnahmen Name der Veranstaltung: X-Event Ich wurde über den aktuellen Verwendungszweck informiert und stimme der Veröffentlichung dieser Fotos und/oder Videoaufnahmen zu. Verwendungszweck: zB Community Meeting, Printmedien (Firmenzeitung, Imagebroschüre, Magazin, Zeitung), Fernsehen, Internet, etc. Ich bin ferner damit einverstanden/nicht einverstanden*, dass diese Bilder und/ oder Videoaufnahmen im Archiv aufbewahrt und für weitere Zwecke verwendet werden können. Dieses Einverständnis kann ich jederzeit widerrufen. Aufbewahrungs-/Löschfrist: XX Tage/Wochen/Monate Vor-/Nachname: Datum und Unterschrift *Unzutreffendes bitte streichen Beispiel Ein bekannter Schauspieler und Fernsehmoderator verlangte von der Beklagten, einem Optikergeschäft, eine Entschädigung dafür, dass sie ohne seine Einwilligung sein Foto zu Werbezwecken veröffentlicht hat. Das Bild wurde anlässlich einer Einweihungsfeier des Modehauses B. aufgenommen, zu der der Kläger eingeladen war. Dieser ließ sich dort von dem mit ihm befreundeten Inhaber der Firma B. eine Brille aus deren neuer Kollektion aufsetzen und sich damit von einem Pressefotografen ablichten. Die Beklagte, die ein Optikergeschäft betreibt, erhielt das Foto von ihrem Einkaufsverband, der O.-GmbH. In dem Begleitschreiben berichtete der Geschäftsführer der O.-GmbH über die Veranstal92 Fechner, Medienrecht, 4. Kapitel Rz. 149.
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Teil H
Event und Medien
tung und verwies auf die „für Ihre Pressearbeit und für die Dekoration in Ihrem Geschäft“ beigelegten Fotos, mit denen die Adressaten „die Präsentation und Pressearbeit der B.Kollektion“ verbessern könnten. Auf der Rückseite des Fotos stand: „F. probiert die neue B.-Brille. Foto: E. K … Abdruck honorarfrei, Belegexemplar an E. K …“. Auf Veranlassung der Beklagten erschienen in der örtlichen Zeitung sechsmal Anzeigen mit dem Bild des Klägers. Unten befand sich das Firmenlabel der Bekl. mit deren Anschrift. Der Kläger hat für jede Anzeige als übliche Lizenzgebühr 20 000 DM gefordert. Wird ein Foto ohne Einwilligung des Abgebildeten und ohne vorherige Rückfrage zu Werbezwecken veröffentlicht, so kann die darin liegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach Ansicht des BGH nur unter ganz besonderen Umständen unverschuldet sein. Dem Abgebildeten steht in solchem Fall eine angemessene Vergütung auch dann zu, wenn der Bereicherungsschuldner das Bildnis selbst durch die Leistung eines Dritten erhalten hat. Für die Bemessung der Höhe der geschuldeten Vergütung kann von Bedeutung sein, dass der Veröffentlichung des Fotos eine wesentliche Werbewirkung auch für ein vom Publizenten verschiedenes Unternehmen zukommt, dem der Abgebildete eine unentgeltliche Werbung mit seinem Foto gestattet hat.93
Neben den zivilrechtlichen Schutzvorschriften hat der Gesetzgeber in § 33 KUG eine Strafvorschrift geschaffen, die bei Verstößen gegen §§ 22, 23 KUG eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsieht. Die Tat stellt allerdings ein sog. Antragsdelikt dar, wird also nur auf einen Strafantrag des Betroffenen hin verfolgt. Geplant ist, den strafrechtlichen Schutz gesetzlich noch auszuweiten. Sportliche und andere Großereignisse und -veranstaltungen haben ein riesiges Werbepotential. Die Kontaktzahlen und die oft weltweite Medienpräsenz führen dazu, dass die Hauptsponsoren dieser Events erhebliche Summen ausgeben, um das Medieninteresse und die Synergien auf Ihre Unternehmen zu fokussieren. 1122m
Seit einigen Jahren ist die Konkurrenz der zahlungskräftigen Vertragssponsoren von Events dazu übergegangen, durch eigene, mehr oder minder aufwendige Werbemaßnahmen im Dunstkreis der Veranstaltung zu profitieren, ohne eigene Sponsorenbeiträge zu leisten. Diese in einer Grauzone zwischen marketingtechnischen Erfindungsreichtum und Illegalität befindlichen neuen Strategieformen nennen sich Ambush-, Guerilla- oder Parasite-Marketing. Der Begriff „ambush“ stammt aus dem Englischen und wird wie folgt definiert: ambush = (place) Hinterhalt; (troops, etc.) im Hinterhalt liegende Truppen/Guerillas etc.; (attack) Überfall (aus dem Hinterhalt). Ambush-Marketing ist besonders listig, denn es hängt sich an die Kampagnen oder Events anderer an. Die Begriffe „Guerilla“ und „Parasite“ erklären sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch. Guerilla-Marketing setzt auf den Überraschungseffekt, auf Aktionen, mit denen keiner rechnet. Guerilla-Methoden im Marketing sind nicht neu, aber sie leben wieder auf. So geht man davon aus, dass das Konzept und der Begriff in den USA geprägt und in den Sechzigern erfunden wurden. Damals fand an amerikanischen Universitäten und in Wirtschafts-Seminaren eine Suche nach neuen Marketingstrategien statt. Es mussten Strategien entwickelt wer93 BGH v. 14.4.1992 – VI ZR 285/91, MDR 1992, 647.
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IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
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den, deren Aggressivität nicht mehr allein auf Marktmacht, Größe und Kapital beruhte. Stattdessen sollten sie zusätzlich durch Einfallsreichtum, Unkonventionalität und Flexibilität wirken. Mit Guerilla-Marketing wird das undogmatische, zum Teil stringent antizyklische Handeln iS einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit und hauptsächlich unplanmäßiger Kommunikationspolitik bezeichnet. Hierzu ein Praxisfall: Beispiel Die wohl weltweit größte Guerilla-Kampagne erfolgte im Auftrag von Ogilvy & Mather, New York. Als Teil einer millionenschweren IBM-Kampagne für das Computerbetriebssystem Linux wurden Graffitilogos in vielen Innenstädten gesprüht. „Peace & Love & Linux“ – überall prangten Friedenszeichen, Herzen und Pinguine und waren noch nach Monaten zu sehen. Die Marketingexperten waren angeblich irrtümlich davon ausgegangen, dass die verwendete Farbe abwaschbar sei. Die Stadtverwaltung ging davon aus, dass die IBM-Marketingabteilung vorsätzlich gehandelt hat. Die Werbeaktion stieß bei vielen Menschen auf Sympathie und hatte damit ihren Zweck erfüllt. In San Francisco mahnten die Stadtväter die Sachbeschädigung an, was IBM eine Geldstrafe von 114 000 Euro und Reinigungskosten von 23 000 Euro einbrachte, weil die Graffitis mit Backpulver und Hochdruckstrahlern von den Straßen entfernt werden mussten.
Grund für die immer häufiger werdenden Ambush-Strategien der Unternehmen ist die Explosion der Rechtekosten für gute Veranstaltungen und Plattformen und das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Dazu kommt, dass viele Märkte nahezu gesättigt sind und demzufolge der Wettbewerb in den verschiedenen Branchen immer härter wird. Seit Ende 2003 standen die 15 FIFA Sponsoren mit Adidas, Anheuser Busch, Avaya, Coca Cola, Continental, Deutsche Telekom, Fly Emirates, Fuji Film, Gilette, Hyundai, Mastercard, McDonalds, Philips, Toshiba und Yahoo fest. Aufgrund der daraus resultierenden Branchenexklusivität war der offizielle Zugang der an einer werbetechnischen Nutzung des Mega-Events für alle übrigen Unternehmen verwehrt. Gründe für Ambush-Maßnahmen sind: – Verschiebung der Aufmerksamkeit zwischen offiziellem Sponsor und Ambusher – Bewusster Versuch eines Unternehmens, die Wirkung der offiziellen Sponsoringaktivitäten eines Konkurrenten zu schwächen – Das Anstreben einer Assoziation mit einem speziellen Event oder einem Projekt zu vergleichsweise geringen Kosten – Irreführung des Konsumenten bzw. der Zielgruppe Viele Ambush Marketing Aktivitäten sind heutzutage legal. Oftmals kann Ambush Marketing nicht per Gesetz bzw. durch die Rechtsprechung gestoppt werden. Das liegt einmal daran, dass die Initiatoren der Guerilla- und Ambush-Taktiken über gute Berater und Anwälte verfügen und des Weiteren daran, dass die Gesetze, wie das UWG keine umfassende Handhabe bieten, um die aggressiven Werbestrategien wirksam zu unterbinden. Wahrscheinlich ist es in einer freien Marktwirtschaft auch gar nicht möglich oder auch nur gewollt, alle Möglichkeiten des Trittbrettfahrens im Bereich Werbung zu verhindern. Schließlich hat auch der Wegfall von Rabattgesetz, Zugabeverordnung und des Verbotes verglei449
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Event und Medien
chender Werbung eher positive Auswirkungen für Verbraucher und Werbewirtschaft gehabt. Es kann ja auch nicht verboten sein, mit dem Motiv Fußball oder einem Fußballspieler zu werben, nur weil ein Hauptsponsor 30 000 000 Dollar für die Hauptsponsorenrechte investiert. So warb der Snackhersteller ÜLTJE bei der WM 1998 mit dem Slogan: „Energiespender für die Verlängerung“, Süßwarenriese MAOAM lud zur „WM der Früchte“, Brauerei Warsteiner bemühte die Floskel: „Zapfen wie die Weltmeister“ und Langnese produzierte anlässlich der WM ein Eis in Form eines Fußballschuhs. Ein Beispiel: Beispiel Die Fastfoodkette McDonald führte während der WM in den USA eine Ambush-Maßnahme durch. Unter der Bezeichnung „inoffizieller Nahrungslieferant der deutschen Fußball-Fans“ profitierte das Unternehmen vom WM-Image, ohne einen Cent für Lizenzgebühren an die Veranstalter zu zahlen. Bei der WM in Frankreich 1998 fungierte McDonalds allerdings als offizieller Sponsor. Während McDonalds neben Adidas und Coca Cola noch zu den Gewinnern im Bereich Eventsponsoring gehörten, waren diejenigen, die statt Event- TV-Programm-Sponsoring betrieben, diejenigen, die den meisten Nutzen aus der Fußball-WM 1998 extrahierten.
Verschiedene empirische Untersuchungen im Anschluss an die Fußball-WM 1998 kommen zu teilweise ernüchternden Ergebnissen für die offiziellen Sponsoren. Nach Erhebungen der Kölner Gesellschaft für kreative Marktforschung Sport + Markt konnten sich über 50 % der Europäer an keine der Bandenwerbungen erinnern. Nach einer Umfrage des Bielefelder Marktforschungsinstitutes Emnid im Auftrag der Düsseldorfer Werbeagentur BBDO konnten die meisten Konsumenten nicht zwischen offiziellen Sponsoren und unbeteiligten Unternehmen unterscheiden. So wurde der Kreditkartensponsor der WM 1998 Mastercard nach verschiedenen Studien häufig mit dem Konkurrenten VISA verwechselt. Allerdings kam eine Studie zu den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta unter vertauschten Vorzeichen zum selben Ergebnis. 1122n
Guerilla-Aktionen sind oft eine Gratwanderung; man bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone. Denn Guerilla-Marketing lebt vom Überraschungseffekt. Deshalb schrecken die „Untergrundkämpfer“ in Einzelfällen selbst vor Rechtsbruch nicht zurück. Langwierige Genehmigungsverfahren bremsen Guerilla-Aktionen oder bedeuten gar deren Aus. Deshalb nehmen Agenturen bisweilen bewusst Konflikte mit dem Gesetzgeber oder Ärger mit Veranstaltern in Kauf. Es folgt ein Praxisbeispiel zum Guerilla-Marketing: Beispiel Die US-Werbeagentur GoGorilla hat sich vorgenommen, möglichst jeden reklamefreien Fleck der Welt mit Anzeigen zu versehen. Sie klebt Anzeigen auf echte Dollarnoten, die sie dann hunderttausendfach in Umlauf bringen will.
Mehr Informationen zu Guerilla-Aktionen finden Sie unter: http://www.guerilla-marketing-portal.de. Aber auch, wenn eine Ambush- oder Guerilla-Maßnahme nicht von Natur aus rechtlich illegal ist, werden durch Gesetze und Rechtsprechung Schranken gesetzt. Dazu ein Fallbeispiel: 450
IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
Teil H
Beispiel Die Fußballweltmeisterschaft 2006 wird von einem großen Telekommunikationsunternehmen als Hauptsponsor unterstützt. Der Sponsoringvertrag sieht vor, dass der Sponsor branchenspezifische Exklusivität genießt, das heißt, neben ihm dürfen keine anderen Unternehmen aus dem weiteren Kreis der Telekommunikationsunternehmen über Zelte, Markisen, Sonnenschirme, Banner, Logos oder Werbematerialien lokal, regional und überregional oder durch technische Übertragung oder Projektion den Werbewert des Hauptsponsoren verwässern.94 Während es in München zu einer der attraktivsten Paarungen des Wettbewerbes kommt, schließt ein lokaler Veranstalter mit einem ortsansässigen Kommunikationsunternehmen in Stadt Y einen Sponsorenvertrag ab, der vorsieht, dass während einer Übertragung auf Großleinwänden Logo- und Bannerwerbung dieses Unternehmens omnipräsent ist. Auf dem öffentlichen Marktplatz, auf dem die Videowall steht, werden Werbeflyer verteilt, es gibt Fußballpreisausschreiben und Sonnenschirme mit dem Logo des Ambushers. Über Satellit wird während der Veranstaltung live nach Y geschaltet. Dies führt dazu, dass einige Minuten lang über die Stadionbildschirme das Logo des konkurrierenden Unternehmens deutlich sichtbar kommuniziert wird. Alternative 1 In unmittelbarer Umgebung des Stadions verteilen Mitarbeiter des Ambush-Unternehmens kostenlose Hüte und Fähnchen mit den Landesfarben der verschiedenen auf der Veranstaltung vertretenen Nationen sowie dem Logo des Ambushers. Alternative 2 Über dem Stadiongelände wird ein riesiger Zeppelin eingesetzt, der nach der corporate identity eines Ambushers gebranded ist. Wie ist die Rechtslage?
Aufgrund der Verträge zwischen Medienanstalt und Betreibern von Großbildschirmen ist die zuerst genannte Ambush-Aktion klar rechtswidrig, während die beiden Alternativkonstellationen rechtlich unangreifbar sind. Das Verteilen von Werbematerial außerhalb des eigentlichen Veranstaltungsbereiches und einer etwaig vorhandenen Bannmeile in Alternativfall 1 ist der Exklusivität der offiziellen Sponsoren entzogen. Außerdem können die Besucher der Veranstaltung nicht daran gehindert werden, über Hüte, Schals oder Fahnen Fremdwerbung auf das Veranstaltungsgelände zu bringen. Die vertraglichen Regelungen sowie die Gesetze gegen den unlauteren Wettbewerb verhindern den werblichen Auftritt der Sponsorenkonkurrenz auf dem Veranstaltungsgelände und während der Übertragung des Events auf öffentlichen Großbildschirmen, nicht aber alle Werbeaktionen die während eines medienrechtlichen Großevents wie einer Fußballweltmeisterschaft stattfinden. Auch im Alternativfall 2 ist die Ambush-Maßnahme rechtlich nicht angreifbar, denn der öffentliche Luftraum ist nicht Bestandteil der Stadionexklusivität. Allerdings ist die Variante mit gebrandetem Zeppelin oder Heißluftballon aufgrund der hohen Kosten keine klassische Ambush-Maßnahme. Allerdings sollte ein Ambusher, der an der Legalität seiner Aktionen interessiert ist, auf der Hut sein, Werbung zu kommunizieren, die Ähnlichkeiten mit den 94 Siehe zum Sponsoringvertrag auch Rz. 272 ff.
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Teil H
Event und Medien
offiziellen Emblemen, Maskottchen und Logos der jeweiligen Veranstaltung aufweist. Jede Form von optischer Verwechslungsgefahr mit offiziellen Sponsoren sowie die Verwendung von Formulierungen, die eine Irreführung der Werbungsadressaten im Hinblick auf eine offizielle Sponsorschaft auslösen können, sind weiterhin illegal. Hier besteht die Gefahr einer Verletzung von Markenund Urheberrechten (Markengesetz und Urheberrechtsgesetz) oder eines Verstoßes gegen das UWG.95 Mit Fokus auf die Fußball-WM 2006 in Deutschland hatte die FIFA eine sog. Task Force und andere Rights Protection Programme eingerichtet, die die Interessen der offiziellen Sponsoren und der Veranstalter schützen sollten. Ein Netzwerk von hauptamtlichen Angestellten und Anwälten sollte den weltweiten Schutz des FIFA-Logos, der Marken, des Merchandising und anderer Vermarktungsrechte in den Stadien wie Ticketing, Bandenwerbung und Hospitality schützen. 1122o
Die Abwehrmaßnahmen von Sponsoren, Veranstaltern und Rechteinhabern stellen eine Kombination aus Präventiv- und Gegenmaßnahmen dar. Schutzmaßnahmen sind 1. rechtliche Absicherung durch entsprechende Vertragsgestaltung – Sicherung der Exklusivität, Ambush Protektion; 2. rechtliche Absicherung und Grundlage durch Registrierung von Logos, Symbolen, Namen, Slogans, etc.; Definition der „Bannmeile“ (Protected Area); 3. „Education and Shaming Strategy“ – Warnung und Aufklärung der Mitbewerber bzw. der Öffentlichkeit, „Partner Recognition Programs“; 4. „Anti Ambush Committees“ (Rechteinhaber, Veranstalter, öffentliche Institutionen und Verwaltung, Sponsoren, etc.); 5. „Monitoring“, das bedeutet die Durchforstung von Printmedien, TV, Internet, etc. im Hinblick auf verdeckte Werbeaktionen der unmittelbaren und mittelbaren Konkurrenten und deren Aktivitäten in den Märkten; 6. „Anti Ambush Action Teams“ vor Ort. Der Internationale Fußballbund hatte für die WM 2006 präventiven Schutz vor Ambush-Maßnahmen in Form von sog. „Defensiv-Marken“ installiert. Hierbei wurden die aktuellen FIFA-Marken und -Logos in einer Vielzahl von potentiellen Variationen geschützt, um im Falle einer Verwechslungsgefahr durch ähnliche Konkurrenzkreationen, die sich nur in Darstellungsteilen oder Farbvarianten von den offiziellen Logos unterscheiden, einstweiligen Rechtsschutz zu erhalten. Langwierige Klageverfahren auf Unterlassung würden dazu führen, dass die Masse der potentiellen Rechtsverletzungen erst nach dem eigentlichen Event rechtlich entschieden würde. Ein solches Schwert wäre stumpf, da der Ambusher oder Guerilla dann bereits Werbewirkung erzielt bzw. die eigene Werbung verwässert hätte.
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Ein Verstoß gegen bestehende Sponsoringverträge kann verschiedene Rechtsfolgen auslösen. Der Veranstalter ist dem Sponsor neben dem Verletzer primär ver95 Vgl. hierzu auch Rz. 1055 ff.
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IV. Medienrechtliche Grundlagen bei Events
Teil H
antwortlich. Das bedeutet, die Verletzung der Sponsorenexklusivität kann beispielsweise eine im Sponsoringvertrag näher bestimmte Vertragsstrafe auslösen. Diese muss vom Veranstalter als Vertragspartner des Sponsors gezahlt werden. Neben dem Veranstalter ist auch der Verletzer, soweit er erkennbar Rechte des Sponsors verletzt, rechtlich verantwortlich. Die rechtlichen Möglichkeiten bei einer Vertrags- oder Markenverletzung sowie einem Wettbewerbsverstoß sind:96 – Die strafbewehrte Unterlassungserklärung – Die einstweilige Verfügung – Die kombinierte Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzklage Für Ansprüche, die nicht warten können, wie dies oft bei Ansprüchen auf Unterlassung, Duldung oder Herausgabe der Fall ist, wie bei Verletzung eines Vertrages (zB Sponsorenexklusivität), einer Bezeichnung (zB offizieller Ausrüster der Fußball-EM 2008) oder einer Marke (zB Olympialogo) kurz bevor oder während einer Eventmarketingmaßnahme, ist ein Klageverfahren zu langsam. In diesen Fällen kann eine einstweilige Verfügung beantragt werden. Das einstweilige Verfügungsverfahren erfordert neben dem Verfügungsanspruch auch einen Verfügungsgrund, der die besondere Eilbedürftigkeit ausmacht. Ein Verfügungsanspruch ist ein nicht auf eine Geldforderung gerichtetes subjektives Recht, dessen Verwirklichung durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung gesichert werden soll. Ein Verfügungsgrund besteht in der Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann. Sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund müssen glaubhaft gemacht werden. Dies geschieht i.d.R. über eine eidesstattliche Versicherung. Da die einstweilige Verfügung nur der kurzfristigen vorübergehenden Sicherung einer Rechtsposition dienen soll, kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch (zB Anwaltskosten, Lizenzgebühr) erst im Wege einer anschließenden Klage geltend gemacht werden. Auch bei kollidierenden Sponsoren kann möglicherweise Spielraum für eine gütliche Einigung bestehen. Denkbar ist eine sog. Duldungsvereinbarung, die es dem Rechte des Sponsors verletzenden Unternehmen ermöglicht, gegen Zahlung einer finanziellen Entschädigung, weiterhin werbend präsent zu sein. Vor, während und im Nachgang zu jeder Eventmarketingmaßnahme ergeben sich rechtliche Fragen. Diesen kann im Vorfeld durch vorausschauendes Branding, Erstellung guter, vorausschauender Verträge und Geschäftsbedingungen sowie die rechtzeitige Beteiligung von Behörden begegnet werden. Haftungsrisiken müssen im Wege der Gefahrenanalyse aufgedeckt werden. Ein gutes Risk-Management in Form von präventiven Maßnahmen im Zusammenspiel mit dem richtigen Versicherungspaket sorgt für einen ruhigen Puls vor, während und nach dem Event. 96 Siehe hierzu auch Rz. 1092 ff.
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Teil H
Event und Medien
Die Verletzung rechtlicher Grenzen durch die Konkurrenz muss erkannt und dieser muss zur Sicherung des eigenen Rechtsbereiches begegnet werden. Eine rechtliche Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt sollte daher als feste Größe in jedes Veranstaltungsbudget einfließen. Das Scheitern eines Events aufgrund rechtlicher Vorschriften in Unwissenheit des Werbenden hinsichtlich des rechtlichen Könnens und Dürfens ist sicherlich eines der ärgerlichsten, aber gleichzeitig am leichtesten zu verhindernden Hemmnisse auf dem Weg zu einem gelungenen Marketingevents. Checkliste Branding Welchen Namen bzw. welche Bezeichnung wähle ich für meine Veranstaltung/ meine Agentur? Ist der Name bzw. die Bezeichnung noch frei oder verletze ich Rechte Dritter? fi Anfrage bei der örtlichen IHK fi Firmennamen-/Markenrecherche Wie schütze ich meine Interessen? fi Markenanmeldung beim Deutschen Marken- und Patentamt fi Domainreservierung bei der DENIC Wie verteidige ich gesetzliche oder erworbene Rechte? fi Strafbewehrte Unterlassungserklärung an Konkurrenten fi Anrufen der Einigungsstelle zur Beilegung von Wettbewerbsstreitigkeiten bei der IHK fi Dispute-Antrag bei der DENIC
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Teil I Event und Umwelt Beispiel I. Wendt wird von der örtlichen Interessenvereinigung der Winzer mit der Organisation eines Weinfestes einschließlich volkstümlicher Musikveranstaltung und Feuerwerk in der Altstadt beauftragt. Die Altstadtbewohner wollen ein derartiges Spektakel wegen der zu befürchtenden Belästigungen unterbinden und erwägen, ein Verbot der Veranstaltung im Wege der einstweiligen Verfügung zu erwirken. I. Wendt stellt folgende Erwägungen an: Wie lange darf die Veranstaltung dauern? Wann muss das geplante Feuerwerk zu Ende sein? Wer ist für die Abfallbeseitigung verantwortlich?
I. Einführung Das Interesse der Großunternehmen am Werbemedium Event wächst. Im gleichen Maße wächst die Belastung für die Umwelt. Die Harmonisierung von Veranstaltung und Umwelt stellt an den Veranstalter hohe Anforderungen.
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Der Begriff Umwelt hat für den Veranstalter zwei Komponenten. Auf der einen Seite steht der Begriff Umwelt in seiner ökologischen Bedeutung, also der Naturschutz. Andererseits gehören auch Nachbarn, Anwohner und andere Dritte zur Umwelt. Deren Belange und Bedürfnisse müssen bei der Planung eines Events berücksichtigt werden.
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II. Event und Naturschutz Viele der unmittelbaren und mittelbaren Folgen für die Umwelt sind für den Veranstalter bei Planung und Vorbereitung eines Events noch nicht absehbar. Als Beispiel für eine veranstaltungsspezifische Umweltproblematik soll die Love Parade dienen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es sich bei der Love Parade um eine konventionelle Veranstaltung und nicht um eine Demonstration handelt1.
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Hier entwickelte sich eine als Polit-Happening initiierte Veranstaltung mit wenigen hundert Teilnehmern innerhalb von neun Jahren zum Millionenspektakel mit Kultstatus. Parallel zu dem betriebswirtschaftlichen Gewinnzuwachs für Stadt und Veranstalter (nach Schätzungen ca. 100 Mio. Euro), stieg auch das Maß der Umweltbelastungen.
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1 BVerfG v. 12.7.2001 – 1 BVQ 28/01 und 1 BvQ 30/01, NJW 2001, 2459 = DÖV 2001, 907. Siehe dazu auch Rz. 632 ff. und 685.
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Teil I
Event und Umwelt
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In vielen deutschen Städten nehmen die Großveranstaltungen zu. Marathonläufe, Straßenfeste, Festivals, Jahrmärkte oder die traditionellen Schützenfeste und Karnevalszüge ziehen viele Menschen an. Kehrseite der Medaille ist, dass die öffentlichen Grünanlagen, wie Parks, Straßenbäume oder Pflanzrabatten an Straßen in Mitleidenschaft gezogen werden.
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Das Berliner Pflanzenschutzamt hat in einer bundesweit einzigartigen Langzeitstudie über 10 Jahre die Belastungen und Schäden für öffentliche Grünanlagen durch Großveranstaltungen an Veranstaltungsstätten in Berlin untersucht und festgehalten, welche Schäden entstehen und wie man sie beheben kann. Seit 1989 fand mit Ausnahme der Jahre 2004/2005 (fehlende Sponsoren) jeden zweiten Samstag im Juli die Love Parade in Berlin statt. Seit 2007 wird die Love Parade mit wachsendem Erfolg für einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren im Ruhrgebiet (Essen 2007, Dortmund 2008 – geplant: Bochum 2009, Duisburg 2010, Gelsenkirchen 2011) durchgeführt. Eine Veranstaltung in der Größenordnung der Love Parade mit mehr als einer Millionen Ravern bringt natürlich Umweltprobleme mit sich. Immer wenn Massen sich auf einem Punkt konzentrieren, ist eine punktuelle Belastung des Bodens gegeben und je öfter sich dieses Ereignis im Jahr wiederholt, desto dramatischer ist eine entsprechende Bodenverdichtung.
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Bodenverdichtung bedeutet, dass das Erdreich fest zusammengepresst wird, durch Fahrzeuge, Stände oder einfach, in dem viele Menschen am selben Ort anwesend sind, gehen, tanzen oder auch nur stehen. Durch die so verdichtete Erde gelangt nicht mehr ausreichend Sauerstoff und Wasser an die Wurzeln der Pflanzen. Langfristig können diese absterben. Was so für Rasenflächen langfristig negative Auswirkungen hat, ist in Parkanlagen dagegen nicht dramatisch, wie die Studie gezeigt hat. Der Boden bleibt nicht lange verdichtet, weil die Baum- und Strauchwurzeln den Boden nach kurzer Zeit wieder auflockern.
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1997 zertrampelten die Technofans im Tiergarten 1 200 Sträucher und 2 450 qm Rasen. Ebenfalls während der Love Parade wurde eine im Gartendenkmal Tiergarten befindliche durchgehende Hecke, schon bei der ersten Veranstaltung lückenhaft und mit den Folgeveranstaltungen praktisch partiell zerstört, denn vorhandene Lücken werden bei mehrfacher Wiederholung solch einer Veranstaltung immer mehr erweitert.
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In der Studie sollte auch geklärt werden, wie schädlich der Urin der Veranstaltungsteilnehmer für Boden und Pflanzen ist. Nach der Studie findet man punktuell, am Baum oder an bestimmten Sträuchern hohe Mengen an Salzen, wo mehrere Personen sich erleichtert haben. Aber gerade im Sommer, ist nach wenigen Tagen der Urin praktisch abgebaut, zerlegt, von der Pflanze aufgenommen. Sowohl die Flüssigkeit wie auch die enthaltenen Salze werden demineralisiert und so wieder an die Luft abgegeben. Auch eine Studie der Sieger des Wettbewerbes „Jugend forscht“ kam im Jahre 2001 zu dem Ergebnis, dass die riesigen Urinmengen der Love Parade Teilnehmer nicht zu einer dauerhaften Schädigung der Bodenflora führen.
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Dagegen ist das Öl, welches aus Fahrzeugen und Maschinen tropft, selbst wenn es nur geringe Mengen sind, ein schweres ökologisches Problem. Schon ein 456
II. Event und Naturschutz
Teil I
Tropfen Öl kann bis zu 1 000 Liter Wasser verunreinigen. Auch zertretene Sträucher und Hecken erholen sich sehr langsam. Im Jahr 1998 wurde das weltweit größte Tanzspektakel wegen explodierender Besucherzahlen vom ursprünglichen Veranstaltungsort Kurfürstendamm in zwei unterschiedliche Züge unterteilt, die vom Ernst-Reuter-Platz und vom Brandenburger Tor aus zur Abschlusskundgebung an der Siegessäule führten.
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Unabhängig von der enormen Geräuschbelastung durch ca. fünfzig mit riesigen Lautsprechern bestückten Paradewagen, Tausende von Trillerpfeifen und singende Menschenmassen ist die Entsorgung des anfallenden Mülls Problem Nr. 1.
1134
Beispiele Bei den Love Parades der letzten Jahre war durch weggeworfene Getränkebecher, -dosen und -flaschen, Pappteller, Plastikbesteckteile etc. ein riesiger Müllberg an den drei Hauptveranstaltungstagen entstanden. Die Beseitigung wurde teilweise mit Schneepflügen bewältigt. Insgesamt wurden von der Berliner Stadtreinigung und einer privaten Entsorgungsfirma 250 Fahrzeuge und 800 Hilfskräfte eingesetzt, um die Folgen des TechnoEvents zu beseitigen (Kostenpunkt: ca. 200 000–250 000 Euro). Die Stadt Berlin hat vor dem Verwaltungsgericht eine finanzielle Beteiligung der Veranstalter an der Abfallbeseitigung erstritten. Die Veranstalter wurden verpflichtet, entlang der Veranstaltungsstrecke Müllcontainer aufzustellen. Im Jahr 2002 sammelte die Berliner Stadtreinigung trotz starken Besucherrückgangs von 1,3 Mio. im Jahr 2001 auf 700 000 Besucher 140 Tonnen Müll an der Strecke. Allein die Reinigung des Tierparks kostete im Jahr 2002 80 000 Euro. Diese Kosten übernahmen die Veranstalter. An der Straßensäuberung beteiligten sie sich mit weiteren 60 000 Euro. Auch beim Kölner Ringfest, dem weltweit größten Musikfestival, ist der Müll ein Problem. Jährlich fallen 100 Tonnen Abfall an. Bereits während der Großveranstaltung sorgen mobile Einsatztruppen der Kölner Abfallwirtschaft für Ordnung. Seit 2002 werden bereits nachts viele Häuserwände mit Hochdruckreinigern abgespritzt, um den ätzenden Uringeruch zu beseitigen. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Love Parade 1997 hatte keinen Erfolg.2 Das Gericht ließ dabei die Frage offen, ob die Love Parade als eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel, ein Aufzug iS von §§ 14, 15 VersammlG oder als kommerzielles Musik- und Tanzfest einzustufen ist, die somit einer straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO und nach dem Berliner Straßengesetz (BerlStrG) bedurfte. Es entschied aber, dass öffentliche Vergnügungsveranstaltungen wie die Love Parade grundsätzlich verboten sind, wenn von ihnen störende Geräusche für Dritte zu erwarten sind. Allerdings könne die zuständige Behörde von diesem Verbot gemäß § 8 Abs. 1 der Berliner Verordnung zur Bekämpfung des Lärms (BerlLärmVO) eine Ausnahme machen, wenn das beantragte Vorhaben im Einzelfall Vorrang vor den schutzwürdigen Belangen Dritter haben muss. In gleicher Weise entschied das OVG Berlin in einem Fall, in dem eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 8 Abs. 1 BerlLärmVO für ein traditionelles Pfingstkonzert erteilt worden war.3 Auch hier musste der klagende Nachbar eine lediglich vorübergehende Beeinträchtigung seiner Wohnruhe wegen des überwiegenden Interesses der übrigen Bevölkerung hinnehmen. In Bezug auf die Massenveranstaltung Weltjugendtag 2005 in Köln zogen die Veranstalter eine positive Umweltbilanz, die Begrenzung der ökologischen Belastung bei Strom, Was2 OVG Berlin v. 4.7.1997 – 1 SN 154/97, NJW 1998, 1423. 3 OVG Berlin v. 12.3.1991 – 2 B 17/89, NVwZ-RR 1992, 69.
457
Teil I
Event und Umwelt
ser, Verpflegung und Verkehr sei nach dem Umweltbericht „in hohem Maß gelungen“. So ist beispielsweise zur Vermeidung von Lärm und Abgasen der Strom für die Abschlussveranstaltung auf dem Marienfeld weitgehend aus dem Festnetz bezogen worden.
1135
Auch Sportveranstaltungen werden in Bezug auf ihre Umweltverträglichkeit rechtlicher Prüfung unterzogen.4 So wurden in Hessen und Baden-Württemberg die Genehmigungen zur Durchführung zweier Moto-Cross-Rennveranstaltungen versagt. Beispiel Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel versagte die Genehmigung für die „29. DMV-Odenwälder Moto-Cross-Veranstaltung“ unter Berufung auf das Hessische Naturschutzgesetz (HessNatSchG) und die Landschaftsschutzverordnung (LSchVO). Das geplante MotoCross-Rennen hätte nach Auffassung des Gerichtes zu folgenden Beeinträchtigungen geführt: – Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes: verstärkte Abgasbelastung während der Veranstaltung, erhebliche Fahr- und Trittschäden an der Vegetation und der Bodendecke, Beunruhigung und Vertreibung verschiedener Tierarten in der Anfangsphase der Setz-, Vegetations- und Brutzeit; – Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes: parkende Autos im Umkreis von bis zu 500 m vom Veranstaltungsort, Anlage des dicht beparkten Fahrerlagers direkt am Waldrand, Zelte, Fahnen, sonstige Einrichtungen im Bereich des Veranstaltungsgeländes am Waldrand in exponierter Lage; – Beeinträchtigungen des Erholungswertes: erhebliche Lärmentwicklung, erheblicher Kfz-Verkehr auf allen Zufahrtswegen, Errichtung von Parkplätzen, Absperrungen etc. in der Umgebung des Veranstaltungsortes. Nach Auffassung des Gerichts könne auch eine Genehmigung unter einer Vielzahl von Auflagen oder Bedingungen die Verwirklichung der Verbotstatbestände nicht verhindern.5 Beispiel Mit ähnlicher Begründung versagte auch der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Erlaubnis für ein Moto-Cross-Rennen eines eingetragenen Motorsport-Clubs. Das Landratsamt Mannheim hatte die Veranstaltung als zuständige Kreispolizeibehörde unter Hinweis auf § 1 der Polizeiverordnung des Innenministeriums über die Erlaubnispflicht für Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen außerhalb öffentlicher Straßen verboten. Gegen diese Entscheidung erhob der Motorsport-Club Klage. Die Richter bestätigten in der Berufungsverhandlung die Versagung der Erlaubnis und begründeten ihre Entscheidung mit den erheblichen Beeinträchtigungen für Naturhaushalt und Landschaftsbild. Der Fahrbetrieb zerstöre das Bodengefüge und schaffe flächige Ansätze für Erosionen. Der massierte Schadstoffausstoß verstärke die allgemein auftretenden Wald- und Bodenschäden. Außerdem läge in der Nähe des geplanten Rennrundkurses ein Wasserschutzgebiet, so dass bei Unfällen Beeinträchtigungen für das Trinkwasser nicht ausgeschlossen werden könnten. Weiterhin führe eine derartige Veranstaltung zu einer Schädigung der Pflanzen- und Tierwelt. Die Inanspruchnahme größerer Flächen durch Belegung von Park-, Abstell- und Wartungsflächen führe zu Landschaftswunden, die nur langsam rekultiviert werden könnten. Letztlich würde das Nah- und Ferienerholungsgebiet mit seinen Wanderwegen in seiner Erholungseignung stark eingeschränkt.6 4 Siehe zur genehmigungsrechtlichen Komponente auch Rz. 630 ff. 5 VGH Kassel v. 17.3.1988 – 4 ZG 1104/88, NVwZ 1988, 1047. 6 VGH Mannheim v. 25.6.1986 – 1 S 3262/85, NVwZ 1988, 166.
458
II. Event und Naturschutz
Teil I
Aufgrund dieser Entwicklungen weichen deutsche Motorsportvereine mit ihren Fahrveranstaltungen immer mehr ins Ausland, vorwiegend in osteuropäische Länder wie Ungarn und Rumänien aus, wo die Umweltschutzbestimmungen weniger streng gehandhabt werden.
1136
Aber nicht nur Motorsportveranstaltungen am Boden bringen Umweltprobleme mit sich. Auch die Durchführung von Flugtagen und Luftveranstaltungen ist nicht erst seit Ramstein auf Kritik gestoßen.
1137
Beispiel Das Verwaltungsgericht Freiburg hat entschieden, dass eine Luftveranstaltung wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ganz oder teilweise zu versagen ist, wenn gegen naturschutzrechtliche Verbote in einer Natur- bzw. Landschaftsschutzverordnung verstoßen wird. Insbesondere die Beeinträchtigung der Vogelwelt durch die Vorführungen militärischer Strahljets der Kunstflugstaffel „Red Arrows“ falle ins Gewicht. Die Veranstaltung sollte in unmittelbarer Nähe eines Naturschutzgebietes stattfinden, welches als Raststätte für Zugvögel vor ihrem Flug über die Alpen dient. Allerdings wies das Gericht darauf hin, dass nicht der 17minütige Flugbeitrag der Kunstflugstaffel verbotsrelevant war. Bei einer prognostizierten Zuschauermenge von 20–40 000 Menschen sei schon aufgrund der Besucher, der Flugsportvorführungen, der Lautsprecheransagen und dem mit Fahrzeugverkehr verbundenen Lärm eine empfindliche Störung des Naturschutzgebietes zu erwarten.7
Im November 2007 ist das neue Umweltschadengesetz (USchadG) in Kraft getreten. Das Gesetz gilt für Umweltschäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht werden, die ab dem 30.4.2007 stattgefunden haben (sog. unechte Rückwirkung). Rund 4 Millionen Unternehmer in Deutschland sehen sich spätestens seit November 2007 mit neuen Haftungsbedingungen konfrontiert. Das Umweltschadengesetz, welches nach über 15-jähriger Beratung aus der Umsetzung der EU-Umwelthaftungsrichtlinie hervorging, wurde nun in nationales Recht umgesetzt. Umweltschäden haben oftmals mehrere Verursacher. Dies liegt meist an der räumlichen Nähe mehrerer Schadensquellen und vor allem auch an der zeitlichen Abfolge von Umweltschäden. Man muss allerdings bedenken, dass beim Umweltschadensgesetz hinsichtlich der Verursachung die weniger strengen Grundsätze des Polizeirechts herangezogen werden. Insofern reicht zur Beurteilung der Verursachung bereits die Mitverursachung aus. Verantwortlich ist jede natürliche oder juristische Person, die eine berufliche Tätigkeit ausübt oder bestimmt und dadurch unmittelbar einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht. Im Gegensatz zum Umwelthaftungsgesetz muss die Behörde allerdings den vollen Beweis für einen Umweltschaden erbringen, da keine Ursachenvermutung zu Lasten des Betreibers erfolgt. Das Umweltschadengesetz umfasst – die Artenvielfalt (nach dem Bundesnaturschutzgesetz), – die natürlichen Lebensräume (nach dem Bundesnaturschutzgesetz), – die Gewässer (nach dem Wasserhaushaltsgesetz), – den Boden (nach dem Bundesbodenschutzgesetz), welche durch einen Schaden geschädigt werden könnten. 7 Siehe dazu auch Rz. 878a.
459
1137a
Teil I
Event und Umwelt
1137b
In Deutschland existieren auch heute schon zahlreiche Gesetze, welche sich zumindest mittelbar auf die Umwelt beziehen. Die bislang bestehenden Gesetze wie das Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) oder das zivilrechtliche Deliktsrecht beschäftigten sich jedoch vordergründig mit den Schadensersatzansprüchen, welche einen Personenschaden (gesundheitliche Beeinträchtigung) oder den Sachschaden einer Person betreffen. Für das Umwelthaftungsgesetz kam es lediglich auf die Tatsache an, dass das Schadenereignis durch die Umwelt (Luft, Boden, Wasser) vermittelt bzw. übertragen wurde. Sinn und Zweck des Umweltschadensgesetzes ist nunmehr der Schutz der Umwelt selbst. Der bislang gar nicht oder aber nur am Rande berücksichtigte, ökologische Schaden ist das zentrale Motiv des neuen Umwelthaftungsgesetzes. Anspruchsteller ist hier die Behörde und nicht mehr wie bisher ein geschädigter Dritter in Form einer natürlichen oder juristischen Person. Geschützt wird die Natur im öffentlichen, als auch im privaten Eigentum. Das Umweltschadensgesetz dient insofern – der Vermeidung von drohenden Umweltschäden sowie – der Sanierung von erfolgten Umweltschäden.
1137c
Derjenige haftet verschuldensunabhängig, der beispielsweise durch den Betrieb bestimmter genehmigungspflichtiger Anlagen (zB Anlagen der Energiewirtschaft oder Anlagen für die Herstellung oder Bearbeitung von Metallen) oder infolge der Herstellung, Lagerung oder Verwendung gefährlicher Stoffe (zB Chemikalien, Pflanzenschutzmittel, Biozide) Umweltschäden verursacht. Alle anderen, die keine berufliche Tätigkeit nach Anlage 1 zum Umweltschadensgesetz ausüben, haften nur bei Verschulden. Somit ist der Bereich der verschuldensunabhängigen Haftung für die Eventbranche nicht wirklich ein Thema.
1137d
Die Risikosituation ist individuell von Betrieb zu Betrieb verschieden. Sie wird von zahlreichen Risikofaktoren bestimmt. Wesentliche Risikofaktoren sind Betriebscharakter, Anlagenbestand, unmittelbare örtliche Gegebenheiten (zB Bodenbeschaffenheit, erhöhte Brand- und Explosionsgefahr) sowie Umgebungsverhältnisse (zB Nähe zu Schutzgebieten, dort vorhandene Tier- und Pflanzenarten). In Bezug auf Veranstaltungen bedeutet dies, dass insbesondere Veranstaltungen, die – die Umwelt durch hohes Müll- oder Schadstoffaufkommen schädigen können und – in sensiblen Gebieten wie Naturschutzzonen stattfinden, zu einer Haftung des Veranstalters gemäß USchadG in Frage kommen. Für Veranstaltungen, die solche Risiken in sich bergen, lohnt sich der Abschluss einer Umweltschadenversicherung.8 Wenn ein Umweltschaden eintritt oder eine unmittelbare Gefahr besteht, muss der Verantwortliche die zuständige Behörde umgehend informieren. Daneben müssen alle zumutbaren Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen ergriffen werden. Wie und in welchem Umfang eine Sanierung zu erfolgen hat, bestimmt im Wesentlichen 8 VG Freiburg v. 28.1.1987 – A 13 S 640/86, NVwZ 1988, 277.
460
III. Event und Nachbarschutz
Teil I
das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). An Stelle einer direkten Sanierung können auch Ausgleichssanierungen an einem anderen Ort als dem Schadensort erfolgen. Der Schaden an der Umwelt muss saniert werden – unabhängig von individuellen Interessen. Art und Umfang der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen werden von der Behörde festgelegt. Die konkrete Planung und Durchführung der Sanierungsmaßnahme erfolgt durch den verantwortlichen Verursacher selbst. Wer den Schaden verursacht hat, muss auch die daraus resultierenden Kosten tragen. Diese Regelung ergibt sich aus dem deutschen Polizeirecht. Eine Kostenbefreiung ist nur in wenigen Ausnahmefällen möglich.
III. Event und Nachbarschutz Beispiel In einer Entscheidung des OVG Münster wurde der Klage gegen die Genehmigung eines Volks- und Heimatfestes einschließlich Kirmes statt gegeben.9 Das OVG stellte dabei fest, dass die §§ 69, 69a GewO relativ nachbarschützenden Charakter besitzen. Die Festsetzung eines Volksfestes sei ein Verwaltungsakt, der sich an den Veranstalter richtet und unbeschadet sonstiger öffentlich-rechtlicher Erlaubnis-, Genehmigungs- oder Anzeigeerfordernisse sowie privater Abwehransprüche ergeht. Eine solche Festsetzungsverfügung sei daher zumindest mitursächlich für eventuelle negative Auswirkungen auf Nachbargrundstücke des Festplatzes. Die Genehmigung einer Veranstaltung, die die Öffnung der Kirmes an vier Festtagen bis 24.00 Uhr und die Öffnung von Schützenzelt, Getränkepavillons, Imbisswagen und -ständen an drei Tagen bis 2.00 Uhr und am letzten Tag bis 1.00 Uhr erlaubte, bedeute einen schweren Verstoß gegen §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 LImSchG NW und damit gegen die öffentliche Sicherheit iS des § 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO. Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass der Veranstalter einer privaten Garten- und Grillparty für den von dieser ausgehenden Lärm, der iS von § 9 Abs. 1 LImschG NW die Nachtruhe zu stören geeignet ist, verantwortlich ist, auch wenn der Lärm nicht von ihm selbst, sondern von seinen Gästen aus geht.10 Dabei stellte das Gericht klar, dass eine die Nachtruhe störende Betätigung zwischen 22.00 und 6.00 Uhr auch nicht ausnahmsweise zu gelegentlichen persönlichen, beruflichen oder familiären Feiern zulässig ist. Der beim Grillen im Freien entstehende Qualm, der in Wohn- und Schlafräume Unbeteiligter in konzentrierter Form eindringt, wurde vom Gericht als erhebliche Belästigung durch Verbrennen von Gegenständen iS von § 7 Abs. 1 Satz 1 LImSchG NW bewertet.
Wie aus den Praxisfällen deutlich wird, kommt neben dem Problem der Umweltbelastung durch Verschmutzung und Natureingriffe, der nachbarrechtlichen Komponente (Anwohner, Anlieger, Nachbar, Mitmensch) eine immer größer werdende Bedeutung zu. Mit der Benutzung von Veranstaltungsörtlichkeiten und Freizeitanlagen sind häufig erhebliche Geräuschentwicklungen verbunden. Diese entstehen durch die Veranstaltung selbst, technische Einrichtungen (zB Lautsprecheranlagen, Motorsport), die Zuschauer (zB Beifall, Pfiffe) und durch das An- und Abfahren von Crew- und Besucherfahrzeugen.
9 OVG Münster v. 29.7.1983 – 4 A 1063/82, NVwZ 1984, 531. 10 OLG Düsseldorf v. 26.5.1995 – 5 Ss (OWi) 149/95, ZMR 1995, 415 = NVwZ 1995, 1034.
461
1138
Teil I 1139
Event und Umwelt
Der privatrechtliche Immissionsschutz ist in § 906 BGB geregelt. § 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe (1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in den Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben. (2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. (3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.
1140
Wesentliche Geräusch-Beeinträchtigungen gemäß § 906 BGB sind auch erhebliche Geräusch-Belästigungen gemäß §§ 3, 22 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).11 Als Geräuschimmissionen werden nach dem BImSchG alle auf den Menschen und seine Umwelt einwirkenden Geräusche bezeichnet (vgl. § 3 Abs. 2 BImSchG). Der Betroffene kann verlangen, dass schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG, also Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, verhindert werden.12
1140a
Um schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG handelt es sich, wenn die Geräuschimmissionen nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG). Der Staat ist verpflichtet, Schutz vor sowie Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu leisten. Der Erfüllung der Schutzpflicht kommt der Staat vor allem dadurch nach, dass er dafür Sorge trägt, dass bestimmte Immissionswerte eingehalten werden. Der Vorsorge dient die Ergreifung von Maßnahmen zur Lärmminderung nach dem Stand der Technik.
1140b
Die Europäische Union hat mit der Richtlinie RL 2002/49/EG13 Regelungen zu Geräuschimmissionen erlassen. Ziel der Richtlinie ist die Erfassung der Lärm11 BGH v. 23.3.1990 – V ZR 58/89, NJW 1990, 2465 = BGHZ 111, 63; Fritzweiler/Pfister/ Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Teil 5, Rz. 142. 12 VGH Mannheim v. 18.7.1995 – 3 S 1983/94, VBl.BW 1996, 108. 13 ABl. EG Nr. L 189, S. 12. Das Gesetz zur Umsetzung RL 2002/49/EG wurde am 24.6.2005 vom Bundestag beschlossen und am 29.6.2005 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, BGBl. I 2005, S. 1794.
462
III. Event und Nachbarschutz
Teil I
belästigung nach objektiven Kriterien sowie die Bekämpfung der Geräuschimmissionen. Die Festlegung von Grenzwerten für Geräuschimmissionen unterliegt dem Bewertungsspielraum der Mitgliedstaaten. Den Mitgliedstaaten wurde u.a. Folgendes aufgegeben: – Es sind strategische Lärmkarten zu erstellen. – Die Öffentlichkeit ist über die Schallbelastung sowie ihre Auswirkungen zu informieren. – Es sind Aktionspläne zur Lärmbekämpfung aufzustellen. – Die Europäische Kommission ist von den Mitgliedstaaten über die Schallbelastung der Bevölkerung zu informieren. Strategische Lärmkarten sind gemäß Art. 7 RL 2002/49/EG für folgende Bereiche aufzustellen. – Ballungsräume mit mehr als 250 000 Einwohnern – Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von mehr als sechs Millionen Fahrzeugen pro Jahr – Haupteisenbahnstrecken mit einem Verkehrsaufkommen von mehr als 60 000 Zügen pro Jahr
1140c
Ziel ist die umfassende Darstellung und Prognose des Lärms. Die Darstellung erfolgt anhand der mit der Richtlinie vorgegebenen Lärmindizes (LDEN und LNIGHT), mit denen eine europäische Vergleichbarkeit der Werte gewährleistet werden soll. Der Inhalt der RL 2002/49 wurde in das Bundesimmissionsschutzgesetz, in die §§ 47a–47 f BImSchG eingearbeitet. Die §§ 47a–47 f BImSchG beschränken sich auf die Bestimmung des Anwendungsbereichs, die Definition von Begriffen, die Regelung der Lärmkarten und Aktionspläne sowie die Zuständigkeit der Behörden zur Ausführung der Aufgaben. Nähere Ausführungen zu den in § 47 f BImSchG genannten Bereichen werden in Rechtsverordnungen geregelt. Für den Bereich der Kartierung von Umgebungslärm ist im März 2006 die 34. BImSchV (Verordnung über die Lärmkartierung) in Kraft getreten ist. Sie konkretisiert die in § 47c BImSchG gesetzten Anforderungen an Lärmkarten.
1140d
Die Erheblichkeit einer Lärmbelästigung hängt dabei nicht nur von der Lautstärke der Geräusche ab, sondern auch wesentlich von der Nutzung des Gebietes, auf das sie einwirken, von der Art der Geräusche und Geräuschquellen sowie von dem Zeitpunkt der Einwirkungen.14 Für den Grad der Belästigung kann weiterhin auch die Einstellung des Betroffenen zu der Geräuschquelle von Bedeutung sein. Bei der Beurteilung wird auf die Einstellung eines durchschnittlich empfindlichen Mitbürgers abgestellt, der allerdings auch Allgemeininteressen und gesetzliche Wertungen zu berücksichtigen hat.15
1141
14 Länderausschuss für Immissionsschutz NVwZ 1988, 135. 15 Zum „verständigen Durchschnittsmenschen“ vgl. Vieweg Der verständige Durchschnittmensch im privaten Nachbarrecht – Zur Wesentlichkeit iS des § 906 BGB, NJW 1999, 969 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; sowie BGH v. 20.11.1992 – V ZR 82/91– Frösche-Entscheidung, NJW 1993, 925 = MDR 1993, 488 = BGHZ 120, 239 (255).
463
Teil I
Event und Umwelt
1142
Ein Betreiber einer nach BImSchG nicht genehmigungsbedürftigen Anlage – wozu auch Veranstaltungsstätten zählen – muss diese gemäß § 22 Abs. 1 BImSchG so errichten und betreiben, dass 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, 2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und 3. die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
1143
Gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräusche können gemäß § 24 BImSchG Anordnungen getroffen werden.
1144
Die Inhalte des Bundesimmissionsschutzgesetzes und die zugehörige Durchführungsverordnung (BImSchV) werden auf Länderebene durch die einzelnen Länder-Immissionsschutzgesetze und die zugehörigen Rechtsverordnungen ergänzt, zB die 18. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes vom 18.7.199116 (18. BImSchV – Sportanlagenlärmschutzverordnung).
1145
Außerdem finden für den Bereich von Lärmimmissionen Richtlinien wie die Technische Anleitung-Lärm (TA-Lärm) und die VDI-Richtlinie 2058 Anwendung. Diese als Verwaltungsvorschriften eigentlich nur interne Wirkung entfaltenden Richtlinien, erlangen in ihrer Funktion als antizipiertes Sachverständigengutachten vor den Verwaltungsgerichten auch Außenwirkung.
1146
Die Lautstärke wird in der Einheit Dezibel A (dB [A]) gemessen. Dabei wird von außen ein Mikrofon 0,5 m vor der Mitte des geöffneten Fensters aufgestellt.
1147
Die TA-Lärm ist eine allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundes vom 16.7.1968.17 Sie gibt dem Richter bei Lärmprozessen einen allgemeinen Anhaltspunkt.18 Die VDI-Richtlinie 2058 ist in der Rechtsprechung als Ergebnis sachverständiger Erfahrung zur Beurteilung von Geräuschimmissionen im Rahmen des § 906 BGB anerkannt.19 Beispiel Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main entschied, dass der Veranstalter einer nach Versammlungsgesetz angemeldeten Nacht-Tanz-Demo, deren Route durch ein Mischgebiet führt, auf entgegenstehende Rechte Dritter Rücksicht nehmen muss. Eine städtische Auflage, die vorschreibt, dass für die Gesamtdauer der Veranstaltung die abgestrahlte Lautstärke bei allen Verstärkeranlagen auf 85 dB (A) Einwirkungswert in 15 m Entfernung beschränkt werden müsse, sei ungeeignet die grundrechtlichen Belange Dritter zu schützen.20
16 17 18 19 20
BGBl. I 1991, S. 1588, berichtigt S. 1790. Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 v. 26.7.1968. BGH, NJW 1968, 1858; Alheit, Nachbarrecht von A-Z, S. 244. BGH, NJW 1968, 1858. VG Frankfurt/M. v. 28.2.2001 – 5 G 4360/00, NVwZ 2001, 834 = NJW 2001, 1741.
464
III. Event und Nachbarschutz
Teil I
In den nachfolgenden Abbildungen werden die TA-Lärm und die VDI-Richtlinie 2058 abgedruckt. Eine Gefährdung der Nachbarschaft wird angenommen, wenn die angegebenen Immissionsrichtwerte überschritten werden.
1148
Abb. 58: Immissionsrichtwerte der TA-Lärm Schutzgebiete
Immissionsrichtwerte
Gebiete, in denen nur gewerbliche oder industrielle Anlagen und Wohnungen für Inhaber und Leiter der Betriebe sowie für Aufsichts- und Bereitschaftspersonal untergebracht sind
70 dB (A)
Gebiete, in denen vorwiegend gewerbliche Anlagen untergebracht sind
tagsüber 65 dB (A) nachts 50 dB (A)
Gebiete mit gewerblichen Anlagen und Wohnungen, in denen weder vorwiegend gewerbliche Anlagen noch vorwiegend Wohnungen untergebracht sind
tagsüber 60 dB (A) nachts 45 dB (A)
Gebiete, in denen vorwiegend Wohnungen untergebracht sind
tagsüber 55 dB (A) nachts 40 dB (A)
Gebiete, in denen ausschließlich Wohnungen untergebracht sind
tagsüber 50 dB (A) nachts 35 dB (A)
Kurgebiete, Krankenhäuser und Pflegeanstalten
tagsüber 45 dB (A) nachts 35 dB (A)
Wohnungen, die mit der Anlage baulich verbunden sind
tagsüber 40 dB (A) nachts 30 dB (A)
Abb. 59: Immissionsrichtwerte der VDI-Richtlinie 2058 Einwirkungsorte Einwirkungsorte, in deren Umgebung sich nur gewerbliche Anlagen und ggfs. Wohnungen für Betriebsinhaber oder Personal befinden
Immissionsrichtwerte 70 dB (A)
Einwirkungsorte, in deren Umgebung sich vorwiegend gewerbliche Anlagen befinden
tagsüber 65 dB (A) nachts 50 dB (A)
Einwirkungsorte mit gewerblichen Anlagen und Wohnungen, in deren Umgebung weder vorwiegend gewerbliche Anlagen noch vorwiegend Wohnungen untergebracht sind
tagsüber 60 dB (A) nachts 45 dB (A)
Einwirkungsorte, in deren Umgebung vorwiegend Wohnungen untergebracht sind
tagsüber 55 dB (A) nachts 40 dB (A)
Einwirkungsorte, in deren Umgebung ausschließlich Wohnungen untergebracht sind
tagsüber 50 dB (A) nachts 35 dB (A)
Kurgebiete, Krankenhäuser, Pflegeanstalten soweit sie als solche durch Orts- oder Straßenbeschilderung ausgewiesen sind
tagsüber 45 dB (A) nachts 35 dB (A)
Für die Problematik der sog. „seltenen Ereignisse“ halten die Gerichte die Richtlinien der TA-Lärm und VDI-Richtlinie 2058 für weniger geeignet, weil sie von einer Dauerschallbelastung ausgehen. Deshalb hat die VDI-Kommission 465
1149
Teil I
Event und Umwelt
Lärmminderung einen Arbeitsausschuss zur Erarbeitung einer Richtlinie zur Beurteilung der von Freizeitanlagen – einschließlich Sportanlagen – eingesetzt. Insoweit werden die Hinweise des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitlärm verursachten Geräusche (LAI-Hinweise21) und die Sportanlagen-Lärmschutzverordnung, welche indiziell auch Aussagekraft für die Bewertung von Lärmimmissionen seltener Festveranstaltungen beinhaltet, als geeigneter angesehen.22 Beispiel Dass die von Veranstaltungen in einem Dorfgemeinschaftshaus ausgehenden Lärmbelästigungen der Nachbarn wesentlich und daher zu unterlassen sind, ist bei Überschreitung der für die Örtlichkeit geltenden Vorgaben der TA-Lärm indiziert. Die Indizwirkung kann nach Ansicht des OLG Koblenz nur durch besondere Umstände aufgehoben sein.23 Abb. 60: Immissionsrichtwerte der LAI-Hinweise Schutzgebiete a) Gebiete, in denen nur gewerbliche oder industrielle Anlagen und Wohnungen für Inhaber und Leiter der Betriebe sowie für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen untergebracht sind,
1150
Immissionsrichtwerte 70 dB (A)
b) Gebiete, in denen vorwiegend gewerbliche Anlagen untergebracht sind,
tagsüber 65 dB (A) nachts 50 dB (A)
c) Gebiete mit gewerblichen Anlagen und Wohnungen, in denen weder vorwiegend gewerbliche Anlagen noch vorwiegend Wohnungen untergebracht sind,
tagsüber 60 dB (A) nachts 45 dB (A)
d) Gebiete, in denen vorwiegend Wohnungen untergebracht sind,
tagsüber 55 dB (A) nachts 40 dB (A)
e) Gebiete, in denen ausschließlich Wohnungen untergebracht sind,
tagsüber 50 dB (A) nachts 35 dB (A)
f) Kurgebiete, Krankenhäuser und Pflegeanstalten,
tagsüber 45 dB (A) nachts 35 dB (A)
g) Wohnungen, die mit der Anlage baulich verbunden sind,
tagsüber 35 dB (A) nachts 25 dB (A)
Für seltene Störereignisse – an nicht mehr als maximal 5 % der Tage oder Nächte eines Jahres – sehen die LAI-Hinweise eine Einzelfallprüfung vor, ob den Betroffenen für diese Zeit eine über die Immissionsrichtwerte hinaus gehende Belastung zugemutet werden kann.
21 Abgedruckt in NVwZ 1988, 135. 22 BGH v. 23.3.1990 – V ZR 58/89, MDR 1990, 706 = NJW 1990, 2465, VGH Mannheim v. 18.7.1995 – 3 S 1983/94, VBl.BW 1996, 108 (109), Entscheidungsbesprechung Dollinger in IBR 1995, 537; OVG Lüneburg v. 15.9.1994 – 7 L 5328/92, NJW 1995, 900 = NVwZ 1995, 504; VGH München v. 19.3.1997 – 22 B 96 951, NVwZ 1999, 87 mit Anmerkung = UPR 1997, 375. 23 OLG Koblenz v. 4.9.2003 – 5 U 279/01, OLGReport 2003, 417.
466
III. Event und Nachbarschutz
Teil I
Beispiel Von einem Rockkonzert ausgehende Lärmimmissionen, die die Richtwerte der sog. LAIHinweise überschreiten, können nach Ansicht des BGH unwesentlich iSd. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB sein, wenn es sich um eine Veranstaltung von kommunaler Bedeutung handelt, die an nur einem Tag des Jahres stattfindet und weitgehend die einzige in der Umgebung bleibt. Dies gilt in aller Regel aber nur bis Mitternacht.24
Als maximal zulässige Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) werden während der Tageszeit (6.00–22.00 Uhr) 70 dB (A), während der lautesten Stunde in der Nachtzeit (22.00–6.00 Uhr) 55 dB (A) angenommen. Die Werte sollen bei auftretenden Maximalpegeln tagsüber um nicht mehr als 20 dB (A) überschritten werden, nachts um nicht mehr als 10 dB (A).
1151
Abb. 61: Immissionsrichtwerte des § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV Einwirkungsorte/-zeiten
Immissionsrichtwerte
1. in Gewerbegebieten tags außerhalb der Ruhezeiten tags innerhalb der Ruhezeiten nachts
65 dB (A) 60 dB (A) 50 dB (A)
2. in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten tags außerhalb der Ruhezeiten tags innerhalb der Ruhezeiten nachts
60 dB (A) 55 dB (A) 45 dB (A)
3. in allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten tags außerhalb der Ruhezeiten tags innerhalb der Ruhezeiten nachts
55 dB (A) 50 dB (A) 40 dB (A)
4. in reinen Wohngebieten tags außerhalb der Ruhezeiten tags innerhalb der Ruhezeiten nachts
50 dB (A) 45 dB (A) 35 dB (A)
5. in Kurgebieten, für Krankenhäuser und Pflegeanstalten tags außerhalb der Ruhezeiten tags innerhalb der Ruhezeiten nachts
45 dB (A) 45 dB (A) 35 dB (A)
Nach § 2 Abs. 5 18. BImSchV beziehen sich die Immissionsrichtwerte auf folgende Zeiten: Abb. 62: Zeitangaben des § 2 Abs. 5 der 18. BImSchV tags
an Werktagen an Sonn- und Feiertagen
nachts
an Werktagen und an Sonn- und Feiertagen und
6.00–22.00 Uhr 7.00–22.00 Uhr 0.00– 6.00 22.00–24.00 0.00– 7.00 22.00–24.00
Uhr Uhr Uhr Uhr
24 BGH v. 26.9.2003 – V ZR 41/03, MDR 2004, 145.
467
1152
Teil I Ruhezeit
Event und Umwelt an Werktagen und an Sonn- und Feiertagen und sowie
6.00– 8.00 20.00–22.00 7.00– 9.00 13.00–15.00 20.00–22.00
Uhr Uhr Uhr Uhr Uhr
1153
Eine Überschreitung der Richtwerte durch einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen tags bis zu 30 dB (A), nachts bis zu 20 dB (A) und während der Ruhezeiten bis zu 10 dB (A) ist nach § 2 Abs. 4 18. BImSchV erlaubt. § 5 Abs. 5 18. BImSchV lässt Überschreitungen der Grenzwerte an 18 Tagen im Jahr für den Bereich Wettkampf und Turniersport zu.
1154
Über das Maß der Belästigung ist allerdings ohne Bindung an diese Grenzwerte zu entscheiden,25 weil die Immissionsrichtwerte nur allgemeine Erfahrungswerte darstellen und wegen ihrer Ausrichtung auf nachbarrechtlichen Ausgleich eher zu hoch als zu niedrig angesetzt werden.26 Beispiel Die Problematik wird in einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes deutlich. Der Kläger strebte mit seiner Klage Lärmschutz gegenüber einer gemeindlichen Mehrzweckhalle mit zugehörigem Parkplatz an. Beklagte war die Gemeinde als Eigentümerin der Halle. Für die Tagzeit wurde entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einhaltung eines Immissionswertes von 50 dB (A) durch die Betreiber der Halle hat. Sein Grundstück würde durch die unanfechtbar genehmigte und errichtete Mehrzweckhalle geprägt. Allerdings hatte der Kläger mit seinem Antrag Erfolg, dass die Beklagte Veranstaltungen zu unterlassen hat, die zu einem Parkplatzverkehr nach 22.00 Uhr führen. Insoweit wurde vom Gericht ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch gegen die Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen iS von § 22 Abs. 1 iVm. § 3 Abs. 1 BImschG anerkannt. Allerdings stellte das Gericht klar, dass nach den LAI-Hinweisen Ausnahmen für „seltene Ereignisse“ gemacht werden können. Störereignisse seien dann selten, wenn sie an höchstens 5 % der Tage und Nächte eines Jahres (= 18 Tage und Nächte) auftreten. Neben der Überschreitung der Immissionsrichtwerte spielten für die Beurteilung nachbarrechtlicher Zumutbarkeit die Herkömmlichkeit der Veranstaltung, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz eine Rolle. Als Beispiel für derartige übliche Veranstaltungen wurden Faschingsbälle, Starkbierfeste, Maitanz und verschiedene Konzerte genannt.27 Feiern örtlicher Vereine oder auch Konzerte anderer Veranstalter in einer hierfür gewidmeten Gemeindehalle gehören nach Ansicht des VGH Baden-Württemberg zu den typischen Erscheinungsformen gemeindlichen Lebens und sind von den Anwohnern auch dann noch hinzunehmen, wenn sie in seltenen Fällen (höchstens 18 Tage im Jahr) die gebietsbezogenen Lärmorientierungswerte überschreiten.28 In gleicher Weise entschied der VGH München bei der Abweisung einer Fortsetzungsfeststellungsklage von Anliegern gegen die Feiern von örtlichen Vereinen. Diese gehörten
25 BGH v. 10.12.1987 – III ZR 204/86, NJW 1988, 900 = NVwZ 1988, 474; Palandt/Bassenge, § 906 BGB Rz. 38. 26 Münchener Kommentar.BGB/Säcker, § 906 BGB Rz. 33; Alheit, Nachbarrecht von A–Z, S. 70. 27 VGH München v. 19.3.1997 – 22 B 96 951, NVwZ 1999, 87 mit Anmerkung = UPR 1997, 375. 28 VGH Mannheim v. 18.7.1995 – 3 S 1983/94, VBlBW 1996, 108.
468
III. Event und Nachbarschutz
Teil I
kraft Herkommens zu den typischen Erscheinungsformen gemeindlichen Lebens und müssten daher von den Nachbarn in höherem Maße als sozialadäquat akzeptiert werden als gewerbliche Lärmimmissionen.29 In einer anderen Entscheidung überprüfte das OVG Lüneburg anhand der LAI-Hinweise die Zulässigkeit von Open-Air-Konzerten auf Sportanlagen.30 Hier richtete sich die Klage der Anwohner insbesondere gegen die Veranstaltung von Rockkonzerten im Niedersachsenstadion. Das Gericht ging davon aus, dass die Nutzungserweiterung eines Sportstadions auf solche Veranstaltungen so lange hinnehmbar sei, wie die sportliche Nutzung das eindeutige Übergewicht behält. Bei maximal sieben Open-Air-Konzerten im Jahr sei dies gewährleistet. Allerdings stellte das Gericht auch fest, dass die Nachtzeit auch bei „seltenen Störereignissen“ um 22.00 Uhr beginnt und nur bei besonders herausragenden Veranstaltungen Ausnahmen zulässig sind, wenn das Ruhebedürfnis der Anwohner hinter der Bedeutung der Veranstaltung zurück tritt.
Private Umweltstandards wie DIN-, VDI-, VDE-Normen bilden keinen verbindlichen Belästigungsmaßstab. Dennoch hat die Einhaltung derartiger Werte aber eine gewisse Indizwirkung.31
1155
Je nach zeitlichem Ablauf unterscheidet man: – Dauerlärm – unterbrochenen Lärm – Impulslärm
1156
Von Impulslärm spricht man insbesondere bei kurzen Schallspitzen, die sich deutlich vom übrigen Geräuschpegel abheben (Schreibmaschine, Hämmern, Schlaggeräusche). Impulslärm kann das Ohr stärker belasten als vergleichbarer Dauerlärm. Zur genauen Beurteilung von Impulslärm sind spezielle Messgeräte (Impulsschallpegelmesser) erforderlich. Das Messergebnis wird in dB (A) angegeben. Bei der Belästigung durch Geräusche ist die – Lautstärke32
1157
nur eine Komponente, während andere Eigenarten der verschiedenen Lärmeinwirkungen wie zB – Nachtzeit,33 – Dauer,34 – hohe Frequenzen,35 – An-/Abschwellen sowie plötzliches Auftreten,36 29 VGH München v. 13.5.1997 – 22 B 96.3327, NJW 1998, 401 = NVwZ 1998, 309. 30 OVG Lüneburg v. 15.9.1994 – 7 L 5328/92, NVwZ 1995, 504 = NJW 1995, 900. 31 OLG Düsseldorf v. 29.11.1995 – 9 U 101/95, NJW-RR 1997, 272; LG München II v. 25.6.1996 – 3 O 911/96, NJW-RR 1997, 465. 32 OLG Köln v. 7.6.1993 – 12 U 40/93, MDR 1993, 1083 = OLGZ 1994, 315; OLG Schleswig v. 12.5.1986 – 5 U 202/84, NJW-RR 1986, 884. 33 BGH v. 20.11.1992 – V ZR 82/91, MDR 1993, 488 = NJW 1993, 925 = BGHZ 120, 239 (258). 34 OLG Köln, OLGZ 1994, 751. 35 BGH v. 23.3.1990 – V ZR 58/89, NJW 1990, 2465 = BGH LM Nr. 32. 36 BGH v. 20.11.1992 – V ZR 82/91, MDR 1993, 488 = NJW 1993, 925 = BGHZ 120, 239 (258).
469
Teil I
Event und Umwelt
– Appellcharakter,37 – Impulscharakter38 zu einer unterschiedlichen Bewertung von messbaren physikalischen Größen führen.39 1158
Nach der Wirkung auf den Menschen werden folgende Bereiche unterschieden: – Schallpegel unter 65 dB(A) lösen meist nur psychische Reaktionen aus (Belästigung) – Bei Schallpegeln über 65 dB(A) kann es zusätzlich zu vegetativen Reaktionen kommen, zB im Kreislaufsystem. Dadurch kann die körperliche und geistige Belastung bei der Arbeit ansteigen. – Bei einem Dauerschallpegel von 90 dB(A) besteht nach jahrelanger Einwirkung über mehrere Stunden am Tage die Gefahr einer Schädigung des Hörorgans, die zur Lärmschwerhörigkeit führt. Bei höheren Schallpegeln können Gehörschäden entsprechend früher auftreten. Auch bei Dauerlärm mit mehr als 85 dB(A) können bereits Gehörschäden auftreten Hohe Frequenzen und Impulslärm schädigen das Gehör besonders. Checkliste Surroundings Werden durch die geplante Veranstaltung Nachbarn oder Anlieger gestört? fi Ende nach 22.00 Uhr (Nachtruhezeiten) fi Anfahrende, abfahrende Fahrzeuge fi Schlagen von Wagentüren, Entlade-/Beladearbeiten fi Geräuschbelästigung durch Musik/Besucher fi Geruchsbelästigung durch Benzin, Feuer etc. Kommt es zu Verunreinigungen? Kommt es möglicherweise zu Beschädigungen der Umgebung? fi durch Fahrzeuge fi durch Zuschauer/Besucher Sind ausreichend Parkplätze vorhanden?
37 OLG München v. 3.9.1991 – 25 U 1938/91, MDR 1991, 1064, NJW-RR 1991, 1492. 38 BGH v. 17.12.1982 – V ZR 55/82, NJW 1983, 751. 39 Palandt/Bassenge, § 906 BGB Rz. 19.
470
Teil J Event und Steuern Beispiel Die EvilVents GmbH soll eine große Jubiläumsveranstaltung für ein namhaftes Unternehmen der Automobilbranche ausrichten, weil sie bei einer Präsentation in Japan das beste Konzept vorgestellt hatte. Dazu werden von ihr in- und ausländische Künstler verpflichtet. Die Event-Agentur muss neben ihren ordentlich Beschäftigten eine ganze Reihe von Aushilfskräften nur für diese Veranstaltung einstellen, um allen Verpflichtungen nachkommen zu können. Zur Durchführung des Events bekommt sie ein Budget zur Verfügung gestellt. Letztlich erhält sie natürlich ein Management-Honorar.
I. Einführung Ein Veranstalter hat vielfältige Aufgaben zu bewältigen. Er muss Konzerte oder Sportveranstaltungen organisieren, Firmenjubiläen ausrichten, Incentive-Reisen zusammenstellen oder andere Veranstaltungen planen und durchführen. Neben den eigentlichen Aufgaben, die dabei zu erledigen sind, muss immer ein Blick auf die Finanzierung und damit auch auf die steuerlichen Fragen geworfen werden. – Welche Einnahmen sind zu versteuern? – Welche Ausgaben sind steuerlich absetzbar? – Habe ich die Möglichkeit, die Absetzbarkeit einer Ausgabe zu beeinflussen? – Welche Verfahrensfragen sind zu beachten? – Habe ich alle Formalien eingehalten? – Was ist zu beachten, wenn ausländische Künstler und Sportler eingeladen werden?
1159
Die Fragen, die sich stellen, sind für alle Events von Bedeutung. Damit diese Fragen vom Veranstalter oder der Agentur selbst beantwortet werden können, werden die wichtigsten Steuerarten vorgestellt und in den Grundzügen systematisiert. Für die Veranstalter sind von Bedeutung: – die Einkommensteuer, – die Körperschaftsteuer, – die Gewerbesteuer, – die Umsatzsteuer, – die Lotteriesteuer und – die Vergnügungssteuer.
1160
Diese Steuern erzielen auch den größten Teil des Steueraufkommens. Es werden jeweils die Voraussetzungen für die Steuerpflicht dargestellt sowie die Verfahrensfragen erörtert. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei den veranstaltungsrechtlichen Besonderheiten gewidmet.
1161
471
Teil J
Event und Steuern
II. Begriffe und Einteilung der Steuerarten 1162
Die Gelder, die von den Bürgern und Unternehmen dem Staat zufließen, werden als Abgaben1 bezeichnet. Die Abgaben unterteilen sich in:
1163
Gebühren: Das sind Geldzahlungen für eine konkrete Gegenleistung öffentlichrechtlicher Einrichtungen (zB Müllabfuhrgebühren).
1164
Beiträge: Beiträge werden erhoben für die Möglichkeit der Nutzung einer Gegenleistung (zB der Anliegerbeitrag).
1165
Sonderabgaben: Sonderabgaben dienen der Finanzierung besonderer Aufgaben und werden nur von bestimmten Gruppen von Bürgern erhoben.
1166
Die Erhebung von Sonderabgaben ist rechtlich problematisch. Der Gesetzgeber muss eine homogene Gruppe finden, die den besonderen Aufgaben, die damit finanziert werden sollen, evident näher steht als die Allgemeinheit der Steuerzahler. Wird eine solche Gruppe gefunden, dann ist die Erhebung der Sonderabgabe ein nicht zu unterschätzender Aspekt der Gerechtigkeit. Die Verursacher stehen den Kosten näher als die Allgemeinheit. Dazu folgendes Beispiel2 Bei großen Sportveranstaltungen müssen umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Ein Einsatz der Polizei ist fast immer nötig. Die Polizei wird von den Steuerzahlern finanziert. Gerechter wäre es, die Einsätze von den Zuschauern finanzieren zu lassen, die den Ausgaben evident näher stehen als die Allgemeinheit.
1167
Steuern: Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) handelt es sich um Geldzahlungen an den Staat, die keine Gegenleistung für besondere Leistungen darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein. Zölle und Abschöpfungen werden rechtlich als Steuern behandelt. Steuern werden unter verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt.
1168
Direkte und indirekte Steuern: Direkte Steuern sind Steuern, bei denen Steuerpflichtige (diese müssen die Steuer abführen, zB der Steuerschuldner die Einkommensteuer) und Steuerträger (das sind Personen, die durch die Steuer tatsächlich belastet werden) identisch sind. Indirekte Steuern werden beim Steuerpflichtigen erhoben (zB beim Mineralölhändler). Steuerträger ist aber in diesem Beispielsfall der Käufer an der Tankstelle.
1 Vgl. Tipke/Lang, § 3 Rz. 9. 2 Beispiel nach Tipke/Lang, 13. Aufl. 1991, S. 67.
472
II. Begriffe und Einteilung der Steuerarten
Teil J
Verteilung des Steueraufkommens:
1169
Nach den Steuerempfängern werden Bundessteuern (zB Zölle, Versicherungsteuer), Ländersteuern (zB Erbschaft- und Schenkungsteuer), Gemeindesteuern (zB Gewerbesteuer), Gemeinschaftssteuern (zB Umsatzsteuer, Einkommensteuer) und die Kirchensteuer unterschieden. Einteilung der Verwaltungspraxis:
1170
Besitzsteuern beziehen sich auf Vermögen und Einkommen, Verkehrsteuern auf die Übertragung von Vermögenswerten (zB die Grunderwerbsteuer) und Verbrauchsteuern auf eine Reihe von Gütern (zB die Branntweinsteuer).
1. Steuerliche Grundbegriffe Derjenige, der die Steuer fordern kann, wird als Steuergläubiger bezeichnet. Steuergläubiger sind demnach der Bund, die Länder, die Gemeinden und die Religionsgesellschaften.
1171
Derjenige, der die Steuer zu zahlen hat, wird als Steuerschuldner bezeichnet. Vom Steuerschuldner ist der Steuerpflichtige zu unterscheiden. Der Begriff des Steuerpflichtigen ist in § 33 Abs. 1 AO gesetzlich definiert:
1172
„Steuerpflichtiger ist, wer eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Pflichten zu erfüllen hat.“
Der Begriff des Steuerpflichtigen ist demnach der Oberbegriff. Die Pflicht, Steuern zu zahlen, ist nur eine von vielen Pflichten. Aber auch die formellen Pflichten, wie die Buchführungspflicht, die Auskunftspflicht oder die Aufbewahrungspflicht gehören dazu.
1173
Steuerobjekt3, auch Steuergegenstand genannt, ist der Gegenstand oder Vorgang, an den eine Steuer anknüpft (zB Einkommen, Grunderwerb).
1174
Steuerbemessungsgrundlage4 ist die Größe des zu versteuernden Objekts. Sie ist die Grundlage der zu zahlenden Steuer. Die Bemessungsgrundlage kann ein Geldbetrag (zB das zu versteuernde Einkommen) oder eine Menge hergestellter oder verkaufter Erzeugnisse (zB ein Liter Mineralöl) sein.
1175
Steuertarif ist die Größe, die das Maß der steuerlichen Belastung angibt5. Zusammen mit der Steuerbemessungsgrundlage errechnet sich so die Höhe der zu zahlenden Steuer. Ist die Bemessungsgrundlage ein Geldbetrag, so kann der Tarif im Verhältnis zu diesem Betrag angegeben werden (zB 50 % Einkommensteuer) oder er kann ebenfalls in einem Geldbetrag bestehen (so zB früher bei der Wechselsteuer: 0,15 DM je 100 DM Wechselsumme). Man spricht auch von Steuersatz und Steuerbetrag. Ist die Bemessungsgrundlage eine Gütermenge,
1176
3 Vgl. dazu Tipke/Lang, § 7 Rz. 23 ff. 4 Vgl. dazu Tipke/Lang, § 7 Rz. 31 ff. 5 Vgl. dazu Tipke/Lang, § 7 Rz. 33 ff.
473
Teil J
Event und Steuern
dann ist der Steuertarif immer ein Steuerbetrag, so zB 1,84 Euro je 25 Kubikzentimeter Hubraum bei Krafträdern, vgl. § 9 KraftStG. 1177
Freibetrag6 ist der Betrag, der steuerfrei bleibt. Diese Steuerfreiheit besteht unabhängig von der Größe der Bemessungsgrundlage. Vom Freibetrag abzugrenzen ist die Freigrenze. Die Freigrenze ist ein Betrag, ab dem die Steuerpflicht beginnt. Zu versteuern ist dann die ganze Bemessungsgrundlage. Nur solange die Bemessungsgrundlage unter der Freigrenze liegt, besteht Steuerfreiheit.
1178
Freibeträge finden sich zB im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Beerbt ein Ehegatte den anderen, so fallen bis zu einem Wert von 307 000 Euro keine Steuern an. Erst ein Erwerb, der darüber hinausgeht, unterliegt der Erbschaftsteuer. Wäre dieser Freibetrag eine Freigrenze, so fiele die Steuer für den gesamten Erwerb an, wenn der Wert von 307 000 Euro überschritten würde.
1179
Eine Freigrenze enthält das Umsatzsteuergesetz (UStG). Gemäß § 19 UStG wird die Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der Jahresumsatz im letzten Jahr 17 500 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro nicht übersteigt. Übersteigt der Umsatz diesen Betrag, so wird die Steuer insgesamt fällig.
2. Steuerliche Grundsätze 1180
Im deutschen Steuersystem sind zwei Grundsätze von zentraler Bedeutung. Dabei handelt es sich um: – den Grundsatz der gerechten Verteilung der Steuerlasten: Dies bedeutet, dass die Besteuerung allgemein und gleichmäßig sein muss.7 Dies bedeutet aber auch, dass Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen zulässig sind, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind. – den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Steuergeheimnisses: Dies bedeutet, dass die den Finanzbehörden offenbarten Dinge den Bereich des mit der Sache befassten Amtsträgers nicht verlassen dürfen8.
III. Die einzelnen Steuerarten 1. Die Einkommensteuer Beispiel Herr I. Wendt hatte als Veranstalter im letzten Jahr von verschiedenen Auftraggebern für die Durchführung von Events Honorare erhalten. Damit diese Events stattfinden konnten, hatte er eine Reihe von Aufwendungen. Er musste sich nach geeigneten Standorten umsehen, von Behörden Genehmigungen einholen, mit Privatpersonen Verträge abschließen. Diese Arbeiten mussten teilweise vor Ort erledigt werden, teilweise konnten sie vom Büro
6 Vgl. dazu Tipke/Lang, § 7 Rz. 36 ff. 7 Vgl. zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung Tipke/Lang, § 4 Rz. 70 ff. 8 § 30 Abgabenordnung.
474
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
gemanagt werden. Außerdem wurde ihm jeweils ein Budget zur Verfügung gestellt, aus dem er die Kosten zu decken hatte. Welche Beträge fließen in die Steuererklärung ein? Wie hat I. Wendt überhaupt seine Einkommensteuer zu zahlen?
Diese und eine Fülle von weiteren Fragen stellen sich bei der Besteuerung seines Einkommens, und der Gesetzgeber legt ihm eine Reihe von Pflichten auf, die er kennen sollte.
1181
a) Sachliche Voraussetzungen der Besteuerung Damit jemand zur Einkommensteuer herangezogen werden kann, muss er steuerpflichtig sein. Das Einkommensteuergesetz (EStG) unterscheidet zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. Unbeschränkt steuerpflichtig sind alle natürlichen Personen, die im Inland ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, und zwar mit sämtlichen Einkünften, gleichgültig, ob diese im Inland oder im Ausland bezogen worden sind (§ 1 Abs. 1 EStG). Beschränkt steuerpflichtig sind natürliche Personen, die im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, und zwar nur mit den Einkünften, die sie im Inland bezogen haben (§ 1 Abs. 4 iVm. § 49 EStG).9
1182
Beispiel Ein deutscher Sportler lebt in München. Er ist mit seinem gesamten Welteinkommen steuerpflichtig, also mit der Summe seiner Einkünfte ganz gleich, wo er sie erzielt hat (unbeschränkte Steuerpflicht).
1182a
Der Sportler verlegt seinen Wohnsitz nach England. Er unterliegt in Deutschland nur mit seinen inländischen Einkünften der Einkommensteuer, seine ausländischen Einkünfte hat er in Deutschland nicht zu versteuern (beschränkte Steuerpflicht). Verlegt der Sportler seinen Wohnsitz in ein Land mit niedriger Besteuerung (Monaco), so wird seine Steuerpflicht durch § 2 Außensteuergesetz erweitert. Er unterliegt in Deutschland noch 10 Jahre nach seinem Wegzug der Besteuerung mit allen Einkünften, die nicht ausländische Einkünfte iS des § 34c Abs. 1 EStG sind (erweiterte beschränkte Steuerpflicht).
Nicht jede Vermögensmehrung wird besteuert, sondern nur Einkünfte aus den im Gesetz aufgezählten Einkunftsarten. Diese Einkunftsarten decken aber nahezu alle Möglichkeiten, Einkommen zu erzielen, ab. Gemäß § 2 Abs. 1 EStG unterliegen der Einkommensteuer: 1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, 2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, 3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit, 4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, 5. Einkünfte aus Kapitalvermögen,
9 Vgl. zur internationalen Abgrenzung Tipke/Lang, § 9 Rz. 25 ff.
475
1183
Teil J
Event und Steuern
6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, 7. sonstige Einkünfte iS des § 22 EStG. 1184
Die sonstigen Einkünfte sind nicht etwa alle anderen Möglichkeiten einer denkbaren Einkommenserzielung, die nicht den ersten sechs Einkunftsarten zuzurechnen sind, sondern einzelne, abschließend aufgeführte Fälle, insbesondere Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften.10 Durch die Verlängerung der Veräußerungsfristen ist diese Einkunftsart wieder sehr aktuell geworden.
1184a
Der BFH11 hatte in diesem Zusammenhang einen seltenen Fall der Besteuerung von Einkünften aus der Teilnahme an einer Fernsehshow zu entscheiden. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Beispiel Die Klägerin übernahm die weibliche Hauptrolle in einer Dating-Show. Sie hatte sich verpflichtet, dem Produzenten die Persönlichkeitsrechte zur exklusiven Nutzung zu übertragen, über Inhalt und Ablauf der Show absolutes Stillschweigen zu bewahren und für Presse-, Promotions- und Werbemaßnahmen zur Verfügung zu stehen. Als Gegenleistung erhielt sie ein Honorar von 9 000 Euro. Bei Drehbeginn wurde ihr offenbart, dass ihr Partner schon feststehe und es ihre Aufgabe sei, ihren Familien glaubhaft zu vermitteln, dass sie sich während der Show kennen und lieben gelernt hätten und innerhalb von 14 Tagen heiraten würden. Für den Fall, dass alle Familienmitglieder zur Trauung erschienen und sie sämtliche Vertragsbedingungen erfülle, sollten sie und ihre Familie jeweils ein Preisgeld von 250 000 Euro erhalten. Was die Kandidatin nicht wusste, war die Tatsache, dass ihr „Verlobter“ sowie dessen „Familie“ Schauspieler waren, die ihr das Leben zur Hölle machen sollten. Sie sollten keinen Fettnapf auslassen und sich pausenlos daneben benehmen. Trotz aller Widrigkeiten erhielten sie und ihre Familie jeweils das Preisgeld iH von 250 000 Euro. Das Finanzamt unterwarf neben der Gage von 9 000 Euro auch die Preisgelder an sie und ihre Familie der Besteuerung.
1184b
Dass die Klägerin nicht das Preisgeld ihrer Familie versteuern musste, hatte das Finanzgericht schon festgestellt. Im Übrigen hat es aber eine Steuerpflicht gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 7 iVm. § 22 Nr. 3 EStG angenommen. Dafür genüge schon, dass die Gegenleistung durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist. Dafür wiederum genüge die Annahme einer für das verhalten gewährten Gegenleistung. Der BFH bestätigte die Entscheidung. Der Fall sei nicht vergleichbar mit Fällen des steuerfreien Erwerbs von Spiel- oder Wettgewinnen. Vielmehr unterscheide sich der Fall wesentlich dadurch von diesen Spielgewinnen, dass die Klägerin eine Leistung gegenüber dem Produzenten erbracht habe. Fernsehshows der vorliegenden Art lebten davon, dass Kandidaten bereit sind, für eine Gewinnchance Widrigkeiten in Kauf zu nehmen. Nur deshalb würden diese Shows überhaupt durchgeführt, jedenfalls würde nur deshalb ein derart hohes Preisgeld ausgelobt.
1185
Beim selbständigen Veranstalter liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. Diese Einkunftsart gehört zu den Gewinneinkunftsarten. 10 Beachte die Aufzählung in § 22 EStG. 11 BFH v. 28.11.2007 – IX R 39/06, NJW 2008, 1552.
476
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Dieses System der Besteuerung einzelner Einkunftsarten hat Vor- und Nachteile. Der größte Vorteil besteht in der Praktikabilität. Die Einkünfte lassen sich relativ leicht erfassen, da sie außerhalb der Privatsphäre erzielt werden. Der Nachteil besteht darin, dass nicht alle Einkünfte erfasst werden. Der Bau eines Hauses nach Feierabend ist steuerfrei, ebenso der Wert der Haus-(frauen)-arbeit. Diese Steuerfreiheit mag aus der Sicht der Steuerschuldner nicht als Nachteil erscheinen, aber es stellt natürlich einen Nachteil des Systems dar, wenn Wertschöpfungen unterschiedlich gehandhabt werden.
1186
Gemäß § 2 Abs. 2 EStG sind Einkünfte in den ersten drei Einkunftsarten der Gewinn, in den anderen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten.
1187
Die Summe der Einkünfte bildet aber nicht die steuerliche Bemessungsgrundlage. Abzuziehen sind noch der Altersentlastungsbetrag, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen sowie insbesondere der Kinderfreibetrag, der Betreuungsfreibetrag und sonstige Freibeträge. Danach ergibt sich das folgende Schema:
1188
Abb. 62: Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für die Einkommensteuer + + + + + + =
Einkünfte (Gewinn/Verlust) aus Land- und Forstwirtschaft Einkünfte (Gewinn/Verlust) aus Gewerbebetrieb Einkünfte (Gewinn/Verlust) aus selbständiger Arbeit Einkünfte (Überschuss) aus nichtselbständiger Arbeit Einkünfte (Überschuss) aus Kapitalvermögen Einkünfte (Überschuss) aus Vermietung und Verpachtung Sonstige Einkünfte (Überschuss) iS des § 22 EStG Summe der Einkünfte, § 2 Abs. 1 EStG
– – – =
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, § 24b EStG Altersentlastungsbetrag, § 24a EStG Freibetrag für Land- und Forstwirte gemäß § 13 Abs. 3 EStG Gesamtbetrag der Einkünfte, § 2 Abs. 3 EStG
– – – –
Verlustabzug nach § 10d EStG Vorsorgeaufwendungen/Vorsorgepauschale, § 10a EStG Sonderausgaben (übrige Sonderausgaben), §§ 10, 10b, 10c EStG Außergewöhnliche Belastungen, §§ 33–33c ESt Steuerbegünstigung der zu Wohnzwecken genutzten Wohnungen, §§ 10e–10i EStG + zuzurechnendes Einkommen gemäß § 15 AStG = Einkommen, § 2 Abs. 4 EStG – Kinderfreibeträge, §§ 31, 32 Abs. 6 EStG – Härteausgleich, § 46 Abs. 3 EStG = Zu versteuerndes Einkommen
Das zu versteuernde Einkommen bildet die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer (§ 2 Abs. 5 EStG). Von der tariflichen Einkommensteuer sind der Entlastungsbetrag und die Steuerermäßigungen abzuziehen. Der so errechnete Betrag bildet die festzusetzende Einkommensteuer. 477
1189
Teil J
Event und Steuern
b) Steuerfreie Einnahmen 1190
Weil das Einkommensteuerrecht nahezu jede Vermögensmehrung der Steuerpflicht unterwirft, hat der Gesetzgeber einen Katalog von etwa 50 Positionen für steuerfrei erklärt (§ 3 EStG). Die Befreiungen sind ungeordnet im Gesetz aufgeführt. Viele Befreiungen beruhen auf sozialen Gründen, so zB beim Arbeitslosengeld, der Arbeitslosenhilfe, beim Wohngeld, beim Kindergeld oder Erziehungsgeld.
1191
Von besonderem Interesse für Veranstalter und Eventagenturen ist § 3 Nr. 57 EStG. Danach sind steuerfrei die Beträge, die die Künstlersozialkasse zugunsten des nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) Versicherten aus dem Aufkommen von Künstlersozialabgabe und Bundeszuschuss an einen Träger der Sozialversicherung oder an den Versicherten zahlt.12
1192
Von besonderer Bedeutung ist ebenfalls die Regelung, nach der 40 % der Dividenden steuerfrei sind, vgl. § 3 Nr. 40 EStG. Diese Regelung wird bei der Körperschaftsteuer ausführlich dargestellt.13
1193
Ausgaben, die getätigt werden, um steuerfreie Einnahmen zu erzielen, dürfen nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden (§ 3c EStG). c) Einkunftsermittlung (Gewinn und Überschuss)
1194
Ausgangspunkt der festzusetzenden Steuer ist somit der Gewinn oder der Überschuss, je nachdem, welche Einkunftsart besteuert wird.
1195
Bei den ersten drei Einkunftsarten (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständige Arbeit) sind die Einkünfte gleich dem Gewinn (Gewinneinkünfte, § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Bei den übrigen Einkünften (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und aus sonstigen Einkünften) sind die Einkünfte gleich dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (Überschusseinkünfte, § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG). aa) Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG
1196
Der Gewinn ist nach § 4 Abs. 1 EStG definiert als der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Der Gewinn oder Verlust wird durch die Aufzeichnungen aus der Buchführung nachgewiesen.14
1197
Im Steuerrecht wird eine strenge Trennung des privaten vom betrieblichen Bereich vorgenommen. Es dürfen nur solche Betriebsvermögensänderungen den 12 Zur Künstlersozialversicherung vgl. Rz. 1496 ff. 13 Zur Körperschaftsteuer vgl. Rz. 1325 ff. 14 Zur Ermittlung der Einkünfte durch Bilanzierung Tipke/Lang, § 9 Rz. 188 ff.
478
Teil J
III. Die einzelnen Steuerarten
Gewinn beeinflussen, die aus betrieblichen Vorgängen herrühren.15 Aus diesem Grund müssen die Einlagen und Entnahmen berücksichtigt werden, da es sich um privat verursachte Änderungen des Betriebsvermögens handelt (§ 4 Abs. 1 EStG). Gewerbetreibende haben also den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln. Das Betriebsvermögen wiederum wird mit Hilfe der Bilanz, die periodisch – jedes Jahr – aufzustellen ist, ermittelt.
1198
Abb. 63: Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich Bilanzposten Gebäude Büro- und Geschäftseinrichtung Warenbestand Forderungen Liquide Mittel Verbindlichkeiten Betriebsvermögen Betriebsvermögen 02 ./. Betriebsvermögen 01 = Differenz (Zuwachs) + Privatentnahmen ./. Privateinlagen = Gewinn
Vermögen am 1.1.01 100 000 Euro 10 000 Euro 25 000 Euro 15 000 Euro 5 000 Euro 155 000 Euro
Vermögen am 1.1.02 98 000 Euro 8 000 Euro 30 000 Euro 20 000 Euro 7 500 Euro 163 500 Euro
40 000 Euro 115 000 Euro
30 000 Euro 133 500 Euro 133 500 Euro 115 000 Euro 18 500 Euro 30 000 Euro 1 500 Euro 47 000 Euro
In einer Bilanz werden Vermögen und Schulden gegenübergestellt. Ausgeglichen wird die Bilanz, die auf Seiten der Schulden die Mittelherkunft anzeigt, durch das Eigenkapital.
1199
Um jeden Geschäftsvorfall erfassen zu können, wird die Bilanz in Konten aufgelöst.16 Auf diesen Konten wird nun gebucht. Die Bilanz selbst wird dabei nicht berührt. Ein Unternehmer hat also nicht zu jedem Zeitpunkt eine Bilanz seines Unternehmens zur Verfügung, sondern nur zu einzelnen Stichtagen.
1200
Nicht jede Buchung hat Einfluss auf den Gewinn des Unternehmens.
1201
Beispiel Herr I. Wendt kauft einen Computer für 3 000 Euro netto für sein Unternehmen und zahlt ihn bar. Wie bucht er? Auf dem Konto „Betriebs- und Geschäftsausstattung“ bucht er 3 000 Euro im „Soll“ und auf dem Konto „Kasse“ 3 000 Euro im „Haben“.
15 Tipke/Lang, § 9 Rz. 206 ff. 16 Schmolke/Deitermann, S. 26.
479
Teil J
Event und Steuern
1202
Ein solcher Vorgang heißt Aktivtausch, dh. es hat sich nur die Mittelverwendung geändert.17
1203
Bedeutsam sind die Geschäftsvorfälle, die Einfluss auf den Gewinn haben. Solche Geschäftsvorfälle stellen entweder Aufwendungen oder Erträge dar. Diese Geschäftsvorfälle müssten auf dem Eigenkapitalkonto gebucht werden.18 Da dieses Konto sehr unübersichtlich würde, wird als Unterkonto das Gewinnund Verlustkonto (GuV-Konto) eingerichtet. Auf diesem Unterkonto werden die betrieblich veranlassten Änderungen erfasst, wobei zur sachlichen Trennung einzelner Aufwands- oder Ertragsarten weitere Unterkonten eingerichtet werden.
1204
Zum Jahresende (Bilanzstichtag) werden diese Erfolgskonten über das GuVKonto abgeschlossen, dh. die Salden werden auf dieses Konto übertragen.19 Überwiegen die Erträge, weist das GuV-Konto einen Gewinn aus, überwiegen die Aufwendungen, weist es einen Verlust aus. Als Unterkonto des Eigenkapitalkontos wird das GuV-Konto über das Eigenkapitalkonto abgeschlossen. Ein Gewinn führt zur Eigenkapitalmehrung, ein Verlust zur Eigenkapitalminderung.
1205
Ist bei den Buchungen kein Fehler passiert, muss auf dem Eigenkapitalkonto genau der Betrag ausgewiesen sein, der nötig ist, um die Bilanz auszugleichen. Das System der doppelten Buchführung ist also ein sich selbst kontrollierendes.20 Der Gewinn wird einmal mit Hilfe der Bilanz (durch Betriebsvermögensvergleich), zum anderen mit Hilfe der Gewinn- und Verlustrechnung ermittelt. Wegen dieser zweifachen Gewinnermittlung wird das System eben „doppelte“ Buchführung genannt.
1206
Ob eine Ausgabe als Betriebsausgabe den steuerpflichtigen Gewinn mindert oder ob eine Ausgabe als privat veranlasst gewertet wird, ist von großer Bedeutung. Immer wieder streitig ist die Behandlung von Tagungsreisen. Hierzu ein kleiner Fall: Beispiel Herr I. Wendt will als Veranstalter an einer Fortbildungsveranstaltung teilnehmen. Er entscheidet sich dafür, ein Angebot wahrzunehmen, dass die Fachveranstaltungen im Rahmen einer Seereise anbietet. Das Tagungsprogramm besteht aus Vorträgen zu betrieblichen Fragen rund um das Thema „Events“, die jeweils vormittags gehalten werden. Der Rest des Tages steht zur freien Verfügung. Wie ist diese Reise aus steuerlicher Sicht zu beurteilen?
1207
Angesprochen ist die steuerliche Behandlung von Tagungsreisen. Was ist als Betriebseinnahme steuerpflichtig? Was kann als Betriebsausgabe abgezogen wer-
17 18 19 20
Vgl. dazu Schmolke/Deitermann, S. 28 f. Vgl. dazu Schmolke/Deitermann, S. 41 f. Vgl. das Schema bei Schmolke/Deitermann, S. 44. Siehe Schmolke/Deitermann, S. 45 f.
480
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
den? Welche Reisen sind Dienstreisen, welche Reisen sind Arbeitslohn und als solcher zu versteuern? Von den Tagungsreisen sind Incentives21 zu unterscheiden, die die Belohnung von Mitarbeitern oder Geschäftspartnern bezwecken. Darauf wird an dieser Stelle nicht eingegangen.
1208
Hinzuweisen ist aber aus Gründen der Systematik schon an dieser Stelle, darauf dass es bei der steuerlichen Behandlung von Reisen um folgende Frage geht: Sind die Aufwendungen für die Reise Betriebsausgaben, die den Gewinn mindern dürfen (dann: Tagungsreise) oder sind es Aufwendungen, die den Gewinn nicht mindern dürfen, weil die Reise der privaten Lebensführung dient, § 12 Nr. 1 EStG oder weil sie ein Geschenk an Personen darstellt, die keine Arbeitnehmer sind, § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG (dann: Incentive)?
1209
Neben diesen „reinen“ Formen der Reisen, gibt es aber eine Vielzahl von Reisen, die neben Elementen der Arbeit auch Freizeitbestandteile enthalten. Früher hatte der BFH eine strikte Entweder-oder-Regel angewendet. Entweder eine Reise war Arbeit, dann war sie natürlich steuerlich absetzbar, oder sie war Freizeit mit der Konsequenz, dass die Aufwendungen den Gewinn nicht mindern durften. Ob die Reise Arbeit oder Freizeit war, war einheitlich zu beurteilen.
1210
Der Bundesfinanzhof hat diese Rechtsprechung aufgegeben und vertritt nun die Auffassung, dass die Aufwendungen zum Teil steuerlich absetzbar sein können und zum Teil zu den Kosten der privaten Lebensführung gehören können. Die Einzelheiten sind kompliziert und werden bei der Darstellung der steuerlichen Behandlung von Incentives erläutert.
1211
Für unseren Beispielsfall kann deshalb vorab festgehalten werden, dass die Aufwendungen nur zum Teil als Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht werden können. Entscheidend ist dabei der Anteil der beruflichen zum privaten Anteil der Reise.
1212
Wer als Selbständiger oder selbständiger Gewerbetreibender eine Dienst- oder Tagungsreise bucht, sollte darauf achten, dass der touristische Teil nur von ganz untergeordneter Rolle ist. Die betriebliche Veranlassung muss bei weitem überwiegen, um die Ausgaben als Betriebsausgaben verbuchen zu können. Ansonsten läuft er Gefahr, dass ihm der Steuerabzug zum Teil versagt bleibt.
1213
Ähnliche Fragen stellen sich, wenn statt der Selbständigen oder Gewerbetreibenden Arbeitnehmer auf eine Tagungsreise geschickt werden sollen. Diese Fragen werden ebenfalls im Rahmen der Darstellung der steuerlichen Behandlung von Incentives. beantwortet.22
1214
Neben dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG, das schon angesprochen wurde, kann auch das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 1 EStG im Einzelfall eingreifen. Danach dürfen die Zuwendung von Vorteilen sowie die damit
1215
21 Siehe dazu die Darstellung der steuerlichen Behandlung von Incentives in Rz. 1455 ff. 22 Siehe dazu Rz. 1455 ff.
481
Teil J
Event und Steuern
zusammen hängenden Aufwendungen den Gewinn nicht mindern, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, dass die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt. Geregelt ist damit ein Abzugsverbot für die Zahlung von Bestechungsgeldern. Beispiel I. Wendt hat den Auftrag erhalten, den Event anlässlich der Präsentation einer neuen Modekollektion auszurichten. Er hatte bei der Planung des Events in der alten Fabrikhalle allerdings nicht beachtet, dass er eine entsprechende Baugenehmigung einholen muss. Als er seinen Fehler bemerkt, ist es zu spät für einen ordnungsgemäßen Antrag. Er besticht deshalb den zuständigen Sachbearbeiter des Bauamtes, der darauf hin die Genehmigung erteilt. Neben der strafrechtlichen Relevanz dieses Vorgangs darf auch die Zahlung nicht Gewinn mindernd geltend gemacht werden.
bb) Eventspezifische Besonderheiten Beispiel Ein namhaftes Unternehmen möchte sich finanziell an der Ausrichtung eines kulturellen Ereignisses beteiligen. Dabei möchte der Unternehmer am liebsten nicht erwähnt werden. Was ist dem Unternehmer zu raten?
1216
Angesprochen ist die immer bedeutsamere Frage nach der steuerlichen Behandlung des Sponsoring, sei es Kultur-, Sport-, Umwelt- oder Sozialsponsoring. Sponsoring, Spende und Mäzenatentum werden oft als Synonyme verstanden. Tatsächlich aber sind sie strikt zu trennen.
1217
Mäzenatentum ist die Förderung insbesondere kultureller Veranstaltungen.23 Ein Mäzen erwartet keine Gegenleistung.
1218
Eine Spende ist eine Zuwendung aus ideellen Gründen. Der Spender will immerhin als solcher in Erscheinung treten und den steuerlichen Vorteil in Anspruch nehmen.24 Sponsoring ist ein Geschäft. Sponsoren erbringen Leistungen (Geld, Sachmittel), um eine Gegenleistung zu erhalten, die dazu dient, den Bekanntheitsgrad des Sponsors zu erhöhen oder dessen Image positiv zu beeinflussen.25
1219
Eine Spende ist beim Spender keine Betriebsausgabe. Für den Spendenempfänger gehören Spenden zu den Einnahmen im ideellen Bereich, die steuerlich nicht als Betriebseinnahmen zu qualifizieren sind. Ist der Spendenempfänger gemeinnützig und die Gemeinnützigkeit anerkannt, darf er Spendenbescheinigungen ausstellen.26 Die Spende kann als Sonderausgabe27 begrenzt abgezogen werden. 23 24 25 26 27
Vereine und Steuern, S. Vereine und Steuern, S. Vereine und Steuern, S. Vereine und Steuern, S. Dazu Rz. 1239 ff.
482
213. 213. 213 f.; siehe dazu auch Rz. 273 ff. 129 und 201 ff.
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Sponsoring ist beim Sponsor eine Betriebsausgabe, die den steuerpflichtigen Gewinn mindert.28 Dazu ist entsprechend der Definition des Sponsoring natürlich nötig, dass der Zuwendende genannt wird und dass er die Ausgabe im weiteren Sinne zu Werbezwecken nutzt.29
1220
In Bezug auf unser Fallbeispiel bedeutet das:
1221
Aus steuerlichen Gründen müsste dem Unternehmer geraten werden, dass er als Zuwendender öffentlich in Erscheinung tritt. Er muss einen Sponsorenvertrag abschließen. Nur dann kann er seine Ausgabe als Betriebsausgabe vom Erlös abziehen. Dabei gelten die im BMF-Schreiben vom 9.7.1997 aufgestellten Grundsätze.30 Danach sind Aufwendungen des Sponsors Betriebsausgaben, wenn er wirtschaftliche Vorteile, die auch in erster Linie in der Sicherung und Erhöhung des unternehmerischen Ansehens (Imagewerbung) liegen können, für sein Unternehmen erstrebt oder er für Produkte des Unternehmens werben will. Das ist der Fall, wenn der Gesponserte auf den Sponsor hinweist oder der Sponsor im Zusammenhang mit dem Event in den Medien erwähnt wird.31 Will der Unternehmer unbedingt unerkannt bleiben, dann muss er eben die steuerlichen Nachteile in Kauf nehmen. Im Beispielsfall müsste der Sponsor im Ausstellungskatalog erwähnt werden oder auf Plakaten oder sonstigen Veranstaltungshinweisen in Erscheinung treten. Für die Berücksichtigung als Betriebsausgaben kommt es nicht darauf an, dass die Leistungen notwendig, üblich oder zweckmäßig waren.32 Erst bei einem krassen Missverhältnis ist die Anerkennung als Betriebsausgabe zu versagen.33
1222
Die steuerliche Behandlung der Zuwendungen beim Zuwendungsempfänger hängt von dessen Verpflichtungen aus dem Vertrag ab. Der in der Regel gemeinnützige Empfänger muss die Zuwendungen als Betriebseinnahmen versteuern, wenn sie dem wirtschaftlichen Bereich zuzurechnen sind. Dies sollte immer dann der Fall sein, wenn der Empfänger an den Werbemaßnahmen des Geldgebers mitwirkt.34 Da dies aber Voraussetzung für einen Sponsoring-Vertrag ist, wären die gesponserten Beträge immer Einnahmen aus dem wirtschaftlichen Bereich. Sie wären zu versteuern. Dies bedeutete für die kulturellen Institutionen, dass diese Einnahmen nahezu vollständig der Körperschaft- oder Gewerbesteuer unterfielen, da die Aufwendungen für die kulturellen Veranstaltungen nach der Rechtsprechung des BFH diesen Einnahmen nicht gegenübergestellt werden dürfen.
1223
28 Vereine und Steuern, S. 222. 29 Zum Sponsoringvertrag siehe auch Rz. 273 ff.31BMF-Schreiben v. 9.7.1997 – IV B 2 S2144 - 118/97, DStR 1997, 1206, ebenfalls abgedruckt im Beitrag der NJW 1997, 3425. 30 BMF-Schreiben v. 9.7.1997 – IV B 2 - S2144 - 118/97, DStR 1997, 1206, ebenfalls abgedruckt im Beitrag der NJW 1997, 3425. 31 Vereine und Steuern, S. 222 f. 32 Vgl. BMF-Schreiben v. 9.7.1997 – IV B 2 - S2144 - 118/97, Tz. II 1. 33 Vgl. BMF-Schreiben v. 9.7.1997 – IV B 2 - S2144 - 118/97, Tz. II 1. 34 Vgl. das BMF-Schreiben v. 9.7.1997 – IV B 2 - S2144 - 118/97, Tz. III.
483
Teil J 1224
Event und Steuern
Dieser Erlass wurde sehr kritisiert. Sponsoren und Empfänger der Leistungen sprachen von einer „Sponsor-Steuer“.35 Mit Schreiben vom 18.2.1998 wurde deshalb der ursprüngliche Erlass klargestellt.36 Als Ergänzung wurde eingefügt: „Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liegt auch dann nicht vor, wenn der Empfänger der Leistungen zB auf Plakaten, Veranstaltungshinweisen oder in anderer Weise auf die Unterstützung durch einen Sponsor lediglich hinweist. Dieser Hinweis kann unter Verwendung des Namens, Emblems oder Logos des Sponsors, jedoch ohne besondere Hervorhebung, erfolgen.“37
1225
Damit ist jetzt klargestellt, dass der Sponsor die Ausgabe in vollem Umfang als Betriebsausgabe absetzen kann und gleichwohl auf Seiten des Empfängers keine Betriebseinnahmen vorliegen, da die Tätigkeiten der genannten Art nicht zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führen. Klargestellt ist damit aber auch, dass jede darüber hinausgehende Mitwirkung bei Werbemaßnahmen zu der Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes führt und der Besteuerung unterliegt.38 cc) Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG
1226
Auch bei der selbständigen Tätigkeit sind die Einkünfte der Gewinn. Da die Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleiches eine Buchführung voraussetzt, zu der Steuerpflichtige, die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielen, nicht verpflichtet sind, können Selbständige ihren Gewinn auf vereinfachte Weise ermitteln.39 Gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt sich der Gewinn aus dem Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben: Einnahmen-Überschuss-Rechnung.
1227
Betriebseinnahmen sind alle geldwerten Zugänge, die durch den Betrieb veranlasst sind, insbesondere durch Veräußerung oder durch Dienstleistungen.
1228
Betriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind, § 4 Abs. 4 EStG. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Auch der Gewerbetreibende ist selbständig, aber er übt keine freiberufliche Tätigkeit aus. Wer freiberuflich tätig ist, ergibt sich in erster Linie aus dem Katalog in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Die in diesem Zusammenhang interessierende selbständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit fällt unter den Katalog der freiberuflichen Tätigkeit. Voraussetzungen sind somit die Selbständigkeit sowie die künstlerische Tätigkeit iS des EStG.
35 36 37 38 39
Siehe dazu die Darstellung von Schauhoff, DB 1998, 494 ff. Abgedruckt in NJW 1998, 1928. So die Ergänzung bei im Übrigen gleichbleibendem Wortlaut. Siehe NJW 1998, 1928. Vgl. Tipke/Lang, § 9 Rz. 191 ff.
484
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Selbständig ist, wer den Weisungen eines Dritten nicht zu folgen verpflichtet ist und auf eigene Gefahr und für eigene Rechnung arbeitet.40 Eine genauere Definition findet sich in § 1 LStDV, dazu später mehr.41
1229
Was Kunst ist, lässt sich nur schwer sagen. Eine Definition ist nicht möglich. Aber man kann Kunst umschreiben. Das BVerfG hat dazu die Auffassung vertreten, dass das „Wesentliche der künstlerischen Betätigung die freie schöpferische Gestaltung sei, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“42. Der BFH hat dagegen die Auffassung vertreten, dass künstlerische Tätigkeit eine eigenschöpferische Tätigkeit sei, die eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht, dh. es muss die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft des Künstlers zum Ausdruck kommen, und sie muss über die hinreichende Beherrschung der Technik hinausgehen, eben eine „künstlerische“ Gestaltungshöhe erreichen.43
1230
Da diese Umschreibungen aber doch wenig Aussagekraft haben, hat die Rechtsprechung eine Dreiteilung vorgenommen in freie Kunst, Kunstgewerbe und Kunsthandwerk. Unter freier Kunst versteht man eine Tätigkeit, deren Arbeitsergebnisse keinen Gebrauchswert haben. Liegt nach allgemeiner Auffassung Kunst vor, kann von der Feststellung einer gewissen künstlerischen Gestaltungshöhe abgesehen werden. Anders ist es beim Kunstgewerbe und Kunsthandwerk. Diese Arbeitsergebnisse haben einen Gebrauchswert, wie zB bei Werbefotografen. Kunst liegt nur dann vor, wenn die schöpferische Leistung den Gebrauchswert deutlich übersteigt.44
1231
Die Abgrenzung zwischen Kunst und Gewerbe ist steuerlich von großer Bedeutung. Künstler zahlen als Freiberufler keine Gewerbesteuer. Einkommensteuerrechtlich brauchen Künstler keine Bilanz vorzulegen. Gefahren lauern immer dann, wenn freiberuflich tätige Menschen auch Einnahmen aus gewerblicher Tätigkeit haben. Jedenfalls wenn sich mehrere Freiberufler zu einer Gesellschaft zusammengetan haben, kann schon eine geringe gewerbliche Tätigkeit steuerlich zur Folge haben, dass auch die Einnahmen aus der freiberuflichen Tätigkeit als gewerbliche gelten mit den aufgezeigten Folgen. Aus diesen Gründen ist eine strikte Trennung der freiberuflichen von der gewerblichen Tätigkeit nötig.45
1232
dd) Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten Unter Werbungskosten versteht man Aufwendungen, die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen erforderlich sind, § 9 Abs. 1 EStG. Der Ein40 41 42 43 44 45
Siehe dazu Rz. 929 ff., vgl. auch BFH v. 30.5.1996 – V R 2/95, NJW 1997, 1189. Siehe dazu Rz. 1264. BVerfGE 30, 173 ff. (188 f.). BFH BStBl. II 1981, 170 ff. (172). Vgl. Fischer/Reich, § 11 Rz. 16. Vgl. dazu BFH v. 19.2.1998 – IV R 11/97, NJW 1998, 3447 f.
485
1233
Teil J
Event und Steuern
kommensteuer unterliegen also grundsätzlich nur die Reineinkünfte, die verbleiben, wenn sämtliche Aufwendungen oder Ausgaben, die zur Erzielung und Erhaltung der Einkünfte erforderlich sind, zuvor abgezogen worden sind. Der Begriff Werbungskosten entspricht dem Begriff der Betriebsausgaben bei den Gewinn-Einkommensarten. 1234
Zwischenfrage: Welche der Kosten aus dem eingangs genannten Beispielsfall können als Werbungskosten geltend gemacht werden? Antwort: Keine, Gewerbetreibende haben keine Werbungskosten, sondern Betriebsausgaben. Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehören zu den Gewinn-Einkunftsarten.
1235
Die Werbungskosten sind in § 9 EStG geregelt. Praktisch bedeutsam sind folgende Werbungskosten: – Aufwendungen für Arbeitsmittel, zB für Werkzeuge und typische Berufskleidung, – Aufwendungen für die Aneignung von Fachwissen (Fort- oder Weiterbildung), sofern sie beruflich veranlasst sind, nicht aber Aufwendungen für die Ausbildung, die Sonderausgaben sind. – Keine Werbungskosten sollen sein die Aufwendungen für die Fahrten zur Arbeit. Zur Abgeltung der erhöhten Aufwendungen sollte aber ab dem 21. Entfernungskilometer für jeden Arbeitstag eine Pauschale von 0,30 Euro pro vollen Entfernungskilometer geltend gemacht werden können. Diese Regelung ist vom Bundesverfassungsgericht für verfassungwidrig erklärt worden. Mit Urteil vom 9.12.2008 hat das Gericht entschieden, dass es gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, wenn Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit erst ab dem 21. Kilometer steuerlich berücksichtigt werden sollen.46 Bis eine neue gesetzliche Regelung in Kraft tritt, ist deshalb die Kilometerpauschale ab dem 1. Kilometer zu berücksichtigen. – Ebenfalls nicht abzugsfähig sollen sein die Kosten für die erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium, sofern diese nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden.47
1236
Zur Vereinfachung der Berücksichtigung entstehender Kosten gibt es Pauschalen, die automatisch dann berücksichtigt werden, wenn keine höheren Beträge geltend gemacht werden. Die Pauschalen betragen: – bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit: 920 Euro p.a. Werbungskostenpauschale – bei Einkünften aus Kapitalvermögen: 801 Euro p.a. Sparerpauschbetrag (bei Verheirateten: 1 602 Euro p.a.). 46 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, NJW 2009, 48 = FR 2009, 74. 47 Siehe die grundlegende Änderung der Rspr. des BFH v. 4.12.2002 – VI R 120/01, BB 2003, 1320 = NJW 2003, 533 und BFH v. 17.12.2002 – VI R 137/01, BB 2003, 1317 = NJW 2003, 536.
486
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Ist der Überschuss oder der Gewinn ermittelt, dann bedeutet das noch nicht, dass von diesem Betrag Steuern zu zahlen sind. Beispiel Angenommen, Herr I. Wendt hat Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb, weil er als Eventmanager selbständig ist. Den ermittelten Gewinn seiner Tätigkeit hat er bei der Einkommensteuererklärung nicht in dem Hauptvordruck anzugeben, sondern in einer Anlage zu diesem Vordruck. Die richtige Anlage wäre die „Anlage GSE“ (Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit; für die einzelnen Einkunftsarten hält das Finanzamt verschiedene Anlagen bereit). Zur endgültigen Ermittlung seiner Steuerschuld sind weitere Schritte notwendig.
d) Gesamtbetrag der Einkünfte Von der Summe der Einkünfte werden in einem zweiten Schritt der Altersentlastungsbetrag, der Freibetrag für Land- und Forstwirte und die ausländischen Steuern vom Einkommen abgezogen. Für den Eventbereich spielen diese Beträge in aller Regel keine Rolle, so dass darauf im Einzelnen nicht weiter eingegangen wird.
1237
e) Ermittlung des Einkommens Von Bedeutung ist dagegen die Ermittlung des Einkommens. An dieser Stelle werden Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen.
1238
Sonderausgaben sind Aufwendungen der privaten Lebensführung, die der Gesetzgeber aber aus verschiedenen Gründen für förderungswürdig und in gewissen Grenzen für absetzbar erklärt hat.48 Dazu gehören Vorsorgeaufwendungen (zB Versicherungsbeiträge und Bausparbeiträge), unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben (zB gezahlte Kirchensteuer) und beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben (zB Spenden). Die abzugsfähigen Sonderausgaben sind im Gesetz abschließend aufgezählt, vgl. die §§ 10–10i EStG.
1239
Insbesondere regelt § 10 EStG einzelne Fälle von abzugsfähigen Sonderausgaben: – Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten unter besonderen Voraussetzungen, – Beiträge zu Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen, zu den gesetzlichen Rentenversicherungen und an die Bundesanstalt für Arbeit, – Beiträge zu verschiedenen Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall, – gezahlte Kirchensteuer Zwei Drittel der Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt gehörenden Kindes, im Alter zwischen drei und sechs Jahren, höchstens aber 4 000 Euro,
1240
48 Vgl. zum Abzug privater Aufwendungen Tipke/Lang, § 9 Rz. 700 ff.
487
Teil J
Event und Steuern
– Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung bis zu 4 000 Euro (Fortbildungskosten sind Werbungskosten/Betriebsausgaben). 1241
Die Einzelheiten können dem Gesetz entnommen werden, insbesondere auch zum Sonderausgaben-Pauschbetrag in § 10c EStG.
1242
Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen und die größer sind als die Aufwendungen vergleichbarer Steuerpflichtiger, § 33 Abs. 1 EStG. Zwangsläufig erwachsen die Aufwendungen, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und wenn die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, § 33 Abs. 2 EStG. Der Teil der Aufwendungen, der eine zumutbare Eigenbelastung übersteigt, darf vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.
1243
Die wichtigsten Fälle für den Abzug als außergewöhnliche Belastungen sind – Aufwendungen für die Unterstützung bedürftiger Angehöriger, – Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat bei Brand, Diebstahl usw., – Aufwendungen in Krankheits-, Todes- und Scheidungsfällen, – Aufwendungen für Körperbehinderte usw. f) Zu versteuerndes Einkommen
1244
Vom Einkommen sind in einem letzten Schritt noch weitere Freibeträge abzuziehen.
1245
Für jedes zu berücksichtigende Kind wird ein Freibetrag von 3 648 Euro vom Einkommen abgezogen. Hinzu kommt ein Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungsbedarf iH von 2 160 Euro, wenn das Kind das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat oder behindert ist (Beträge für Verheiratete, die gemeinsam veranlagt werden).
1246
Beispiel für einen Sonderfreibetrag ist der Haushaltsfreibetrag in § 32 Abs. 7 EStG. Er betrug 2 340 Euro im Jahr 2002 und ist zum 31.12.2003 weggefallen. Zum Ausgleich gibt es den Entlastungsbetrag von 1 308 Euro für Kinder bis zum 18. Lebensjahr, sofern Alleinerziehende mit ihren Kindern einen gemeinsamen Hauptwohnsitz haben und keine anderen Erwachsenen im Haushalt leben. g) Der Steuertarif
1247
Auf das zu versteuernde Einkommen als Einkommensteuer-Bemessungsgrundlage wird der Tarif angewendet.49 Der Tarif ist linear-progressiv. Die Progression setzt bei einem Betrag von 7 835 Euro ein und endet bei einem Betrag von 52 151 49 Vgl. Tipke/Lang, § 9 Rz. 740 ff.
488
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Euro. Beträge bis 7 834 Euro sind steuerfrei (Grundfreibetrag). Beträge ab 52 152 Euro bis 250 000 Euro werden einheitlich mit 42 % versteuert. Beträge ab 250 001 Euro werden einheitlich mit 45 % versteuert. Diese Beträge gelten für den Veranlagungszeitraum 2008, § 32a Abs. 1 EStG. Daraus ergibt sich folgendes Schema: Abb. 64: Die Steuerprogression 2009/10
Wenn der Tarif der Geldentwertung nicht angepasst wird, findet eine heimliche Steuererhöhung statt. Durch die zum Ausgleich der Geldentwertung vorgenommenen Einkommens- und Lohnerhöhungen wachsen immer mehr Steuerpflichtige in einen höheren Tarif hinein. Diese Entwicklung könnte verhindert werden, indem zB der Tarif indexiert wird oder der Gesetzgeber verpflichtet wird, den Tarif regelmäßig anzupassen. In Deutschland sind solche Möglichkeiten aber nicht vorgesehen.
1248
Thesaurierte Gewinne
1248a
Von diesem Tarif sind ab dem Jahr 2008 durch das Unternehmenssteuerreformgesetz für Unternehmensgewinne und für Kapitalerträge Ausnahmen geschaffen worden. Diese Ausnahmen sollen eine rechtsformneutrale Besteuerung gewährleisten und sind deshalb im Zusammenhang mit der Absenkung des Körperschaftsteuertarifs und der Änderung des Gewerbesteuergesetzes zu betrachten und sollen insgesamt den Standort Deutschland stärken. Für die Einkommensteuer gilt Folgendes: Grundsätzlich gilt der vorgenannte Tarif. Enthält das zu versteuernde Einkommen nicht entnommene (thesaurierte) Gewinne, so kann für diese ganz oder teilweise die Besteuerung mit einem Steuersatz (Tarif) von 28,25 % beantragt werden, vgl. § 34a EStG. Begünstigt sind nur Gewinneinkünfte von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften, sofern die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG erfolgt. Wird der 489
1248b
Teil J
Event und Steuern
Gewinn vereinfacht durch Einnahme-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, so scheidet eine Begünstigung aus. Ein Gesellschafter kann den Antrag nur stellen, wenn sein Anteil am Gewinn mehr als 10 % beträgt oder aber 10 000 Euro übersteigt. Der Antrag kann bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides für das nächste Jahr zurückgenommen werden. Grund dafür ist es, dass Unternehmer auf Grund unvorhergesehener Verluste gezwungen sein können, thesaurierte Gewinne zu entnehmen und dadurch steuerlich schlechter stehen können. 1248c
Der nicht entnommene Gewinn ist der durch Bilanz ermittelte Gewinn, vermindert um den positiven Betrag der Entnahmen und der Einlagen, vgl. § 34 Abs. 2 EStG.
1248d
Nachversteuerung Das Problem dieser Begünstigung nicht entnommener Gewinne liegt in der Nachversteuerung. Zum Ende eines jeden Veranlagungszeitraumes ist der so genannte nachversteuerungspflichtige Gewinn festzustellen, vgl. § 34a Abs. 3 EStG. Es gilt folgendes Schema: ./. + + ./. ./. =
Begünstigungsbetrag des Veranlagungszeitraumes Einkommensteuer (28,25 %) zzgl. Solidaritätszuschlag nachversteuerungspflichtiger Betrag des Vorjahres nachversteuerungspflichtiger Betrag aus übertragenen Wirtschaftsgütern Nachversteuerungsbetrag des laufenden Wirtschaftsjahres Auf andere Unternehmen übertragene nachversteuerungspflichtige Beträge Nachversteuerungspflichtiger Betrag
1248e
Wird dieser nachversteuerungspflichtige Betrag in einem späteren Wirtschaftsjahr ganz oder teilweise entnommen, so führt dies zu einer Nachversteuerung der Entnahme mit einem einheitlichen Tarif von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Zu einer nachversteuerungspflichtigen Entnahme kommt es, wenn die Entnahmen größer waren als die Einlagen und der Gewinn.
1248f
Ob der Steuerpflichtige einen Antrag auf Steuerbegünstigung stellen will, muss gut überlegt sein. Liegt sein individueller Steuersatz unter 28,25 %, macht ein Antrag auf begünstigte Besteuerung nicht entnommener Gewinne von vornherein keinen Sinn. Bei hohen Steuersätzen kann so ein Antrag sinnvoll sein. Nicht entnommene Gewinne werden mit 28,25 % versteuert. Die Nachversteuerung erfolgt pauschal mit 25 %. Begünstigte Besteuerung und Nachversteuerung liegen damit höher als die sofortige Besteuerung zum Spitzensteuersatz. Aufgrund von Zinsvorteilen kann sich die begünstigte Besteuerung gleichwohl relativ schnell rechnen. aa) Progressionsvorbehalt
1249
Hat ein Steuerpflichtiger bestimmte steuerfreie Einnahmen erhalten, dann ist für ihn ein besonderer Tarif anzuwenden, § 32b EStG. Die Besonderheit besteht 490
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
darin, dass das steuerfreie Einkommen bei der Tarifberechnung mitgerechnet wird, aber der so gewonnene Tarif nur auf das steuerpflichtige Einkommen angewendet wird.50 Beispiel Herr I. Wendt hat von Januar bis Juni 2008 Arbeitslosengeld iH von 6 000 Euro bezogen. Den Rest des Jahres war er als Eventmanager erwerbstätig. Sein steuerpflichtiges Einkommen beträgt 12 000 Euro. Sein Gesamteinkommen beträgt somit 18 000 Euro. Die Einkommensteuer darauf beträgt 1 506 Euro. Dies entspricht einem durchschnittlichen Steuersatz von 8,37 %. Demnach beträgt die Einkommensteuer 8,37 % von 12 000 Euro = 1 004,40 Euro, die Tabellensteuer auf 12 000 Euro dagegen nur 155 Euro.
Der Progressionsvorbehalt will verhindern, dass ein Steuerpflichtiger dadurch einen Tarifvorteil erhält, dass sein Einkommen zum Teil steuerfrei ist. Der Progressionsvorbehalt dient in erster Linie dazu, ausländische Einkünfte beim Steuersatz zu berücksichtigen. Wenn aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Einkünfte im Quellenstaat besteuert werden und dementsprechend im Inland steuerfrei sind, unterliegen sie dem Progressionsvorbehalt, vgl. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG.
1250
bb) Steuerermäßigungen § 34 Abs. 1 und 2 EStG sehen eine ermäßigte Besteuerung für außerordentliche Einkünfte vor. Außerordentliche Einkünfte sind solche aus Veräußerungsgewinnen, Entschädigungen iS von § 24 Nr. 1 EStG, Nutzungsvergütungen und Zinsen iS von § 24 Nr. 3 EStG, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden, und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten.
1251
Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt das Fünffache des Unterschiedsbetrages zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das zu verbleibende zu versteuernde Einkommen zzgl. eines Fünftels dieser Einkünfte.
1252
Bestehen die außerordentlichen Einkünfte in Veräußerungsgewinnen, so kann die Steuerermäßigung wie folgt vorgenommen werden:
1253
Der ermäßigte Steuersatz beträgt 56 % des normalen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen bemessen wäre, mindestens jedoch 15 %. Die Steuerermäßigung gilt bis 5 Mio. Euro und auch nur dann, wenn der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Veräußerung das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernd berufsunfähig ist. Außerordentliche Einkünfte, die diesen Betrag überschreiten, unterliegen dem Normaltarif. Der Tarif wird nur auf Antrag gewährt. 50 Vgl. zum Progressionsvorbehalt Tipke/Lang, § 9 Rz. 808 ff.
491
Teil J
Event und Steuern
1254
Dieser Steuersatz gilt bei der Veräußerung von Einzelunternehmen oder Anteilen daran. Bei der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften gilt das Teileinkünfteverfahren, § 3 Nr. 40 iVm. § 3c Abs. 2 EStG, vgl. dazu die Darstellung bei der Körperschaftsteuer.
1255
Diese Regelung ist dann interessant, wenn der Steuerpflichtige sich aus dem Arbeitsleben zurückziehen will, also zB dann, wenn der Inhaber einer Eventagentur diese Agentur verkaufen will. cc) Das Anrechnungsverfahren der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer
1256
Bis zum Veranlagungszeitpunkt 2000 regelte § 32c EStG die so genannte Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte. Diese Vorschrift war großen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Sie ist abgeschafft worden. Stattdessen findet nun eine pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer statt. Ob damit die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt sind, ist mehr als fraglich. Zum besseren Verständnis wird das Anrechnungsverfahren im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer dargestellt.51 dd) Die Ehegattenbesteuerung
1257
Ehegatten, die unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, haben ein Wahlrecht zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung. Geben sie keine Erklärung ab, so wird unterstellt, dass sie die Zusammenveranlagung wählen, § 26 Abs. 3 EStG.
1258
Bei der getrennten Veranlagung ergeben sich keine Unterschiede zum normalen Tarif. Jeder Ehegatte gibt eine Steuererklärung mit seinem Einkommen und seinen Abzügen ab.
1259
Bei der Zusammenveranlagung werden die Ehegatten gemeinsam als ein Steuerpflichtiger behandelt. Dies ändert allerdings nichts daran, dass jeder Ehegatte Steuerschuldner ist und dass jeder Ehegatte selbständig Rechtsbehelfe einlegen kann.
1260
Gemäß § 32a Abs. 5 EStG beträgt die tarifliche Einkommensteuer das Zweifache des Steuerbetrages, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt, sog. Splitting. Damit wird auch der Grundfreibetrag verdoppelt, was dann von Bedeutung ist, wenn nur ein Ehegatte berufstätig ist. Durch das Splittingverfahren vermindert sich die Progression, so dass die gemeinsame Veranlagung in der Regel vorzuziehen ist. h) Verfahren
1261
Die Einkommensteuer ist eine Veranlagungssteuer. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige sein Einkommen selbst ermitteln und dem Finanzamt mittei51 Vgl. Rz. 1365 ff.
492
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
len muss. Die Einkommensteuer wird dann durch schriftlichen Bescheid festgesetzt. Das Verfahren richtet sich nach der Abgabenordnung. Die Veranlagung geschieht nach Ablauf des Veranlagungszeitraums, also des Kalenderjahres, § 25 Abs. 1 EStG. Es sind jedoch Vorauszahlungen zu leisten, die nach den vergangenen Verhältnissen bemessen werden. Von dieser Veranlagung gibt es jedoch Ausnahmen. Jedem bekannt ist die Lohnsteuer. Das Gleiche gilt aber auch für die Kapitalertragsteuer. Diese sind nur besondere Erhebungsformen der Einkommensteuer. In diesen Fällen behält der Arbeitgeber oder das Kreditinstitut die Steuer ein und führt sie an das Finanzamt ab. Der Steuerpflichtige hat sich also nicht selbst zu veranlagen, also in eigener Person dem Finanzamt Mitteilung über sein Einkommen zu machen. Dies geschieht vielmehr von dritter Seite. Man spricht in diesen Fällen von Quellensteuer.
1262
Neu eingeführt worden ist die Bauabzugsteuer in den §§ 48 ff EStG. Sie wird im Anschluss an die Lohnsteuer dargestellt, da sie für den Eventbereich sehr bedeutsam ist.52
1263
i) Die Lohnsteuer Lohnsteuerpflichtig sind Arbeitnehmer, also Steuerpflichtige, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Eine Definition findet sich in § 1 Abs. 1 Satz 1 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV). Danach sind Arbeitnehmer Personen, die im öffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind und aus diesem Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Angestellte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.53
1264
Die nichtselbständige unterscheidet sich danach von der selbständigen Tätigkeit nicht durch den Inhalt der Tätigkeit, sondern durch die Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit.
1265
Abzugrenzen ist der Arbeitnehmer vom freien Mitarbeiter, der selbständig tätig ist. Angesprochen ist damit die Problematik der Scheinselbständigkeit.54 Wenn aufgrund einer Klage des Mitarbeiters durch das Arbeitsgericht oder aufgrund einer Klage eines Sozialversicherungsträgers oder durch das Finanzamt festgestellt wird, dass tatsächlich kein freies Mitarbeiterverhältnis vorliegt, so hat das für den Arbeitgeber weitreichende Bedeutung.
1266
52 Vgl. Rz. 1311 ff. 53 Vgl. zur Abgrenzung der Arbeitnehmereigenschaft von anderen Formen der Beschäftigung Rz. 929 ff. 54 Vgl. dazu Rz. 936 ff.
493
Teil J
Event und Steuern
1267
Arbeitsrechtlich wird der Mitarbeiter mit allen rechtlichen Konsequenzen als Arbeitnehmer behandelt (Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall).55
1268
Sozialrechtlich hat der Arbeitgeber alle Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen. Eine Grenze wird nur durch die Verjährung gezogen, § 25 SGB IV. Vom Arbeitnehmer kann er nur die Arbeitnehmeranteile der letzten drei Monate dadurch erstattet bekommen, dass er diese Anteile vom Arbeitslohn einbehält, § 28g SGB IV. Nur dann, wenn er den unterbliebenen Abzug nicht zu vertreten hat (nicht schuldhaft gehandelt hat), kann er die Arbeitnehmeranteile für davor liegende Zeiträume zurückfordern.
1269
Steuerrechtlich kann das Finanzamt durch Haftungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 AO iVm § 42d EStG vom Arbeitgeber die Lohnsteuerbeträge einfordern, obwohl der Arbeitnehmer Steuerschuldner ist, § 38 Abs. 2 EStG. Ob es dem Arbeitgeber gelingt, vom Arbeitnehmer die verauslagten Beträge ersetzt zu bekommen, ist eine Frage des Einzelfalles.
1270
Neben diesen Existenz bedrohenden finanziellen Risiken darf nicht übersehen werden, dass das Vorenthalten von Beiträgen zur Sozialversicherung oder zur Bundesanstalt für Arbeit strafbar ist und mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Der BFH hatte sich in zwei Fällen mit der Frage der Selbständigkeit (allerdings unter umsatzsteuerlichen Aspekten) zu befassen.56 Im ersten Fall klagte eine Opernsängerin, die aufgrund von Gastspielverpflichtungen in mehreren Städten auftrat. In den Verträgen wurden die von der Klägerin zu übernehmenden Partien, die Zahl der Aufführungen, das Honorar, die Fahrtkostenerstattung und teilweise auch die Teilnahme an den Proben geregelt. Tatsächlich nahm die Sängerin auch ohne eine solche Verpflichtung an den Proben teil, um sich in die künstlerische Konzeption einzubinden. Unter Berufung auf ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums57 war die Klägerin der Meinung, sie sei nicht selbständig tätig, da insbesondere die Verpflichtung zur Teilnahme an den Proben einer Selbständigkeit widerspreche. Dieser Ansicht trat der BFH nicht bei. Er meinte, das Gesamtbild der Tätigkeit lasse auf eine selbständige Ausübung der Berufstätigkeit schließen, da die Klägerin in ausreichendem Maße Unternehmerinitiative entwickele. Außerdem übe sie eine künstlerische Tätigkeit aus, die der Weisungsgebundenheit des Arbeitgebers naturgemäß Grenzen setze. Im zweiten Fall klagte eine Chorsängerin, die aufgrund eines „Gastvertrages“ verpflichtet worden war. Vertraglich hatte sie an zwei Vorstellungen an einem Tag pro Woche mitzuwirken. Die Teilnahme an den Proben war Pflicht. Das 55 Vgl. dazu Rz. 936 ff. 56 BFH v. 30.5.1996 – V R 2/95, NJW 1997, 1189; BFH v. 14.12.1995 – V R 13/95, NJW 1997, 1190. 57 BMF-Schreiben v. 5.10.1990, BStBl. I 1990, S. 638.
494
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Honorar betrug 150 DM (ca. 75 Euro) pro Vorstellung. Dieses Honorar sollte entfallen, wenn sie wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen verhindert war. Für den Fall des Nichterscheinens war eine Vertragsstrafe vereinbart. In einem Folgevertrag war vorgesehen, dass sie im Falle ihrer Verhinderung Ersatz zu stellen hatte. War auch der verhindert, so durfte auf ihre Kosten angemessener Ersatz besorgt werden. Auch in diesem Fall wurde die Klägerin als selbständige Unternehmerin qualifiziert. Entsprechende Feststellungen des Finanzgerichtes wurden vom BFH bestätigt. Beispiel Geht es um die Arbeitnehmerschaft eines Sportlers, bei der ein Verein als Arbeitgeber auftritt, so ist aus Vereinssicht zu überlegen, ob durch entsprechende Verträge die Arbeitgeberschaft nicht „abgewälzt“ werden kann. Möglich ist es nämlich auch, dass ein Unternehmen als Sponsor auftritt und der unterstützte Sportler uU Arbeitnehmer des Sponsors wird. Folgender Fall wurde vor dem Finanzgericht des Saarlandes58 verhandelt:
1271
Eine Tischtennisspielerin in Diensten eines Bundesligavereins unterhielt einen Werbevertrag mit einem Unternehmen, der ihr jährliche Einnahmen von 150 000 DM (ca. 75 000 Euro) einbrachte. Die Versteuerung dieser Einnahmen sollte vertragsgemäß ihre Sache sein. Im Einzelnen enthielt der Werbevertrag folgende, weitere Regelungen: § 1 Nr. 1.1.1 Die Spielerin überlässt dem Werbepartner uneingeschränkt und ausschließlich alle Rechte an ihrem Namen und an ihrem Bild zur werblichen Nutzung und zur beliebigen Verwendung. § 1 Nr. 1.2 Insbesondere ist es dem Werbepartner gestattet, namens und im Auftrag der Spielerin oder im eigenen Namen das Bild, die Tätigkeit etc. der Spielerin zum Gegenstand von Werbeverträgen mit entsprechenden Werbepartnern zu machen. § 1 Nr. 6 Die Spielerin verpflichtet sich, ihre ganze Kraft und ihre sportliche Leistung uneingeschränkt für den Tischtennissport einzusetzen. Sie hat alles zu tun, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten und nach Möglichkeit zu steigern, und alles zu unterlassen, was ihrer sportlichen Entwicklungsfähigkeit im Allgemeinen und im Besonderen vor und bei wichtigen sportlichen Veranstaltungen abträglich sein könnte. § 1 Nr. 8.1 Die Spielerin verpflichtet sich, ihre Möglichkeiten im Umgang mit den Medien, Journalisten, Agenturen etc. ausschließlich zum Wohl und zur Förderung der gewerblichen Zwecke des Werbepartners zu nutzen.
Das Finanzamt bewertete die Einkünfte der Tischtennisspielerin aus diesem Vertrag als gewerbliche. Das Finanzgericht stufte aber aufgrund einer Klage die Spielerin als Arbeitnehmerin des Werbepartners ein. Begründung: Voraussetzung für die Annahme gewerblicher Einkünfte ist zunächst einmal die Selbständigkeit des Steuerpflichtigen. Selbständig im steuerlichen Sinne ist eine natürliche Person, wenn sie das Erfolgsrisiko der eigenen Betätigung trägt (Unternehmerrisiko) und Unternehmerinitiative entfalten kann. Unselbständig ist dagegen jemand, der in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung eines Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus eines Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. 58 FG Saarland v. 11.3.1994 – 1 K 53/94.
495
1272
Teil J
Event und Steuern
1273
Für die steuerliche Beurteilung kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Gegen ein Dienstverhältnis sprach die vertragliche Ausgestaltung (keine Einbehaltung der Lohnsteuer und Sozialversicherung, keine Urlaubsregelung). Der Vertragsinhalt sprach aber in einem hohen Maße für Abhängigkeit (Recht zur werbewirksamen Vermarktung nur für den Werbepartner, Verpflichtung zur uneingeschränkten Unterstützung und Befolgung der Weisungen des Werbepartners, Risiko beim Werbepartner).
1274
Arbeitslohn sind Bezüge, die aus einem Dienstverhältnis stammen, also laufende oder einmalige Bezüge, Bar- oder Sachbezüge, insbesondere Personalrabatte oder Betriebswagen.59 Angenommen, in dem obigen Beispielsfall60 der Tagung im Rahmen einer Seereise sollen statt der Selbständigen oder Gewerbetreibenden Angestellte die Dienstreise antreten. Wie ist die steuerliche Relevanz dieses Falles zu beurteilen?
1275
Es stellt sich die Frage, ob die Seereise als Einkommen lohnsteuerpflichtig ist. Der BFH hatte ursprünglich zu dieser Frage im Wesentlichen die gleiche Meinung vertreten wie im obigem Beispielsfall. Wurden Angestellte auf eine Dienstreise geschickt, so hatten sie diese Reise zu versteuern, wenn die touristischen Elemente nicht nur von untergeordneter Bedeutung sind. Eine prozentuale Aufteilung kam nicht in Betracht.61 Der Wert der Seereise stellte Arbeitsentgelt dar, das zu versteuern ist. Auch diese Rechtsprechung ist aufgegeben. Wie bei Selbständigen ist auch bei Arbeitnehmern die Reise in Dienst- und Freizeitelemente aufzuteilen und nur die Freizeitanteile der Besteuerung zu unterwerfen.
1276
Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer dem Finanzamt anzumelden und an das Finanzamt abzuführen, § 41a Abs. 1 EStG. Je nach Höhe der im vergangenen Jahr gezahlten Lohnsteuer hat er Vorauszahlungen gemäß § 41a Abs. 2 EStG zu leisten, und zwar: – bei mehr als 3 000 Euro gezahlter Lohnsteuer jeweils am 10. des Folgemonats, – bei einer gezahlten Lohnsteuer zwischen 800 Euro und 3 000 Euro jeweils am 10.4., 10.7., 10.10. und 10. 1. – Hat er weniger als 800 Euro Lohnsteuer abgeführt, so hat er die Steuer am 10.1. in einem Betrag zu zahlen.
1277
Um die an das Finanzamt abzuführenden Beträge errechnen zu können, hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte auszuhändigen. Diese Lohnsteuerkarte stellt die Gemeinde aus, § 39 Abs. 1 EStG, letztmalig allerdings für das Jahr 2010, da die Lohnsteuerabzugsmerkmale elektronisch gespeichert werden und zukünftig vom Bundeszentralamt für Steuern zum automati-
59 Vgl. zum Begriff des Arbeitslohnes Tipke/Lang, § 9 Rz. 553. 60 Siehe Rz. 1206, 1455. 61 So das Kreta-Urt. des BFH v. 9.8.1996 – VI R 88/93, BStBl. II 1997, S. 97.
496
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
sierten Abruf durch den Arbeitgeber bereitgehalten werden. Die Gemeinde hat auf der Lohnsteuerkarte insbesondere einzutragen: – die Lohnsteuerklasse, – die Zahl der Kinderfreibeträge, – sonstige Freibeträge. Die Lohnsteuer ist derzeit in die sechs folgenden Klassen eingeteilt, § 38b EStG: – Steuerklasse I gilt für Alleinstehende (Ledige, dauernd getrennt Lebende, Verwitwete, Geschiedene), bei denen kein Kind zu berücksichtigen ist. – Steuerklasse II findet Anwendung auf Alleinstehende, bei denen mindestens ein Kind zu berücksichtigen ist (Halbfamilie). Sie wird wegfallen. – Steuerklasse III gilt für Verheiratete, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, wobei nur ein Ehegatte Arbeitslohn bezieht oder der andere Ehegatte zwar arbeitet, aber in Steuerklasse V eingestuft ist. – Steuerklasse IV gilt für Verheiratete, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und beide einen annähernd gleich hohen Arbeitslohn beziehen. – Steuerklasse V wird zugrunde gelegt für die in Steuerklasse IV bezeichneten Arbeitnehmer, wenn der Ehegatte des Arbeitnehmers auf Antrag beider Ehegatten in die Steuerklasse III eingestuft wird. Diese Klasse ist günstig für einen Arbeitnehmer, der ca. bis zu 40 % des Familieneinkommens erzielt. – Steuerklasse VI gilt für Arbeitnehmer, die Arbeitslohn aus verschiedenen Arbeitsverhältnissen beziehen. Diese Steuerklasse wird zugrunde gelegt für die Errechnung der Lohnsteuer vom Arbeitslohn aus dem zweiten Dienstverhältnis und den weiteren Dienstverhältnissen.
1278
Der Arbeitgeber hat nun anhand seiner Buchführung die Lohnsteuer seines Arbeitnehmers zu errechnen. Diesen Betrag hat er vom Bruttogehalt des Arbeitnehmers abzuziehen. Das Gleiche gilt für abzuführende Kirchensteuer, den Solidaritätszuschlag und die Sozialversicherungsleistungen. Dem Arbeitnehmer überweist er nur den Nettobetrag. Die übrigen Beträge überweist er an die dafür zuständigen Stellen.
1279
Mit der Überweisung der Beträge an das Finanzamt hat der Arbeitgeber eine Lohnsteuer-Anmeldung abzugeben. Anmeldezeitraum ist grundsätzlich der Kalendermonat; ausnahmsweise das Kalendervierteljahr, wenn die abzuführende Lohnsteuer für das vergangene Jahr zwischen 800 Euro und 3 000 Euro betragen hat. Hat die abzuführende Lohnsteuer weniger als 800 Euro betragen, ist Anmeldezeitraum das Kalenderjahr. Anmeldezeitraum und Zeitpunkt für die Zahlungen sind also identisch.
1280
Die Lohnsteuer-Anmeldung ist auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, § 41a Satz 2 EStG.
1281
Damit die richtige Behandlung der Lohnsteuer nachgeprüft werden kann, hat der Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer ein Lohnkonto zu führen. Einzelheiten ergeben sich aus § 4 LStDV.
1282
497
Teil J
Event und Steuern
aa) Geringfügig Beschäftigte Die EvilVents GmbH beschäftigt vielfach Aushilfs- oder Teilzeitkräfte.62 Diese geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse unterlagen bis zum 31.3.1999 der pauschalen Besteuerung durch den Arbeitgeber. Dies bedeutete, dass der Arbeitnehmer sein Entgelt ohne Steuerabzug ausgezahlt bekam und der Arbeitgeber die Lohnsteuer an Stelle des Arbeitnehmers übernahm. Zum 1.4.1999 ist diese Rechtslage geändert worden. Im Grundsatz sind diese Beschäftigungsverhältnisse, bei denen der Arbeitnehmer bis zu 325 Euro verdienen darf, steuerfrei. Statt der Besteuerung wurde eine Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung eingeführt. Der Arbeitgeber zahlt pauschal 10 % in die Krankenversicherung und 12 % in die Rentenversicherung ein. 1283
Zum 1.4.2003 sind diese Beschäftigungsverhältnisse schon wieder auf andere rechtliche Grundlagen gestellt worden. Es gilt nun zu unterscheiden zwischen Beschäftigungsverhältnissen bis 400 Euro und solchen von 400,01 Euro bis 800 Euro. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse im früheren Sinne sind nur die Beschäftigungsverhältnisse bis 400 Euro. Bei den Beschäftigungsverhältnissen von 400,01 Euro bis 800 Euro wird die Angleichung an „ordentliche“ (haupt-)Beschäftigungsverhältnisse stufenlos vollzogen. Der Gesetzgeber spricht deshalb auch von einer Gleitzone.
1284
Geringfügig Beschäftigte bis 400 Euro haben keinerlei Abgaben zu entrichten. Der Arbeitgeber hat pauschal 30 % des Entgeltes abzuführen, und zwar auf die Rentenversicherung 15 %, auf die Krankenversicherung 13 % und eine Pauschalsteuer iH von 2 % (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag).
1285
In der Gleitzone wird der Sozialversicherungsbeitrag der Arbeitnehmer stufenlos (linear) angehoben. Es folgt eine individuelle Besteuerung.
1286
Mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse werden zusammen gerechnet. Verdient der Beschäftigte dann mehr als 400 Euro, so erfolgt die individuelle Besteuerung. Sozialversicherungsrechtlich gilt die Regelung der Gleitzone. Neben einer Hauptbeschäftigung kann allerdings einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen werden. Diese Regelung ist neu. Neu ist ebenfalls, dass die Beschränkung auf 15 Stunden in der Woche entfallen ist. bb) Kurzfristig Beschäftigte
1287
Kurzfristig geringfügig Beschäftigte sind von den dauerhaft geringfügig Beschäftigten zu unterscheiden. Diese Beschäftigungsverhältnisse sind weiterhin versicherungsfrei und steuerpflichtig. Die Steuer kann unverändert pauschaliert werden, sofern nur die steuerlichen Voraussetzungen des § 40a EStG vorliegen.
62 Vgl. zur arbeitsrechtlichen Problematik Rz. 950 ff.
498
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Was sind kurzfristig geringfügig Beschäftigte?
1288
Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV liegen kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse vor, wenn die Arbeitszeit zwei Monate bzw. 50 Arbeitstage pro Jahr nicht überschreitet.63 Eine Event-Agentur, die eine Aushilfe für eine Veranstaltung engagiert, hat für diese keine Sozialabgaben abzuführen, sondern 25 % pauschale Lohnsteuer zu entrichten. Hier hat sich nichts geändert. Wird aber eine Aushilfe ein Mal pro Woche tätig, so bleibt die Jahresarbeitszeit auch unter 50 Tagen – ein paar Wochen Urlaub unterstellt. Trotzdem liegt keine kurzfristige Beschäftigung vor, wie das Bundessozialgericht entschieden hat, denn eine Dauerbeschäftigung soll keine kurzfristige sein.
1289
Für eine Event-Agentur ist dies eine wichtige Unterscheidung, denn immer dann, wenn die Beschäftigung nicht auf Dauer angelegt ist und die übrigen Grenzen eingehalten sind, kann die Pauschalbesteuerung beibehalten werden.
1290
j) Beschränkt steuerpflichtige Künstler und Sportler aa) Die Ausländersteuer Beispiel Im Rahmen eines Events wird ein Künstler beschäftigt, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Welche steuerlichen Probleme ergeben sich?
Der ausländische Künstler wird mit den im Inland erzielten Einkünften der Einkommensteuer unterworfen.64 Daraus können für den Veranstalter Pflichten entstehen. Zunächst einmal darf sich der Veranstalter nicht von dem Begriff „Ausländersteuer“ irreführen lassen. Ausländersteuer hat nichts mit der Nationalität zu tun. Anknüpfungspunkt ist vielmehr allein der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt. Das Gesetz spricht denn auch entsprechend von „beschränkter Steuerpflicht“, § 49 ff. EStG. Diese Steuerpflicht ist beschränkt, weil der „Steuerausländer“ nur mit seinen inländischen Einkünften der deutschen Einkommensteuer unterliegt. Beschränkt steuerpflichtig ist demnach, wer sich 183 Tage oder länger im Ausland aufhält.
1291
Der ausländische Künstler kann Arbeitnehmer sein. Dann hat der Veranstalter den Lohnsteuerabzug durchzuführen. Da Arbeitnehmer, die im Ausland wohnen, keine Lohnsteuerkarte besitzen, stellt sich für den Veranstalter die Frage, wie er die richtige Höhe der Steuer berechnet. Zu diesem Zweck stellt das Betriebsstättenfinanzamt eine Bescheinigung über die Steuerklasse und maßgeblichen Freibeträge aus. Der Veranstalter hat diese Bescheinigung genauso aufzubewahren wie eine Steuerkarte.
1292
63 Siehe dazu auch Rz. 954 ff. 64 Siehe zur beschränkten Steuerpflicht Rz. 1182 f.
499
Teil J
Event und Steuern
1293
In manchen Fällen darf der Lohnsteuerabzug unterbleiben. Dazu benötigt der Veranstalter eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes, vgl. § 50d Abs. 2 EStG.
1294
Künstler, die für ein Event verpflichtet werden, werden nun aber idR keine Arbeitnehmer sein.65 Das macht allerdings keinen großen Unterschied, denn bei beschränkt steuerpflichtigen Künstlern wird die Einkommensteuer im Wege des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG erhoben. Das bedeutet für die jeweiligen Veranstalter und Schuldner der Vergütung, dass sie verpflichtet sind, die Steuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. (1) Steuersatz
1295
Der Steuersatz betrug bis zum Jahr 2001 einheitlich 25 %, § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG aF. Dieser Steuersatz ist auf 20 % gesenkt worden Für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften ist der Tarif mittlerweile auf 15 % gesenkt worden. Dies entspricht dem allgemeinen Körperschaftsteuertarif. Gleichzeitig ist durch das Steueränderungsgesetz 2001 in § 50a Abs. 4 Satz 5 eine gestaffelte Regelung eingeführt worden. Für im Inland ausgeübte künstlerische sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen gilt ein besonderer Tarif. Abhängig von der Höhe der Einnahmen sind folgende Steuersätze anzuwenden: – 0 Prozent bei einer Vergütungssumme bis 250 Euro – 10 Prozent bei einer Vergütungssumme über 250 Euro bis 500 Euro – 15 Prozent bei einer Vergütungssumme über 500 Euro bis 1 000 Euro – 20 Prozent bei einer Vergütungssumme über 1 000 Euro Wie aufgezeigt ist seit dem Jahr 2008 der allgemeine Körperschaftsteuertarif auf 15 % gesenkt worden. Die vierte Stufe der Staffel ist demgemäß bei Körperschaften nicht anzuwenden.
1295a
Das Bundesministerium der Finanzen hat mittlerweile in einem Schreiben zu dieser Regelung Stellung genommen.66 Danach gilt Folgendes: Die Milderungsregelung ist nur auf die unmittelbaren Einnahmen aus inländischen Darbietungen anzuwenden. Einnahmen aus der Verwertung der Darbietung fallen nicht unter die Milderungsregelung. Sie unterliegen dem Steuerabzug iH von 20 % ab dem 1.1.2003. Sind Gläubiger der Vergütung mehrere Personen, ist die Milderungsregelung für jede Person auf die auf sie entfallende Vergütung anzuwenden. Dabei ist die Gesamtvergütung nach Köpfen aufzuteilen, sofern die Empfänger keinen anderen Aufteilungsmaßstab darlegen. Unter dem Begriff Darbietung in § 50a Abs. 4 Satz 5 EStG ist für die Anwendung der Milderungsregelung der einzelne Auftritt pro Tag zu verstehen. Werden an einem Tag mit einem Veranstalter mehrere Auftritte durchgeführt, ist 65 Vgl. zur Arbeitnehmereigenschaft Rz. 940 ff. 66 BMF-Schreiben v. 1.8.2002 – IV A 5-S2411 – 33/02, DStR 2002, 1354.
500
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
die Milderungsregelung für alle mit diesem Veranstalter durchgeführten Auftritte nur einmal anzuwenden. Werden an einem Tag Auftritte mit verschiedenen Veranstaltern durchgeführt, wird die Milderungsregelung einmal pro Veranstalter für alle mit ihm durchgeführten Auftritte angewendet. Nehmen Sie an, Sie wollen mit der ausländischen Band Art T. Ax and the Taxes Free eine Tournee durchführen, auf der 20 Auftritte durchgeführt werden sollen. Die Band besteht aus fünf Personen. Die Gesamtvergütung beträgt 25 000 Euro. Sie wollen nun wissen, wie viel Ausländersteuer (und Solidaritätszuschlag) Sie einzubehalten haben.
1295b
Folgende Rechnung ist anzustellen: 25 000 Euro geteilt durch 20 Auftritte gleich 1 250 Euro pro Auftritt. 1 250 Euro pro Auftritt geteilt durch fünf Personen gleich 250 Euro pro Person. Bei Anwendung des Staffelsteuersatzes stellen Sie fest, dass keine Einkommensteuer und kein Solidaritätszuschlag einzubehalten sind. (2) Bemessungsgrundlage der Ausländersteuer Grundsätzlich sind sämtliche Aufwendungen, die der inländische Veranstalter hat, in die Bemessungsgrundlage einzustellen. Ein Betriebsausgabenabzug kommt aufgrund des Wortlautes des Gesetzes grundsätzlich nicht in Betracht. Zu versteuern sind also insbesondere – das Honorar – Fahrtkosten und – Kosten der Unterbringung.
1295c
Aber auch alle sonstigen Aufwendungen sind zu versteuern. Mit dem Scorpio-Urteil67 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass es (europa-)rechtswidrig ist, dass Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der sportlichen (im Urteil: künstlerischen) Leistung stehen und soweit sie im Haftungszeitpunkt nachgewiesen werden können, nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden können.
1295d
Ein Betriebsausgabenabzug kann also stattfinden. Allerdings ist die Abgrenzung schwierig. Das BFH68 hat in seiner Schlussentscheidung nunmehr die Vorgaben des EuGH umgesetzt. So ist der Steuerabzug nach § 50a EStG zunächst von den Bruttohonoraren vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn entsprechende Aufwendungen zuvor dem Abzugsverpflichteten mitgeteilt worden sind, woran es im konkret zu entscheidenden Fall fehlte. Das bedeutet: Nur, wenn der beschränkt Steuerpflichtige Ausgaben hat, welche unmittelbar mit der betreffen67 EuGH v. 3.10.2006 – C-290/04 – „Scorpio“, DStR 2006, 2071. 68 BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, DStR 2007, 1951.
501
1295e
Teil J
Event und Steuern
den wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, und wenn diese Ausgaben dem Vergütungsschuldner mitgeteilt werden, sind die Ausgaben bereits im Rahmen des Abzugsbzw. nachfolgenden Haftungsverfahren zu berücksichtigen. Soweit § 50a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG 1990 dies ausschließt, liegt ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor, auf den sich der Steuerpflichtige berufen kann. 1295f
Nach Ansicht des BFH sind die einschlägigen deutschen Regelungen als solche weiterhin anzuwenden, obwohl sie den Abzug von Erwerbsaufwendungen nicht vorsehen. Sie sind aber entsprechend den vom EuGH im Scorpio-Urteil aufgestellten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen auszulegen und in Norm erhaltender Weise zu reduzieren. Im konkreten Haftungsstreit hat der BFH den 15%igen Quellensteuerabzug auf die Bruttovergütungen des niederländischen Vergütungsgläubigers bestätigt, weil dem Vergütungsschuldner weder eine Freistellungsbescheinigung vorlag, noch der Nachweis über direkt mit den Aktivitäten des Vergütungsgläubigers in Deutschland zusammenhängenden Kosten.
1295g
Für die Besteuerungspraxis ist zu beachten, dass es dem Steuerschuldner nach der BFH-Entscheidung unbenommen bleibt, seine Erwerbsaufwendungen mitzuteilen, entweder vorab zur Berücksichtigung im Abzugsverfahren oder aber im Nachhinein im Rahmen eines Erstattungsanspruchs. Das BMF hat im Anschluss an das Scorpio-Urteil des EuGH die Grundsätze zur Anwendung des Abzugsverfahrens in einem BMF-Schreiben69 niedergelegt. Ob diese Sichtweise des BMF den EuGH-Vorgaben genügt, hat der BFH in seiner Schlussentscheidung offen gelassen.
1295h
Zu beachten ist, dass das Verfahren das Streitjahr 1996 betraf. Seit Mitte 2002 ist die (geänderte) Beitreibungs-Richtlinie 2001/44/EG der Europäischen Gemeinschaft in Kraft. Der EuGH hat in dem Scorpio-Urteil zu erkennen gegeben, dass im Hinblick hierauf der Abzug der Einkommensteuer an der „Quelle“ durch den inländischen Veranstalter des Künstlerauftritts möglicherweise nicht mehr gerechtfertigt sein könnte. Dementsprechend hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaft gegen die Bundesrepublik am 26.3.2007 auch bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Trotz der erweiterten Abzugsmöglichkeiten, die durch das BMF-Schreiben vom 5.4.2007 eingeführt worden sind, vertritt die Kommission der Europäischen Gemeinschaft nach wie vor die Auffassung, dass die deutsche Regelung mit der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs unvereinbar ist. Diese Auffassung vertritt die Kommission der Europäischen Gemeinschaft nach Ansicht des Verfassers zu Recht.
1295i
Um beurteilen zu können, ob auch unter Berücksichtigung der Abzugsmöglichkeiten, die durch das BMF-Schreiben vom 5.4.2007 bestehen, die nationalen Regelungen gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit verstoßen, müssen diese neue Regelungen überprüft werden. Das BMF-Schreiben bestimmt, dass Betriebsausgaben oder Werbungskosten eines beschränkt Steuerpflichtigen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den inländischen 69 BMF-Schreiben v. 5.4.2007 – IV C 8 - S 2411/07/0002, BStBl. I, 449 = DStR 2007, 763.
502
Teil J
III. Die einzelnen Steuerarten
Einnahmen stehen, beim Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG berücksichtigt werden können, wenn sie 50 % der Einnahmen übersteigen (§ 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3, Satz 2 EStG). Nach der gesetzgeberischen Konzeption seien bei diesen Einkünften nämlich Betriebsausgaben oder Werbungskosten iH von 50 % der Einnahmen bereits pauschal bei der Bemessung des Steuersatzes berücksichtigt worden, und die Berechtigung zum doppelten Abzug von Betriebsausgaben könne auch dem EuGH-Urteil vom 3.10.2007 (Scorpio) nicht entnommen werden. Der Steuerabzug solle deshalb 40 % des positiven Unterschiedbetrages zwischen den Einnahmen und den mit diese in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Betreibsausgaben oder Werbungskosten betragen: Beispiel (nach BMF-Schreiben vom 5.4.2007)
Einahmen Ausgaben Überschuss Abzugsbetrag (20 % der Einnahmen) (20 % der Einnahmen, max. 40 % des Überschusses)
Bisherige Regelung 1 500 Euro 800 Euro 700 Euro
Neue Regelung 1 500 Euro 800 Euro 700 Euro
1295j
300 Euro 280 Euro
Die Berücksichtigung der Betriebsausgaben oder Werbungskosten eines beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers beim Steuerabzug setzt voraus, dass der Vergütungsgläubiger Staatsangehöriger eines Mitgliedes der EU oder eines Staates ist, auf den das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Beschränkt steuerpflichtige Körperschaften müssen in einem dieser Staaten ihren Sitz und die Geschäftsleitung haben. Bei der Steueranmeldung sind entsprechende Nachweise beizufügen, also zB die Kopie eines Reisepasses oder ein Handelsregisterauszug.
1295k
Zu den abziehbaren Betriebsausgaben oder Werbungskosten zählen alle Aufwendungen, die unmittelbar durch die Erzielung der Einnahmen veranlasst sind. Nach Auffassung des BMF-Schreibens sollen dies zB Fahrt- oder Übernachtungskosten sein. Tatsächlich sind dies aber alle direkt zurechenbaren Kosten, insbesondere also Ausgaben für den Bühnenbau, Licht- und Tonanlagen. Richtiger Ansicht nach dürften aber auch aufteilbare Ausgaben wie Telefon-, Mietund Personalkosten darunter fallen. Die Berücksichtigung dieser Kosten ist unabhängig davon, ob der beschränkt Steuerpflichtige diese Kosten selbst getragen hat oder ob sie der Vergütungsschuldner zahlt. Außerdem sollen nur Kosten berücksichtigt werden, die bereits geleistet sind. Weitere Ausgaben sollen nur im Wege der Berichtigung nach § 73e EStDV berücksichtigt werden können.
1295l
Die Betriebsausgaben müssen außerdem in einer nachprüfbaren Form nachgewiesen werden. Außerdem müssen die Betriebsausgaben bei der Steueranmeldung in einer Anlage dargestellt werden.
1295m
503
Teil J
Event und Steuern
1295n
Letztlich lässt die Berücksichtigung der Betriebsausgaben oder Werbungskosten beim Steuerabzug die Steuererstattung gemäß § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 EStG unberührt70.
1295o
Aus den vorstehenden Betrachtungen folgt, dass auch die durch das BMF-Schreiben vom 5.4.2007 geschaffene Rechtslage gegen die Dienstleistungsfreiheit der EU verstößt. Neben der grundsätzlichen Frage, warum der Vergütungsschuldner den Steuerabzug vorzunehmen hat, benachteiligt insbesondere die pauschale Besteuerung mit 20 % der Einnahmen, max. aber 40 % des Überschusses den Vergütungsgläubiger unangemessen. Daran ändert auch das Erstattungsverfahren nichts. Besonders nachteilig ist auch, dass die Betriebsausgaben oder Werbungskosten bereits entstanden sein müssen, um berücksichtigt zu werden. Bei durchaus üblichen Vorschusszahlungen ist also zunächst der volle Steuerabzug vorzunehmen, obwohl feststeht, dass später Betriebsausgaben getätigt werden müssen. Diese Betriebsausgaben müssen dann nachträglich in einer Steuerberichtigung nachgewiesen werden. Dieses umständliche und die Liquidität beeinträchtigende Verfahren dürfte viele Veranstalter abschrecken. (3) Konsequenzen des Staffelsteuersatzes
1295p
Der Staffelsteuersatz beinhaltet ein „Alles oder Nichts-Prinzip“. Das bedeutet, dass das volle Entgelt jeweils mit dem entsprechenden Tarif zu versteuern ist. Dies führt dazu, dass es unwirtschaftlich ist, ein Entgelt zu vereinbaren, das nur unwesentlich über der nächsthöheren Staffel liegt. Aus der nachfolgenden Tabelle können Sie ersehen, dass es sich nicht lohnt, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, wenn dadurch der Staffelsteuersatz der nächsthöheren Staffel zum Tragen kommt und nicht die Bruttovereinbarung gewisse Schwellenwerte überschreitet. Brutto 250 Euro 500 Euro 1 000 Euro
1296
Brutto höher
Steuersatz in %
SolZ in %
Steuerabzug ESt + SolZ
Netto
280 Euro
0 10
0,00 0,55
00,00 Euro 29,54 Euro
250,00 Euro 250,46 Euro
532 Euro
10 15
0,55 0,82
52,75 Euro 84,16 Euro
447,25 Euro 447,84 Euro
1 067 Euro
15 20
0,82 1,10
158,20 Euro 225,13 Euro
841,80 Euro 841,87 Euro
Die Berechnung, wenn der Veranstalter die Steuer übernimmt (Netto-Vergütung), kann den nachfolgenden Tabellen entnommen werden. Durch eine Änderung des Umsatzsteuerrechtes71 ist ab dem Jahr 2002 die Umsatzsteuer nicht mehr Grundlage der Einkommensteuer, so dass sich im Ergebnis Netto-Vergütungen verbilligt haben.
70 Zum Erstattungsverfahren siehe Rz. 1298 ff. 71 Vgl. dazu die Darstellung im Umsatzsteuerrecht Rz. 1369 ff.
504
Teil J
III. Die einzelnen Steuerarten Abb. 65: Berechnung der Steuersätze (bis zum Jahr 2001) Steuersätze in %
§ 50a EStG
Berechnungssätze in % ohne Übernahme von Abzugssteuern und SolZ
SolZ
USt
§ 50a EStG
SolZ
USt
Berechnungssätze in % und Übernahme von Abzugssteuern und SolZ § 50a EStG
SolZ
USt
25
5,5
–
25,00
1,37
–
33,96
1,87
–
25
5,5
7
26,75
1,47
7
37,27
2,05
9,75
25
5,5
16
29,00
1,59
16
41,78
2,30
23,05
Dazu ein Beispiel: Die Berechnung der durch den Veranstalter an das Finanzamt abzuführenden Steuer eines ausländischen selbständigen Künstlers bei einer Netto-Honorarvereinbarung von 10 000 DM sah wie folgt aus: Ausgezahlte Netto-Vergütung: 41,78 % gemäß § 50a Abs. 4 EStG 2,3 % gemäß § 3 Abs. 1 SolZG 23,05 % gemäß § 12 UStG Brutto-Vergütung Danach ergeben sich: 25 % von 16 713,00 DM = 5,5 % von 4 178,00 DM = 16 % von 14 408,00 DM =
10 000,00 4 178,00 230,00 2 305,00 16 713,00
DM DM DM DM DM
4 178,00 DM 230,00 DM 2 305,00 DM
Abb. 66: Berechnung der Steuersätze (ab dem Jahr 2002) Steuersätze in %
Berechnungssätze in % ohne Übernahme von Abzugssteuern und SolZ
Berechnungssätze in % und Übernahme von Abzugssteuern und SolZ
§ 50a EStG
SolZ
USt
§ 50a EStG
SolZ
USt
§ 50a EStG
SolZ
USt
10
5,5
–
10
0,55
–
11,18
0,61
–
15
5,5
–
15
0,82
–
17,82
0,98
–
20
5,5
–
20
1,10
–
25,35
1,39
–
Dazu ein Beispiel: Die Berechnung der durch den Veranstalter an das Finanzamt abzuführenden Steuer eines ausländischen selbständigen Künstlers bei einer Netto-Honorarvereinbarung von 10 000 Euro sieht wie folgt aus: Ausgezahlte Netto-Vergütung: 25,35 % gemäß § 50a Abs. 4 EStG 1,39 % gemäß § 3 Abs. 1 SolZG Brutto-Vergütung Danach ergeben sich: 20 % von 12 674 Euro = 5,5 % von 2 535 Euro =
10 000,00 2 535,00 139,00 12 674,00
Euro Euro Euro Euro
2 535,00 Euro 139,00 Euro
505
Teil J
Event und Steuern
1296a
Diese Berechnungen sind nötig, weil die Einkommensteuer auf das jeweilige Bruttohonorar erhoben wird. Bei einer Nettohonorarvereinbarung muss deshalb das (höhere) Bruttohonorar erst ermittelt werden. Ausgehend von den Staffelsteuersätzen steht fest, dass ein Nettohonorar von 10 000 Euro nur 78,9 % des zu ermittelnden Bruttohonorars ist. Es gilt folgende Gleichung: 10 000 Euro: 78,9 x 100 = 12 674,27 Euro. Die Faktoren in der obigen Tabelle erleichtern nur die Rechnung.
1296b
Wie leicht es bei dieser Berechnung zu Fehlern kommen kann, zeigt sich bei Güllemann.72 Zunächst rechnet er bei einer Bruttohonorarvereinbarung völlig richtig den Solidaritätszuschlag aus. Dann aber verwechselt er bei der Nettohonorarvereinbarung das Honorar und die darauf zu zahlende Steuer. Der Faktor 1,39 aus der obigen Tabelle bezieht sich natürlich auf das Honorar, so dass bei einer Nettohonorarvereinbarung das Nettohonorar mit diesem Faktor multipliziert werden muss und nicht die Einkommensteuer. Eine Plausibilitätsüberprüfung hätte den Fehler entdeckt. (4) Staffelsteuersatz bei Nettovergütungen
1296c
1296d
Bei der Vereinbarung von Nettovergütungen muss stets beachtet werden, zu welchem Staffelsteuersatz der Künstler oder Sportler sein inländisches Einkommen versteuern muss. Zum Bruttoeinkommen gehört die Nettovergütung, die Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag. Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht die Nettobeträge. Bei Nettovergütung
Bis 250 Euro Über 250 bis 447,27 Euro Über 447,27 bis 841,75 Euro Über 841,75 Euro Normalsteuersatz
1296e
Steuersatz in %
0 10 15 20 20
Berechnungssatz in % der Nettovergütung Abzugsteuer
SolZ
0,00 11,18 17,82 25,35 25,35
0,00 0,61 0,98 1,39 1,39
Zur Kontrolle: Nettovergütung: Einkommensteuer (Faktor 11,18): SolZ (Faktor 0,61): Bruttovergütung:
447,27 50,00 2,73 500,00
Euro Euro Euro Euro
Beispiel einer Nettoabrechnung
1296f
Um eine richtige Nettoabrechnung aufzustellen, müssen stets die Nettozahlungen an den Künstler, sonstige Zahlungen sowie das Gesamthonorar gesondert aufgelistet werden, da ansonsten die Gefahr besteht, Zahlungen nicht dem Gesamt-Honorar zugrunde zu legen
72 Güllemann, S. 172.
506
Teil J
III. Die einzelnen Steuerarten
oder es zu zu hohen Auszahlungsbeträgen an die Künstler kommen kann. Die nachfolgende Übersicht gibt beispielhaft eine Zahlungsübersicht einer Nettoabrechnung wieder. Zahlungen Antritts- und Preisgeld Reisekostenerstattung Hotelkostenübernahme Nettovergütung ESt 25,35 % von 2 800 Euro SolZ 1,39 % von 2 800 Euro Bruttovergütung ESt 20 % von 3 548,72 Euro SolZ 1,10 % von 3 548,72 Euro Nettovergütung Auszahlungsbetrag
2 000 500 300 2 500
Euro Euro Euro Euro
Andere Vergütungen
300 Euro
Gesamt-Honorar
2 800,00 709,80 38,92 3 548,72 709,80 38,92 2 800,00 2 500,00
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
Bemessungsgrundlage ist der volle Betrag der Einnahmen einschließlich möglicher erstatteter Reisekosten73 oder anderer Kosten. § 50a Abs. 4 Satz 3 EStG bestimmt, dass Abzüge für Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und gezahlte Steuern nicht zulässig sind.74 Auch wenn diese Bestimmung gegen die Dienstleistungsfreiheit der EU verstößt und jedenfalls innerhalb der EU nicht mehr angewandt werden kann, so ist doch mit Künstlern oder Sportlern aus anderen Staaten die Regelung zu beachten. Aus diesem Grund hat der beschränkt steuerpflichtige Künstler einen Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung der Abzugssteuer, wenn seine steuerlich anzuerkennenden Aufwendungen höher als 50 % der Einnahmen sind. Auch Künstler oder Sportler aus Mitgliedstaaten der EU haben einen Erstattungsanspruch. Dies entgegen dem Wortlaut der Vorschrift allerdings immer schon dann, wenn sie aufgrund des Staffelsteuersatzes schlechter gestellt sind als Steuerinländer. Ein entsprechender Antrag ist auf amtlich vorgeschriebenem Muster beim Bundeszentralamt für Steuern zu stellen.75 Auch dazu ein Beispiel: Beispiel Ein ausländischer Künstler, der nicht aus einem Mitgliedstaat der EU stammt, gab ein technisch sehr aufwendiges Konzert in Deutschland. Er erzielte Einnahmen iH von 1 000 000 Euro. Seine Betriebsausgaben beliefen sich auf 850 000 Euro. Er hat auf die Einnahmen pauschal 20 % Einkommensteuer und 5,5 % Solidaritätszuschlag gezahlt. Insgesamt sind seine Ausgaben also höher als seine Einnahmen. Er hat auf jeden Fall einen Erstattungsanspruch. Es ist folgende Rechnung aufzustellen:
73 § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG. 74 § 50a Abs. 4 Satz 3 EStG. 75 § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG; vgl. das BMF-Schreiben v. 19.12.1996 – IV B 4 - S 2303 260/96, BStBl. I 1996, 1500.
507
1297
Teil J 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 8a. 9.
Einnahmen Betriebsausgaben/Werbungskosten Saldo (1. abzüglich 2.) Steuerberechnung (50 % von 3.) Solidaritätszuschlag (5,5 % von 4.) Summe 4. und 5. bisher gezahlte Einkommensteuer bisheriger Solidaritätszuschlag Summe 7. und 8. Erstattungsbetrag (6. abzüglich 8a.)
Event und Steuern 1 000 000 850 000 150 000 75 000 4 125 79 125 200 000 11 000 211 000 131 875
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
1298
Der Erstattungsanspruch soll verhindern, dass ausländische Künstler, die eine aufwendige Bühnenshow haben, entweder sogar zuzahlen müssen oder aber jedenfalls weit über dem für Steuer-Inländer liegenden Höchstsatz von 42 % im Jahr 2008 ihr Einkommen versteuern müssen. In der Vergangenheit war das anders, was dazu führte, dass ausländische Künstler in Deutschland nicht auftraten oder mit Hilfe ihrer deutschen Veranstalter Steuern hinterzogen haben. Einschlägige Fälle sind in jüngster Zeit auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Der Erstattungsantrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Muster beim Bundeszentralamt für Steuern zu stellen. Veröffentlicht ist dieses Muster im BStBl. 1996 I, S. 1500 oder auf den Internetseiten des Bundeszentralamtes für Steuern (www.bzst.bund.de) in der Rubrik „Doppelbesteuerung – Entlastung von deutscher Abzugssteuer für im Ausland ansässige Künstler“.
1299
Aber auch unter Berücksichtigung des Erstattungsanspruchs ist die Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler rechtswidrig, soweit es sich um EU-Ausländer handelt.76 Bei der Bestimmung des ursprünglichen Tarifs iH von 25 % ist davon ausgegangen worden, dass die Aufwendungen ca. 50 % der Erlöse betragen würden. Dies führt dazu, dass der Gewinn pauschal mit 50 % versteuert wird. Eine pauschale Besteuerung mit nahezu dem steuerlichen Höchsttarif läuft aber auf eine Diskriminierung der EU-Ausländer hinaus, die auch nicht mit den Schwierigkeiten der Auslandsberührung zu rechtfertigen ist. Eine solche Diskriminierung ist EU-rechtswidrig. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Höchstsatz der Staffelsteuer auf 20 % gesenkt worden ist. In den vergangenen Jahren kam hinzu, dass der Tarif der Einkommensteuer stufenweise gesenkt wurde. Betrug der Spitzensteuersatz im Jahr 1999 noch 53 %, so betrug er im Jahr 2002 nur 48,5 % und beträgt aktuell nur noch 42 %.
1299a
Der EuGH hat deshalb mit der Entscheidung vom 12.6.2003 (so genannte Gerritse-Entscheidung) entschieden, dass die Art. 59 und 60 (jetzt 49 und 50) nationalen Regelungen entgegenstehen, nach der Gebietsfremde die Bruttoeinkünfte ohne Abzug der Betriebsausgaben versteuern müssen, während Gebietsansässige ihre Betriebsausgaben in Abzug bringen können. Vielmehr ist den beschränkt steuerpflichtigen Künstlern und Sportlern die Möglichkeit ein76 Vgl. EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01, NJW 2003, 2731.
508
Teil J
III. Die einzelnen Steuerarten
zuräumen, ihre Betriebsausgaben nach denselben Regeln geltend zu machen wie dies unbeschränkt Steuerpflichtige können. Das Bundesministerium der Finanzen reagierte auf dieses Urteil mit einem Schreiben vom 24.10.2003. Für die Anwendung des vereinfachten Erstattungsverfahrens ist es nicht mehr Voraussetzung, dass die Betriebsausgaben die Hälfte der Einnahmen übersteigen müssen. Die Steuer wird vielmehr bereits dann erstattet, wenn und soweit sie den Betrag übersteigt, der sich bei Anwendung des tariflichen Steuersatzes nach § 32a Abs. 1 EStG auf die um den Grundfreibetrag erhöhten Einkünfte ergibt. Bei mehreren Auftritten in einem Kalenderjahr sind für den Vergleich mit der Besteuerung unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger sämtliche im Inland steuerpflichtigen Einkünfte einzubeziehen, die bis zur Antragstellung entstanden sind und dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG unterliegen. Dies gilt auch dann, wenn ein Steuerabzug aufgrund der Milderungsregel nicht vorgenommen worden ist.
1299c
Die für diese Einkünfte abgeführten Steuerabzugsbeträge sind zu berücksichtigen. Bei Veranstaltungsreihen ist nur ein Antrag abzugeben. Die Steuererstattung ist um bereits erstattete Beträge zu kürzen. Die übrigen Vorschriften zum vereinfachten Erstattungsverfahren sowie zur Durchführung des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG bleiben hiervon unberührt.
1299d
Beispiel Der Künstler erhält für einen Auftritt im Jahr 2008 eine Gesamtvergütung iH von 10 000 Euro. Der Vergütungsschuldner (Veranstalter) hat 2 000 Euro Einkommensteuer und 110 Euro Solidaritätszuschlag von dieser Vergütung einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Dem Künstler sind 2 000 Euro Betriebsausgaben, die im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Auftritt stehen, entstanden. Im modifizierten vereinfachten Erstattungsverfahren wird der Erstattungsanspruch wie folgt berechnet: Einnahmen (brutto) ./. Aufwendungen Einkünfte + Grundfreibetrag Einkünfte für Erstattung Tarifliche ESt darauf ./. einbehaltener Steuerabzug Steuererstattung
Einkünfte 10 000 Euro 2 000 Euro 8 000 Euro 7 664 Euro 15 664 Euro
ESt
SolZ
1 749 Euro 2 000 Euro 251 Euro
96,20 Euro 110,00 Euro 13,80 Euro
1299e
Folgt nach Durchführung des Erstattungsverfahrens eine weitere Veranstaltung, aus der ein Erstattungsanspruch entsteht, so ist das bereits durchgeführte Verfahren zu berücksichtigen. Es sind also die Gesamteinkünfte zu ermitteln und der bereits erstattete Betrag ist zu berücksichtigen. Erstattet wird nur noch die Differenz zwischen der Abzugssteuer und der tariflichen Einkommensteuer unter Berücksichtigung des bereits erstatteten Betrages.
1299f
Auch wenn es europarechtlich nicht geboten ist, soll das Verfahren nicht auf Steuerpflichtige beschränkt sein, die Angehörige eines Mitgliedstaates der EU
1299g
509
Teil J
Event und Steuern
oder eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes sind, sondern vielmehr auf alle offenen Fälle anzuwenden sein. 1299h
Abschließend muss festgestellt werden, dass das gesamte Abzugsverfahren rechtswidrig ist. Das „vereinfachte Erstattungsverfahren“ ist alles andere als einfach. Es sind komplizierte Vergleichsrechnungen anzustellen, die ein Veranstalter oder der ausländische Künstler oder Sportler alleine kaum durchführen kann. Können Unterlagen nicht sofort beigebracht werden oder sind Vorschüsse zu leisten, entsteht die Abzugspflicht sofort, während die Erstattung erst nach einem langwierigen Verfahren erfolgt. Insgesamt sollte das gesamte Verfahren überdacht werden.
1300
Die Frist für den Antrag beträgt ein Jahr.77 Sie beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Zufluss der Einnahmen erfolgte. Hat der Künstler nicht nur ein Konzert, sondern eine Tournee gegeben, so beginnt sie erst nach Abschluss der Tournee.78 (5) Hinweis zur Vertragsgestaltung
1301
Wegen der pauschalen Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler ist bei der Vertragsgestaltung darauf zu achten, dass immer dann, wenn der ausländische Vertragspartner einen Agenten hat, mindestens zwei separate Verträge abgeschlossen werden. Der ausländische Künstler oder Sportler muss nämlich seinen Agenten bezahlen. Dieses Honorar wird er sich von dem Veranstalter mit vergüten lassen. Wird nur ein Vertrag mit dem Künstler oder Sportler abgeschlossen, so ist darin das Agenturhonorar mit enthalten. Notwendigerweise muss deshalb auch von diesem Teil des Honorars Einkommensteuer einbehalten und abgeführt werden. Da die ausländische Agentur ihrem Vertragspartner auch Umsatzsteuer in Rechnung stellen muss, bedeutet das gleichzeitig, dass der inländische Veranstalter Einkommensteuer auch auf diese Umsatzsteuer zahlen muss. Zwar können nun aufgrund der Vorgaben des EuGH die unmittelbar mit der Veranstaltung stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Dies aber wohl immer nur gegen Nachweis. Will man nicht seine ganzen Vertragsverhältnisse offen legen, empfiehlt sich eine Gestaltung über zwei Verträge. Meistens empfiehlt es sich sogar, drei Verträge abzuschließen. Dies ist dann der Fall, wenn der Künstler selbst die Produktionskosten für den Bühnenbau trägt, die für die Veranstaltung benötigt wird. Auch diese Kosten sollten in einem separaten Vertragswerk geregelt werden. Bei der üblichen Nettovereinbarung trägt die Steuer der inländische Veranstalter. Stellt die ausländische Agentur dagegen ihr Vermittlungshonorar direkt dem inländischen Veranstalter in Rechnung, so unterliegt dieses Honorar nicht der Besteuerung nach § 50a Abs. 4 EStG. Der inländische Veranstalter hat davon keine Einkommensteuer abzuführen. Für den Fall, dass Vorschüsse geleistet werden, für die die Abzugssteuer einzubehalten ist, sollte sich der Vergütungsschuldner (Ver77 § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 EStG. 78 § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 Satz 3 EStG.
510
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
anstalter) jedenfalls bei Nettovereinbarungen den Erstattungsanspruch abtreten lassen. In diesem Fall sollte in einer vierten Urkunde eine Vollmacht ausgestellt werden, die den Vergütungsschuldner berechtigt, den Erstattungsanspruch geltend zu machen. Schwierigkeiten können sich bei der Ermittlung der inländischen Einkünfte der beschränkt steuerpflichtigen Künstler und Sportler sowie der Ermittlung des Steuerpflichtigen ergeben. Hierzu wieder ein kleines Beispiel:79
1302
Beispiel Ein ausländischer Tennisprofi nimmt an einem Turnier im Inland teil. Er hat einen langfristigen Vertrag mit einem inländischen Sportartikelhersteller, der ihn verpflichtet, bei allen sportlichen Veranstaltungen, an denen er teilnimmt, dessen Ausrüstung zu benutzen. Zusätzlich hat er einen Werbevertrag mit einer ausländischen Bank, der die Bank berechtigt, Namen und Bild des Sportlers zu verwenden. Anlässlich des Tennisturniers gibt der Sportler bezahlte Interviews für verschiedene in- und ausländische Zeitungen und Fernseh- und Rundfunkanstalten. Außerdem tritt er noch in einer Fernseh-Talkshow auf.
Bei dem Preisgeld aus dem Tennisturnier (Antritt- oder Siegprämien) handelt es sich um Einkünfte aus der Ausübung einer Tätigkeit als Berufssportler gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2d iVm. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, die damit dem Steuerabzug unterliegen.
1303
Die Einkünfte aus dem Ausrüstungsvertrag stehen nur anteilig im Zusammenhang mit dem Tennisturnier. Der Ausrüster muss deshalb den Teilbetrag ermitteln, der von der Gesamtvergütung auf die inländische Darbietung entfällt. Diesen Teilbetrag hat er der Abzugssteuer zu unterwerfen.
1304
Die Vergütungen aus dem Werbevertrag stehen in keinem ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit der inländischen Darbietung.
1305
Die Vergütungen für die Interviews und die Fernsehshow sind Einkünfte aus mit sportlichen Darbietungen zusammenhängenden Leistungen und unterliegen ebenfalls der Abzugssteuer. Steuerschuldner sind in diesem Fall die inund ausländischen Zeitungen und die Fernseh- und Rundfunkanstalten. Hierzu ein weiteres Beispiel:80
1306
Beispiel Die inländische EvilVents GmbH engagiert für Konzerte in Deutschland ein aus ausländischen Künstlern zusammengesetztes Quartett namens Art T. Ax and the Taxes Free. Die rechtliche Wertung der Zusammensetzung ergibt, dass das Quartett einer deutschen GbR entspricht. Die einzelnen Konzerte werden von örtlichen Konzert-Veranstaltern organisiert, die jeweils im Auftrag der GmbH gegen eine prozentuale Beteiligung an den Einnahmen tätig werden.
79 Nach Beispiel 3 des BMF-Schreibens v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/906 (Abzugssteuer bei künstlerischen, sportlichen, artistischen oder ähnlichen Darbietungen gemäß § 50a Abs. 4 EStG) BStBl. I 1996, S. 89 ff. (96); vgl. auch Schimke, S. 253 f. 80 Nach Beispiel 4 des BMF-Schreibens v. 23.1.1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/906 BStBl. I 1996, S. 89 ff. (97), Rz. 1116.
511
Teil J
Event und Steuern
1307
Die ausländischen Künstler sind mit ihren inländischen Einkünften gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig. Die Einkommensteuer wird wieder im Wege des Steuerabzugs gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG erhoben. Erfasst sind auch Einkünfte die gesamthänderisch erzielt werden.
1308
Der Steuerabzug ist von der EvilVents GmbH gemäß § 50a Abs. 5 Satz 2 und 3 EStG vorzunehmen, da sie Schuldnerin der Vergütung ist. Zivilrechtlich ist allein sie verpflichtet, die Vergütung zu zahlen. Nicht verpflichtet sind die jeweiligen örtlichen Konzert-Veranstalter. Es ist ohne Belang, wer die Konzerte organisiert und wer in der Werbung als Veranstalter auftritt. Vergütungsschuldner könnten sie nur dann sein, wenn sie eine selbständige Verpflichtung übernommen hätten. Das ist regelmäßig nicht der Fall.
1308a
Gemäß § 50 Abs. 7 EStG können die obersten Finanzbehörden die Einkommensteuer der beschränkt Steuerpflichtigen erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder eine gesonderte Berechnung der Einkünfte besonders schwierig ist. Von dieser Ermächtigung haben die obersten Finanzbehörden Gebrauch gemacht.81 Danach wird bei europäischen Vereinswettbewerben von Mannschaftssportarten die Ausländersteuer erlassen, wenn denn nur der jeweilige Ansässigkeitsstaat im Gegenzug auf die Besteuerung der Einkünfte von Teilnehmern, die in Deutschland ansässig sind, verzichtet. Diese Regelung gilt auch für Einkünfte von beschränkt steuerpflichtigen Dachverbänden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Veranstaltung der inländischen Spiele stehen. Mit diesem Erlass reagierte die Finanzverwaltung auf die Tatsache, dass inländische Ausrichter bei der Vergabe von europäischen Endspielen insbesondere von der UEFA im Hinblick auf die Besteuerung der Teilnehmer solcher Endspiele übergangen worden sind. bb) Doppelbesteuerungsabkommen
1309
Das Besteuerungsrecht Deutschlands kann abweichend vom nationalen Recht durch Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geregelt sein. Solche Abkommen sind Staatsverträge, die eine Doppelbesteuerung vermeiden wollen. Eine Freistellung der Besteuerung in Deutschland setzt voraus, dass das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zugewiesen ist. Ein derartiges DBA existiert derzeit nicht. Die OECD82 hat ein Musterabkommen (MA) erarbeitet, das in Art. 17 OECD-MA das Besteuerungsrecht für Inlandsauftritte dem Tätigkeitsland zuweist. Entsprechend diesem Musterabkommen weisen alle DBA das Besteuerungsrecht für Inlandsauftritte Deutschland zu.
1310
Von diesem Grundsatz gibt es nur drei Ausnahmen: 1. Auftritte im Rahmen eines Kulturaustauschs, 2. Auftritte ausländischer Künstler, die aus öffentlichen Mitteln subventioniert werden und 81 BMF-Schreiben v. 20.3.2008 – IV C 8 - S 2303/07/0009, DStR 2008, 823. 82 Organisation for economic corporation and development.
512
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
3. Auftritte US-amerikanischer Künstler und Sportler, sofern deren Einnahmen den Betrag von 20 000 $ nicht übersteigen (Bagatellgrenze). Im letzten Fall muss der Veranstalter die Steuer einbehalten und abführen, sofern ihm nicht ein Freistellungsbescheid des Bundesamtes für Finanzen vorliegt.
" Praxistipp: Beim Bundesamt für Finanzen ist ein besonderes Merkblatt über 1310a die Entlastung vom Steuerabzug bei Einkünften, die von ausländischen Künstlern und Sportlern erzielt werden, erhältlich.
cc) Erweiterte beschränkte Steuerpflicht Vielfach versuchen Künstler oder Sportler der unbeschränkten Steuerpflicht zu entkommen, indem sie ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, so genannte „Monaco-Fälle“. Dieser Wegzug führt oftmals nicht zum gewünschten Erfolg, da diese Künstler oder Sportler wie Steuerinländer behandelt werden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist § 2 Abs. 1 Satz Außensteuergesetz.
1310b
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG ist eine natürliche Person, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem sie mit ihrem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt, und die wesentliche Interessen im Geltungsbereich des Außensteuergesetzes hat, bis zum Ablauf von zehn Jahren nach dem Ende des Jahres, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht geendet hat, über die beschränkte Steuerpflicht hinaus beschränkt einkommensteuerpflichtig mit allen Einkünften iS des § 3 Abs. 1 Satz 1 EStG, die bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte iS des § 34c Abs. 1 EStG sind.
1310c
Ein Künstler oder Sportler hat wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland, wenn seine Einkünfte, die bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte sind, 62 000 Euro übersteigen.
1310d
Zu den „Nicht – ausländischen – Einkünften“ gehören auch die inländischen Einkünfte, die der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Allerdings ist dies nur dann der Fall, wenn der Künstler oder Sportler eine inländische Betriebsstätte unterhält. Diese inländische Betriebsstätte kann nicht einfach unterstellt werden. In aller Regel haben Künstler oder Sportler aber gerade keine inländische Betriebsstätte mehr. Vielmehr dürfte die Betriebsstätte des ausländischen Künstlers oder Sportlers seine Wohnung sein, sofern er von dort aus seine geschäftlichen Aktivitäten plant und unternimmt.
1310e
Einkünfte von Künstlern und Sportlern fallen deshalb nur dann in den Anwendungsbereich, soweit sie den inländischen Einkünften des § 49 EStG zuzuordnen sind. Das sind einmal seine künstlerischen oder sportlichen Darbietungen iS des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG, zum anderen aber auch solche Einkünfte, die aus der zeitlich begrenzten Überlassung seiner Persönlichkeitsrechte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG resultieren und in einer inländischen Betriebsstätte verwertet werden. Zu beachten ist dabei allerdings, dass dazu nur solche Ein-
1310f
513
Teil J
Event und Steuern
künfte gehören, die unmittelbar aus der Rechteüberlassung herrühren, im Übrigen jedoch nicht, insbesondere insoweit nicht, wie die Vergütungen für eigenständige und von der Rechteübertragung abzugrenzenden Dienstleistungen erbracht wurden. 1310g
Bedeutsam ist nach richtiger Auffassung des BFH,83 dass § 2 AStG zu § 49 EStG im Verhältnis der Spezialität steht. Dies bedeutet, dass Einkünfte nur dann gem. § 2 AStG zu versteuern sind, soweit sie nicht im Wege des Steuerabzugs als abgegolten gelten. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht greift also nicht ein, wenn der inländische Veranstalter den Steuerabzug zu Recht vorgenommen hat. k) Bauabzugsteuer
1311
Um illegale Bautätigkeiten einzuschränken, hat der Gesetzgeber eine so genannte Bauabzugsteuer eingeführt. Danach ist jeder, der einer Bauleistung in Auftrag gegeben hat, seit dem 1.1.2002 verpflichtet, von den Zahlungen an das Bauunternehmen 15 % einzubehalten und an das Finanzamt des Bauunternehmens abzuführen. Hier soll die Bauabzugsteuer mit bestimmten Steuern des Bauunternehmens verrechnet werden. Eine Ausnahme gilt nur, wenn das Unternehmen von seinem Finanzamt eine so genannte Freistellungsbescheinigung erhalten hat oder wenn einer der im Gesetz definierten Bagatellfälle vorliegt.
1311a
Seit dem 1.1.2002 müssen Auftraggeber von Bauleistungen von zu erbringenden Zahlungen jeweils 15 % Bauabzugsteuer einbehalten und an das Finanzamt des Bauunternehmens abführen. Grundlage ist das Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30.8.2001, durch das die §§ 48 bis 48d in das Einkommensteuergesetz eingefügt worden sind. Damit wollte der Gesetzgeber verhindern, dass Unternehmen mit einem fingierten Auslandssitz oder Scheinfirmen Aufträge erhalten, da dies zu einer Verdrängung von seriösen Anbietern und zur Vernichtung sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen führt. Zumindest sollte durch die Einführung eines Steuerabzugs an der Quelle eine Mindestbesteuerung des Gewinns des Unternehmens und der Arbeitslöhne sichergestellt werden.
1311b
Das Gesetz ist bereits am 7.9.2001 in Kraft getreten. Dem Steuerabzug unterliegen jedoch erst Zahlungen, die nach dem 31.12.2001 geleistet werden. Unerheblich ist, wann die Bauleistung vereinbart und in welchem Zeitraum sie erbracht worden ist. Auch eine Abschlusszahlung für Bauleistungen, die vor dem 1.1.2002 erbracht worden sind, unterliegt daher dem Steuerabzug. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt der Zahlung. Die Verpflichtung zur Einhaltung und Abführung der Bauabzugsteuer setzt voraus, dass – eine Bauleistung – an einen Unternehmer iS des § 2 Umsatzsteuergesetz oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts – im Inland erbracht wird. 83 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, NJW 2008, 1692 ff.
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III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Die Verpflichtung zum Steuerabzug besteht in diesen Fällen nur dann nicht, wenn einer der folgenden drei Ausnahmefälle vorliegt (§ 48 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz): 1. dem Auftraggeber liegt im Zeitpunkt der Zahlung eine Freistellungsbescheinigung des Bauunternehmens vor, 2. die Summe der Gegenleistungen an das betreffende Bauunternehmen wird im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich die Bagatellgrenze nicht überschreiten; diese beträgt – 15 000 Euro, wenn der Auftraggeber ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Umsatzsteuergesetz ausführt, und – 5 000 Euro in allen übrigen Fällen. 3. Der Auftraggeber vermietet lediglich zwei Wohnungen und die Bauleistung wird für diese Wohnungen erbracht (Kleinvermieterprivileg).
1311c
Bemessungsgrundlage für die Bauabzugsteuer ist die Gegenleistung einschließlich der Umsatzsteuer. Ein Solidaritätszuschlag wird auf den Steuerabzug nicht erhoben. Bezogen auf eine bestimmte, an das Bauunternehmen geleistete Zahlung beträgt die Steuer 17,85 %.
1311d
Zum Steuerabzug sind nur Auftraggeber verpflichtet, die entweder eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder Unternehmer iS des § 2 Umsatzsteuergesetz sind. Nach der Definition des Umsatzsteuerrechts ist Unternehmer jeder, der eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Arbeitnehmer sind deshalb keine Unternehmer. Es kommt aber nicht darauf an, ob tatsächlich eine Umsatzsteuerpflicht besteht. Deshalb sind zum Steuerabzug auch Kleinunternehmer iS des § 19 UStG verpflichtet, die wegen des geringen Umfangs ihrer Umsätze keine Umsatzsteuer zahlen müssen, sowie Personen, die umsatzsteuerbefreite Umsätze ausführen, wie etwa Ärzte und Vermieter von Grundstücken.
1311e
Lässt jemand, der Unternehmer iS des Umsatzsteuerrechts ist, Bauleistung für ein privat genutztes Grundstück ausführen, wie etwa die selbst genutzte Wohnung, so müsste er nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dafür Abzugssteuer einbehalten. Insofern liegt die Finanzverwaltung das Gesetz jedoch einschränkend aus: Nach der Randnummer 13 des einschlägigen BMF – Schreibens vom 1.11.2001 ist kein Steuerabzug vorzunehmen, wenn die Bauleistung ausschließlich für den nicht unternehmerischen Bereich des Unternehmers erbracht wird. Wird die Bauleistung für ein Bauwerk erbracht, das teilweise unternehmerischen und teilweise nichtunternehmerischen Zwecken dient, so ist zunächst zu prüfen, ob sie einem der beiden Teile direkt zuzuordnen ist. Ist dies nicht der Fall, ist der Zweck maßgeblich, dem das Gebäude überwiegend dient. Hierfür ist grundsätzlich das Verhältnis der Nutzflächen, die unternehmerischen Zwecken dienen, zu denen, die nicht unternehmerischen Zwecken dienen, maßgeblich.
1311f
Beispiel A ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses mit vier Wohnungen, von denen er eine selbst bewohnt. Er lässt in sämtlichen Wohnungen neue Fenster einbauen. Das Kleinvermieter-
515
1311g
Teil J
Event und Steuern
privileg greift nicht ein, weil A mehr als zwei Wohnungen vermietet. Soweit die Vergütung dem Einbau der Fenster in der selbst genutzten Wohnung zuzurechnen ist, unterliegt sie nicht dem Steuerabzug. Hinsichtlich der Fenster in den vermieteten Wohnungen unterliegt sie dem Steuerabzug. Hinsichtlich der Fenster, die den Wohnungen nicht direkt zugeordnet werden können (zB in den Treppenhäusern), kommt es auf die überwiegende Nutzung des Hauses an. Da der überwiegende Teil der Nutzfläche des Hauses vermietet ist, unterliegt die Vergütung auch insofern dem Steuerabzug.
Gehört ein Grundstück mehreren Personen gemeinsam, etwa als Personengesellschaft oder als Grundstücksgemeinschaft, so ist nach umsatzsteuerlichen Grundsätzen Unternehmer die Gesellschaft selbst. Zum Steuerabzug ist deshalb die Gesellschaft und nicht der einzelne Miteigentümer verpflichtet. Die Bagatellgrenze errechnet sich deshalb nicht pro Miteigentümer, sondern gilt für die Miteigentümergemeinschaft nur einmal. Auch Wohnungseigentümergemeinschaften sind Unternehmer iS des § 2 Umsatzsteuergesetz. Sie erbringen durch die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums steuerbare Umsätze gegenüber ihren Mitgliedern. Zwar sind diese Umsätze nach § 4 Nr. 13 Umsatzsteuergesetz von der Umsatzsteuer befreit. Dennoch sind Wohnungseigentümergemeinschaften zum Steuerabzug verpflichtet, wenn sie Bauleistungen für das Gemeinschaftseigentum empfangen. Da die Eigentümergemeinschaft nur einen unternehmerischen Bereich hat, unterliegt die gesamte Gegenleistung dem Steuerabzug, auch wenn einzelne Eigentümer ihr Sondereigentum nicht unternehmerisch nutzen, sondern selbst bewohnen. Aus Billigkeitsgründen lässt die Finanzverwaltung es in ihrem Schreiben vom 1.11.2001 aber zu, dass kein Steuerabzug vorgenommen wird, wenn sämtliche Eigentümer ihre Wohnungen zu eigenen Wohnzwecken nutzen. 1312
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz sind unter Bauleistungen alle Leistungen zu verstehen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Diese Formulierung entspricht dem Wortlaut des § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Zu ihrer Auslegung kann daher auf die §§ 1 und 2 Baubetriebe-VO84 zurückgegriffen werden. Zu beachten ist dabei, dass zu den Bauleistungen iS des § 48 Einkommensteuergesetz auch die Gewerke gehören, die nach § 2 Baubetriebe-VO von der Winterbauförderung ausgeschlossen sind. Eine Einschränkung ist insofern vorzunehmen, als die hier aufgeführten Tätigkeiten nur dann unter § 48 Einkommensteuergesetz fallen, wenn sie an einem Bauwerk durchgeführt werden: Sie müssen eine unmittelbare Auswirkung auf die Substanz des Bauwerks haben. Dies kann allerdings auch bei Erhaltungsmaßnahmen der Fall sein.
1312a
Der Begriff des Bauwerks ist weit auszulegen. Er geht über den einkommensteuerlichen Begriff des Gebäudes hinaus und umfasst sämtliche mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm beruhende Anlage Anders als im Einkommensteuerrecht gehören auch Scheinbestandteile und Betriebsvorrichtungen zum Bauwerk. Nach dem BMF-Schreiben vom 1.11.2001 gehören deshalb auch Ladeneinbauten, 84 Baubetriebe-Verordnung zu § 211 Abs. 1 SGB III.
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III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Gaststätteneinrichtungen und sogar Einbauküchen in Mietwohnungen zum Bauwerk, wenn sie mit diesem fest verbunden sind. Keine Bauleistungen sind dagegen die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren sowie die Lieferung von Baumaterial. Auch die Reinigung von Bauwerken stellt keine Bauleistung dar, solange sie nicht zu einer Veränderung der Substanz führt. Werden im Rahmen eines einheitlichen Vertragsverhältnisses sowohl Bauleistungen als auch andere Leistungen erbracht, gilt nach der Randnummer 11 des BMF-Schreibens vom 1.11.2001 das umsatzsteuerliche Prinzip der Einheitlichkeit der Leistung. Die Leistung wird nicht aufgeteilt. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Bauleistung der gesamten Leistung das Gepräge gibt. Ist die Hauptleistung eine Bauleistung, unterliegt die gesamte Gegenleistung der Bauabzugsteuer.
1312b
Beispiel 1 Architekt A wird durch einen Generalübernahmevertrag mit der Herstellung eines Mietwohngebäudes beauftragt. Zum Leistungsumfang gehört auch die Planung des Objektes. Hier unterliegt das gesamte Entgelt, auch so weit es sich auf die Planungsleistung bezieht, der Bauabzugsteuer. Zwar gehören Planungsleistungen selbst nicht zu den Bauleistungen. Im vorliegenden Fall stellen sie jedoch Nebenleistungen im Rahmen der einheitlichen Leistung (Herstellung eines Gebäudes) dar.
1312c
Beispiel 2 A betreibt einen Wartungsdienst für Ölheizungen. Die Wartung stellt keine Bauleistung dar. Dagegen ist der Austausch und Einbau von Teilen als Bauleistung anzusehen, auch wenn es sich nur um Kleinteile handelt. Wird der Austausch von Kleinteilen allerdings im Rahmen eines einheitlichen Wartungsvertrages ausgeführt, so teilt er das Schicksal der Hauptleistung. Es handelt sich insgesamt nicht um eine Bauleistung, so dass keine Bauabzugsteuer einzubehalten ist.
1312d
Beispiel 3 Installationsmeister I kauft beim Großhändler Sanitärobjekte und baut diese beim Vermieter V ein. Zwar stellt die Lieferung von Baumaterial für sich genommen keine Bauleistung dar, wird sie aber wie hier im Rahmen eines einheitlichen Vertrages erbracht, teilt sie das Schicksal der Hauptleistung. Es handelt sich insgesamt um eine Bauleistung.
1312e
Als Bauleistung gilt es auch, wenn jemand über eine Bauleistung abrechnet, ohne diese selbst erbracht zu haben. Deshalb unterliegen auch die Leistungen von Generalunter- und -übernehmern, die selbst nicht als Bauunternehmer tätig werden, der Bauabzugsteuer.
1312f
Der Bauabzugsteuer unterliegen nur Bauleistungen, die im Inland erbracht werden. Ohne Bedeutung ist es dagegen, ob der Auftraggeber oder das Bauunternehmen ihren Sitz oder ihre Betriebsstätte im Inland oder im Ausland haben. Auch wenn die Bauleistung von einem Unternehmen erbracht wird, das nur beschränkt steuerpflichtig ist, unterliegt die Gegenleistung der Bauabzugssteuer. Die gilt selbst dann, wenn nach den betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen die Einkünfte des Bauunternehmens in Deutschland steuerfrei sind.
1312g
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Teil J
Event und Steuern
aa) Die Freistellungsbescheinigung 1312h
Nach § 48 Abs. 2 Einkommensteuergesetz braucht der Auftraggeber keinen Steuerabzug vorzunehmen, wenn ihm im Zeitpunkt der Zahlung eine Freistellungsbescheinigung des Bauunternehmens vorliegt. In der Praxis wird die Freistellungsbescheinigung große Bedeutung erlangen. Da die meisten Auftraggeber den mit der Bauabzugssteuer verbundenen Verwaltungsaufwand und das Haftungsrisiko vermeiden wollen, werden sie Aufträge nur noch an solche Unternehmen vergeben, die vor Auftragsvergabe eine Freistellungsbescheinigung vorlegen. Dies dürfte auch für öffentliche Auftraggeber gelten. Bauunternehmen werde es deshalb schwer haben, ohne eine Freistellungsbescheinigung Bauaufträge zu bekommen. Um eine solche Bescheinigung zu erhalten, muss das Bauunternehmen bei seinem Finanzamt einen Antrag stellen, der jedoch keiner besonderen Form bedarf. Nach § 48b Abs. 1 Einkommensteuergesetz muss das für das Bauunternehmen zuständige Finanzamt diesem eine Freistellungsbescheinigung ausstellen, wenn – der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint und – ein inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt ist.
1312i
Eine Gefährdung des Steueranspruchs kommt nach § 48b Einkommensteuergesetz insbesondere in Betracht, wenn das Unternehmen seine Anzeigepflicht nach § 138 AO nicht erfüllt oder seine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nach § 90 AO nicht nachkommt. Bei ausländischen Bauunternehmen kann die Freistellungsbescheinigung auch versagt werden, wenn es den Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit durch Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nicht erbringt. Aus der Verwendung des Wortes insbesondere ergibt sich, dass die gesetzliche Aufzählung der Fälle, in denen der Steueranspruch gefährdet erscheint, nicht abschließend ist. Nach Randnummer 27 des BMF-Schreibens vom 1.11.2000 liegt eine Gefährdung des Steueranspruchs auch dann vor, wenn nachhaltig Steuerrückstände bestehen, in den Steuererklärungen unzutreffende Angaben gemacht worden sind oder das Bauunternehmen die Steuererklärungen wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben hat. Insofern muss das Finanzamt aber wegen der einschneidenden wirtschaftlichen Konsequenzen sehr zurückhaltend mit der Versagung der Freistellungsbescheinigung sein.
1312j
Die Freistellungsbescheinigung kann entweder für ein bestimmtes Bauvorhaben oder für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden, der nach Randnummer 30 des besagten BMF-Schreibens längstens drei Jahre beträgt. Wird die Bescheinigung vom Finanzamt für ein bestimmtes Bauvorhaben erteilt, hat das Bauunternehmen dem Auftraggeber das Original der Bescheinigung zur übergeben. Wird die Bescheinigung für einen bestimmten Zeitraum erteilt, kann das Bauunternehmen hiervon Ablichtungen anfertigen und diese seinen Auftraggebern aushändigen. Das Bauunternehmen erhält vom Finanzamt nur eine Ausfertigung. Der Auftraggeber muss die ihm übergebene Freistellungsbescheinigung zu seiner eigenen Sicherheit aufbewahren. Hat das Finanzamt dem Bauunternehmen eine Freistellungsbescheinigung erteilt, so kann es diese nur 518
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
unter den Voraussetzungen der §§ 130, 131 AO widerrufen. Damit der Auftraggeber überprüfen kann, ob die ihm übergebene Freistellungsbescheinigung im Zeitpunkt der Zahlung noch gültig ist, hat die Finanzverwaltung beim Bundesfinanzamt für Finanzen eine Datei aufgebaut, in der sämtliche Freistellungsbescheinigungen gespeichert sind und die unter der Adresse bzst.bund.de im Internet abrufbar ist.
" Praxistipp: Um den mit der Auskunft verbundenen Verwaltungsaufwand 1312k zu vermindern, hat das Bundeszentralamt für Steuern einen Online-Service eingerichtet. Unter www.bzst.de bzw. www.bzst.bund.de kann man sich über die Gültigkeit einer Bescheinigung informieren. Auch die Anfrage des Bauherrn, also des Veranstalters des Reitturniers wird datentechnisch erfasst, damit man sich auf diese „virtuelle Unbedenklichkeitsbescheinigung“ berufen kann. Zur Sicherheit und zum Nachweis der Abfrage kann das Ergebnis ausgedruckt und zu den Steuerunterlagen genommen werden.
bb) Freigrenzen (1) 5 000 Euro Nach § 48 Abs. 2 Einkommensteuergesetz kann der Auftraggeber vom Steuerabzug absehen, wenn die Summe der Gegenleistungen, die er im Kalenderjahr für das betreffende Bauunternehmen erbringen wird, voraussichtlich die Grenze von 5 000 beziehungsweise 15 000 Euro nicht übersteigt. Für die Berechnung der Freigrenze sind sämtliche Zahlungen zusammen zu rechnen, die der Bauauftraggeber an das betreffende Bauunternehmen voraussichtlich leisten wird. Geht der Auftraggeber zunächst davon aus, dass seine Zahlungen unter der Freigrenze liegen werden, wird diese Grenze aber doch überschritten, so werden dadurch alle Zahlungen abzugspflichtig, auch so weit sie zunächst unter der Grenze lagen. Reicht die restliche Gegenleistung nicht aus, um die Abzugsverpflichtungen zu erfüllen, so entfällt diese insoweit. Der Auftraggeber ist nur zur Einhaltung aus der restlichen Rechnung zu Summe verpflichtet. Beispiel Für eine große Reitsportveranstaltung beauftragt ein Veranstalter einen Handwerker für einen Umbau einer Eventlocation zu einem Festpreis von 20 000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Von diesem Rechnungsbetrag hat er 15 %, also 3 000 Euro zzgl. Umsatzsteuer einzubehalten. Der Handwerker bekommt nur den Rest. Abwandlung Für eine kleinere Veranstaltung im Frühjahr hat ein Handwerker eine Rechnung über 4000 Euro zzgl. Umsatzsteuer gestellt. Im Herbst findet die große Reitsportveranstaltung statt, für die derselbe Handwerker 20 000 Euro zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung stellt. Im Frühjahr musste keine Bauabzugssteuer einbehalten werden, dafür muss bei der zweiten Veranstaltung die erste Vergütung berücksichtigt werden. Es sind also 15 % von 24 000 Euro zzgl. Umsatzsteuer einzubehalten, also 3 600 Euro zzgl. Umsatzsteuer.
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Teil J
Event und Steuern
(2) 15 000 Euro 1313a
Die erhöhte Freigrenze von 15 000 Euro gilt für Auftraggeber, die ausschließlich Umsätze ausführen, die nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Umsatzsteuergesetz von der Umsatzsteuer befreit sind. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. cc) Kleinvermieterprivileg
1314
Durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 ist § 48 Abs. 1 Einkommensteuergesetz um folgenden Satz ergänzt worden: Vermietet der Leistungsempfänger Wohnungen, so ist Satz 1 nicht auf Bauleistungen für diese Wohnungen anzuwenden, wenn er nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet. Dadurch sollen weitere Bagatellfälle von der Bauabzugsteuer befreit werden. Auf den Umfang der Bauleistungen und die Art der übrigen Umsätze kommt es bei diesem Befreiungstatbestand nicht an. Voraussetzung ist lediglich, dass sich die Bauleistungen auf den Bereich dieser beiden Wohnungen oder den nicht unternehmerischen Bereich beschränken. dd) Anmeldung und Abführung der Steuer
1315
Der Auftraggeber muss bis zum 10. Tag nach Ablauf des Monats, in dem er die Gegenleistung erbracht hat, bei dem für das Bauunternehmen zuständigen Finanzamt eine Steueranmeldung auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck einreichen. Darin muss er die dem Bauunternehmen in dem betreffenden Monat geleisteten Zahlungen im Einzelnen angeben und daraus den Steuerabzugsbetrag berechnen. Diesen Betrag muss er innerhalb derselben Frist an das für das Bauunternehmen zuständige Finanzamt abführen. Die Adressen der Finanzämter und deren Konto Nr. kann man im Internet unter der Adresse www. bffonline. de abfragen. Für ausländische Bauunternehmen ist durch § 20a Abs. 1 Satz 1 AO eine zentrale örtliche Zuständigkeit geschaffen worden. Die in § 1 Umsatzsteuer-ZuständigkeitsVO genannten Finanzämter sind nunmehr nicht nur für die Umsatzsteuer, sondern auch für die Ertragsteuern, das Lohnsteuerabzugsverfahren und die Einkommensbesteuerung der von diesen Unternehmen im Inland beschäftigten Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Ausland zuständig. Dem Bauunternehmen gegenüber muss der Auftraggeber über den einbehaltenen Steuerabzug nach § 48a Abs. 2 Einkommensteuergesetz abrechnen. Dazu händigt er ihm eine Durchschrift der Steueranmeldung aus. Eine Durchschrift nimmt er zu seinen Akten. ee) Anrechnung und Erstattung der Steuer beim Bauunternehmer
1316
Die vom Auftraggeber einbehaltenen Steuern werden vom Finanzamt des Bauunternehmens auf dessen Steuern angerechnet. Hierzu soll das Bauunternehmen dem Finanzamt die Abrechnungsbelege vorlegen. Nach § 48c Abs. 3 Einkommensteuergesetz muss der Abzugsbetrag der Reihe nach auf folgende Steuern angerechnet werden: 520
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
– die nach § 41a Abs. 1 Einkommensteuergesetz vom Bauunternehmen einbehaltene und angemeldete Lohnsteuer, – die vom Bauunternehmen zu entrichtenden Voraus- und Abschlusszahlungen auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer, – die vom Leistenden selbst nach dem Steuerabzugsverfahren bei Bauleistungen anzumeldenden und abzuführenden Abzugsbeträge. Die Anrechnung auf die Voraus- und die Abschlusszahlungen zu den Ertragsteuern ist insofern eingeschränkt, als sie nur für den Zeitraum erfolgt, in dem die Bauleistung erbracht wird. Gemeint ist damit der Zeitpunkt, in dem nach bilanzsteuerlichen Grundsätzen der Gewinn für die Bauleistung auch realisiert wird. Dies ist grundsätzlich aber erst dann der Fall, wenn das Bauwerk abgeschlossen ist und vom Auftraggeber abgenommen wird.
1317
ff) Haftung des Auftraggebers Der Auftraggeber haftet nach § 48 Abs. 3 Einkommensteuergesetz, wenn er die Bauabzugsteuer nicht oder in zu geringem Umfang einbehält. Die Haftung ist nur ausgeschlossen, wenn ihm im Zeitpunkt der Zahlung eine gültige Freistellungsbescheinigung vorlag. Ist dem Auftraggeber eine Freistellungsbescheinigung vorgelegt worden, die nicht oder im Zeitpunkt der Zahlung nicht mehr gültig war, haftet er nur, wenn ihm insofern grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.
1318
gg) Bußgeld Kommt der Bauherr seinen Verpflichtungen nicht nach, haftet er für die Steuer. Zu alledem droht noch ein Bußgeld.
1319
l) Die Kapitalertragsteuer Wie die Lohnsteuer ist auch die Kapitalertragsteuer nur eine besondere Form der Einkommensteuer. Besteuert werden Einkünfte aus Kapitalvermögen, § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Der normale Steuersatz beträgt 25 %, ausnahmsweise, so beim Zinsabschlag, 30 %. Besteuert wird der nominale Ertrag der Steuer. Ein Teil der Erträge wird durch Quellenabzug besteuert; das bedeutet, dass die auszahlende Stelle, das Kreditinstitut, den Steuerabzug vorzunehmen hat.
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Bei Zinsen, die nicht an der Quelle besteuert werden, ist die Hinterziehungsrate sehr hoch. Der Gesetzgeber ist deshalb bestrebt, den Quellenabzug möglichst weit auszudehnen. Dies führt aber andererseits zur Steuerflucht.
1321
Insgesamt gab die Kapitalertragsteuer in Form der Zinsabschlagsteuer immer wieder Anlass zur politischen und rechtlichen Auseinandersetzung. Es bleibt allerdings festzustellen, dass auch die Kapitalertragsteuer wie die Lohnsteuer nur eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer (Abschlagsteuer) war und letztlich eine Besteuerung mit dem individuellen Steuersatz erfolgte.
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Teil J 1322a
Event und Steuern
Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 soll die Kapitalertragsteuer als Abgeltungsteuer gezahlt werden. Der Tarif der Abgeltungsteuer beträgt einheitlich 25 %. Werbungskosten können nicht mehr geltend gemacht werden. Der Werbungskostenpauschbetrag und der Sparerfreibetrag werden zu einem einheitlichen Sparerpauschbetrag zusammengefasst.85
1322b
Allerdings gilt dies nur für Kapitalerträge, die im Privatvermögen erzielt werden. Sofern die Kapitalerträge im Betriebsvermögen erzielt werden, gilt zwingend die Besteuerung mit dem individuellen Steuersatz. Als Einkünfte aus Kapitalertrag gelten auch Veräußerungserlöse. Für Dividenden gilt das Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG. Insgesamt ist die Besteuerung der Kapitalerträge nicht einfacher geworden. m) Der Solidaritätszuschlag
1323
Das Solidaritätszuschlagsgesetz ist als Art. 31 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms in Kraft getreten. Steuerpflichtig sind: – natürliche Personen, die nach § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind, – Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach §§ 1 oder 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) körperschaftsteuerpflichtig sind.
1324
Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der festgesetzten Einkommen- oder Lohnsteuer, bzw. Körperschaftsteuer. Wird der Solidaritätszuschlag von der Lohnsteuer erhoben, wird er vom Arbeitslohn einbehalten, ist also auch eine Quellensteuer.
2. Die Körperschaftsteuer 1325
Die Körperschaftsteuer ist die Einkommensteuer der juristischen Personen. Gemäß § 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) unterliegen deshalb ua. Kapitalgesellschaften86 (Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung) unbeschränkt der Körperschaftsteuer, sofern sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben. Haben die Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung nicht im Inland, sind sie gleichwohl mit ihren inländischen Einkünften körperschaftsteuerpflichtig (beschränkte Steuerpflicht).87
1326
Einige Körperschaften sind von der Steuerpflicht befreit, so zB das Bundeseisenbahnvermögen oder die Deutsche Bundesbank. Der Grund für diese Steuerbefreiungen liegt in den öffentlichen und sozialen Aufgaben, die diese Körperschaften ausführen.88 85 86 87 88
Siehe zum Sparerpauschbetrag Rz. 1236. Siehe dazu Rz. 14 ff. § 2 KStG. Vgl. dazu den Katalog in § 5 KStG.
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III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Steuerobjekt ist das Einkommen. Bemessungsgrundlage ist das zu versteuernde Einkommen des Steuersubjekts im Kalenderjahr vor Ausschüttung an die Gesellschafter, vgl. § 7 KStG. Das Körperschaftsteuergesetz (KStG) legt den Einkommensbegriff nicht selbst fest, sondern verweist auf die Vorschriften des EStG, die dann lediglich durch einige Spezialvorschriften ergänzt werden, vgl. § 8 KStG.
1327
Da Kapitalgesellschaften, die ja allein berücksichtigt werden, nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb haben, sind Sonderausgaben mangels Privatsphäre prinzipiell nicht möglich. Für die Besteuerung gilt deshalb grundsätzlich Folgendes:
1328
Steuerbares Einkommen = Einkünfte aus Gewerbebetrieb = Gewinn (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) = Steuerbilanzergebnis, ergänzt durch einige Vorschriften des KStG. Die Körperschaftsteuer bemisst sich ebenso wie die Einkommensteuer nach der Höhe des zu versteuernden Einkommens, dem Gewinn, den das Unternehmen innerhalb eines Wirtschaftsjahres erwirtschaftet. Für die Ermittlung des Einkommens als Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer ist das Ergebnis der Steuerbilanz maßgeblich, die ihrerseits aus der Handelsbilanz abgeleitet wird.89
1329
Das körperschaftsteuerliche Einkommen ergibt sich somit aus dem Steuerbilanzergebnis, ergänzt durch Hinzurechnungen und Kürzungen, die notwendig werden, weil Körperschaften als juristische Personen nur eine betriebliche Sphäre haben. Bei diesen Korrekturen handelt es sich um: – Vorgänge aus dem Bereich des Verhältnisses Kapitalgesellschaft/Gesellschafter, insb. Gesellschaftereinlagen, – Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, – bestimmte Aufwendungen und Erträge, die das Steuerbilanzergebnis positiv oder negativ beeinflusst haben, insbesondere verdeckte Gewinnausschüttungen.
1330
Im Körperschaftsteuerrecht sind die vertraglichen Beziehungen zwischen den Kapitalgesellschaften und den jeweiligen Gesellschaftern von erheblicher steuerlicher Bedeutung. Dies ist im Einkommensteuerrecht ganz anders. Die privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Personengesellschaften und ihren jeweiligen Gesellschaftern sind dort steuerlich grundsätzlich unbeachtlich. Schließt die Personengesellschaft mit einem Gesellschafter einen Geschäftsführervertrag mit einem bestimmten monatlichen Gehalt, so ist dieser Vertrag wirksam und somit durchzuführen. Steuerrechtlich stellt das gezahlte Gehalt aber keine Betriebsausgabe dar, sondern wird als Vorweg-Gewinnausschüttung betrachtet.
1331
Bei Kapitalgesellschaften sind die Gehälter der Geschäftsführer als Betriebsausgaben abzugsfähig.90 Keinerlei Rolle spielt es, ob es sich dabei um Fremd- oder
1332
89 Siehe Tipke/Lang, § 11 Rz. 38 ff. 90 Siehe zum Trennungsprinzip Tipke/Lang, § 11 Rz. 1, 49 ff.
523
Teil J
Event und Steuern
Gesellschafter-Geschäftsführer handelt. Ebenfalls als Betriebsausgaben abzugsfähig sind die Zinsen für ein Gesellschafterdarlehen oder die Miete für ein von einem Gesellschafter gemietetes Grundstück. Grund dafür ist die eigene Rechtspersönlichkeit der Kapitalgesellschaften, die zu einer eigenen Steuerpersönlichkeit führt. 1333
Wenn die Gesellschaften mit ihren Gesellschaftern Verträge abschließen, besteht die Gefahr, dass Leistung und Gegenleistung nicht so ausgehandelt werden, wie das unter Fremden der Fall wäre. Es besteht die Gefahr, dass die Gesellschafter sich auf Kosten der Gesellschaft bereichern oder dass höhere Betriebsausgaben den steuerpflichtigen Gewinn mindern. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bestimmt aber, dass verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen der Körperschaft nicht mindern dürfen.
1334
Das Körperschaftsteuergesetz selbst enthält keine Definition der verdeckten Gewinnausschüttung. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine verdeckte Gewinnausschüttung eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.91 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer den Vermögensvorteil einer Person, die nicht Gesellschafter ist, unter den gleichen Umständen nicht gewährt hätte.92
1335
Beispiele für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung sind: – ein Gesellschafter erhält ein zu hohes Geschäftsführergehalt, – ein Gesellschafter gibt der Gesellschaft ein Darlehen zu einem überhöhten Zinssatz, – ein Gesellschafter erhält von der Gesellschaft ein Darlehen zu einem außergewöhnlich niedrigen Zinssatz, – ein Gesellschafter erhält von der Gesellschaft Waren zu einem außergewöhnlich niedrigen Preis, – ein Arbeitnehmer der Gesellschaft ist nicht nur für diese, sondern auch für einen Gesellschafter tätig und erhält dafür eine Gesamtvergütung der Gesellschaft.
1336
In all diesen Fällen wird durch die sog. verdeckte Gewinnausschüttung das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen der Gesellschaft gemindert.
1337
Rechtsfolge ist, dass die verdeckte Gewinnausschüttung dem zu niedrig ausgewiesenen Jahresüberschuss wieder hinzugerechnet werden muss. Die daraus resultierende Einkommenserhöhung löst Körperschaftsteuer aus.93 Danach ergibt sich im Wesentlichen das folgende Schema: 91 BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, S. 632 und 1989, S. 855; vgl. dazu Tipke/ Lang, § 11 Rz. 70 ff. 92 Vgl. zum Begriff des gewissenhaften Geschäftsführers Tipke/Lang, § 11 Rz. 73. 93 Siehe Tipke/Lang, § 11 Rz. 88.
524
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Abb. 67: Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für die Körperschaftsteuer Steuerbilanzergebnis +/– Erfolgswirksame Vorgänge aus dem Gesellschafts-Gesellschafterbereich Gesellschaftereinlagen Satzungsverpflichtungen Verdeckte Gewinnausschüttungen +
Nicht abziehbare Aufwendungen Steueraufwendungen Spenden, soweit sie eine bestimmte Höhe überschreiten Hälftige Aufsichtsratvergütung
./.
Abziehbare Erträge Steuerfreie Erträge Erträge aus nichtabziehbaren Aufwendungen
./.
Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien
=
Einkommen vor Verlustabzug
./.
Verlustabzug
=
Einkommen
a) Der Tarif Für den Tarif waren bis zum Veranlagungszeitraum 2000 ausgeschüttete von sogenannten thesaurierten (nicht ausgeschütteten) oder einbehaltenen Gewinnen zu unterscheiden.
1338
Die Körperschaftsteuer betrug im Regelfall 40 % des zu versteuernden Einkommens, § 23 Abs. 1 KStG. Sie lag damit unter dem Spitzensteuersatz der Einkommensteuer.
1339
Jedoch wurde für ausgeschüttete Gewinne eine Ausschüttungsbelastung von nur 30 % hergestellt, §§ 23 Abs. 5, 27 KStG.
1340
b) Das Anrechnungsverfahren Diese Ausschüttungsbelastung wurde durch das sogenannte Anrechnungsverfahren neutralisiert, das wohl die wichtigste Regelung des Körperschaftsteuerrechts war. Es verhinderte eine Doppelbesteuerung auf Gewinne der Kapitalgesellschaften. Vor Einführung dieses Verfahrens wurden Gewinne dieser Gesellschaften erst bei der Gesellschaft besteuert und dann ein zweites Mal bei den Gesellschaftern, die diese Gewinne bei ihrer Einkommensteuererklärung angeben mussten. Diese Doppelbesteuerung war ursprünglich der Grund für die gesellschaftsrechtliche Gestaltung der GmbH & Co KG, die rechtlich eine Personengesellschaft ist, faktisch aber einer Kapitalgesellschaft angenähert ist, insbesondere da keine natürliche Person unbeschränkt haftet. 525
1341
Teil J
Event und Steuern
1342
Das KStG belastete im Ergebnis nur die thesaurierten Gewinne einer Körperschaft mit der Steuer. Die ausgeschütteten Gewinne wurden nur beim Empfänger (den Gesellschaftern) mit der Einkommensteuer belastet.
1343
Dieses Ziel erreichte man, indem zunächst die ausgeschütteten Gewinne bei der Körperschaft mit 30 % besteuert wurden – der Ausschüttungsbelastung. Beim Empfänger der Ausschüttung wurde diese Belastung wieder rückgängig gemacht, indem sie auf die Einkommensteuer angerechnet oder ihm sogar erstattet wird. Beispiel Gewinn vor Steuer Ausschüttungsbelastung Verbleibende Barausschüttung Einkünfte aus Kapitalvermögen des Gesellschafters (70+30) Einkommensteuer, Tarif zB 35 % Anrechnung der Körperschaftssteuer Endgültige Einkommensteuerschuld
100 30 70 100 35 30 5
c) Das Halbeinkünfteverfahren 1344
Das eben erläuterte Modell eines Vollanrechnungsverfahrens der Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer soll nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums nicht europatauglich und überdies anfällig für Missbräuche gewesen sein.
1345
Ab dem Veranlagungszeitraum 2001 ist dieses Verfahren deshalb durch das Halbeinkünfteverfahren ersetzt worden. Dabei soll es, soweit es die ausgeschütteten Gewinne betrifft, weitgehend aufkommensneutral sein.
1345a
Dieses Halbeinkünfteverfahren ist im Prinzip beibehalten worden. Da ab dem Jahr 2008 aber nur noch 40 % der ausgeschütteten Gewinne steuerfrei sind, heißt es nun Teileinkünfteverfahren. Allerdings gilt das Teileinkünfteverfahren nur, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen gehalten wird. Wird die Beteiligung im Privatvermögen gehalten, so erfolgt auf der Ebene der Gesellschafter eine Versteuerung der Dividende von pauschal 25 %, wie bei der Kapitalertragssteuer dargestellt wurde.
1346
Das Teileinkünfteverfahren funktioniert so: Der Tarif für einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne wurde einheitlich auf 25 % festgesetzt und beträgt ab dem Veranlagungszeitraum 2008 nur noch 15 %.
1347
Die ausgeschütteten Gewinne des Anteilseigners werden bei dessen persönlicher Einkommensteuer dann zu 60 % einbezogen. 40 % sind einkommensteuerfrei, wie oben dargestellt wurde.94
94 Siehe Rz. 1253 ff.
526
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Beispiel Gewinn vor Steuer Tarif Ausgeschütteter Gewinn Zu versteuernder Betrag x persönlicher ESt-Tarif (zB 30 %) Zu zahlende Steuer Gewinn nach Steuern
100,00 15,00 85,00 51,00 15,30 69,70
Ein Vergleich mit dem Halbeinkünfteverfahren zeigt, dass bei gleichem Einkommensteuertarif die Belastung für den Gesellschafter geringer geworden ist. Er zahlt weniger Steuern. Zwar sind nur noch 40 % der Dividenden steuerfrei. Durch die Absenkung des Körperschaftsteuertarifs erfolgt aber insgesamt eine Entlastung der im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung.
1348
Unter Berücksichtigung der Abgeltungsteuer sieht die Rechnung wie folgt aus:
1348a
Gewinn vor Steuer Tarif Ausgeschütteter Gewinn Abgeltungsteuer (ESt-Tarif 25 %) auf zu zahlende Steuer Gewinn nach Steuern
100,00 15,00 85,00 85,00 21,25 63,75
Ein Vergleich mit dem Halbeinkünfteverfahren zeigt, dass bei einem individuellen Tarif von über 30 % die neue Regelung günstiger ist, bei einem niedrigeren Tarif war die alte Regelung besser.
1348b
3. Die Gewerbesteuer Die Gewerbesteuer ist eine bundeseinheitlich geregelte Steuer der Gewerbebetriebe. Gerechtfertigt wird sie damit, dass die Gewerbebetriebe für die Gemeinden unmittelbare und mittelbare Kosten verursachen, zB für die Schaffung von Verkehrsflächen und Parkplätzen, für den Bau und die Unterhaltung von Schulen, Krankenhäusern, Sportanlagen, kulturellen Einrichtungen usw.95
1349
Die Gewerbesteuer ist eine Sachsteuer. Sachsteuern sind dadurch gekennzeichnet, dass sie bestimmte Objekte (den Gewerbebetrieb) ohne Rücksicht darauf belasten, wem die Erträge zufließen. Sachsteuern nehmen deshalb keinerlei Rücksicht auf persönliche Verhältnisse und die dadurch bedingte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.96
1350
Steuerschuldner ist der Unternehmer, § 5 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG). Unternehmer sind im Fall gewerblich tätiger Personengesellschaften eigentlich
1351
95 Vgl. zur Gewerbesteuer Tipke/Lang, § 12 Rz. 1 ff. 96 Vgl. zur Problematik der Substanzsteuern Tipke/Lang, § 8 Rz. 43 f. und § 4 Rz. 100.
527
Teil J
Event und Steuern
die Gesellschafter selbst und nicht die Gesellschaft. Aufgrund des Sachcharakters der Gewerbesteuer erklärt das GewStG aber die Gesellschaft selbst zum Steuerschuldner. 1352
Gegenstand der Gewerbesteuer ist der Ertrag eines jeden stehenden Gewerbebetriebes, soweit er eine Betriebsstätte im Inland unterhält, § 2 Abs. 1 GewStG, sowie eines jeden Reisegewerbebetriebes, soweit er im Inland betrieben wird, § 35a Abs. 1 GewStG.
1353
Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen iS des Einkommensteuergesetzes. Gemäß § 15 Abs. 2 EStG ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Insbesondere die Abgrenzung zu den freien Berufen hat die Gerichte immer wieder beschäftigt.97 Dies ist verständlich, da die Steuerpflicht von dieser Unterscheidung abhängt. Die Tätigkeit eines Veranstalters ist gewerblich. Er unterliegt also der Gewerbesteuerpflicht. Die von ihm engagierten Künstler für ein Event erzielen idR Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Sie unterliegen nicht der Gewerbesteuerpflicht.
1354
Selbst wenn ein Unternehmer nicht aufgrund seiner Betätigung gewerbesteuerpflichtig ist, kann er aufgrund gesetzlicher Fiktionen zur Steuer herangezogen werden.98 So gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften, der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit als Gewerbebetrieb, § 2 Abs. 2 GewStG. Das Gleiche gilt für die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des Privatrechts (rechtsfähige Vereine, Stiftungen), soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, § 2 Abs. 3 GewStG, § 14 AO.
1355
Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um einzelne, im Gewerbesteuergesetz bezeichnete Beträge, vgl. §§ 8 und 9 GewStG.
1356
Die Hinzurechnungen und Kürzungen sind durch den Objektcharakter der Gewerbesteuer bedingt.99 Der einkommensteuerliche Gewinn ist um eine Anzahl von Beträgen gekürzt, die aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Unternehmers abzugsfähig sind. Die Gewerbesteuer will aber nicht den Gewinn des Unternehmers, sondern den Ertrag des Betriebes besteuern. Deshalb müssen bestimmte, bei der Ermittlung des einkommensteuerpflichtigen Gewinns abgesetzte Betriebsausgaben wieder hinzu gerechnet werden. Die Kürzungen haben die Funktion, dass einzelne Erträge, die bereits an anderer Stelle der Besteuerung unterlagen, nicht noch einmal von der Gewerbesteuer erfasst werden.100 97 98 99 100
528
Vgl. zur Problematik der Substanzsteuern Tipke/Lang, § 8 Rz. 43 f. und § 4 Rz. 100. Tipke/Lang, § 12 Rz. 7. Kritisch dazu Tipke/Lang, § 12 Rz. 22. Siehe Tipke/Lang, § 12 Rz. 33.
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Die wichtigste Hinzurechnung ergibt sich aus § 8 Nr. 1 GewStG. Danach werden Fremdkapitalzinsen zu einem Viertel, Leasing-, Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern zu einem Viertel aus einem Fünftel (25 % × 20 % = 5 %) und Leasing-, Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern zu einem Viertel aus drei Viertel (25 % × 75 % = 18,75 %) wieder hinzugerechnet, denn für die Bestimmung der Ertragskraft ist es gleichgültig, ob mit Eigen- oder Fremdkapital gearbeitet wird. Allerdings erfolgt die Hinzurechnung erst dann, wenn ein Freibetrag iH von 100 000 Euro überschritten worden ist. Als Kürzung zu nennen ist ein Prozentsatz des Grundbesitzes, der der Grundsteuer unterliegt.
1356a
Vom Gewerbeertrag ist noch ein möglicher Verlust aus den vorangegangenen Erhebungszeiträumen abzuziehen.
1357
Bei natürlichen Personen und Personengesellschaften ist der Gewerbeertrag um einen Freibetrag iH von 24 500 Euro zu kürzen, § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG.
1358
Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer war bis zum 31.12.1997 der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag. Er ergab sich durch Zusammenrechnung der Steuermessbeträge nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital.
1359
Seit dem 1.1.1998 ist die Gewerbekapitalsteuer weggefallen. Bemessungsgrundlage ist seitdem nur noch der Gewerbesteuermessbetrag nach dem Gewerbeertrag. Der Wegfall der Gewerbekapitalsteuer war seit langem ein Bedürfnis der Wirtschaft, da das Gewerbekapital nichts über die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens aussagte. Die Gewerbekapitalsteuer war eine Substanzsteuer.
1360
Die Bemessungsgrundlage ist mit der Steuermesszahl zu multiplizieren. Die Steuermesszahl betrug bis zum Jahr 2007 – bei Gewerbebetrieben, die von natürlichen Personen oder Personengesellschaften betrieben werden, für die ersten 12 000 Euro 1 % für die weiteren 12 000 Euro 2 % für die weiteren 12 000 Euro 3 % für die weiteren 12 000 Euro 4 % für alle weiteren Beträge 5% – bei anderen Gewerbebetrieben 5%
1361
Ab dem Jahr 2008 beträgt die Steuermesszahl einheitlich 3,5 %.
529
Teil J
Event und Steuern
Daraus ergibt sich das folgende Schema:101 Abb. 68: Ermittlung der Gewerbesteuer + ./. ./. = ./. = =
1362
Gewinn (nach EStG/KStG) Hinzurechnungen Kürzungen Gewerbeverlust Gewerbeertrag Freibetrag (24 500 Euro)1 Steuermesszahl (3,5 %) Steuermessbetrag Hebesatz (zB 300 %) Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer war eine abzugsfähige Betriebsausgabe und minderte daher die Bemessungsgrundlage für den Gewinn und die Einkommensteuer, vgl. § 4 EStG iVm. § 12 EStG. Ab dem Veranlagungsjahr 2008 sind die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen keine Betriebsausgaben mehr, § 4 Abs. 5b EStG. Beispiel Gewerbeertrag ./. Freibetrag Summe × Steuermesszahl (3,5 %) = Steuermessbetrag × Hebesatz (zB 400 %) = Gewerbesteuerschuld
100 000,00 24 500,00 75 500,00 2 642,50 10 570,00
Die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer 1363
Wie bereits erwähnt,102 wurde bislang im Einkommensteuerrecht eine Tarifbegrenzung vorgenommen, soweit es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelte.
1364
Diese Tarifbegrenzung war verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt und ist abgeschafft. Eingeführt wurde stattdessen ein System pauschalierter Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer. Ob damit die verfassungsrechtlichen Zweifel beseitigt sind, soll dahin stehen.
1365
Angerechnet wird die Gewerbesteuer pauschal iH des 3,8-fachen des Gewerbesteuermessbetrages. Allerdings kann die Gewerbesteuer ab dem Jahr 2008 nicht mehr als Betriebsausgabe Steuer mindernd vom Ertrag abgezogen werden. Daraus ergibt sich das folgende Schema: 101 Nur für Personengesellschaften und natürliche Personen. 102 Siehe oben Rz. 1256.
530
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Gewerblicher Gewinn vor Steuern:
100,00
Gewerbliche Einkünfte (Gewerbeertrag):
100,00
Tarifliche Einkommensteuer: 42,0 % Tarifermäßigung (3,8 × 100 × 3,5 %): 13,3 %
28,70
Zzgl. Gewerbesteuerbelastung:
14,00
Einkünfte nach Steuern:
57,30
Kumulierter Steuersatz auf Gewinn vor Steuern:
42,70
Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass auch weiterhin Gewerbesteuer gezahlt wird, dass aber die Gewerbesteuer nicht mehr die eigene Bemessungsgrundlage mindert. Im Gegenzug ist die pauschalierte Anrechnung vom Faktor 1,8 auf den Faktor 3,8 erhöht worden. Insgesamt ist damit die Gewerbesteuer nicht nur im Detail, sondern grundlegend im System verändert worden.
1366
Dadurch, dass die Gewerbesteuer nicht abgeschafft, sondern das Anrechnungsverfahren eingeführt wurde, haben die Kommunen durch die Bestimmung des Hebesatzes weiterhin die Möglichkeit, auf die Niederlassung von Gewerbebetrieben Einfluss zu nehmen, indem sie zB den Hebesatz senken und so für eine Entlastung sorgen. Bei einer entsprechend niedrigen Wahl kann die Gesamtbelastung unter die Einkommensteuerbelastung gedrückt werden.
1367
Allerdings bestimmt § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG, dass der Hebesatz mindestens 200 % betragen muss. Grund dafür ist, dass durch die Festlegung eines niedrigeren Hebesatzes die Kommunen ansonsten Unternehmen anlocken könnten, da der niedrige Hebesatz nichts an der vollen Entlastungswirkung bei der Einkommensteuer änderte, so dass es zu nicht gewollten Vergünstigungen kam. § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG ist verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, weil die Kommunen in ihren kommunalen Selbstbestimmungsrechten verletzt sein könnten, Art. 28 Abs. 2 GG.
1368
Die kumulierte Belastung von Körperschaften (GmbHs) beträgt ca. 29 %. Diese Belastung ergibt sich aus einem Körperschaftsteuertarif von 15 % und einer Gewerbesteuerbelastung von ca. 14 %. Wird die Beteiligung im Privatvermögen gehalten, ist auf den ausgeschütteten Gewinn iH von 71 % die Abgeltungssteuer (ab dem Veranlagungsjahr 2009) iH von 25 % zu zahlen (71 % × 25 % = 17,75 %), so dass sich insgesamt eine Belastung iH von 46,75 % ergibt (29 % Belastung der Körperschaft + 17,75 % Abgeltungsteuer).
1368a
4. Die Umsatzsteuer Rechtlich betrachtet ist die Umsatzsteuer eine Verkehrsteuer, die den Umsatz von wirtschaftlichen Leistungen (Lieferungen und sonstigen Leistungen) belastet.
1369
Wirtschaftlich betrachtet ist die Umsatzsteuer eine Verbrauchsteuer, die den Endverbraucher belastet. Der Unternehmer ist lediglich Steuerzahler. Die Um-
1370
531
Teil J
Event und Steuern
satzsteuer ist die allgemeine Verbrauchsteuer, im Gegensatz zu den speziellen Verbrauchsteuern, die lediglich einzelne Güter (zB Tabak, Mineralöl) belasten. 1371
Durch die Verbrauchsteuern wird das Einkommen zweimal belastet, einmal bei seiner Entstehung durch die Einkommensteuer und zum zweiten bei seiner Verwendung durch die Verbrauchsteuern.
1372
Die Verkehrsteuern knüpfen an bestimmte Vorgänge des wirtschaftlichen Verkehrs an und nicht etwa an den wirtschaftlichen Erfolg. Die Höhe des Nutzens aus diesem Vorgang ist für die Höhe der Besteuerung ohne Bedeutung.
1373
Die Umsatzsteuer ist vom Aufkommen her die bedeutendste Verkehrsteuer. a) Die Allphasen-Nettoumsatzsteuer
1374
Kernstück der Umsatzsteuer ist der Vorsteuerabzug.
1375
Als Vorsteuer wird die Umsatzsteuer für den Vorumsatz bezeichnet. Diese vom Unternehmer gezahlte Umsatzsteuer wird bei der eigenen Zahllast abgezogen, so dass letztlich nur der „Mehrwert“ besteuert wird.103 Aus diesem Grund hat sich der Begriff „Mehrwertsteuer“ eingebürgert. Sie ist trotzdem keine echte Mehrwertsteuer, denn Bemessungsgrundlage ist nicht der Mehrwert, sondern das Entgelt. Im Ergebnis wird aber jedenfalls nur der Nettoumsatz besteuert. Für den Unternehmer bedeutet das, dass die Umsatzsteuer einen durchlaufenden Posten darstellt. Die Umsatzsteuer ist daher wettbewerbsneutral. Die Anzahl der durchlaufenden Wirtschaftsstufen wirkt sich nicht mehr auf die Umsatzsteuerbelastung einer Ware aus. b) Wesen der Umsatzsteuer
1376
Wareneinkauf Warenwert (Preis) 19 % USt Gesamtbetrag Warenverkauf Warenwert (Preis) 19 % USt Gesamtbetrag Berechnung des „Mehrwerts“ Warenverkauf (Netto) ./. Wareneinkauf (Netto) Mehrwert (Nettoumsatz) Berechnung der Umsatzsteuer-Zahllast Umsatzsteuer auf Warenverkauf ./. Umsatzsteuer auf Wareneinkauf Umsatzsteuer-Zahllast 103 Vgl. § 15 UStG.
532
1 000 Euro 190 Euro 1 190 Euro 1 500 Euro 285 Euro 1 785 Euro 1 500 Euro 1 000 Euro 500 Euro 285 Euro 190 Euro 95 Euro
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Die Zahllast entspricht 19 % des Mehrwerts.104 Daraus folgt, dass jeder Unternehmer nur Umsatzsteuer für den Mehrwert auf seiner Stufe an das Finanzamt abführen muss. Daraus folgt weiter, dass die Umsatzsteuer für den Gesamtwert einer Ware von mehreren Unternehmern an das Finanzamt abgeführt wird. Die Einschaltung aller Unternehmer hat mehrere Vorteile. Steuerhinterziehungsmöglichkeiten werden verringert. Wer Vorsteuer geltend macht, muss auch seine Umsätze richtig angeben, da durch Aufschläge auf die Vorumsätze auf die Höhe der Umsätze geschlossen werden kann. Auch der Grenzausgleich beim Export wird durch das Verfahren ermöglicht. Der Exportumsatz ist steuerfrei; der Vorsteuerabzug bleibt aber erhalten. Dadurch gelangt die Ware unbelastet von inländischer Umsatzsteuer auf den ausländischen Markt. Dort wird sie mit der (Einfuhr-) Umsatzsteuer belastet. Die Besteuerung findet dadurch da statt, wo der Verbrauch stattfindet.
1377
Seit dem 1.1.2004 gelten neue formale Anforderungen, welche Angaben die Rechnung enthalten muss, damit der Vorsteuerabzug möglich ist. Die Rechnung muss enthalten: – den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmens und des Leistungsempfängers, – die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundesamt für Finanzen erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, – das Ausstellungsdatum (Rechnungsdatum), – eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer), – die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung, – den Zeitpunkt der Lieferung oder der sonstigen Leistung oder bei Anzahlungen der Zeitpunkt der Vereinnahmung, sofern dieser Zeitpunkt feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist, – das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgeltes, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist und – den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Falle einer Steuerbefreiung den Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt. – in Fällen, in denen Leistungen an einem Grundstück für einen Empfänger durchgeführt werden, der nicht Unternehmer ist, einen Hinweis darauf, dass die Rechnung zwei Jahre lang aufzubewahren ist.
1378
104 Vgl. § 16 Abs. 1 und 2 UStG.
533
Teil J
Event und Steuern
1378a
Bei Kleinbetragsrechnungen bis zu 100 Euro bestehen gemäß § 33 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung folgende Pflichtangaben: – vollständiger Name und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers, – das Ausstellungsdatum (Rechnungsdatum), – Menge und Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung, – das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung besteht.
1378b
Neu und außerordentlich wichtig ist, dass das Recht des Rechnungsempfängers auf Vorsteuerabzug von der korrekten Umsetzung der genannten Rechnungsangaben abhängt, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 UStG. Fehlt nur eine der Angaben, ist der Vorsteuerabzug nicht möglich. Nicht korrekte Rechnungen müssen deshalb unbedingt mit einem entsprechenden Hinweis zurückgegeben werden. Gerade in der Veranstaltungsbranche, in der sich die Vertragsparteien regelmäßig durch Agenten, Agenturen oder Manager vertreten lassen, muss genau darauf geachtet werden, dass die Rechnung auf den richtigen Empfänger lautet. Der richtige Empfänger ist einzig der Vertragspartner, nicht etwa die vermittelnde Agentur. c) Die Besteuerung im Einzelnen
1379
Gegenstand der Umsatzsteuer sind die steuerbaren Umsätze.105 Das Umsatzsteuergesetz enthält keine Definition des Umsatzbegriffes. Vielmehr beschreibt das Gesetz in § 1 UStG die Umsätze, die der Umsatzsteuer unterliegen. Danach sind folgende Umsätze steuerbar: – Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt; – die Einfuhr von Gegenständen (Einfuhrumsatzsteuer) und – der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.
1380
Lieferungen und sonstige Leistungen sind Unterbegriffe des bürgerlich-rechtlichen Leistungsbegriffs. Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Dritter die Verfügungsmacht über einen Gegenstand erhält, vgl. § 3 Abs. 1 UStG. Sonstige Leistungen sind alle Leistungen, die keine Lieferungen sind,106 § 3 Abs. 9 UStG.
1381
§ 3 Abs. 1 und 1a UStG werden ergänzt durch Abs. 1b, § 3 Abs. 9 UStG durch § 3 Abs. 9a107 UStG. 105 Siehe Tipke/Lang, § 14 Rz. 13. 106 Vgl. zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG Tipke/Lang, § 14 Rz. 14 ff. 107 § 3 Abs. 9a UStG wurde eingeführt durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, S. 402.
534
Teil J
III. Die einzelnen Steuerarten
Bis zur Steueränderung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 war der Eigenverbrauch in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG geregelt.108
1382
Danach unterlag der Umsatzsteuer: – der Eigenverbrauch im Inland. Eigenverbrauch lag vor, wenn ein Unternehmer: – Gegenstände aus seinem Unternehmen für Zwecke entnahm, die außerhalb seines Unternehmens lagen, – Leistungen im Rahmen seines Unternehmens für Zwecke ausführte, die außerhalb seines Unternehmens lagen, – im Rahmen seines Unternehmens Aufwendungen tätigte, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes fielen (Repräsentationseigenverbrauch).
1383
Beispiel für eine Entnahme von Gegenständen, zum früheren § 1 Abs. 1 Nr. 2a UStG: Der Inhaber einer Eventagentur schenkt seinem Sohn zum Studium einen PC, der zum Betriebsvermögen gehörte.
1384
Beispiel für eine Ausführung von sonstigen Leistungen, zum früheren § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG:
1385
Ein Veranstalter benutzt seinen betrieblichen PKW zu 20 % für private Fahrten. Beispiel für die Tätigung von nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben, zum früheren § 1 Abs. 1 Nr. 2c UStG: Eine Eventagentur schenkt einem Kunden einen Kurzurlaub im Wert von 1 000 Euro.
1386
Nun sind diese Eigenverbrauchstatbestände in § 1 UStG weggefallen. Statt dessen wird in § 3 Abs. 1b UStG bestimmt, welche Handlungen einer Lieferung gleichgestellt werden und § 3 Abs. 9a UStG bestimmt, was sonstige Leistungen sein sollen.
1387
§ 3 Abs. 1b UStG Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt 1. die Entnahme eines Gegenstandes durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen; 2. die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; 3. jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmers. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. § 3 Abs. 9a UStG Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt 1. die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke,
108 Siehe Tipke/Lang, § 14 Rz. 66 ff.
535
Teil J
Event und Steuern
die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; 2. die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.
1388
Damit sind die Eigenverbrauchstatbestände der EU angepasst worden. Systematisch werden sie als sonstige Leistungen behandelt. Inhaltlich bleibt es dabei, dass der „Eigenverbrauch“ als sonstige Lieferung oder Leistung umsatzsteuerpflichtig ist.
1389
Im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr sind ausgeführte Waren von der inländischen Umsatzsteuer befreit, § 4 Nr. 1a iVm. § 6 Abs. 1 UStG. Sie werden im Empfängerland besteuert. Eingeführte Waren sind von der ausländischen Umsatzsteuer befreit. Sie werden im Inland besteuert (Einfuhrumsatzsteuer). Steuerschuldner ist der Erwerber. Er kann diese gezahlte (Einfuhrumsatz-)Steuer wie die inländische Umsatzsteuer als Vorsteuer von der Umsatzsteuerschuld abziehen. Aus Sicht des Unternehmers ist dies auch ganz selbstverständlich, da er sonst im Ergebnis die Steuer zu tragen hätte und nicht der Endverbraucher.
1390
Leistungsort muss das Inland sein. Im Gegensatz zur Einkommensteuer hat es für die Umsatzsteuer keinerlei Bedeutung, ob es sich bei dem Unternehmer um einen Steuerinländer oder -ausländer handelt.109 Maßgeblich ist allein der Ort an dem die Leistung ausgeführt wird. Bei Sportlern und Künstlern, die im Rahmen eines Events an- oder auftreten, mag es bisweilen schwierig sein, den Leistungsort zu bestimmen, da diese Personen unter Umständen im Ausland trainieren oder proben und dann im Inland auftreten. Abzustellen ist aber allein auf den Auftrittsort, denn es kommt allein auf den Ort an, an dem die entscheidenden Bedingungen zum Erfolg gesetzt werden.110 Auch wenn das Training oder die Proben den Auftritt zeitlich bei weitem überwiegen, wird die wesentliche Leistung im Inland erbracht. Die Leistungen unterliegen der Umsatzsteuer, vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 3a UStG.
1390a
Ausnahmsweise ist Leistungsort der Ort, an dem der Empfänger der sonstigen Leistung, sofern er selbst Unternehmer ist, sein Unternehmen betreibt. Sonstige Leistungen in diesem Sinne sind – die sonstigen Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen, einschließlich der Leistungen der Werbungsmittler und der Werbeagenturen, § 3a Abs. 4 Nr. 2 UStG. – Beratungsleistungen, auch zB technische Beratung, § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG. – die Vermittlung dieser Leistungen, § 3a Abs. 4 Nr. 10 UStG. – Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, § 3a Abs. 4 Nr. 13 UStG.
1391
Steuerschuldner ist in der Regel der leistende Unternehmer. Unternehmer iS des Umsatzsteuergesetzes ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit 109 Vgl. zur begrenzten Steuerpflicht bei der Einkommensteuer Rz. 1181 ff. 110 Vgl. Schimke, S. 255.
536
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
selbständig ausübt, § 2 Abs. 1 UStG. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich, allerdings muss die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt werden.111 Von besonderer Bedeutung für die Eventbranche ist der zum 1.1.2002 neu eingeführte § 13b UStG. Aufgrund dieser Vorschrift wird die Steuerschuldnerschaft übertragen. Für den Fall, dass im Ausland lebende Künstler im Inland steuerpflichtige Leistungen erbringen, schuldet der Leistungsempfänger, wenn er denn selbst Unternehmer ist, die Steuer für an ihn erbrachte Leistungen. Er muss die Steuer berechnen und an das Finanzamt abführen. Zur Bemessungsgrundlage gehört alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten.
1392
Diese Änderung des Umsatzsteuerrechtes führt zunächst zu einer Änderung der Einkommensteuer bei den Nettohonorarvereinbarungen, die üblich sind.112
1393
Aber auch im Umsatzsteuerrecht führt diese Änderung zu einer formal anderen Handhabung dieser Fälle. Gemäß § 14a Abs. 5 Satz 1 UStG ist der Unternehmer zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet, die auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweist. Die Umsatzsteuer darf nicht ausgewiesen werden. In Rechnung gestellt werden darf also nur der Nettobetrag.
1394
Auch Künstler können umsatzsteuerliche Unternehmer sein, und zwar auch dann, wenn sie in ein Ensemble eingebunden sind, so dass sie dem Publikum gegenüber nicht den Anschein erwecken, als seien sie selbständig tätig. So wurde sowohl eine Opernsängerin als auch eine Chorsängerin als Unternehmerin eingestuft.113
1395
Ebenfalls Steuersubjekte sind die Personen- und Kapitalgesellschaften (GbR, oHG und KG einerseits und zB GmbH oder AG andererseits). Bedeutsam ist dies in aller Regel für die GbR, da Künstler häufig in der Rechtsform einer GbR organisiert sind. Diese Gesellschaften müssen dann die Umsatzsteuer ausweisen, nicht etwa die einzelnen Gesellschafter.
1396
d) Steuerbefreiungen Umsätze, die keine Lieferung oder sonstige Leistung sind und auch keinen Eigenverbrauch darstellen, sind nicht steuerbar (zB Subventionen).114 Die steuerbaren Umsätze können steuerfrei oder steuerpflichtig sein. Es gilt der Grundsatz, dass alle Umsätze der Umsatzsteuer unterliegen, es sei denn, der Gesetzgeber hat ausdrücklich ihre Steuerfreiheit angeordnet, § 4 UStG. Solche Umsätze sind zB die Umsätze der Ärzte und Krankenhäuser, Umsätze der Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre und Museen, sofern sie von der öffentlichen Hand betrieben werden, Umsätze aus der Vermietung und Ver111 112 113 114
Tipke/Lang, § 14 Rz. 128 ff. Vgl. oben Rz. 1301. Vgl. zu diesen Fällen ausführlich Rz. 1270 ff. Siehe zum Steuerobjekt Tipke/Lang, § 14 Rz. 13 ff.
537
1397
Teil J
Event und Steuern
pachtung von Grundstücken. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang § 4 Nr. 9b Satz 1 und 2 UStG. Danach sind Umsätze von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie der Lotteriesteuer unterliegen.115 Sind die Umsätze dagegen gemäß § 18 Rennwett- und Lotteriesteuergesetz von der Lotteriesteuer befreit, so bleibt die Umsatzsteuerpflicht bestehen. 1398
Folge der Umsatzsteuerfreiheit ist, dass der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Das bedeutet, dass ein Unternehmer, dessen Umsätze steuerfrei sind, die von ihm an Lieferanten gezahlte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer geltend machen kann. Im Einzelfall kann dies nachteilig sein. Zur Vermeidung dieses Nachteils können Unternehmer bei bestimmten Umsätzen (zB Vermietung oder Verpachtung von Geschäftsräumen, Kreditumsätze) auf die Steuerfreiheit verzichten und zur Umsatzsteuer optieren, § 9 UStG.
1399
Bemessungsgrundlage ist bei Lieferung und sonstiger Leistung das vereinbarte Entgelt, dh. alles, was der Empfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, § 10 UStG.
1400
Ausnahmsweise kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 20 UStG), wenn – sein Gesamtumsatz im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 250 000 Euro betragen hat, oder – er von der Verpflichtung, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, befreit ist, oder – er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs ausführt.
1401
Bemessungsgrundlage beim Entnahmeeigenverbrauch ist der Einkaufspreis zuzüglich Nebenkosten, § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entnahme. Dies ist der Wiederbeschaffungspreis.116
1402
Bemessungsgrundlage beim Nutzungseigenverbrauch sind die Kosten des benutzten Gegenstandes, § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG.
1403
Bemessungsgrundlage beim Repräsentationseigenverbrauch ist der Betrag der nichtabzugsfähigen Betriebsausgabe, § 10 Abs. 4 Nr. 3 UStG. e) Der Vorsteuerabzug
1404
Der Vorsteuerabzug ist das Herzstück der geltenden Umsatzsteuer. Vorsteuer ist die dem Unternehmer von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer. Der Vorsteueranspruch stellt der Sache nach einen Steuervergütungsanspruch dar. Er ist an folgende Voraussetzungen geknüpft, vgl. § 15 Abs. 1 UStG: – Empfang einer Leistung – Der Leistende muss Unternehmer sein 115 Siehe dazu Rz. 1432. 116 Zur Bemessungsgrundlage vgl. Tipke/Lang, § 14 Rz. 136 ff.
538
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
– Die Leistung muss für das Unternehmen des Empfängers ausgeführt werden – Das Vorliegen einer Rechnung über die Leistung mit offenem Steuerausweis.117 Da § 13b Abs. 2 UStG die Schuldnerschaft auf den Empfänger verlagert, und § 14a Abs. 5 UStG bestimmt, dass die Umsatzsteuer in Rechnungen nicht gesondert ausgewiesen werden darf, regelt § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG den Vorsteuerabzug auch für diese Leistungen.
1405
Wichtig ist, dass die Rechnung alle Bestandteile enthält, die § 14 Abs. 4 UStG vorgibt,118 oder die sich aus § 14a Abs. 5 UStG ergeben. Diese Vorschriften dürften auch zu mehr Aufwand für die Agenturen beitragen.
1406
Beispiel Die EvilVents GmbH bekommt für ein Event ein Budget zur Verfügung gestellt. Außerdem hat sie Sponsoren zu akquirieren, die für entsprechende Werbeleistungen einen finanziellen Beitrag leisten sollen. Von diesen Einnahmen sind alle Aufwendungen zu bestreiten. Gleichzeitig hat sie ein Honorar vereinbart, das in verschiedenen Teilbeträgen fällig wird. Da der Event sehr werbewirksam ist, findet sie Sponsoren. Es werden Verträge abgeschlossen und Rechnungen geschrieben. Auch den ersten Teilbetrag ihres Honorars stellt sie in Rechnung. Welche Steuernummern sind anzugeben?
Hinsichtlich des Honorars handelt die Agentur im eigenen Namen. Sie hat ihre Steuernummer anzugeben. Hinsichtlich der Sponsoringentgelte handelt sie im Namen des Veranstalters. Es ist dessen Steuernummer anzugeben.
1407
Bei Incentives ist es möglich, dass das Eigengeschäft und der vermittelte Umsatz in einer Rechnung aufgeführt werden. Der jeweilige Umsatz kann dann mittels Kennziffern der entsprechenden Steuernummer zugeordnet werden.
1408
Die Angabe der Steuernummer ist neben den anderen Bestandteilen der Rechnung unabdingbare Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG. Damit führt ein Verstoß gegen die formalen Bestandteile der Rechnungen zum Verlust des Vorsteuerabzugs. Dies war bis Ende 2003 anders.
1409
f) Steuersatz Der Regelsteuersatz beträgt für jeden Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage. Der ermäßigte Steuersatz beträgt 7 % der Bemessungsgrundlage. Der ermäßigte Steuersatz gilt nur für im Gesetz einzeln aufgeführte Umsätze, vgl. § 12 Abs. 2 UStG iVm. der Anlage zum UStG.
1410
Kleinunternehmer, deren Umsatz im vergangenen Jahr 17 500 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird, sind nicht umsatzsteuerpflichtig, § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG. Sie können deshalb keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen und keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Wegen der damit möglicherweise verbunde-
1411
117 Vgl. Rz. 1378 f. 118 Vgl. Rz. 1378.
539
Teil J
Event und Steuern
nen Nachteile können diese Unternehmer auf die Steuerfreiheit verzichten und zur Umsatzsteuer optieren. An diese Option sind sie fünf Jahre lang gebunden, § 19 Abs. 2 UStG. g) Veranlagung 1412
Besteuerungszeitraum der Umsatzsteuer ist das Kalenderjahr. Die Unternehmen müssen Voranmeldungen abgeben, in denen sie die Umsatzsteuer-Zahllast selbst errechnen und an das Finanzamt abführen, § 18 Abs. 1 UStG.
1413
Der Voranmeldungszeitraum ist grundsätzlich das Kalendervierteljahr. Die Voranmeldung ist bis zum 10. Tag nach Ablauf des Kalendervierteljahrs abzugeben. Beträgt die Steuer für das vergangene Jahr mehr als 6 136 Euro, ist der Kalendermonat Voranmeldezeitraum. Abzugeben ist die Voranmeldung dann bis zum 10. Tag des folgenden Monats. Beträgt die Steuer für das vergangene Jahr weniger als 512 Euro, kann auf die Voranmeldung ganz verzichtet werden, § 18 Abs. 2 UStG. Die Voranmeldung ist auf elektronischem Weg nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln.
540
Teil J
III. Die einzelnen Steuerarten Abb. 69: Muster einer Umsatzsteuer-Voranmeldung
2008
1 Steuernummer
:II
013312341234
215711 0812
I i
4 Finanzamt
5
[30]
Eingangsstempel oder -datum
Umsatzsteuer-Voranmeldung 2008
Finanzamt DOsseidorf Mitte
6 7 8 9 10
Voranmeldungszeitraum
111
~~~:~f~~~--a~fl~~e8 :rmenbezeichnung-
12
r-----1 Dezember
2_oo_e_ _ __j
EviiVentsGmbH
13
Musterstraße36
14
12345 Musterstadt
15
Berichtigte Anmeldung (falls ja, biHe eine "1" eintragen) Belege (Verträge, Rechnungen, Erläuterungen usw.) sind beigefügt bzw. werden gesondert eingereicht (falls ja, biHe eine "1" eintragen)
I
16 17
I. Anmeldung der Umsatzsteuer-Vorauszahl ung
18
Bemessungsgrundlage ohne Umsatzsteuer
Lieferungen und sonstige Leistungen
19
(einschließlich unentgeltlicher Wertabgaben)
21
Steuerfreie Umsätze mit Vorsteuerabzug Innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst b UStG) an Abnehmer mit USt-ldNr.
22
neuer Fahrzeuge an Abnehmer ohne USt-ldNr.
20
23
'
41 I
f-:
~r
neuer Fahrzeuge außerhalb eines Unternehmens (§ 2a UStG)
Weitere steuerfreie Umsatze mit Vorsteuerabzug (z.B. Ausfuhrlieferungen, Umsatze nach § 4 Nr. 2 bis 7 UStG)
24 1
251
Steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 28 USIG
26
Steuerpflichtige Umsätze
27
(Lieferungen und sonstige Leistungen einschl. unentgeiUicher Wertabgaben) zum Steuersatz von 19 %
zu anderen Steuersätzen
Umsätze land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nach § 24 UStG Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet an Abnehmer mit USt-ldNr. Umsatze, f!lr die eine Steuer nach § 24 UStG zu entrichten ist (Sage32' werkserzeugnisse, Getränke u. alkoholische Flüssigkeiten, z. B. Wein)
331
:I
-- ·~
1
1
I
f-------J
' ----1
: ~===] f--~--1 ;~ =] ------~
I
80
~
Innergemeinschaftliche Erwerbe Steuerfreie innergemeinschaftliche Erwerbe EJWerbe nach § 4b UStG Steuerpflichtige Innergemeinschaftliche Erwerbe zum Steuersatz von 19 %
91 89
zum Steuersatz von 7 %
93
37
zu anderen Steuersatzen
38
neuer Fahrzeuge von Lieferem ohne USt-ldNr. zum allgemeinen Steuersatz
39
EUR,Ct r----
36
30
311
I
volleEUR
_____c:::==
f----___j
81
zum Steuersatz von 7 %
::I'
Steuer
I
Ergänzende Angaben zu Umsätzen Lieferungen des ersten Abnehmers bei innergemeinschaftlichen Dreiecksgaschatten (§ 25b Abs. 2 UStG) Steuerpflichtige Umsatze im Sinne des§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 UStG, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet
Nicht steuerbare Umsätze (Leistungsort nicht im Inland) Übertrag (zu Obertragen in Zeile 45)
95
I
'------1 -------
-98
•94t=j96
-~_::~----~
I
-
-
USt 1 A Umsatzsteuer-Voranmeldung 2008Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg (Brsg.), OFD Stuttgart, S 7344 A- 159- St 36 vom 30. Dez 1994
541
Teil J 44 Steuemummer: 013312341234
Event und Steuern 215711 0812
45
Übertrag
46
Umsätze, fOr die als Leistungsempfänger die
SteLI9f EUR,Ct
I
,-
ohne Umsatzsteuer
47
Steuer nach§ 13b Abs. 2 UStG geschuldet wird
46
(§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 UStG)
49
Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstande und Umsätze, die unter das GrEStG fallen (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 UStG)
I
volleEUR
Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers
52 73 84
Bauleistungen eines im Inland ansässigen Unternehmers
50
I Bemessungsgrundlage
(§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UstG)
53 74 85
51' 52
Steuer infolge Wechsels der Besteuerungsform sowie Nachsteuer auf versteuerte Anzahlungen u. a. wegen Steuersatzänderung
53
Umsatzsteuer
65
Abziehbare Vorsteuerbeträge
54
Vorsteuerbetrage aus Rechnungen von anderen Unternehmern(§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), aus Leistungen im Sinne des§ 13a Abs. 1 Nr. 6 UstG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UStG) und aus
58
Vorsteuerbeträge aus Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 1 UStG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG)
59
Vorsteuerbeträge, die nach allgemeinen Durchschnittssätzen berechnet sind (§§ 23 und 23a UStG)
60
Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 15a UStG) Vorsteuerabzug fOr Innergemeinschaftliche Lieferungen neuer Fahrzeuge außerhalb eines Unternehmens (§ 2a UstG) sowie von Kleinunternehmern Im Sinne des § 19 Abs. 1 UStG (§ 15 Abs. 4a UStG)
66 61 621 67 63 64 159
62
Verbleibender Betrag Andere Steuerbeträge
I
63
~eg~~~i~g~~J.nG~h:fR. ~~e~~~~~~~~:. ~u~i:"k~§e~ ~:s~~rb~~~~~ ~§1 j"Ä~~\Gt8~~~~§~5b
64
Abs. 2 UStG geschuldet werden.
55
innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften (§ 25b Abs. 5 UStG) Vorsteuerbeträge aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen (§ 15 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 UStG)
56
~--~
Entrichtete Einfuhrumsatzsteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG)
57
61
169 I
Umsatzsteuer·Vorauszahlung/Überschuss AnreChnung (Abzug) der festgesetzten Sondervorauszahlung fOr Dauerfristverlängerung (nur auszufüllen in der letzten Voranmeldung des Besteuerungszeitraums, in der Regel Dezember) Verbleibende UmsatzsteuerNorauszahlung (bitte in jedem Fall ausfallen) 671 Verbleibender Überschuss- bitte dem Betrag ein Minuszeichen voranstellen 65
eel
66~
I::F 183
JI i
II. Sonstige Angaben und Unterschrift
69
I
__J
------j
I
Ein Erttattungsbetrag wird auf das dem Finanzamt benannte Konto Oberwiesen, soweit der Betrag 70 I nicht mit Steuerschulden verrechnet wird.
I I
71
@0
Verrechnung des Erstattungsbetrags erwonscht I Erstattungsbetrag ist abgetreten (falls ia •. bi~e ei_ne "1" eintra~:~en). Geben Ste bitte dte Verrechnungswünsche auf etnem besonderen Blatt an oder auf dem betm Ftnanzamt erhältlichen Vordruck 'Verrechnungsantrag' Die Einzugsermächtigung wird ausnahmsweise (z.B. wegen Verrechnungswünschen) für diesen Voranmeldun~szeitraum widerrufen (falls ia. bitte eine "1" eintraQen). Eln ggf. verbleibender Restbetrag ist gesondert zu entrichten. Hinweis nach den Vorschriften der Datenschutzgesetze: • nur vom Finanzamt auszufüllen • I Die mit der Steueranmeldung angeforderten Daten werden auf Grund der§§ 149 ff. der Abgabenordnung und der§§ 18, 18b des Umsatzsteuergesetzes erhoben. Die Angabe der Telefonnummern und der E·Maii--Adressen ist freiwillig.
72
1: I ::
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I1.Bearbeitungshinweis Die aufgefOhrten Daten sind mit Hilfe des geprOflen und genehmigten Programms sowie ggf. unter Berücksichtigung der gespeicherten Daten maschinell zu verarbeiten. 2. Die weitere Bearbeitung richtet sich nach den Ergebnissen der maschinellen VerarbeitunQ.
631 Datum Namenszeichen I 84 I1 .11 Kontrollzahl und/oder Datenerfassungsvermerk I 851 [23.01.2_0CC0_9_~-------------~
I
1
1
1
~Datum. Unters._c_h_rift_ _ _ _ _ _ _ _ __
USt 1 A Umsalzsteuer-Voranmeldung 2008 Lexware GmbH & Co. KG. Freiburg (Brsg.). OFD Stuttgart, S 7344 A -159- St 36 vom 30. Dez 1994
542
I
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Außer den Voranmeldungen müssen alle Unternehmer eine Jahressteuererklärung abgeben, unabhängig von der Höhe des Umsatzes, § 18 Abs. 3 UStG.
1414
Die Abgabefrist läuft bis zum 31.5. des nächsten Jahres. Diese Steuererklärung ist eine Steueranmeldung. Die errechnete Abschlusszahlung ist einen Monat nach Eingang der Steueranmeldung fällig.
1415
Der Unternehmer ist verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlage ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen, § 22 UStG. Aus den Aufzeichnungen müssen insbesondere zu ersehen sein: – die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen, – die vereinnahmten Entgelte und Teilentgelte für noch nicht ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen, – die Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch, – die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an den Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, – die Bemessungsgrundlage für die Einfuhr von Gegenständen, – die Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen, – in den Fällen des § 13b Abs. 1 und 2 UStG beim Leistungsempfänger die Angaben
1416
entsprechend den Nummern 1 und 2. Wenn ein Unternehmer am innergemeinschaftlichen Handel mit Unternehmern aus anderen Mitgliedstaaten der EU teilnehmen will, benötigt er eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Diese erteilt das Bundesamt für Finanzen, vgl. § 27a UStG. Zuständig ist die Außenstelle in Saarlouis.
1417
h) Eventspezifische Besonderheiten Beispiel Herr I. Wendt hat für ein Event einen ausländischen Künstler verpflichtet. Dieser Künstler ist selbständig und erhält für seinen Auftritt ein Honorar von 10 000 Euro. Wie viel Umsatzsteuer ist an das Finanzamt abzuführen? Wer muss die Umsatzsteuer an das Finanzamt überweisen? Spielt es eine Rolle, ob der Künstler Kleinunternehmer ist?
Leistungen ausländische Künstler oder Sportler im Inland sind umsatzsteuerpflichtig, denn § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bestimmt, dass Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt ausführt, steuerpflichtig sind. Steuerschuldner ist jedoch der inländische Veranstalter.119 Die Höhe des Steuersatzes unterschei-
119 Siehe Rz. 1392.
543
1418
Teil J
Event und Steuern
det sich nicht von der inländischer Künstler oder Sportler. Künstlerische Darbietungen sind jedoch in einigen Fällen umsatzsteuerfrei, in anderen Fällen werden sie ermäßigt besteuert. Steuerfrei sind die Umsätze der Theater, Chöre, Orchester und Kammermusikensembles, wenn es sich um öffentlich-rechtliche Einrichtungen handelt, § 4 Nr. 20a UStG. Dem entsprach es, dass immer dann, wenn es sich nicht um öffentlich-rechtliche Einrichtungen handelte, diese Leistungen dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. unterlagen Das Gleiche galt für die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer, § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG. 1419
Solokünstler waren in dieser Vorschrift nicht erwähnt. Ihre Leistungen einem Veranstalter gegenüber unterlagen deshalb dem Regelsteuersatz.120 Die unterschiedliche Behandlung der Chöre einerseits und Solisten andererseits war schlicht nicht nachvollziehbar. In besonderer Weise praktisch relevant wurde diese Differenzierung im Fall der „Drei Tenöre“. Der inländische Veranstalter hatte den Auftritt der „Drei Tenöre“ umsatzsteuerrechtlich als Auftritt eines Chors und damit einer kulturellen Einrichtung behandelt und gem. § 4 Nr. 20a UStG keine Umsatzsteuer abgeführt. Das Finanzamt teilte diese Auffassung nicht und wertete ihren Auftritt als Auftritt von drei Solisten. Umsatzsteuerlich war dies ein bedeutsamer Unterschied.
1420
Der inländische Veranstalter wurde auch deshalb vom Landgericht Mannheim wegen Steuerhinterziehung zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision hin setzte der BGH das Verfahren aus und fragte den EuGH in einem Vorlagebeschluss, ob diese Differenzierung des deutschen Umsatzsteuerrechts europarechtskonform sei.
1420a
Mit Urteil vom 3.4.2003 hat der EuGH klargestellt, dass es nicht mit Europarecht zu vereinbaren sei, dass es eine rechtlich unterschiedliche Regelung für Solisten und für Chöre gibt. Die Verurteilung des inländischen Veranstalters der „Drei Tenöre“ sei daher zu Unrecht erfolgt. Es gebe keinen Grund, der eine solche Differenzierung rechtfertige. Der BGH hat deshalb die Verurteilung insoweit aufgehoben.
1420b
Mittlerweile ist das Umsatzsteuerrecht geändert. § 12 Nr. 7a UStG bestimmt nunmehr, dass der ermäßigte Steuersatz einheitlich für Eintrittsberechtigungen für Theater, Konzerte und Museen sowie den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler gilt.
1421
Aber auch zuvor gab es für Solisten eine Möglichkeit, nur den ermäßigten Steuersatz zahlen zu müssen.121
120 Umkehrschluss aus § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG. 121 Vgl. zum folgenden Beispiel: BFH BStBl. II 1995, S. 348 f.
544
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Beispiel Der Solist Art T. Ax beabsichtigt, verschiedene Konzerte zu geben. Mit der Organisation, der Werbung, dem Kartenverkauf und ähnlichen Leistungen beauftragt er andere Unternehmer. Mit diesen Unternehmern rechnet er jeweils nach der Veranstaltung ab.
Als Solist gehörte Art T. Ax nicht zu den in § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG aF genannten Institutionen. Aber er war ein anderer Unternehmer iS dieser Vorschrift. Unternehmer von Veranstaltungen konnte auch der Künstler selbst sein. Voraussetzung war, dass er als Veranstalter auftrat. Dies war im Beispiel der Fall. Die mit der Organisation beauftragten Agenturen handelten lediglich als Vertreter oder Subunternehmer des Künstlers. Entscheidend war, dass er die Agenturen verpflichtet hat und nicht die Agenturen ihn.
1422
Seit Änderung des Umsatzsteuerrechtes gehören solche Konstruktionen der Vergangenheit an. Abzuführen hat der Veranstalter des Events als Steuerschuldner gem. § 13b Abs. 2 UStG die Umsatzsteuer, wenn er denn selbst Unternehmer ist.
1423
Die bis zum 31.12.2001 geltende so genannte Null-Regelung ist durch die Einführung des § 13b UStG bedeutungslos.
1424
Ohne Bedeutung ist es auch, ob der ausländische Künstler Kleinunternehmer ist. Die Kleinunternehmerregelung gilt nur für Unternehmer, die im Inland ansässig sind, § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG.
1425
Als Unternehmer ist jeder Veranstalter verpflichtet, Aufzeichnungen zu machen, die leicht nachprüfbar sein müssen. Für die anzumeldende und abzuführende Steuer haftet der Veranstalter.
1426
5. Die Rennwett- und Lotteriesteuer Es mag vorkommen, dass im Rahmen einer Veranstaltung Lotterien oder Ausspielungen vorgenommen werden sollen. Solche Lotterien sollten dem Finanzamt mitgeteilt werden. Denn erstens bedürfen Lotterien der Genehmigung.122 Gemäß § 286 StGB macht sich strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis Lotterien veranstaltet. Zweitens – und aus steuerlicher Sicht bedeutsamer – kann unter Umständen eine Befreiung von der Lotteriesteuer erteilt werden. Dies hat zwar zur Folge, dass Umsatzsteuer anfällt. Aber im Rahmen der Umsatzsteuer besteht immerhin die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs.
122 Siehe dazu auch Rz. 674.
545
1427
Teil J
Event und Steuern
a) Steuerpflicht 1428
Gemäß § 17 Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) sind nur öffentliche Lotterien und Ausspielungen steuerpflichtig. Die Öffentlichkeit ist dann hergestellt, wenn jedermann an der Lotterie teilnehmen kann. Diese Voraussetzung ist schneller gegeben, als es den Veranstaltern lieb sein kann. Denn eine sich nur an einen bestimmten Personenkreis richtende Lotterie wird schon dadurch öffentlich, dass Freunde oder Familienangehörige daran teilnehmen können. Unter dieser Prämisse kann auch ein Corporate Event schnell eine öffentliche Veranstaltung im steuerlichen Sinne werden.
1429
Lotterien sind Glücksspiele. Es wird ein Einsatz dafür gezahlt, dass man eine Chance auf einen Gewinn erhält. Dementsprechend ist der Gewinn nicht beeinflussbar, insbesondere nicht durch eigene Geschicklichkeit. Das Entgelt, das gezahlt wird, kann offen oder verdeckt entrichtet werden. Ein offener Einsatz liegt vor, wenn ein Los gegen Entgelt gekauft wird. Ein verdeckter Einsatz ist gegeben, wenn gleichzeitig mit dem Erwerb einer anderen Leistung der Erwerb eines Loses verbunden ist, ohne dass ein gesonderter Preis gezahlt wird. Diese Art des Loserwerbs geschieht häufig dadurch, dass mit dem Erwerb einer Eintrittskarte die Teilnahme an einer Lotterie erworben wird. Für den Veranstalter hat dies den Vorteil, dass jeder Teilnehmer der Veranstaltung automatisch an der Verlosung teilnimmt. Insgesamt müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: – Mehrzahl von Personen – Vorliegen eines Gewinnplans – Vermittlung einer Gewinnhoffnung – Leistung eines Einsatzes – Abhängigkeit des Gewinns vom Zufall – Öffentlichkeit der Veranstaltung – Durchführung der Veranstaltung im Inland
1430
Bemessungsgrundlage der Lotteriesteuer ist der Nettopreis aller bereitgehaltenen Lose. Dies ist der Preis ausschließlich der Lotteriesteuer. Diese ist wieder herauszurechnen.
1431
Bei offenen Einsätzen bereitet die Ermittlung der Bemessungsgrundlage keine Schwierigkeiten. Dies ist naturgemäß anders bei verdeckten Einsätzen. Notfalls muss die Bemessungsgrundlage durch Schätzung ermittelt werden. Dabei wird dann mindestens der Wert der Gewinne zur Besteuerung herangezogen. b) Tarif
1432
Die Steuer beträgt 20 % des Nettopreises sämtlicher Lose, § 17 Satz 3 RennwLottG. Damit nicht die Steuer von der Steuer erhoben wird, muss zuerst der Nettopreis errechnet werden. Da der Endpreis sich ergibt aus 100 % Nettopreis zzgl. 20 % Steuer, müssen vom Bruttopreis (dem Verkaufspreis des Loses) erst einmal 20 % von 120 % abgezogen werden. Der Nettopreis beträgt also 5/6 des 546
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Gesamtpreises. Von diesem Nettopreis sind dann 20 % Steuern zu erheben. Dazu ein Beispiel: Beispiel Herr S. Teuer hält auf einer vom ihm durchgeführten Veranstaltung 10 000 Lose zum Stückpreis von 6 Euro bereit. Er hat folgenden Betrag als Lotteriesteuer an das Finanzamt abzuführen: 10 000 × 6 = 60 000 Euro 60 000 Euro × 5/6 × 20 % = 10 000 Euro Steuer.
Steuerschuldner ist der Veranstalter, § 19 Abs. 1 Satz 1 RennwLottG. Veranstalter ist derjenige, dem die Veranstaltung genehmigt wurde.
1433
Die Steuer entsteht mit der Erteilung der Genehmigung. Wird keine Genehmigung beantragt, spätestens in dem Zeitpunkt, in dem die Genehmigung hätte eingeholt werden müssen.
1434
Die Steuer ist vor Beginn des Losverkaufs fällig, § 19 Abs. 2 RennwLottG. Tatsächlich wird die Steuer aber immer erst aus den Erträgen gezahlt.
1435
c) Befreiung von der Lotteriesteuer Unter bestimmten Voraussetzungen bleiben Lotterien oder Ausspielungen von der Besteuerung ausgenommen. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn bei einer Ausspielung der Gesamtpreis der Lose 650 Euro nicht übersteigt, § 18 Nr. 1b RennwLottG. Diese Befreiung gilt aber nur dann, wenn der Veranstalter nicht Gewerbetreibender ist und auch kein Bargeld ausgeschüttet wird.
1436
Wichtiger ist der Fall des § 18 Nr. 2a RennwLottG. Danach bleibt steuerfrei eine genehmigte Lotterie oder Ausspielung, die ausschließlich gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient und bei der der Gesamtpreis der Lose 40 000 Euro nicht übersteigt.
1437
Gemäß § 18 Nr. 2b RennwLottG bleiben sonstige Lotterien und Ausspielungen steuerfrei, wenn der Gesamtpreis der Lose 240 Euro nicht übersteigt.
1437a
Zwingend erforderlich ist eine behördliche Genehmigung. Dies bedeutet auch, dass Nebenbestimmungen erfüllt sein müssen.
1438
Der Erlös muss den erwähnten Zwecken dienen. Vom Erlös dürfen nur die unmittelbaren Kosten der Lotterie abgezogen werden. Dies sind im Wesentlichen die Kosten für den Erwerb der Gewinne.
1439
Wird der Erlös anderweitig verwendet, entfällt die Steuerbefreiung. Das Gleiche gilt, wenn nicht mindestens 25 % der Erlöse den genannten Zwecken zugeführt werden.123
1440
123 Vgl. BFH, BStBl. III 1954, S. 244.
547
Teil J
Event und Steuern
1441
Bei den Beträgen des § 18 RennwLottG handelt es sich um Freigrenzen124 mit der Folge, dass bei deren Überschreitung die Steuer vom gesamten Umsatz erhoben wird. Um dies zu vermeiden, sollte immer daran gedacht werden, mehrere Lotterien durchzuführen, falls ansonsten die Freigrenzen überschritten würden.
1442
Sind die Umsätze gemäß § 18 RennwLottG von der Steuer befreit, so tritt als Folge davon eine Besteuerung aufgrund des Umsatzsteuergesetzes ein,125 denn die dort angeordnete Befreiung gilt nur für Umsätze, die unter das RennwLottG fallen, vgl. § 9b Satz 2 UStG. Immerhin lebt dann aber wieder die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges auf, die ansonsten nicht gegeben wäre, § 15 Abs. 2 UStG. d) Steuerfestsetzung
1443
Inländische Lotterien sind anzumelden. Dazu muss ein Spielplan eingereicht werden, der die Anzahl der Lose, den Zeitpunkt des Vertriebsbeginns, die Gewinne sowie Ort und Zeit der Ausspielung enthalten muss.
6. Vergnügungsteuer 1444
Die Vergnügungsteuer gehört systematisch zu den speziellen Verbrauch- und Aufwandsteuern.126
1445
Steuergläubiger sind die Gemeinden, § 1 Vergnügungssteuergesetz NRW (VergStG NW). a) Steuergegenstand
1446
Besteuert werden bestimmte als Vergnügungen bezeichnete Veranstaltungen, die in § 2 VergStG NW aufgezählt werden. Dies sind: 1. Tanzveranstaltungen gewerblicher Art; 2. Schönheitstänze und Darbietungen ähnlicher Art; 3. das Ausspielen von Geld oder Gegenständen in Spielclubs, Spielcasinos und ähnlichen Einrichtungen; 4. Filmveranstaltungen und jede ähnliche mit technischen Hilfsmitteln erzeugte Darstellung von Bildern; 5. das Halten von Musik-, Schau-, Scherz-, Spiel-, Geschicklichkeits- und ähnlichen Apparaten; a) in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmungen, b) in Schankwirtschaften, Speisewirtschaften, Gastwirtschaften, Beherbergungsbetrieben, Wettannahmestellen, Vereins-, Kantinen- oder ähnlichen Räumen sowie an jedermann zugänglichen Orten.
124 Siehe dazu Rz. 1177. 125 Vgl. Rz. 1394. 126 Vgl. dazu Tipke/Lang, § 16 Rz. 1.
548
III. Die einzelnen Steuerarten
Teil J
Zum Begriff der Tanzveranstaltung hat das OVG Münster im folgenden Fall Stellung genommen.127
1447
Beispiel Die Klägerin des Verfahrens veranstaltete ein von ihr so bezeichnetes „Live-Konzert“ in einer Mehrzweckhalle. Das Eintrittsgeld betrug 10 DM (ca. 5,50 Euro). Im Rahmen dieser Veranstaltung traten abwechselnd zwei von ihr schon öfter engagierte Bands auf, die selbst komponierte und fremde Stücke spielten. Eine abgegrenzte Tanzfläche gab es nicht. Es ist auch nicht auf die Möglichkeit zum Tanzen hingewiesen worden. Während des Konzertes wurde dann aber zur Musik getanzt. Die Klägerin wurde zur Vergnügungsteuer herangezogen. Zu unrecht, wie das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht meinten.
Das OVG führte aus, dass eine Tanzveranstaltung nur dann vorliege, wenn der inhaltliche Charakter der Veranstaltung für die Besucher erkennbar auf das Vergnügen am Tanz gerichtet sei. Dies sei anhand objektiver, die tatsächliche Gestaltung und Durchführung der Veranstaltung prägender Kriterien festzustellen. Im Beispielsfall sei die Veranstaltung lediglich darauf gerichtet gewesen, die dargebotene Musik zu hören und zu erleben. Der Musik kam nicht eine zum Tanz animierende oder den Tanz begleitende Funktion zu. Es handelte sich um eine Musikveranstaltung, die nicht der Vergnügungsteuer unterliegt. Eine solche Musikveranstaltung wird auch nicht dadurch zur Tanzveranstaltung iS des § 2 Nr. 1 VergStG NW, dass Besucher zur Musik tanzen, wenn und solange dieses Verhalten nicht vom Veranstalter zweckgerichtet veranlasst worden ist.
1448
Von den steuerpflichtigen Veranstaltungen sind die steuerfreien abzugrenzen. Gemäß § 3 VergStG NW sind u.a. steuerfrei: 1. Familienfeiern, Betriebsfeiern und nicht gewerbsmäßige Veranstaltungen von bestimmten Vereinen, 2. Veranstaltungen von Gewerkschaften und politischen Parteien, 3. Veranstaltungen, die mildtätigen oder gemeinnützigen Zwecken dienen, 4. das Halten von kostenfreien Musikapparaten oder von Apparaten auf Kirmessen usw.
1449
Steuerschuldner ist der Veranstalter, § 4 VergStG NW. Außer dem Steuerschuldner haftet der Inhaber der benutzten Räume oder Grundstücke, §§ 4 Abs. 2, 22 Abs. 3 VergStG NW.
1450
Werden für die Veranstaltung Karten ausgegeben, richtet sich die Bemessungsgrundlage für die Steuer nach dem Preis und der Zahl der ausgegebenen Karten (Kartensteuer). Die Steuer ist nach dem auf der Eintrittskarte angegebenen Preis einschließlich der Steuer zu berechnen. Ausnahmsweise kann sie auch nach dem Entgelt berechnet werden, wenn dies höher ist.
1451
127 OVG Münster v. 11.12.1991 – 22 A 858/91, NVwZ-RR 1992, 580 f.
549
Teil J 1452
Event und Steuern
Werden keine Karten ausgegeben oder kann die Besteuerung in Form der Kartensteuer nicht hinreichend überwacht werden, so wird eine Pauschsteuer erhoben. Das Gleiche gilt, wenn die Pauschsteuer höher ist als die Kartensteuer. b) Tarif
1453
Der Steuersatz beträgt in der Regel 20 % des Eintrittspreises oder Entgeltes, § 9 VergStG NW. Dieser Tarif gilt auch, wenn die Bemessungsgrundlage pauschaliert wird, § 18 Abs. 1 Satz 2 VergStG NW. Für Filmveranstaltungen kann die Steuer auf 10 % gesenkt werden oder ganz entfallen, § 10 Abs. 2–4 VergStG NW. Für Spielclubs und ähnliche Einrichtungen beträgt der Tarif 5 % des Spielumsatzes. In einigen besonderen Fällen besteht der Tarif in einem Betrag,128 §§ 19 ff. VergStG NW. c) Anmeldung, Sicherheitsleistung
1454
Die Veranstaltungen sind spätestens drei Werktage vor Beginn bei der Gemeinde anzumelden. Die Gemeinde ist berechtigt, eine Vorauszahlung iH der Steuerschuld als Sicherheit zu verlangen, § 22 VergStG NW.
IV. Die ertrag- (einkommen- und körperschaft-) und umsatzsteuerliche Behandlung von Incentives 1455
Da Unternehmen immer häufiger feststellen, dass es nötig ist, besondere Anreize zu schaffen, wird zunehmend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Incentive-Reisen an beteiligte Geschäftspartner, Arbeitnehmer oder sonstige belohnenswert erscheinende Personen zu vergeben.129
1. Wesen der Incentive-Reise 1456
Da der Begriff „Incentive-Reisen“ in keinem Steuergesetz erwähnt wird, sondern die steuerliche Behandlung solcher Reisen anhand allgemeiner Kriterien erfolgt, hat der Bundesfinanzminister den Begriff der Incentive-Reise für die steuerlich einheitliche Behandlung wie folgt definiert:130 Beispiel Incentive-Reisen werden von einem Unternehmen gewährt, um Geschäftspartner oder Arbeitnehmer des Betriebs für erbrachte Leistungen zu belohnen und zu Mehr- oder Höchst-
128 Zur Gestaltung des Tarifes vgl. Rz. 1176. 129 Vgl. zur rechtlichen Bewertung von Incentives im Allgemeinen Rz. 350 ff. und zur grundsätzlichen Behandlung von Reisen als Betriebsausgaben Rz. 1206 ff. 130 BMF-Schreiben v. 14.10.1996 – IV B 2 - S 2143 - 23/96, BStBl. I 1996, S. 1192 = DStR 1996, 1690.
550
IV. Die steuerliche Behandlung von Incentives
Teil J
leistungen zu motivieren. Reiseziel, Unterbringung, Transportmittel und Teilnehmerkreis werden von dem die Reiseleistung gewährenden Unternehmen festgelegt. Der Ablauf der Reise und die einzelnen Veranstaltungen dienen allgemein-touristischen Interessen.
In der Praxis kommen verschiedene Gestaltungen vor. Incentive-Reisen werden üblicherweise gewährt an: – eigene Arbeitnehmer, – Geschäftspartner, – Händler oder Vermittler, – Arbeitnehmer von Händlern oder Vermittlern.
1457
Dabei stellt idR eine Incentive-Reisen-Agentur im Auftrag eines Unternehmens eine Reise zusammen, die dann das Unternehmen den genannten Personen gewährt. Steuerlich sind diese Fallgestaltungen auseinanderzuhalten. Sie werden deshalb nachfolgend auch getrennt behandelt. Bei allen diesen Incentive-Reisen werden keinerlei Arbeitsleistungen erbracht. Vielmehr dienen die Reisen allein allgemein-touristischen Zwecken, wie dies im BMF-Schreiben vorausgesetzt wird.
1458
2. Die einzelnen Fallgestaltungen Beispiel Ein großes Unternehmen der Modebranche, die S. Pend.Abel GmbH, entschließt sich nach einem überaus erfolgreichem Geschäftsjahr, die zwölf Mitarbeiter des Monats des letzten Jahres besonders zu belohnen. Es wendet sich an die IncenTravel GmbH. Diese stellt eine Trecking-Tour auf Borneo zusammen, an der alle Arbeitnehmer teilnehmen. Auf Borneo werden sie von Reisebegleitern rund um die Uhr betreut. Hätte der Arbeitgeber ihnen diese Reise nicht gewährt, so hätte keiner von ihnen eine solche Reise unternommen. Abgesehen davon, wäre eine solche Reise auch gar nicht pauschal zu buchen gewesen. Arbeitsleistungen werden auf der Reise keine erbracht.
Für die steuerliche Behandlung sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer getrennt zu betrachten.
1459
Der Arbeitgeber kann die Kosten der Reise in voller Höhe als Betriebsausgabe absetzen. Abzugsbeschränkungen gemäß § 4 Abs. 5 EStG bestehen nicht.
1460
Der Arbeitnehmer hat den Wert der Reise als Arbeitslohn zu versteuern. Falls er im Zusammenhang mit der Reise Aufwendungen tätigt, kann er diese nicht als Werbungskosten steuerlich geltend machen, da die Reise aus privaten Interessen veranlasst ist.131
1461
131 Vgl. BMF-Schreiben v. 14.10.1996 – IV B 2 - S 2143 - 23/96, BStBl. I 1996, S. 1192, Tz. 2d.
551
Teil J 1462
Event und Steuern
Umsatzsteuerrechtlich ist die Hingabe der Reise an die Arbeitnehmer ohne Konsequenzen. Der Arbeitgeber hätte allenfalls die Differenz zwischen dem Betrag, den der Arbeitnehmer aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den er selbst aufgewendet hatte, zu versteuern, sog. Margenbesteuerung gem. § 25 UStG. Da der Arbeitnehmer aber nichts aufwendet, um die Reiseleistung zu bekommen, fällt auch keine Marge an. Der Arbeitnehmer seinerseits ist kein Unternehmer, so dass sich die Entgegennahme der Reise bei ihm nicht umsatzsteuerlich auswirkt. Beispiel Die S. Pend.Abel GmbH möchte ihre Geschäftspartner und -freunde wegen der erfreulichen Entwicklung der Geschäftsbeziehungen zu einer Incentive-Reise einladen. Sie wendet sich deshalb wieder an die IncenTravel GmbH, die eine Seereise zusammenstellt. Die Reise steht in keinem Zusammenhang mit einem konkreten Geschäftsabschluss, sondern dient der Verbesserung der Geschäftsbeziehungen im Allgemeinen. Arbeitsleistungen werden keine erbracht.
1463
Die S. Pend.Abel GmbH kann den Wert der Reise nicht als Betriebsausgabe absetzen. Die Reise ist als Geschenk zu beurteilen. Für Fahrt- und Unterbringungskosten besteht kein Abzug. Hinsichtlich der Bewirtung ist die Abzugsbeschränkung auf 70 % gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG zu beachten. Im Übrigen gilt die Abzugsbegrenzung auf 40 Euro gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG.
1464
Die Geschäftsfreunde können Aufwendungen im Zusammenhang mit der Reise nur als Betriebsausgaben absetzen, wenn sie beruflich veranlasst und sicher und leicht abgrenzbar sind. Dagegen ist der Wert der Reise in voller Höhe eine Betriebseinnahme. Gleichzeitig liegt eine Entnahme vor, da die allgemein touristischen Interessen überwiegen. Wird die Reise einer Kapitalgesellschaft zugewendet, sind die Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung zu beachten.132
1465
Umsatzsteuerlich hat die Zuwendung keine Auswirkungen, da die Reise direkt in den privaten Bereich des Geschäftsfreundes gelangt. Beispiel Die S. Pend.Abel GmbH will einen Verkaufswettbewerb ihrer Händler und Vermittler ausrichten. Als Preis ist eine Incentive-Reise ausgelobt, die wieder von der IncenTravel GmbH organisiert werden soll. Die IncenTravel GmbH organisiert eine HundeschlittenTour durch das winterliche Alaska. Die fünf Händler mit den meisten Verkäufen und die fünf Vermittler mit den meisten Nachweisen treten die Reise an. Weitergehende Verpflichtungen waren mit der Auslobung der Reise nicht verbunden. Arbeitsleistungen werden auf der Reise nicht erbracht.
1466
Die S. Pend.Abel GmbH kann die Fahrt- und Unterbringungskosten in voller Höhe als Betriebsausgaben absetzen. Für die Bewirtung gilt wieder die Beschränkung auf 70 % gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG.
132 Vgl. dazu Rz. 1333 f.
552
IV. Die steuerliche Behandlung von Incentives
Teil J
Die Händler bzw. Vermittler können einzelne Aufwendungen dann als Betriebsausgaben absetzen, wenn sie beruflich veranlasst und leicht und sicher abgrenzbar sind.
1467
Der Wert der Reise ist in voller Höhe Betriebseinnahme. Gleichzeitig liegt eine Entnahme vor, da natürlich wieder die allgemein touristischen Interessen im Vordergrund stehen. Es sind auch wieder die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung zu beachten.
1468
Für die S. Pend.Abel GmbH ist die Leistung im Ergebnis umsatzsteuerfrei, da die Reiseleistung gemäß § 25 UStG zu versteuern ist und keine Marge anfällt.
1469
Händler und Vermittler sind umsatzsteuerlich gesondert zu betrachten.
1470
Beim Händler ist der Wert der Reise im Ergebnis so zu behandeln, als ob er im Nachhinein einen Rabatt auf die von ihm bezogenen Waren erhält, dh. das von ihm bezahlte Entgelt mindert sich. Daher hat er nun seinen Vorsteuerabzug gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG zu berichtigen. Die Berichtigung ist iH des Wertes der Reise vorzunehmen.
1471
Beim Vermittler stellt der Wert der Reise ein zusätzliches Entgelt dar, das der Umsatzsteuer unterliegt.
1472
Bei beiden ist die ertragsteuerliche Entnahme umsatzsteuerlich ohne Konsequenz, denn die Reise fließt unmittelbar in den privaten (nichtunternehmerischen) Bereich ein.
1473
Beispiel Die S. Pend.Abel GmbH will erneut einen Verkaufswettbewerb veranstalten. Wiederum soll als Gewinn eine Incentive-Reise angetreten werden, die von der IncenTravel GmbH geplant wird. Die IncenTravel GmbH organisiert eine Reise zum Dach der Welt. Besucht werden soll ein buddhistisches Kloster im Himalaja. Gewinn berechtigt sollen die Arbeitnehmer ihrer Händler sein. Die zehn besten Verkäufer des Jahres treten die Reise an. Arbeitsleistungen werden auf der Reise nicht erbracht.
Die Besonderheit dieser Variante besteht darin, dass ein Drei-Personen-Verhältnis vorliegt.
1474
Ertragsteuerlich bestehen bei der S. Pend.Abel GmbH keine Unterschiede zum vorherigen Beispiel.
1475
Umsatzsteuerlich ist zu unterscheiden, ob die S. Pend.Abel GmbH die Reise an die Händler gewährt hat mit der Auflage, sie an ihre Arbeitnehmer weiterzugeben oder ob die Reise den Arbeitnehmern unmittelbar gewährt wird.
1476
Im ersten Fall liegt eine nach allgemeinen Grundsätzen zu versteuernde Reiseleistung an die Händler vor. Bemessungsgrundlage ist der Wert der Reise. Eine Margenbesteuerung gemäß § 25 UStG kommt nicht in Betracht, da die Reiseleistung für das Unternehmen des Händlers bestimmt ist. Im zweiten Fall ist die Reiseleistung gemäß § 25 UStG zu versteuern, so dass im Ergebnis mangels Marge keine Versteuerung erfolgt. Beim Händler ist ebenfalls danach zu unterscheiden, ob er eingeschaltet wurde oder nicht.
1477
553
Teil J
Event und Steuern
1478
War er eingeschaltet, so stellt der Wert der Reise eine Betriebseinnahme dar. Gleichzeitig kann er die Reise als Arbeitslohn in voller Höhe als Betriebsausgabe absetzen. Er ist zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.
1479
Umsatzsteuerlich ist der Händler Empfänger der Reiseleistung mit der Konsequenz, dass er den Vorsteuerabzug berichtigen muss. Bei der Weitergabe der Reise muss er Umsatzsteuer abführen. Eine Margenbesteuerung kommt nicht in Betracht, da der Händler keine Reisevorleistungen in Anspruch genommen hat.
1480
War der Händler nicht eingeschaltet, so ist der gesamte Vorgang für ihn ohne steuerliche Konsequenz. Allenfalls kann er zum Lohnsteuerabzug verpflichtet sein, wenn zwischen ihm und der S. Pend.Abel GmbH eine enge wirtschaftliche Verflechtung besteht.
1481
Beim Arbeitnehmer ist die Reise der Lohnsteuer zu unterwerfen und zwar unabhängig davon ob sein Arbeitgeber eingeschaltet war oder nicht. Ein Werbungskostenabzug steht ihm nicht zu, da die Reise privat veranlasst ist.
1482
Umsatzsteuerlich hat die Reise bei ihm keine Auswirkungen.
1483
Wie dieses Beispiel zeigt, ist bei der Gewährung einer Incentive-Reise an Arbeitnehmer eines Händlers (das gleiche gilt für Arbeitnehmer eines Vermittlers) bei der zivilrechtlichen Gestaltung dringend darauf zu achten, dass der Arbeitgeber nicht eingeschaltet wird, sondern die Reise direkt vom Unternehmer an den Arbeitnehmer seines Händlers geleistet wird. Nur so ist zu gewährleisten, dass keine Umsatzsteuer anfällt.
1484
Einstweilen frei.
3. Gemischt veranlasste Reisen (Incentive oder Tagungs- und Kongressreise) 1484a
Da eine Besteuerung der Reisen nicht gewollt ist, besteht die Versuchung, Incentive-Reisen als Dienstreisen zu organisieren. Es wird eine Tagung oder ein Kongress veranstaltet, an dem die Arbeitnehmer oder Vertragshändler teilzunehmen haben. Daneben besteht aber ein großes Freizeitprogramm, das der Befriedigung touristischer Elemente dient. Andererseits hatte sich die Rechtsprechung immer wieder mit Fallgestaltungen zu beschäftigen, bei denen an eine Dienst- oder Arbeitsreise Urlaub angehängt wurde, um auf diese Weise Reisekosten zu ersparen.
1484b
Der Bundesfinanzhof hatte zu den steuerlichen Abgrenzungsfragen in einigen Urteilen Stellung genommen. Danach waren die Kriterien für die Annahmen von Dienst- und Tagungsreisen eng.133 Bei einer Verbindung von Dienst und Urlaub wurde schnell eine steuerpflichtige Vergnügungsreise angenommen. Jeden133 So im Kreta-Urteil des BFH v. 9.8.1996 – VI R 88/93, BStBl. II 1997, S. 97 = NJW 1997, 490; vgl. auch BFH v. 26.9.1996 – VIII R 35/93, BB 1996, 583 = NJW 1996, 1432.
554
IV. Die steuerliche Behandlung von Incentives
Teil J
falls, wenn der Anteil der geschäftlichen oder beruflichen Veranlassung nicht nahezu den gesamten Tagesablauf ausfüllte, lag die Annahme einer Urlaubsreise nahe. Auch eine prozentuale Aufteilung kam in der Regel nicht in Betracht.134 Eine Reise war entweder fast ausschließlich dienstlich, dann lag eine steuerfreie Dienstreise vor, oder sie enthielt auch touristische Angebote, dann handelte es sich um eine steuerpflichtige Urlaubsreise. Die Begründung, die der BFH gab, lautete:
1484c
Steuerpflichtige, die einen Beruf haben, der es ihnen ermöglicht, betriebliche und private Interessen mit einander zu verbinden, sollten keinen Vorteil haben gegenüber Steuerpflichtigen, die gleiche Aufwendungen aus ihrem zu versteuernden Einkommen decken müssen. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG verbiete deshalb aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit eine Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die zugleich den Beruf fördern wie auch der privaten Lebensführung dienen.
1484d
Um eine Reise als Dienstreise steuerlich absetzen zu können, musste die Reise nahezu ausschließlich dienstlichen Belangen dienen. Die touristischen Elemente durften nur von untergeordneter Bedeutung sein. Ob dies so war, wurde aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände bestimmt. Entscheidende Kriterien waren dabei: – der Anlass der Reise, – das vorgesehene Reiseprogramm, – die tatsächliche Durchführung der Reise, – die Möglichkeiten zu Freizeit und Erholung und – die Mitnahme von Familienangehörigen.
1484e
Wer zu einer „Tagungsreise“ an einen touristisch attraktiven Ort den Ehepartner mitnahm und ausgiebig Zeit zur privaten Nutzung hatte, der musste damit rechnen, dass ihm der Betriebsausgabenabzug verwehrt blieb. Wer hingegen einen Geschäftspartner im Ausland aufsuchen musste, konnte diese Kosten als Betriebsausgaben von seinen Einnahmen abziehen, selbst wenn er die Gelegenheit nutzte, um noch einige Tage Urlaub zu machen. Allenfalls die dadurch verursachten Mehrkosten sind privat veranlasst und durften den Gewinn nicht mindern.
1484f
Unter den vorgenannten Aspekten hatte der BFH verschiedene Reisen zu beurteilen. Allein die Tatsache, dass eine Seereise angetreten wurde, nahm den Kosten ihren Status als betriebliche Aufwendungen. Seereisen böten immer touristische Attraktionen, die mit einer Dienstreise nicht zu vereinbaren sind.135 Aber auch die großzügige Freizeitgestaltung sprach gegen eine Dienstreise. Freizeit sei eben Vergnügen und keine Arbeit.
1484g
134 So der BFH v. 9.8.1996 – VI R 88/93 – „Kreta“, BStBl. II 1997, S. 97. 135 Vgl. das Urt. des BFH v. 14.7.1988 – IV R 57/87 – Finnjet-Fall, BStBl. II 1988, S. 19.
555
Teil J 1484h
Event und Steuern
Diese für den Steuerpflichtigen gefährliche und oft auch nachteilige Alles-oderNichts-Rechtsprechung hat der BFH mittlerweile in verschiedenen Urteilen aufgegeben. Dem grundlegenden Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmen der Pharmaindustrie absolvierte eine Jahrestagung seiner Außendienstmitarbeiter in Portugal unter dem Motto: „Wettbewerbsvorteile durch Kundenmanagement – vom Produktspezialisten zum Marketingspezialisten“. Teilnehmer dieser Veranstaltung waren 275 bei dem Unternehmen angestellte Außendienstmitarbeiter und ferner 34 Personen, die teils bei dem Unternehmen im Innendienst beschäftigt waren und teils als Betriebsfremde in betreuender Funktion oder als Vortragende teilgenommen hatten. Als Programmablauf der Reise, die von Mittwoch bis Sonntag dauerte, war im Wesentlichen Folgendes vorgesehen: 1. Tag Anreise der Tagungsteilnehmer mittels Linien- oder Charterflug nach Portugal, nach dem Eintreffen aller Teilnehmer im Hotel ab 20.00 Uhr Begrüßungscocktail und gemeinsames Abendessen 2. Tag Nach dem Frühstück von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr Fachvorträge, nach der Mittagspause ab 13.30 Uhr Busfahrt nach Lagos und Beginn des „Sport- und Spielprogramms“, von 17.30 Uhr bis 19.30 Uhr Außendienst-Betriebsversammlung, ab 20.15 Uhr Barbecue am Hotelpool. 3. Tag Nach dem Frühstück von 9.00 Uhr bis 10.00 Uhr Fachvortrag, anschließend bis 13.00 Uhr Gruppenarbeit, nach der Mittagspause ab 14.30 Uhr Busfahrt nach Lagos unter dem Motto „Lagos auf eigene Faust“. Anschließend ab 19.30 Uhr Portugiesischer Abend auf einem Landgut. 4. Tag Nach dem Frühstück von 9.00 Uhr bis 10.00 Uhr Präsentation der Arbeitsergebnisse, ab 10.30 Uhr bis 12.00 Uhr Fachvortrag, ab 13.00 Uhr Busfahrt nach Sagres und Beginn des „Sport- und Spielprogramms“, ab 20.00 Uhr Cocktail-Empfang, Gala-Diner und anschließende Brasilianische Nacht. 5. Tag Nach dem Frühstück „Brunch-Buffet“ auf der Hotelterrasse, anschließend Abreise je nach Flugplan. Die mit der Durchführung der Reise beauftragte Incentive-Agentur stellte für die Reise insgesamt 802 823 DM in Rechnung.
556
IV. Die steuerliche Behandlung von Incentives
Teil J
Im Einzelnen waren dies folgende Kosten: Tagungsräume, Referenten Ausflüge mit Sportprogramm Entertainment Örtliche Führer Flugbeförderung Hotel-Unterbringung Transfers Sonstiges Kommunikation und Versand Incentive-Agentur (Betreuung) Incentive-Agentur (Honorar) Verpflegungskosten
6 884 6 714 29 925 13 533 280 242 135 914 30 772 6 540 16 468 13 776 33 651 228 404
DM DM DM DM DM DM DM DM DM DM DM DM
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass nur die Kosten für die Tagungsräume und Referenten vom Gesamtaufwand abzuziehen seien und der Rest als Arbeitslohn zu beurteilen sei. Auf dieser Basis errechnete es den steuerlichen geldwerten Vorteil pro Mitarbeiter auf 2 629 DM. Daraus wiederum errechnete es anhand der persönlichen Daten der Teilnehmer eine Steuernachforderung iH von 251 308 DM, die es per Haftungsbescheid vom Arbeitgeber verlangte. Dieser klagte vor dem Finanzamt, das die Klage aber abwies. Er legte Revision zum Bundesfinanzhof ein, der das Urteil aufhob und der Klage teilweise stattgab.
1484i
Die Begründung des BFH:
1484j
„a) Die Haftung des Unternehmens besteht dem Grunde nach zu Recht. Das Unternehmen haftet als Arbeitgeber dafür, dass die von den Arbeitnehmern geschuldete Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt wird. Soweit die Haftung reicht, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner, § 42d III 1 EStG. b) Allerdings war die Entscheidung des Finanzamtes aufzuheben, weil es sich bei den von dem Unternehmen getragenen Aufwendungen für die Portugal-Reise nicht in vollem Umfang um Arbeitslohn handelt.“
Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die „für“ seine Arbeitsleistung gewährt werden, § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Daraus folgt, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann im ganz überwiegenden Eigeninteresse gewährt, wenn aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht.
557
1484k
Teil J
Event und Steuern
1484l
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind steuerbar die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, also der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Damit sind Reineinkünfte gemeint, die nach dem Veranlasserprinzip ermittelt werden. Dieses Prinzip kann dazu führen, dass eine Reise entweder vollständig Arbeitslohn ist oder aber vollständig betrieblich veranlasst ist. Neben diesen einheitlich zu behandelnden Reisen kann aber eine Reise auch gemischt veranlasst sein. In diesem Fall ist eine Aufteilung nach objektiven Gesichtspunkten vorzunehmen. Eine Vorschrift, nach der eine Aufteilung gemischt veranlasster Zuwendungen ausgeschlossen ist, kennt das Einkommensteuergesetz nicht. Ein Aufteilungsgebot ergibt sich insbesondere nicht aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, da diese Vorschrift auf Einnahmen keine Anwendung findet. Sofern die Aufteilung nicht genau ermittelt werden kann, sind die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, § 162 AO.
1484m
Bei gemischt veranlassten Reisen sind für die Aufteilung zunächst die Kostenbestandteile der Reise zu trennen, die sich leicht und eindeutig dem betriebsfunktionalen Bereich und dem Bereich, dessen Zuordnung sich als geldwerter Vorteil darstellt, zuordnen lassen. Die Kosten rein betriebsfunktionaler Reise-Bestandteile kommen von vornherein nicht als geldwerter Vorteil in Betracht. Dies sind zB Kosten für Tagungsräume nebst Ausstattung, Tagungsunterlagen und Referenten.
1484n
Vollumfänglich Arbeitslohn sind die Reise-Bestandteile, die sich als geldwerter Vorteil darstellen. Dies sind Kosten für das touristische Programm, Ausflüge, das Spiel- und Sportprogramm sowie gemeinsame Feiern. Kosten, die sich keinem dieser Bestandteile zuordnen lassen, sind aufzuteilen. Bei diesen Kosten handelt es sich um Kosten der Beförderung (Flug- oder Fahrtkosten, Transfers), Kosten der Unterbringung, der Verpflegung oder sonstige Kosten, die nicht direkt zuzuordnen sind, also Kosten für Vorreisen, Betreuung, Kommunikation und Versand und Organisation.
1484o
Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab ist grundsätzlich das Verhältnis der Zeitanteile heranzuziehen, in dem die Reise-Bestandteile betrieblich oder privat veranlasst waren. Eine Ausnahme davon bilden lediglich die Verpflegungskosten, da der Gesetzgeber dafür eine Wertung getroffen hat. Beruflich veranlasste Verpflegungsmehraufwendungen kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen der Beträge des § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG steuerfrei erstatten. Seit 1996 werden entsprechende Pauschbeträge für Auswärtstätigkeiten festgelegt. Nur diese Pauschbeträge sind verhältnismäßig aufzuteilen. Kosten der Verpflegung, die diese Pauschbeträge überschreiten, sind geldwerter Vorteil und zu versteuern.
1484p
Damit ist der Fall wie folgt zu entscheiden: Es handelt sich um eine gemischte Reise. Dass die Reise in Portugal stattfand, ändert an diesem Befund nichts, denn es würde gegen EU-Recht verstoßen, die Reise allein deswegen als geldwerten Vorteil zu betrachten, weil sie im europäischen Ausland stattfand. 558
IV. Die steuerliche Behandlung von Incentives
Teil J
Kein Arbeitslohn sind die Teile, die auf die Zurverfügungstellung von Tagungsräumen oder auf die Entlohnung der Referenten entfallen.
1484q
Vollständig Arbeitslohn sind die Teile, die auf die Ausflüge mit örtlichen Führern und auf das Sport- und Unterhaltungsprogramm entfallen. Die verbleibenden Kosten sind aufzuteilen. Dazu gehören der Hin- und Rückflug, damit zusammenhängende Transferleistungen, die Hotel-Unterbringung, die Verpflegung, die Vorreisen, Kosten für Kommunikation und Versand und die Kosten für die Incentive-Agentur (Organisation, Betreuung). Aufteilungsmaßstab ist der Zeitanteil. Vormittags wurde in der Regel gearbeitet, nachmittags standen Ausflüge auf dem Programm. Ausgehend davon konnte das Verhältnis im zu entscheidenden Fall mit ca. 1 zu 1 bewertet werden, d.h. 50 % der Kosten sind Arbeitslohn, 50 % der Kosten sind betrieblich veranlasst. Hinsichtlich der Verpflegungskosten gilt, dass im Reisejahr der steuerfreie Zuschuss für Reisen nach Portugal mit 109 DM festgesetzt worden war. Diese 109 DM sind zu 50 % betrieblich und zu 50 % privat veranlasst. Alle Kosten, die darüber hinausgehen, sind privat veranlasst.
1484r
Es ergibt sich folgender Arbeitslohn:
1484s
a) Arbeitslohn ohne Aufteilung Ausflüge mit Sportprogramm Entertainment Örtliche Führer Insgesamt
6 714 29 925 13 533 50 172
DM DM DM DM
b) aufzuteilende Kosten Flugbeförderung Hotel-Unterbringung Transfers Sonstiges Kommunikation und Versand Incentive-Agentur (Betreuung) Incentive-Agentur (Honorar) Insgesamt Davon Arbeitslohn 50 %
280 242 135 914 30 772 6 540 16 468 13 776 33 651 520 604 260 302
DM DM DM DM DM DM DM DM DM
c) aufzuteilende Verpflegungskosten Verpflegungskosten insgesamt Abzgl. (109 DM × 50 % × 1 520 Übernachtungen) Arbeitslohn d) Arbeitslohn insgesamt (Summe a) bis c))
228 404 DM – 82 840 DM 145 564 DM 456 038 DM
559
Teil J 1484t
Event und Steuern
Durch die Änderung der Rechtsprechung ist eine deutlich größere Steuergerechtigkeit erzielt worden. Es entspricht der Lebenswirklichkeit, dass Dienst- oder Tagungsreisen mit Freizeit kombiniert werden. Dann ist es nur konsequent, nur den dienstlichen Teil zu besteuern. Auch für Selbständige ist eine entsprechende Aufteilung vorzunehmen. Wer aus beruflichen Gründen auf eine Tagung, einen Kongress oder eine Messe fährt und daran anschließend ein paar Tage Urlaub macht, muss nicht befürchten, dass der Betriebsausgabenabzug vollständig versagt wird. Auch diese Kosten können anteilig verteilt werden.
4. Wert der Reise 1485
Besondere Bedeutung kommt in all diesen Fällen natürlich der Bestimmung des Wertes der Reise zu. Dazu hat der Bundesfinanzminister ebenfalls Stellung genommen.136 Der Wert der Reise ist in seiner Gesamtheit mit dem üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen, § 8 Abs. 2 EStG. Dieser Preis entspricht regelmäßig dem Preis der von den Reiseveranstaltern am Markt angebotenen Gruppenreisen mit vergleichbaren Leistungsmerkmalen. Aus Vereinfachungsgründen kann dieser Preis mit 96 % des Angebots- oder Auszeichnungspreises ermittelt werden. Im Fall von Incentive-Reisen ist das der Katalogpreis des Reiseveranstalters. Falls es einen solchen Katalogpreis nicht gibt, wie häufig bei Incentive-Reisen, so können doch einzelne Leistungen dem Katalog entnommen werden. Diese Möglichkeit besteht deshalb, weil immer dann, wenn sich der übliche Preis nicht ermitteln lässt, dieser Preis zu schätzen ist. Dabei sind die Katalogpreise wichtige Schätzungsgrundlagen.
1485a
Abgabeort ist der Ort, an dem die Verpflichtung zur Leistung besteht. Dies ist regelmäßig der Ort, an dem das gewährende Unternehmen seinen Sitz hat, nicht etwa der Ort, an dem die Reise zu erbringen ist.
1485b
Um wenigstens einigermaßen Klarheit zu bekommen, sollte mit dem Finanzamt im Vorfeld gesprochen werden. Das Finanzamt kann dann eine „Anrufungsauskunft„ oder eine „verbindliche Zusage“ erteilen. Diese Auskunft ist allerdings kostenpflichtig.
5. Wert der Zuwendung bei VIP-Logen 1486
Besondere Probleme ergaben sich bei der Besteuerung des Wertes der Zuwendung, der darin liegt, dass Arbeitnehmer oder Geschäftspartner in VIP-Logen eingeladen wurden.
136 Vgl. BMF-Schreiben v. 14.10.1996, – IV B 2 – S 2143–23/96, BStBl. I 1996, S. 1192, Tz. 2d.
560
IV. Die steuerliche Behandlung von Incentives
Teil J
Diesen Fällen liegt in der Regel folgender typischer Sachverhalt zugrunde: Beispiel Ein Unternehmer hat in einem Sportstadium eine VIP-Loge angemietet. Für diese Loge wendet er 100 000 Euro pro Jahr auf. Der Mietvertrag umfasst die Nutzung der VIP-Loge für 17 Bundesliga- und drei Europapokalspiele. Pro Spiel dürfen zehn Personen eingeladen werden. Neben dem Eintritt und der Bewirtung der Personen umfasst der Vertrag auch die sonst üblichen Werbeleistungen (Werbung über Lautsprecheransagen oder im Vereinsmagazin). Das Gesamtentgelt ist vertraglich nicht aufgeschlüsselt. Aufzeichnungen über die Zuwendungen werden nicht vorgenommen.
Das Bundesfinanzministerium hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Sponsoringerlasses137 in weiteren Schreiben zu diesem Problem Stellung genommen.138 Nach dem Schreiben vom 22.8.2008 (VIP-Logenerlass) sind Aufwendungen – für Werbeleistungen als Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig, – für eine besondere Raumnutzung außerhalb der Veranstaltungstage als Betriebsausgabe gem. § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig, – für VIP-Maßnahmen zugunsten von Geschäftsfreunden – in Form von Geschenken iS des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG nur abzugsfähig, wenn die Anschaffungs- und Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände 35 Euro nicht übersteigen, – als Gegenleistung für eine im Zusammenhang stehende Leistung des Empfängers vollständig als Betriebsausgabe abzugsfähig, – in Form von Bewirtung iS des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG beschränkt abzugsfähig. – für VIP-Maßnahmen zugunsten der eigenen Arbeitnehmer in Form von Geschenken und Bewirtung unbeschränkt als Betriebsausgabe abzugsfähig.
1486a
Aus Vereinfachungsgründen darf bei diesen betrieblich veranlassten Aufwendungen die einheitliche Leistung (Sponsoring-Paket) pauschal aufgeteilt werden. Es entfallen dann vom Gesamtbetrag – 40 % auf die Werbung (voll abzugsfähig), – 30 % auf die Bewirtung (zu 70 % abzugsfähig) und – 30 % auf Geschenke, wobei diese Aufwendungen je zur Hälfte auf Geschäftsfreunde (beschränkt abzugsfähig) und eigene Arbeitnehmer (voll abzugsfähig) entfallen, sofern kein anderer Maßstab nachgewiesen wird.
1486b
137 BMF-Schreiben v. 18.2.1998 – IV B 2 - S 2144 - 40/98, DStR 1998, 454. 138 BMF-Schreiben v. 22.8.2005 – IV B 2 - S 2144 - 41/05, DStR 2005, 1492 (VIP-Logenerlass), 30.3.2006 – IV B 2 - S 2144 - 26/06, DStR 2006, 704 (Hospitality-Leistungen), 11.7.2006 – IV B 2 - S 2144 - 53/06, DStR 2006, 1370 (Ausdehnung auf ähnliche Sachverhalte) und 29.4.2008 – IV B 2 - S 2297 - b/07/0001, DStR 2008, 972.
561
Teil J
Event und Steuern
1486c
Andere Aufteilungsmaßstäbe sind immer dann möglich, wenn einzelne Leistungen im Paket nicht enthalten sind, also zB nur Werbung und Eintritt geschuldet wird. Auch für so genannte Business-Seats kann ein anderer Maßstab gewählt werden, zB 50 % für Geschenke und 50 % für Bewirtung.
1486d
Für die Empfänger führen die Zuwendungen in aller Regel zu einer steuerpflichtigen Einnahme, die bei der Veranlagung zu berücksichtigen ist. Der Wert der Zuwendung der Geschenke der Einladung in die VIP-Loge ermittelt sich also wie folgt: 100 000 Euro : 20 Tage : 10 Gäste × 30 % = 150 Euro pro Person.
6. Nettolohnabrede oder Pauschalierung der Lohnsteuer der IncentiveReise 1487
Da Arbeitnehmer oder Geschäftsfreunde den Wert der Incentive-Reise oder der VIP-Loge versteuern müssen, kann die Zuwendung sehr schnell zu großer Verärgerung führen. Denn wenn in dem Monat, in dem die Reise angetreten oder das Spiel besucht wird, ein paar hundert oder gar tausend Euro weniger ausgezahlt werden oder versteuert werden müssen, so stellt sich sehr schnell Ernüchterung ein. Das Geschenk an den Geschäftsfreund, die Belohnung für herausragende Leistungen des Arbeitnehmers ist teuer erkauft. Aus diesem Grund kann eine Nettolohnabrede getroffen werden. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber auch die auf den Wert der Reise entfallende Lohnsteuer übernimmt. Da die Übernahme der Lohnsteuer nun wiederum eine lohnsteuerpflichtige Zuwendung darstellt, führt dieses Verfahren zu einer Kumulation der Lohnsteuer. Es wird Lohnsteuer von der Lohnsteuer erhoben.
1488
Der Vorteil liegt natürlich darin, dass der Arbeitnehmer nicht mit der Steuer belastet wird.
1489
Der Nachteil besteht darin, dass der Arbeitgeber mit der Lohnsteuer belastet wird und diese Lohnsteuer teurer ist als bei Übernahme durch den Arbeitnehmer. Diese Verteuerung ergibt sich aus der dargestellten Kumulation und aus dem damit verbundenen Hineinrutschen in eine höhere Progression.
1490
Ermittelt wird die Steuer, in dem anhand der einschlägigen Lohnsteuertabellen durch Ausprobieren solange gesucht wird, bis man den Wert der Reise als Nettolohn festgestellt hat.139 Es ist dabei ohne weiteres möglich, dass die abzuführende Lohnsteuer zzgl. der Zuschlagsteuern den steuerpflichtigen Wert der Reise übersteigen.
139 Siehe dazu den Abschnitt 122 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR).
562
IV. Die steuerliche Behandlung von Incentives
Teil J
Um diese steuerlich sehr nachteilige Folge zu vermeiden, bestand jedenfalls bei VIP-Logen die Möglichkeit, dass der Einladende die Steuer abgeltend für die Gäste übernehmen konnte. Gem. dem genannten VIP-Logenerlass konnte die Erfassung der Aufwendungen für die Geschenke beim Zuwendungsempfänger dadurch vermieden werden, dass – 60 % der auf Geschäftsfreunde und – 30 % der auf die Arbeitnehmer
1490a
entfallenden Aufwendungen beim Zuwendenden zusätzlich der Besteuerung unterworfen wurden. Diese einseitige Behandlung der Zuwendungen bei Einladungen in VIP-Logen war aus Gründen der Steuergerechtigkeit problematisch. Sachlich ist es schwer einzusehen, warum Zuwendungen in Form von Einladungen in VIP-Logen steuerrechtlich anders behandelt wurden als andere Sachzuwendungen, insb. IncentiveReisen. Der Gesetzgeber hat deshalb reagiert. Mit Wirkung vom 1.1.2007 an liegt eine gesetzliche Grundlage für die Übernahme der Einkommensteuer durch den Zuwendenden vor. Damit kann klar kalkuliert werden, wie viel Steuer zu zahlen ist, ohne dass es auf persönliche Merkmale der Einladenden ankommt.
1490b
§ 37b Abs. 1 Einkommensteuergesetz lautet:
1490c
„Steuerpflichtige können die Einkommensteuer einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten 1. betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden, und 2. Geschenke iS des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 Prozent erheben. Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer sind die Aufwendungen des Steuerpflichtigen einschließlich Umsatzsteuer; bei Zuwendungen an Arbeitnehmer verbundener Unternehmen ist Bemessungsgrundlage mindestens der sich nach § 8 Abs. 3 Satz 1 ergebende Wert. Die Pauschalierung ist ausgeschlossen, 1. soweit die Aufwendungen je Empfänger und Wirtschaftsjahr oder 2. wenn die Aufwendungen für die einzelne Zuwendung den Betrag von 10 000 Euro übersteigen.“
Mit Einführung dieser gesetzlichen Regelung ist die Vereinfachungsregel zur Übernahme der Besteuerung aus dem VIP-Logenerlass überholt.140 Nach Auffassung der Finanzverwaltung verbiete die gesetzliche Regelung eine andere Behandlung aufgrund der früheren Erlasse. Die Pauschalierung richtet sich deshalb einheitlich nach § 37b EStG. Nicht überholt ist allerdings die Vereinfachungsregelung, die zur Aufteilung der Gesamtaufwendungen für VIP-Logen
140 Vgl. BMF-Schreiben v. 29.4.2008 – IV B 2 - S 2297 - b/07/0001, DStR 2008, 972.
563
1490d
Teil J
Event und Steuern
in Sportstätten und ähnlichen Sachverhalten ergangen ist. Der danach ermittelte, auf Geschenke entfallende pauschale Anteil stellt die Aufwendungen dar, die in die Bemessungsgrundlage des § 37b EStG einzubeziehen sind. 1490e
Zuwendender iS des § 37b EStG kann jede natürliche oder juristische Person sein. Zuwendungsempfänger können eigene Arbeitnehmer oder Dritte unabhängig von der Rechtsform sein. Das Wahlrecht zur Anwendung der Pauschalierung ist einheitlich für alle innerhalb eines Jahres gewährten Zuwendungen auszuüben. Allerdings ist es zulässig, das Wahlrecht für Zuwendungen an Dritte (§ 37b Abs. 1 EStG) und an eigene Arbeitnehmer (§ 37b Abs. 2 EStG) jeweils gesondert auszuüben. Ist das Wahlrecht einmal ausgeübt worden, kann die Entscheidung nicht zurückgenommen werden.
1490f
Das Wahlrecht nach Abs. 1 kann auch im laufenden Wirtschaftsjahr getroffen werden, muss aber spätestens mit der letzten Lohnsteuer-Anmeldung ausgeübt werden. Das Wahlrecht nach Abs. 2 ist spätestens bis zu dem für die Übermittlung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung geltenden Termins auszuüben, also gem. § 41b Abs. 1 Satz 2 EStG bis zum 28.2. des Folgejahres.
1490g
Bei dem Betrag nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG handelt es sich um einen Höchstbetrag, mit der Folge, dass jede Zuwendung gesondert zu prüfen ist. Bei drei Zuwendungen im Wert von jeweils 4 000 Euro ist die Pauschalierung nicht nur für die ersten beiden Zuwendungen, sondern auch für die Hälfte der dritten Zuwendung durchzuführen. Bei dem Betrag nach § 37b Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG handelt es sich dagegen um eine Höchstgrenze mit der Folge, dass bei einer Zuwendung im Wert von 15 000 Euro eine Pauschalierung nicht möglich ist. Allerdings ist diese Höchstgrenze wieder für jede Zuwendung gesondert zu prüfen. Bei Zuwendungen im Wert von 3 000 Euro, 5 000 Euro und 12 000 Euro kann die Zuwendung im Wert von 12 000 Euro nicht pauschal versteuert werden. Möglich ist dies allerdings für die anderen beiden Zuwendungen. Zuzahlungen mindern die Bemessungsgrundlage.
1490h
Ist bereits ein anderes Wahlrecht ausgeübt worden, muss dieses Wahlrecht nicht rückgängig gemacht werden. Eine Änderung ist aber zulässig.
1490i
Die Pauschalsteuer selbst kann beim Zuwendenden dann als Betriebsausgabe abgezogen werden, wenn auch die Aufwendung für die Zuwendung als Betriebsausgabe abziehbar ist.
V. Praktische Überlegungen 1491
Es sind alle Belege zu sammeln.
1492
Jeder Steuerpflichtige sollte regelmäßig Steuerplanungsgespräche führen! Das schützt vor überraschenden Zahlungsaufforderungen des Finanzamtes.
564
V. Praktische Überlegungen
Teil J
Bei der Auswahl des Steuerberaters sollte besonders kritisch vorgegangen werden. Viele Berater „verwalten“ nur die Daten. Es ist ein Berater zu suchen, der eine „aktive Steuerplanung“ betreibt, also rechtzeitig eingreift und auf Steuersparmöglichkeiten hinweist.
1493
Jeder Steuerpflichtige, der mit dem PC vertraut ist, sollte sich über geeignete Software in den Bereichen Buchführung und Steuern informieren. Mit vielen Programmen kann die Buchführung selbst erledigt werden. Der Vorteil solcher Programme ist, dass auf Fehler aufmerksam gemacht wird. In der Regel werden auch umfangreiche Begleitbücher mitgeliefert, in denen die einzelnen Buchungsvorgänge beschrieben werden.
1494
Mit Hilfe der eigenen Buchführung werden auch Steuervoranmeldungen angefertigt. Diese ausgedruckten Anmeldungen werden von den Finanzämtern anerkannt. Sie brauchen dann nicht auf das amtliche Formular übertragen zu werden. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass mit Hilfe solcher Programme auch der Jahresabschluss (Bilanz und GuV) erstellt werden kann.
1495
Bei Zweifeln über steuerrechtlich relevante Vorgänge sollte das Finanzamt gefragt werden. Die Finanzbehörden sind zur Beratung und Auskunft verpflichtet, § 89 Abgabenordnung. Man bekommt dort zwar keine Steuerspartipps, aber man erhält Auskunft über alle wichtigen Rechte und Pflichten, so dass man alle steuerlich relevanten Ausgaben auch tatsächlich absetzen kann und insbesondere keine Fristen versäumt.
1496
Checkliste: Steuern Als Steuerpflichtiger muss man an die wichtigsten Steuertermine denken! Zu diesen Daten müssen liquide Mittel vorhanden sein: 1. Lohnsteuer: fi jeweils am 10. des Folgemonats, falls im vorangegangenen Jahr mehr als 3 000 Euro Lohnsteuer abgeführt wurde; fi am 10.4., 10.7., 10.10., 10.1., falls im vorangegangenen Jahr zwischen 800 Euro und 3 000 Euro Lohnsteuer abgeführt wurde; fi jährlich, falls weniger als 800 Euro Lohnsteuer abgeführt wurde. 2. Umsatzsteuer: fi jeweils am 10. des Folgemonats, falls im vorangegangenen Jahr mehr als 6 136 Euro Umsatzsteuer gezahlt wurde, fi am 10.4., 10.7., 10.10., 10.1., falls im vorangegangenen Jahr zwischen 512 Euro und 6 136 Euro Umsatzsteuer gezahlt wurde, fi jährlich, falls weniger als 512 Euro Umsatzsteuer gezahlt wurde. 3. Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer: fi jeweils am 15.2., 15.5., 15.8., 15.11.
565
Teil J
Event und Steuern
4. Einkommensteuer: fi jeweils am 10.3., 10.6., 10.9., 10.12. 5. Bauabzugsteuer: fi jeweils am 10. nach Ablauf des Monats, in dem die Gegenleistung erbracht wird.
566
Teil K Event und Künstlersozialversicherung Beispiel Weil die Besucherzahlen in seinen Diskotheken rückläufig sind, überlegt der Inhaber, wie er wieder mehr Gäste anlocken kann. Zu diesem Zweck wendet er sich an eine EventAgentur. Die Agentur schlägt vor, in den Diskotheken von Models Dessous vorführen zu lassen. Diese Vorführungen sollen von Moderatoren kommentiert werden. Weder die Models noch die Moderatoren brauchen dazu eine Ausbildung. Die Moderatoren müssen nur redegewandt sein und die Models gut aussehen. Die Vorführungen dienen allein der Unterhaltung der Gäste. Dessous sollen keine verkauft werden. Bei der Kalkulation dieser Shows stellt sich die Frage, ob Beiträge zur Künstlersozialversicherung abzuführen sind und wenn ja, wer beitragspflichtig ist.
I. Einführung Die Künstlersozialversicherung ist die Sozialversicherung für selbständige Künstler und Publizisten. Ähnlich der Sozialversicherung der Arbeitnehmer, in der die abhängig Beschäftigten pflichtversichert sind, sind in der Künstlersozialversicherung die selbständigen Künstler und Publizisten pflichtversichert.1 Die Pflichtversicherung besteht für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Keine Pflicht besteht zur Arbeitslosenversicherung, § 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass sich selbständige Künstler gegen Arbeitslosigkeit versichern. Das Prinzip und das Verfahren ist dem der Sozialversicherung der Arbeitnehmer angenähert.
1497
Die selbständigen Künstler entrichten wie normale Arbeitnehmer die Hälfte des Beitrages. Die andere Hälfte wird durch eine Künstlersozialabgabe aufgebracht. Diese Abgabe haben zum einen die Auftraggeber der Künstler, die Vermarkter, zu zahlen, die einen bestimmten Prozentsatz auf die von ihnen gezahlten Honorare an die Künstlersozialkasse abführen müssen. Zum anderen kommt diese Abgabe vom Bund, der einen Zuschuss zur Künstlersozialversicherung leistet.
1498
Dieser Bundeszuschuss ist nötig, da die Vermarkter die restlichen 50 % nicht in voller Höhe aufbringen. Diese fehlenden Abgaben entstehen dadurch, dass einige Künstler ihre Werke direkt an die Interessenten verkaufen. Dieser Selbstvermarkteranteil wird auf ungefähr 50 % geschätzt.2 Der Bundeszuschuss betrug dementsprechend früher 25 % der Ausgaben der Künstlersozialkasse. Der Bund hat allerdings seinen Zuschuss auf 20 % der Ausgaben gekürzt (§ 34 Abs. 1 KSVG), so dass die Vermarkter 30 % der Ausgaben aufbringen müssen, die in Form einer Künstlersozialabgabe erhoben werden.
1499
Die Beitragsanteile der Versicherten werden der Höhe nach bestimmt durch die Beitragsanteile der Arbeitnehmer, dh. die Prozentsätze werden der Rentenversicherung, der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung entnommen,
1500
1 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 3. 2 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 1.
567
Teil K
Event und Künstlersozialversicherung
§§ 15, 16 und 16a KSVG. Zu diesem Zweck haben die Künstler bis zum 1.12. eines jeden Jahres der Künstlersozialkasse ihr voraussichtliches Einkommen des Folgejahres zu melden. 1501
Die Beitragsanteile der Vermarkter richten sich nach der Summe aller Entgelte, die der Vermarkter in einem Jahr an die Künstler und Publizisten zahlt. Dabei werden die Prozentsätze durch eine Künstlersozialabgabe-Verordnung des Bundesarbeitsministeriums festgesetzt. Die Sätze für 1999 betrugen: – – – –
1502
im im im im
Bereich Wort: Bereich Bildende Kunst: Bereich Musik: Bereich Darstellende Kunst:
3,8 3,6 1,6 1,0
%, %, %, %.
Seit dem Jahr 2000 wird eine einheitliche Abgabe erhoben. Die Sätze betragen: für 2000: für 2001: für 2002: für 2003: für 2004: für 2005: für 2006: für 2007: für 2008: für 2009:
4,0 3,9 3,8 3,8 4,3 5,8 5,5 5,1 4,9 4,4
% % % % % % % % % %
1503
Der Abgabesatz wird jedes Jahr durch Verordnung neu festgesetzt. Planungen für das nächste Jahr sind deshalb zwangsläufig mit gewissen Unsicherheiten behaftet.
1504
Nach dem Künstersozialversicherungsgesetz ist die Bundesaufsichtsbehörde für Unfallversicherung in Wilhelmshaven (Künstlersozialkasse) zuständig, die Beiträge der Künstler und Publizisten, den Anteil der Vermarkter und den Bundeszuschuss einzuziehen, § 37 KSVG. Die Künstlersozialkasse ist dabei aber nicht Sozialversicherungsträger der Versicherten. Versicherungsträger sind vielmehr die Deutsche Rentenversicherung Bund (früher: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) für die Rentenversicherung und die jeweiligen Krankenkassen, die die Künstler und Publizisten selbst wählen können, für die Kranken- und Pflegeversicherung. Die Künstlersozialkasse wird nur als Inkassostelle tätig und überweist den jeweiligen Versicherungsträgern die Beiträge. Ihre Leistungen erhalten die Künstler und Publizisten dann von diesen Versicherungen.
II. Die Voraussetzungen des KSVG 1. Der Kreis der Versicherten 1505
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG werden in der Künstlersozialkasse alle diejenigen versichert, die 568
II. Die Voraussetzungen des KSVG
– – – –
Teil K
künstlerisch oder publizistisch tätig und selbständig sind und diese Tätigkeit erwerbsmäßig ausüben und dabei Einkünfte von mindestens 3 900 Euro (in den neuen Ländern ebenfalls 3 900 Euro) in Jahr erzielen.
Als weitere – negative – Voraussetzung wird bestimmt, dass der Künstler oder Publizist nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigt, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig im Sinne des SGB IV.
1506
a) Künstler und Publizist Wer Künstler oder Publizist ist, ist eine kaum zu beantwortende Frage. Eine Definition hat der Gesetzgeber deshalb nicht vorgenommen. § 2 KSVG bestimmt nur, dass Künstler iS der Sozialversicherungspflicht ist, wer Musik ausübt oder darstellende oder bildende Kunst schafft oder in diesen Bereichen lehrend tätig ist. Publizist im Sinne der Sozialversicherung ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist.
1507
In § 2 Abs. 1 KSVG werden also nur drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit umschrieben. Eine weitergehende Festlegung ist nicht erfolgt. Dies ist auch im Hinblick auf die Vielfalt, die Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen nicht zweckmäßig. Im Übrigen spricht der Gesetzgeber im KSVG nur allgemein von Künstlern und künstlerischen Tätigkeiten. Auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs hat er aber bewusst verzichtet. Das Bundessozialgericht erschließt deshalb diesen Begriff aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung. Aus den Materialien des KSVG ergibt sich, dass der Kunstbegriff all diejenigen künstlerischen Tätigkeiten umfassen soll, mit denen sich der sogenannte Künstlerbericht aus dem Jahr 1975 befasst. Der Gesetzgeber hat also einen an der Typologie der Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps entspricht, also zB den des Theaters, des Gemäldes oder der Musik. Bei diesen Berufen ist das soziale Schutzbedürfnis zu unterstellen. Auf eine bestimmte Qualität der künstlerischen Tätigkeit oder eine bestimmte Werk- oder Gestaltungshöhe kommt es nicht an. Berufe, die im Künstlerbericht nicht erwähnt sind, sind aber nicht automatisch aus dem Kunstbegriff ausgeschlossen, denn das würde der Vielfalt und Dynamik entgegenstehen. Vielmehr ist anhand der Katalogberufe zu prüfen, ob der zu beurteilende Beruf vergleichbar ist mit einem der Katalogberufe, was eine Einordnung als künstlerischen Beruf nach sich zieht. Findet sich auch kein vergleichbarer Beruf, ist eine umfassende Prüfung im Einzelfall vorzunehmen, ob der zu beurteilende Beruf künstlerisch ist. Dies ist dann im Wesentlichen eine Frage der Verkehrsauffassung.
1507a
569
Teil K
Event und Künstlersozialversicherung
1507b
Ebenso spärlich wie die Umschreibung des Begriffs des Künstlers ist die des Publizisten. Es heißt nur, dass Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist. Das Bundessozialgericht legt den Begriff weit aus. Er beschränkt sich demnach nicht auf die eigenschöpferische Wortgestaltung sowie auf die inhaltliche Gestaltung und Aufmachung von Büchern und sogenannten Massenkommunikationsmitteln wie Zeitschriften, Zeitungen, Broschüren, Rundfunk, Fernsehen oder auch Internet. Der Begriff Publizist geht zurück auf das lateinische Wort „publicare“, was „veröffentlichen“ bedeutet. Publizist ist daher jeder, der in einem Kommunikationsprozess an einer öffentlichen Aussage schöpferisch mitwirkt. Dabei sollen allerdings Vortragstätigkeiten mit pädagogischer Zielsetzung ausgenommen sein. Erste Voraussetzung ist jedenfalls, dass die erstellten Schriftwerke für die „Öffentlichkeit“ bestimmt sind. Dies deckt sich mit dem Urhebergesetz, das festlegt, dass ein Werk veröffentlicht ist, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Wann von „Öffentlichkeit“ gesprochen werden kann, insbesondere ob es eine Mindestanzahl an potentiellen Interessenten oder Adressaten geben muss, lässt das Gesetz dabei offen. Dies ist auch nicht der Fall. Die Öffentlichkeit kann sehr breit sein, wie bei den Massenkommunikationsmitteln, sie kann aber auch nur einen sehr engen Kreis von Interessenten betreffen, wie bei sehr spezialisierten Fachzeitungen oder Lehrbüchern. § 15 Abs. 3 UrhG bestimmt, dass die Wiedergabe eines Werkes bereits dann öffentlich ist, wenn sie für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt ist und die Personen durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich miteinander verbunden sind. Seminar- und Weiterbildungsunterlagen, die ein entsprechender Veranstalter in Auftrag gibt und die im Rahmen der von den Teilnehmern bezahlten Weiterbildungen und Seminaren verwendet werden, sind deshalb nicht veröffentlicht. Betriebs- und Bedienungsanleitungen oder Handbücher für technische Produkte sind dagegen veröffentlicht, da der Kreis der Nutzer nicht bestimmt oder bestimmbar ist. Nicht geregelt und auch dem Begriff des Publizisten oder des Publizierens nicht zu entnehmen, ist auch die Frage, wie die Öffentlichkeit eines Werkes hergestellt wird. Unproblematisch sind die Fälle, in denen das Werk im Handel erhältlich ist. Ob dies aber nötig ist, ist damit nicht geklärt. Die Frage ist zu verneinen. Vielmehr kann die Öffentlichkeit auch dadurch hergestellt werden, dass das Werk einem anderen Produkt beigegeben wird oder es für die Allgemeinheit im Internet zum Herunterladen bereitgestellt wird.
1508
Weder mit den Regelungen im Gesetz noch mit den allgemeinen Definitionen ist für die tägliche Arbeit viel gewonnen. Die Künstlersozialkasse hat deshalb einen Berufsgruppenkatalog erstellt, den sie in ihren Fragebogen integriert hat.
1509
An diesem Katalog kann man sich erst einmal orientieren. Besteht gleichwohl Streit um die Frage, ob eine Tätigkeit künstlerisch oder publizistisch ist, so kann dieser Streit letztlich nur von den Sozialgerichten geklärt werden.
570
Teil K
II. Die Voraussetzungen des KSVG Abb. 70: Berufsgruppenkatalog3
Angaben zur selbständigen künstlerischen Tätigkeit Die Fragen dienen dazu, festzustellen, ob Sie zum Kreis der selbständigen Künstler und damit grundsätzlich zum versicherungspflichtigen Personenkreis gehören. 1. Welche der folgenden künstlerischen und/oder publizistischen Tätigkeiten üben Sie selbständig aus? (mehrere Nennungen möglich!) Im Bereich Musik: M01 Komponist M02 Texter, Librettist M03 Musikbegleiter, Arrangeur M04 Kapellmeister, Dirigent M05 Chorleiter M06 Instrumentalsolist in der „ernsten Musik“ M07 Orchestermusiker in der „ernsten Musik“3) M08 Opern-, Operetten-, Musicalsänger M09 Lied- und Oratoriensänger M10 Chorsänger in der „ernsten Musik“1) M11 Sänger in der Unterhaltungsmusik, Show, Folklore M12 Tanz- und Popmusik M13 Unterhaltungs- und Kurmusiker M14 Jazz- und Rockmusiker M15 Künstlerisch-technischer Mitarbeiter im Bereich Musik: welcher?*) M16 Pädagoge, Ausbilder im Bereich Musik2, 3) M17 Disc-Jockey, Alleinunterhalter M19 Ähnliche selbständige künstlerische Tätigkeit im Bereich Musik: Art der Tätigkeit?)
Im Bereich darstellende Kunst: D01 Ballett-Tänzer, Ballett-Meister D02 Schauspieler, Sprecher, Kabarettist D03 Moderator, Rezitator D04 Puppen-, Marionetten-, Figurenspieler D05 Conferencier, Entertainer, Quizmaster D06 Unterhaltungskünstler/Artist1) D07 Regisseur, Filmemacher, Choreograph D08 Dramaturg3) D09 Bühnen-, Film-, Kostüm-, Maskenbildner3) D10 Regieassistent3)
Im Bereich bildende Kunst/Design: B01 Bildhauer B02 Experimenteller Künstler, Objektemacher B03 Maler, Zeichner, künstlerischer Grafiker B04 Porträt-, Genre-, Landschaftsmaler B05 Performance-/Aktionskünstler B06 Videokünstler B07 Künstlerischer Fotograf, Lichtbildner, Fotodesigner B08 Karikaturist, Trick- und Comiczeichner, Illustrator B09 Grafik-, Mode-, Textil-, IndustrieDesigner, Layouter B10 Werbefotograf B11 Keramiker, Glasgestalter1) B12 Gold- und Silberschmied, Emailleur B13 Textil-, Holz-, Metallgestalter1) B14 Graveur1) B15 Pädagoge, Ausbilder im Bereich bildende Kunst/Design2) B19 Ähnliche selbständige künstlerische Tätigkeit im Bereich bildende Kunst: Art der Tätigkeit?1)
Im Bereich Wort: W01 Schriftsteller, Dichter W02 Autor für Bühne, Film, Funk und Fernsehen W03 Lektor W04 Journalist, Redakteur W05 Bildjournalist, Bildberichterstatter W06 Kritiker W07 Wissenschaftlicher Autor W08 Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung1) W09 Übersetzer, Bearbeiter1) W10 Pädagoge, Ausbilder im Bereich Publizistik
3 Nach Fragebogen der Künstlersozialkasse, vgl. www.künstlersozialkasse.de.
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Teil K D11 Künstlerisch-technischer Mitarbeiter im Bereich darstellende Kunst, Art der Tätigkeit?1)
Event und Künstlersozialversicherung W19 Ähnliche selbständige publizistische Tätigkeit im Bereich Wort: Art der Tätigkeit?1)
D12 Pädagoge, Ausbilder im Bereich darstellende Kunst1, 2) D13 Theaterpädagoge D19 Ähnliche selbständige künstlerische Tätigkeit im Bereich darstellende Kunst: Art der Tätigkeit?1)
1) 2) 3)
Bitte beschreiben Sie möglichst ausführlich und anhand von Beispielen Ihre Tätigkeit (ggf. auf gesondertem Blatt) Nachweis über künstlerische Fachausbildung bitte beifügen. Legen Sie bitte unbedingt Vertragsunterlagen vor, aufgrund derer Sie engagiert sind.
Dazu drei Beispiele: Beispiel 1 Juroren in Casting-Shows sind Künstler iSd. KSVG. Das Sozialgericht Köln hat deshalb den Sender RTL verurteilt, Künstlersozialabgaben für die Jahre 2002 und später in Höhe von 173 000 Euro nachzuzahlen.4 RTL stand auf dem Standpunkt, Dieter Bohlen und seine Mitjuroren seien selbst keine Künstler, sondern Experten, die die künstlerische Leistung der Kandidaten zu bewerten haben. Dieser Ansicht trat das Sozialgericht entgegen. Unter Bezugnahme auf die Verträge der DSDS-Juroren stellte das Gericht fest, dass der Sender eigenschöpferische, höchstpersönliche Leistungen erwarte. Ob diese Leistungen selbst niveauvoll oder niveaulos seien, spiele keine Rolle. Bereits schöpferische Leistungen auf niedrigem Niveau sind als künstlerische Leistung iSd. KSVG zu werten. Beispiel 2 Selbst Models, die zur Unterhaltung in Diskotheken Dessous vorführen, werden iS des. KSVG künstlerisch tätig. Der Schutzzweck des Gesetzes gebietet es, den Kreis der dem Grunde nach abgabepflichtigen Künstler und Publizisten weit zu fassen.5 Ob sie dann tatsächlich zur Künstlersozialversicherung herangezogen werden, hängt von weiteren persönlichen Voraussetzungen ab. Wichtig ist diese Einordnung aber für die Veranstalter, denn damit gehört das gezahlte Entgelt zur Bemessungsgrundlage ihrer Abgabepflicht.6 Beispiel 3 Diskutiert wurde sogar schon, ob Gäste von Daily-Talk-Shows Künstler in diesem Sinne sind. Im Ergebnis ist das allerdings vom Bundessozialgericht verneint worden. Damit wäre wohl sogar der sehr weite Kunstbegriff des KSVG gesprengt worden.
b) Selbständige Künstler und Publizisten 1510
Das Problem der Selbständigkeit ist schon verschiedentlich behandelt worden. Die Abgrenzung ist außer im Künstlersozialversicherungsrecht auch im Ar4 SozG Köln v. 11.11.2007 – S 23 KR 3/07. 5 Vgl. dazu BSG v. 25.10.1995 – 3 RK 24/94, MDR 1996, 1050 = NJW 1997, 1185. 6 Vgl. dazu Rz. 1223.
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II. Die Voraussetzungen des KSVG
Teil K
beits- und Steuerrecht von Bedeutung. Auf die dortigen Ausführungen wird deshalb verwiesen.7 Allerdings ist zu beachten, dass es einen einheitlichen „Arbeitnehmer“-Begriff nicht gibt. Es sind deshalb immer die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes zu berücksichtigen. c) Erwerbsmäßige und nicht nur vorübergehende Ausübung der Tätigkeit Auch bei der erwerbsmäßigen Tätigkeit finden sich Parallelen zum Steuerrecht. Es muss sich um eine auf Dauer angelegte Tätigkeit handeln, die darauf abzielt, Einnahmen zu erzielen.8 Abzugrenzen ist dieser Begriff von der Hobby-Tätigkeit, der Liebhaberei. Während im Steuerrecht die Abgrenzung dazu dient, Verluste aus dieser Tätigkeit nicht zum Abzug zuzulassen, soll im Sozialversicherungsrecht nicht derjenige versichert werden, der lediglich zu seiner Freizeitgestaltung künstlerisch oder publizistisch tätig ist, ohne die Absicht zu besitzen, seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Es müssen also die Grenzen der geringfügigen Beschäftigung überschritten werden, dh. es muss mehr als zwei Monate oder 50 Arbeitstage im Jahr künstlerisch oder publizistisch gearbeitet werden,9 § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV.
1511
d) Das erforderliche Mindestarbeitseinkommen Arbeitnehmer, die nur ein geringfügiges Arbeitsentgelt erzielen, sind in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungsfrei (325 Euro-Regelung). Diese gesetzliche Wertung ist auch für die Künstlersozialversicherung übernommen worden. Erzielt ein Künstler oder Publizist nicht mindestens ein voraussichtliches Jahreseinkommen von 3 900 Euro (in den neuen Ländern ebenfalls 3 900 Euro), so besteht keine Versicherungspflicht in der Renten-, Krankenoder Pflegeversicherung, § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG. Ist ein Künstler oder Publizist nur eines Teils des Jahres tätig, ist die Grenze entsprechend herabzusetzen. Diese Einkommensangaben werden jährlich durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bekanntgegeben.
1512
Nach früherer Rechtslage war weitere Voraussetzung, dass neben dem Mindesteinkommen auch das künstlerische oder publizistische Einkommen in einem nennenswerten Verhältnis zum Gesamteinkommen stand. Es galt Folgendes:
1513
Hatte der Künstler oder Publizist weitere Einkünfte, so mussten die Einnahmen aus künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit ein Sechstel der Gesamteinkünfte übersteigen, § 3 Abs. 1 KSVG aF. Aber auch in diesem Fall war Voraussetzung, dass ein Einkommen von mehr als 3 900 Euro erzielt wurde, § 4 Nr. 1 KSVG.
7 Siehe dazu Rz. 935 ff. und 1264 ff. 8 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 10; Finke/Brachmann/Nordhausen, Die Künstler und ihre Rente, § 1 Rz. 10 ff Brandmüller, Künstlersozialversicherungsgesetz, § 1 II 1; Buchholz, Ratgeber Freie – Kunst und Medien, S. 200. 9 Buchholz, Ratgeber Freie – Kunst und Medien, S. 200.
573
Teil K
Event und Künstlersozialversicherung
Beispiel Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit: Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit: Gesamteinkommen: Ein Sechstel des Gesamteinkommens:
1514
5 000 22 000 27 000 4 500
Euro Euro Euro Euro
Es bestand Versicherungspflicht nach dem KSVG, da das Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit sowohl das Mindesteinkommen von 3 900 Euro als auch ein Sechstel des Gesamteinkommens überstieg. Diese Voraussetzung ist weggefallen. Allein bedeutend ist nunmehr, dass das Mindesteinkommen überschritten wird. Damit steht noch nicht fest, dass ein Künstler oder Publizist beitragspflichtig ist. Dies richtet sich danach, ob nicht eventuell eine Versicherungsfreiheit in der Renten-/Krankenversicherung besteht.
1515
Der Begriff des Arbeitseinkommens entspricht dem des Steuerrechts. Für Künstler und Publizisten bedeutet das, dass der Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben darstellt, § 4 Abs. 3 EStG.10 Allerdings sind steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen. Steuerliche Vergünstigungen sind insbesondere die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen. Das Gleiche gilt für Veräußerungsgewinne, die früher zu berücksichtigen waren. Beispiel Ein Künstler hatte vor einiger Zeit ein Musikinstrument für 5 000 Euro erworben. Dieses Musikinstrument ist mittlerweile vollständig abgeschrieben. Nun verkauft er dieses Instrument für 6 000 Euro. Der steuerliche Gewinn beträgt 6 000 Euro und nicht etwa nur 1 000 Euro, da das Instrument abgeschrieben war. Für das Arbeitseinkommen nach dem KSVG waren diese 6 000 Euro aber unberücksichtigt zu lassen, da sie nicht aus einer künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit erzielt sind.
1515a
Durch den Verweis auf das Einkommensteuerrecht wird die Einkommensermittlung vereinfacht, da der Einkommensteuerbescheid maßgeblich ist. Betriebseinnahmen sind alle Einnahmen, die dem Künstler oder Publizisten im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit zufließen, gleichgültig, ob sie in Geld oder in Sachwerten (sogenannten geldwerten Vorteilen) bestehen. Dazu gehören in erster Linie Gagen und Honorare, aber auch Tantiemen oder Lizenzen bis hin zur Übernahme von Fahrt- und Übernachtungskosten.
1515b
Betriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die durch die künstlerische oder publizistische Tätigkeit veranlasst sind. Dazu gehören zB Ausgaben für die Miete eines Ateliers oder Ausgaben für beruflich veranlasste Fahrten, den Erwerb von Materialien oder auch Abschreibungen für Abnutzung von Betriebsmitteln.
10 Siehe dazu Rz. 1226 ff.
574
II. Die Voraussetzungen des KSVG
Teil K
e) Beschäftigung von Arbeitnehmern Wie schon ausgeführt, darf der Künstler oder Publizist nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, es handelt sich um geringfügig Beschäftigte oder Auszubildende. Unter den Begriff „Auszubildende„ fallen auch Volontäre und Praktikanten, § 19 Berufsbildungsgesetz (BBiG).11
1516
Künstler und Publizisten haben durch eine richtige Vertragsgestaltung durchaus die Möglichkeit, ihre Versicherungspflicht zu steuern. Ob sie Arbeitnehmer einstellen oder freie Beschäftigungsverhältnisse schaffen, liegt bei ihnen. Sie müssen sich nur an ihre eigene Vertragsgestaltung halten. Es reicht also nicht, ein Arbeitnehmerverhältnis als freies Beschäftigungsverhältnis zu deklarieren. Es muss vielmehr im Sinne der Vereinbarung durchgeführt werden.12
1517
f) Tätigkeit im Inland Dass die ausgeübte Tätigkeit im Inland ausgeübt werden muss, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn der Gesetzgeber kann nicht im Ausland tätige Künstler oder Publizisten der inländischen Sozialversicherungspflicht unterwerfen.
1518
2. Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung Gemäß § 4 KSVG sind Künstler oder Publizisten nicht rentenversicherungspflichtig, wenn sie bereits anderweitig für das Alter abgesichert sind, insbesondere wenn sie ein zusätzliches Einkommen haben und deshalb ohnehin für das Alter abgesichert sind, insbesondere wenn ihr Einkommen die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze überschreitet. Im Jahr 2008 betrug diese Grenze 63 600 Euro. Künstler und Publizisten sind also nicht rentenversicherungspflichtig, wenn sie mehr als 31 800 Euro verdienen. Im obigen Beispielsfall betrug das Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit 22 000 Euro. Eine Versicherungsfreiheit bestand deshalb nicht.
1519
3. Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung a) Versicherungsfreiheit gemäß § 5 KSVG Ebenso wie die Regelung bezüglich der Rentenversicherung in § 4 KSVG sieht § 5 KSVG eine Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung vor, wenn der Künstler oder Publizist nicht des Schutzes des KSVG bedarf. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er anderweitig versichert oder nach allgemeinen Grundsätzen versicherungsfrei ist.
11 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 15. 12 Vgl. dazu Rz. 935 ff.
575
1520
Teil K 1521a
Event und Künstlersozialversicherung
Problematisch sind die Fälle, in denen neben der selbständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wird. In diesen Fällen muss die zuständige Krankenkasse entscheiden, welche der beide Tätigkeiten als hauptberuflich einzustufen ist. Dabei muss sie auf Grund der wirtschaftlichen Bedeutung eine Abwägung treffen. Je nachdem wie diese Abwägung ausfällt, besteht Versicherungspflicht aufgrund der abhängigen Beschäftigung oder Versicherungspflicht nach dem KSVG. Diese Versicherungspflichten schließen sich gegenseitig aus.13 b) Befreiung von der Krankenversicherungspflicht auf Antrag
1521
Eine Befreiungsmöglichkeit in der Rentenversicherung sieht das KSVG nicht vor. Von der Krankenversicherung können sich Berufsanfänger gemäß § 6 KSVG und Besserverdienende gemäß § 7 KSVG befreien lassen. Wer also bislang versicherungspflichtig war, nun aber ein so hohes Einkommen erzielt, dass er zukünftig nicht mehr des Schutzes des KSVG bedarf, kann sich von der Versicherungspflicht befreien lassen. Entscheidend ist dabei, dass der Künstler oder Publizist in drei aufeinanderfolgenden Jahren insgesamt ein Arbeitseinkommen erzielt, das über der Summe der Beträge liegt, die als Jahresarbeitsentgeltgrenze in der Krankenversicherung festgelegt sind.14 c) Beitragszuschuss der Künstlersozialversicherungskasse für Privatversicherte und freiwillig Versicherte
1522
Sind die Künstler oder Publizisten von der Krankenversicherungspflicht befreit, so wird ihnen auf Antrag ein Zuschuss zu ihrer privaten Krankenversicherung oder ihrer freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung gewährt.15 Dadurch soll eine Gleichstellung mit den versicherungspflichtigen Künstlern und Publizisten erreicht werden.
4. Regelungen für Berufsanfänger 1523
Für Berufsanfänger gelten einige Besonderheiten. a) Kein Mindestarbeitseinkommen in der Anlaufphase
1524
Um den Berufsanfängern den Versicherungsschutz nicht zu verwehren, bestimmt § 3 Abs. 2 KSVG, dass in den ersten drei Jahren nach Aufnahme der Tätigkeit kein Mindesteinkommen erzielt werden muss.16
13 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 18. 14 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 19 mit Berechnungsbeispiel. 15 Buchholz, Ratgeber Frei – Kunst und Medien, S. 208; Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 20. 16 Zu den Einzelheiten: Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 21.
576
II. Die Voraussetzungen des KSVG
Teil K
b) Zahlung eines Mindestbeitrages Obwohl Berufsanfänger kein Mindestarbeitseinkommen erzielen müssen, um versichert zu werden, müssen sie gleichwohl einen Mindestbeitrag zahlen, §§ 15, 16, 16a KSVG. Dieser errechnet sich für 2008 – bei der Rentenversicherung nach der Mindestbeitragsberechnungsgrundlage (325 Euro/Monat × 9,95 %), also 32,34 Euro, – bei der Krankenversicherung nach einem Sechstel der Bezugsgröße (414,17 Euro/Monat), also bei einem angenommenen Krankenversicherungsbeitrag von 14,2 % und einem Zusatzbeitrag von 0,9 % sind dies 33,13 Euro.17
1525
5. Kündigungsrecht gegenüber privaten Krankenversicherungsunternehmen bei Eintritt in die Künstlersozialkasse Wird ein Künstler oder Publizist in der Künstlersozialversicherung versicherungspflichtig, so steht ihm ein außerordentliches Kündigungsrecht seines Versicherungsvertrages mit einem privaten Versicherungsunternehmen zu, wenn er von den Befreiungsmöglichkeiten der §§ 6 und 7 KSVG keinen Gebrauch macht.
1526
6. Beginn, Dauer und Ende der Versicherungspflicht Die Versicherungspflicht beginnt mit dem Eingang der Meldung des Versicherten bei der Künstlersozialkasse oder, falls eine solche Meldung fehlt, mit dem Feststellungsbescheid der Künstlersozialkasse, dass der Künstler oder Publizist versicherungspflichtig ist, § 8 Abs. 1 KSVG. Die Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung ist an die Versicherungspflicht gebunden. Besteht keine Versicherungspflicht mehr, so stellt dies die Künstlersozialkasse mit Feststellungsbescheid fest und bestimmt den Tag, an dem die Mitgliedschaft endet. Grundsätzlich wird die Versicherungspflicht nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Stichtag ist dann der Erste des auf die Feststellung folgenden Monats, § 8 Abs. 2 KSVG. Ausnahmsweise ist auch eine rückwirkende Aufhebung möglich, wenn der Versicherte vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben macht. Entscheidend ist dann die tatsächliche Änderung der Verhältnisse.18
1527
7. Auskunfts- und Meldepflichten des Versicherten Künstler und Publizisten haben sich zur Künstlersozialversicherung anzumelden, § 11 Abs. 1 KSVG. Da es sich um eine Pflichtversicherung handelt, ist die Anmeldung19 zwingend vorgeschrieben. Es ist deshalb der Meldevordruck anzufordern und auszufüllen. Er ist zusammen mit den erforderlichen Unterla17 Zur Berechnung der Beiträge wird auf Rz. 1530 ff. verwiesen. 18 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 30. 19 Buchholz, Ratgeber Freie – Kunst und Medien, S. 200.
577
1528
Teil K
Event und Künstlersozialversicherung
gen an die Künstlersozialkasse zu schicken. Rentenversicherungsträger wird dann die Deutsche Rentenversicherung. Die Krankenversicherung ist bei einer gesetzlichen Krankenkasse abzuschließen, die sich die Künstler oder Publizisten auswählen können. 1529
Jährlich ist dann bis zum 1. Dezember eines jeden Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen für das folgende Kalenderjahr zu melden. Obergrenze ist dabei die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (2008: 63 600 Euro [West] bzw. 54 000 Euro [Ost]). Diese Schätzung ist sicherlich schwierig, sollte aber so genau wie möglich vorgenommen werden. Wird eine zu niedrige Schätzung abgegeben, so führt dies zu einer niedrigeren Rentenversicherung und eventuell zu einem niedrigeren Krankengeld. Wird eine zu hohe Schätzung abgegeben, so führt dies zwar zu einer höheren Rente, die Leistungen der Krankenkasse sind aber zu teuer erkauft. Abgesehen davon muss natürlich die zu hohe Schätzung finanziert werden. Anreiz besteht sicherlich dazu, eine zu niedrige Schätzung abzugeben. Es muss dann aber bedacht werden, dass die Altersversorgung privat abgesichert werden muss. Wird keine Meldung abgegeben, kann die Künstlersozialkasse das Einkommen schätzen,20 § 12 Abs. 1 KSVG.
8. Die Beiträge 1530
Wie schon eingangs des Kapitels erwähnt, wird die Künstlersozialkasse durch die Beitragsanteile der Versicherten, durch die Künstlersozialabgabe der Veranstalter und durch einen Bundeszuschuss finanziert. Damit hat sie sich dem Prinzip der hälftigen Erbringung des Aufkommens angeschlossen.
1531
Die Beiträge zur Rentenversicherung21 werden – mindestens nach der Mindestbeitragsberechnungsgrundlage (325 Euro) und – höchstens nach der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (5 300 Euro, bzw. 4 500 Euro) berechnet,22 § 15 KSVG.
1532
Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung beträgt zur Zeit 19,9 %, so dass der Versicherte 9,95 % seines Einkommens zur Rentenversicherung abführen muss, mindestens also 32,34 Euro und höchstens 527,35 Euro.
1533
Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden – mindestens nach der Mindestbeitragsberechnungsgrundlage (ein Sechstel der monatlichen Bezugsgröße: 414,17 Euro) und – höchstens nach der Jahresarbeitsentgeltgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung (3 600 Euro) berechnet,23 § 16 KSVG.
20 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 35. 21 Vgl. dazu auch die „Informationen zur Künstlersozialversicherung“ der Künstlersozialkasse bei der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung. 22 Buchholz, Freie – Kunst und Medien, S. 203. 23 Buchholz, Freie – Kunst und Medien, S. 203.
578
II. Die Voraussetzungen des KSVG
Teil K
Bei einem angenommenen Beitragssatz von 14,2 % hat der Versicherte 7,1 % seines Einkommens zur Krankenversicherung abzuführen. Hinzu kommt der gesetzliche Zusatzbeitrag iH von 0,9 %. Der Künstler oder Publizist hat also mindestens 33,13 Euro und höchstens 288,00 Euro zu zahlen. Letztlich sind die Beitragssätze aber individuell.
1534
Hinsichtlich der Pflegeversicherung wird zwischen Versicherten mit Kind und solchen ohne Kind unterschieden. Der Beitragssatz für kinderlose versicherte beträgt 0,85 % zzgl. 0,25 %. Zu zahlen sind also mindestens 4,46 Euro und höchstens 39,60 Euro. Versicherte mit Kind zahlen nur den Beitragssatz iH von 0,85 %, also 3,52 Euro und höchstens 30,60 Euro.
1534a
Fällig werden die Beiträge eines Kalendermonats zum drittletzten Bankarbeitstag des Monats, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Kommt der Künstler oder Publizist mit der Zahlung von zwei Monatsbeiträgen in Verzug, so stellt die Künstlersozialkasse unter weiteren Voraussetzungen das Ruhen der Leistungen fest, § 16 Abs. 2 KSVG. Damit fällt der Anspruch auf die Leistungen weg. Diese sehr strikte Regelung wird dadurch aufgelockert, dass mit der Künstlersozialkasse eine Stundung oder Ratenzahlung vereinbart werden kann.
1535
9. Das Zusammentreffen unterschiedlicher Beschäftigungsverhältnisse Beim Zusammentreffen unterschiedlicher Beschäftigungsverhältnisse ist stets zu prüfen, ob in der einen oder anderen Versicherung Versicherungsfreiheit besteht.
1536
a) Selbständige künstlerische und publizistische Tätigkeit und abhängige Beschäftigung Eine geringfügige abhängige Beschäftigung ist nicht versicherungspflichtig. Die Versicherungspflicht in der Künstlersozialkasse bleibt bestehen.
1537
Eine darüber hinausgehende Beschäftigung ist sozialversicherungspflichtig. Für die Künstlersozialversicherung bedeutet das, dass Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung besteht, wenn aus der abhängigen Beschäftigung ein Entgelt erzielt wird, dass die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze (31 800 Euro/ West bzw. 27 000 Euro/Ost) übersteigt, § 4 Nr. 2 KSVG. Besteht aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses eine Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Krankenkasse, so werden die Künstler oder Publizisten nicht in der Künstlersozialkasse krankenversichert, § 5 Nr. 1 KSVG.
1538
b) Selbständige künstlerische und publizistische Beschäftigung und anderweitige selbständige Beschäftigung Übt der Künstler oder Publizist eine andere selbständige Tätigkeit aus, so gilt für die Rentenversicherung das Gleiche, was für die abhängige Beschäftigung ausgeführt wurde. Versicherungsfreiheit besteht, wenn die Grenze überschritten 579
1539
Teil K
Event und Künstlersozialversicherung
wird. Für die Krankenversicherung gilt, dass die weitere selbständige Beschäftigung zur Versicherungsfreiheit führt, es sei denn, die andere Tätigkeit ist eine geringfügige.
10. Die abgabepflichtigen Unternehmer 1540
Wer abgabepflichtiger Unternehmer ist, ist in § 24 KSVG geregelt. § 24 KSVG ist durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.9.1996 und durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze vom 13.6.200124 geändert worden. Danach ist abgabepflichtiger Unternehmer, wer eines der folgenden Unternehmen betreibt: 1. Buch-, Presse- und sonstige Verlage, Presseagenturen (einschließlich Bilderdienste); 2. Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Chöre und vergleichbare Unternehmen; Voraussetzung ist, dass ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten; 3. Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen; 4. Rundfunk, Fernsehen; 5. Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern (ausschließlich alleiniger Vervielfältigung); 6. Galerien, Kunsthandel; 7. Werbung (einschließlich Öffentlichkeitsarbeit) für Dritte; 8. Varieté- und Zirkusunternehmen, Museen; 9. Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten.
1541
Der Künstlersozialabgabepflicht unterliegen auch Unternehmer, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben, und nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen.
1542
Zentrale Bedeutung für die Abgabepflicht hat der Unternehmensbegriff des KSVG. Zu unterscheiden sind Unternehmen, deren Gegenstand auf eine der Katalogtätigkeiten gerichtet ist und sonstige Unternehmen, bei denen das nicht der Fall ist, die aber künstlerische oder publizistische Leistungen in Anspruch nehmen, vgl. § 24 KSVG.
1543
Der Begriff des Unternehmens, das eine der Katalogtätigkeiten betreibt, setzt zunächst voraus, dass die Tätigkeit mit einer gewissen Regelmäßigkeit25 und 24 BGBl. I, S. 1027. 25 BSG SozR 3–5425 § 24 Nr. 10, BSG v. 20.3.1997 – 3 RK 17/96, MDR 1997, 950 = NJW 1998, 1430.
580
II. Die Voraussetzungen des KSVG
Teil K
Nachhaltigkeit26 ausgeübt wird. Das Bundessozialgericht sieht dieses Erfordernis als erfüllt an, wenn jährlich zwei bis drei Veranstaltungen ausgerichtet werden.27 Nicht entschieden ist bislang die Frage, ob auch einzelne Veranstaltungen, die im Abstand von Jahren erfolgen, noch eine nachhaltige und regelmäßige Betätigung im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes darstellen. Generell verneinen lässt sich die Frage nicht. Es kommt sehr auf den Einzelfall an. Aber es lässt sich wohl sagen, dass eine nachhaltige und regelmäßige Betätigung um so eher nicht vorliegt, als der Abstand zwischen den Veranstaltungen zunimmt. Weiterhin setzt der Unternehmensbegriff voraus, dass das Unternehmen mit Einnahmeerzielungsabsicht handelt. Hierbei handelt es sich um eine niedrige Schwelle, denn Einnahmen werden regelmäßig erzielt. Nicht nötig ist es demgemäß, dass das Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht handelt.28 Dies ist ein bedeutsamer Unterschied, denn wenn eine Gewinnerzielungsabsicht verlangt wird, dann beschränkt sich der Anwendungsbereich des KSVG auf professionelle Vermarkter. Zu recht hat aber das Bundessozialgericht festgestellt,29 dass dieser Begriff im Gesetzestext nicht auftaucht und auch nicht im Wege der Auslegung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hineininterpretiert werden kann.
1544
Konsequenz dieser Ansicht ist es, dass auch Unternehmen abgabepflichtig sind, denen es nicht darauf ankommt, mit den von ihnen durchgeführten Veranstaltungen ihre Existenz zu sichern. So kann beispielsweise auch ein gemeinnütziges Unternehmen abgabepflichtig sein.
1545
Als Einfallstor erweist sich insbesondere die als „kleine Generalklausel„ bezeichnete Regelung in Nr. 3 des Kataloges. Diese aus Gründen der Gleichbehandlung aufgenommene Erweiterung der Nr. 3 bot bis zur Gesetzesänderung im Jahre 1996 die Möglichkeit, eine Reihe von Unternehmen der Abgabepflicht zu unterwerfen, die nur im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung künstlerische Werke aufführten. So wurde ein Karnevalsverein abgabepflichtig, weil er regelmäßig im Rahmen seiner Brauchtumspflege Karnevalsveranstaltungen durchführte. Seit der Gesetzesänderung muss es nicht nur Zweck des Unternehmens sein, künstlerische Werke aufzuführen, sondern wesentlicher Zweck. Mit dieser Änderung soll der Vergleichbarkeit besser Rechnung getragen werden. Nach dieser Gesetzesänderung kann der Karnevalsverein jedenfalls nicht mehr gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 KSVG zur Künstlersozialabgabe herangezogen werden.30
1546
Nicht entschieden ist damit aber schon, ob er überhaupt nicht mehr abgabepflichtig ist.
1547
26 BSG SozR 3–5425 § 24 Nrn. 6 und 8, BSG v. 20.3.1997 – 3 RK 17/96, MDR 1997, 950 = NJW 1998, 1430. 27 BSG SozR 3–5425 § 24 Nr. 10, BSG v. 20.3.1997 – 3 RK 17/96, MDR 1997, 950 = NJW 1998, 1430. 28 BSG v. 20.3.1997 – 3 RK 17/96, MDR 1997, 950 = NJW 1998, 1430, Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 56. 29 BSG v. 20.3.1997 – 3 RK 17/96, MDR 1997, 950 = NJW 1998, 1430. 30 BSG v. 20.3.1997 – 3 RK 17/96, MDR 1997, 950 = NJW 1998, 1430.
581
Teil K 1548
Event und Künstlersozialversicherung
Denn weiteres Einfallstor für die Künstlersozialabgabe ist die Regelung in § 24 Abs. 2 KSVG. Diese Vorschrift gilt für all diejenigen Unternehmen, deren Zweck nicht auf eine der Katalogbetätigungen gerichtet ist. § 24 Abs. 2 KSVG lautet: „Zur Künstlersozialabgabe sind ferner Unternehmer verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Werden in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden, liegt eine nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen iS des Satzes 1 vor. Satz 1 gilt nicht für Musikvereine, soweit für sie Chorleiter oder Dirigenten regelmäßig tätig sind.“
1549
Voraussetzung ist auch bei diesen Unternehmen, dass sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke des Unternehmens zu nutzen. Nötig, aber auch ausreichend, ist ebenfalls die Einnahmeerzielungsabsicht.
1550
Wann eine „nicht-nur-gelegentliche“ Auftragserteilung vorliegt, war vor der Gesetzesänderung sprachlich sehr verklausuliert in einem zweiten Satz geregelt, der wie folgt lautete: „Eine nicht nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen in diesem Sinne liegt nicht bereits dann vor, wenn in einem Kalenderjahr lediglich zwei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden.“
Durch die doppelte Verneinung stand nur fest, dass nicht abgabepflichtig ist, wer maximal zwei Veranstaltungen im Jahr durchführt. Nicht durch den Wortlaut geklärt ist die Frage, wer denn abgabepflichtig ist. Es bestanden zwei Deutungsmöglichkeiten. Im Umkehrschluss könnte jeder abgabepflichtig sein, der mehr als zwei Veranstaltungen im Jahr durchführt. Andererseits könnte die Abgabepflicht anhand weiterer Kriterien zu prüfen sein. 1551
Das Bundessozialgericht hatte die Frage iS der ersten Alternative beantwortet.31 Sie war damit für die Praxis entschieden.
1552
Überzeugen vermochte diese Ansicht jedoch nicht. Wie das Bundessozialgericht richtig feststellte, war dem Wortlaut nichts zu entnehmen. Auch die Gesetzesbegründung gab nichts her. Das Bundessozialgericht diskutierte dann weitere Kriterien, als da wären: die Anzahl der Zuschauer bzw. Teilnehmer pro Veranstaltung, die Zahl der mitwirkenden Künstler und die Höhe der Honorarsummen. Es stellte dann aber lapidar fest, dass diese Kriterien nicht geeignet seien, die Abgabepflicht im Vorhinein zu bestimmen. Das Rechtsstaatsgebot beinhalte aber die Vorhersehbarkeit abgabenrechtlicher Tatbestände. Im Übrigen sei der Verwaltungsaufwand zu hoch.32
31 BSG v. 20.3.1997 – 3 RK 17/96, MDR 1997, 950 = NJW 1998, 1430. 32 BSG v. 20.3.1997 – 3 RK 17/96, MDR 1997, 950 = NJW 1998, 1430.
582
II. Die Voraussetzungen des KSVG
Teil K
Die Vorhersehbarkeit abgabenrechtlicher Tatbestände heranzuziehen, um damit die Abgabepflicht zu begründen, verkehrte das Rechtsstaatsgebot in sein Gegenteil. Statt die Abgabepflicht zu verneinen, wenn nicht sicher anhand der weiteren Kriterien feststeht, dass ein Unternehmen „nicht nur gelegentlich“ Veranstaltungen durchführt, wird auf weitere Kriterien verzichtet und alle Unternehmer werden der Abgabepflicht unterworfen. Der tatsächliche Zweifel, ob denn eine regelmäßige Veranstaltungstätigkeit vorliegt, ging zu Lasten der Veranstalter.
1553
Letztlich blieb nur der Hinweis auf die verwaltungstechnischen Schwierigkeiten, die mit einer weiteren Prüfung verbunden wären. Aber allein mit dem Argument des übermäßigen Verwaltungsaufwandes eine Abgabepflicht zu begründen, ist nicht tragbar. Es handelt sich dabei nicht um ein sachgerechtes Kriterium. Auch die betroffenen Unternehmen werden wenig Verständnis für die Argumentation aufbringen. Das Bundessozialgericht nahm ihnen die Möglichkeit darzutun, dass sie nur gelegentlich Veranstaltungen durchführten mit der Begründung, dies sei im Sinne der Unternehmen notwendig, damit sie sich auf ihre Abgabepflicht einstellen könnten. Der klagende Karnevalsverein, der aufgrund der Rechtsprechung gemäß § 24 Abs. 2 KSVG abgabepflichtig ist, hätte sicher gerne auf diese Fürsorge verzichtet.
1554
Ob mit der Änderung des Wortlautes des § 24 Abs. 2 KSVG all die Schwierigkeiten ausgeräumt sind, mag dahinstehen. Tatsächlich ist es dem Gesetzgeber immer noch nicht gelungen, positiv auszudrücken, welche Unternehmen zur Abgabe verpflichtet sind. Mit Hilfe eines Umkehrschlusses wird man aber zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dies aber alle Unternehmen sein werden, die mehr als drei Veranstaltungen im Jahr durchführen, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden.
1554a
11. Die Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe Mit der Bestimmung des Kreises der abgabepflichtigen Unternehmen ist noch nicht festgestellt, ob diese Unternehmen auch tatsächlich Leistungen zur Künstlersozialkasse zu erbringen haben. § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG bestimmt dazu, dass Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen sind, die ein zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der in § 24 KSVG aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese Personen selbst nicht versicherungspflichtig sind. Dazu ein Beispiel In dem Einführungsfall33 zu diesem Kapitel ist deshalb bei der Kalkulation die Künstlersozialabgabe zu berücksichtigen. Ohne Bedeutung ist es, ob die Models oder Moderatoren selbst der Künstlersozialversicherung unterliegen. Es muss nur ihre Tätigkeit als solche künstlerisch oder publizistisch sein. Dies hat das Bundessozialgericht festgestellt34. 33 Siehe Rz. 1496. 34 BSG v. 25.10.1995 – 3 RK 24794, MDR 1996, 1050 = NJW 1997, 1185.
583
1555
Teil K 1556
Event und Künstlersozialversicherung
Durch ein Urteil des EuGH35 ist inzwischen auch klargestellt, dass die Künstlersozialabgabe auch auf Entgelte zu zahlen ist, die für künstlerische oder publizistische Leistungen gezahlt werden, wenn der Künstler oder Publizist in einem anderen EU-Mitgliedstaat seinen Wohnsitz hat und in Deutschland einer selbständigen Tätigkeit nachgeht. Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Ein in Belgien wohnender und arbeitender deutscher Journalist publizierte auch in Deutschland. Auf die Entgelte musste die Künstlersozialabgabe entrichtet werden. Nachdem die Kommission der EG Deutschland vergeblich aufgefordert hatte Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Entgelte nicht der KSK unterlägen, verklagte sie Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Kommission vertrat die Auffassung, die §§ 23 ff KSVG verstießen gegen Gemeinschaftsrecht, soweit die Künstlersozialabgabe auch für Leistungen von Künstlern und Publizisten erhoben würde, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU haben und in Bezug auf die Systeme der sozialen Sicherheit ausschließlich den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates unterlägen, in dem sie wohnen. Die Klage hatte keinen Erfolg. Der EuGH begründete sein Urteil in der Weise, dass er die Auffassung vertrat, die Erhebung der Künstlersozialabgaben von den Vermarktern benachteilige die (EU-ausländischen) Künstler und Publizisten weder unmittelbar noch auch nur mittelbar, sondern die Regelung des KSVG gewährleiste die Gleichbehandlung aller Künstler und Publizisten, da sie Unternehmen keinen Anreiz biete, eher auf die eine als auf die andere Gruppe zurückzugreifen. § 36a Satz 2 KSVG iVm. § 32 SGB I verbiete die Abwälzung der Abgabe auf die Künstler und Publizisten. Dafür, dass dies doch geschieht, gebe es keine Anhaltspunkte. Wenn die Abgabe aber nicht abgewälzt werden dürfe und dies auch nicht geschehe, dann führt dies nicht zu einer Doppelbelastung ausländischer Künstler und Publizisten.
1556a
Nach einem nicht rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.4.200736 sollen auch solche Entgelte der Künstlersozialversicherung unterliegen, die an ausländische Künstler für nur im Ausland vermarktete künstlerische Leistungen gezahlt werden. Entscheidend soll sein, dass der Vermarkter seinen Sitz im Inland hat. Begründet wird dieses Urteil mit dem Wortlaut des Gesetzes. Danach umfasse die Abgabepflicht einschränkungslos alle Entgeltzahlungen an selbständige Künstler oder Publizisten. Eine Differenzierung nach dem Wohnsitz des Künstlers oder dem Ort ihrer Beschäftigung werde nicht vorgenommen.
1556b
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Das KSVG regelt die Sozialversicherungspflicht der inländischen Künstler und Publizisten. Zur Finanzierung dieser Versicherung werden auch die Vermarkter herangezogen. Dass diese Vermarkter eine Künstlersozialabgabe auch auf Leistungen zahlen müssen, die von ausländischen Künstlern oder Publizisten erbracht werden, rechtfertigt sich allein aus der Tatsache, dass inländische Künstler oder Publizisten keinen Nachteil dadurch erleiden sollen, dass ihre Leistungen teurer sind als Leistungen vergleichbarer ausländischer Künstler. Dies ist europarechtskonform. Dieser Standortnachteil ist nicht gegeben, wenn allein ausländische Künstler im Ausland vermarktet werden. Da im Ausland vermarktete ausländische Künstler oder Publizisten mit dem System der Künstlersozialversicherung nichts zu 35 EuGH v. 8.3.2001 – Rs C-68/99, EuZW 2001, 669 = NJW 2002, 589. 36 SG Stuttgart v. 23.4.2007 – S 15 KR 8429/04, IStR 2007, 551.
584
II. Die Voraussetzungen des KSVG
Teil K
schaffen haben, ist der Wortlaut des KSVG einengend dahingehend auszulegen, dass Entgeltzahlungen an Künstler oder Publizisten nur dann zu einer Abgabepflicht führen können, wenn diese Zahlungen mindestens mittelbar den inländischen Künstlern und Publizisten zugutekommen. Dies ist dann der Fall, wenn sie ansonsten gar nicht oder nicht zu diesem Preis beauftragt würden. Allein eine Finanzierung der Künstlersozialversicherung reicht dazu nicht aus. Damit steht fest, dass die abgabepflichtigen Unternehmen für ihre Kalkulation alle Entgelte berücksichtigen müssen, die sie für künstlerische oder publizistische Leistungen zahlen ohne Einfluss darauf, ob die Künstler oder Publizisten selbst der KSK unterliegen.
1557
Entgelt ist alles, was der zur Abgabe verpflichtete aufwendet, um das Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen, abzüglich der in einer Rechnung oder Gutschrift gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer. Ausgenommen hiervon sind – die Entgelte, die für urheberrechtliche Nutzungsentgelte, sonstige Rechte des Urhebers oder Leistungsschutzrechte an Verwertungsgesellschaften gezahlt werden,
1557a
– steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr. 26 EStG genannten steuerfreien Einnahmen. Zu den steuerfreien Aufwandsentschädigungen gehören insbesondere auch Fahrtkosten, die dem Künstler oder Publizisten im Rahmen der steuerlichen Freigrenzen erstattet werden.
1557b
§ 3 Nr. 26 EStG regelt die Übungsleiterpauschale, die bis zu einer Höhe von 2 100 Euro pro Jahr steuerfrei ist. Die Höhe der Abgabepflicht errechnet sich aus den gezahlten Entgelten. Wer als Veranstalter mit den Künstlern Verträge abschließt, in denen er sich zur Zahlung des Entgeltes verpflichtet, muss von diesen Honorarzahlungen auch die Künstlersozialabgabe abführen. Wer hingegen nur vermittelt, muss immer dann keine Künstlersozialabgabe zahlen, wenn denn der Veranstalter selbst abgabepflichtig ist. Umstritten sind die Fälle, in denen die Agentur nur vermittelnd tätig wird, der Veranstalter selbst aber nicht abgabepflichtig ist. Die Künstlersozialkasse zieht die vermittelnden Agenturen in diesen Fällen selbst zur Sozialabgabe heran. Die vermittelnden Agenturen haben sich deshalb auf die Abgabe einzustellen.
1558
Probleme ergeben sich regelmäßig, wenn eine künstlerische oder publizistische Leistung mehrfach verwendet wird. In der Regel ist durch den Erstabnehmer die Künstlersozialabgabe zu entrichten.
1558a
Zu einer doppelten Zahlungspflicht kann es kommen, wenn künstlerische oder publizistische Leistungen auf mehren Stufen verwertet werden. Es ist dann jede Stufe eigenständig zu beurteilen. Es kann also dazu kommen, dass ein Künstler, der Leistungen eines anderen Künstlers verwertet, abgabepflichtig ist. Schafft er mit Hilfe dieser Leistungen ein eigenständiges Werk, das er an einen Kunden 585
Teil K
Event und Künstlersozialversicherung
veräußert, so ist der Kunde insgesamt abgabepflichtig und nicht nur etwa iH eines Mehrerlöses. 1558b
Erhält eine Werbe- oder PR-Agentur den Auftrag eine Homepage zu gestalten oder einen Flyer zu erstellen, und sind nimmt in Erfüllung dieses Auftrages die Leistungen eines Texters entgegen, so hat die Agentur die Künstlersozialabgabe auf das Entgelt des Texters und der Kunde die Künstlersozialabgabe auf das Entgelt der Agentur zu zahlen.
1559
Ohne Bedeutung für die Abgabepflicht ist es, wenn die Künstlersozialabgabe durch vertragliche Vereinbarung auf die Künstler selbst oder auf die Vertragspartner abgewälzt wird. Eine Vereinbarung, der zufolge die Künstler selbst abgabepflichtig sein sollen, ist nichtig und entfaltet keine Wirkung, vgl. § 36a Satz 2 KSVG iVm. § 32 SGB I. Ansonsten ist es durchaus möglich, die Abgabepflicht zu regeln. Allerdings ändert dies nichts an der öffentlich-rechtlichen Abgabepflicht des Unternehmers. Der Vertrag selbst entfaltet Wirkung nur zwischen den Vertragspartnern. Es mag sich daraus ein Freistellungsanspruch ergeben. Wenn aber der Vertragspartner nicht zahlt, bleibt nur der Weg, ihn durch einen Schadensersatzanspruch in Regress zu nehmen.
1560
Zu einer gesamtschuldnerischen Haftung kann es kommen, wenn mehrere Agenturen beteiligt sind und die eine Agentur den Künstler bezahlt, die andere aber die Leistung entgegen nimmt. In diesen Fällen ist dringend zu regeln, wer intern zur Abgabe verpflichtet sein soll, da die Zahlungspflicht ansonsten davon abhängt, wer von der Künstlersozialkasse herangezogen wird.
12. Melde- und Abgabeverfahren 1561
Der zur Abgabe Verpflichtete hat bis zum 31. März des Folgejahres der Künstlersozialkasse auf einem Vordruck der Kasse die Summe der Beträge zu nennen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, wird diese Summe von der KSK geschätzt. Anschließend teilt die KSK dem zur Abgabe Verpflichteten in einem Abgabebescheid den zu zahlenden Betrag mit, der sofort fällig ist.
1562
Außerdem hat der zur Abgabe Verpflichtete Vorauszahlungen zu leisten, die innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf eines Monats fällig werden. Die Höhe der Vorauszahlungen errechnet sich wie folgt: Ein Zwölftel der Bemessungsgrundlage für das vorausgegangene Kalenderjahr multipliziert mit dem geltenden Prozentsatz für das laufende Kalenderjahr.
1563
Auf Antrag kann die KSK die Höhe der Vorauszahlungen herab setzen. Voraussetzung dafür ist, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Bemessungsgrundlage erheblich unter der des vergangenen Jahres liegen wird.
1564
Über die Entgelte sind fortlaufende und nachprüfbare Aufzeichnungen zu machen. Diese Aufzeichnungen sind fünf Jahre lang aufzubewahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Entgelte fällig geworden sind. EDV-mä586
II. Die Voraussetzungen des KSVG
Teil K
ßige Aufzeichnungen sind ausreichend, sofern sie die gleichen Anforderungen erfüllen wie schriftliche Aufzeichnungen. Neben dieser Aufzeichnungspflicht besteht auch die Pflicht zur Auskunftserteilung. Dabei müssen auf Verlangen Unterlagen vorgelegt werden, wobei die KSK wählen darf, wo sie die Unterlagen einsehen will.
1565
Gemäß § 30 KSVG richten sich die Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV.
1566
Die Verjährung richtet sich gemäß § 31 KSVG nach § 25 SGB IV.
1567
Mit Zustimmung der Künstlersozialkasse können nach § 224 zur Abgabe Verpflichtete eine Ausgleichsvereinigung bilden, die ihr der Künstlersozialkasse gegenüber obliegenden Pflichten erfüllt. Die Mitglieder dieser Ausgleichsvereinigungen müssen also ihre Pflicht nicht selbst erfüllen. Mittlerweile gibt es mehrere solcher Ausgleichsvereinigungen, die für Verlage, Musikverlage oder auch Galeristen die Künstlersozialabgabe abführen.
1567a
13. Bußgeldvorschriften Versicherte handeln ordnungswidrig, wenn sie gegen § 11 Abs. 2 oder § 12 Abs. 1 Satz 1 KSVG verstoßen.
1568
Zur Abgabe Verpflichtete handeln ordnungswidrig, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig – entgegen § 27 Abs. 1 Satz 1 KSVG die Summe der sich nach § 25 KSVG ergebenden Beträge nicht rechtzeitig oder nicht richtig meldet, – entgegen § 28 Satz 1 KSVG Aufzeichnungen nicht, nicht richtig oder nicht vollständig führt oder – der Auskunfts- und Vorlagepflicht nach § 29 KSVG auf Verlangen nicht, nicht richtig oder nicht vollständig nachkommt.
1569
Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 5 000 Euro geahndet werden.
14. Erstattungsverfahren Zu Unrecht entrichtete Beträge sind zu erstatten. Ist der Berechtigte einverstanden, so kann die zu viel gezahlte Künstlersozialabgabe mit künftigen Ansprüchen verrechnet werden. Verzinsung und Verjährung richten sich nach § 27 SGB IV.
1570
15. Die Künstlersozialkasse Wie erwähnt, ist die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung in Wilhelmshaven zur Durchführung der Künstlersozialversicherung zuständig. Sie hat ihren Sitz in der Gökerstraße 14, 26384 Wilhelmshaven und führt die Bezeichnung Künstlersozialkasse. 587
1571
Teil K 1572
Event und Künstlersozialversicherung
Ihre Aufgabe besteht erstens in der Feststellung der versicherungspflichtigen Künstler und Publizisten sowie der abgabepflichtigen Unternehmer und zweitens in der Durchführung der Künstlersozialversicherung.37 Zur Beratung der Künstlersozialkasse ist ein Beirat eingerichtet. Vorgeschlagen werden die Mitglieder des Beirats von Interessenverbänden der Versicherten und Verpflichteten. Berufen werden sie vom Bundesarbeitsminister. Neben der beratenden Tätigkeit wirken die Beiratsmitglieder in den Widerspruchsausschüssen mit, die für die verschiedenen Bereiche gebildet werden.
16. Verfahrensvorschriften 1573
Die Künstlersozialkasse ist Teil der öffentlichen Verwaltung. Ihre Entscheidungen sind deshalb Verwaltungsakte. Dagegen ist der Widerspruch möglich. Entscheidungen über den Widerspruch werden von den Widerspruchsausschüssen getroffen. Gegen ablehnende Widerspruchsbescheide kann der Beschwerte vor den Sozialgerichten klagen. Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Kläger seinen Wohnsitz hat.
1574
Theoretisch besteht auch die Möglichkeit, dass die Künstlersozialkasse die Entscheidung des Widerspruchsausschusses beanstandet. Bleibt der Ausschuss bei seiner Entscheidung, kann das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde eingeschaltet werden. Checkliste Künstlersozialversicherung Bin ich (oder ist mein Auftraggeber) abgabepflichtiger Unternehmer? fi Unternehmen, deren Gegenstand auf eine der Katalogtätigkeiten gerichtet ist, § 24 Abs. 1 KSVG, fi sonstige Unternehmen, die nicht nur gelegentlich künstlerische oder publizistische Leistungen in Anspruch nehmen. Welche Leistungen fallen in die Bemessungsgrundlage? fi Hauptleistung (Entgelt) fi Nebenleistung (Flug, Unterkunft, Transfer etc.) fi Abzüglich der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer Wann habe ich der KSK die Summe der Beträge zu melden? fi Bis zum 31. März des Folgejahres Wie habe ich die Meldung abzugeben? fi Auf einem Vordruck der KSK Wann habe ich die Künstlersozialabgabe zu zahlen? fi Nach Aufforderung (Abgabebescheid) der KSK.
37 Fischer/Reich, Der Künstler und sein Recht, § 12 Rz. 58, 59.
588
II. Die Voraussetzungen des KSVG
Teil K
Habe ich Vorauszahlungen zu leisten? fi Jeweils bis zum 10. eines Monats Wie hoch sind die Vorauszahlungen? fi Bemessungsgrundlage des vorausgegangenen Jahres dividiert durch zwölf Monate und multipliziert mit dem aktuellen Prozentsatz, soweit der vorauszuzahlende Betrag 40 Euro übersteigt. Welche sonstigen Pflichten habe ich zu erfüllen? fi Fortlaufende und nachprüfbare Aufzeichnungen über alle Entgelte sind zu erstellen. fi Alle Aufzeichnungen sind fünf Jahre aufzubewahren, beginnend nach Ablauf des Jahres, in dem die Entgelte fällig wurden. fi Auf Verlangen Auskunft zu erteilen und Unterlagen vorzulegen.
589
Anhang I. Rechtsprechung zum Veranstaltungsrecht/Verkehrssicherungspflichten Die Rechtsprechung zum Veranstaltungsrecht hat ihren Schwerpunkt im Bereich Haftungsfragen. Im Folgenden soll ein Überblick über die Entscheidungen der deutschen Gerichte zu typischen Themen wie Lärmbelästigung, Haftung und Verkehrssicherungspflichten gegeben werden. Auch verschiedene andere für den Veranstaltungssektor relevante Entscheidungen werden zusammengefasst.
Adventsveranstaltung mit Senioren Den Organisatoren einer Massenveranstaltung (Adventsfeier für ältere Leute in einer Veranstaltungshalle) erwächst die Verpflichtung, das Erforderliche für die Sicherheit der Besucher zu veranlassen. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf die Sicherung des Zu- und Abgangs der Besucher.1 Eine Pflichtverletzung des Veranstalters ist darin zu sehen, dass er die Besucher im Dunkeln zu den auf einem unbefestigten Parkplatz abgestellten Bussen gehen ließ, ohne sich zuvor zu vergewissern, dass die Außenbeleuchtung der Gaststätte eingeschaltet sein werde. Der Veranstalter. kann nicht zu seiner Entlastung vorbringen, er habe darauf vertraut, dass das Reklamelicht der Gastwirtschaft eingeschaltet sei und dieses eine ausreichende Beleuchtung des Zugangs zu den parkenden Omnibussen gewährleisten werde. Die Verantwortlichen hätten sich erkundigen müssen, ob die Außenbeleuchtung der Gaststätte nicht etwa – was für eine Gaststätte nicht fern lag und vorliegend der Fall war – wegen eines Ruhetags ausgeschaltet bleiben werde. Angesichts der nicht unbeträchtlichen Gefahr für die überwiegend betagten Besucher genügten die Verantwortlichen den Sicherungsanforderungen nicht, solange infrage kam, dass der Rückweg zu den Bussen bei völliger Dunkelheit über unebenes Gelände eingeschlagen werden musste.
Ausfall einer Konzerttournee Der Inhaber eines Betriebs für Beleuchtungstechnik und Lichtdesign wurde von einer Konzertveranstalterin der Rock- und Pop-Musik beauftragt, für eine Vergütung von 450 DM (ca. 230 Euro) für jeden Konzert-, Aufbau- und Probeabend sowie 225 DM (ca. 115 Euro) für jeden vorbereitungs-, reise- und veranstaltungsfreien Tourneetag zzgl. Umsatzsteuer, als Beleuchtungstechniker von September bis November 1997 die Tournee der Musikgruppe „Tic Tac Toe“ zu begleiten. Die geplante Tournee wurde aufgrund von Streitigkeiten zwischen den Sängerinnen zunächst verschoben und später vollständig abgesagt. Der Beleuchtungstechniker nahm die Veranstalterin daraufhin auf entgangenen Verdienstausfall in Anspruch, weil er für diesen Zeitraum auf ein anderes Engagement verzichtet hatte. Das Gericht2 gab der Klage statt und nahm an, dass ausreichende Anhaltspunkte für eine stillschweigende Übernahme des Veranstaltungsrisikos durch die Konzertveranstalterin vorgelegen hätten.
Biergärten/Verschiedenes Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat entschieden, dass Anwohner in einem Mischgebiet mit Wohngebäuden und Gewerbebetrieben nicht das Recht haben, die Eröffnung eines Biergartens zu verhindern.3 1 BGH v. 21.11.1989 – VI ZR 236/89, MDR 1990, 530. 2 BGH v. 18.10.2001 – III ZR 265/00, NJW 2002, 595 = WM 2002, 235. 3 OVG Koblenz – 1 A 10884/96.
591
Anhang
Rechtsprechung
Besucher von Biergärten müssen nach einer Entscheidung des Landgerichts München damit rechnen, dass die Wege uneben und asphaltierte Teilstücke nicht frei von Rollsplitt sind.4
Demonstrationen Die Veranstalter einer Demonstration haften für Schäden Dritter, wenn sie keine Vorkehrungen zur Verhinderung von Gewaltanwendungen getroffen haben, etwa durch die Bestellung einer ausreichenden Anzahl von Versammlungsordnern, obwohl dies eine sehr wahrscheinliche Folge der Demonstration war.5 Allein der Aufruf zu einer Demonstration schafft nach einhelliger Auffassung jedoch keine besondere Gefahr, die eine unbedingte Verkehrspflicht zum Schutz fremden Eigentums vor jeglichen Verletzungen, auch Exzesstaten, oder der Gesundheit eingesetzter Polizisten begründen könnte, sofern wenigstens ein Ordnungsdienst bestellt wurde.6 Demgemäß trifft die Veranstalter nach Meinung des BGH auch keine Haftung für unvermeidliche Nebenfolgen einer Demonstration, die durch die Meinungsfreiheit und das Versammlungsgrundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG gedeckt sind, wie etwa Verkehrsstörungen oder die zeitweilige Behinderung des Zugangs zu einem Gewerbebetrieb, es sei denn, dass dies das Ziel der Demonstration war, zB bei der Blockade eines Zeitungsunternehmens.7
Eishockey/Schutz vor Verletzungen Der Veranstalter eines Eishockeyspieles bzw. der Eigentümer einer Eissporthalle muss bei einem großen Spiel nicht nur an den Stirnseiten, sondern auch an den Längsseiten des Spielfeldes Netze oder Plexiglaswände anbringen. Dies entschied der BGH im wohl bekanntesten Urteil im Bereich von Sportveranstaltungen. Anlass für den Rechtsstreit bildete die Verletzung eines Zuschauers durch einen über die Absperrungen geschossenen Eishockeypuck. Interessant ist dabei, dass der BGH den Umfang der Verkehrspflicht weiter als die DIN-Normen fasste, die für die Längsseiten einen geringeren Schutz vorsahen. Somit wurde der Veranstalter nicht dadurch entlastet, dass er sich an die technischen Vorgaben hielt. Der BGH stellte fest, dass DIN-Normen zwar einen brauchbaren Maßstab für die Konkretisierung der Verkehrspflicht darstellen, den Veranstalter jedoch nicht von einer besonderen und gewissenhaften Beurteilung der Sicherheitserwartungen entbinden.8 Der Veranstalter eines Eishockey-Lehrgangs für Kinder ist nach Ansicht des OLG München verpflichtet, die hinter den Eishockeytoren angebrachten Fangnetze daraufhin zu überprüfen, ob sie der einschlägigen DIN-Vorschrift entsprechen. Diese Untersuchungspflicht entfällt auch dann nicht, wenn der Lehrgang in der Halle des Bundesleistungszentrums stattfindet, die auch regelmäßig vom Deutschen Eishockey-Bund e.V. benutzt wird.9 Ein Eishockeyverein verletzt seine Verkehrssicherungspflicht, wenn er als Veranstalter von Eishockeyspielen nicht dafür sorgt, dass auch an den Spielfeldseiten vor oder hinter den Spielerbänken die in der DIN 18036 vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen aus form4 LG München v. 21.12.1994 – 24 O 605/94, VersR 1996, 770. 5 OLG Karlsruhe, OLGZ 1980, 494 (496); OLG Karlsruhe, Die Justiz 1980, 437 f.; Staudinger/Hager, E Rz. 15. 6 BGH v. 24.1.1984 – VI ZR 37/82, NJW 1984, 1226; Staudinger/Hager E Rz. 15 gegen OLG Karlsruhe v. 10.4.1974 – 12 U 111/73, NJW 1974, 1824 f. 7 BGH v. 30.5.1972 – VI ZR 139/70, NJW 1972, 1571. 8 BGH v. 29.11.1983 – VI ZR 137/82, VersR 1984, 164. 9 OLG München v. 2.4.1998 – 14 U 622/97, OLGReport 1999, 187.
592
Rechtsprechung
Anhang
stabilem Material – etwa aus Plexiglas – bis zu einer Höhe von 0,85 m über der Oberkannte der Banden angebracht sind. Wenn wegen fehlender Schutzvorkehrungen gemäß der DIN 18036 ein Zuschauer eines Eishockeyspiels in einem Bereich, in dem mit Zuschauern gerechnet werden muss, durch einen über die Bande hinausgeschossenen Puck verletzt wird, ist der veranstaltende Verein ihm nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf schadensersatzpflichtig.10
Feuerwerk Der Veranstalter eines Feuerwerks hat nach Ansicht des BGH die Sicherheitsanweisungen des Herstellers zu beachten und die Feuerwerkskörper nur bestimmungsgemäß zu gebrauchen. Die Übertragung der Durchführung des Feuerwerks entbindet den Veranstalter entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur Delegation nicht völlig von seinen Pflichten. Außerdem hat er bei der Wahl des Standorts ein technisches Versagen der Feuerwerkskörper sowie deren Abirren oder frühzeitiges Explodieren in Rechnung zu stellen.11 Allerdings muss sich der Zuschauer bei einem Silvesterfeuerwerk auf normale Risiken einstellen, sofern der erlaubnisfreie Feuerwerkskörper bestimmungsgemäß an einem sicheren Standort gezündet wurde.12 Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln ist der Veranstalter einer Silvesterparty verpflichtet, aufzupassen, wenn seine Gäste Feuerwerkskörper abbrennen.13 Im betreffenden Fall hatte die Rakete eines Gastes einen Wohnungsbrand verursacht. Der Veranstalter und Wohnungsinhaber musste ein Drittel seines Schadens selbst tragen, den Rest hatte der Gast zu zahlen.
Flugtag/Beschädigung des Nachbargrundstückes Bei einem Flugtag mit etwa 50 000 Zuschauern drangen mehrere Zuschauer über den abgrenzenden Maschendrahtzaun in das Gelände einer benachbarten Reifenversuchsanlage und beschädigten dabei den Zaun sowie eine Beregnungsanlage. Der BGH bejahte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für den beklagten Verein als Veranstalter des Flugtages, da es in Anbetracht der zu erwartenden Zuschauermassen und dem Zustand des Abgrenzungszaunes abzusehen gewesen sei, dass es zu entsprechenden Beschädigungen auf dem Grundstück des Klägers kommt.14
Flugveranstaltung/Genehmigung beim Drachenflug Eine Genehmigung darf nicht erteilt werden, wenn der Schutz der Zuschauer nicht gewährleistet ist.15 Bei der geplanten Flugveranstaltung handelte es sich erklärtermaßen um eine „Weltpremiere“. Es gab also für Drachenflüge, bei denen der Pilot von einer Betonpiste aus auf Rollski startet und von einem Pkw mit einem Schleppseil gezogen wird, damals keinerlei Erfahrungswerte. Die Genehmigungsfähigkeit einer solchen Luftfahrtveranstaltung unterliegt, zumal wenn diese – im Rahmen einer anderen Veranstaltung – zu Werbezwecken durchgeführt werden soll, besonders strengen Anforderungen. Die Si10 11 12 13 14 15
OLG Düsseldorf v. 27.2.1998 – 22 U 74/97, OLGReport 1998, 298. BGH v. 14.10.1964 – IB ZR 7/63, NJW 1965, 197 (199). BGH v. 9.7.1985 – VI ZR 71/84, NJW 1986, 52 f. OLG Köln v. 23.2.2000 – 11 U 126/99, NJW 2000, 2905. BGH v. 2.10.1979 – VI ZR 245/78, NJW 1980, 223 f. BGH v. 2.7.1987 – III ZR 79/86, MDR 1988, 127.
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Anhang
Rechtsprechung
cherheit der Zuschauer genießt unbedingten Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen des Werbeveranstalters. Eine solche Veranstaltung darf nur dann genehmigt werden, wenn aufgrund gesicherter Prognose, gegebenenfalls mit Hilfe besonderer Schutzvorkehrungen, eine Gefährdung von Leben und Gesundheit der Zuschauer auszuschließen ist. Diese dürfen darauf vertrauen, dass die zuständigen staatlichen Stellen die Genehmigungsvoraussetzungen sorgfältig geprüft und dabei die Sicherheitsbelange der Zuschauer vorrangig berücksichtigt haben. Die Sicherheitsprüfung dient danach auch dem Schutz des einzelnen Zuschauers vor Schäden, die ihm anlässlich der Veranstaltung durch einen Flugunfall zugefügt werden können. Insoweit kommt mithin den Vorschriften der §§ 24 Abs. 2 LuftVG, 74 Abs. 2 Nr. 2 LuftVZO drittschützende Wirkung zu.
Fußball/Absicherung des Spielfeldes; Spielfeldmarkierungen Auch beim Fußball besteht die Gefahr von unkontrolliert geschlagenen Bällen. Absicherungen des Spielfeldes können dabei zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Spielern, Zuschauern und sonstigen Dritten relevant werden. Beim Fußball wird aber im Unterschied zum Eishockey – wegen der Größe und Geschwindigkeit des Spielgerätes – davon ausgegangen, dass der Zuschauer das Spielgeschehen ständig verfolgt und einem abirrenden Ball vorzeitig ausweichen kann. Eine Zuschauerin verlangte als Klägerin von der Gemeinde als Eigentümerin eines Sportplatzes Schadensersatz für eine Verletzung bei einem Fußballspiel der Kreisliga B. Ein gestürzter Spieler rutschte vom 6 m entfernten Spielfeldrand auf die Zuschauerin zu und verursachte bei ihr einen Fuß- und Kniebruch. In einer Entscheidung des OLG Karlsruhe wurde die Verpflichtung einer ländlichen Gemeinde zur Errichtung von Zäunen, Schutzgittern oder ähnlichem, um Zuschauer in einer Entfernung von 6 m vom Spielfeldrand vor Einwirkungen aus dem Spielfeld zu schützen, abgelehnt. Die Errichtung solcher Sicherheitsabsperrungen soll nach Ansicht des Gerichts dem Schutz von Spielern und Schiedsrichtern vor aufgebrachten Zuschauern dienen und ein unplanmäßiges Betreten des Platzes verhindern. Bei dörflichen Spielfeldern seien derartige Sicherheitsvorkehrungen aber weder gebräuchlich noch erforderlich.16 Bei Großveranstaltungen müssen allerdings vorbeugende Maßnahmen, wie die räumliche Trennung von Fanblöcken oder Absperrungen zwischen Zuschauern und Spielfeld vorgenommen werden. Wenn trotz eines 6 m hohen und 28 m breiten Ballfangzaunes ein Fußball über diesen hinweg geschossen wird und an einem dahinter gelegenen Haus erheblichen Sachschaden anrichtet, liegt nach dem LG Aachen keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Laut Gericht gibt es keine gesetzlichen Vorschriften, die die Maße von Ballfangzäunen festlegten. Der Kläger könne daher auch nicht darlegen, dass den Veranstalter eine Pflicht treffe, einen 3 m höheren Zaun zu errichten.17 In einer anderen Entscheidung urteilte das Gericht, dass der Veranstalter eines Fußballspiels mit der Errichtung eines 6,30 m hohen Ballfangzaunes hinter den Toren seine Verkehrssicherungspflicht gegenüber Rechtsgütern Dritter erfüllt habe. Ein über den Ballfangzaun geschossener Ball hatte hier die Heckscheibe eines in der Nähe abgestellten PKW zertrümmert. Das Gericht beurteilte die Gefahr eines derartig hoch geschlagenen Balles als so gering, dass keine Verkehrspflicht des Veranstalters zur Erhöhung des Zaunes bestehe.18
16 OLG Karlsruhe, VersR 1981, 962. 17 LG Aachen v. 13.1.1988 – 4 O 377/87, NJW-RR 1988, 665. 18 LG Ellwangen, VersR 1991, 1265.
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Rechtsprechung
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Gegenteilig entschied das LG Dortmund, als es den Eigentümer eines Fußballplatzes für verantwortlich erklärte, anliegende Grundstücke vor abirrenden Bällen zu schützen.19 Ein Ballfangzaun mit einer Höhe von 8–9 m hinter dem Torbereich sei nicht immer ausreichend. In diesem Fall wurden fünf Scheiben des Wintergartens eines Anliegers in einem Zeitraum von 5 Monaten durch Fußbälle zerstört. Bei einem Gesamtschaden von 1 481,50 DM (ca. 760 Euro) erachtete das Gericht den durchschnittlichen Schaden von 300 DM (ca. 150 Euro) pro Monat als nicht mehr hinnehmbar. In einem anderen Fall markierte der beklagte Verein als Veranstalter eines Liga-Bezirksspiels die Spielfeldlinien mit gelöschtem Kalk. Gelöschter Kalk wirkt mit Wasser als wässrig alkalische Lösung stark ätzend, daher ist die Verwendung für Spielfeldmarkierungen seit längerer Zeit nicht mehr üblich. Bei einem Fußballspiel rutschte ein Spieler über die Außenlinie, die mit gelöschtem Kalk markiert war, und zog sich schmerzhafte Brandverletzungen zu. Das LG Hannover sprach dem Spieler gegen den gastgebenden Verein einen Schadensersatzanspruch zu. Der Veranstalter eines offiziellen Fußballspiels haftet für die Verletzungen unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht.20
Herbstlaub/Nässe Der Kläger, ein Besucher eines Balles in einer Stadthalle, rutschte bei Verlassen des Balles gegen 2.00 Uhr morgens auf herab gefallenem Herbstlaub auf der Stadthallentreppe aus und verletzte sich. Das OLG Hamm entschied, dass der beklagte Betreiber einer Stadthalle seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt, wenn er während einer Veranstaltung neu herab fallendes Laub nicht entfernt. Zwar müsse gewährleistet sein, dass die zur Halle führenden Zuwege unter Einschluss der Treppenanlagen sich in einem möglichst gefahrlosen Zustand befinden, was im Herbst auch die Entfernung von nassem Herbstlaub einschließe. Allerdings dürfe ein Besucher des Balles bei einigermaßen vernünftiger Einschätzung nicht erwarten, dass die auf dem Vorplatz der Halle gelegenen Treppen und Zuwege auch noch in den späten Abend- und Nachtstunden von nassem Herbstlaub gereinigt würden.21 In einer anderen Entscheidung lehnte das OLG Köln eine Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters ab, die in den Eingangsbereich der Halle getragene Nässe schon während des ersten starken Besucherandranges zu beseitigen.22 Hier hatte die Besucherin einer Karnevalsveranstaltung, die bei Betreten der Veranstaltungsräume auf dem feuchten Steinfußboden ausgerutscht war und sich eine Hüftprellung zugezogen hatte, auf Schmerzensgeld und Kosten einer Haushaltshilfe geklagt. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Sorgfaltsanforderung an die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters überspannt würde, wenn er neben einer Matte zur Aufnahme der groben Nässe im Eingangsbereich auch noch die naturgemäß durch hohen Besucherandrang entstehende Nässe hinter der Matte sofort zu beseitigen. Hier seien die Besucher wegen der erkennbaren Nässe gehalten, entsprechend vorsichtig zu gehen. In gleicher Weise entschied das OLG Köln einer Karnevalsveranstaltung mit mehr als 10 000 Besuchern, der Veranstaltung „Lachende Kölnarena“. Der Veranstalter hat im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht zwar alles Zumutbare zu tun, um Unfälle zu vermeiden, insbesondere Flure und Treppen regelmäßig zu reinigen, ist aber nicht verpflichtet, dies auch noch zu tun, wenn am Ende einer solchen Veranstaltung deren Besucher über die Treppen zum Ausgang strömen. Er ist auch nicht verpflichtet, Behälter aufzustellen, in die Getränkereste entsorgt werden können. Der Besucher einer solchen Veranstal19 20 21 22
LG Dortmund v. 28.3.1995 – 3 O 585/94, NJW-RR 1995, 1364. LG Hannover, Nds.Rpfl. 1987, 214. OLG Hamm v. 27.10.1992 – 9 U 27/92, OLGReport 1993, 196. OLG Köln v. 13.7.1993 – 22 U 34/93, VersR 1994, 1251.
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tung muss sich der typischen Risiken (Getränkereste auf Fluren und Treppen) bewusst sein und hierauf einstellen.23 Ein Gastwirt muss nach Auffassung des OLG Düsseldorf während einer Tanzveranstaltung in seinen Gasträumen den Fußboden der Tanzfläche in einem zum Tanzen geeigneten, verkehrssicheren Zustand halten.24 Dazu muss er dafür Sorge tragen, dass eine durch verschüttete Geränke entstandene gefährliche Glätte auf der Tanzfläche alsbald beseitigt wird oder, wenn dies kurzfristig nicht möglich ist, die Benutzer der Tanzfläche in geeigneter Weise gewarnt werden. Wenn ein Tänzer im Bereich einer gefährlich glatten Stelle der Tanzfläche stürzt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit dieser Glätte.
Jagdveranstaltung/Sicherung der Straßen Der Veranstalter einer Jagd hat im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht dafür Sorge zu tragen, dass durch die Durchführung einer Treib- oder Drückjagd das Wild nicht in Richtung auf eine befahrene Straße getrieben oder gedrückt wird. Insoweit reicht es aus, wenn durch die Jagd eine bestehende Wildwechselgefahr über eine befahrene Straße erhöht wird. Der Jagdveranstalter ist gehalten, durch möglichst dichte Treiberketten, Anbringen von Jagdlappen entlang der gefährdeten Straßen sowie durch Aufstellung von Warnbildern und Warnposten ein, auch rückwärts angelegtes, Ausbrechen des Wildes in Richtung Straße zu verhindern.25
Karnevalsumzug/Verletzung von Zuschauern Der Veranstalter eines Karnevalsumzuges ist nach Überzeugung des LG Trier nicht verpflichtet, den Zugteilnehmern Anweisungen über das Werfen von Süßigkeiten zu erteilen.26 Hier war einem Zuschauer durch den Bonbonwurf aus einem der Wagen ein Schneidezahn abgebrochen. Das Gericht verneinte eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Veranstalters. Das Werfen von Süßigkeiten und kleinen Gegenständen in die Zuschauermenge sei bei einem Karnevalsumzug üblich. Eine Verletzung der Zuschauer sei durch den Veranstalter nicht gänzlich auszuschließen. Hier müsse der Zuschauer die entsprechenden Gefahren kennen und sich dementsprechend einrichten. Nach Auffassung des LG Rottweil ist bei Fastnachtsumzügen dem Charakter der Veranstaltung und ihren inhärenten Gefahren für die Beteiligten Rechnung zu tragen. So kann selbstverständlich nicht vom Veranstalter verlangt werden, dass das Werfen von Bonbons oder kleineren Gegenständen in die Zuschauermenge unterlassen wird, allenfalls von größeren oder schweren Gegenständen.27 In einem anderen Fall wurde ein Zuschauer durch den Sprung eines maskierten Umzugteilnehmers in die Menge zu Fall gebracht und erheblich verletzt.28 Das LG Ravensburg entschied, dass der Veranstalter eines Karnevalsumzuges verpflichtet sei, vermeidbare Gefahren von den Zuschauern fernzuhalten. Er müsse daher dafür Sorge tragen, dass durch Aufsichtspersonen in den einzelnen Umzugsgruppen die Befolgung der Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet bleibt. Eine lediglich schriftlich abgefasste Aufforderung, sich nicht von der Gruppe zu entfernen, reiche daher nicht aus. 23 24 25 26 27 28
OLG Köln v. 28.6.2002 – 19 U 7/02, OLGReport 2002, 335. OLG Düsseldorf v. 19.6.1998 – 22 U 228/97, OLGReport 1999, 78. BGH v. 10.12.1976 – VI ZR 32/74, VersR 1976, 593 = MDR 1976, 567. LG Trier v. 7.2.1995 – 1 S 150/94, NJW-RR 1995, 1364. LG Rottweil v. 28.11.1973 – 1 S 73/73, VersR 1974, 917 (918). LG Ravensburg v. 15.8.1996 – 3 S 145/96, NJW 1997, 402.
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Dagegen haftet der Veranstalter eines Fastnachtsumzuges nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Waldkirch nicht, wenn ein Zuschauer beim Überqueren der Straße zwischen den einzelnen Narrengruppen mit einem Narren zusammenstößt und zu Fall kommt.29 Der Veranstalter muss nach Auffassung des Gerichts geeignete und zumutbare Maßnahmen gegen eine nahe liegende Verletzung von Rechtsgütern Dritter treffen, indem Verhaltensregeln für die Umzugsteilnehmer aufgestellt und überwacht werden. Eine Pflicht des Veranstalters zur kompletten Straßenabsperrung bestand nicht. Eine Absperrung zum Zuschauerbereich ist nach Auffassung des LG Ravensburg nicht erforderlich und würde dem Charakter des Fastnachtsumzugs widersprechen.30 Ebenso wenig muss der Veranstalter eines Karnevalsumzuges Aufpasser abstellen, um Straftaten einzelner Umzugsteilnehmer gegenüber Dritten zu verhindern. Eine Haftung des Veranstalters kommt nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Köln nicht in Frage, wenn es zu strafbaren Exzessen von Zugteilnehmern kommt, die am Straßenrand abgestellten Fahrzeuge beschädigen.31 Beim sog. „Kölner Geisterzug“ wurden zwei Fahrzeuge des Klägers von Zugteilnehmern beschädigt. Insgesamt entstand durch Aufsitzen, Überlaufen und Zerkratzen der Fahrzeuge mit abgebrochenen Flaschen eine Schaden von mehr als 7 000 DM (ca. 3 500 Euro). Das Gericht lehnte eine Haftung des Veranstalter auch unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens ab, da es bei den Beschädigungshandlungen um mutwillige Handlungen der Schädiger außerhalb des Zuges handelte, die für den Veranstalter weder voraussehbar noch zu verhindern waren. Bei einer weiteren Gerichtsentscheidung ging es um einen während eines Karnevalsumzugs erlittenen Hörschaden einer Zuschauerin. Diese klagte, weil sie durch eine langsam heran nahende Gruppe eines Karnevalsumzugs, die in regelmäßigen Abständen Böllerschüsse aus einer sog. Weinbergskanone abschossen, ein Knalltrauma im rechten Ohr erlitten hatte. Das Gericht lehnte eine Haftung des Veranstalters ab. Begründet wurde dies damit, dass ein Zuschauer sich auf eine Gefahrensituation durch abgegebene Böllerschüsse hätte einstellen und darauf z.B. durch Vergrößerung des Abstandes hätte reagieren können.32 Ähnlich urteilte das Amtsgericht Überlingen, wonach der Veranstalter einer Fronleichnamprozession nicht haftet, wenn eine Prozessionsteilnehmerin durch Salutschüsse der beteiligten Bürgerwehr ein schweres Knalltrauma erleidet. Die Schussfolge wurde vorher angekündigt. Die Teilnehmerin hätte wie die anderen Prozessionsteilnehmer im Wege des Selbstschutzes die Ohren zuhalten können.33
Kegeln/Verletzungen bei Benutzung der Bahnen Die Klägerin rutschte auf der Kegelbahn, auf der sich angetrocknete Putzmittelrückstände (Wachs) befunden haben, aus, als sie eine zurückgerollte Kugel von der Kugellaufbahn zurückholen wollte. Das Gericht stellte heraus, dass die Kugellauffläche von der Anlauffläche der Kegelspieler klar abgegrenzt sei und dass die Spieler die Kugellauffläche nicht zu betreten hätten. Auch sei das Zurückrollen der Kugel technisch ordnungsgemäß erfolgt, so dass ein Eingreifen der Klägerin nicht nötig gewesen sei. Außerdem habe die Kugel vom Seitenrand aus auf-
29 30 31 32 33
AG Waldkirch v. 25.3.1999 – 1 C 12/99, NJW 1999, 1971. LG Ravensburg v. 15.8.1996 – 3 S 145/96, NJW 1997, 402. AG Köln v. 19.6.1998 – 111 C 422/97, NJW 1999, 1972. LG Trier v. 5.6.2001 – 1 S 18/01, NJW-RR 2001, 1470. AG Überlingen v. 26.5.2004 – 6 C 1269/04, NJW 2004, 2835.
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genommen werden können, so dass sich die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen muss.34 In einem anderen Fall wurde eine Kegelbahn an Erwachsene vermietet. Auf der Kegelbahn wurden Kinder während der Benutzung der Anlage verletzt. Das LG Wiesbaden entschied, dass der Kegelbahnunternehmer keine Vorsorge gegen die regelwidrige, unübliche und unvorsichtige Benutzung durch Kinder treffen müsse.35
Kirmesveranstaltungen/Karussellhaftung Der Inhaber eines Jahrmarktkarussells muss nach Rechtsprechung des OLG Düsseldorf durch geeignete Absperrungen oder Anweisungen an sein Personal dafür Sorge tragen, dass Benutzer des Karussells nicht zu früh auf die sich noch drehende Drehscheibe aufspringen.36 Der Betreiber eines Fahrgeschäfts hat den Benutzer vor der Fahrt auf die gebotenen Verhaltensweisen hinzuweisen.37 Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass Passanten oder Zuschauer nicht in den Gefahrenbereich eines Kettenkarussells geraten dürfen.38 Gleiches gilt nach dem OLG Hamm auch für Kindereisenbahnen.39 Nach Ansicht des BGH muss erkennbar Angetrunkenen die Benutzung von Fahrgeschäften verwehrt werden, wenn Gefahren für den Angetrunkenen oder Dritte bestehen.40 Zu den anlagentypischen und damit hinzunehmenden Risiken eines Autoskooters gehören die Gefahren durch gegenseitiges Anstoßen und Bedrängen. Vor der Gefahr ausrollender Fahrzeuge und dem erforderlichen Abwarten zum Ein- und Aussteigen ist durch deutliche akustische Zeichen und Warnungen vor Ende der Fahrt hinzuweisen. Dies führt dazu, dass nach Auffassung des BGH bei Autoskootern darf Kindern die alleinige Benutzung nur gestattet werden, wenn sie entsprechend ihrer Altersgruppe die nötige Beherrschung des Karussells oder anderen Fahrgeschäfts aufweisen. Dies ist nach Ansicht des BGH bei Kindern ab 12 Jahren der Fall.41 Während des Fahrbetriebs ist eine kontinuierliche Überwachung des Verhaltens der Fahrgäste und der in unmittelbarer Nähe anwesenden Zuschauer durch eine ausreichende Zahl an Aufsichtspersonen erforderlich, um bei Gefahren jederzeit eingreifen zu können.42 Leisten Benutzer oder Zuschauer nicht den Anweisungen Des Schaustellers Folge, muss notfalls der Fahrbetrieb eingestellt werden.43 Zur Konkretisierung der Verkehrspflichten können die von den Ländern erlassenen gewerberechtlichen Richtlinien zum Bau und Betrieb fliegender Bauten herangezogen werden, 34 35 36 37 38 39 40 41
LG Stuttgart, ZfS 1990, 295. LG Wiesbaden, VersR 1982, 659. OLG Düsseldorf v. 15.1.1999 – 22 U 137/98, NJW-RR 1999, 1188. BGH, VersR 1959, 107. OLG Oldenburg, VersR 1956, 441. OLG Hamm v. 14.12.1992 – 12 U 211/92, OLGReport 1993, 119 LS. BGH, VersR 1957, 247 f. BGH, VersR 1977, 334 (335); für 14-jährige OLG Nürnberg v. 7.5.1986 – 9 U 230/86, NJW-RR 1986, 1224 f. 42 BGH, VersR 1957, 247; 1962, 990 (991); OLG Düsseldorf v. 28.7.1993 – 22 U 51/93, NJW-RR 1994, 24. 43 BGH, VersR 1959, 107.
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ohne dass diese abschließend wären oder bindenden Charakter für die deliktsrechtlichen Pflichten hätten.44 Eine Abgrenzung zum Laufsteg der Zuschauer bei einem Autoskooter nach Ansicht des OLG Köln nicht erforderlich.,45 Das OLG Nürnberg verlangt allerdings eine rutschfeste und griffige Fahrfläche46 Das OLG Köln ist der Auffassung, dass bei Schießbuden oder Wurfpfeilständen Gefahren für Zuschauer durch Querschläger vermieden werden müssen, zumindest muss durch Warnhinweise darauf aufmerksam gemacht werden.47
Künstlersozialabgabepflicht von Laienchören und Gesangsvereinen Ein Chor der nur zweimal jährlich in öffentlichen Veranstaltungen auftritt und dessen Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten, ist nach Auffassung des Bundessozialgerichts nicht künstlersozialabgabeverpflichtet.48 Die beschriebenen Zwecke stehen bei den Chormitgliedern im Vordergrund und der Chorgesang wird weder haupt- noch nebenberuflich ausgeübt. Derartige Tätigkeiten sollten nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers nicht erfasst werden.
Ladenschlussgesetz/ähnliche Veranstaltung Eine „ähnliche Veranstaltung“ iSm Sinne des § 14 14 Abs. 1I LadSchlG, die einen verkaufsoffenen Sonntag rechtfertigen kann, liegt vor, wenn die Veranstaltung örtlicher, kultureller, religiöser, sportlicher oder auch sonstiger außergewöhnlicher Art ist und sich von Veranstaltungen an „normalen“ Sonn- und Feiertagen abhebt, einen „beträchtlichen Besucherstrom“ anzieht und aus diesem Grund Anlass bietet, die Offenhaltung von Verkaufsstellen freizugeben.49
Lärmimmissionen/Keine einheitliche Zumutbarkeitsgrenze Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass verschiedene angerufene Gerichte die Zumutbarkeitsgrenze bei Lärmimmissionen (hier das OLG und OVG Koblenz in Bezug auf eine Live-Musik-Veranstaltung) unterschiedlich bestimmen.50
Märkte/Marktbeschicker/Volksfeste Auf einem Altstadtfest kam es zu schweren Verbrennungen eines Besuchers, weil der Angestellte eines nicht anwesenden Marktbeschickers an einem Imbiss-Stand Brennspiritus auf die noch glühende Holzkohle eines Grills goss und damit eine Ethylalkoholverpuffung auslöste. Eine Klage gegen den Schädiger und den Marktbeschicker hatte Erfolg. Allerdings verlief die Beitreibung der Ansprüche nahezu fruchtlos. Daraufhin verklagte der Geschädigte den veranstaltenden Verein auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das zuständige 44 BGH VersR 1977, S. 334 f.; OLG Nürnberg v. 7.5.1986 – 9 U 230/86, NJW-RR 1986, 1224; OLG Karlsruhe, VersR 1986, 479. 45 OLG Köln, VersR 1952, 150 f. 46 OLG Nürnberg v. 7.5.1986 – 9 U 230/86, NJW-RR 1986, 1224. 47 OLG Köln v. 13.1.1993 – 2 U 58/92, VersR 1990, 871, 872 = MDR 1993, 629. 48 BSG v. 16.4.1998 – B 3 KR 5/97 R, MDR 1998, 1419. 49 VGH Mannheim v. 17.5.1995 – 1 S 1306/95, MDR 1995, 1033. 50 BVerwG v. 17.7.2003 – 4 B 55/03, NJW 2003, 3360.
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OLG Düsseldorf entschied, dass der Kläger aus keinem haftungsrechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche gegen den Festveranstalter herleiten könne. Der geschädigte Besucher sei weder in den Schutzbereich des Standmietvertrages zwischen Organisator und Standbetreiber, noch des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen Veranstalter und Organisator einbezogen.51 Nach Ansicht des OLG Jena Der Betreiber eines Verkaufsstandes auf einem Wochenmarkt haftet neben der Gemeinde und der Marktmeisterin für in den öffentlichen Verkehr hineinragende Vordächer, die eine Verletzungs- oder Kollisionsgefahr, etwa mit dem LKW eines Anlieferers, begründen.52 Nach einem Urteil des OLG Hamm sind Marktplätze so zu gestalten, dass an Markttagen – auf Grund der damit zusammenhängenden Ablenkung durch die Marktstände – keine zusätzlichen, marktfremden Gefahren für Besucher ausgehen können.53 Jeder Marktanbieter oder Schausteller muss nach Auffassung des OLG Karlsruhe entsprechend den allgemeinen Grundsätzen die zumutbaren Sicherungsmaßnahmen treffen, um Benutzer, insbesondere Kinder, vor Gefahren zu schützen, die über das jedermann erkennbare und übliche Risiko hinausgehen. Vor dem anlagentypischen Risiko, um dessen Willen der Jahrmarkt gerade aufgesucht wird und das der Benutzer beherrschen kann, muss er indes nicht bewahrt werden.54 Bei einem Volksfest oder Jahrmarkt muss zudem berücksichtigt werden, dass es den Benutzern durch die aufgelockerte Stimmung an der nötigen Aufmerksamkeit fehlt oder dass sie sogar zu verbotswidrigem Verhalten tendieren.55 Provisorisch installierte elektrische Versorgungsanlagen sind nach Ansicht des OLG Köln entweder gegen Beschädigungen, auch durch mutwillige Manipulation, zu sichern oder zumindest durch regelmäßige tägliche Kontrolle auf ihre Unversehrtheit zu prüfen.56 Soweit ein Standbetreiber nicht nach § 1 SchaustellerhaftpflichtVO (BGBl. 1994 I 1598) eine Haftpflichtversicherung abschließen muss, besteht nach Meinung des OLG Düsseldorf keine Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters, die Standbetreiber zum Abschluss einer solchen Versicherung zu verpflichten.57 Es ist nach Auffassung des OLG Jena in erster Linie Aufgabe der Gemeinde als Veranstalterin, durch eine entsprechende Organisation dafür Sorge zu tragen, dass die von den Pferdefuhrwerken und den Planwagen anlässlich einer Massenveranstaltung ausgehenden Gefahren im Rahmen des Zumutbaren möglichst gering gehalten werden. Dazu gehört es auch, durch konkrete Handlungsanweisungen bzw. entsprechendes Personal dafür Sorge zu tragen, dass das Anspannen der Pferde an dem Tag des Festumzugs an einem sicheren Ort geschah und dass sich im Zeitpunkt des Anspannens der Pferde nicht schon Besucher/ Mitwirkende an oder auf dem Planwagen befinden konnten.58
51 52 53 54 55
OLG Düsseldorf v. 29.10.1996 – 24 U 210/95, NJW-RR 1997, 1314 ff. OLG Jena, VersR 1998, 990 (991). OLG Hamm v. 13.1.2006 – 9 U 143/05, NJW-RR 2006, 1100 f. OLG Karlsruhe, VersR 1986, 479. BGH, VersR 1957, 247; 1962, 990 f.; OLG Düsseldorf v. 28.7.1993 – 22 U 51/93, NJW-RR 1994, 24. 56 OLG Köln, VersR 1970, 229 f. 57 OLG Düsseldorf v. 29.10.1996 – 24 U 210/95, NJW-RR 1997, 1314 (1316). 58 OLG Jena v. 4.3.1997 – 3 U 600/96, OLGReport 1997, 252.
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Multifunktionales Bürgerhaus/Verletzung durch glatte Bodenfläche In einem Bürgerhaus, in dem Vorträge, Tagungen, private Feierlichkeiten, Vereinsfeiern, Seniorenveranstaltungen, Konzerte, Tanzstunden, Abschlussbälle und andere kulturelle Veranstaltungen stattfinden, stürzte eine Konzertbesucherin auf dem glatten unversiegelten Parkettboden. Das Gericht bejahte die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Betreiber der Stadthalle. Allein die Tatsache, dass ein Bürgerhaus bekanntermaßen multifunktional genutzt wird, entbinde die Betreiber nicht von der Verpflichtung, für die Sicherheit während der verschiedenen Veranstaltungsarten Sorge zu tragen.59In einem ähnlich gelagerten Fall, konnte eine Stadtgemeinde, die ein Bürgerhaus unterhält, in dem verschiedene Veranstaltungen, darunter Konzerte und Tanzabende durchgeführt werden, einem Konzertbesucher, der auf dem glatten Parkett gestürzt ist, nicht entgegenhalten, die Nutzung des Saals auch für Tanzveranstaltungen sei allgemein bekannt, daher habe er sich auf einen glatten Boden einstellen müssen.60 Hier wurde die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht angenommen. Ein Gastwirt muss nach Ansicht des OLG Düsseldorf während einer Tanzveranstaltung in seinen Gasträumen den Fußboden der Tanzfläche in einem zum Tanzen geeigneten, verkehrssicheren Zustand halten; dazu muss er dafür Sorge tragen, dass eine durch verschüttete Getränke entstandene gefährliche Glätte auf der Tanzfläche alsbald beseitigt wird oder, wenn dies kurzfristig nicht möglich ist, die Benutzer der Tanzfläche in geeigneter Weise gewarnt werden. Wenn ein Tänzer im Bereich einer gefährlich glatten Stelle der Tanzfläche stürzt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit dieser Glätte.61
Nebenkostenersatz bei Konzertausfall Der Besucher eines Konzertes, welches aufgrund einer Erkrankung der Solistin ausfallen musste, hat keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrt- und Übernachtungskosten. Das Gericht lehnte die Erstattung dieser Nebenkosten unter dem Gesichtspunkt der nutzlosen Aufwendungen ab, weil der Schaden allein in der Vereitelung des bezweckten optimalen Konzertgenusses lag, was einen immateriellen Schaden darstellt. Die Fahrt- und Übernachtungskosten wären auch bei Durchführung des Konzertes angefallen und stellten daher keinen ersatzfähigen Schaden dar.62
Pferdesport/Beseitigung von Abfall bzw. gefährlichen Gegenständen Während einer Pferderennveranstaltung stürzte die klagende Zuschauerin über eine auf der Tribünentreppe liegende Getränkedose und zog sich Verletzungen zu. Das OLG Köln entschied, dass der Veranstalter einer größeren Sportveranstaltung nicht gehalten ist, schon während der laufenden Veranstaltung weggeworfenen Unrat und Abfälle zu entfernen. Die Zuschauer müssten damit rechnen, dass die Treppen der Zuschauertribünen während einer Veranstaltung mit Abfall verunreinigt sind und hätten die erforderliche Vorsicht bei der Begehung zu beachten.63
59 60 61 62 63
OLG Frankfurt/M. v. 14.7.1994 – 15 U 76/93, OLGReport 1995, 54 = MDR 1995, 270. OLG Frankfurt/M. v. 14.7.1994 – 15 U 76/93, MDR 1995, 270. OLG Düsseldorf v. 19.6.1998 – 22 U 228/97, OLGReport 1999, 78. LG Lüneburg v. 11.8.2000 – 8 S 41/00, NJW 2001, 614. OLG Köln v. 29.11.1993 – 12 U 83/93, OLGReport 1994, 96.
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Rechtsprechung
In einem anderen Fall sprach das OLG Hamm den Veranstalter eines Reitturniers von der Verpflichtung frei, den Turnierplatz während einer Veranstaltung ständig nach gefährlichen Gegenständen abzusuchen. In diesem Fall war eines der Leistungssportpferde mit der Hinterhand in einen rostigen Nagel getreten und musste wegen schlechter Heilprognose getötet werden. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Veranstalter einer Verletzungsgefahr der Tiere durch Beschaffungsmängel des Geländes zwar begegnen müsse, ein ständiges Absuchen des Geländes vor und während der Veranstaltung aber wirtschaftlich unzumutbar sei. Selbst der Einsatz eines Metalldetektors vor Beginn der Veranstaltung und eine regelmäßige Kontrolle könnten das Risiko einer derartigen Verletzung nicht ausschließen.64
Privatveranstaltungen Auch bei privaten Feiern müssen Vorkehrungen zum Schutz der Besucher getroffen werden. So genügt es nach Auffassung des OLG Oldenburg bei einer Party in einer Scheune die Warnung, sich nicht auf den durchbruchgefährdeten Dachboden zu begeben, nicht aus. Vielmehr muss zusätzlich die dorthin führende Leiter entfernt werden.65 Bei einer Grillparty sind Kinder,66 aber auch Erwachsene.67 in sichere Entfernung vom Grill zu bringen, wenn dieser mit Spiritus angezündet wird. Ebenso wenig darf ein erloschener Grill mit einer Flasche Spiritus zurückgelassen werden, wenn mit spielenden Nachbarskindern gerechnet werden muss.68 Ein Lagerfeuer muss beaufsichtigt und vor Verlassen der Feuerstelle gelöscht werden; diese Pflichten dienen aber nicht dem Schutz der Teilnehmer der Feier, die in das Feuer stürzen.69 Der Veranstalter darf allerdings darauf vertrauen, dass sich Menschen nicht bewusst einer offenkundigen Verbrennungsgefahr durch Berührung mit der Glut aussetzen.70
Rave-Party/Vorkehrungen gegen Schädigungen Dritter Ursache für eine Klage eines Bauunternehmens vor dem LG Hamburg waren Beschädigungen iHn Höhe von 4 628,34 DM (ca. 2 370 Euro), die durch Teilnehmer einer sog. „Generation Rave Party“ an einer umzäunten Baustelle an der Veranstaltungsstrecke verursacht wurden. Absperrungen wurden geöffnet, Baustellencontainer aufgebrochen, FußgängerSchutzgänge beschädigt und Getränke entwendet. Das LG hat entschieden, dass der Beklagte als Initiator der Massentanzveranstaltung mit 20 000 Teilnehmern im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht auch geeignete und zumutbare Vorkehrungen gegen eine zu erwartende Verletzung von Rechtsgütern Dritter durch die Veranstaltungsteilnehmer zu treffen hat.71
64 65 66 67 68 69 70 71
OLG Hamm – 27 U 100/94. OLG Oldenburg, VersR 1992, 73. OLG Hamm v. 15.12.1997 – 6 U 66/96, NJW-RR 1998, 1181. OLG Düsseldorf v. 30.8.1990 – 10 U 7790, MDR 1990, 1117 = VersR 1992, 113. OLG Hamm v. 25.4.1996 – 6 U 142/95, OLGReport 1996, 162 (164). OLG Celle, VersR 1997, 251 (252). OLG Hamm, VersR 1999, 501. LG Hamburg v. 30.10.1997 – 309 S 26/97, NJW 1998, 1411.
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Rennveranstaltungen/Vorkehrungen bzgl. typischer Gefahren Ein Zuschauer eines Stockcar-Rennens stand 30 cm von der Rennstrecke entfernt an einem Imbiss-Stand und wurde durch einen aufgewirbelten Stein verletzt. Das Gericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Zuschauer aufgrund der Besonderheiten einer solchen Veranstaltung mit einem derartigen Risiko rechnen müssen.72 Der Ausrichter einer Radrennsportveranstaltung muss die Teilnehmer nicht vor solchen Gefahren schützen, die mit der Beteiligung an einem derartigen Rennen typischerweise verbunden sind. So entschied der BGH, dass die Gefahr bei einem Radrennen gegen harte Gegenstände wie Bordsteinkanten, Leitplanken, Straßenbäume oder Verkehrsschilder zu stoßen, jedem Rennteilnehmer bewusst sein müsse. Der Veranstalter müsse daher diese Risiken auch nicht ausräumen.73 In einem anderen Fall sprach das OLG Karlsruhe einen elfjährigen Seifenkistenfahrer von einer Haftung für eine Verletzung von Zuschauern bei einem Seifenkistenrennen frei.74 Der Seifenkistenfahrer verlor im Zielbereich aufgrund eines Fahrfehlers die Kontrolle über sein Fahrzeug und fuhr in die Zuschauermenge. Der vorläufige Sach- und Personenschaden wurde mit 78 355,07 DM (ca. 40 000 Euro) beziffert. Die in Anspruch genommene Haftpflichtversicherung des veranstaltenden Vereines klagte die Hälfte dieses Betrages vom jungen Fahrer ein. Die Klage wurde abgewiesen. Der Veranstalter habe – da er entgegen behördlicher Auflagen keine Sicherung durch Strohballen im Zielauslauf installierte – seine Verkehrssicherungspflicht gegenüber Zuschauern und Fahrern so grob verletzt, dass er den Fahrer im Innenverhältnis von jeglicher Haftung freistellen müsse. Nach Ansicht des LG Offenburg ist es nicht ausreichend, die Zuschauer bei einem Seifenkistenrennen allein durch das Aufstellen von Strohballen neben der Fahrbahn zu schützen. Im zugrunde liegenden Fall kollidierte einer der Fahrer mit einem Zuschauer, der in Bezug auf die dabei erlittenen Verletzungen Fahrer und Veranstalter auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagte. Seine Klage hatte in Bezug auf den Veranstalter Erfolg, in Bezug auf den Fahrer nicht. Nach Ansicht des Gerichts hätte der Veranstalter die Strecke durch ausreichende Vorkehrungen absichern müssen, die Strohballen seien dafür ungeeignet gewesen, da Seifenkisten jeder Bauart und damit auch sehr schwere Fahrzeuge teilnehmen konnten.75 Bei einem Motorradrennen hatte der Veranstalter es versäumt, entgegen entsprechender Vorschriften die Pfosten der Leitplanken durch Strohballen abzusichern. Dadurch war es zu einer schweren Beinverletzung eines der Rennfahrer gekommen. Das OLG Saarbrücken hielt daher einen Schmerzensgeldanspruch iH von 35 000 DM (ca. 17 900 Euro) für begründet.76 Das LG Bonn wies die Klage eines Autofahrers, dessen Fahrzeug bei einem Straßenradrennen beschädigt wurde, gegen den beklagten Veranstalter ab. Ca. 30 km vor dem Zielbereich streifte einer der Radfahrer, der entgegen ausdrücklicher Anweisung die linke Fahrbahnhälfte befuhr, das Fahrzeug des Klägers. Dabei wurden Außenspiegel und Fahrertür beschädigt. Der Radfahrer konnte nicht ermittelt werden. Eine Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters sei nach Ansicht des Gerichts nicht verletzt, da eine 170 km lange Strecke nicht durch eine geschlossene Ordnerkette oder ähnliches abgesichert werden könne. Der Geschädigte könne sich in diesen Fällen nur an den unmittelbaren Verursacher halten.77 72 73 74 75 76 77
LG Landshut – 1 S 1404/84. BGH, VersR 1985, 64; VersR 1986, 705. OLG Karlsruhe v. 28.10.1993 – 4 U 133/93, NJW-RR 1994, 413. LG Offenburg. v. 23.12.2004 – 1 S 65/04, NJW-RR 2005, 532. OLG Saarbrücken v. 2.2.1990 – 3 U 144788, DAR 1991, 102 f. LG Bonn v. 6.9.1996 – 4 S 74/96, MDR 1997, 149.
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Nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1974 haften gegenüber einem bei einem Autorennen durch einen aus der Bahn brechenden Wagen verletzten Zuschauer sowohl die Veranstalter als auch Rennleiter, Streckenabnahmekommissare und die die Oberste Nationale Sportkommission (ONS) bildenden Automobilclubs (ADAC, AvD). Nach Auffassung des Gerichts hätte neben den Strohballenreihen und einem die Strecke begrenzenden Maschendrahtzaun eine die Zuschauer schützende Sicherheitszone geschaffen werden müssen.78 Bei fehlender Vollsperrung einer Teilstrecke eines Radrennens kann sich der Veranstalter nach Auffassung des OLG Hamm nicht auf ein Mitverschulden eines Rennteilnehmers berufen, wenn dieser in einem 30 km/h-Bereich mit 60 km/h fährt. Geschwindigkeitsbeschränkungen auf einer Radrennstrecke sind mit dem Sinn und Zweck eines sportlichen Wettkampfes nicht zu vereinbaren.79 Der BGH hat in Bezug auf die Kollision von zwei Rennteilnehmern bei einem Überholvorgang einen Schadenseratzanspruch des einen Rennteilnehmers gegenüber dem anderen abgelehnt. Das Gericht nimmt dabei an, dass die Teilnahme an Wettbewerben mit nicht unerheblichem Haftungspotential bei Einhaltung der Wettbewerbsregeln oder geringfügiger Regelverletzung im Falle eines unversicherten Schadens keine Schadensersatzansprüche zwischen den Rennteilnehmern auslösen kann.80 Allerdings stellte der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 klar, dass der grundsätzliche Haftungsausschluss zwischen den Teilnehmern eines sportlichen Wettbewerbs mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential bei bestehendem Versicherungsschutz nicht gilt. Im entschiedenen Fall war es bei der 35. „Akademischen“, einer Motorsportveranstaltung, die von der zuständigen Stadtverwaltung als Fahr- und Sicherheitstraining genehmigt war, zu einem Auffahrunfall mit hohem Sachschaden gekommen. Der für die Teilnehmer untereinander geltende Haftungsausschluss begünstigt nach Auffassung des Senats nicht einen etwaigen Haftpflichtversicherer.81
Rockkonzerte/Lärm/Gesundheitsschäden/Stage Diving Bei Rock-Konzerten (Heavy-Metal) soll der Veranstalter nach Ansicht des BGH gehalten sein, durch geeignete Maßnahmen Hörschäden der Besucher zu vermeiden.82 In diesen Fällen kann die Überschreitung entsprechender technischer Normen einen Anhaltspunkt bieten und auch die Anwendung des Anscheinsbeweises rechtfertigen.83 Andere Gerichte nehmen dies nur für unübliche Gesundheitsrisiken an; Zu berücksichtigen ist allerdings, ob die Teilnehmer eines solchen Konzerts sich bewusst bestimmten Risiken aussetzen, so dass die Haftung insb. es bei deutlichen Warnhinweisen im Einzelfall auch entfallen kann.84 Ohne Hinzutreten besonderer Umstände, etwa mangelnde Möglichkeiten des 78 79 80 81 82
BGH v. 26.11.1974 – VI ZR 164/73, NJW 1975, 533 ff. OLG Hamm v. 10. 2.1999 – 13 U 124/98, NJW-RR 2000, 1416. BGH v. 1.4.2003 – VI ZR 321/02, NJW 2003, 2018. BGH v. 29.1.2008 – VI ZR 98/07, MDR 2008, 688 = NJW 2008, 1591. BGH v. 13.3.2001 – VI ZR 142/00, MDR 2001, 808 = NJW 2001, 2019 (2020); OLG Karlsruhe v. 30.3.2000 – 19 U 93/99, JZ 2000, 789 m. Anm. Stadler/Bensching; OLG Koblenz v. 13.9.2001 – 5 U 1324/00, NJW-RR 2001, 1604; OLG Zweibrücken v. 26.8.1999 – 6 U 40/98, NJW-RR 2001, 595 f.; LG Trier v. 29.10.1992 – 3 S 191/92, NJW 1993, 1474. 83 BGH v. 13.3.2001 – VI ZR 142/00, MDR 2001, 808 = NJW 2001, 2019 f. 84 Ähnlich im Hinblick auf § 254 OLG Zweibrücken v. 26.8.1999 – 6 U 40/98, NJW-RR 2001, 595 (596); anders OLG Koblenz v. 13.9.2001– 5 U 1324/00, NJW-RR 2001, 1604 = VersR 2003, 336, wonach der Geschädigte auf die verkehrssichere Durchführung des Konzerts vertrauen durfte.
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Selbstschutzes der Zuhörer durch Ausweichen, müssen auch keine Absperreinrichtungen in unmittelbarer Nähe des Bühnenbereichs errichtet werden85 Ein Diskjockey ist nicht für den Hörschaden einer Besucherin verantwortlich, wenn nur ein Sachverständiger die Gefährlichkeit eines bestimmten Songs erkennen konnte86 Der Veranstalter eines Heavy-Metal-Konzerts ist verpflichtet, alle erforderlichen und möglichen Vorkehrungen zu treffen, um Hörschäden der Zuhörer zu verhindern.87 Bei dieser Entscheidung des LG Trier hatte der 15-jährige Besucher eines Heavy-Metal-Konzertes einen durch ein akutes Lärmtrauma verursachten beidseitigen Hörsturz erlitten. Die angestrengte Schmerzensgeldklage hatte iH von 1 600 DM (ca. 800 Euro) Erfolg. Das vom Veranstalter ausgewählte Kellergewölbe sei aufgrund seiner hohen Dynamik-Spitzen ungeeignet für derartige Konzerte. Außerdem sei weder ein Schallpegel-Begrenzer noch ein Dezibel-Messer eingebaut gewesen. In einer neueren Entscheidung des OLG Koblenz erlitt die jugendliche Besucherin eines Boygroup-Konzertes verschiedene schwerwiegende Hörschäden (Innenohrschädigung, Tinnitus, Schwindelsymptomatik). Die Veranstalter bestritten die Schadensursächlichkeit und machten ein Mitverschulden des Mädchens geltend, da diese in der unmittelbaren Nähe der Boxen gestanden habe. Das Gericht sprach der Besucherin wegen Verletzung der Aufsichtspflicht über die Gefahrquelle „Lärmpegel“ durch deie Veranstalter Schadensersatz und Schmerzensgeld zu.88 Ein Mitverschulden sei nicht gegeben, weil ein Konzert so durchgeführt werden muss, dass unabhängig vom Standort des Hörers keine Gefahren für die Besucher entstehen. In einem ähnlichen Fall, über den der Bundesgerichthof zu entscheiden hatte, erlitt die Besucherin eines Punk-, Hardcore- und Grunge-Rockkonzerts im Rahmen eines Zelt-MusikFestivals einen Hörsturz. Nach Auffassung des Gerichts ist der Veranstalter eines derartigen Events verpflichtet, den Konzertbesucher vor Gehörschäden zu schützen. Allein gelegentliche Messungen unter Berücksichtigung der DIN-Norm 15905 Teil 5 „Maßnahmen zum Vermeiden einer Gehörgefährdung des Publikums durch hohe Schalldruckpegel bei Lautsprecherwiedergabe“ reichten nicht aus, um der Verkehrssicherungspflicht genüge zu tun. Vielmehr müsse der Veranstalter selbstständig prüfen, welche Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Zuschauerschädigungen erforderlich seien.89 Ein einmal im Jahr im Rahmen eines Sommervolksfestes statt findendes Rockkonzert darf nach Auffassung des BGH als seltenes Störereignis bis ca. 24.00 Uhr einen Geräuschpegel von 70 db(A) aufweisen, danach dürfen 55 db(A) nicht mehr überschritten werden. Aufgrund der Seltenheit der Veranstaltung seien derartige Belästigungen für die Anwohner zumutbar und damit bis zu den angegebenen Geräuschpegeln auch nach 22.00 Uhr hinzunehmen.90 Nach Auffassung des Landgerichts Hechingen kommt eine Haftung des Veranstalters nicht in Betracht, wenn ein 15-jähriger Konzertbesucher von einer Musikband zum sog. Stage-Diving (Springen von der Bühne in die Zuschauermenge) animieren lässt. Es ist nicht von der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters umfasst, Stage-Diving im Vorfeld der Veranstaltung zu verbieten oder durch Sicherheitsvorkehrungen solche Sprünge zu unterbinden.91 85 86 87 88 89 90 91
OLG Zweibrücken v. 26.8.1999 – 6 U 40/98, NJW-RR 2001, 595 (596). OLG München v. 23.10.2006 – 17 U 3944/06, NJW 2007, 704. LG Trier v. 29.10.1992 – 3 S 191/92, NJW 1993, 1474. OLG Koblenz v. 13.9.2001– 5 U 1324/00, NJW-RR 2001, 1604 ff. BGH v. 13.3.2001 – VI ZR 142/00, MDR 2001, 808, NJW 2001, 2019 f. BGH v. 26. 9.2003 – V ZR 41/03, NJW 2003, 3699. LG Hechingen v. 15.4.2002 – 2 O 389/01, NJW-RR 2003, 84.
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Nach Auffassung des OLG Hamm kann es durchaus erforderlich sein, den Bühnenbereich bei einem Rockkonzert durch Absperrgitter oder Barrieren, die in einem gewissen Abstand vor der Bühne aufgestellt sind, zu sichern. Möglicherweise können weitere Ordnungskräfte erforderlich sein, die im Bereich der Absperrgitter postiert sind. Es kann aber auch genügen, die Bühne allein durch eingriffsbereite Ordnungskräfte zu beaufsichtigen. Keinesfalls genügt es aber, dass sich zwei Ordnugnskräfte hinter den Boxentürmen aufhalten. Damit war voraussehbar, dass diese Ordnungskräfte den Bühnenbereich nicht aufmerksam im Blick haben konnten und zu spät eingreifen würden, um Stage-Diving zu verhindern. Allerdings trifft den Stage-Diver ein Drittel Mitverschulden an einer beim Springen erlittenen Verletzung.92 Für Theateraufführungen besteht keine Warnpflicht des Theaters hinsichtlich von Schreckschüssen, wenn bei einer Aufführung derjenige Sicherheitsgrad erreicht war, der nach der herrschenden Verkehrsauffassung in dem entsprechenden Bereich für erforderlich erachtet wird. Das Abfeuern einer Schreckschusspistole mit einer Lautstärke bis zu 129 db(A) führt nicht zu einer Haftung des Theaters für Gehörschäden eines besonders empfindlichen Zuschauers. Der vorgeschädigte Besucher hat sich nach Ansicht des Gerichts durch den Besuch der Aufführung selbst in Gefahr gebracht, da eine Vorschädigung mit Tinnitusleiden vorlag.93 Für die Selbstgefährdung sprach nach Auffassung des Gerichts auch, dass keiner der 23 000 anderen Zuschauer nach der Aufführung ähnliche Beschwerden hatte.94
Rodelabfahrt/Atypische Gefahren Die für die Skipisten entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung, nach denen nur vor atypischen und verborgenen Gefahren zu warnen und zu sichern ist, finden entsprechend Anwendung auf Rodelbahnen. Eine atypische Gefahr ist gegeben, wenn die Bahn derart vereist ist, dass keine Bremsmöglichkeit besteht. Voraussetzung ist, dass die Bahn ausgebaut und unterhalten wird.95 Bei der Rückfahrt von einem Skirechtsseminar mit einem Rodel bei Mondschein verletzte sich einer der Teilnehmer erheblich, als er nach längerer gerader Wegstrecke in einer Linkskurve über den linken Rand des Weges hinaus in ein 3 m tiefes neben dem Weg gelegenes Bachbett abstürzte. Der Kläger begehrte vom Seminarveranstalter Ersatz von Verdienstausfall und Zahlung von Schmerzensgeld wegen Verletzung seiner vertraglichen Schutzpflichten aus dem Seminarvertrag. Das OLG Köln wies die Klage des Seminarteilnehmers ab, da der Veranstalter einer Rodelabfahrt lediglich vor atypischen Gefahren der Rodelstrecke zu warnen habe. Der teilweise kurvige Verlauf einer Rodelstrecke entspreche den typischen Gefahren, denen der Rodler durch angepasste Geschwindigkeit und Fahren auf Sicht zu begegnen habe.96
Saalleihe Überlässt eine Stadt einem Verein leihweise einen Saal für eine Veranstaltung, bei der eine Chorsängerin mitwirkt und dadurch verletzt wird, dass sie auf dem Parkettfußboden ausrutscht und hinfällt, so haftet die Stadt der in den Schutzbereich des Leihvertrages ein92 OLG Hamm v. 29.10.2001 – 13 U 146/01, OLGReport 2002, 193. 93 OLG Frankfurt/M. v. 29.7.2004 – 1 U 254/03, NJW 2004, 2833. 94 BGH v. 8.11.2005 – VI ZR 332/04, MDR 2006, 569 = NJW 2006, 610 f.; zur Vorinstanz OLG Frankfurt v. 29.7.2004 – 1 U 254/03, NJW 2004, 2833 f. 95 BGHZ 71, 1093. 96 OLG Köln v. 29.11.1993 – 12 U 83/93, OLGReport 1994, 96.
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bezogenen Verletzten.97 Die Stadt haftet dem Verein. auf Grund positiver Verletzung des Leihvertrages. Zumindest als Nebenpflicht besteht auch bei dem Leihvertrag die Vertragsverpflichtung, die Rechtsgüter des anderen nicht zu verletzen. Die Pflichtverletzung ist darin zu sehen, dass der Parkettboden zu glatt war. Ebenso wie ein rutschiger Übergang in einem Parkhaus ein Mangel des über einen Einstellplatz geschlossenen Mietvertrages ist, stellt ein übermäßig glatter Saalparkettboden einen Mangel des Saalleihvertrages dar.
Schelmenmarkt und Ladenschluss Zu den nach § 19 Abs. 3III LSchlG von den Bestimmungen des LSchlG freigestellten Teilnehmern eines Marktes mit gewerberechtlich festgesetzten Öffnungszeiten zählen solche Anbieter nicht, die ihre Ladengeschäfte lediglich aus Anlass und bei Gelegenheit des Marktes für den Publikumsverkehr offen halten. Wie aus den §§ 14 und 16 LSchlG folgt, geben Märkte, Messen oder ähnliche Veranstaltungen den nicht zu den Anbietern auf diesen Veranstaltungen gehörenden Geschäftsleuten, auch wenn ihre Verkaufsstellen im räumlichen Bereich einer derartigen Veranstaltung liegen, nicht das Recht, die für die Veranstaltung festgesetzten Öffnungszeiten auch für sich in Anspruch zu nehmen.98
Scheunenfest Der Teilnehmer eines Festes, das in einer Scheune stattgefunden hat, kann kein Mitverschulden angelastet werden, wenn er sich nach dem Fest auf dem hochgelegenen Scheunenboden zum Schlafen niederlegt und dadurch zu Schaden kommt, dass der Scheunenboden durchbricht.99 Zwar hatte der Vermieter das Betreten des Scheunenbodens gegenüber einzelnen Veranstaltern zunächst untersagt; von diesem Verbot hat der Geschädigte aber keine Kenntnis erlangt. Zudem hat der Vermieter die Veranstalter nicht auf die Durchbruchsgefahr hingewiesen. Außerdem wusste der Vermieter. spätestens am Abend des Festes, dass sich die Veranstalter nicht an das Verbot hielten. Wenn er gleichwohl nicht dagegen einschritt und auch nicht für ein Entfernen der Leiter sorgte, dann konnten Teilnehmer, die von der ursprünglichen Abmachung mit den Veranstaltern nichts wussten, davon ausgehen, dass gegen ein Betreten des Scheunenbodens nichts einzuwenden war und insbesondere von der Tragfähigkeit des Bodens her keine Hinderungsgründe für ein Betreten des Pferdestallbodens bestanden. Dies bedeutet, dass dem Geschädigten die Benutzung des Scheunenbodens zum Schlafen nicht als eigenmächtige Verhaltensweise zur Last gelegt werden darf.
Schulfest in Gemeindehalle Eine Schule feierte ihr 25jähriges Bestehen. Die Veranstaltung fand in einer Halle der Gemeinde statt. An ihr nahmen damalige Schüler, aber auch ehemalige Schüler und Eltern teil. Auf der Bühne der Halle stand ein Flügel, der einem Gesangverein gehörte, der dort regelmäßig probte. Am Tage nach der Veranstaltung war der Flügel, der bei der Schulfeier nicht benutzt worden war, schwer beschädigt. Die Mitglieder des Gesangvereins nahmen das Land als Dienstherrn der Lehrer auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klage wurde in beiden Rechtszügen abgewiesen, da ein Amtshaftungsanspruch, weil sich der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der in Bezug auf die Schüler gegebenen Aufsichtspflichtverletzung der Lehrer und dem Schaden
97 AG Wermelskirchen v. 29.9.1987 – 2a C 129/86, MDR 1988, 407. 98 BGH v. 8.10.1987 – I ZR 182/85, MDR 1988, 380. 99 BGH v. 29.11.1988 – VI ZR 301/87, MDR 1989, 344.
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der Kläger nicht feststellen ließ. Ein Ursachenzusammenhang wäre allenfalls dann gegeben gewesen, wenn es sich bei den Personen, die den Flügel mutwillig beschädigt haben, um damalige Schüler der die Veranstaltung ausrichtenden Schule gehandelt hätte. Die Identität der Schädiger konnte jedoch nicht ermittelt werden.
Schwimmbecken/Technische Einrichtungen und Alkoholeinfluss Im Rahmen einer Technoveranstaltung stellte der Veranstalter ein zum Gebrauch durch die Gäste bestimmtes Schwimmbecken auf. Auf der instabilen Leiter, die ins Schwimmbecken führte, rutschte einer der Besucher ab und stürzte. Nach Ansicht des OLG München musste der Initiator der Technoveranstaltung damit rechnen, dass durch Alkohol beeinträchtigte Besucher auf der instabilen Leiterkonstruktion zu Fall kommen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wurde bejaht.100
Selbsthilferecht des gestörten Nachbarn Wird in dem Biergarten einer Gaststätte ein Rockkonzert veranstaltet und von einem Nachbarn nach vergeblicher Abmahnung dadurch beendet, dass er ein Verstärkerkabel durchtrennt, so macht er sich nicht wegen eines Eingriffes in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schadensersatzpflichtig.101 Die öffentlich-rechtliche Genehmigung einer Musikveranstaltung, selbst wenn sie sich auf das tatsächlich veranstaltete Rockkonzert bezogen hätte, bedeutete keinerlei Einschränkung der zivilrechtlichen Abwehrmöglichkeiten eines Nachbarn, der sich gegen Lärmimmissionen wehren möchte.
Skater-Weltmeisterschaft 1998 Der Veranstalter einer Massenveranstaltung mit über 10 000 Besuchern, die über mehrere Tage geht und bei der er den – zumeist jugendlichen – Besuchern auch die Möglichkeit bietet, auf einem umzäunten Parkplatz zu übernachten, muss jedenfalls dann, wenn nach den Erfahrungen der Vorjahre auch mit gewaltbereiten Besuchern und mit bestimmten nächtlichen Ausschreitungen zu rechnen ist, auf dem Parkplatz auch über Nacht durch ausreichendes Ordnungspersonal sicherstellen, dass diese Ausschreitungen unterbunden wurden, bevor sie unkontrollierbar geworden sind und dann Dritte geschädigt werden. 8–10 Ordner für rund 500 zum Teil gewaltbereite Personen reichen dazu nach Auffassung des OLG Hamm nicht aus.102
Skisport/Verhaltens- und Sicherheitspflichten Auf Skipisten und -abfahrten besteht für den Veranstalter eine Verkehrspflicht. Veranstalter ist dabei nicht nur derjenige, der ein Skirennen durchführt, sondern auch der, der die Skipiste unterhält, also der Bergbahn- oder Skiliftunternehmer. Der Veranstalter muss die Gewähr dafür übernehmen, dass die Pistenbenutzer vor verdeckten und atypischen Gefahren geschützt werden mit denen ein verantwortungsbewusster Skifahrer nicht rechnen muss (z.B. Betonsockel, Löcher, Abbrüche, lebensgefährlich vereiste Pistenabschnitte oder ähnliche nicht pistenkonforme Gefahrenquellen). Der Skifahrer muss seine Geschwindigkeit und Fahrweise seinem Können, den Gelände- und Witterungsbedingungen, dem Erscheinungsbild und dem angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste anpassen. Ei100 OLG München v. 17.3.1995 – 32 W 3051/94, OLGReport 1995, 160. 101 OLG Karlsruhe v. 24.1.1992 – 10 U 163/91, MDR 1992, 483. 102 OLG Hamm v. 15.11.1999 – 6 U 108/99, OLGReport 2000, 90.
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sige Stellen, Schwungbuckel, Mulden und schlechte Schneequalität liegen daher in seinem Verantwortungsbereich. Ein Schleppliftunternehmer muss in einen Übungshang integrierte scharfkantige Liftstützen so abpolstern, dass die Verletzungsgefahr bei einem Aufprall verringert wird.103
Sonntagsruhe/Flohmarkt Die Veranstaltung eines Flohmarkts gegen Entgelt an Sonn- und Feiertagen verstößt gegen den Schutz der Sonntagsruhe.104 Nach ihrem Gesamtcharakter dient die Veranstaltung eines Flohmarktes nicht der Unterhaltung oder Volksbelustigung, sondern dem Verkauf und Kauf von Gegenständen. Sie ist damit eine auf Warenumsatz gerichtete Marktveranstaltung.
Straßenbeleuchtung bei besonderer Abendveranstaltung Bei einer volkstümlichen Veranstaltung in Erding („Moosgeistertreiben“) stürzte der Kläger über einen Fahrradständer. Zuvor hatte die Stadt die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet, um den Reiz der Veranstaltung zu erhöhen. Das OLG München verneinte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die beklagte Stadt. Die mit der Dunkelheit verbundene erhöhte Gefahr würde bei einer derartigen Veranstaltung vom Verkehr bewusst in Kauf genommen.105
Sturz im Theater Der Träger eines Theaters ist nicht verpflichtet im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht Handlauf an den im Zuschauerraum aufsteigenden Stufengängen anzubringen. Der Theaterbesucher verletzte sich, als er mit dem Fuß an der Rutschsicherung einer Stufe hängen blieb und mit dem anderen Fuß an einem eingelassenen Beleuchtungselement abrutschte. Nach Auffassung des entscheidenden OLG Jena, war ein solcher Hergang für den Veranstalter nicht vorhersehbar und durch das Anbringen eines Handlaufes wohl auch nicht vermieden worden.106
Surfkurs/Verletzungen von Teilnehmern; Organisation und Unterrichtsgestaltung Der Veranstalter eines Surfkurses wurde aus deliktischer Haftung in Anspruch genommen, weil sich die Klägerin, eine Schülerin des Kurses bei Entnahme des Surfgerätes aus dem Lagerschuppen am Strand schwer am Auge verletzte.107 Ein am Ende der Aufholleine befindlicher Plastikhaken hatte sich an einem anderen Gegenstand verhakt. Als die Klägerin an der elastischen Leine zog, löste sich der Haken und schnellte in ihr Gesicht. Die Sehfähigkeit des rechten Auges reduzierte sich unfallbedingt auf 10 %. Das OLG Celle wies die Klage mit der Begründung ab, dass keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Kursveranstalters vorgelegen habe. Die Aufholleinen seien regelmäßig ordnungsgemäß und getrennt eingelagert worden. Lediglich am Tag vor dem Unfall hatten surfschulfremde Regattateilnehmer eine Unordnung verursacht, die aber dem Surfkurs103 104 105 106 107
BGH v. 23.10.1984 – VI ZR 85/83, VersR 1985, 64. BayObLG v. 22.4.1986 – 3 Ob OWi 26/86, MDR 1986, 781. OLG München v. 2.4.1992 – 1 U 6533/91, OLGReport 1992, 39. OLG Jena v. 6.10.2005 – 4 U 882/05, NJW 2006, 624. OLG Celle, VersR 1992, 892 (893).
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veranstalter nicht zurechenbar gewesen sei. Die Kontrolle des Lagerschuppens habe nur in größeren Abständen erfolgen müssen. Es könne auch nicht als Fehlorganisation im Unterricht angesehen werden, wenn die Kursteilnehmer für die Entnahme und den Aufbau ihrer Ausrüstung selbst verantwortlich wären. Vielmehr sei dies zum Erlernen der entsprechenden Fähigkeiten zweckmäßig.
Tanzveranstaltung/Sicherung des Parkettbodens Bei einer Tanzveranstaltung stürzte eine Klägerin auf einer angeblich nassen Tanzfläche. Sie erhob gegen den Veranstalter Schadensersatzansprüche, weil dieser die Tanzfläche im Rahmen einer pflichtgemäßen Überprüfung nicht sorgfältig kontrolliert hatte. Das Gericht wies die Klage ab, weil die Klägerin nicht beweisen konnte, dass dem Veranstalter in der vorausgegangenen Tanzpause diese gefährliche Stelle hätte auffallen müssen.108 Das OLG Zweibrücken entschied in einem anderen Fall, dass eine Frau, die auf einem Parkettfußboden ausgerutscht und dabei einen Trümmerbruch ihres rechten Ellenbogengelenks und eine Rippenfraktur erlittenen hatte, keinen Schadensersatzanspruch gegen den Veranstalter hat. Allein die Tatsache, dass in einem Zeitraum von 4 Jahren ca. 20 weitere Personen im Konzertsaal der Veranstaltungshalle gestürzt seien, lasse nicht den Schluss zu, dass keine genügende Schritt- und Trittsicherheit des Parkettbodens gewährleistet sei.109 Bei einer Besucherzahl von 200 000 Besuchern im Jahr indiziere dies keine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Hallenbetreibers. Trotz ordnungsgemäßer Reinigung und Pflege verbleibe bei Parkettfußboden eine Restglätte, der der Besucher durch angepasste Gehweise begegnen könne.
Tanzfläche mit Bierlachen Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein Gastwirt, der es versäumt die Tanzfläche seines Lokals von Bierlachen zu befreien und sich dadurch ein ausrutschender tanzender Gast einen Knöchelbruch zuzieht, zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet ist.110
Tennis/Risikoerhöhung Bei einem Tennisspiel in einer Halle prallte ein Spieler mit dem Kopf gegen einen Eisenpfosten, der die zwischen den Spielfeldern gespannten Netze hielt. Er zog sich eine Gehirnerschütterung und Kopfplatzwunden zu. Das Gericht stellt fest, dass der Veranstalter mit der Aufstellung des Pfostens in 2,31 m Abstand zur Aufschlagquerlinie das Risiko beim Tennisspiel erhöht hat. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt wäre es daher erkennbar gewesen, dass ein Spieler im vollen Spielgeschehen mit dem Pfosten zusammenstoßen kann. Ein derartiges Hindernis stelle eine zusätzliche und vermeidbare Gefahrenquelle dar.111 Eine gegenteilige Entscheidung traf das OLG München bei einem Tennisspieler, der auf einer Freilufttennisanlage auf der Schattenseite des Platzes wegen Feuchtigkeit oder herabgefallenen Baumteilen ausrutschte und sich dabei verletzte. Hier wurden die gering108 109 110 111
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LG Regensburg, VersR 1990, 170. OLG Zweibrücken v. 8.11.1995 – 1 U 64/94, VersR 1997, 379. OLG Düsseldorf v. 19.6.1998 – 22 U 228/97, OLGReport 1999, 78. OLG München, VersR 1988, 739.
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fügigen witterungsbedingten Beeinträchtigungen als nicht atypisch eingestuft, so dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Tennisanlagenbetreiber abgelehnt wurde.112
Unwetter Hurrikan Katrina/Unkosten eines Messebauers Nach einem Urteil des LG Coburg kann ein Messebauer, die im Hinblick auf die Vorbereitung auf eine letztlich wegen dem Hurrikan Katrina abgesagte Messeveranstaltung keine Unkostenerstattung vom beauftragenden Industriekeramikunternehmen verlangen. Die Überflutung von weiten Teilen New Orleans und die damit verbundene Absage der Industriemesse IEEE 2005 lag nicht im Einflussbereich des bestellenden Unternehmens sondern war ein Fall von höherer Gewalt. Der Messebauer blieb daher auf bereits entstandenen Kosten iHn Höhe von 16 000 EuroUR für die Rückgängigmachung der Auslieferung von Messeutensilien durch ein Containerschiff sitzen.113
Verkauf von Eintrittskarten vor Fußballstadien Der Verkauf von Eintrittskarten vor Fußballstadien stellt einen Verstoß gegen das in § 56 Abs. 1I Nr. 1h GewO normierte Verbot des Vertriebs von Wertpapieren dar. Nach Auffassung des OVG Münster handelt es sich bei Eintrittskarten um sog. kleine Inhaberpapiere, die nach herrschender Meinung, auch aufgrund der steigenden Verfälschungsgefahren durch die Fortschritte im Bereich der Kopiertechnik, den Wertpapieren zugerechnet werden.114
Vermietung für eine politische Veranstaltung/Rücktrittsrecht Ein in Verfassungsschutzberichten als rechtsextrem eingestufter eingetragener Verein mit politischer Zwecksetzung mietete bei einer städtischen Eigengesellschaft das „Auditorium“ der Stadthalle für eine Veranstaltung, auf der ein britischer Historiker einen Vortrag mit dem Titel „Das Geheimnis um Rudolf Heß“ halten sollte. Die in den Mietvertrag einbezogenen Mietbedingungen enthielten u.a. folgende Klausel: „IV. Rücktritt vom Vertrag. 1. Die Vermieterin ist berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, wenn durch die beabsichtigte Veranstaltung eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder eine Schädigung des Ansehens der Stadt X oder der Stadthallen-Betriebs-GmbH X zu befürchten ist, … Macht die Vermieterin von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch, stehen dem Mieter keinerlei Schadensersatzansprüche zu.“ Nach Protesten gegen die Veranstaltung erklärte die Beklagte. auf Anweisung der Stadtverwaltung der Kl. den Rücktritt vom Mietvertrag „wegen angekündigter ernstzunehmender Demonstration und der Gefahr von Zerstörungen und Beschädigungen.“ Der Verein verlangte per Klage Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Mietvertrages.115 Insgesamt war der Rücktritt der Vermieterin. von dem Rücktrittsvorbehalt nicht gedeckt und daher vertragswidrig, weil die Vermieterin die politischen Motive des Veranstalters bereits bei Vertragsschluss erkennen konnte. Die Klage des Veranstalters wurde dennoch zurück gewiesen, weil der Veranstalter mit der Nutzung der Stadthalle bzw. mit der geplanten Veranstaltung einen ideellen Zweck verfolgte und die dafür aufgewendeten Kosten auch bei Durchführung des Mietvertrages nicht wieder herein bekommen hätte.
112 113 114 115
OLG München, VersR 1981, 887. LG Coburg v. 28.11.2006 – 22 O 373/06. OVG Münster v. 3.3.2006 – 4 B 1929/05, NJW 2006, 2137. BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, MDR 1987, 399.
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Anhang
Rechtsprechung
Volksverhetzende Veranstaltungen Besteht bei einer Kundgebung aus Anlass des siebten Todestages von Rudolf Hess die konkrete Gefahr, dass der Nationalsozialismus verherrlicht und/oder verharmlost wird, so kann es im Einzelfall gerechtfertigt sein, die Versammlung wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung zu verbieten.116 Bei der Interessenabwägung hat der Senat die Nachteile, die entstehen, wenn die geplante Veranstaltung abgehalten wird, mit den Nachteilen abgewogen, die vom Veranstalter hin zu nehmen sind, wenn die geplante Veranstaltung nicht zu dem gewählten Zeitpunkt stattfindet.
Volleyball/Für Zuschauer erkennbares Risiko Beim Warmspielen für ein bevorstehendes Volleyballspiel wurde eine Zuschauerin von einem Ball im Gesicht getroffen. Das Amtsgericht Moers lehnte eine Haftung des Veranstalters wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht ab, weil das Abprallen eines Balles in die Zuschauermenge das normale, für jedermann offenkundige Risiko bei einer Ballsportveranstaltung nicht übersteige.117
Zugesicherte Eigenschaft Wird bei der Lesung einer Autobiografie der Autor des Buches angekündigt, liest aber stattdessen nur ein enger Mitarbeiter des Autors, so fehlt der Veranstaltung die Authentizität.118 Die Klage des Käufers von 6 Eintrittskarten hatte Erfolg, da das Amtsgericht Rüdesheim davon ausging, dass es sich bei der Zusage einer Lesung durch den Buchautor persönlich um eine zugesicherte Eigenschaft handelte. Eine durch den Autoren selbst durchgeführte Lesung sei wertbeeinflussend und werterhöhend. Somit konnte der Erwerber der Karten vom Vertrag zurück treten und Rückzahlung des Kartenpreises verlangen. Ähnlich entschied das Amtsgericht Hamburg bei der Absage einer Solistin. Nach Auffassung des Gerichts ist die Mitwirkung einer weltbekannten Solistin als zugesicherte Eigenschaft zu werten und somit der Veranstalter zur Rückzahlung des Kartenpreises an den Konzertbesucher verpflichtet.119 Auch beim Tod eines bekannten Dirigenten und dessen Ersetzung durch einen anderen, hat nach Auffassung des Amtsgerichts Mannheim der Veranstalter den Eintrittspreis auf Wunsch zu erstatten.120
116 117 118 119 120
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VGH Mannheim v. 12.8.1994 – 1 S 2239/94, MDR 1995, 107. AG Moers – 7 C 438/84. AG Rüdesheim v. 9.1.2001 – 3 C 233/00, NJW 2002, 615. AG Hamburg – 18a 243/95. AG Mannheim v. 2.10.1990 – 3b C 144/90 NJW 1991, 1490.
Anhang
Frankfurter Tabelle
II. Frankfurter Tabelle121 Art der Leistung I. Unterkunft
Mängelposition
Prozentsatz Bemerkungen
1 Abweichung von dem gebuchten Objekt
10–25
2 Abweichende örtliche Lage (Strandentfernung)
5–15
3 Abweichende Art der Unterbringung im gebuchten Hotel (Hotel statt Bungalow, abweichendes Stockwerk)
5–10
4 Abweichende Art der Zimmer a) DZ statt EZ b) DreibettZ statt EZ c) DreibettZ statt DZ d) VierbettZ statt DZ
20 25 20–25 20–30
5 Mängel in der Ausstattung des Zimmers a) zu kleine Fläche b) fehlender Balkon
5–10 5–10
c) d) e) f) g)
fehlender Meerblick fehlendes (eigenes) Bad/WC fehlendes (eigenes) WC fehlende (eigene) Dusche fehlende Klimaanlage
h) fehlendes Radio i) zu geringes Mobiliar k) Schäden (Risse, Feuchtigkeit etc.) l) Ungeziefer 6 Ausfall von Versorgungseinrichtungen a) Toilette b) Bad/Warmwasserboiler c) Stromausfall/Gasausfall d) Wasser e) Klimaanlage f) Fahrstuhl
5–10 15–25 15 10 10–20 5 5–15
je nach Entfernung
Entscheidend, ob Personen der gleichen Buchung oder unbekannte Reisende zusammengelegt werden
bei Zusage/je nach Jahreszeit bei Zusage bei Buchung bei Buchung bei Zusage/je nach Jahreszeit bei Zusage
10–50 10–50
15 15 10–20 10 0–10 5–10
je nach Jahreszeit je nach Stockwerk
121 Die Tabelle wurde von der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt entwickelt, die als Berufungskammer ausschließlich für Reisevertragssachen zuständig ist.
613
Anhang Art der Leistung
Frankfurter Tabelle Mängelposition 7 Service a) vollkommener Ausfall b) schlechte Reinigung c) ungenügender Wäschewechsel (Bettwäsche, Handtücher) 8 Beeinträchtigungen a) Lärm am Tage b) Lärm in der Nacht c) Gerüche 9 Fehlen der (zugesagten) Kureinrichtungen (Thermalbad, Massagen)
II. Verpflegung
1 Vollkommener Ausfall
Prozentsatz Bemerkungen 25 10–20 5–10 5–25 10–40 5–15
20–40
je nach Art der Projektzusage (z.B. Kururlaub)
50
2 Inhaltliche Mängel a) Eintöniger Speisenzettel b) Nicht genügend warme Speisen c) Verdorbene (ungenießbare) Speisen
5 10 20–30
3 Service a) Selbstbedienung (statt Kellner) b) lange Wartezeiten c) Essen in Schichten d) Verschmutzte Tische e) Verschmutztes Geschirr, Besteck
III. Sonstiges
10–15 5–15 10 5–10 10–15
4 Fehlende Klimaanlage im Speisesaal
5–10
bei Zusage
1 Fehlender oder verschmutzter Swimmingpool
10–20
bei Zusage
2 Fehlendes Hallenbad a) bei vorhandenem Swimmingpool
10
b) bei nicht vorhandenem Swimmingpool
20
3 Fehlende Sauna
614
bei Zusage soweit nach Jahreszeit benutzbar
5
bei Zusage
4 Fehlender Tennisplatz
5–10
bei Zusage
5 Fehlendes Mini-Golf
3–5
bei Zusage
6 Fehlende Segelschule, Surfschule, Tauchschule
5–10
bei Zusage
Anhang
Frankfurter Tabelle Art der Leistung
Mängelposition
Prozentsatz Bemerkungen
7 Fehlende Möglichkeiten zum Reiten
5–10
bei Zusage
8 Fehlende Kinderbetreuung
5–10
bei Zusage
9 Unmöglichkeit des Badens im Meer
10–20
je nach Prospektbeschreibung und zumutbarer Ausweichmöglichkeit
10 Verschmutzter Strand
10–20
11 Fehlende Strandliegen, Sonnenschirme
5–10
bei Zusage
12 Fehlende Snack- oder Strandbar
0–5
je nach Ersatzmöglichkeit
13 Fehlender FKK-Strand
10–20
14 Fehlendes Restaurant oder Supermarkt a) bei Hotelverpflegung b) bei Selbstverpflegung
0–5 10–20
15 Fehlende Vergnügungseinrichtungen (Disco, Nightclub, Kino, Animateure)
5–15
bei Zusage
16 Fehlende Boutique oder Ladenstraße
0–5
je nach Ausweichmöglichkeit
17 Ausfall von Landausflügen bei Kreuzfahrten
20–30
des anteiligen Reisepreises je Tag des Landausfluges
0–5 10–20 20–30
bei Zusage
18 Fehlende Reiseleitung a) bloße Organisation b) bei Besichtigungsreisen c) bei Studienreisen mit wissenschaftlicher Führung 19 Zeitverlust durch notwendigen Umzug a) im gleichen Hotel b) in anderes Hotel IV. Transport
bei Zusage
1 Zeitlich verschobener Abflug über 4 Stunden hinaus
2 Ausstattungsmängel a) Niedrigere Klasse b) Erhebliche Abweichung vom normalen Standard
bei Zusage, je nach Ausweichmöglichkeit
anteiliger Reisepreis für 1/ 2 Tag 1 Tag 5
des anteiligen Reisepreises für einen Tag für jede weitere Stunde
10–15 5–10
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Anhang Art der Leistung
Frankfurter Tabelle Mängelposition 3 Service a) Verpflegung b) Fehlen von in der Flugklasse üblicher Unterhaltung (Radio, Film etc.)
616
Prozentsatz Bemerkungen 5 5
4 Auswechslung des Transportmittels
der auf die Transportverzögerung entfallende anteilige Reisepreis
5 Fehlender Transfer vom Flugplatz (Bahnhof) zum Hotel
Kosten des Ersatztransportmittels
Anhang
MVStättV
III. Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättV) 122
Fassung Juni 2005
Auf Grund des § 84 Abs. 1 Nr. 1 sowie des § 85 Abs. 1 und Abs. 3 der Musterbauordnung 2002123) verordnet der für die Bauordnung zuständige Minister:
Teil 1 Allgemeine Vorschriften § 1 Anwendungsbereich (1) Die Vorschriften dieser Verordnung gelten für den Bau und Betrieb von 1. Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen, die einzeln mehr als 200 Besucher fassen. Sie gelten auch für Versammlungsstätten mit mehreren Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200 Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Rettungswege haben; 2. Versammlungsstätten im Freien mit Szenenflächen, deren Besucherbereich mehr als 1 000 Besucher fasst und ganz oder teilweise aus baulichen Anlagen besteht; 3. Sportstadien, die mehr als 5 000 Besucher fassen. (2) Die Anzahl der Besucher ist wie folgt zu bemessen: 1. für Sitzplätze an Tischen: ein Besucher je m2 Grundfläche des Versammlungsraumes, 2. für Sitzplätze in Reihen und für Stehplätze: zwei Besucher je m2 Grundfläche des Versammlungsraumes, 3. für Stehplätze auf Stufenreihen: zwei Besucher je laufendem Meter Stufenreihe, 4. bei Ausstellungsräumen: ein Besucher je m2 Grundfläche des Versammlungsraumes. Für Besucher nicht zugängliche Flächen werden in die Berechnung nicht einbezogen. Für Versammlungsstätten im Freien und für Sportstadien gelten Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Satz 2 entsprechend. (3) Die Vorschriften dieser Verordnung gelten nicht für 1. Räume, die dem Gottesdienst gewidmet sind, 2. Unterrichtsräume in allgemein- und berufsbildenden Schulen, 3. Ausstellungsräume in Museen, 4. Fliegende Bauten. (4) Soweit in dieser Verordnung nichts Abweichendes geregelt ist, sind auf tragende und aussteifende sowie auf raumabschließende Bauteile die Anforderungen der MBO an diese Bauteile in Gebäuden der Gebäudeklasse 5 anzuwenden. Die Erleichterungen des § 30 Abs. 3 Satz 2, § 31 Abs. 4 Nr. 1 und 2, § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 4, § 40 Abs. 1 Nr. 1 und 3 sowie des § 41 Abs. 5 Nr. 1 und 3 MBO sind nicht anzuwenden.
122 Die Verpflichtungen aus der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.6.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. EG Nr. L 204, S. 37), zuletzt geändert durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.7.1998 (ABl. EG Nr. L 217 S. 18), sind beachtet worden. 123 Die MVStättV 2005 bezieht sich auf die MBO, Fassung November 2002, Anpassung nach Landesrecht.
617
Anhang
MVStättV
(5) Bauprodukte, Bauarten und Prüfverfahren, die den in Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, der Türkei oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum genannten technischen Anforderungen entsprechen, dürfen verwendet werden, wenn das geforderte Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichermaßen dauerhaft erreicht und die Verwendbarkeit nachgewiesen wird. § 2 Begriffe (1) Versammlungsstätten sind bauliche Anlagen oder Teile baulicher Anlagen, die für die gleichzeitige Anwesenheit vieler Menschen bei Veranstaltungen, insbesondere erzieherischer, wirtschaftlicher, geselliger, kultureller, künstlerischer, politischer, sportlicher oder unterhaltender Art, bestimmt sind sowie Schank- und Speisewirtschaften. (2) Erdgeschossige Versammlungsstätten sind Gebäude mit nur einem Geschoss ohne Ränge oder Emporen, dessen Fußboden an keiner Stelle mehr als 1 m unter der Geländeoberfläche liegt; dabei bleiben Geschosse außer Betracht, die ausschließlich der Unterbringung technischer Anlagen und Einrichtungen dienen. (3) Versammlungsräume sind Räume für Veranstaltungen oder für den Verzehr von Speisen und Getränken. Hierzu gehören auch Aulen und Foyers, Vortrags- und Hörsäle sowie Studios. (4) Szenenflächen sind Flächen für künstlerische und andere Darbietungen; für Darbietungen bestimmte Flächen unter 20 m2 gelten nicht als Szenenflächen. (5) In Versammlungsstätten mit einem Bühnenhaus ist 1. das Zuschauerhaus der Gebäudeteil, der die Versammlungsräume und die mit ihnen in baulichem Zusammenhang stehenden Räume umfasst, 2. das Bühnenhaus der Gebäudeteil, der die Bühnen und die mit ihnen in baulichem Zusammenhang stehenden Räume umfasst, 3. die Bühnenöffnung die Öffnung in der Trennwand zwischen der Hauptbühne und dem Versammlungsraum, 4. die Bühne der hinter der Bühnenöffnung liegende Raum mit Szenenflächen; zur Bühne zählen die Hauptbühne sowie die Hinter- und Seitenbühnen einschließlich der jeweils zugehörigen Ober- und Unterbühnen, 5. eine Großbühne eine Bühne a) mit einer Szenenfläche hinter der Bühnenöffnung von mehr als 200 m2, b) mit einer Oberbühne mit einer lichten Höhe von mehr als 2,5 m über der Bühnenöffnung oder c) mit einer Unterbühne, 6. die Unterbühne der begehbare Teil des Bühnenraumes unter dem Bühnenboden, der zur Unterbringung einer Untermaschinerie geeignet ist, 7. die Oberbühne der Teil des Bühnenraumes über der Bühnenöffnung, der zur Unterbringung einer Obermaschinerie geeignet ist. (6) Mehrzweckhallen sind überdachte Versammlungsstätten für verschiedene Veranstaltungsarten. (7) Studios sind Produktionsstätten für Film, Fernsehen und Hörfunk und mit Besucherplätzen. (8) Foyers sind Empfangs- und Pausenräume für Besucher. (9) Ausstattungen sind Bestandteile von Bühnen- oder Szenenbildern. 2Hierzu gehören insbesondere Wand-, Fußboden- und Deckenelemente, Bildwände, Treppen und sonstige Bühnenbildteile. (10) Requisiten sind bewegliche Einrichtungsgegenstände von Bühnen- oder Szenenbildern. Hierzu gehören insbesondere Möbel, Leuchten, Bilder und Geschirr.
618
Anhang
MVStättV
(11) Ausschmückungen sind vorübergehend eingebrachte Dekorationsgegenstände. Zu den Ausschmückungen gehören insbesondere Drapierungen, Girlanden, Fahnen und künstlicher Pflanzenschmuck. (12) Sportstadien sind Versammlungsstätten mit Tribünen für Besucher und mit nicht überdachten Sportflächen. (13) Tribünen sind bauliche Anlagen mit ansteigenden Steh- oder Sitzplatzreihen (Stufenreihen) für Besucher. (14) Innenbereich ist die von Tribünen umgebene Fläche für Darbietungen. Teil 2 Allgemeine Bauvorschriften Abschnitt 1 Bauteile und Baustoffe § 3 Bauteile (1) Tragende und aussteifende Bauteile, wie Wände, Pfeiler, Stützen und Decken, müssen feuerbeständig, in erdgeschossigen Versammlungsstätten feuerhemmend sein. Satz 1 gilt nicht für erdgeschossige Versammlungsstätten mit automatischen Feuerlöschanlagen. (2) Außenwände mehrgeschossiger Versammlungsstätten müssen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. (3) Trennwände sind erforderlich zum Abschluss von Versammlungsräumen und Bühnen. Diese Trennwände müssen feuerbeständig, in erdgeschossigen Versammlungsstätten mindestens feuerhemmend sein. In der Trennwand zwischen der Bühne und dem Versammlungsraum ist eine Bühnenöffnung zulässig. (4) Werkstätten, Magazine und Lagerräume sowie Räume unter Tribünen und Podien müssen feuerbeständige Trennwände und Decken haben. (5) Der Fußboden von Szenenflächen muss fugendicht sein. Betriebsbedingte Öffnungen sind zulässig. Die Unterkonstruktion, mit Ausnahme der Lagerhölzer, muss aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Räume unter dem Fußboden, die nicht zu einer Unterbühne gehören, müssen feuerbeständige Wände und Decken haben. (6) Die Unterkonstruktion der Fußböden von Tribünen und Podien, die veränderbare Einbauten in Versammlungsräumen sind, muss aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen; dies gilt nicht für Podien mit insgesamt nicht mehr als 20 m2 Fläche. (7) Veränderbare Einbauten sind so auszubilden, dass sie in ihrer Standsicherheit nicht durch dynamische Schwingungen gefährdet werden können. § 4 Dächer (1) Tragwerke von Dächern, die den oberen Abschluss von Räumen der Versammlungsstätte bilden oder die von diesen Räumen nicht durch feuerbeständige Bauteile getrennt sind, müssen feuerhemmend sein. 2Tragwerke von Dächern über Tribünen und Szenenflächen im Freien müssen mindestens feuerhemmend sein oder aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Satz 1 gilt nicht für Versammlungsstätten mit automatischen Feuerlöschanlagen. (2) Bedachungen, ausgenommen Dachhaut und Dampfsperre, müssen bei Dächern, die den oberen Abschluss von Räumen der Versammlungsstätte bilden oder die von diesen Räumen nicht durch feuerbeständige Bauteile getrennt sind, aus nichtbrennbaren Baustoffen hergestellt werden. Dies gilt nicht für Bedachungen über Versammlungs räumen mit nicht mehr als 1 000 m2 Grundfläche.
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Anhang
MVStättV
(3) Lichtdurchlässige Bedachungen über Versammlungsräumen müssen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Bei Versammlungsräumen mit automatischen Feuerlöschanlagen genügen schwerentflammbare Baustoffe, die nicht brennend abtropfen können. § 5 Dämmstoffe, Unterdecken, Bekleidungen und Bodenbeläge (1) Dämmstoffe müssen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. (2) Bekleidungen an Wänden in Versammlungsräumen müssen aus mindestens schwer entflammbaren Baustoffen bestehen. In Versammlungsräumen mit nicht mehr als 1 000 m2 Grundfläche genügen geschlossene nicht hinterlüftete Holzbekleidungen. (3) Unterdecken und Bekleidungen an Decken in Versammlungsräumen müssen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. In Versammlungsräumen mit nicht mehr als 1 000 m2 Grundfläche genügen Bekleidungen aus mindestens schwerentflammbaren Baustoffen oder geschlossene nicht hinterlüftete Holzbekleidungen. (4) In Foyers, durch die Rettungswege aus anderen Versammlungsräumen führen, in notwendigen Treppenräumen, Räumen zwischen notwendigen Treppenräumen und Ausgängen ins Freie sowie notwendigen Fluren müssen Unterdecken und Bekleidungen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. (5) Unterdecken und Bekleidungen, die mindestens schwerentflammbar sein müssen, dürfen nicht brennend abtropfen. (6) Unterkonstruktionen, Halterungen und Befestigungen von Unterdecken und Bekleidungen nach den Absätzen 2 bis 4 müssen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen; dies gilt nicht für Versammlungsräume mit nicht mehr als 100 m2 Grundfläche. In den Hohlräumen hinter Unterdecken und Bekleidungen aus brennbaren Baustoffen dürfen Kabel und Leitungen nur in Installationsschächten oder Installationskanälen aus nichtbrennbaren Baustoffen verlegt werden. (7) In notwendigen Treppenräumen, Räumen zwischen notwendigen Treppenräumen und Ausgängen ins Freie müssen Bodenbeläge nichtbrennbar sein. In notwendigen Fluren sowie in Foyers, durch die Rettungswege aus anderen Versammlungsräumen führen, müssen Bodenbeläge mindestens schwerentflammbar sein. Abschnitt 2 Rettungswege § 6 Führung der Rettungswege (1) Rettungswege müssen ins Freie zu öffentlichen Verkehrsflächen führen. Zu den Rettungswegen von Versammlungsstätten gehören insbesondere die frei zu haltenden Gänge und Stufengänge, die Ausgänge aus Versammlungsräumen, die notwendigen Flure und notwendigen Treppen, die Ausgänge ins Freie, die als Rettungsweg dienenden Balkone, Dachterrassen und Außentreppen sowie die Rettungswege im Freien auf dem Grundstück. (2) Versammlungsstätten müssen in jedem Geschoss mit Aufenthaltsräumen mindestens zwei voneinander unabhängige bauliche Rettungswege haben; dies gilt für Tribünen entsprechend. Die Führung beider Rettungswege innerhalb eines Geschosses durch einen gemeinsamen notwendigen Flur ist zulässig. Rettungswege dürfen über Balkone, Dachterrassen und Außentreppen auf das Grundstück führen, wenn sie im Brandfall sicher begehbar sind. (3) Rettungswege dürfen über Gänge und Treppen durch Foyers oder Hallen zu Ausgängen ins Freie geführt werden, soweit mindestens ein weiterer von dem Foyer oder der Halle unabhängiger baulicher Rettungsweg vorhanden ist. (4) Versammlungsstätten müssen für Geschosse mit jeweils mehr als 800 Besucherplätzen nur diesen Geschossen zugeordnete Rettungswege haben.
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MVStättV
Anhang
(5) Versammlungsräume und sonstige Aufenthaltsräume mit mehr als 100 m2 Grundfläche müssen jeweils mindestens zwei möglichst weit aus einander und entgegengesetzt liegende Ausgänge ins Freie oder zu Rettungswegen haben. (6) Ausgänge und Rettungswege müssen durch Sicherheitszeichen dauerhaft und gut sichtbar gekennzeichnet sein. § 7 Bemessung der Rettungswege (1) Die Entfernung von jedem Besucherplatz bis zum nächsten Ausgang aus dem Versammlungsraum oder von der Tribüne darf nicht länger als 30 m sein. Bei mehr als 5 m lichter Höhe ist je 2,5 m zusätzlicher lichter Höhe über der zu entrauchenden Ebene für diesen Bereich eine Verlängerung der Entfernung um 5 m zulässig. Die Entfernung von 60 m bis zum nächsten Ausgang darf nicht überschritten werden. (2) Die Entfernung von jeder Stelle einer Bühne bis zum nächsten Ausgang darf nicht länger als 30 m sein. Gänge zwischen den Wänden der Bühne und dem Rundhorizont oder den Dekorationen müssen eine lichte Breite von 1,20 m haben; in Großbühnen müssen diese Gänge vorhanden sein. (3) Die Entfernung von jeder Stelle eines notwendigen Flures oder eines Foyers bis zum Ausgang ins Freie oder zu einem notwendigen Treppenraum darf nicht länger als 30 m sein. (4) Die Breite der Rettungswege ist nach der größtmöglichen Personenzahl zu bemessen. Die lichte Breite eines jeden Teiles von Rettungswegen muss mindestens 1,20 m betragen. Die lichte Breite eines jeden Teiles von Rettungs wegen muss für die darauf angewiesenen Personen mindestens betragen bei 1. Versammlungsstätten im Freien sowie Sportstadien 1,20 m je 600 Personen, 2. anderen Versammlungsstätten 1,20 m je 200 Personen. Staffelungen sind nur in Schritten von 0,60 m zulässig. Bei Rettungswegen von Versammlungsräumen mit nicht mehr als 200 Besucherplätzen und bei Rettungswegen im Bühnenhaus genügt eine lichte Breite von 0,90 m. Für Rettungswege von Arbeitsgalerien genügt eine Breite von 0,80 m. § 50 Abs. 3 MBO bleibt unberührt. (5) Ausstellungshallen müssen durch Gänge so unterteilt sein, dass die Tiefe der zur Aufstellung von Ausstellungsständen bestimmten Grundflächen (Ausstellungsflächen) nicht mehr als 30 m beträgt. Die Entfernung von jeder Stelle auf einer Ausstellungsfläche bis zu einem Gang darf nicht mehr als 20 m betragen; sie wird auf die nach Absatz 1 bemessene Entfernung nicht angerechnet. Die Gänge müssen auf möglichst geradem Weg zu entgegengesetzt liegenden Ausgängen führen. Die lichte Breite der Gänge und der zugehörigen Ausgänge muss mindestens 3 m betragen. (6) Die Entfernungen werden in der Lauflinie gemessen. § 8 Treppen (1) Die Führung der jeweils anderen Geschossen zugeordneten notwendigen Treppen in einem gemeinsamen notwendigen Treppenraum (Schachteltreppen) ist zulässig. (2) Notwendige Treppen müssen feuerbeständig sein. Für notwendige Treppen in notwendigen Treppenräumen oder als Außentreppen genügen nichtbrennbare Baustoffe. Für notwendige Treppen von Tribünen und Podien als veränderbare Einbauten genügen Bauteile aus nichtbrennbaren Baustoffen und Stufen aus Holz. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für notwendige Treppen von Ausstellungsständen. (3) Die lichte Breite notwendiger Treppen darf nicht mehr als 2,40 m betragen. (4) Notwendige Treppen und dem allgemeinen Besucherverkehr dienende Treppen müssen auf beiden Seiten feste und griffsichere Handläufe ohne freie Enden haben. Die Handläufe sind über Treppenabsätze fortzuführen.
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Anhang
MVStättV
(5) Notwendige Treppen und dem allgemeinen Besucherverkehr dienende Treppen müssen geschlossene Trittstufen haben; dies gilt nicht für Außentreppen. (6) Wendeltreppen sind als notwendige Treppen für Besucher unzulässig. § 9 Türen und Tore (1) Türen und Tore in raumabschließenden Innenwänden, die feuerbeständig sein müssen, sowie in inneren Brandwänden, müssen mindestens feuerhemmend, rauchdicht und selbstschließend sein. (2) Türen und Tore in raumabschließenden Innenwänden, die feuerhemmend sein müssen, müssen mindestens rauchdicht und selbstschließend sein. (3) Türen in Rettungswegen müssen in Fluchtrichtung aufschlagen und dürfen keine Schwellen haben. Während des Aufenthaltes von Personen in der Versammlungsstätte, müssen die Türen der jeweiligen Rettungswege jederzeit von innen leicht und in voller Breite geöffnet werden können. (4) Schiebetüren sind im Zuge von Rettungs wegen unzulässig, dies gilt nicht für automatische Schiebetüren, die die Rettungswege nicht beeinträchtigen. Pendeltüren müssen in Rettungswegen Vorrichtungen haben, die ein Durchpendeln der Türen verhindern. (5) Türen, die selbstschließend sein müssen, dürfen offengehalten werden, wenn sie Einrichtungen haben, die bei Raucheinwirkung ein selbsttätiges Schließen der Türen bewirken; sie müssen auch von Hand geschlossen werden können. (6) Mechanische Vorrichtungen zur Vereinzelung oder Zählung von Besuchern, wie Drehtüren oder -kreuze, sind in Rettungswegen unzulässig; dies gilt nicht für mechanische Vorrichtungen, die im Gefahrenfall von innen leicht und in voller Breite geöffnet werden können. Abschnitt 3 Besucherplätze und Einrichtungen für Besucher § 10 Bestuhlung, Gänge und Stufengänge (1) In Reihen angeordnete Sitzplätze müssen unverrückbar befestigt sein; werden nur vorübergehend Stühle aufgestellt, so sind sie in den einzelnen Reihen fest miteinander zu verbinden. Satz 1 gilt nicht für Gaststätten und Kantinen sowie für abgegrenzte Bereiche von Versammlungsräumen mit nicht mehr als 20 Sitzplätzen und ohne Stufen, wie Logen. (2) Die Sitzplatzbereiche der Tribünen von Versammlungsstätten mit mehr als 5 000 Besucherplätzen müssen unverrückbar befestigte Einzelsitze haben. (3) Sitzplätze müssen mindestens 0,50 m breit sein. Zwischen den Sitzplatzreihen muss eine lichte Durchgangs breite von mindestens 0,40 m vorhanden sein. (4) Sitzplätze müssen in Blöcken von höchstens 30 Sitzplatzreihen angeordnet sein. Hinter und zwischen den Blöcken müssen Gänge mit einer Mindestbreite von 1,20 m vorhanden sein. Die Gänge müssen auf möglichst kurzem Weg zum Ausgang führen. (5) Seitlich eines Ganges dürfen höchstens zehn Sitzplätze, bei Versammlungsstätten im Freien und Sportstadien höchstens 20 Sitzplätze angeordnet sein. Zwischen zwei Seitengängen dürfen 20 Sitzplätze, bei Versammlungsstätten im Freien und Sportstadien höchstens 40 Sitzplätze angeordnet sein. In Versammlungsräumen dürfen zwischen zwei Seitengängen höchstens 50 Sitzplätze angeordnet sein, wenn auf jeder Seite des Versammlungsraumes für jeweils vier Sitzreihen eine Tür mit einer lichten Breite von 1,20 m angeordnet ist. (6) Von jedem Tischplatz darf der Weg zu einem Gang nicht länger als 10 m sein. Der Abstand von Tisch zu Tisch soll 1,50 m nicht unterschreiten.
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Anhang
(7) In Versammlungsräumen müssen für Rollstuhlbenutzer mindestens 1 Prozent der Besucherplätze, mindestens jedoch zwei Plätze auf ebenen Standflächen vorhanden sein. Den Plätzen für Rollstuhlbenutzer sind Besucherplätze für Begleitpersonen zuzuordnen. Die Plätze für Rollstuhlbenutzer und die Wege zu ihnen sind durch Hinweisschilder gut sichtbar zu kennzeichnen. (8) Stufen in Gängen (Stufengänge) müssen eine Steigung von mindestens 0,10 m und höchstens 0,19 m und einen Auftritt von mindestens 0,26 m haben. Der Fußboden des Durchganges zwischen Sitzplatzreihen und der Fußboden von Stehplatzreihen muss mit dem anschließenden Auftritt des Stufenganges auf einer Höhe liegen. 3Stufengänge in Mehrzweckhallen mit mehr als 5 000 Besucherplätzen und in Sportstadien müssen sich durch farbliche Kennzeichnung von den umgebenden Flächen deutlich abheben. § 11 Abschrankungen und Schutzvorrichtungen (1) Flächen, die im Allgemeinen zum Begehen bestimmt sind und unmittelbar an tiefer liegende Flächen angrenzen, sind mit Abschrankungen zu umwehren, soweit sie nicht durch Stufengänge oder Rampen mit der tiefer liegenden Fläche verbunden sind. Satz 1 ist nicht anzuwenden: 1. für die den Besuchern zugewandten Seiten von Bühnen und Szenenflächen, 2. vor Stufenreihen, wenn die Stufenreihe nicht mehr als 0,50 m über dem Fußboden der davor liegenden Stufenreihe oder des Versammlungsraumes liegt oder 3. vor Stufenreihen, wenn die Rückenlehnen der Sitzplätze der davor liegenden Stufenreihe den Fußboden der hinteren Stufenreihe um mindestens 0,65 m überragen. (2) Abschrankungen, wie Umwehrungen, Geländer, Wellenbrecher, Zäune, Absperrgitter oder Glaswände, müssen mindestens 1,10 m hoch sein. Umwehrungen und Geländer von Flächen, auf denen mit der Anwesenheit von Kleinkindern zu rechnen ist, sind so zu gestalten, dass ein Überklettern erschwert wird; der Abstand von Umwehrungs- und Geländerteilen darf in einer Richtung nicht mehr als 0,12 m betragen. (3) Vor Sitzplatzreihen genügen Umwehrungen von 0,90 m Höhe; bei mindestens 0,20 m Brüstungsbreite der Umwehrung genügen 0,80 m; bei mindestens 0,50 m Brüstungsbreite genügen 0,70 m. Liegt die Stufenreihe nicht mehr als 1 m über dem Fußboden der davor liegenden Stufenreihe oder des Versammlungsraumes, genügen vor Sitzplatzreihen 0,65 m. (4) Abschrankungen in den für Besucher zugänglichen Bereichen müssen so bemessen sein, dass sie dem Druck einer Personengruppe standhalten. (5) Die Fußböden und Stufen von Tribünen, Podien, Bühnen oder Szenenflächen dürfen keine Öffnungen haben, durch die Personen abstürzen können. (6) Spielfelder, Manegen, Fahrbahnen für den Rennsport und Reitbahnen müssen durch Abschrankungen, Netze oder andere Vorrichtungen so gesichert sein, dass Besucher durch die Darbietung oder den Betrieb des Spielfeldes, der Manege oder der Bahn nicht gefährdet werden. Für Darbietungen und für den Betrieb technischer Einrichtungen im Luftraum über den Besucherplätzen gilt Satz 1 entsprechend. (7) Werden Besucherplätze im Innenbereich von Fahrbahnen angeordnet, so muss der Innenbereich ohne Betreten der Fahrbahnen erreicht werden können. § 12 Toilettenräume (1) Versammlungsstätten müssen getrennte Toilettenräume für Damen und Herren haben. Toiletten sollen in jedem Geschoss angeordnet werden. Es sollen mindestens vorhanden sein:
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Anhang Besucherplätze bis 1 000 je 100 über 1 000 je weitere 100 über 20 000 je weitere 100
MVStättV Damentoiletten Toilettenbecken 1,2 0,8 0,4
Herrentoiletten Toilettenbecken Urinalbecken 0,8 1,2 0,4 0,6 0,3 0,6
Die ermittelten Zahlen sind auf ganze Zahlen aufzurunden. Soweit die Aufteilung der Toilettenräume nach Satz 2 nach der Art der Veranstaltung nicht zweckmäßig ist, kann für die Dauer der Veranstaltung eine andere Aufteilung erfolgen, wenn die Toilettenräume entsprechend gekennzeichnet werden. Auf dem Gelände der Versammlungsstätte oder in der Nähe vorhandene Toiletten können angerechnet werden, wenn sie für die Besucher der Versammlungsstätte zugänglich sind. (2) Für Rollstuhlbenutzer muss eine ausreichende Zahl geeigneter, stufenlos erreichbarer Toiletten, mindestens jedoch je zehn Plätzen für Rollstuhlbenutzer eine Toilette, vorhanden sein. (3) Jeder Toilettenraum muss einen Vorraum mit Waschbecken haben. § 13 Stellplätze für Behinderte Die Zahl der notwendigen Stellplätze für die Kraftfahrzeuge behinderter Personen muss mindestens der Hälfte der Zahl der nach § 10 Abs. 7 erforderlichen Besucherplätze entsprechen. Auf diese Stellplätze ist dauerhaft und leicht erkennbar hinzuweisen. Abschnitt 4 Technische Anlagen und Einrichtungen, besondere Räume § 14 Sicherheitsstromversorgungsanlagen, elektrische Anlagen und Blitzschutzanlagen (1) Versammlungsstätten müssen eine Sicherheitsstromversorgungsanlage haben, die bei Ausfall der Stromversorgung den Betrieb der sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen übernimmt, insbesondere der 1. Sicherheitsbeleuchtung, 2. automatischen Feuerlöschanlagen und Druckerhöhungsanlagen für die Löschwasserversorgung, 3. Rauchabzugsanlagen, 4. Brandmeldeanlagen, 5. Alarmierungsanlagen. (2) In Versammlungsstätten für verschiedene Veranstaltungsarten, wie Mehrzweckhallen, Theater und Studios, sind für die vorübergehende Verlegung beweglicher Kabel und Leitungen bauliche Vorkehrungen, wie Installationsschächte und -kanäle oder Abschottungen, zu treffen, die die Ausbreitung von Feuer und Rauch verhindern und die sichere Begehbarkeit, insbesondere der Rettungswege, gewährleisten. (3) Elektrische Schaltanlagen dürfen für Besucher nicht zugänglich sein. (4) Versammlungsstätten müssen Blitzschutzanlagen haben, die auch die sicherheitstechnischen Einrichtungen schützen (äußerer und innerer Blitzschutz). § 15 Sicherheitsbeleuchtung (1) In Versammlungsstätten muss eine Sicherheitsbeleuchtung vorhanden sein, die so beschaffen ist, dass Arbeitsvorgänge auf Bühnen und Szenenflächen sicher abgeschlossen werden können und sich Besucher, Mitwirkende und Betriebsangehörige auch bei vollständigem Versagen der allgemeinen Beleuchtung bis zu öffentlichen Verkehrs flächen hin gut zurechtfinden können.
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(2) Eine Sicherheitsbeleuchtung muss vorhanden sein 1. in notwendigen Treppenräumen, in Räumen zwischen notwendigen Treppenräumen und Ausgängen ins Freie und in notwendigen Fluren, 2. in Versammlungsräumen sowie in allen übrigen Räumen für Besucher (z.B. Foyers, Garderoben, Toiletten), 3. für Bühnen und Szenenflächen, 4. in den Räumen für Mitwirkende und Beschäftigte mit mehr als 20 m2 Grundfläche, ausgenommen Büroräume, 5. in elektrischen Betriebsräumen, in Räumen für haus technische Anlagen sowie in Scheinwerfer und Bildwerferräumen, 6. in Versammlungsstätten im Freien und Sportstadien, die während der Dunkelheit benutzt werden, 7. für Sicherheitszeichen von Ausgängen und Rettungswegen, 8. für Stufenbeleuchtungen. (3) In betriebsmäßig verdunkelten Versammlungsräumen, auf Bühnen und Szenenflächen muss eine Sicherheitsbeleuchtung in Bereitschaftsschaltung vorhanden sein. Die Ausgänge, Gänge und Stufen im Versammlungsraum müssen auch bei Verdunklung unabhängig von der übrigen Sicherheitsbeleuchtung erkennbar sein. Bei Gängen in Versammlungsräumen mit auswechselbarer Bestuhlung sowie bei Sportstadien mit Sicherheitsbeleuchtung ist eine Stufenbeleuchtung nicht erforderlich. § 16 Rauchableitung (1) Versammlungsräume und sonstige Aufenthaltsräume mit mehr als 200 m2 Grundfläche, Versammlungsräume in Kellergeschossen, Bühnen sowie notwendige Treppenräume müssen entraucht werden können. (2) Für die Entrauchung von Versammlungsräumen und sonstigen Aufenthaltsräumen mit nicht mehr als 1 000 m2 Grundfläche genügen Rauchableitungsöffnungen mit einer freien Öffnungsfläche von insgesamt 1 Prozent der Grundfläche, Fenster oder Türen mit einer freien Öffnungsfläche von insgesamt 2 Prozent der Grundfläche oder maschinelle Rauchabzugsanlagen mit einem Luftvolumenstrom von 36 m3/h je Quadratmeter Grundfläche. (3) Für die Entrauchung von Versammlungsräumen und sonstigen Aufenthaltsräumen mit mehr als 1 000 m2 Grundfläche sowie von Bühnen müssen Rauchabzugsanlagen vorhanden sein, die so bemessen sind, dass sie eine raucharme Schicht von mindestens 2,50 m auf allen zu entrauchenden Ebenen, bei Bühnen jedoch mindestens eine raucharme Schicht von der Höhe der Bühnenöffnung, ermöglichen. (4) Notwendige Treppenräume müssen Rauchableitungsöffnungen mit einer freien Öffnungsfläche von mindestens 1 m2 haben. (5) Rauchableitungsöffnungen sollen an der höchsten Stelle des Raumes liegen und müssen unmittelbar ins Freie führen. Die Rauchableitung über Schächte mit strömungstechnisch äquivalenten Querschnitten ist zulässig, wenn die Wände der Schächte die Anforderungen nach § 3 Abs. 3 erfüllen. Die Austrittsöffnungen müssen mindestens 0,25 m über der Dachfläche liegen. Fenster und Türen, die auch der Rauchableitung dienen, müssen im oberen Drittel der Außenwand der zu entrauchenden Ebene angeordnet werden. (6) Die Abschlüsse der Rauchableitungsöffnungen von Bühnen mit Schutzvorhang müssen bei einem Überdruck von 350 Pa selbsttätig öffnen; eine automatische Auslösung durch geeignete Temperaturmelder ist zulässig. (7) Maschinelle Rauchabzugsanlagen sind für eine Betriebszeit von 30 Minuten bei einer Rauchgastemperatur von 300 °C auszulegen. 2Maschinelle Lüftungsanlagen können als maschinelle Rauchabzugsanlagen betrieben werden, wenn sie die an diese gestellten Anforderungen erfüllen.
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(8) Die Vorrichtungen zum Öffnen oder Einschalten der Rauchabzugsanlagen, der Abschlüsse der Rauchableitungsöffnungen und zum Öffnen der nach Absatz 5 angerechneten Fenster müssen von einer jederzeit zugänglichen Stelle im Raum aus leicht bedient werden können. Bei notwendigen Treppenräumen muss die Vorrichtung zum Öffnen von jedem Geschoss aus leicht bedient werden können. (9) Jede Bedienungsstelle muss mit einem Hinweisschild mit der Bezeichnung „RAUCHABZUG“ und der Bezeichnung des jeweiligen Raumes gekennzeichnet sein. An der Bedienungsvorrichtung muss die Betriebsstellung der Anlage oder Öffnung erkennbar sein. § 17 Heizungsanlagen und Lüftungsanlagen (1) Heizungsanlagen in Versammlungsstätten müssen dauerhaft fest eingebaut sein. Sie müssen so angeordnet sein, dass ausreichende Abstände zu Personen, brennbaren Bauprodukten und brennbarem Material eingehalten werden und keine Beeinträchtigung durch Abgase entstehen. (2) Versammlungsräume und sonstige Aufenthaltsräume mit mehr als 200 m2 Grundfläche müssen Lüftungsanlagen haben. § 18 Stände und Arbeitsgalerien für Licht-, Ton-, Bild- und Regieanlagen (1) Stände und Arbeitsgalerien für den Betrieb von Licht-, Ton-, Bild- und Regieanlagen, wie Schnürböden, Beleuchtungstürme oder Arbeitsbrücken, müssen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Der Abstand zwischen Arbeitsgalerien und Raumdecken muss mindestens 2 m betragen. (2) Von Arbeitsgalerien müssen mindestens zwei Rettungswege erreichbar sein. Jede Arbeitsgalerie einer Hauptbühne muss auf beiden Seiten der Hauptbühne einen Ausgang zu Rettungswegen außerhalb des Bühnenraumes haben. (3) Öffnungen in Arbeitsgalerien müssen so gesichert sein, dass Personen oder Gegenstände nicht herabfallen können. § 19 Feuerlöscheinrichtungen und -anlagen (1) Versammlungsräume, Bühnen, Foyers, Werkstätten, Magazine, Lagerräume und notwendige Flure sind mit geeigneten Feuerlöschern in ausreichender Zahl auszustatten. Die Feuerlöscher sind gut sichtbar und leicht zugänglich anzubringen. (2) In Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen von insgesamt mehr als 1 000 m2 Grundfläche müssen Wandhydranten in ausreichender Zahl gut sichtbar und leicht zugänglich an geeigneten Stellen angebracht sein. (3) Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen von insgesamt mehr als 3 600 m2 Grundfläche müssen eine automatische Feuerlöschanlage haben; dies gilt nicht für Versammlungsstätten, deren Versammlungsräume jeweils nicht mehr als 400 m2 Grundfläche haben. (4) Foyers oder Hallen, durch die Rettungswege aus anderen Versammlungsräumen führen, müssen eine automatische Feuerlöschanlage haben. (5) Versammlungsräume, bei denen eine Fußbodenebene höher als 22 m über der Geländeoberfläche liegt, sind nur in Gebäuden mit automatischer Feuerlöschanlage zulässig. (6) Versammlungsräume in Kellergeschossen müssen eine automatische Feuerlöschanlage haben. Dies gilt nicht für Versammlungsräume mit nicht mehr als 200 m2, deren Fußboden an keiner Stelle mehr als 5 m unter der Geländeoberfläche liegt. (7) In Versammlungsräumen müssen offene Küchen oder ähnliche Einrichtungen mit einer Grundfläche von mehr als 30 m2 eine dafür geeignete automatische Feuerlöschanlage haben.
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(8) Die Wirkung automatischer Feuerlöschanlagen darf durch überdeckte oder mehrgeschossige Ausstellungs- oder Dienstleistungsstände nicht beeinträchtigt werden. (9) Automatische Feuerlöschanlagen müssen an eine Brandmelderzentrale angeschlossen sein. § 20 Brandmelde- und Alarmierungsanlagen, Brandmelder- und Alarmzentrale, Brandfallsteuerung der Aufzüge (1) Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen von insgesamt mehr als 1 000 m2 Grundfläche müssen Brandmeldeanlagen mit automatischen und nichtautomatischen Brandmeldern haben. (2) Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen von insgesamt mehr als 1 000 m2 Grundfläche müssen Alarmierungs- und Lautsprecheranlagen haben, mit denen im Gefahrenfall Besucher, Mitwirkende und Betriebsangehörige alarmiert und Anweisungen erteilt werden können. (3) In Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen von insgesamt mehr als 1 000 m2 Grundfläche müssen zusätzlich zu den örtlichen Bedienungsvorrichtungen zentrale Bedienungsvorrichtungen für Rauchabzugs-, Feuerlösch-, Brandmelde-, Alarmierungs- und Lautsprecheranlagen in einem für die Feuerwehr leicht zugänglichen Raum (Brandmelderund Alarmzentrale) zusammengefasst werden. (4) In Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen von insgesamt mehr als 1 000 m2 Grundfläche müssen die Aufzüge mit einer Brandfallsteuerung ausgestattet sein, die durch die automatische Brandmeldeanlage ausgelöst wird. Die Brandfallsteuerung muss sicherstellen, dass die Aufzüge ein Geschoss mit Ausgang ins Freie oder das diesem nächstgelegene, nicht von der Brandmeldung betroffene Geschoss unmittelbar anfahren und dort mit geöffneten Türen außer Betrieb gehen. (5) Automatische Brandmeldeanlagen müssen durch technische Maßnahmen gegen Falschalarme gesichert sein. Brandmeldungen müssen von der Brandmelderzenrale unmittelbar und automatisch zur Leitstelle der Feuerwehr weitergeleitet werden. § 21 Werkstätten, Magazine und Lagerräume (1) Für feuergefährliche Arbeiten, wie Schweiß-, Löt- oder Klebearbeiten, müssen dafür geeignete Werkstätten vorhanden sein. (2) Für das Aufbewahren von Dekorationen, Requisiten und anderem brennbaren Material müssen eigene Lagerräume (Magazine) vorhanden sein. (3) Für die Sammlung von Abfällen und Wertstoffen müssen dafür geeignete Behälter im Freien oder besondere Lagerräume vorhanden sein. (4) Werkstätten, Magazine und Lagerräume dürfen mit notwendigen Treppenräumen nicht in unmittelbarer Verbindung stehen. Teil 3 Besondere Bauvorschriften Abschnitt 1 Großbühnen § 22 Bühnenhaus (1) In Versammlungsstätten mit Großbühnen sind alle für den Bühnenbetrieb notwendigen Räume und Einrichtungen in einem eigenen, von dem Zuschauerhaus getrennten Bühnenhaus unterzubringen. (2) Die Trennwand zwischen Bühnen- und Zuschauerhaus muss feuerbeständig und in der Bauart einer Brandwand hergestellt sein. Türen in dieser Trennwand müssen feuerbeständig und selbstschließend sein.
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§ 23 Schutzvorhang (1) Die Bühnenöffnung von Großbühnen muss gegen den Versammlungsraum durch einen Vorhang aus nichtbrennbarem Material dicht geschlossen werden können (Schutzvorhang). Der Schutzvorhang muss durch sein Eigengewicht schließen können. Die Schließzeit darf 30 Sekunden nicht überschreiten. Der Schutzvorhang muss einem Druck von 450 Pa nach beiden Richtungen standhalten. Eine höchstens 1 m breite, zur Hauptbühne sich öffnende, selbsttätig schließende Tür im Schutzvorhang ist zulässig. (2) Der Schutzvorhang muss so angeordnet sein, dass er im geschlossenen Zustand an allen Seiten an feuerbeständige Bauteile anschließt. Der Bühnenboden darf unter dem Schutzvorhang durchgeführt werden. Das untere Profil dieses Schutzvorhangs muss ausreichend steif sein oder mit Stahldornen in entsprechende stahlbewehrte Aussparungen im Bühnenboden eingreifen. (3) Die Vorrichtung zum Schließen des Schutzvorhangs muss mindestens an zwei Stellen von Hand ausgelöst werden können. Beim Schließen muss auf der Bühne ein Warnsignal zu hören sein. § 24 Feuerlösch- und Brandmeldeanlagen (1) Großbühnen müssen eine automatische Sprühwasserlöschanlage haben, die auch den Schutzvorhang beaufschlagt. (2) Die Sprühwasserlöschanlage muss zusätzlich mindestens von zwei Stellen aus von Hand in Betrieb gesetzt werden können. (3) In Großbühnen müssen neben den Ausgängen zu den Rettungswegen in Höhe der Arbeitsgalerien und des Schnürbodens Wandhydranten vorhanden sein. (4) Großbühnen und Räume mit besonderen Brandgefahren müssen eine Brandmeldeanlage mit automatischen und nichtautomatischen Brandmeldern haben. (5) Die Auslösung eines Alarmes muss optisch und akustisch am Platz der Brandsicherheitswache erkennbar sein. § 25 Platz für die Brandsicherheitswache (1) Auf jeder Seite der Bühnenöffnung muss für die Brandsicherheitswache ein besonderer Platz mit einer Grundfläche von mindestens 1 m mal 1 m und einer Höhe von mindestens 2,20 m vorhanden sein. Die Brandsicherheitswache muss die Fläche, die bespielt wird, überblicken und betreten können. (2) Am Platz der Brandsicherheitswache müssen die Vorrichtung zum Schließen des Schutzvorhangs und die Auslösevorrichtungen der Rauchabzugs- und Sprühwasserlöschanlagen der Bühne sowie ein nichtautomatischer Brandmelder leicht erreichbar angebracht und durch Hinweisschilder gekennzeichnet sein. Die Auslösevorrichtungen müssen beleuchtet sein. Diese Beleuchtung muss an die Sicherheitsstromversorgung angeschlossen sein. Die Vorrichtungen sind gegen unbeabsichtigtes Auslösen zu sichern. Abschnitt 2 Versammlungsstätten mit mehr als 5 000 Besucherplätzen § 26 Räume für Lautsprecherzentrale, Polizei, Feuerwehr, Sanitäts- und Rettungsdienst (1) Mehrzweckhallen und Sportstadien müssen einen Raum für eine Lautsprecherzentrale haben, von dem aus die Besucherbereiche und der Innenbereich überblickt und Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste benachrichtigt werden können. Die Lautsprecheranlage muss eine Vorrangschaltung für die Einsatzleitung der Polizei haben. (2) In Mehrzweckhallen und Sportstadien sind ausreichend große Räume für die Polizei und die Feuerwehr anzuordnen. Der Raum für die Einsatzleitung der Polizei muss eine
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räumliche Verbindung mit der Lautsprecherzentrale haben und mit Anschlüssen für eine Videoanlage zur Überwachung der Besucherbereiche ausgestattet sein. (3) Wird die Funkkommunikation der Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr innerhalb der Versammlungsstätte durch die bauliche Anlage gestört, ist die Versammlungsstätte mit technischen Anlagen zur Unterstützung des Funkverkehrs auszustatten. (4) In Mehrzweckhallen und Sportstadien muss mindestens ein ausreichend großer Raum für den Sanitäts- und Rettungsdienst vorhanden sein. § 27 Abschrankung und Blockbildung in Sportstadien mit mehr als 10 000 Besucherplätzen (1) Die Besucherplätze müssen vom Innenbereich durch mindestens 2,20 m hohe Abschrankungen abgetrennt sein. In diesen Abschrankungen sind den Stufengängen zugeordnete, mindestens 1,80 m breite Tore anzuordnen, die sich im Gefahrenfall leicht zum Innenbereich hin öffnen lassen. Die Tore dürfen nur vom Innenbereich oder von zentralen Stellen aus zu öffnen sein und müssen in geöffnetem Zustand durch selbsteinrastende Feststeller gesichert werden. Der Übergang in den Innenbereich muss niveaugleich sein. (2) Stehplätze müssen in Blöcken für höchstens 2 500 Besucher angeordnet werden, die durch mindestens 2,20 m hohe Abschrankungen mit eigenen Zugängen abgetrennt sind. (3) Die Anforderungen nach den Absätzen 1 oder 2 gelten nicht, soweit in dem mit den für öffentliche Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden, insbesondere der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungsdienste, abgestimmten Sicherheitskonzept nachgewiesen wird, dass abweichende Abschrankungen oder Blockbildungen unbedenklich sind. § 28 Wellenbrecher Werden mehr als fünf Stufen von Stehplatzreihen hintereinander angeordnet, so ist vor der vordersten Stufe eine durchgehende Schranke von 1,10 m Höhe anzuordnen. Nach jeweils fünf weiteren Stufen sind Schranken gleicher Höhe (Wellenbrecher) anzubringen, die einzeln mindestens 3 m und höchstens 5,50 m lang sind. Die seitlichen Abstände zwischen den Wellenbrechern dürfen nicht mehr als 5 m betragen. Die Abstände sind nach höchstens fünf Stehplatzreihen durch versetzt angeordnete Wellenbrecher zu überdecken, die auf beiden Seiten mindestens 0,25 m länger sein müssen als die seitlichen Abstände zwischen den Wellenbrechern. Die Wellenbrecher sind im Bereich der Stufenvorderkante anzuordnen. § 29 Abschrankung von Stehplätzen vor Szenenflächen (1) Werden vor Szenenflächen Stehplätze für Besucher angeordnet, so sind die Besucherplätze von der Szenenfläche durch eine Abschrankung so abzutrennen, dass zwischen der Szenenfläche und der Abschrankung ein Gang von mindestens 2 m Breite für den Ordnungsdienst und Rettungskräfte vorhanden ist. (2) Werden vor Szenenflächen mehr als 5 000 Stehplätze für Besucher angeordnet, so sind durch mindestens zwei weitere Abschrankungen vor der Szenenfläche nur von den Seiten zugängliche Stehplatzbereiche zu bilden. Die Abschrankungen müssen voneinander an den Seiten einen Abstand von jeweils mindestens 5 m und über die Breite der Szenenfläche einen Abstand von mindestens 10 m haben. § 30 Einfriedungen und Eingänge (1) Stadionanlagen müssen eine mindestens 2,20 m hohe Einfriedung haben, die das Überklettern erschwert. (2) Vor den Eingängen sind Geländer so anzuordnen, dass Besucher nur einzeln und hintereinander Einlass finden. Es sind Einrichtungen für Zugangskontrollen sowie für die
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Durchsuchung von Personen und Sachen vorzusehen. Für die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten sind von den Besuchereingängen getrennte Eingänge anzuordnen. (3) Für Einsatz- und Rettungsfahrzeuge müssen besondere Zufahrten, Aufstell- und Bewegungsflächen vorhanden sein. Von den Zufahrten und Aufstellflächen aus müssen die Eingänge der Versammlungsstätten unmittelbar erreichbar sein. Für Einsatz- und Rettungsfahrzeuge muss eine Zufahrt zum Innenbereich vorhanden sein. Die Zufahrten, Aufstellund Bewegungsflächen müssen gekennzeichnet sein. Teil 4 Betriebsvorschriften Abschnitt 1 Rettungswege, Besucherplätze § 31 Rettungswege, Flächen für die Feuerwehr (1) Rettungswege auf dem Grundstück sowie Zufahrten, Aufstell- und Bewegungsflächen für Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten müssen ständig frei gehalten werden. Darauf ist dauerhaft und gut sichtbar hinzuweisen. (2) Rettungswege in der Versammlungsstätte müssen ständig frei gehalten werden. (3) Während des Betriebes müssen alle Türen von Rettungswegen unverschlossen sein. § 32 Besucherplätze nach dem Bestuhlungs- und Rettungswegeplan (1) Die Zahl der im Bestuhlungs- und Rettungswegeplan genehmigten Besucherplätze darf nicht überschritten und die genehmigte Anordnung der Besucherplätze darf nicht geändert werden. (2) Eine Ausfertigung des für die jeweilige Nutzung genehmigten Planes ist in der Nähe des Haupteinganges eines jeden Versammlungsraumes gut sichtbar anzubringen. (3) Ist nach der Art der Veranstaltung die Abschrankung der Stehflächen vor Szenenflächen erforderlich, sind Abschrankungen nach § 29 auch in Versammlungsstätten mit nicht mehr als 5 000 Stehplätzen einzurichten. Abschnitt 2 Brandverhütung § 33 Vorhänge, Sitze, Ausstattungen, Requisiten und Ausschmückungen (1) Vorhänge von Bühnen und Szenenflächen müssen aus mindestens schwerentflammbarem Material bestehen. (2) Sitze von Versammlungsstätten mit mehr als 5 000 Besucherplätzen müssen aus mindestens schwerentflammbarem Material bestehen. Die Unterkonstruktion muss aus nichtbrennbarem Material bestehen. (3) Ausstattungen müssen aus mindestens schwerentflammbarem Material bestehen. Bei Bühnen oder Szenenflächen mit automatischen Feuerlöschanlagen genügen Ausstattungen aus normalentflammbarem Material. (4) Requisiten müssen aus mindestens normalentflammbarem Material bestehen. (5) Ausschmückungen müssen aus mindestens schwerentflammbarem Material bestehen. Ausschmückungen in notwendigen Fluren und notwendigen Treppenräumen müssen aus nichtbrennbarem Material bestehen. (6) Ausschmückungen müssen unmittelbar an Wänden, Decken oder Ausstattungen angebracht werden. Frei im Raum hängende Ausschmückungen sind zulässig, wenn sie einen Abstand von mindestens 2,50 m zum Fußboden haben. Ausschmückungen aus natürlichem Pflanzenschmuck dürfen sich nur so lange sie frisch sind in den Räumen befinden.
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(7) Der Raum unter dem Schutzvorhang ist von Ausstattungen, Requisiten oder Ausschmückungen so freizuhalten, dass die Funktion des Schutzvorhangs nicht beeinträchtigt wird. (8) Brennbares Material muss von Zündquellen, wie Scheinwerfern oder Heizstrahlern, so weit entfernt sein, dass das Material durch diese nicht entzündet werden kann. § 34 Aufbewahrung von Ausstattungen, Requisiten, Ausschmückungen und brennbarem Material (1) Ausstattungen, Requisiten und Ausschmückungen dürfen nur außerhalb der Bühnen und der Szenenflächen aufbewahrt werden; dies gilt nicht für den Tagesbedarf. (2) Auf den Bühnenerweiterungen dürfen Szenenaufbauten der laufenden Spielzeit bereitgestellt werden, wenn die Bühnenerweiterungen durch dichtschließende Abschlüsse aus nichtbrennbaren Baustoffen gegen die Hauptbühne abgetrennt sind. (3) An den Zügen von Bühnen oder Szenenflächen dürfen nur Ausstattungsteile für einen Tagesbedarf hängen. (4) Pyrotechnische Gegenstände, brennbare Flüssigkeiten und anderes brennbares Material, insbesondere Packmaterial, dürfen nur in den dafür vorgesehenen Magazinen aufbewahrt werden. § 35 Rauchen, Verwendung von offenem Feuer und pyrotechnischen Gegenständen (1) Auf Bühnen und Szenenflächen, in Werkstätten und Magazinen ist das Rauchen verboten. Das Rauchverbot gilt nicht für Darsteller und Mitwirkende auf Bühnen- und Szenenflächen während der Proben und Veranstaltungen, soweit das Rauchen in der Art der Veranstaltungen begründet ist. (2) In Versammlungsräumen, auf Bühnen- und Szenenflächen und in Sportstadien ist das Verwenden von offenem Feuer, brennbaren Flüssigkeiten und Gasen, pyrotechnischen Gegenständen und anderen explosionsgefährlichen Stoffen verboten. § 17 Abs. 1 bleibt unberührt. Das Verwendungsverbot gilt nicht, soweit das Verwenden von offenem Feuer, brennbaren Flüssigkeiten und Gasen sowie pyrotechnischen Gegenständen in der Art der Veranstaltung begründet ist und der Veranstalter die erforderlichen Brandschutzmaßnahmen im Einzelfall mit der Feuerwehr abgestimmt hat. Die Verwendung pyrotechnischer Gegenstände muss durch eine nach Sprengstoffrecht geeignete Person überwacht werden. (3) Die Verwendung von Kerzen und ähnlichen Lichtquellen als Tischdekoration sowie die Verwendung von offenem Feuer in dafür vorgesehenen Kücheneinrichtungen zur Zubereitung von Speisen ist zulässig. (4) Auf die Verbote der Absätze 1 und 2 ist dauerhaft und gut sichtbar hinzuweisen. Abschnitt 3 Betrieb technischer Einrichtungen § 36 Bedienung und Wartung der technischen Einrichtungen (1) Der Schutzvorhang muss täglich vor der ersten Vorstellung oder Probe durch Aufziehen und Herablassen auf seine Betriebsbereitschaft geprüft werden. Der Schutzvorhang ist nach jeder Vorstellung herabzulassen und zu allen arbeitsfreien Zeiten geschlossen zu halten. (2) Die Automatik der Sprühwasserlöschanlage kann während der Dauer der Anwesenheit der Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik abgeschaltet werden. (3) Die automatische Brandmeldeanlage kann abgeschaltet werden, soweit dies in der Art der Veranstaltung begründet ist und der Veranstalter die erforderlichen Brandschutzmaßnahmen im Einzelfall mit der Feuerwehr abgestimmt hat.
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(4) Während des Aufenthaltes von Personen in Räumen, für die eine Sicherheitsbeleuchtung vorgeschrieben ist, muss diese in Betrieb sein, soweit die Räume nicht ausreichend durch Tageslicht erhellt sind. § 37 Laseranlagen Auf den Betrieb von Laseranlagen in den für Besucher zugänglichen Bereichen sind die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden. Abschnitt 4 Verantwortliche Personen, besondere Betriebsvorschriften § 38 Pflichten der Betreiber, Veranstalter und Beauftragten (1) Der Betreiber ist für die Sicherheit der Veranstaltung und die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich. (2) Während des Betriebes von Versammlungsstätten muss der Betreiber oder ein von ihm beauftragter Veranstaltungsleiter ständig anwesend sein. (3) Der Betreiber muss die Zusammenarbeit von Ordnungsdienst, Brandsicherheitswache und Sanitätswache mit der Polizei, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst gewährleisten. (4) Der Betreiber ist zur Einstellung des Betriebes verpflichtet, wenn für die Sicherheit der Versammlungsstätte notwendige Anlagen, Einrichtungen oder Vorrichtungen nicht betriebsfähig sind oder wenn Betriebsvorschriften nicht eingehalten werden können. (5) Der Betreiber kann die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 durch schriftliche Vereinbarung auf den Veranstalter übertragen, wenn dieser oder dessen beauftragter Veranstaltungsleiter mit der Versammlungsstätte und deren Einrichtungen vertraut ist. Die Verantwortung des Betreibers bleibt unberührt.
§ 39 Verantwortliche für Veranstaltungstechnik (1) Verantwortliche für Veranstaltungstechnik sind 1. die Geprüften Meister für Veranstaltungstechnik der Fachrichtungen Bühne/Studio, Beleuchtung oder Halle, 2. technische Fachkräfte mit bestandenem fachrichtungsspezifischen Teil der Prüfung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit den §§ 5, 6 oder 7 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss „Geprüfter Meister für Veranstaltungstechnik/Geprüfte Meisterin für Veranstaltungstechnik“ in den Fachrichtungen Bühne/Studio, Beleuchtung, Halle in der jeweiligen Fachrichtung, 3. Hochschulabsolventen mit berufsqualifizierendem Hochschulabschluss der Fachrichtung Theater oder Veranstaltungstechnik mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung im technischen Betrieb von Bühnen, Studios oder Mehrzweckhallen in der jeweiligen Fachrichtung, denen die oberste Bauaufsichtsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle ein Befähigungszeugnis nach Anlage 1 ausgestellt hat, 4. technische Bühnen- und Studiofachkräfte, die das Befähigungszeugnis nach den bis zum In-Kraft-Treten dieser Verordnung geltenden Vorschriften124) erworben haben oder die Tätigkeit als technische Bühnen- und Studiofachkraft ohne Befähigungszeugnis ausüben durften und in den letzten drei Jahren ausgeübt haben. Auf Antrag stellt die oberste Bauaufsichtsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle125) auch den Personen nach Satz 1 Nr. 1 bis 4 ein Befähigungszeugnis nach Anlage 1 aus. Die in einem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Befähigungszeugnisse werden anerkannt.
124 Nach Landesrecht. 125 Nach Landesrecht.
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(2) Gleichwertige Ausbildungen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erworben und durch einen Ausbildungsnachweis belegt werden, sind entsprechend den europäischen Richtlinien zur Anerkennung von Berufsqualifikationen den in Absatz 1 genannten Ausbildungen gleichgestellt. § 40 Aufgaben und Pflichten der Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik, technische Probe (1) Die Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik müssen mit den bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischen und sonstigen technischen Einrichtungen der Versammlungsstätte vertraut sein und deren Sicherheit und Funktionsfähigkeit, insbesondere hinsichtlich des Brandschutzes, während des Betriebs gewährleisten. (2) Auf- oder Abbau bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischer Einrichtungen von Großbühnen oder Szenenflächen mit mehr als 200 m2 Grundfläche oder in Mehrzweckhallen mit mehr als 5 000 Besucherplätzen, wesentliche Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an diesen Einrichtungen und technische Proben müssen von einem Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik geleitet und beaufsichtigt werden. (3) Bei Generalproben, Veranstaltungen, Sendungen oder Aufzeichnungen von Veranstaltungen auf Großbühnen oder Szenenflächen mit mehr als 200 m2 Grundfläche oder in Mehrzweckhallen mit mehr als 5 000 Besucherplätzen müssen mindestens ein Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik der Fachrichtung Bühne/Studio oder der Fachrichtung Halle sowie ein Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik der Fachrichtung Beleuchtung anwesend sein. (4) Bei Szenenflächen mit mehr als 50 m2 und nicht mehr als 200 m2 Grundfläche oder in Mehrzweckhallen mit nicht mehr als 5 000 Besucherplätzen müssen die Aufgaben nach den Absätzen 1 bis 3 zumindest von einer Fachkraft für Veranstaltungstechnik mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung wahrgenommen werden. Die Aufgaben können auch von erfahrenen Bühnenhandwerkern oder Beleuchtern wahrgenommen werden, die diese Aufgaben nach den bis zum In-Kraft -Treten dieser Verordnung geltenden Vorschriften126 wahrnehmen durften und in den letzten drei Jahren ausgeübt haben. (5) Die Anwesenheit nach den Absatz 3 ist nicht erforderlich, wenn 1. die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischen sowie der sonstigen technischen Einrichtungen der Versammlungsstätte vom Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik überprüft wurden, 2. diese Einrichtungen während der Veranstaltung nicht bewegt oder sonst verändert werden, 3. von Art oder Ablauf der Veranstaltung keine Gefahren ausgehen können und 4. die Aufsicht durch eine Fachkraft für Veranstaltungstechnik geführt wird, die mit den technischen Einrichtungen vertraut ist. Im Fall des Absatzes 4 können die Aufgaben nach den Absätzen 1 bis 3 von einer aufsichtführenden Person wahrgenommen werden, wenn 1. von Auf- und Abbau sowie dem Betrieb der bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischer Einrichtungen keine Gefahren ausgehen können, 2. von Art oder Ablauf der Veranstaltung keine Gefahren ausgehen können und 3. die Aufsicht führende Person mit den technischen Einrichtungen vertraut ist. (6) Bei Großbühnen sowie bei Szenenflächen mit mehr als 200 m2 Grundfläche und bei Gastspielveranstaltungen mit eigenem Szenenaufbau in Versammlungsräumen muss vor der ersten Veranstaltung eine nichtöffentliche technische Probe mit vollem Szenenaufbau und voller Beleuchtung stattfinden. Diese technische Probe ist der Bauaufsichtsbehörde mindestens 24 Stunden vorher anzuzeigen. Beabsichtigte wesentliche Änderun126 Nach Landesrecht.
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gen des Szenenaufbaues nach der technischen Probe sind der zuständigen Bauaufsichtsbehörde rechtzeitig anzuzeigen. Die Bauaufsichtsbehörde kann auf die technische Probe verzichten, wenn dies nach der Art der Veranstaltung oder nach dem Umfang des Szenenaufbaues unbedenklich ist. § 41 Brandsicherheitswache, Sanitäts- und Rettungsdienst (1) Bei Veranstaltungen mit erhöhten Brandgefahren hat der Betreiber eine Brandsicherheitswache einzurichten. (2) Bei jeder Veranstaltung auf Großbühnen sowie Szenenflächen mit mehr als 200 m2 Grundfläche muss eine Brandsicherheitswache der Feuerwehr anwesend sein. Den Anweisungen der Brandsicherheitswache ist zu folgen. Eine Brandsicherheitswache der Feuerwehr ist nicht erforderlich, wenn die Brandschutzdienststelle dem Betreiber bestätigt, dass er über eine ausreichende Zahl ausgebildeter Kräfte verfügt, die die Aufgaben der Brandsicherheitswache wahrnehmen. (3) Veranstaltungen mit voraussichtlich mehr als 5 000 Besuchern sind der für den Sanitäts- und Rettungsdienst zuständigen Behörde rechtzeitig anzuzeigen. § 42 Brandschutzordnung, Feuerwehrpläne (1) Der Betreiber oder ein von ihm Beauftragter hat im Einvernehmen mit der Brandschutzdienststelle eine Brandschutzordnung aufzustellen und durch Aushang bekannt zu machen. In der Brandschutzordnung sind insbesondere die Erforderlichkeit und die Aufgaben eines Brandschutzbeauftragten und der Kräfte für den Brandschutz sowie die Maßnahmen festzulegen, die zur Rettung Behinderter, insbesondere Rollstuhlbenutzer, erforderlich sind. (2) Das Betriebspersonal ist bei Beginn des Arbeitsverhältnisses und danach mindestens einmal jährlich zu unterweisen über 1. die Lage und die Bedienung der Feuerlöscheinrichtungen und -anlagen, Rauchabzugsanlagen, Brandmelde- und Alarmierungsanlagen und der Brandmelder- und Alarmzentrale, 2. die Brandschutzordnung, insbesondere über das Verhalten bei einem Brand oder bei einer Panik, und 3. die Betriebsvorschriften. Den Brandschutzdienststellen ist Gelegenheit zu geben, an der Unterweisung teilzunehmen. Über die Unterweisung ist eine Niederschrift zu fertigen, die der Bauaufsichtsbehörde auf Verlangen vorzulegen ist. (3) Im Einvernehmen mit der Brandschutzdienststelle sind Feuerwehrpläne anzufertigen und der örtlichen Feuerwehr zur Verfügung zu stellen. § 43 Sicherheitskonzept, Ordnungsdienst (1) Erfordert es die Art der Veranstaltung, hat der Betreiber ein Sicherheitskonzept aufzustellen und einen Ordnungsdienst einzurichten. (2) Für Versammlungsstätten mit mehr als 5 000 Besucherplätzen hat der Betreiber im Einvernehmen mit den für Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden, insbesondere der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungsdienste, ein Sicherheitskonzept aufzustellen. Im Sicherheitskonzept sind die Mindestzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes gestaffelt nach Besucherzahlen und Gefährdungsgraden sowie die betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen und die allgemeinen und besonderen Sicherheitsdurchsagen festzulegen. (3) Der nach dem Sicherheitskonzept erforderliche Ordnungsdienst muss unter der Leitung eines vom Betreiber oder Veranstalter bestellten Ordnungsdienstleiters stehen. (4) Der Ordnungsdienstleiter und die Ordnungsdienstkräfte sind für die betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen verantwortlich. Sie sind insbesondere für die Kontrolle an den Einund Ausgängen und den Zugängen zu den Besucherblöcken, die Beachtung der maximal zulässigen Besucherzahl und der Anordnung der Besucherplätze, die Beachtung der Verbote des § 35, die Sicherheitsdurchsagen sowie für die geordnete Evakuierung im Gefahrenfall verantwortlich.
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MVStättV Teil 5 Zusätzliche Bauvorlagen § 44 Zusätzliche Bauvorlagen, Bestuhlungs- und Rettungswegeplan
(1) Mit den Bauvorlagen ist ein Brandschutzkonzept vorzulegen, in dem insbesondere die maximal zulässige Zahl der Besucher, die Anordnung und Bemessung der Rettungswege und die zur Erfüllung der brandschutztechnischen Anforderungen erforderlichen baulichen, technischen und betrieblichen Maßnahmen dargestellt sind. (2) Für die nach dieser Verordnung erforderlichen technischen Einrichtungen sind besondere Pläne, Beschreibungen und Nachweise vorzulegen. (3) Mit den bautechnischen Nachweisen sind Standsicherheitsnachweise für dynamische Belastungen vorzulegen. (4) Der Verlauf der Rettungswege im Freien, die Zufahrten und die Aufstell- und Bewegungsflächen für die Einsatz- und Rettungsfahrzeuge sind in einem besonderen Außenanlagenplan darzustellen. (5) Die Anordnung der Sitz- und Stehplätze, einschließlich der Plätze für Rollstuhlbenutzer, der Bühnen-, Szenen- oder Spielflächen sowie der Verlauf der Rettungswege sind in einem Bestuhlungs- und Rettungswegeplan im Maßstab von mindestens 1:200 darzustellen. Sind verschiedene Anordnungen vorgesehen, so ist für jede ein besonderer Plan vorzulegen. § 45 Gastspielprüfbuch (1) Für den eigenen, gleichbleibenden Szenenaufbau von wiederkehrenden Gastspielveranstaltungen kann auf schriftlichen Antrag ein Gastspielprüfbuch erteilt werden. (2) Das Gastspielprüfbuch muss dem Muster der Anlage 2 entsprechen. Der Veranstalter ist durch das Gastspielprüfbuch von der Verpflichtung entbunden, an jedem Gastspielort die Sicherheit des Szenenaufbaues und der dazu gehörenden technischen Einrichtungen erneut nachzuweisen. (3) Das Gastspielprüfbuch wird von der obersten Bauaufsichtsbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle127 erteilt. Die Geltungsdauer ist auf die Dauer der Tournee zu befristen und kann auf schriftlichen Antrag verlängert werden. Vor der Erteilung ist eine technische Probe durchzuführen. Die in einem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Gastspielprüfbücher werden anerkannt. (4) Das Gastspielprüfbuch ist der für den Gastspielort zuständigen Bauaufsichtsbehörde rechtzeitig vor der ersten Veranstaltung am Gastspielort vorzulegen. Werden für die Gastspielveranstaltung Fliegende Bauten genutzt, ist das Gastspielprüfbuch mit der Anzeige der Aufstellung der Fliegenden Bauten vorzulegen. Die Befugnisse nach § 58 MBO128 bleiben unberührt. Teil 6 Bestehende Versammlungsstätten § 46 Anwendung der Vorschriften auf bestehende Versammlungsstätten (1) Die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verordnung bestehenden Versammlungsstätten mit mehr als 5 000 Besucherplätzen sind innerhalb von zwei Jahren folgenden Vorschriften anzupassen: 1. Kennzeichnung der Ausgänge und Rettungswege (§ 6 Abs. 6), 2. Sitzplätze (§ 10 Abs. 2 und § 33 Abs. 2), 3. Lautsprecheranlage (§ 20 Abs. 2 und § 26 Abs. 1), 127 Nach Landesrecht. 128 Nach Landesrecht.
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4. Einsatzzentrale für die Polizei (§ 26 Abs. 2), 5. Abschrankung von Besucherbereichen (§ 27 Abs. 1 und 3), 6. Wellenbrecher (§ 28), 7. Abschrankung von Stehplätzen vor Szenenflächen (§ 29). (2) Auf die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verordnung bestehenden Versammlungsstätten sind die Betriebsvorschriften des Teils 4 sowie § 10 Abs. 1, § 14 Abs. 3 und § 19 Abs. 8 entsprechend anzuwenden. (3) Die Bauaufsichtsbehörde hat Versammlungsstätten in Zeitabständen von höchstens drei Jahren zu prüfen. Dabei ist auch die Einhaltung der Betriebsvorschriften zu überwachen und festzustellen, ob die vorgeschriebenen wiederkehrenden Prüfungen fristgerecht durchgeführt und etwaige Mängel beseitigt worden sind. Den Ordnungsbehörden, der Gewerbeaufsicht und der Brandschutzdienststelle ist Gelegenheit zur Teilnahme an den Prüfungen zu geben. Teil 7 Schlussvorschriften § 47 Ordnungswidrigkeiten Ordnungswidrig nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 MBO129 handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 31 Abs. 1 die Rettungswege auf dem Grundstück, die Zufahrten, Aufstellund Bewegungsflächen nicht frei hält, 2. entgegen § 31 Abs. 2 die Rettungswege in der Versammlungsstätte nicht frei hält, 3. entgegen § 31 Abs. 3 Türen in Rettungswegen verschließt oder fest stellt, 4. entgegen § 32 Abs. 1 die Zahl der genehmigten Besucherplätze überschreitet oder die genehmigte Anordnung der Besucherplätze ändert, 5. entgegen § 32 Abs. 3 erforderliche Abschrankungen nicht einrichtet, 6. entgegen § 33 Abs. 1 bis 5 andere als die dort genannten Materialien verwendet oder entgegen § 33 Abs. 6 bis 8 anbringt, 7. entgegen § 34 Abs. 1 bis 3 Ausstattungen auf der Bühne aufbewahrt oder nicht von der Bühne entfernt, 8. entgegen § 34 Abs. 4 pyrotechnische Gegenstände, brennbare Flüssigkeiten oder anderes brennbares Material außerhalb der dafür vorgesehenen Magazine aufbewahrt, 9. entgegen § 35 Abs. 1 und 2 raucht oder offenes Feuer, brennbare Flüssigkeiten oder Gase, explosionsgefährliche Stoffe oder pyrotechnische Gegenstände verwendet, 10. entgegen § 36 Abs. 4 die Sicherheitsbeleuchtung nicht in Betrieb nimmt, 11. entgegen § 37 Laseranlagen in Betrieb nimmt, 12. als Betreiber, Veranstalter oder beauftragter Veranstaltungsleiter entgegen § 38 Abs. 2 während des Betriebes nicht anwesend ist, 13. als Betreiber, Veranstalter oder beauftragter Veranstaltungsleiter entgegen § 38 Abs. 4 den Betrieb der Versammlungsstätte nicht einstellt, 14. entgegen § 40 Abs. 2 bis 5 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 als Betreiber, Veranstalter oder beauftragter Veranstaltungsleiter den Betrieb von Bühnen oder Szenenflächen zulässt, ohne dass die erforderlichen Verantwortlichen oder Fachkräfte für Veranstaltungstechnik, die erfahrenen Bühnenhandwerker oder Beleuchter oder die aufsichtführenden Personen anwesend sind, 15. entgegen § 40 Abs. 2 bis 5 als Verantwortlicher oder Fachkraft für Veranstaltungstechnik, als erfahrener Bühnenhandwerker oder Beleuchter oder als aufsichtführende Person die Versammlungsstätte während des Betriebes verlässt, 16. als Betreiber entgegen § 41 Abs. 1 und 2 nicht für die Durchführung der Brandsicherheitswache sorgt oder entgegen § 41 Abs. 3 die Veranstaltung nicht anzeigt,
129 Nach Landesrecht.
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17. als Betreiber oder Veranstalter die nach § 42 Abs. 2 vorgeschriebenen Unterweisungen unterlässt, 18. als Betreiber oder Veranstalter entgegen § 43 Abs. 1 bis 3 keinen Ordnungsdienst oder keinen Ordnungsdienstleiter bestellt, 19. als Ordnungsdienstleiter oder Ordnungsdienstkraft entgegen § 43 Abs. 3 oder 4 seinen Aufgaben nicht nachkommt, 20. als Betreiber einer der Anpassungspflichten nach § 46 Abs. 1 nicht oder nicht fristgerecht nachkommt. § 48 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten Diese Verordnung tritt am … in Kraft. Gleichzeitig treten außer Kraft: 1. die Versammlungsstättenverordnung vom …,130 2. die Technische Fachkräfteverordnung vom …131
130 Nach Landesrecht. 131 Nach Landesrecht.
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Sachregister Die Zahlen verweisen auf die Randziffern. Abfindungsanspruch 984 ff. Abgabebescheid 1561 Abgaben 1162 Abhilfe 438 ff. Abmahnung 971, 977, 1092a Abmahnungskosten 1092a Abnahme 214 Absetzfreigabe 680 Abzugsverbot 1215 Agenturhonorar 1301 Agenturvertrag 233 ff. Aktiengesellschaft 75 ff. Aktivtausch 1202 Allgemeine Geschäftsbedingungen 187 ff. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 908a ff. Allphasen-Nettoumsatzsteuer 1374 ff. All-Risk-Versicherung 850 Amateur 1001 Ambush-Marketing 1122m ff. Anfechtung 168 ff. – Anfechtungsfrist 178 – arglistige Täuschung 177 – Eigenschaftsirrtum 172 – Erklärungsirrtum 171 – Inhaltsirrtum 170 – Motivirrtum 176 – widerrechtliche Drohung 177 Angebot 123, s. auch Vertragsschluss Anliegerschutz 730c Anmeldepflicht 577 ff. Annahme 128, s. auch Vertragsschluss Anreicherungsverordnung 659e Ansammlung 683 Antiterrormaßnahme 888 Anrechnungsverfahren 1341 ff.
Anrufungsauskunft 1486 Arbeitgeber 923, 952 Arbeitnehmer 895, 924 ff., 1214, 1292, 1481 Arbeitnehmerähnliche Person 925 Arbeitnehmerschutz 909 ff. Arbeitnehmerüberlassung 1010 Arbeitseinkommen 1515 Arbeitsgerichtsbarkeit 920 Arbeitsgerichtsgesetz 895, 919 Arbeitslohn 1274, 1478, s. auch Lohnsteuer Arbeitsrecht 895 ff. – allgemeines 922 ff. – eventspezifisches, s. dort – Individualarbeitsrecht 897 ff. – Kollektivarbeitsrecht 898 ff. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz 905 ff. Arbeitsschutz 909 Arbeitsstättenverordnung 910a Arbeitsunfall 1009 Arbeitsverfahrensrecht 918 ff. Arbeitsverhältnis 929 ff. – Beendigung 959 ff. – Befristung 960 ff. – Kündigung 959, 969 ff. – Nebenpflicht 931 – Probezeit 933 Arbeitsvertrag 929 ff. Arbeitszeitschutz 911 Arglistige Täuschung 177 Arthandlungsbevollmächtigter 566 Artist Rider 230a Aufführungsvertrag 203 ff. Aufhebungsvertrag 959, 968 Auflage 588, 625, 647 Aufsichtspersonal 776a Aufsichtsrat 80 Auftragsbestätigung 130, 576c 639
Sachregister
Ausgleichsanspruch 753, s. auch Haftung Aushilfe 946 ff. Ausnahmegenehmigung 638 Ausrüstungsvertrag 1304 Ausschlussfrist 480 ff. Ausschüttungsbelastung 1340 Ausspielungen 674 ff. Außenlandegenehmigung 676 Außergerichtliche Kommunikation 336 ff. Ausstellung 730h Auswahlverschulden 859 Autoritätsverhältnis 722a Autovernichtungsrennen 643 Awareness 293a Backstage-Area 1117 Backup 232b Bagatellgrenze 1315 Ballon-Begleitfahrt 643 Bandenwerbung 1119 Bauabzugsteuer 1263, 1311 ff. Baugenehmigung 582 Bauleistung 1311 Baunutzungsverordnung 583 Bauten, fliegende 612 Bauvorhaben 583 Bedingung 588, 647 Beförderungsmangel 428 Beförderungsvertrag 492 ff. Befristetes Arbeitsverhältnis 960 ff. – Erprobung 966 – Kettenarbeitsvertrag 964 – Zweckbefristung 965 Beglaubigung, öffentliche 138 Begleitschaden 475 Beherbergungsvertrag 503 ff. Beiträge 1164, 1530 ff. – Künstlersozialversicherung 1498 Beitragszuschuss 1522 Beiwerk 1122k Belästigung 1158 Belehrung 658 ff. 640
Bemessungsgrundlage 1312, 1359, 1477 – der Ausländersteuer 1295c ff. Benefizveranstaltung 241a Benutzungsbedingungen 253 Berichterstattung, redaktionelle 1097 Berichtigungsanspruch 1103 Berufsanfänger 1523 ff. Berufsgruppenkatalog 1508 Berufung 344 Besitzsteuern 1170 Bestätigungsvertrag 201 Besteuerung 1379 ff. Besteuerungszeitraum 1412 Best Price-Abrede 334j Bestsellerparagraf 1017 Bestuhlungsplan 610 Besucher 608, 610 Besucherplatz 610 Besucherzahl 713 Besuchsverbot 240 Betreiberhaftung 610a Betriebsausgabe 1206, 1219, 1228, 1362 – bei der Ausländersteuer 1295c ff. Betriebseinnahme 1227, 1464 Betriebsrat 899, 900 ff. Betriebsratsausschüsse 899 Betriebsvermögensvergleich 1198 Betriebsversammlung 899 Betriebsvorschrift 610 Bettenkontingent 507 Beurkundung, notarielle 139 Bewegungsrisiko 871 Bewertungsfaktor 716 Bierlieferungsvertrag 311 Bilanz 1199 Bildnisbegriff 1122e Bildnisschutz 1122j Bildrechte 1122c Billigreiseanbieter 516 Blacklist 293b Bodenkaskoversicherung 878d Bodenverdichtung 1129 Bote 144
Sachregister
Branchenexklusivität 293a Branding 1122p Brandschau 719a Brandschutz 719a Brandverhütung 610 Break-Even-Point 875 Bühnenbild 1022 Bühnenkünstler 988 – nach NV Solo 992 Bühnenschiedsgericht 991 Bürgschaft 528 Bundesfinanzhof 1210 Bundesimmissionsschutzgesetz 1140 Bundesnaturschutzgesetz 1137d Bundesnetzagentur 680e Bundesnichtraucherschutzgesetz 910a Bundesseuchengesetz 658 Bundessozialgericht 1551 Bundessteuern 1169 Bundesurlaubsgesetz 904 Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 944 Bundeszuschuss 1499 Bußgeld 722, 1319, 1568 ff. Charity-Veranstaltung 241a Chartervertrag 499 ff. Compliance 334g Corporate Identity 334g Co-Sponsor 283 culpa in contrahendo 161, 737 Dämmstoff 610 Datenträgerversicherung 874 Datenversicherung 874 Dauerbeschäftigung 1289 Dauer-Sponsoring 282 – personenbezogenes 986 Deckungserweiterung 832, s. auch Versicherung Deckungssumme 863, s. auch Veranstalter-Haftpflicht-Versicherung Deckungszusage 823, s. auch Versicherung
Defensiv-Marken 1122o Deliktische Haftung 765 ff., s. auch Haftung DENIC 1076 ff. Deutscher Fußball-Bund 611 Deutscher Reisepreis-Sicherungsverein 518 Diensteanbieter 1017b Dienstvertrag 207 ff. – selbständiger 211 – unselbständiger 212 Direktionsrecht 934 Direktwerbung 1089b Dispute-Eintrag 1081 Doppelbesteuerung 116, 1341 Doppelbesteuerungsabkommen 1309 Drei-Personen-Verhältnis 1474 Druckwerk 1102 Durchführungskosten 223, s. auch Konzertvertrag E-Commerce-Richtlinie 1117 f EG-Fernseh-Richtlinie 1120 EG-Kommission 1556 Ehegattenbesteuerung 1257 ff. Eidesstattliche Versicherung 349 Eigenschadenversicherung 842 Eigenschaftsirrtum 172 Eigenverbrauch 1383, 1387 Einfuhrumsatzsteuer 1379 Eingetragener Verein 85 ff. – Geschäftsführung 93 ff. – Idealverein 99 – Satzung 86 – Vereinsregister 90 – Vereinszweck 87 Einigungsstelle 900c, 1094 ff. Einkommensteuer 1181 ff. – Bauabzugsteuer 1263, 1311 ff. – Ehegattenbesteuerung 1257 ff. – Einkommensermittlung 1238 ff. – Einkunftsarten 1183 ff. – Einkunftsermittlung s. dort – Freibetrag 1244 – Gesamtbetrag 1237 641
Sachregister
– Kapitalertragsteuer 1320 ff. – Lohnsteuer 1264 ff. – Solidaritätszuschlag 1323 ff. – Sonderausgaben 1239 ff. – steuerfreie Einnahme 1193 – Steuertarif 1247 – Verfahren 1261 ff. Einkommensteuergesetz 112, 1182 Einkünfte 1183 ff. – außerordentliche 1251 – sonstige 1284 Einkunftsermittlung 1194 ff. – Abzugsverbot 1215 – Aktivtausch 1202 – Betriebsausgabe 1206, 1219, 1228 – Betriebseinnahme 1227 – Betriebsvermögensvergleich 1198 – Bilanz 1199 – Einnahmen-Überschuss-Rechnung 1226 – Gewerbe 1232 – Kunst 1230 – Mäzenatentum 1217 – Sonderausgabe 1219 – Spende 1218 – Sponsoring 1216 – Tagungsreise 1207 – Werbungskosten 1233 ff. – Zuwendung 1223 Einlage – bei Kommanditgesellschaft 49 Einmann-GmbH 60 Einnahme, steuerfreie 1193 Einnahmen-Überschuss-Rechnung 1226 Einstellungsgespräch 908m f. Einstweilige Verfügung 345 ff. Eintrittsgeld 1117 Eintrittspreis 1087 Einwilligung 1047, 1122g Einzelgeschäftsführungsbefugnis 39 Einzelsportart 1006 Einzelsportler 291 Einzelunternehmen 7 ff. Einzelvertretungsbefugnis 82 642
Elektronik-Betriebsunterbrechungsversicherung 873 Elektronik-Mehrkostenversicherung 872 Elektronikversicherung 840, 866 ff., 867 E-Mail-Marketing 1089c Engagementvertrag 228 Entgelt 1101 Entgeltfortzahlung 930 Entnahmeeigenverbrauch 1401 Erbschaftsteuerrecht 1178 Erfüllungsgehilfe 749, 797 Erklärungsirrtum 171 Erlaubnispflicht 643, 654 Erlaubnisverfahren 641 Erlaubnisvorbehalt 577 ff. Erprobung 966, s. auch Arbeitsverhältnis Ersatzkünstler 232c Ersatzveranstaltung 334 Erstattung – Lohnsteuer 1298 – Künstlersozialversicherung 1570 Ertrag 1352, s. auch Gewerbesteuer Erweiterte beschränkte Steuerpflicht 1310b ff. EU-Mitgliedstaat 1556 EU-Pauschalreiserichtlinie 517 Eventagentur 1 ff., 235 – Rechtsform 1 ff. – Aktiengesellschaft 75 ff. – Betriebsformen 3 – Doppelbesteuerung 116 – eingetragener Verein 85 ff. – Einkommensteuer 112 – Einzelunternehmen 7 ff. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts 20, 25 ff. – Gesellschaftsformen 14 – GmbH 52 ff. – GmbH & Co. KG 68 ff. – Kapitalgesellschaft 17, 22 – Kommanditgesellschaft 43 ff. – Körperschaftsteuer 113
Sachregister
– offene Handelsgesellschaft 33 ff. – Partnerschaftsgesellschaft 100 ff. – Personengesellschaft 17, 21 – Rechtsformbeschränkungen 4 Event-Licensing 288 Eventspezifisches Arbeitsrecht 985 ff. – Amateur 1001 – Bühnenkünstler 988, 992 – Bühnenschiedsgericht 991 – Freizeithostess 1013 – Lizenzspieler 1003 – Musiker 997 – Normalvertrag 989 – Profi 1003, 1005 – Spielzeitvertrag 988 – Sportler 1000, 1005 f. – Stückdauervertrag 988 – Unterhaltungskünstler 996 – Unterhaltungsmusiker 998 – Vertragsamateur 1002 – Vertragsstrafe 1095 – Wanderbühne 995 Event-Sponsoring 282 Exklusivrecht 1111 Exklusivsponsor 283 Fahrgeschäft 612 ff. Fahrlässigkeit 477, 801 Fahrrad 644 Faktische Unmöglichkeit 152 Fernsehen 1096 Fernseh-Klausel 232a Fernsehshow 1306 Festzelt 612 ff. Feuerwerk 673 ff. Finanzierungsleasing 323 Firma 7, 554 ff., 1065 Firmenausschließlichkeit 559 Firmenbeständigkeit 559 Firmenunterscheidbarkeit 559 Firmenwahrheit 559 Flatrate-Party 657 Fliegende Bauten 612 Fluglotse 680 Flugsicherung 679
Flugtag 1137 Folgeschaden 475 Formfreiheit 28 Formkaufmann 543 Fotorechte 1122c, 1122i Freiberufler 101 Freibetrag 1177, 1244, 1358 Freigrenze 1177 – bei der Bauabzugssteuer 1313 Freistellungsbescheinigung 1293, 1314, 1317 – bei der Bauabzugssteuer 1312h ff. Freizeichnungsklauseln 127, 425, 794 ff. Freizeithostess 1013 Fremdenverkehrsamt 601 Fremdschadenversicherung 855 Fristsetzung 399, 448, 457 Fruchtziehung 310, s. auch Pachtvertrag Fuckparade 687 Funkmikrofone 680e Fürsorgepflicht 897 Garantiesumme 226 Gastspielprüfbuch 610 Gastspielvertrag 988 Gebrauchsmuster 1057 Gebühren 631, 1163 Gebührenerstattung 631 Gebührenpflicht 631 Gefährdungsanalyse 581 Gefahrenpotential 702 Gefahrenprognose 702 Gegendarstellungsanspruch 1102 Gegendemonstration 691 Geländegutachter 678 Geldbuße 1569 Gelegenheitsveranstalter 375, 522 GEMA 724, 1042 ff. GEMA-Anmeldung 1042 ff. – Einwilligung 1047 – Ermäßigung 1049 – Gesamtvertrag 1049 – Kontrollzuschlag 1046 – Postkartenvordruck 1051 643
Sachregister
– Rahmenvertrag 1050 – Tarifsatz 1049 GEMA-Gebührenpflicht 724 GEMA-Vermutung 1043 Gemeindesatzung 631 Gemischttypischer Vertrag 202, 245 Genehmigung 303, 577 ff. – Auflage 588 – Baugenehmigung 582 – Bedingung 588 – Fahrgeschäft 612 ff. – Festzelt 612 ff. – Feuerwerk 673 ff. – Großveranstaltung 586 – Lotterie/Tombola 674 ff. – Luftraum 675 ff. – Nutzungsgenehmigung 585 – Schankerlaubnis 654 ff. – Sing-Spielgenehmigung 650 ff., 652 – Sondernutzungsgenehmigung 630 ff. – straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis 636 ff. – Untersagungsverfügung 599 – Verkaufsstand 612 ff., 616 Generalhandlungsbevollmächtigter 565 Generalklausel 799 Geräusch 1157, s. auch Nachbarschutz Gerichtliches Mahnverfahren 338 ff. Gerichtsverfassungsgesetz 342 Geringfügig Beschäftigter 1287 Gesamthandsvermögen 106 Gesamtschuldnerische Haftung 1560 Gesamtvergütung 1296, s. auch Lohnsteuer Gesamtvertretungsbefugnis 63 Geschäftsführung 29 ff., 62 ff., 81 ff., 93 ff., 105, 1332 – Einzelvertretungsbefugnis 62 – Gesamtvertretungsbefugnis 63 – Vorstand 95 – Vorstandsmitglied 61 Geschmacksmuster 1058 644
Gesellschaft bürgerlichen Rechts 20, 25 ff. – Eventagentur 32 Gesellschafterversammlung 55 Gesellschaftervertrag 36 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 52 ff. – Einmann-GmbH 60 – Geschäftsführung 62 ff. – Gesellschafterversammlung 55 – Stammeinlage 59 Gesellschaftsformen 14 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen 330 Gesundheitsschutz 910 Gesundheitszeugnis 658 ff. Getrennte Veranlagung 1258 Gewerbe 538, 1232 Gewerbeamt 521 Gewerbebetrieb 1349, 1353 Gewerbeertrag 1355, 1359 Gewerbekapital 1359 Gewerbeordnung 618 ff. Gewerbesteuer 1256, 1349 ff., – Bemessungsgrundlage 1359 – Ertrag 1352 – Freibetrag 1358 – Hebesatz 1368 – objektives Nettoprinzip 1366 – Steuermesszahl 1361 – Steuerschuldner 1351 – Tarifbegrenzung 1363 Gewerbesteuermessbetrag 1360 Gewinn 1194, 1329 – thesaurierter 1342 Gewinnabschöpfungsanspruch 1093 Gewinnausschüttung, verdeckte 1334 Gewinnspiele 674b ff. Gewinnspielversicherung 878 f Gläubigerverzug 160 Gleitzone 951 Glücksspiel 674 ff., 1429 Glücksspielmonopol 674d GmbH & Co. KG 68 ff. Greylist 293b Großbühne 610
Sachregister
Großereignis 1112 Großrisiko 820, s. auch Risk Management Großveranstaltung 586, 1127 Grundkapital 78 Gründungs-Set 61b Gruppenversicherungsvertrag 881 Guerilla-Marketing 1122m Günstigkeitsprinzip 903 ff. Gutglaubensschutz 551, s. auch Handelsregister GVL 1051a ff. Haftung 730 ff. – gesamtschuldnerische 1560 – Ausgleichsanspruch 753 – deliktische 765 ff. – Erfüllungsgehilfe 749 – Freizeichnungsklauseln 794 ff. – immaterieller Schaden 791 – Mitverschulden 792 – Naturalrestitution 790 – Offenbarungspflicht 738 – Organhaftung 788 ff. – Personenschaden 732 – Sachschaden 732 – Schadensabwendungs- und -minderungspflicht 793 – Schmerzensgeld 791 – Sorgfaltspflicht 732 – Veranstalterhaftung 752 ff. – Verkehrssicherungspflicht 732, 741, 743 – Verletzungshandlung 751 – Vermögensschaden 732 – verschuldensunabhängige 778 – Versicherung 803 ff. – Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte 756 ff. – Vertrauensschaden 739 Haftungsbeschränkung 476 Haftungsfreizeichnung 801, 816 Haftungsrisiko 774 Haftungsverzicht 800 Haftungsvoraussetzung 478 Halbeinkünfteverfahren 1344 ff.
Handelsbrauch 510, 576c Handelsgesetzbuch 526 Handelsgewerbe 537 Handelskauf 571 ff. Handelsrechtsreformgesetz 531 Handelsregister 546 ff. – Eintragung 46 – eintragungspflichtige Tatsache 553 – Gutglaubensschutz 551 – negative Publizität 551 – Prokurist 552 Handelsverkehr 529 Händler 1480 Handlungsvollmacht 563 ff. Happening 1022 Hauptreiseleistung 362 Hauptsponsor 283 Hauptwerbeträger 273 Hausordnung 990 Hausrecht 296 Hausverbot 296 Header-Informationen 1117i Headliner 230b Health-Claims-Verordnung 659e Hebesatz 1368, s. auch Gewerbesteuer Himmelsfackeln 719c Hotelreservierungsvertrag 506 ff. Hotelvertrag 502 ff. Hygienepaket 659c Idealverein 99 Illegalität – formelle 593 – materielle 593 Imageschaden 333 Image-Sponsoring 281 Imagetransfer 281 Imageverlust-Versicherung 878a Immaterieller Schaden 791 Immissionsschutz 1139 Impulslärm 1156 Incentive – gemischt veranlasste Reisen 1484a ff. 645
Sachregister
– Reisevertrag 350 ff. – Steuern 1455 ff. Incentive-Prämien 352 Incentive-Reise 352, 366, 1456 ff. Incentive-Tool 436 Incentive-Tour 353 Individualarbeitsrecht 897 ff. Individualität 1020 Industrie- und Handelskammer 550 Infektionsschutzgesetz 659 Informationspflicht 398 Infotainment 467 Inhaltsirrtum 170 Innergemeinschaftlicher Handel 1417 Insolvenzversicherung 376, 516 ff. Internet-Telefonie 1017 f Interview 1306 Investitionsrisiko 321 invitatio ad offerendum 131 IPTV 1117c Jahressteuererklärung 1414 Jugendarbeitsschutzgesetz 914 Jugendschutz 721 ff. Jugendschutzgesetz 721 ff. Junk mail 1089b Kampfrichter 697 Kannkaufmann 532, 541 Kapitalertragsteuer 1320 ff. Kapitalgesellschaft 17, 22, 50, 1464 Karambolagerennen 643 Kartenreservierung 241 Kartensteuer 1451 Karussell-Führerschein 614 Katalogbeschreibung 386 Kaufmann 528 Kaufmännische Eventagentur 525 Kaufmännischer Veranstalter 525 ff. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben 129, 576a ff. Kaufmannsbegriff 534 Kaufmannseigenschaft 535 Kettenarbeitsvertrag 964 Klassische Künstlervermittlung 234 Kleiderablage 610 646
Kleines Inhaberpapier 242 Kleingewerbetreibender 540 Kleinrisiko 818, s. auch Risk Managment Knebelungsvertrag 236 Kollektives Arbeitsrecht 898 ff. Kölner Ringfest 1134 Kommanditgesellschaft 43 ff., 68 Kommanditist 44, 49 Kompensationsschaden 334 Komplementär 44, 48 Kontrahierungszwang 239 Kontrollpflicht 418 Kontrollzuschlag 1046 Konzertveranstaltungen 203a Konzertbesuchervertrag 237 ff. Konzertvertrag 204 ff. – Durchführungskosten 223 – Garantiesumme 226 – Kostenverteilung 224 – lokaler Veranstalter 221 – Produktionskosten 222 – Prozentdeal 225 – Tourneeveranstalter 221 – Veranstaltungsrisiko 227 Kooperationsvertrag 334d ff. Kopplung 674c Kopplungsverkauf 327 ff. Körperschaftsteuer 113, 1325 ff., – Anrechnungsverfahren 1341 ff. – Ausschüttungsbelastung 1340 – Gewinn 1329 – Gewinnausschüttung, verdeckte 1334 – Halbeinkünfteverfahren 1344 ff. Körperschaftsteuerreform 110 Kostenverteilung 224 Krankenkasse 944 Krankenversicherungsfreiheit 1520 ff. Kultursponsoring 286 Kumulierte Steuerbelastung 1367 Kündigung des Arbeitsvertrags 959, 969 ff. – außerordentliche 971 – betriebsbedingte 979 ff.
Sachregister
– krankheitsbedingte 978 – ordentliche 970 – personenbedingte 978 – Probezeit 970 – Sozialauswahl 983 – ultima ratio-Prinzip 982 – verhaltensbedingte 976 Kündigung des Reisevertrags – wegen höherer Gewalt 409 ff. – wegen Mangels 455 ff. Kündigung des Sponsoringvertrags 277 Kündigungsgrund 975 Kündigungsschutzgesetz 973 Kunst 1230 Künstler 1294, 1393 Künstlersozialabgabe 1555 ff. Künstlersozialabgabeverordnung 1502 Künstlersozialkasse 1503, 1555, 1571 ff. Künstlersozialversicherung 1497 ff. – abgabepflichtiger Unternehmer 1540 – Beiträge 1530 ff. – Beitragsanteil 1500 f. – Bundeszuschuss 1499 – Bußgeldvorschriften 1568 ff. – Erstattungsverfahren 1570 – Krankenversicherung 1520 ff. – Melde- und Abgabeverfahren 1561 ff. – Mindestarbeitseinkommen 1512 ff. – Rentenversicherung 1519 – unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse 1536 – Verfahrensvorschriften 1573 ff. – Versicherte 1505 ff. – Versicherungsfreiheit 1520 ff., 1536 Künstlervermittlung 234 Künstlervertrag 228 ff. Kunsturhebergesetz 1025 Kurzfristig Beschäftigter 1287 Kurzzeitbeschäftigungsverhältnis 1007
Ladenschlussgesetz 621 ff. Länder-Immissionsschutzgesetze 1144 Ländersteuern 1169 Landesanstalt für Medien 1107 Landesfachverband 695 Landesmediengesetz 1107 Landespressegesetz 1100 Lärmgrenze 663 Lautstärke 1146, s. auch Nachbarschutz Leasing 312 ff. Leasinggeber 314 Leasingnehmer 314 Lebensmittel 658 Lebensmittelrecht 659b ff. Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz 659b Lebensmittel-, Bedarfsgegenständeund Futtermittelgesetzbuch 659b Lebensmittelkontrolle 659d Legitimationspapier 243 Leistungsort 1396 Leistungsstörungen 150 ff., 254 – culpa in contrahendo 161 – positive Forderungsverletzung 161 – Unmöglichkeit 152 ff. – Verzug 155 ff. Live-Musik 652 Live-Streaming 1117b Lizenzspieler 1003 Location-hunter 590 Location-scout 590 Lockvogelangebot 1083 Logo 1074 Lohnsteuer 1264 ff., – Doppelbesteuerungsabkommen 1309 – Erstattungsanspruch 1298 – Freistellungsbescheinigung 1293 – Gleitzone 1283 – Milderungsregelung 1296 – Steuerabzug 1308 – Steuerklasse 1278 – Steuersatz 1295 647
Sachregister
Lohnsteuer-Anmeldung 1280 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1264 Lohnsteuerkarte 1277 Lokaler Veranstalter 221 Losverkauf 1435 Lotterie 674 ff. Lotteriesteuer 1436 ff. Love-Parade 685, 720, 1125 Luftraum 675 ff. Luftveranstaltung 1137 Luftverkehrsgesetz 677 Mahnbescheid 339, 485 Mahnung 157 Managementvertrag 234 Mangel – Reisevertrag 420 ff., 495 – Veranstaltung 748 Mängelanzeige 453, 457 Mängelprotokoll 480 Mannschaft 291 Mannschaftssport 1005 Margenbesteuerung 1462 Marke 1059, 1071 Marketing-Mix 354 Markt 631 Massenaufstiege 679a Massenparty 688 Mäzenatentum 1217 Medien 1014 Medienpartner 334d Medienpartnerschaft 334d ff. Mehrwertdienste-Rufnummern 674b f. Melde- und Abgabeverfahren 1561 ff. Messebeteiligungsvertrag 334a ff. Mietbedingungen 253, s. auch Zuschauervertrag Mietvertrag 294 ff. Milderungsregel 1295a Minderkaufmann 532 Minderung 450 ff. Mindestarbeitseinkommen 1512 ff. Mindestbeitrag 1525 Mindestvergütung 1017 648
Mindestverkaufsprognose 877, s. auch Shortfall-GuaranteeVersicherung Mitbestimmung des Betriebsrats 901 Mitgliederversammlung 94 Mittleres Risiko 819, s. auch Risk Managment Mitverschulden 792 Mitwirkung des Betriebsrats 901 Mitwirkungsverweigerung 943 MoMiG 52a, 61a Monitoring 1122o Monopolstellung 1060 Motivirrtum 176 Moto-Ball 643 Motorsportveranstaltung 642 Multi-Cover-Police 865 Musikaufführung 261 Musikdownload 203a Musiker 997 Musskaufmann 532 Musterprotokolle 61b Muster-Versammlungsstättenverordnung 603 ff. Mutterschutzgesetz 915 Nachbarschutz 1138 ff. – Belästigung 1158 – Geräusch 1157 – Immissionsschutz 1139 – Impulslärm 1156 – Lautstärke 1146 – privater Umweltstandard 1155 – Störereignis 1150 – vegetative Reaktion 1158 Nachhaftung 107 Nacht-Tanz-Demo 1147, s. auch Nachbarschutz Nachversteuerung 1248d ff Name 1061 ff. Namensrecht, handelsrechtliches 556 Namensrecht 293d Namensschutz 1062, 1064 Namensponsoring 293d Naming-Right 293c Naming-Right-Vertrag 293c
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Naturalrestitution 790 Naturgesetzliche Unmöglichkeit 153 Naturschutz 1124 ff. – Großveranstaltung 1127 – Luftveranstaltung 1137 – Polit-Happening 1126 – Sportveranstaltung 1135 Nebenleistungspflicht 740, 745 Nebenpflicht 391, 394, 931 Nettohonorarvereinbarung 1391 Nettolohnabrede 1487 ff. Nettoprinzip, objektives 1366 Nettoverlust 851 Newsletter 1089d Nichtkaufmann 545 Nichtraucherschutz 680c f. Nichtraucherschutzgesetz 680c Normalvertrag 989 Notarielle Beurkundung 139 Nutzungsänderung 592 Nutzungseigenverbrauch 1402 Nutzungsgenehmigung 585 Objektives Nettoprinzip 1366 Offenbarungspflicht 738 Offene Handelsgesellschaft 33 ff. Offenkundigkeitsprinzip 145, s. auch Stellvertretung Öffentliche Beglaubigung 138 Ökosponsoring 285 Online-Auktionshäuser 1117b Operating-Leasing 319 Opt-In-Prinzip 1089c Optionierung 232b Organhaftung 788 ff. Organisationsmangel 432 Organisationspflichten 908l Organisationsverschulden 771, 859 Pachtvertrag 294, 310 ff. Paparazzi-Wesen 1122k Parasite-Marketing 1122m Partnerschaftsgesellschaft 100 ff. Partnerschaftsregister 104 Partnerschaftsvertrag 103 Patent 1056
Patentanspruch 1056 Patent- und Markenamt 1072 Pauschalbetrag 949 Pauschalreise 358, 365, 367, 379, 514 ff. Pauschsteuer 1452 – bei Incentives 1487 ff. Personenbeförderung 680a f. Personenbeförderungsschein 680a Personen der Zeitgeschichte 1122j – absolute 1122j f. – relative 1122j Personengesellschaft 17, 21, 33 Personenschaden 732 Persönliche Abhängigkeit 940 Persönlichkeitsrechtsverletzung 1103 Pflanzenschutzamt 1128 Pflichtangaben 558a Pflichtenträger 730j Phantasiename 532 Poker-Veranstaltungen 674d Polit-Happening 1126 Polizei 699 ff. POPKOMM 720 Positive Forderungsverletzung 161 Praktikant 1516 Prämien-Konditionen 834 Preferred Partnership 334e Preferred Partnervertrag 334 ff. Preisgeld 1303 Preisgeldversicherung 878 f Presse 1098 ff. Pressefreiheit 1098 Printmedien 1096 Prioritätsgrundsatz – nach Versammlungsgesetz 687 Privatsphäre 1122d Privatvermögen 8, 106 Probable Maximum Loss 820, s. auch Risk Managment Probezeit 933, 970 Produktionskosten 222 Produkt-Placement 1119, 1122a Produkt-Sponsoring 281 Profi-Sportler 1005 Prokura 561 649
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Prokurist 552 Prozentdeal 225, s. auch Konzertvertrag Publizist 1497, 1507 Publizität, negative 551 Punktesystem – bei Risikoanalyse 712 Qualitätssicherungsmaßnahmen 659c Quellensteuer 1324 Rabattgesetz 1088 Rabattgewährung 1089 Radmarsch 645 Rahmenvertrag 1050 Rauchabzug 610 Raucherclub 680d Recht am eigenen Bild 1122e Rechtliche Unmöglichkeit 153 Rechtsformbeschränkungen 4 Rechtsformzusatz 555 Rechtsgeschäft 119 ff., 147 – einseitiges 121 – zweiseitiges 122 Regelsperrzeit 660 Regelsteuersatz 1410 Regelverjährungszeit 183 Reisebeginn – Rücktritt vor 400 ff. Reisebestätigung 382 Reisedurchführung 473 Reisegepäckversicherung 891 Reisemangel 420 ff. – Mangel des Reisezwecks 431 – Organisationsmangel 432 – Selbstabhilfe 446 ff. – Verpflegungsmangel 430 Reisepreis 392 Reisepreisminderung 450 Reise-Rücktrittskosten-Versicherung 406 Reiseveranstalter 361, 373, 380, 390, 523 Reiseveranstaltungsvertrag 369 Reisevermittlungsvertrag 369, 489 ff. 650
Reiseversicherung 512 ff. Reisevertrag 350, 363 ff. – Beförderungsvertrag 492 ff. – Chartervertrag 499 ff. – Freizeichnung 425 – Gelegenheitsveranstalter 375 – Hotelvertrag 502 ff. – Informationspflicht 398 – Insolvenzversicherung 376, 516 ff. – Katalogbeschreibung 386 – Kontrollpflicht 418 – Kündigung 409 ff., 455 ff. – Mangel 420 ff. – Minderung 450 ff. – Nebenpflicht 391, 394 – Schadensersatz 462 ff. – Verkehrssicherungspflicht 417 – Vermittlerstatus 385 Reisevertragsgesetz 356 Rennwett- und Lotteriesteuer 1427 ff. Rentenversicherung 1519 Repräsentationseigenverbrauch 1383, 1403 Rettungsweg 610 Revision 344 Richtigstellung 1104, s. auch Wettbewerbsrecht Risiko 804 Risikoanalyse 581, 702, 711, 809 Risikoerfassungsbogen 824 Risikofinanzierung 817 Risikoklassifikation 810 Risikokosten 807 Risikoperson 407 Risikopotential 803 Risikosportarten 776a Risikostreuung 815 Risiko-Transfer 856 Risikoüberwälzung 815 Risikoverlagerung 408 Risk Management 805 ff. – Großrisiko 820 – Haftungsfreizeichnung 816 – Kleinrisiko 818 – mittleres Risiko 819 – Probable Maximum Loss 820
Sachregister
– – – – – – –
Risikoanalyse 809 Risikofinanzierung 817 Risikoklassifikation 810 Risikokosten 807 Risikostreuung 815 Risikoüberwälzung 815 Schadensverhütung/-verminderung 813 – Schadenswahrscheinlichkeit 810 Rom-Abkommen 1034 Rücktritt 508 – vor Reisebeginn 400 ff. Rücktrittsrecht 509, 801 Rügeobliegenheit 572 Rundfunk 1096 Rundfunkstaatsvertrag 1107 ff. Sachfirma 556 Sachschaden 732 Sanitätsorganisation 699 ff., 700 Satzung 79, 86 Säumniszuschlag 1566 Schadennebenkosten 869 Schadensabwendungspflicht 793 Schadensersatz 266, 462 ff. – Folge- und Begleitschaden 475 – Haftungsbegrenzung 476 – Haftungsbeschränkung 478 – Haftungsvoraussetzungen 478 Schadensersatzanspruch – nach Urheberrecht 1033 Schadensminderungspflicht 793, 854 Schadensverhütung 813 Schadensverminderung 813 Schadenswahrscheinlichkeit 810 Schallwiedergabe 650 Schankerlaubnis 654 ff. Schaumparty 730i Schauspielaufführung 260 Scheinselbständiger 943, 1266 Schenkungsteuer 1178 Schiedsrichter 697 Schleichwerbung 1121 Schlichtung 921 Schmerzensgeld 766, 791 Schöpfung 1021
Schriftform 135, s. auch Vertragsschluss Schuldnerverzug 156 Schutzgesetz 767 Schutzrecht 1032, 1055 Schwarze Liste 1089e Schwerbehinderte 916 Selbstabhilfe 446 ff. Selbständiger Dienstvertrag 211 Selbständigkeit 1510 Shortfall-Guarantee-Versicherung 840, 875 ff. Shuttleservice 680a Sicherheitsbeleuchtung 610 Sicherungsgeber 518 Sicherheitskonzept 776a Sicherungsschein 517 Sing-Spielgenehmigung 650 ff. Skylaternen 719c Software 1494 Solidarhaftung 262 Solidaritätszuschlag 1323 ff. Solist 1421 Sollkaufmann 532 Sonderabgaben 1165 Sonderausgabe 1219, 1239 Sonderausgaben-Pauschalbetrag 1241 Sondernutzung 630 ff. Sonderschutz 913 Sonderwerbeform 1119 Sonderwünsche 230a Sonstige Einkünfte 1184 Sorgfaltspflicht 732 Sozialauswahl 983 Soziosponsoring 285 Spam mail 1089b Spende 1218 Sperrzeit 660 ff. Spezialhandlungsbevollmächtigter 567 Spezialversicherer 853 Spielzeitvertrag 988 Spitzensportevent 1008 Spitzenverband 696 Splitting 1260 Sponsorenausfall-Versicherung 878a 651
Sachregister
Sponsoring 273 ff., 1216 – Dauer-Sponsoring 282 – Event-Sponsoring 282 – Exklusivsponsor 283 – Haupt- und Co-Sponsoren 283 – Image-Sponsoring 281 – Kultursponsoring 286 – Produkt-Sponsoring 281 – Sozio- oder Ökosponsoring 285 – Sportsponsoring 287 ff. – Titelsponsoring 287 Sponsoringentgelt 1407 Sponsoringvertrag 273 ff. – Kündigungsrecht 277 Spontandemonstration 689 Sportanlagen-Lärmschutzverordnung 1149 Sporteventsponsoring 290 Sporthilfe e.V. 879 Sportsponsoring 287 ff. Sportveranstaltung 238, 246, 258, 879 ff., 1135 Sportversicherung 882 ff. – Reisegepäckversicherung 891 – Sport-Haftpflichtversicherung 884 ff. – Sport-Krankenversicherung 892 – Sport-Rechtsschutzversicherung 893 – Sport-Unfallversicherung 883 – Vertrauensschadenversicherung 890 – Zusatzversicherung 894 Staffelsteuersatz 1295, 1295p – bei Nettovergütungen 1296c ff. Stammeinlage 59 Star 994 Stellvertretung 142 ff. Steuerabzug 1308 Steuerarten 1160 Steueraufkommen 1169 Steuerbefreiung 1397 ff. – Entnahmeeigenverbrauch 1401 – Nutzungseigenverbrauch 1402 – Repräsentationseigenverbrauch 1403 652
Steuerbelastung, kumulierte 1367 Steuerbemessungsgrundlage 1175 Steuerentlastungsgesetz 1382 Steuererhöhung, heimliche 1248 Steuerermäßigung 1253 Steuerfestsetzung 1443 Steuergläubiger 1171 Steuerklasse 1278 Steuermesszahl 1361 Steuern 1159 ff. – Besitzsteuern 1170 – Bundessteuern 1169 – Einkommensteuer 1181 ff., – Erbschaft- und Schenkungsteuer 1178 – Freibetrag 1177 – Freigrenze 1177 – Gewerbesteuer 1349 ff., – Incentives und Steuern 1455 ff. – Körperschaftsteuer 1325 ff., – Ländersteuern 1169 – Rennwett- und Lotteriesteuer 1427 ff. – Umsatzsteuer 1369 ff., – Verbrauchsteuern 1170 – Vergnügungsteuer 1444 ff. – Verkehrsteuern 1170 Steuerobjekt 1174 Steuerpflichtiger 1168 Steuerplanungsgespräche 1492 Steuersatz 1295 Steuerschuldner 1172, 1351, 1389 Steuertarif 1176, 1247 ff. Steuerträger 1168 Steuervergütungsanspruch 1404 Steuervoranmeldung 1495 Stille Gesellschaft 11 Stock-Car-Rennen 643 Störereignis 1150 Störgruppe 691 Straßen- und Wegegesetz 640 Straßenverkehrsgesetz 649 Straßenverkehrsordnung 636 Straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis 636 ff. – Auflage 647
Sachregister
– Ausnahmegenehmigung 638 – Autovernichtungsrennen 643 – Ballon-Begleitfahrt 643 – Bedingung 647 – Erlaubnispflicht 643 – Erlaubnisverfahren 641 – Karambolagerennen 643 – Moto-Ball 643 – Motorsportveranstaltung 642 – Radmarsch 645 – Stock-Car-Rennen 643 – Volksmarsch 645 Stückdauervertrag 988 Subunternehmer 331 ff., 1316 Subunternehmervertrag 331 ff. Tagungsreise 1207 Tanzspektakel 1133 Tanzveranstaltung 1447 Tarif 1247 Tarifbegrenzung 1256, 1363 Tarifvertrag 927, 989 Tatsache, eintragungspflichtige 553, s. auch Handelsregister Tatsachenbehauptung 1102 – unwahre 1103 Technical Rider 230a Technischer Arbeitsschutz 910 Teileinkünfteverfahren 1346 ff. Teilnahmebedingungen 334c Teilzeitmitarbeiter 946 ff. Telemedien 1117a Telemediengesetz 1117a ff. Terroranschlag 887 Thesaurierter Gewinn 1248a ff., 1342 Ticketbörsen 241a Tierhalterhaftung 785 f. Tieraufseherhaftung 785, 787 Titelschutz 1073 Titelsponsoring 287 TK-Rahmenrichtlinie 1117 f. Tombola 674 ff. Tongerät 650 ff. Tournee 267 Tourneeveranstalter 221, 268 Treuepflicht 897
Tribüne 612 ff. TV-Klausel 232a Überlassungsvertrag 201 Überraschungsklauseln 194 Überversicherung 836 Überwachungsverpflichtung 308 Ultima ratio-Prinzip 982 Umbuchungsgebühr 405 Umsatzsteuer 1369 ff. – Abgabefrist 1415 – Allphasen-Nettoumsatzsteuer 1374 ff. – Besteuerung 1379 ff. – Besteuerungszeitraum 1412 – Handel, innergemeinschaftlicher 1417 – Jahressteuererklärung 1414 – Regelsteuersatz 1410 – Steuerbefreiung 1397 ff. – Voranmeldungszeitraum 1413 – Vorsteuerabzug 1404 ff. – Zahllast 1377 Umsatzsteuergesetz 1179, 1378, 1442 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer 1417 Umwelt 1123 ff. – Nachbarschutz 1138 ff. – Naturschutz 1124 ff. Umweltschadengesetz 878b, 1137a ff. Umweltschadenversicherung 878b ff., 1137d Umweltstandard, privater 1155 Unlauterer Wettbewerb 1052 Unmöglichkeit 152 ff. – faktische 152 – naturgesetzliche 153 – praktische 152 – rechtliche 153 – wirkliche 152 Unselbständiger Dienstvertrag 212 Unterhaltungskünstler 996 Unterhaltungsmusiker 998 Unterlassungsanspruch – nach Urheberrecht 1033 Unternehmenspolicy 334 f. 653
Sachregister
Unternehmensregister 549 ff. Unternehmer 1540 Unternehmergesellschaft 52a, 61a Untersagung 617 Untersagungsverfügung 599 Unterscheidungskraft 1062 – namensmäßige 1064 Unterversicherung 826, 837 Urheberrecht 1015 ff. – Kunsturhebergesetz 1025 – Messestand 1022 – Mindestvergütung 1017 – Schadensersatzanspruch 1033 – Schutzrecht 1032 – Unterlassungsanspruch 1033 – Vernichtungsanspruch 1033 – Verwertungsgesellschaft 1040 Urheberwahrnehmungsgesetz 1041 Vegetative Reaktion 1158, s. auch Nachbarschutz Veralterungsrisiko 321 Veranlagung 1257 ff. – getrennte 1258 – Zusammenveranlagung 1259 Veranlagungsteuer 1261 Veranstalter 525 ff., 747, 1028 – Definition 730a Veranstalter-Haftpflicht-Versicherung 840, 855 ff. – Auswahl- und Organisationsverschulden 859 – Deckungssumme 863 – Fremdschadenversicherung 855 – Multi-Cover-Police 865 – Risiko-Transfer 856 Veranstalterhaftung 752, 776 Veranstaltungsausfall-Versicherung 270, 763, 840 ff. – All-Risk-Versicherung 850 – Eigenschadenversicherung 842 – Nettoverlust 851 – Schadensminderungspflicht 854 – Spezialversicherer 853 – Versicherungsschutz 841 Veranstaltungsgesetz 727 ff. 654
Veranstaltungsgüterversicherung 866 ff. Veranstaltungsörtlichkeit 777 Veranstaltungsrecht 618 Veranstaltungsrechtsschutzversicherung 878g Veranstaltungsrisiko 227 Veranstaltungs-Sponsoring 1118 ff. Veranstaltungsstätte 704 Veranstaltungstechnik 610 Veranstaltung von Spielen 621a Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik 610a Verbandsaufsicht 695 Verbraucherkredite 325 Verbrauchsteuern 1170, 1370, 1444 Verbreiterhaftung 1122h Verdeckte Gewinnausschüttung 1334 Verein 85 ff. Vereinsregister 90 Vereinsveranstaltung 1037 Vereinszweck 87 Verfügungsanspruch 347 Verfügungsgrund 348 Vergnügungsteuer 1444 ff. Verjährung 182 ff., 480 ff., 1567 Verkaufsstand 612 ff., 616 Verkaufszelt 659g Verkehrskontrollfreigabe 679 Verkehrssicherungspflicht 271, 417, 732, 741, 743 Verkehrsteuern 1170, 1369 Verletzungshandlung 751, 768, s. auch Haftung Vermittlerstatus 385 Vermögensschaden 732 Vernichtungsanspruch 1033 Verpflegung 505 Verpflegungsmangel 430 Verrichtungsgehilfe 769 Versammlung 681 ff. – Ansammlung 683 – Massenparty 688 – Spontandemo 689 – Störgruppe 691 – Volksfest 690
Sachregister
Versammlungsgesetz 681 – Prioritätsgrundsatz 687 Versammlungsstätte 602, 610 Versammlungsstättenverordnung 602 ff. – Besucher 608, 610 – Betriebsvorschrift 610 – Brandverhütung 610 – Dämmstoff 610 – Gastspielprüfbuch 610 – Großbühne 610 – Kleiderablage 610 – Rauchabzug 610 – Rettungsweg 610 – Sicherheitsbeleuchtung 610 – Veranstaltungstechnik 610 Verschulden 778 Verschuldensunabhängige Haftung 778 Verschwiegenheitspflicht 931 Versicherung 803 ff. – Bewegungsrisiko 871 – Daten-/Datenträgerversicherung 874 – Deckungserweiterung 832 – Deckungszusage 823 – Elektronik-Betriebsunterbrechungsversicherung 873 – Elektronik-Mehrkostenversicherung 872 – Elektronik-Versicherung 840, 866 ff. – Nebenrisiko 830 – Prämien-Konditionen 834 – Risiko 803 ff. – Risikoerfassungsbogen 824 – Risk Managment 805 ff. – Schadennebenkosten 869 – Shortfall-Guarantee-Versicherung 840, 875 ff. – Überversicherung 836 – Unterversicherung 826, 837 – Veranstalter-Haftpflicht-Versicherung 840, 855 ff. – Veranstaltungs-Ausfall-Versicherung 840, 841 ff.
– Vorabversicherung 822 Versicherungsfreiheit 1520 ff., 1536 Versicherungspflicht 1514 Versicherungsschutz 841 Versicherungsvertragsgesetz 821 Versiegelung 601 Vertrag 118 ff., 756 ff. – Anfechtung 168 ff. – Leistungsstörungen 150 ff., 151 – mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 305, 756 ff. – Stellvertretung 142 ff. – Verjährung 182 ff. – Wegfall der Geschäftsgrundlage 179 Vertragsamateur 1002 Vertragsarten 201 ff. – Agenturvertrag 233 ff. – Bestätigungsvertrag 201 – gemischttypischer Vertrag 202 – Konzert- oder Aufführungsvertrag 204 ff. – Kopplungsverkauf 327 ff. – Künstlervertrag 228 ff. – Leasingvertrag 312 ff. – Mietvertrag/Pachtvertrag 294 ff./ 310 ff. – Sponsoringvertrag 273 ff., 274 – Subunternehmervertrag 331 ff. – Überlassungsvertrag 201 – Veräußerungsvertrag 201 – Zuschauer- oder Konzertbesuchervertrag 237 ff. Vertragsschluss 119 ff., 302 – Angebot 123 – Annahme 128 – Auftragsbestätigung 130 – Freizeichnungsklauseln 127 – invitatio ad offerendum 131 – kaufmännisches Bestätigungsschreiben 129 – notarielle Beurkundung 139 – öffentliche Beglaubigung 138 – Schriftform 135 – Textform 137 Vertragsstrafe 958a f., 1095 655
Sachregister
Vertragsstrafeklausel 958a Vertrauensschaden 739 Vertrauensschadenversicherung 890 Vertrauensschutz 744 Vertreter 797 Vertretungsmacht 146, 149 Verwertungsgesellschaft 1040 Verzug 155 ff. Videorechte 1122c VoIP 1117 f Volksfest 619, 690 Volksmarsch 645 Vollanrechnungsverfahren 1344 Vollmacht 561 ff. Vollstreckbarer Titel 341 Vollstreckungsbescheid 340 Vollzeitmitarbeiter 957 ff. Volontär 1516 Vorabversicherung 822 Voranmeldungszeitraum 1413 Vorhang 610 Vorstand 91, 95 Vorstandsmitglied 81 Vorsteuer 1375 Vorsteuerabzug 1374, 1404 ff. Vorvertrag 241 Waldgesetz 640 Wanderbühne 995 Warenzeichen 1059 Webportale 1117b Webshops 1117b Wegfall der Geschäftsgrundlage 179 Weisungsgebundenheit 924 Werbeausfallsumme 293 Werbeeinnahmen 278 – bei VIP-Logen 1486 ff. Werbefahrzeug 1096 Werbevertrag 1305 Werbung und Wettbewerb 1082 ff. – Lockvogelangebot 1083 – Rabattgewährung 1088 ff. – Zugabeverordnung 1088 Werbungskosten 1233, 1235 Werkschaffen 1019 656
Werkvertrag 213, 492 Wettbewerb 1082 ff. – unlauterer 1052 ff. Wettbewerbsrecht 1052 ff. – Abmahnung 1093 – Berichterstattung, redaktionelle 1097 – Berichtigungsanspruch 1103 – DENIC 1076 ff. – Dispute-Eintrag 1081 – einstweilige Verfügung 1094 – Fernsehen 1096 – Gebrauchsmuster 1057 – Gegendarstellungsanspruch 1102 – Geschmacksmuster 1058 – Grundsatz der Nachahmungsfreiheit 1054 – Monopolstellung 1060 – Namensschutz 1062, 1064 – Patent 1056 – Persönlichkeitsrechtsverletzung 1103 – Pressefreiheit 1098 – Richtigstellung 1104 – Rundfunk 1096 – Tatsachenbehauptung 1102 f. – Titelschutz 1073 – unzumutbare Belästigung 1089a – Vertragsstrafe 1095 – Warenzeichen 1059 – Werbefahrzeug 1096 – Werbung und Wettbewerb s. dort – Widerruf 1104 Wettbewerbsverbot 931 Whistleblowing 334i Whitelist 293b Widerrechtliche Drohung 177 Widerruf 1104 Widmung 297 Wiederbeschaffungspreis 1401 Wiedergabe 1036 – öffentliche 1038 Wiederverkauf 241a Willenserklärung 120, 144 Wirtschaftliche Abhängigkeit 928 Wirtschaftsunternehmen 1011
Sachregister
Wirtschaftsverkehr 1395 Witterungsverhältnisse 849 Wortzeichen 1062 Zahllast 1377 Zahlungsverbot 63a Zinsabschlagsteuer 1322 Zinsen 1321 Zivilklage 342 ff. Zugabeverordnung 1088 Zusatzversicherung 894 Zuschaueransprüche 256 Zuschauervertrag 237 ff. – Benutzungs- oder Mietbedingungen 253
– Besuchsverbot 240 – Kartenreservierung 241 – Kontrahierungszwang 239 – Leistungsstörungen 254 – Originalvorlage 250 – Schadensersatz 266 Zuschuss 698 Zusicherung 424 Zuwege 306 Zuwendung 1223 Zwangsgeld 600 Zweckbefristung 965 Zweiseitiges Rechtsgeschäft 122 Zweitbesetzung 232c – Regelsteuersatz 1410
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