Handbuch Sprache in der Wirtschaft 9783110295801, 9783110296211, 9783110395051

New Handbook Series HSW Researchers in linguistics have long sought a concise, scientifically based synopsis of commun

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German Pages 571 [572] Year 2015

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Inhaltsverzeichnis
Einteilung
I. Grundlagen der Unternehmenskommunikation
1. Was ist Unternehmenskommunikation?
2. Kommunikation in der Wirtschaft über Geld
3. Textverstehen – Kohärenz – Individuelle Hypothesen
II. Spezifische Eigenschaften der Wirtschaftssprache
4. Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation
5. Zum Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling
6. Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation
III. Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation
7. Kundenkommunikation
8. Investor Relations
9. Public Relations in der Unternehmenskommunikation
10. Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von Change-Kommunikation
11. Ohne Risiko keine Chance
12. Wettbewerb um die Bedeutungen
13. Beratung, Coaching, Supervision
14. Wirtschaftssprache in den Übersetzungswissenschaften
IV. Medien, Text- und Gesprächsformen der Unternehmenskommunikation
15. Soziale Medien in der externen Unternehmenskommunikation
16. Sprache in Geschäftsberichten
17. Werbung
18. Kundenzeitschriften
19. Mitarbeiterzeitung
20. Werbung, Verkaufsgespräch und Reklamation
V. Übergreifende Handlungskonzepte der Unternehmenskommunikation
21. Corporate Identity
22. Corporate Wording
23. Vertrauen in der Unternehmenskommunikation
24. Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation
Sachregister
Recommend Papers

Handbuch Sprache in der Wirtschaft
 9783110295801, 9783110296211, 9783110395051

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Handbuch Sprache in der Wirtschaft HSW 13

Handbücher Sprachwissen

Herausgegeben von Ekkehard Felder und Andreas Gardt

Band 13

Handbuch Sprache in der Wirtschaft Herausgegeben von Markus Hundt und Dorota Biadala unter Mitarbeit von Daniel Jäschke

ISBN 978-3-11-029580-1 e-ISBN [PDF] 978-3-11-029621-1 e-ISBN [EPUB] 978-3-11-039505-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbiblothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detailliertere Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Typesetting: fidus Publikations-Service GmbH, Nördlingen Printing and binding: CPI books GmbH, Leck ♾ Printed on acid-free paper Printed in Germany www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis Markus Hundt/Dorota Biadala Einleitung   IX

I

Grundlagen der Unternehmenskommunikation

Claudia Mast 1. Was ist Unternehmenskommunikation? 

 3

Birger P. Priddat 2. Kommunikation in der Wirtschaft über Geld 

 25

Heidrun Gerzymisch 3. Textverstehen – Kohärenz – Individuelle Hypothesen 

II

 46

Spezifische Eigenschaften der Wirtschaftssprache

Barbara Brandstetter 4. Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation   63 Dieter Georg Herbst 5. Zum Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling  Christoph Moss/Katharina Balkmann 6. Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation 

III

 87

 107

Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation

Simone Huck-Sandhu/Katrin Hassenstein 7. Kundenkommunikation   131 Klaus Rainer Kirchhoff Investor Relations  8.

 151

Daniela Puttenat Public Relations in der Unternehmenskommunikation  9.

 164

VI 

 Inhaltsverzeichnis

Eike Wagner/Stefanie Guse 10. Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von ChangeKommunikation   177 Peter Höbel 11. Ohne Risiko keine Chance 

 200

Inga Ellen Kastens 12. Wettbewerb um die Bedeutungen 

 233

Stephan Habscheid 13. Beratung, Coaching, Supervision 

 256

Anastasia Konovalova 14. Wirtschaftssprache in den Übersetzungswissenschaften 

IV

 272

Medien, Text- und Gesprächsformen der Unternehmenskommunikation

Alexander Lasch 15. Soziale Medien in der externen Unternehmenskommunikation  Manfred Piwinger 16. Sprache in Geschäftsberichten 

 324

Elke Ronneberger-Sibold/Sabine Wahl 17. Werbung   343 Heike Steinmetz 18. Kundenzeitschriften  Matthias Schweizer 19. Mitarbeiterzeitung 

 379

 391

Walther Kindt 20. Werbung, Verkaufsgespräch und Reklamation 

 408

 297

Inhaltsverzeichnis 

V

Übergreifende Handlungskonzepte der Unternehmenskommunikation

Simone Burel 21. Corporate Identity  Hans-Peter Förster 22. Corporate Wording® 

 437

 459

Helmut Ebert 23. Vertrauen in der Unternehmens­kommunikation 

 482

Helmut Ebert 24. Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation  Sachregister 

 541

 508

 VII

Markus Hundt/Dorota Biadala

Einleitung

Abstract: In der Einleitung wird eine Verbindung zwischen dem sprachtheoretischen Ansatz des Forschungsnetzwerks „Sprache und Wissen“ einerseits und der derzeitigen Forschungslage im Bereich der Unternehmenskommunikation, wie sie sich in den Beiträgen des vorliegenden Handbuchs darstellt, andererseits hergestellt. Es zeigt sich, dass sich der zentrale Aspekt der Wissens- und Sachverhaltskonstitution durch Sprache wie ein roter Faden durch die Beiträge zieht, auch wenn dies nicht immer explizit geschieht, was den unterschiedlichen disziplinären, methodischen und theoretischen Herangehensweisen der Autorinnen und Autoren geschuldet ist. Weiterhin werden zentrale Forschungs- und Anwendungsgebiete der internen und externen Unternehmenskommunikation vorgestellt und anhand der Beiträge im Handbuch besprochen. 1 Grundlagen 2 Wichtige Forschungsgebiete und Anwendungsfelder der Unternehmenskommunikation 3 Fazit 4 Literatur

1 Grundlagen Der vorliegende Sammelband reiht sich in das Großunternehmen der Handbücher Sprache und Wissen als Band 13 ein. Er ist damit dem linguistischen Ansatz des Forschungsnetzwerks „Sprache und Wissen“ verbunden. Im ersten Band dieser Reihe (Felder/Gardt 2015) wurden die Wissensdomänen und die damit verbundenen sprachlich relevanten Sachverhaltsbereiche eingehend dargestellt, in gewisser Weise als Einleitung und Vorausgriff auf die in der Folge erscheinenden Einzelbände zu den jeweiligen Themen (vgl. auch Felder/Gardt 2015a). Dies gilt auch für den vorliegenden Band. Die Wissensdomäne „Wirtschaft“ mit ihren jeweiligen Forschungsschwerpunkten, die Verortung dieser Wissensdomäne im sprachtheoretischen Kontext des Forschungsnetzwerkes, die wesentlichen linguistischen Grundannahmen (von der Wissenskonstitution durch Sprache über die Faktizitätsherstellung wirtschaftsrelevanter Sachverhalte durch die Sprache über das Problem der grundsätzlichen Perspektiviertheit allen sprachlichen Wissens bis hin zu einem skizzenhaften Überblick über das Forschungsgebiet der internen und externen Unternehmenskommunikation) wurden bereits in diesem Einleitungsband zur Handbuchreihe „Sprache und Wissen“ erörtert, vgl. Hundt 2015. Sie müssen daher an dieser Stelle nicht mehr wiederholt werden.

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 Markus Hundt/Dorota Biadala

Sinnvoller erscheint es, mit Blick auf die nunmehr vorgelegte Auswahl an Forschungen und Praxisberichten aus der internen und externen Unternehmenskommunikation Bezüge zwischen diesen Arbeiten und dem sprach- und erkenntnistheoretischen Ansatz des Forschungsnetzwerks herzustellen. Dies soll in drei Schritten geschehen: Zunächst wird exemplarisch auf die linguistischen Grundlagen des Bandes eingegangen, jeweils mit engen Bezügen zu den Beiträgen (Kap. 1). Daran schließen sich Ausführungen zur Bandgliederung selbst und zu den derzeit erkennbaren Hauptforschungsgebieten in der Unternehmenskommunikation an (Kap. 2). Die Herausgeber sind sich dessen bewusst, dass dieser Band keineswegs einen vollständigen Überblick über das immer weiter ausgreifende und sich entwickelnde Feld der Unternehmenskommunikation bieten kann. Sie sind sich ebenfalls der Tatsache bewusst, dass es bei der Zuordnung der hier versammelten Beiträge zu übergreifenden Sinnabschnitten verschiedene Möglichkeiten gibt. Der hier gewählte Vorschlag ist sicherlich nur einer unter mehreren denkbaren. Dies liegt zum einen daran, dass der Bereich der Unternehmenskommunikation – anders als andere Wissensdomänen – keineswegs von der linguistischen Forschung dominiert wird. Bereits in Hundt 2015 wurde darauf verwiesen, dass diese Domäne hochgradig inter- und multidisziplinär ist. Die Vielfalt der fachlichen Zugänge bedingt wiederum auch eine Vielfalt an methodischen und theoretischen Zugangsweisen. Darüber hinaus ist das Feld – wie auch einige der vorliegenden Beiträge zeigen – durch einen sehr starken Anwendungs- und Praxisbezug geprägt. Zum anderen ist das Feld der Unternehmenskommunikation hochgradig dispers, d. h. die Fülle der Subthemen und forschungsrelevanten Teilbereiche ist vergleichsweise groß. Aufgabe der vorliegenden Einleitung ist somit eine zweifache: Zum einen soll es darum gehen, in den verschiedenen Beiträgen den roten Faden aufzuzeigen, der sie alle sowohl thematisch als auch linguistisch und erkenntnistheoretisch miteinander verbindet. Zum anderen geht es darum, die derzeit wichtigsten Forschungsfelder der Unternehmenskommunikation, wie sie auch im vorliegenden Band thematisiert werden, hervorzuheben.

1.1 Sprach- und erkenntnistheoretische Prämissen „Unsere Erkenntnis bezieht sich nach Kant bekanntermaßen nicht auf die Dinge, sondern auf deren Erscheinungen.“ (Felder 2008, 270). Dieser Rekurs auf Kant (vgl. Eisler 1930, Artikel „Ding an sich“ mit Verweis auf Kants Prolegomena Anm. II (III 43)), der deutlich gemacht hat, dass das Ding an sich nicht verfügbar ist, nicht greifbar und damit auch letztlich nicht erkennbar, ist eine der wesentlichen Prämissen des gesamten Forschungsnetzwerks „Sprache und Wissen“ und stellt es zugleich in einen sozialkonstruktivistischen und wissenssoziologischen Kontext (vgl. z. B. Berger/Luckmann 1969/2012; Keller 2011; Knoblauch 2014; Schützeichel 2007). Gleiches gilt für den Bereich der Wirtschaft. Die Sachverhalte, um die es im Bereich der Wirtschaft geht, werden überwiegend sprachlich verfertigt, konstituiert und damit

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als relevante Sachverhalte und Wissensgegenstände im Diskurs gesetzt. Dies gilt auch dann, wenn man auf die Materialität bestimmter Wirtschaftsbereiche verweist (primärer und sekundärer Sektor). Auch die materiellen Güter erhalten ihre Funktion in der Kommunikationsdomäne Wirtschaft erst durch diskursive Praktiken und Bedeutungszuschreibungen. Diese erste Prämisse ließe sich als konstruktivistisches Postulat festhalten. Sprache ist dabei nicht nur ein Informationstransportmittel, sondern selbst konstitutiv für das Wissen um die Sachverhalte selbst. Eine zweite Prämisse betrifft die Art der Wissenskonstitution durch Sprache. Wenn wir schon keinen Zugang zum Ding an sich haben können, stellt sich die Frage, in welcher Form uns die Sprache Zugang zum Wissen und Zugang zu den Sachverhalten selbst gewährt. Sprache erlaubt den perspektivischen Zugriff. Jede Versprachlichung ist ein perspektivierender Zugriff auf den Sachverhalt, um den es gehen soll. Anders gewendet: Konzepte als inhaltsseitige Bedeutungskonglomerate fassen immer nur bestimmte Perspektiven der Sachverhalte, die diese Konzepte beschreiben sollen. Die grundsätzliche Perspektiviertheit allen sprachlichen Wissens dürfte mittlerweile in der scientific community als unstrittig gelten (vgl. z. B. Köller 2004). Objektivität in der Erkenntnis ist aufgrund der sprachlichen Perspektiviertheit ebenso ausgeschlossen wie der Zugriff auf das Ding an sich. Was aber durchaus möglich und erstrebenswert ist, ist eine Annäherung an die Objektivität durch multiperspektivischen Zugriff auf die via Sprache verfügbar gemachten Sachverhalte. Multiperspektivität und Abgleich der jeweiligen Perspektiven untereinander sichern den größtmöglichen Grad an Objektivität und damit an konsensfähigem Wissen. Die dritte Prämisse betrifft die Perspektivierungsverfahren. Wenn man akzeptiert, dass Sprache immer nur eine bestimmte Sicht auf einen jeweiligen Sachverhalt freigibt (via den entsprechenden Konzepten), dann stellt sich die Frage, wie diese Perspektivierungen, d. h. wie die sprachliche Zubereitung des Wissens grundsätzlich vonstattengehen kann. Der Hinweis auf die diskursive Verfasstheit allen sprachlichen Wissens (vgl. z. B. Hundt 2011) ist sicherlich richtig, allerdings in Bezug auf die grundlegenden Verfahren zu präzisieren. Hier hat Köller in seinen Beiträgen drei grundlegende Perspektivierungsverfahren beschrieben, die in gleicher Weise auch für den gesamten Bereich der Wirtschaftskommunikation Geltung haben: die begriffliche (Köller 2004), die metaphorische (Köller 2012) und die narrative (Köller 2010) Perspektivierung. Es geht dabei um die Frage, wie Wissen sprachlich zur Verfügung gestellt wird, welche Grundmuster der Versprachlichung von Wissen man annehmen kann (ausführlicher dazu mit Bezug zur Wissensdomäne Wirtschaft vgl. Hundt 2015, Kap. 3). Die begriffliche Perspektivierung durch Sprache ist die Form, die bei der Frage der Wissenskonstitution durch Sprache wohl als Erstes genannt wird. So werden etwa in wissenschaftlichen Texten, wenn es um die Definition von umstrittenen Begriffen geht, Versuche unternommen, diese Begriffe mit notwendigen und hinreichenden Bedeutungsmerkmalen zu beschreiben. Das Inventar der Semantiktheorien ist dabei umfangreich. Alle derzeit gängigen Semantiktheorien, von z. B. der

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 Markus Hundt/Dorota Biadala

Prototypensemantik (Kleiber 1998, Mangasser-Wahl 2000) über korpusgestützte Diskurssemantiken (z. B. Bubenhofer 2009, Spitzmüller/Warnke 2011) über formale Semantiken (Lohnstein 2011) bis hin zu den Frame-Skript-Ansätzen (z. B. Ziem 2008) sind Varianten einer kompositionalen Semantik, d. h. sie gehen davon aus, dass sich die Bedeutung von Konzepten als Zusammensetzungen von Teilbedeutungen, Merkmalen, Attributen, Slot-Filler-Kombinationen verstehen lassen. Immer geht es dabei darum, ein Konzept als ein Zusammenspiel verschiedener Teilbedeutungen zu verstehen. Dabei sind die Lesarten eines Konzepts immer kontextabhängig, so dass umfangreiche Korpusanalysen die jeweiligen Bedeutungszuschreibungen absichern können (vgl. z. B. Kalwa 2013 zum Konzept Islam). Zusätzlich zur Kompositionalität der Bedeutungen und der unstrittigen Kontextabhängigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass wir bei der Rekonstruktion der Semantik von Begriffen von mindestens drei verschiedenen Bedeutungsdimensionen ausgehen müssen: von einer kognitiven, einer konativen und einer emotiven. Diese ursprünglich aus der Stereotypenund Vorurteilsforschung stammende Gliederung ist mittlerweile ganz generell in der Semantiktheorie anerkannt. Alle Begriffe haben eine kognitive, eine konative und eine emotive Komponente, d. h. sie beschreiben etwas (kognitiv), sie haben für den Hörer/Leser eine emotive Aufladung und in ihnen steckt auch ein Handlungspotential (vgl. Hundt 1992, 5 f. mit weiterer Literatur; auf Unternehmenskommunikation bezogen vgl. Hundt 2011a). Für die Markenkommunikation ist diese Gliederung evident. Sie ist jedoch auch für alle anderen Bereiche der Unternehmenskommunikation relevant, etwa wenn es um die Darstellung des eigenen Unternehmens in verschiedenen Textsorten (z. B. Geschäftsbericht) geht. Der kognitive Anteil der Bedeutungskomponenten ist zwar wichtig, d. h. der rein darstellende, berichtende Teil, der sich auf Fakten, Zusammenhänge und vermeintlich objektive Tatsachen bezieht. Hinzu kommen jedoch für den Rezipienten auch immer Bedeutungsanteile, die die emotionale Bewertung der jeweiligen Konzepte (ob Produkte, Unternehmen, Personen etc.) und auch die sich aus den Bedeutungskonstitutionsprozessen ergebenden Handlungsoptionen betreffen (konative Bedeutungsdimension). Das zweite Perspektivierungsverfahren ist das der metaphorischen Wissenskonstitution. Hier werden über metaphorische Konzepte – vom Bekannten – die jeweils zu verstehenden Zielkonzepte angesteuert. Dass Wissen hochgradig metaphorisch gestützt sein kann, dass dies sowohl im Alltag (vgl. Lakoff/Johnson 1980), aber auch in fachwissenschaftlichen Begriffsdiskussionen (vgl. z. B. Hundt 1995) eine große Rolle spielt, ist hinlänglich bekannt. Metaphern sind nicht lediglich Bilder, die auch anderweitig zugängliches, begriffliches Wissen dekorativ ergänzen und leichter verständlich machen. Metaphern sind häufig wissenskonstitutiv, indem sie eine Begriffsbildung und damit auch das Verständnis einzelner Begriffe möglich machen. Dies wurde und wird immer wieder an Beispielen in der Forschung gezeigt (vgl. jüngst Gredel 2014 zum Konzept „Virus“). Das dritte Perspektivierungsverfahren ist das narrative. Wissen zu Konzepten und Sachverhalten wird dabei in Form von Geschichten versprachlicht. Selbstredend

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schließen sich die drei Verfahren nicht gegenseitig aus. Vielmehr ergeben sich in den konkreten Texten jeweils Überlappungen, was beim narrativen Verfahren wohl am deutlichsten ist. Köller (2006) selbst, auf den diese Idee zurückgeht, nennt verschiedene mythische Erzählungen als Beispiele: den Baum der Erkenntnis, den Turmbau zu Babel oder das platonische Höhlengleichnis. Relevant für den hier vorliegenden Band ist nun die Frage, wo und in welchen Formen diese drei Perspektivierungsverfahren einerseits und die weiter oben angesprochene dimensionale Gliederung von Begriffen (kognitiv, konativ, emotiv) andererseits eine Rolle spielen.

1.2 Verbindungslinien Nachdem im vorigen Abschnitt die sprach- und erkenntnistheoretischen Prämissen der Wissensdomäne Wirtschaft kurz umrissen worden sind (ausführlicher dazu Hundt 2015, Kap. 2; Felder 2013), sollen nun die Verbindungslinien zu den Beiträgen deutlich gemacht werden. Die angesprochene dimensionale Strukturierung von Konzepten in kognitive, emotive und konative Bestandteile spielt in verschiedenen Beiträgen des vorliegenden Handbuchs eine Rolle. Der gesamte Bereich der Produktwerbung ist geprägt durch den Versuch, nicht nur die kognitiven Konzeptanteile der Produkte zu vermitteln (dies infolge zunehmender Gleichförmigkeit der Produkte im Konkurrentenfeld immer weniger), sondern die konativen (Persuasion der Adressaten) und die emotiven Bedeutungsanteile (ästhetischer, sozialer, statusbezogener Mehrwert der Produkte) in den Vordergrund zu rücken (vgl. Ronneberger-Sibold/Wahl). Gleiches gilt für die Markenkommunikation (Kastens). Emotive Konzeptbestandteile spielen natürlich auch in vielen weiteren Konzepten eine Rolle, exemplarisch sei hier nur auf das Konzept der Glaubwürdigkeit verwiesen, das in den Beiträgen von Kirchhoff (Investor Relations), Wagner/Guse (Changekommunikation), Steinmetz (Kundenzeitschrift) oder Ebert (Vertrauen) thematisiert wird. Handlungsbezogene Konzeptbestandteile spielen vielfach ebenfalls eine Rolle in den Beiträgen, so in der Werbung (Ronneberger-Sibold/Wahl), beim Verkauf und Reklamationen (Kindt), im Change-, Krisen- und Issuesmanagement (Höbel, Wagner/ Guse). Dass die sprachliche Wissenskonstitution immer ein Zusammenspiel dieser drei Bestandteile ist, zeigt sich deutlich an zentralen Konzepten wie Marke, Image, Reputation, (Corporate) Identity/Identität. Selbstverständlich geht es zum einen um Sachverhaltsfestsetzungen, um Faktizitätsherstellung (Felder 2013), was primär auf die kognitive Bedeutungsdimension verweist. Gleichermaßen sind aber die anderen Bedeutungsdimensionen (konativ, emotiv) bei der Konzeptbestimmung und damit letztlich auch bei dem Versuch der Faktizitätsherstellung durch Sprache maßgeblich

XIV 

 Markus Hundt/Dorota Biadala

beteiligt. Die Beiträge von Mast, Huck-Sandhu/Hassenstein, Kastens und Burel sind dafür gute Beispiele. Auch die bereits angesprochenen Perspektivierungsverfahren tauchen in den Beiträgen immer wieder in unterschiedlicher Form und Ausprägung auf. Zu dem vorrangig begrifflichen  – aber eben nicht ausschließlich begrifflichen, weil sich die Verfahren gegenseitig ergänzen, s. o.  – Perspektivierungsverfahren sind z. B. die Beiträge zur Markenkommunikation (Kastens), zur Corporate Identity (Burel), zur Change-/Krisenkommunikation (Höbel) oder auch zum Begriffsfeld von Beratung, Coaching, Mediation (Habscheid) zu rechnen. Das metaphorische Perspektivierungsverfahren ist das zentrale Thema im Beitrag von Brandstetter, wird aber auch in anderen Beiträgen aufgegriffen (z. B. Priddat zum Konzept Geld). Das narrative Perspektivierungsverfahren ist dominant im sogenannten Storytelling, ein Verfahren, das derzeit in der Unternehmenskommunikation insgesamt in den verschiedensten Bereichen mit Erfolg eingesetzt wird. Der Beitrag von Herbst setzt sich damit intensiv auseinander. Behandelt wird das Storytelling auch in den Beiträgen von Mast und Wagner/Guse. Die Perspektivierungsleistung von Sprache zeigt sich jedoch auch noch in weiteren Zusammenhängen, die die wissenskonstitutive Funktion von Sprache in der Wirtschaft deutlich machen. Köller (2006, 9 f.) führt als zentrale Konzepte sprachlicher Perspektivierungen den Aspekt (der durch die Perspektivierung fokussierte Teilbereich des sprachlich gefassten Konzepts), den Sehepunkt (den Standpunkt des wahrnehmenden Subjekts) und die Perspektive (die Verbindung zwischen Aspekt und Sehepunkt) ein. Diese Trias spielt auch eine Rolle, wenn es um spezifische Verfahren der Textgestaltung geht. Im Bereich der Unternehmenskommunikation ist die Frage, wie Texte adressatengerecht gestaltet werden können, von größter Bedeutung. Bezogen auf die Perspektivierungsfrage zielt das darauf, wie es den Textproduzenten gelingt, die Perspektive der Adressaten zu übernehmen, um so ihre Texte optimal zu gestalten. Grundsätzlich ist diese Adressatenorientierung schon bei der Trennung zwischen externer und interner Unternehmenskommunikation relevant. Eine vorrangig am Adressaten ausgerichtete Kommunikation spielt aber auch in einzelnen Textsorten eine entscheidende Rolle (z. B. beim Geschäftsbericht, vgl. Piwinger, oder generell bei der Textverständlichkeit, vgl. Gerzymisch-Arbogast). Darüber hinaus ist zu beobachten, dass das Vordringen der neuen Medien in die Unternehmenskommunikation die Adressatenperspektive und die damit verbundenen Umdenkungsprozesse bei den Textproduzenten nochmals verstärkt. Dies zeigen die Studien von Lasch, der auf die Notwendigkeit echter Dialogizität bei diesen Kommunikationsformaten (z. B. Corporate Blogs) hinweist, aber auch die Studien von Moss/Balkmann zum Kommunikationsinstrument Twitter). Insgesamt kann festgehalten werden: Die oben beschriebenen sprach- und erkenntnistheoretischen Prämissen des Forschungsnetzwerks „Sprache und Wissen“, die davon ausgehen, dass Wissen primär sprachlich konstituiert wird, dass

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Sachverhalte im Diskurs durch die Diskursteilnehmer festgesetzt werden (z. B. in Auseinandersetzungen/Kämpfen um die jeweils geltende Bedeutung), diese Prämissen gelten uneingeschränkt auch für die Wissensdomäne der Wirtschaft, und dies zeigt sich auch in den vorliegenden Beiträgen. Das Primat der Sprache ist nicht nur in den verschiedenen Agenturen zur Kommunikationsberatung längst angekommen. Das Thema Sprache hat auch seinen Platz in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung weit über die Linguistik hinaus (Stichwort: Multi- und Interdisziplinarität der Unternehmenskommunikation) gefunden. Es wird zwar an manchen Stellen beklagt, dass diese Einsichten noch zu wenig Berücksichtigung bei den Entscheidern in den Unternehmen gefunden haben, allerdings ist auch festzuhalten, dass Sprache im Bereich der Unternehmenskommunikation mehr und mehr auch von den Unternehmen selbst als essentieller Baustein des Unternehmenserfolgs verstanden wird. Die vielfältigen Bemühungen der Unternehmen im gesamten Konzeptfeld des Corporate X (Corporate Identity, Corporate Behavior, Corporate Design, Corporate Image, Corporate Culture, Corporate Finance, Corporate Governance, Corporate Communication, Corporate Publishing, Corporate Branding, Corporate Citizenship, Corporate Wording u. v. a. m.) zeigen, dass die zentrale Funktion der Sprache auch dort erkannt worden ist. Ausdruck findet dies in der steigenden Bedeutung des wordings, d. h. in dem Versuch, einen unverwechselbaren sprachlichen Unternehmensauftritt in möglichst allen Textsorten quasi als Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens sicherzustellen (vgl. dazu auch Mast und Förster). Ausdruck findet dies aber auch in der Tatsache, dass sich die Unternehmen den kommunikativen Herausforderungen, die sich durch die Möglichkeiten der neuen Medien (Blogs, Twitter, Facebook etc.) ergeben, durchaus stellen (vgl. Lasch und Moss/Balkmann).

2 Wichtige Forschungsgebiete und Anwendungs­ felder der Unternehmenskommunikation 2.1 Zur Gliederung des Bandes Die Beiträge behandeln das Handlungsfeld der Wirtschaft aus sprachlicher Perspektive. Wie bereits erwähnt, spielt die Sprache in der Wissensdomäne Wirtschaft eine zentrale Rolle. Da es nicht möglich ist, alle Wirtschaftssektoren in der Beschreibung einer Wissensdomäne im gleichen Maße zu berücksichtigen, wird ein Fokus auf die interne und externe Unternehmenskommunikation als einen bedeutenden und alle Wirtschaftssektoren betreffenden Teil der Wirtschaftskommunikation gelegt. Dabei werden anhand ausgewählter Beispiele die grundlegendsten kommunikativen und wissensgenerierenden Muster der Wissensdomäne präsentiert. In allen wirtschaftlichen Bereichen erfolgt nämlich der Zugriff auf die entsprechenden Denkmuster und

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 Markus Hundt/Dorota Biadala

Konzepte über die Sprache. Und nicht nur das, die Macht der Sprache ist noch erheblicher: Die wirtschaftsbezogenen Gegenstände selbst werden erst über die Sprache als Objekte generiert (Hundt 2015, 375, vgl. dazu insgesamt auch Felder 2013). Die Fokussierung, die im Handbuch „Sprache in der Wirtschaft“ vorgenommen wird, bezieht sich auf ausgewählte Themen der internen und externen Unternehmenskommunikation. In diesem Band werden sowohl die verschiedenen derzeit diskutierten theoretischen Ansätze berücksichtigt wie die zahlreichen praktischen Verfahren der Analyse der sprachlichen Prozesse, die als Praxisberichte stark von den Nachbardisziplinen (wie Psychologie, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre usw.) inspiriert wurden. Das Thema „Sprache in der Wirtschaft“ zeichnet sich durch große Heterogenität und Interdisziplinarität aus. Deswegen ist es schwierig und sicherlich auch nicht unstrittig, diese vielfältigen Zugänge für ein Handbuch in abgrenzbare Bereiche zu gliedern. Mit Blick auf alle vorliegenden Beiträge haben die Bandherausgeber versucht, eine schlüssige Gliederung vorzuschlagen. Danach lassen sich fünf große Gebiete ausmachen, die die Grundlage für die Gliederung sind: 1. Grundlagen der Unternehmenskommunikation 2. Spezifische Eigenschaften der Unternehmenskommunikation 3. Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation 4. Medien, Text- und Gesprächssorten der Unternehmenskommunikation 5. Übergreifende Handlungskonzepte der Unternehmenskommunikation 1. Grundlagen der Unternehmenskommunikation: Der erste große Themenbereich dient dazu, einige theoretische Grundlagen der internen und externen Unternehmenskommunikation zu legen. Dabei werden sowohl die theoretischen Aspekte der Unternehmenskommunikation (Mast) als auch Unternehmenskommunikation am Beispiel eines Praxisberichts über Kommunikation in der Wirtschaft über Geld (Priddat) angeführt und detailliert besprochen. Außerdem wird in dem Kapitel auf die Textverständlichkeit im weiteren Sinne eingegangen (GerzymischArbogast), wobei die grundsätzlichen Voraussetzungen und Probleme des Verstehens von Fachtexten und die damit verbundenen Aufgaben für die Vermittlung fachlicher Inhalte an verschiedene Adressatengruppen behandelt werden. 2. Spezifische Eigenschaften der Unternehmenskommunikation: Der zweite große Themenbereich widmet sich ausgewählten linguistischen Besonderheiten in der internen und externen Unternehmenskommunikation. Untersucht werden hier u. a. die metaphorischen und die narrativen Perspektivierungen. Die wissenskonstitutive Funktion von Metaphern in allen kommunikativen Bezugsbereichen (vgl. Steger 1988) darf als gesichert und als unstrittig gelten. Die Studien zu Funktionen und Leistungen von Metaphern in den verschiedenen Varietäten, die dazu in den letzten Dekaden entstanden sind, legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Daher ist es nur folgerichtig, dass die metaphorische Perspektivierung wirtschaftsbezogener Sachverhalte auch in diesem Band eingehend behandelt wird (Brandstetter). Gleiches kann man für die Bedeutung von Bildern in der Unternehmenskommu-

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nikation sagen. Weniger selbstverständlich ist die Behandlung des Storytellings, handelt es dabei doch um einen Zugang, dessen Potential erst in jüngerer Zeit entdeckt wurde (zum Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling vgl. Herbst). Verweist dieser Beitrag bereits auf den großen Einfluss der medialen Umsetzung sprachlicher Inhalte, gilt dies in noch größerem Maße für den dritten Beitrag in diesem Kapitel. Globalisierung als Leitbegriff der gegenwärtigen Wirtschaftsdiskurse, die jeweilige Rückkoppelung an spezifische, lokale Kulturen und die Verknüpfung beider Aspekte in den neuen Medien (hier Twitter) werden im Beitrag von Moss/Balkmann dargestellt. Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht die Frage, inwiefern sich die vielbeschworene Globalisierung auch auf die kommunikativen Muster der jeweiligen Heimatkulturen homogenisierend auswirkt, was bislang (Beispielstudie zur Twitterkommunikation) noch nicht bestätigt werden kann. 3. Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation: Nach den theoretischen Grundlagen und exemplarischen Studien zu linguistischen Spezifika werden im dritten Abschnitt des Bandes zentrale Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation vorgestellt. Die schon seit Jahren fortschreitende Marktsättigung bewirkte, dass die Unternehmen sich heutzutage weniger in einem Produkt- als vielmehr in einem Kommunikationswettbewerb befinden (Kastens). Welche Kommunikationsinstrumente jeweils eingesetzt werden, hängt stark von den jeweiligen Zielgruppen ab, die die Adressaten der Unternehmenskommunikation darstellen. Man unterscheidet grundsätzlich unternehmensinterne (vor allem die Mitarbeiter) sowie unternehmensexterne Zielgruppen, wie z. B. Kunden (s. Kundenkommunikation bei Huck-Sandhu/Hassenstein), Aktionäre (s. Investor Relations bei Kirchhoff), Öffentlichkeit und Presse (s. Public Relations bei Puttenat). Diese Arten der Kommunikation gehören zu den Kernhandlungsfeldern der Unternehmenskommunikation und sind zusammen mit weiteren Handlungsfeldern wie Change-Kommunikation (Wagner/Guse), Issuesmanagement/Risikound Krisenkommunikation (Höbel), Wettbewerb (Kastens), Beratung/Coaching/ Supervision (Habscheid) und Wirtschaftssprache in den Übersetzungswissenschaften (Konovalova) im dritten Themenblock versammelt. 4. Medien, Text- und Gesprächssorten der Unternehmenskommunikation: Kommunikative Ziele, Zielgruppenadäquatheit und Fokussierung auf spezifische Themen sind jedoch nur ein möglicher Blick auf die Unternehmenskommunikation. In allen diesen Beispielen spielt die mediale Verfasstheit der jeweiligen Texte ebenfalls eine ganz entscheidende Rolle. Deswegen ist der Blick auf Medien, Text- und Gesprächssorten der Unternehmenskommunikation ein weiterer Gliederungsaspekt. Exemplarisch werden folgende mediale und text-/gesprächslinguistische Zugänge thematisiert: Medien und soziale Netzwerke (Lasch), die zentrale Textsorte des Geschäftsberichts (Piwinger), Werbung (Ronneberger-Sibold/Wahl), Kundenzeitschrift (Steinmetz), Mitarbeiterzeitschrift (Schweizer), Reklamationsgespräch (Kindt).

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 Markus Hundt/Dorota Biadala

5. Übergreifende Handlungskonzepte der Unternehmenskommunikation: Aus Sicht der Zielgruppen lassen sich die Anforderungen an die Unternehmenskommunikation nicht immer eindeutig formulieren, da sie instrumenten- und zielgruppenspezifisch variieren. So stehen beispielsweise bei den Investor Relations Kriterien wie Offenheit, Aktualität und Objektivität der Kommunikation im Vordergrund (Kirchhoff). Neben diesen instrumentenspezifischen Kriterien lassen sich jedoch auch solche Anforderungen identifizieren, die über alle Kommunikationsinstrumente und Zielgruppen hinweg von zentraler Bedeutung sind. Hierzu zählt insbesondere das Vertrauen (Ebert) und die Höflichkeit in der Unternehmenskommunikation (Ebert). Diese zwei Bereiche werden in dem vorliegenden Handbuch zusammen mit Corporate X als „Übergreifende Handlungskonzepte der Unternehmenskommunikation“ bezeichnet, wobei X als Platzhalter für verschiedene begriffliche Perspektivierungen steht. Aus der Vielfalt der Corporate-Begriffe (u. a. Corporate Branding, Corporate Behavior, Corporate Culture, Corporate Design, Corporate Governance, Corporate Identity, Corporate Wording) werden exemplarisch Corporate Identity (Burel) und Corporate Wording (Förster) ausführlicher behandelt.

2.2 Das Spektrum der Beiträge Wie aus den vorigen Ausführungen deutlich geworden sein sollte, ist ein umfassender und repräsentativer Überblick über das weite Feld der externen und internen Unternehmenskommunikation im Bereich der Forschung und der jeweiligen Praxis derzeit wohl kaum zu leisten. Allerdings gehen die Herausgeber zuversichtlich davon aus, dass die Reihe der hier vorliegenden Beiträge einen sehr guten Überblick über die wichtigsten Gegenstände, Forschungsfragen und Anwendungsfelder geben. Um dem Leser einen gerafften und deswegen natürlich auch verkürzenden Einblick in die Beiträge zu geben, werden diese im Folgenden kurz skizziert. Dieser Durchgang möge nicht als Inhaltsangabe verstanden werden, sondern vielmehr als Anregung für die Leser, die jeweiligen Beiträge selbst in Gänze zu rezipieren. Der Beitrag „Was ist Unternehmenskommunikation?“ von Claudia Mast gibt einen Überblick über theoretische Aspekte der Unternehmenskommunikation mit einem Ausblick in die Zukunft der Unternehmenskommunikation. Image, Reputation, Identität und Marken bezeichnen dabei die entscheidenden Steuerungsgrößen der Meinungs- und Einstellungsbildung bei denen, die in die Unternehmenskommunikation involviert sind. Unternehmenskommunikation ist somit mehr und mehr an Werten orientiert. Neben wertorientierten Ansätzen werden im Beitrag content-orientierte Modelle erörtert. Birger Priddat betrachtet in seinem Beitrag „Kommunikation in der Wirtschaft über Geld“ das Geld als Medium von Beziehungen (z. B. Verschuldungsbeziehungen), von Transaktionen (Kauf/Verkauf) und des allgemeinen Begehrens. Außerdem gilt

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das Geld als der stärkste Machtindikator. Der Beitrag fokussiert darüber hinaus auch die semantischen Unterschiede beim Konzept Geld zwischen einer wirtschaftsbezogenen Alltagssprache und der Wirtschaftsfachsprache der Experten. Der Beitrag „Textverstehen  – Kohärenz  – Individuelle Hypothesen  – am Beispiel eines Wirtschaftstextes“ von Heidrun Gerzymisch-Arbogast behandelt die Problematik des Textverstehens beim Lesen der (Fach-)Texte. Textverstehen, Kohärenz und individuelle Hypothesen sind zentrale Komponenten, die dem Menschen die Welt erschließen und ihm auch die Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglichen. Im Beitrag werden verschiedene Betrachtungsebenen eines Fachtextes präsentiert und näher erläutert: aus atomistischer, holistischer und hol-atomistischer Sicht. Außerdem wird zwischen einem Text als einer individuellen Einheit und einem Vorwissen/ Systemwissen unterschieden, das in den Text mit einfließt. Barbara Brandstetter widmet sich in ihrem Beitrag „Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation“ den Funktionen der Metaphern in der externen Kommunikation und in der Wirtschaftsberichterstattung. Der Fokus liegt in diesem Beitrag auf der wissenskonstitutiven Funktion der Metaphern, die als spezifische Eigenschaften der Wirtschaftssprache fungieren. Untersucht werden die Metaphern aus den Bereichen Sport, Personifikation, Bauwesen, Medizin, Natur und Militärwesen in den Textsorten Pressemitteilung, Bericht und Rede der Vorstände der umsatzstärksten DAX-Unternehmen. Das Thema des Beitrags von Dieter Georg Herbst lautet „Zum Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling“. Der Einsatz von Text und Bild sollte dabei differenziert erfolgen, damit die jeweiligen Stärken der beiden Medien (Text und Bild), die auf jeweils unterschiedliche kognitive Verarbeitungssysteme bezogen werden können, möglichst voll zum Tragen kommen. Besonders relevant ist dabei auch das Zusammenspiel von Texten und Bildern, um ein optimales Text-Bild-Verhältnis sicherzustellen. Das Storytelling erweist sich als kommunikatives Verfahren, bei dem mit Hilfe von Geschichten Inhalte, die für die jeweiligen Unternehmen relevant sind, bildhaft, anschaulich und damit für die Zielgruppen leichter zugänglich vermittelt werden können. Bei der voraussichtlichen künftigen Bilddominanz stellt sich darüber hinaus die Frage, was mit den Textaussagen geschieht, welche die Bilder nicht transportieren können. In dem Beitrag „Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation“ von Christoph Moss/Katharina Balkmann wird die Globalisierung als ein multidimensionaler Prozess analysiert. Kultur bildet die zentrale Einflussvariable internationaler Wirtschaftskommunikation im Globalisierungsprozess. Die Ergebnisse einer empirischen Studie zu kommunikativen Unterschieden in der globalisierten Twitterkommunikation zeigen, dass einerseits die kulturelle Prägung der jeweiligen Heimatkulturen in den Standortländern erkennbar und relevant ist, dass aber andererseits noch nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Prozess der Globalisierung zu einer kommunikativen Homogenisierung in der Twitterkommunikation internationaler Unternehmen geführt hat, wie man dies erwarten könnte.

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Der Beitrag „Kundenkommunikation“ von Simone Huck-Sandhu/Katrin Hassenstein beschreibt die Kundenkommunikation als Schnittstelle zwischen der Marketingkommunikation/Marktkommunikation und den Public Relations. Differenziert werden die Grundzüge der Kundenkommunikation mit den zentralen Begriffen Marke, Image und Reputation dargestellt und die relevanten Leitgrößen, Zielgruppen, Kommunikationsmodi und Instrumente der Kundenkommunikation erörtert. In dem Beitrag „Investor Relations – ein Praxisbericht“ von Klaus Rainer Kirchhoff werden zunächst die begrifflichen Grundlagen geschaffen, indem die Schlüsselbegriffe Investor Relations, Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Kommunikation erläutert werden. Im Hauptteil des Beitrags wird die Sprache der Investor Relations anhand der Textsorten Geschäftsbericht, Ad-hoc- und Pressemitteilung vorgestellt. Abschließend wird vom Autor eine Liste mit Empfehlungen für die angemessene Sprache in den Investor Relations dargelegt. Daniela Puttenat geht in ihrem Beitrag „Public Relations in der Unternehmenskommunikation  – ein Praxisbericht“ davon aus, dass dem Begriff Public Relations (PR) in der Gesellschaft häufig eine unklare bis pejorative Bedeutung zugeschrieben wird. Daher ist eine Begriffsklärung sinnvoll, die PR, Pressearbeit, Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation insgesamt voneinander abzugrenzen versucht. Anhand von Beispielen wird dann ein praxisbezogener Einblick in die Presseund Öffentlichkeitsarbeit gegeben. Der Beitrag „Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von Change-Kommunikation“ von Eike Wagner/Stefanie Guse behandelt das Veränderungsmanagement. Veränderungen in Unternehmen sind selbstverständliche Bestandteile der Unternehmensentwicklung, fordern jedoch von den Mitarbeitern z. T. erhebliche Anpassungsleistungen und können daher auch zu Ängsten, Verunsicherungen und Widerständen führen. Umso wichtiger ist deswegen die richtige Kommunikation von Change-Prozessen: klare Kommunikation der Kernbotschaften, Einbezug der Betroffenen und v. a. der Meinungsführer in einer rechtzeitigen, dialogischen, transparenten, narrativen, konsistenten und glaubwürdigen Kommunikation sind dabei wichtige Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt. Der Beitrag „Ohne Risiko keine Chance  – Issuesmanagement, Risiko- und Krisenkommunikation“ von Peter Höbel thematisiert wichtige Bereiche der strategischen Unternehmenskommunikation. Das Issuesmanagement hat das Ziel, sowohl Chancen als auch Risiken für das Unternehmen zu identifizieren und entsprechend zu kommunizieren. Die Risikokommunikation hat das Ziel, unternehmensintern zur Risikosteuerung beizutragen und im Idealfall unternehmensextern in der Öffentlichkeit zur Risikomündigkeit zu führen. Krisenkommunikation zielt auf die Begrenzung eines möglichen Schadens für ein Unternehmen. Ob sich dabei eine Krise als eine Katastrophe oder als eine produktive Chance herausstellt, hängt von vielen Faktoren ab. In der Regel stellt die Krise eine finanzielle Gefährdung für das betroffene Unternehmen dar. Gravierender kann aber der Imageschaden für das Unternehmen sein, wenn das Issues- und Krisenmanagement misslingt.

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Im Beitrag „Wettbewerb um die Bedeutungen. Oder warum Marken nicht am Schreibtisch einer Agentur entstehen“ von Inga Ellen Kastens wird deutlich, dass aufgrund der gegenseitigen Austauschbarkeit der Produkte gegenwärtig eher ein Wettbewerb der Marken als ein Wettbewerb der Produkte vonstattengeht. Anschaulich erläutert wird dies durch einen Blick auf die historische Entwicklung des Konzepts Marke. Seit dem Ausgang des vergangenen Jahrhunderts werden Marken primär über die Kommunikation konstituiert. Die in dieser Weise sprachlich geschaffene Marke bietet den Kunden Orientierung in der immer größeren Zahl an Angeboten. Außerdem tragen sie zur Produktdifferenzierung bei und schaffen Vertrauen. Deshalb gelten Marken heute in Unternehmen als zentrale immaterielle Wertschöpfer. In dem Beitrag wird zudem die Theorie vorgestellt, dass der kulturwissenschaftlich geprägte Begriff der Aushandlung den Kommunikationsmechanismus der Steuerung in Theorie und Praxis ersetzt, dargestellt am Beispiel des systemisch-semantischen Grundlagenmodells ‚Markendiskursraum‘. Stephan Habscheid gibt in seinem Beitrag „Beratung, Coaching, Supervision: Formen helfender Interaktion in Unternehmen“ einen Überblick und zugleich einen Systematisierungsvorschlag zu den wichtigsten Ansätzen der Kommunikationsberatung in Unternehmen. Es lässt sich eine fortlaufende Professionalisierung der Beratungspraxis erkennen, die mit der zunehmenden Etablierung einer Beratungsforschung einhergeht. Im Beitrag werden die verschiedenen Aspekte der kommunikativen Beratung erörtert, ihre Funktionen und Leistungen, aber auch die dabei auftretenden, nicht immer erwarteten Nebeneffekte und Grenzen (z. B. wenn Beratungen Probleme erst durch die Beratung schaffen, oder wenn Beratungen andere Probleme lösen als die zunächst fokussierten). Das Thema des Beitrags von Anastasia Konovalova lautet „Wirtschaftssprache in den Übersetzungswissenschaften: ein Bericht aus der Übersetzungspraxis“. Es wird veranschaulicht, wie wirtschaftsfachsprachliche Spezifika zu Übersetzungsproblemen führen und wie diese Probleme gelöst werden können. Dazu werden die Übersetzungen wirtschaftlicher Texte des Investitionsbereichs aus dem Deutschen ins Russische vorgestellt und analysiert. Die Ergebnisse führen zu einem kombinierten Ansatz zum Fachübersetzen der Wirtschaftssprache. Alexander Lasch präsentiert in seinem Beitrag „Soziale Medien in der externen Unternehmenskommunikation“ den aktuellen Forschungsstand und neue Erkenntnisse in den Bereichen Neue Medien und Soziale Medien in der Unternehmenskommunikation. Fokussiert wird im Beitrag die Interaktivität der Sozialen Medien, was für die Unternehmenskommunikation in den Sozialen Medien eine Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die Dialogizität der Kommunikation nach sich ziehen muss. Veranschaulicht wird dieser Perspektivenwechsel an einem bislang noch wenig erforschten Bereich der externen Unternehmenskommunikation, den Corporate Blogs. Im Beitrag „Sprache in Geschäftsberichten“ analysiert Manfred Piwinger die Textsorte Geschäftsbericht detailliert. Es werden die notwendigen Anforderungen an einen guten Geschäftsbericht benannt und verschiedene Verbesserungsvorschläge

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für dessen Abfassung vorgestellt. Der Geschäftsbericht wird als das ausführlichste und bedeutungsvollste Instrument der Finanzkommunikation präsentiert, mit dem die Unternehmensleitung einerseits über die Geschäftsentwicklung und die Finanzlage eines Unternehmens informiert und anderseits durch die positive Selbstdarstellung des Unternehmens und die positive Textwirkung (dank der gewählten sprachlichen Mittel) das Vertrauen der Anleger gewinnen möchte. Einen umfassenden Überblick über den gesamten Bereich der Werbung geben Elke Ronneberger-Sibold und Sabine Wahl. Werbung wird zunächst einer begrifflichen Klärung unterzogen, ihre zentralen Funktionen (v. a. die persuasive Funktion) und die Einflussfaktoren auf Werbung (Zielgruppe, Produktart, Marktsituation, Werbemittel) dargestellt. Werbung ist im Alltag omnipräsent, sowohl in den Printmedien als auch im Fernsehen, im Hörfunk, im Kino oder im Internet. Jede dieser medialen Realisationsformen von Werbung wird im Beitrag ausführlich behandelt und mit vielen Beispielen belegt. Heike Steinmetz beschreibt in ihrem Artikel „Kundenzeitschrift: Spagat zwischen Kundenbindung, Information und Corporate Wording“ verschiedene Arten von Kundenzeitschriften mit Blick auf das Spektrum der sprachlichen Gestaltungsmöglichkeiten, nämlich von einem journalistisch anspruchsvollen Medienprodukt als unternehmensorientierte Selbstdarstellung (das sich nah am Journalismus bewegt) bis hin zu einem billigen, schnell erstellten, reinen Werbeblatt. Die Kundenzeitschrift wird in ihren journalistischen Teiltextsorten analysiert. Dabei wird der Zusammenhang zwischen der sprachlichen Ausformung der konkreten Texte und ihrer Textsortenzugehörigkeit betont (z. B. Orientierung an Lesererwartungen und Unternehmensintentionen). Außerdem wird die Frage diskutiert, ob Corporate Wording in den Kundenzeitschriften angebracht oder eher übertrieben ist. Die Mitarbeiterzeitschrift wird von Matthias Schweizer erörtert. Im Beitrag wird beschrieben, was eine Mitarbeiterzeitschrift (MAZ) erfolgreich macht, und was ihre wesentlichen Aufgaben sind. Professionalität in Text und Gestaltung, Glaubwürdigkeit in Stil und Inhalt sowie Kontinuität im Erscheinen zeichnen eine erfolgreiche Mitarbeiterzeitschrift aus. In dem Beitrag stellt der Autor die Mitarbeiterzeitschrift in einem Kontext der Unternehmenskommunikation und in einem massenmedialen Kontext dar. Darüber hinaus wird auf sprachliche Spezifika der Mitarbeiterzeitschrift eingegangen. Der Beitrag „Werbung, Verkaufsgespräch und Reklamation. Analysen im Rahmen der Linguistischen Rhetorik“ von Walther Kindt befasst sich mit den drei genannten Kommunikationsgattungen. Für sie wird ein generelles Aufgabenschema der Problemlösungskommunikation ausgearbeitet und eine Textanalyse mit empirischen Beispielen durchgeführt. Fokussiert werden Argumentationen und Argumentationsstrategien, die in Werbetexten, Verkaufs- und Reklamationsgesprächen typischerweise Anwendung finden. Simone Burel gibt in ihrem Beitrag „Corporate Identity” einen Überblick über den Forschungsstand zu diesem schillernden, von verschiedenen Disziplinen unter-

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suchten Konzept. Genuin linguistische Zugänge sind hier noch eher selten. Der Schwerpunkt des Beitrags liegt dann auf der Frage, wie das Konzept und der damit verbundene Sachverhalt Corporate Identity sprachlich konstituiert wird, und wie die sprachlichen Perspektivierungen von Corporate Identity empirisch fassbar gemacht werden können. Hans-Peter Förster geht in seinem Beitrag „Corporate Wording®  – Darstellung eines strategischen und operativen Konzepts und Bericht aus der Praxis“ auf ein wichtiges Instrument zur Herstellung und Vermittlung von Corporate Identity ein, nämlich auf das Konzept des Corporate Wordings (CW), das für einen einheitlichen und unverwechselbaren sprachlichen Auftritt des Unternehmens sorgen soll. Ein CW-Modell ist die vom Autor entwickelte Methode der Vier-Farben-Sprache, die im Beitrag detailliert dargestellt wird. Die Konzepte Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Wirtschaftskommunikation werden ausführlich in dem Beitrag „Vertrauen“ von Helmut Ebert behandelt. Damit ein Unternehmen als ein glaubwürdiger Kommunikationspartner wahrgenommen werden kann, muss es eine auf Vertrauen aufgebaute Kommunikation betreiben. In dem Beitrag wird u. a. untersucht, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sich Vertrauen in der Unternehmenskommunikation entwickelt und wie Vertrauen aufrecht erhalten werden kann. Darüber hinaus werden in dem Beitrag unterschiedliche Vertrauenstypen, Vertrauensquellen und das durch die Sprache im Web 2.0 realisierte Vertrauen erörtert. In seinem Beitrag „Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation“ unterscheidet Helmut Ebert zwischen einer erwartbaren Höflichkeit und dem Respekt als einer individuellen Wertschätzung. Die Höflichkeit in der Unternehmenskommunikation wird vom Autor als ein zweckorientiertes soziales Verhalten mit den Funktionen der Kontingenzreduktion, der Reziprozitätssicherung, der Kommunikationskoordination, der gegenseitigen Anerkennung und der Gemeinschaftsbildung gesehen. Detailliert werden die verschiedenen Anwendungsbereiche (interne, externe Unternehmenskommunikation, Imagekommunikation, Stakeholderkommunikation, Impression Management, Interkulturelle Kommunikation, internationales Management und Marketing, Web 2.0, Social Media) dargestellt. Darüber hinaus werden die mit den Konzepten Höflichkeit und Respekt eng verbundenen Normkonflikte und -kodifizierungen analysiert.

3 Fazit Die Handbuchreihe „Sprache und Wissen“ behandelt sehr viele Gegenstandsbereiche und damit versprachlichte Weltausschnitte, von den enger sprachbezogenen Gegenstandsbereichen (Laut, Gebärde, Buchstabe: Bd. 2; Wort und Wortschatz: Bd. 3; Satz, Äußerung, Schema: Bd. 4; Text und Gespräch: Bd. 5; Diskurs: Bd. 6), über Weltaus-

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schnitte wie die Öffentlichkeit (Bd. 10), Medizin (Bd. 11), Recht (Bd. 12), Organisationen (Bd. 14), Mathematik (Bd. 15), Kunst (Bd. 16), Literatur (Bd. 17), Religion (Bd. 18), Politik (Bd. 19), urbaner Raum (Bd. 20) und Bildung (Bd. 21) bis hin zu einzelnen Querschnittsbereichen wie multimodalen Kontexten (Bd. 7), der Geschichte (Bd. 8) oder den sozialen Gruppen (Bd. 9). Der vorliegende Band „Sprache in der Wirtschaft“ beschäftigt sich als Band 13 dieser Reihe mit dem Weltausschnitt der Wirtschaft. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass mit Weltausschnitt eben nicht die uns nicht unmittelbar und auch nicht objektiv zugängliche außersprachliche Wirklichkeit gemeint ist und auch nicht gemeint sein kann. Es geht vielmehr immer darum, die durch Sprache konstituierte Wirklichkeit im Sinne des sozialkonstruktivistischen Denkens im Anschluss an Berger/Luckmann (1969/2012) in den Blick zu nehmen. Selbstverständlich wird die Existenz einer außersprachlichen Wirklichkeit nicht geleugnet, aber: Für die Bildung von Konzepten, für deren Vernetzung und Weiterentwicklung, für die Genese des jeweiligen domänenspezifischen Wissens kann diese außersprachliche Wirklichkeit nicht nur nicht die alleinige Bestimmungsgröße sein, sondern sie rückt geradezu in den Hintergrund hinter die aus den jeweiligen Diskursen gewonnenen, sprachlich konstituierten Sachverhalte. Was in der Kommunikationsdomäne bzw. dem Weltausschnitt der Wirtschaft handlungsleitende Konzepte sind, wie relevante Sachverhalte festgesetzt und faktisch gültig werden können, bestimmen die sprachlich verfassten Diskurse in diesem Weltausschnitt und nicht primär die jeweiligen ‚Dinge‘ selbst. Wie für die anderen Bände dieser Reihe gelten somit auch für den vorliegenden die sprach- und erkenntnistheoretischen Grundannahmen des Forschungsnetzwerks „Sprache und Wissen“ (vgl. Felder 2008 mit weiterer Literatur). Die überaus große Bandbreite an Gegenstandsbereichen und Weltausschnitten, die die Handbuchreihe abdeckt, macht deutlich, dass die Wirtschaft und hier, genauer gefasst, die interne und externe Unternehmenskommunikation nur einen kleinen Teil dessen ausmacht, was der Verfertigung des Wissens durch und mit Sprache unterliegt, und – darüber hinaus gehend – welche Sachverhalte erst durch und mit Sprache konstituiert werden. Berücksichtigt man jedoch, dass uns wirtschaftliche Themen und Sachverhalte nicht nur im Bereich der Wirtschaftswissenschaften selbst, sondern gerade im Alltag und hier in fast allen Bereichen des Alltags begegnen, dann wird die Relevanz des Bereichs deutlich. „Wirtschaft ist überall“ (Hundt 2010) ist ein Schlagwort hierzu oder – stärker aus der Perspektive der internen und externen Unternehmenskommunikation gedacht – „Wir erreichen Menschen über Sprache, oder eben auch nicht!“ (Anders/Hundt/Lasch 2011, 6). Die Einleitung zum vorliegenden Band sollte drei Dinge deutlich machen: 1. Die sprach- und erkenntnistheoretische Grundlegung des Handbuchs (Kap. 1.1) sowie die Bezüge zwischen diesen Grundannahmen und den jeweiligen Teilbereichen der internen und externen Unternehmenskommunikation (Kap. 1.2). 2. Das enorme Spektrum an Themen und Anwendungsgebieten innerhalb der Unternehmenskommunikation. Genauso wie Band 13 der Reihe „Sprache und Wissen“ nur einen Ausschnitt des Ganzen präsentieren kann, so können auch die vorlie-

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genden Beiträge nur einen Ausschnitt der Wissensdomäne Wirtschaft behandeln. Die vorgestellte Gliederung (Kap. 2.1) ist daher als tentativer Vorschlag zu verstehen. Die einzelnen Beiträge (vgl. die Inhaltsskizzen in Kap. 2.2) greifen z. T. über diese Gliederung hinaus. 3. Die Inter- und Multidisziplinarität der Forschungen und Praxiszugänge zur Unternehmenskommunikation. Aus dem letzten Punkt leitet sich auch ein nach wie vor deutlich erkennbares Forschungsdesiderat ab. Es herrscht zwar kein Mangel an Publikationen, die sich mit interner und externer Unternehmenskommunikation beschäftigen; es herrscht ebenso kein Mangel an mehr oder weniger theoretisch fundierten Praxiszugängen zu diesem Feld. Auch darf mittlerweile davon ausgegangen werden, dass die Relevanz von sprachlichen Perspektivierungen und Sachverhaltskonstitutionsprozessen sowie von Kommunikationsprozessen insgesamt (Stakeholderkommunikation) im Bewusstsein der Entscheider in Unternehmen angekommen ist; das Thema Sprache fristet nicht mehr durchgängig ein Armesünderdasein, das in der Wertschöpfungskette zugunsten der oft beschworenen ‚harten Faktoren‘ als ‚weicher Faktor‘ (zu den Faktoren vgl. z. B. Lies 2015) vernachlässigt werden kann. Zutreffend ist aber auch, dass es sowohl im Hinblick auf die Ausschöpfung der Potentiale in der Unternehmenskommunikation als auch im Hinblick auf eine linguistisch fundierte Forschung noch sehr viel zu tun gibt. Gerade die linguistische Diskursanalyse bietet hier ein hervorragendes Instrumentarium an, mit dem sich das sprachliche Perspektivierungspotential und die Wissenskonstitution durch Sprache theoretisch fundiert und empirisch abgesichert erarbeiten lassen.

4 Literatur Anders, Christina/Markus Hundt/Alexander Lasch (2011): Der sprachliche Auftritt börsennotierter Unternehmen aus dem Energie- und Finanzdienstleistungssektor – Personalrekrutierung durch Sprache. Trends und Tendenzen in der sprachlichen Gestaltung von Karrierewebseiten (KIMATEK 2010). Hg. v. Personalkommunikation Schelenz. Kiel/Mainz. Berger, Peter L./Thomas Luckmann (1969/2012): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. 24. Aufl. Frankfurt a. M. Bubenhofer, Noah (2009): Sprachgebrauchsmuster. Korpuslinguistik als Methode der Diskurs- und Kulturanalyse. Berlin/New York. Eisler, Rudolf (1930): Kant-Lexikon. Berlin. Felder, Ekkehard (2008): Das Forschungsnetzwerk „Sprache und Wissen“: Zielsetzung und Inhalte. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 36/2008, 270–276. Felder, Ekkehard (2013): Faktizitätsherstellung mittels handlungsleitender Konzepte und agonaler Zentren. Der diskursive Wettkampf um Geltungsansprüche. In: Ekkehard Felder (Hg.): Faktizitätsherstellung in Diskursen. Die Macht des Deklarativen. Berlin/New York, 14–28. Felder, Ekkehard/Andreas Gardt (Hg.) (2015): Handbuch Sprache und Wissen. Boston/New York.

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Felder, Ekkehard/Andreas Gardt (2015a): Sprache – Erkenntnis – Handeln. In: Felder/Gardt, 3–33. Gredel, Eva (2014): Diskursdynamiken. Metaphorische Muster zum Diskursobjekt Virus. Berlin/New York. Hundt, Markus (1992): Einstellungen gegenüber dialektal gefärbter Standardsprache. Eine empirische Untersuchung zum Bairischen, Hamburgischen, Pfälzischen und Schwäbischen. Stuttgart. Hundt, Markus (1995): Modellbildung in der Wirtschaftssprache. Zur Geschichte der Institutionenund Theoriefachsprachen der Wirtschaft. Tübingen. Hundt, Markus (2010): Forschungsnetzwerk Sprache und Wissen. Wissensdomäne Wirtschaft. In: http://sprache-und-wissen.de/wissensdomaenen/wirtschaft/(Zugriff am 02.02.2015). Hundt, Markus (2011): Diskursivierung von Wissen durch Sprache – der multimodale Ansatz von Georg Philipp Harsdörffer in den Frauenzimmer Gesprächspielen. In: Thorsten Burkard u. a. (Hg.): Politik – Ethik – Poetik. Diskurse und Medien frühneuzeitlichen Wissens. Berlin, 177–200. Hundt, Markus (2011a): Wie wir die Dinge benennen, so begegnen wir ihnen: Naming-Prozesse im Kontext der HR-Markenarbeit. In: Marco Esser/Bernhard Schelenz (Hg.): Erfolgsfaktor HR Brand. Den Personalbereich und seine Leistungen als Marke managen. Erlangen, 165–174. Hundt, Markus (2015): Sprache in der Wirtschaft. In: Felder/Gardt, 373–391. Kalwa, Nina (2013): Das Konzept „Islam“. Eine diskurslinguistische Untersuchung. Berlin/Boston. Kant, Immanuel (1783): Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. Riga. Keller, Reiner (2011): Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. 3. Aufl. Wiesbaden. Kleiber, Georges (1998): Prototypensemantik. Eine Einführung. 2., überarb. Aufl. Tübingen. Knoblauch, Hubert (2014): Wissenssoziologie. 3., überarb. Aufl. Konstanz. Köller, Wilhelm (2004): Perspektivität und Sprache. Zur Struktur von Objektivierungsformen in Bildern, im Denken und in der Sprache. Berlin/New York. Köller, Wilhelm (2006): Narrative Formen der Sprachreflexion: Interpretationen zu Geschichten über Sprache von der Antike bis zur Gegenwart. Berlin/New York. Köller, Wilhelm (2012): Sinnbilder für Sprache. Metaphorische Alternativen zur begrifflichen Erschließung von Sprache. Berlin/New York. Lakoff, George/Mark Johnson (1980): Metaphors we live by. Chicago u. a. Lies, Jan (2015): Harte und weiche Faktoren. In: Gabler Wirtschaftslexikon. http://wirtschaftslexikon. gabler.de/Archiv/569792/harte-und-weiche-faktoren-v8.html (Zugriff am 02.02.2015). Lohnstein, Horst (2011): Formale Semantik und natürliche Sprache. 2., durchges. und erw. Aufl. Berlin/New York. Mangasser-Wahl, Martina (2000): Prototypentheorie in der Linguistik. Anwendungsbeispiele, Methodenreflexion, Perspektiven. Tübingen. Schützeichel, Rainer (Hg.) (2007): Handbuch Wissenssoziologie und Wissensforschung. Konstanz. Steger, Hugo (1988): Erscheinungsformen des Deutschen. „Alltagssprache“ – „Fachsprache“ – „Standardsprache“ – „Dialekt“ und andere Gliederungstermini. In: Deutsche Sprache 16, 289–319. Spitzmüller, Jürgen/Ingo H. Warnke (2011): Diskurslinguistik. Eine Einführung in Theorien und Methoden der transtextuellen Sprachanalyse. Berlin/New York. Ziem, Alexander (2008): Frames und sprachliches Wissen. Kognitive Aspekte der semantischen Kompetenz. Berlin/New York.

I Grundlagen der Unternehmenskommunikation

Claudia Mast

1. Was ist Unternehmenskommunikation? Abstract: Unternehmen ringen um Vertrauen und Reputation in der Öffentlichkeit, auf den Märkten und bei den Zielgruppen. Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick über theoretische Ansätze der Unternehmenskommunikation und zeigt Wege eines strategischen Managements verantwortlicher Kommunikationsbeziehungen. Im Mittelpunkt stehen das wertorientierte Kommunikationsmanagement und seine Umsetzung. 1 Unternehmen als soziale Netzwerke 2 Allgemeine theoretische Herangehensweisen 3 Image, Reputation und Marken als Steuerungsgrößen 4 Werte als Orientierungssysteme in der Kommunikation 5 Neuere content-orientierte Ansätze 6 Herausforderungen für Theorie und Praxis 7 Literatur

1 Unternehmen als soziale Netzwerke Neue Kommunikationsformen, sinkende Vertrauenswerte und zunehmende Akzeptanzprobleme  – das politische und soziale Umfeld der Unternehmen ändert sich schnell, zum Teil schneller als es viele Manager wahrhaben wollen. Sie sind vollauf beschäftigt, ihre Ziele trotz des Wandels der Organisationen mit den jeweiligen internen und externen Zielgruppen zu erreichen. Wenn man einmal von den konkreten Einzelaufgaben und Situationen in der Unternehmenspraxis abstrahiert, wie kann man sich Unternehmen als soziale Gebilde überhaupt vorstellen? Unternehmen sind Organisationen, die Menschen schaffen, um ganz bestimmte Probleme zu lösen oder Bedürfnisse aller Art zu befriedigen. Unternehmen basieren also auf Kommunikation. Sie sind zunächst beobachtbare Netze von Interaktionen, die geplant, regelmäßig und systematisch zwischen Menschen ablaufen, z. B. zwischen Mitarbeitern, Führungskräften, Kunden, Lieferanten u. a. (Mast 2015, 3 f.) Unternehmen verfolgen Ziele, die als Ergebnis der Kommunikation erwartet werden, z. B. Produkte herstellen, Dienstleistungen anbieten oder soziale Aufgaben wie Pflege übernehmen. Unternehmen haben Mitglieder, z. B. Mitarbeiter und Manager, die die Kommunikationsnetze kennen, sie nutzen und weiterentwickeln. Auch Außenstehende, z. B. Kunden oder Bürger in der Nachbarschaft, nehmen diese Unternehmen wahr, nicht nur über deren Namen oder Gebäude, sondern auch über Kommunikationsmaßnahmen (Werbung, Public Relations u. a.) und Repräsentanten

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(Akteure). Darüber hinaus haben Unternehmen Strukturen, die das Grundgerüst bzw. den Rahmen bilden, in dem Kommunikationsprozesse ablaufen. Diese Strukturen können mehr oder weniger hierarchisch, differenziert oder formalisiert ausgeprägt sein. Strukturen sind vorgegebene Handlungsmuster für Kommunikationssituationen aller Art. Unternehmen haben eine Identität, verfolgen Werte und bilden eine Kultur aus, d. h. sie legen fest, wie sie sich selbst sehen, welchen Zielen, Normen und Regeln sie folgen und welche Verhaltensmuster erwartet und praktiziert werden. Und sie haben eine Sprache, wie sie ihre Themen und Botschaften formulieren und kommunizieren. Alle diese Merkmale von Unternehmen bilden sich in langen Entscheidungsprozessen heraus. Sie sind das Ergebnis von Kommunikationsprozessen und beeinflussen künftige Kommunikationsmuster. Kommunikationswissenschaftlich betrachtet sind Unternehmen soziale Gebilde, deren Kommunikationsbeziehungen zwar auf Dauer angelegt sind, aber dennoch einem kontinuierlichen Wandel unterliegen. Kommunikation bezeichnet dabei einen Prozess, in dem zwei oder mehrere Menschen sich gegenseitig wahrnehmen und Aussagen, Botschaften und Gefühle austauschen, indem sie sich verbaler und nonverbaler Mittel bedienen und ggf. Medien benutzen. Auch wenn sie nicht kommunizieren, sagen sie mit dieser Haltung etwas aus (Watzlawick/Beavin Bavelas/Jackson 2011). Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Unternehmen (Profit-Unternehmen), die auf eine Gewinnerzielung ausgelegt sind (z. B. Industrie, Banken, Versicherungen und andere Branchen) und solchen, die kulturelle oder soziale Ziele verfolgen (z. B. Theater, Verbände, Wohlfahrtsorganisationen) (Non-Profit-Unternehmen). Welchen Unternehmenstyp man auch immer im Auge hat  – Kommunikationsprozesse bilden die Grundlage für das Funktionieren jedes Unternehmens, vor allem für dessen Management- und Entscheidungsprozesse. Die Kommunikationsprozesse, die in und mit Unternehmen stattfinden, nennt man Unternehmenskommunikation. Der Begriff ist weiter gefasst als die Bezeichnung Public Relations. Der amerikanische PR-Forscher James E. Grunig versteht unter PR „the management of communication between an organization and its publics“ (Grunig/Hunt 1984, 8). Dieses Verständnis von PR, das bis heute die Forschung maßgeblich prägt, konzentriert sich auf die Managementperspektive von Unternehmenskommunikation, also auf die Frage: Wie kann Kommunikation bewusst gestaltet und beeinflusst werden? Dabei werden allgemeine Kommunikationsabläufe innerhalb und außerhalb von Unternehmen sowie informelle Kommunikation (Bolte/Porschen 2006), die Sonderformen wie Gerüchte (DiFonzo/Bordia 2007), die Orientierung und Sozialisation der Mitarbeiter und Führungskräfte (Huck-Sandhu 2010) oder die komplexen Kommunikationsabläufe bei der Erarbeitung von Entscheidungen, Kompromissen, Konsensbildung oder gar Konflikten kaum berücksichtigt. Hier hat die Forschung zur Organisationskommunikation (Jablin/Putnam 2004, Theis-Berglmair 2003) wertvolle Impulse geliefert. Unternehmen sind unter dieser Perspektive Organisationen, die als

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soziale Gebilde dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden sollen. (Kieser/Walgenbach 2010, 6)

Dies bedeutet, dass die strategische Planung und Steuerung von Kommunikationsprozessen innerhalb und außerhalb des Unternehmens die vom Management festgelegten Ziele umfassend begleiten und unterstützen wollen. Die Unternehmenskommunikation (Corporate Communications) erfüllt somit Managementaufgaben.

2 Allgemeine theoretische Herangehensweisen Die Theorieentwicklung auf dem Feld der Unternehmenskommunikation oder – enger gefasst  – speziell der Public Relations hat in Deutschland noch eine relativ junge Geschichte. Die kommunikationswissenschaftlich orientierte PR-Forschung gewann vor allem in den 1990er Jahren an Bedeutung. In den USA hatte sich schon wesentlich früher eine organisationstheoretisch orientierte PR-Forschung etabliert, die durch James E. Grunig und seine Forschungskollegen bekannt wurde (Grunig/Hunt 1984). Hinzu kommt die lange Tradition der anglo-amerikanischen Organisations(Kommunikations-)Forschung, die in enger Anlehnung an die Organisationstheorie und die Wirtschaftswissenschaft über Jahrzehnte intensiv betrieben wurde. Daher sind heute für die Bestimmung und Analyse von Unternehmenskommunikation vor allem die mesotheoretischen Ansätze der organisationsbezogenen PR (Zerfaß/Piwinger 2014) sowie des Marketings (Bruhn/Esch/Langner 2009) interessant, wobei hier auch Sichtweisen auf der Mikroebene (Röttger 2010) und der Makroebene (Ronneberger/Rühl 1992) wichtige Impulse liefern können. In der Unternehmenskommunikation können  – wie in anderen Forschungsfel­ dern auch – die zentralen Perspektiven der mikro-, meso- und makrotheoretischen­ Ansätze unterschieden werden (Mast 2015, 24 ff.). Mikrotheoretische Ansätze bewegen sich auf der Ebene der Individuen und Kleingruppen. Vor allem Pädagogik und Psychologie sowie Kommunikationspraktiker aus den Unternehmen haben hier wichtige Forschungsarbeit geleistet. Diese Ansätze wollen erklären, wie Menschen als Individuen durch entsprechende Kommunikation informiert, überzeugt oder gar überredet werden können. Makrotheoretische Ansätze behandeln speziell die Rolle und Funktion von Kommunikation bzw. PR für die Gesamtgesellschaft bzw. für demokratische Systeme. Sie basieren meist auf der Systemtheorie und fragen nach dem Beitrag von PR für die Existenz und Funktionsfähigkeit pluralistischer Gesellschaften. Mesotheoretische Ansätze fragen nach den Funktionen von Kommunikationsprozessen für Unternehmen und sind daher besonders einschlägig für die Unternehmenskommunikation. Speziell in Deutschland haben diese organisationstheoretischen Zugänge zur Unternehmenskommunikation eine besondere Tradition. Hinzu

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kommen zahlreiche Arbeiten, die sich an wirtschaftlichen Analysen des Marketings orientieren und Unternehmen aus der Perspektive des Marktes und der Kunden analysieren (Backhaus/Schneider 2009). Das Konzept der integrierten Unternehmenskommunikation (Zerfaß/Piwinger 2014, Kirchner 2003) versucht, die in Theorie und Praxis völlig verschiedenen Konzepte und Wissenschaftsdisziplinen zusammenzuführen und die Kommunikationsprozesse der Unternehmen so auszurichten, dass sie vom Menschen als Einheit empfunden und wahrgenommen werden.

3 Image, Reputation und Marken als Steuerungsgrößen Ob aus der Perspektive des Individuums (Mikroebene) oder der Organisation (Mesoebene) betrachtet  – Unternehmenskommunikation ist ein hoch komplexes Gebilde von Kommunikationsprozessen aller Art, die ineinander verschlungen sind und sich wechselseitig beeinflussen. Angesichts der großen Bedeutung von Kommunikation für die Existenz und Zielerreichung von Unternehmen hat sich in jüngerer Zeit die theoretische Perspektive des Kommunikationsmanagements in Theorie und Praxis durchgesetzt. Unter Kommunikationsmanagement versteht man das Management durch Kommunikation und das Management der Kommunikation. Es werden die Möglichkeiten und Grenzen verstanden, Kommunikationsstrategien zu planen bzw. umzusetzen und hierzu Handlungsstrukturen und -abläufe zu etablieren, die Kommunikationsprozesse prägen oder mitgestalten. (Mast 2015, 13)

Dreh- und Angelpunkte dieser theoretischen Zugänge sind Image, Reputation und Marken als Steuerungsgrößen der Meinungs- und Einstellungsbildung beim einzelnen Menschen, die es zu ‚managen‘ gilt. Bei diesen Begriffen handelt es sich um Konstrukte, die sich aus Kognitionen wie Wahrnehmungen, Einstellungen, Kenntnissen, Erfahrungen, Auffassungen, Glauben und Gefühlen zusammensetzen. Zu all diesen Konstrukten gibt es eine ausufernde Literatur. Wie zum Beispiel Herger (2006) zu Recht feststellt, ist Vertrauensbildung „in westlichen Gesellschaften grundlegend gefährdet, was dazu führt, dass Organisationen in ihrem Entscheidungshandeln an die Grenzen ihrer Verarbeitungskapazität stoßen“ (ebd., 26). In einer solchen Situation können komplexitätsreduzierende Konstrukte wie Identität, Image, Reputation und Marke dazu beitragen, Vertrauen zu verankern und zu steuern (ebd., 40 ff.). Sie dienen der Orientierung der Menschen. Der Begriff Image ist in der Unternehmenskommunikation eine solche Steuerungsgröße. Herger (ebd., 162) betrachtet das Konstrukt Image systemtheoretisch und hebt daher folgende Aspekte hervor: Ein Image ist in seinen Augen ein komplexes, mehrdimensionales, strukturiertes System. Es bildet eine Ganzheit und enthält

Was ist Unternehmenskommunikation? 

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objektive, aber auch subjektive, richtige oder falsche Vorstellungen, Einstellungen und Erfahrungen. Es entwickelt sich anfänglich dynamisch, verfestigt sich mit der Zeit, bleibt jedoch prinzipiell korrigierbar. Das Image erleichtert Orientierung und reduziert Unsicherheit. Es ist kommunizierbar und empirisch ermittelbar. Im sozialen Umfeld wirkt es meinungs-, verhaltens- und handlungsbestimmend. Image bezeichnet also das zumeist stark vereinfachte, typisierte und mit Erwartungen und Wertvorstellungen verbundene Vorstellungsbild über einen Sachverhalt, eine Person oder ein Unternehmen. Das Image ist wie ein Schatten. Man hat es, ob man will oder nicht. Man kann es nicht abstreifen, aber es kann durch eigenes Verhalten gründlich geändert werden. Während der Schatten jedoch jede Bewegung mitmacht, kann sich das Image verselbstständigen und fremden Einflüssen gehorchen. Dieser bildhafte Vergleich zeigt, wie komplex das Image als theoretisches Konstrukt ist (Buß/Fink-Heuberger 2000). Die Identität beschreibt das Selbstverständnis eines Unternehmens. Sie bildet die Basis für die Kommunikationsabläufe des Unternehmens. Die sog. Corporate Identity (CI) zeigt sich in visuellen Manifestationen der Unternehmensrealität, z. B. Logos, Gebäuden, Produkten, Personen und deren Verhaltensweisen, Kommunikationsprozessen und dem Erscheinungsbild. Beides zusammen, Image und Identität, fließt ein in die Reputation, die ein Unternehmen beim einzelnen Menschen oder ganzen Gruppen genießt. Der Begriff Reputation ist ebenso schillernd wie Public Relations oder Unternehmenskommunikation. Definiert wird Reputation als „[…] the assessments that multiple stakeholders make about the company’s ability to fulfill their expectations“ (Fombrun/van Riel 2008, 4). Zum Vergleich: Image ist das spontane, intuitive Bild eines Unternehmens bei einzelnen Zielgruppen, während die Reputation eine meist langfristig orientierte, aggregierte Bewertung von Unternehmenseigenschaften und -handlungen in der Öffentlichkeit darstellt. Aufgrund der hohen Komplexität eines Images und aufgrund der Tatsache, dass sie sich nur langsam wandeln (Ausnahmen bilden häufig Krisensituationen), ist die Veränderung einmal geprägter ‚Bilder‘ ausgesprochen schwierig und langwierig. Images neigen dazu, sich zu ‚verfestigen‘, so dass der Aufwand zur Korrektur sehr hoch sein kann. Geplante Kommunikationsmaßnahmen von Unternehmen setzen daher so früh wie möglich an, wenn der Handlungsspielraum noch groß ist. Reputationen sind weit stabiler als Images. Sie basieren auf der Summe aller Erfahrungen im Zeitverlauf. Nahezu inflationär wird das Wort Marke verwendet, um ebenfalls eine bestimmte Einstellung von Personen zu Produkten oder Unternehmen zu umschreiben. Kirchner (2003, 66) versteht unter Marke „die Gesamtheit der Vorstellungen und Assoziationen, die Kunden über ein Produkt bzw. ein Unternehmen gespeichert haben“. Herger (2006, 48) stellt fest: „Marken […] dienen einzig der Reduktion von Umweltkomplexität und folglich der Stabilisierung von Erwartungen etwa in ein Leistungsversprechen.“

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Für das Kommunikationsmanagement eines Unternehmens ist es wichtig, zu wissen, wie Menschen oder Gruppen ein Image entwickeln. Images entstehen durch personale und mediale Kommunikationsakte und können sich in Kommunikationsprozessen ändern. Die Inhalte eines Images sind sowohl rationaler als auch emotionaler und sozialer Natur. Einerseits handelt es sich um Kenntnisse, Erfahrungen und Wahrnehmungen, die sich eher auf die objektive Beschaffenheit des Imageobjekts beziehen (kognitive Komponente), andererseits um Wertungen, Vorurteile, Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen, Vorbehalte, Befürchtungen, Empfindungen, Stimmungen, Gefühle, Sympathien und Antipathien, also um Inhalte vorwiegend emotionalen Ursprungs (affektive Komponente). Darüber hinaus wirken die Gesellschaftsform des Unternehmens (z. B. als börsennotierte Aktiengesellschaft), die persönliche Umgebung und bestehende Tabus auf das Image ein (soziale Komponente). Je mehr Informationen dem Individuum über ein Thema der Unternehmenskommunikation zur Verfügung stehen, desto breiter und zuverlässiger kann sich das Image ausformen, desto besser können psychologische und gegenständliche Realität in Einklang gebracht werden. Je ferner das Thema dem Individuum ist, desto größer ist die Gefahr einer simplifizierten, stereotypen und instabilen Imagebildung. Immer aber stellen Images subjektive Vorstellungsbilder dar, die mehr oder weniger stark von den objektiven Gegebenheiten abweichen können.

4 Werte als Orientierungssysteme in der Kommunikation Werte steuern menschliches Verhalten und dienen daher für alle Kommunikationspartner in der Unternehmenskommunikation als Orientierungssysteme. Werte verkörpern in der sozialwissenschaftlichen Perspektive der Unternehmenskommunikation implizite oder explizite Auffassungen, die z. B. ein Individuum, eine Gruppe oder ein Unternehmen als wünschenswert oder erstrebenswert ansehen. Werte beeinflussen daher im Unternehmensgeschehen die Wahl möglicher Verhaltensweisen. Sie prägen auch die Wahrnehmung des Unternehmens und seiner Umwelt. Daher haben sie sich in den letzten Jahren zum zentralen Orientierungssystem für das Management von Unternehmenskommunikation entwickelt (Mast 2015, 67 ff.). Eine Umfrage unter den TOP-500-Unternehmen in Deutschland belegt die Blitzkarriere, die dieses Verständnis von Corporate Communications in der Praxis machte (Mast 2011). Werte fungieren  – abgeleitet aus der Identität der Unternehmen  – als Antwort auf die zunehmende Komplexität und Volatilität der Unternehmensumfelder. Wie können Organisationen durch bewusste Gestaltung der Kommunikationsabläufe einen wichtigen und messbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg erbringen, andererseits aber trotz überbordender Informationsangebote die Aufmerksamkeitsschwelle zu den Zielgruppen überwinden und dort auf positive Resonanz stoßen?

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Die wertorientierten Ansätze in der Unternehmenskommunikation lenken die Aufmerksamkeit auf die Frage, auf welche Art die Kommunikation zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen kann. Der entscheidende Punkt dabei ist, das gesamte Management des Kommunikationsprozesses auf die materiellen und immateriellen Werte eines Unternehmens auszurichten. Werte bilden dann die Leitplanken für die praktische Kommunikationsarbeit. Sie beinhalten eine Zieldimension (als erstrebenswerte Zustände) und eine Handlungsdimension (als generalisierte Verhaltensstandards). Daher eignen sie sich besonders für das systematische Management der Unternehmenskommunikation. Wertorientierte Ansätze in der Unternehmenskommunikation suchen nach Wegen, wie das Kommunikationsmanagement eines Unternehmens mit dessen Strategie verbunden werden kann. Zerfaß (2014, 26 ff.) schlägt folgende Felder vor, in denen der Beitrag der Kommunikation zur Wertschöpfung bestimmt wird: – die laufende Leistungserstellung unterstützen und somit zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beitragen, – immaterielles Kapital bzw. Erfolgspotenziale aufbauen, indem z. B. Marken konsequent in der internen und externen Kommunikation vermittelt werden sowie die gesellschaftspolitische Reputation eines Unternehmens stärken, – Wettbewerbsvorteile, Rentabilität und Liquidität schaffen (ökonomische Dimension) und nicht zuletzt – die sog. „licence to operate“ sichern, d. h. die Legitimität des Unternehmens als Teil der Gesellschaft erhalten. Unternehmenskommunikation als Ganzes hat in diesem Konzept eine Doppelfunktion: Zum einen unterstützt sie als „enabling function“ das laufende Geschäft des Unternehmens und trägt dazu bei, dass die Werte der Angebote als Produkte und Dienstleistungen zur Geltung kommen (Mast/Huck/Güller 2005). Zum anderen fördert sie nachhaltige Erfolgspotenziale wie Reputation, Vertrauen und Glaubwürdigkeit oder eine innovative Unternehmenskultur. Das sind immaterielle Werte. Zerfaß (2014, 30) betont: „Damit wird ein Reservoir kommunikativer Werte geschaffen, von dem man langfristig zehren kann.“ Werte spielen für die Kommunikation eines Unternehmens eine mehrfache Rolle, die in einem magischen Dreieck ineinander greifen (vgl. Abb. 1).

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Akteure: Werte als gemeinsame Verpflichtung aller Beteiligten

Zielgruppen: Wertorientierte Wahrnehmung von „Realität“ steuert Verhalten

Werte schaffen durch Kommunikation

Ergebnis: Werte erzeugen Wettbewerbsvorteile

Abb. 1: Wertorientierte Unternehmenskommunikation

– Werte des Unternehmens, d. h. die klare Formulierung dessen, was eine Firma anstrebt (z. B. Dezentralität oder Kostenbewusstsein) oder als wünschenswerte Verhaltensweisen (z. B. Eigeninitiative oder Qualitätsführerschaft) ansieht, dienen als Orientierungsmarken für Mitarbeiter ebenso wie für externe Zielgruppen (Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber, Medien u. a.). Hierzu bedarf es einer offensiven internen und externen Kommunikation solcher Werte. Sie haben also Zielqualität für erwünschtes Verhalten und stellen eine gemeinsame Verpflichtung aller Beteiligten dar. – Die Bedeutung von Image, Reputation und Marken hingegen weist auf einen weiteren Aspekt dieser Werte hin. Sie beeinflussen die Wahl möglicher Verhaltensweisen, Handlungsoptionen und -alternativen, d. h. sie haben wichtige Steuerungsfunktionen für das praktische Verhalten bei den Zielgruppen. Wenn Produkte sich in den Augen der Kunden kaum noch unterscheiden, wird die Firma bevorzugt, die man kennt oder deren Image positiv ist. – Werte entstehen durch Kommunikation, d. h. sie sind auch ein Ergebnis von Kommunikationsprozessen. Dann sorgen sie dafür, dass Geschäftsstrategien nicht nur beschlossen, sondern auch effizient umgesetzt werden. Viele ChangeProjekte scheitern nicht zuletzt deshalb, weil deren Notwendigkeit, Nutzen und Auswirkungen von den Führungskräften in den Unternehmen nicht überzeugend und klar kommuniziert werden. Um Projekte erfolgreich umzusetzen und Innovationen zu schaffen, müssen Mitarbeiter verstehen, welche Strategien und Ziele die Firma verfolgt, wie das Umfeld (z. B. Markt, Wettbewerber, Technologien) aussieht und welche Gründe bzw. Zusammenhänge hinter den Entwicklungen stehen.

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In der Unternehmensführung wie auch in der Unternehmenskommunikation hat sich die Wertorientierung heute weitgehend durchgesetzt. Alle Bereiche eines Unternehmens – auch und in erster Linie die Kommunikation – sollen auf die Steigerung des Unternehmenswertes ausgerichtet werden. Das wertorientierte Kommunikationsmanagement lässt sich in mehrere Phasen einteilen (vgl. Abb. 2). Die Grundlage bildet das manifestierte Selbstverständnis eines Unternehmens, seine Corporate Identity. Diese Identität hat einen unveränderlichen Kern und Werte, die sich langfristig durchaus ändern können. Sie werden jedoch im Alltag spürbar, wenn z. B. über die Ziele und Strategien eines Unternehmens gesprochen oder über Umstrukturierungen diskutiert wird.

1. Werte sichtbar machen und formulieren

2. Verknüpfung der Kommunikation mit der Geschäftspolitik

Visionen Leitbilder Regeln

Strategien und Ziele des Unternehmens als Vorgaben für die Kommunikation

3. Werte in Kommunikation umsetzen

One Voice Policy Themenschwerpunkte Kampagnen

4. Werte als Ergebnisse nachweisen

Output der Kommunikation, Einstellungs- und Verhaltensänderungen, ökonomische Effekte

Abb. 2: Phasen der wertorientierten Unternehmenskommunikation

Werte vermitteln Identität, vor allem wenn sie die Wünsche und Erwartungen der Zielgruppen einbeziehen. Werte müssen aber gelebt und kommuniziert werden. Sie geben Sicherheit und Orientierung, wenn z. B. über folgende Fragen diskutiert wird: – Wie sehen wir uns? Welche Rolle spielt z. B. für uns der Wert Innovation? Wie verhalten wir uns, wenn zwischen den Werten Innovation und Tradition zu entscheiden ist? – Wie werden wir von anderen gesehen? Welche Werte nehmen sie wahr? Glauben sie uns z. B., dass wir den Wert gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen? – Wie wollen wir von anderen gesehen werden? Was erwartet ein Unternehmen von seinen Zielgruppen? Sind diese Erwartungen realistisch?

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Phase 1 – Werte sichtbar machen: Werte sind zur Reduzierung von Komplexität für die Profis der Kommunikationsabteilungen wie auch für die Mitarbeiter und andere Zielgruppen wichtig. In der Regel sind dies Visionen, d. h. Ziele, zu denen man den Weg noch nicht kennt. Visionen sind – genau genommen – attraktive, qualitative Zielvorstellungen, z. B. „Siemens, Global network of innovation“. Daraus leitet der Konzern sein Unternehmensziel ab: „Weltweit führend in Elektrotechnik und Elektronik bei hoher Profitabilität.“ Unternehmensleitbilder (mission) sind meist griffig formuliert und legen ebenfalls qualitative Ziele fest, was man will und was man nicht will. Sie fokussieren die Unternehmensziele auf einfache, plakative Vorstellungen von der ‚richtigen Richtung‘. Sie beinhalten häufig einige Werte im Sinne von erwünschten Verhaltensweisen, auf die es dem Unternehmen besonders ankommt. Das Leitbild enthält z. B. bei Siemens folgenden Wert: „Wir machen unsere Kunden stark – und verschaffen ihnen Vorteile im Wettbewerb.“ Manche Unternehmen gehen noch weiter und formulieren Grundsätze und Regeln, die Aussagen machen über den Umgang mit Menschen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Auch diese Leitlinien und Prinzipien müssen kommunikativ in die Welt der Zielgruppen übersetzt werden. Beispiele sind Grundsätze für die Führungskräftekommunikation oder Corporate Communications, z. B. für die Medienberichterstattung („Never pay for coverage!“), für die interne Kommunikation („Stelle sicher, dass offene Worte nicht auf Widerstand stoßen!“) oder für die Krisenkommunikation („Lasse keine Fragen unbeantwortet!“). Ein weiteres Beispiel sind ComplianceRegeln, also ein Code of Conduct mit entsprechender Kommunikation oder die Guidelines für Social Media. Phase 2 – Verknüpfung der Kommunikations- mit der Geschäftspolitik: Die Unternehmensführungen erwarten, dass das Kommunikationsmanagement nicht nur klar auf die Strategien und Ziele sowie die Werte ausgerichtet, sondern auch darüber hinaus an die anderen Geschäftsgebiete ‚anschlussfähig‘ ist, d. h. eine vergleichbare Sprache, Berichtswesen etc. benutzt. Eine weitere Etappe des wertorientierten Kommunikationsmanagements ist daher die konsequente Ausrichtung in allen Phasen auf die aktuellen Vorgaben der Unternehmensstrategie. Wertorientierte Leitbilder werden schriftlich formuliert und definieren, wo ein Unternehmen den Schwerpunkt seiner Aktivitäten und Verhaltensweisen sieht. In einem Beispiel für ein wertorientiertes Leitbild heißt es auszugsweise: „We never stop thinking. We act entrepreneurially for the sake of our customers. We strive for excellence in people & leadership. We win together.“ Unternehmen gehen immer häufiger dazu über, solche Werte schriftlich festzuhalten. Sie helfen ihnen bei der Prioritätensetzung, verdeutlichen die gemeinsame Zielsetzung, optimieren Entscheidungen und Prozesse und unterstützen die Schaffung einer motivierenden Arbeitsumgebung.

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Phase 3 – Werte konsequent kommunizieren: Die nächste Phase besteht in einer offensiven Kommunikation dieser Werte zu den Zielgruppen, um Image, Reputation oder Marken aufzubauen. Schwerpunktthemen für die internen und externen Medien werden für Quartale, Halbjahre und Jahre geplant sowie mit entsprechenden Abstimmungsinstrumenten (z. B. Redaktionskonferenz, Telefonkonferenz) im wöchentlichen und monatlichen Rhythmus zwischen allen, die für die interne und externe Kommunikation verantwortlich sind, einvernehmlich festgelegt. Ziel ist eine „One Voice Policy“, d. h. eine Homogenisierung der Kommunikationsinhalte aller Bereiche des Unternehmens. Damit wird angestrebt, dass Mitarbeiter oder Kunden  – aus welcher Quelle sie sich auch immer informieren  – gleiche oder zumindest ähnliche Aussagen zu den angestrebten Werten bekommen. Das ist auch die Grundvoraussetzung für die Glaubwürdigkeit von Inhalten. Je schwieriger die geschäftliche Lage wird, desto fragiler ist der Faktor Glaubwürdigkeit im Sinne von Übereinstimmung von Reden und Tun aller Beteiligten mit Blick auf die Werte. Auch geringste Ungereimtheiten erzeugen bei Mitarbeitern und Kunden bereits große Wirkungen. Phase 4 – Werte als Kommunikationsergebnisse nachweisen: Was ist Unternehmenskommunikation wert? Das kommt darauf an, welche Effekte erwartet und welche Ziele angestrebt werden. Grundsätzlich können vier Ebenen unterschieden werden (Mast 2015, 140; Pfannenberg/Zerfaß 2010). Auf der ersten Ebene (Output) geht es darum, welche Kommunikationsprodukte einer Zielgruppe überhaupt angeboten werden (z. B. Zahl der Publikationen, Events, versendete Pressemitteilungen). Auf einer zweiten Ebene wird dann analysiert, ob die Kommunikationsangebote überhaupt die Zielgruppe erreicht haben und ob die Menschen sie wahrgenommen bzw. verstanden haben (Outgrowth). Darauf aufbauend wird in der dritten Ebene untersucht, ob bei der Zielgruppe konkrete Einstellungs- und Verhaltensänderungen stattfanden (Outcome). Hat sich z. B. das Image geändert? Ist die Akzeptanz größer geworden? Konnten kritische Einstellungen abgebaut werden? Auf der vierten und letzten Ebene der Erfolgskontrolle von Unternehmenskommunikation geht es um betriebswirtschaftliche Effekte von Kommunikation. Hier wird gefragt, welchen finanziellen Beitrag die Kommunikation für das Unternehmen erzielen konnte, z. B. Gewinnung von neuen Kunden oder von Fachkräften. Ob materielle oder immaterielle Werte, ob individuelle, organisationale oder gesellschaftliche Wertvorstellungen  – sie sind letztlich Orientierungsmarken, die menschliches Verhalten in und gegenüber Unternehmen beeinflussen. Dazu gehören das Verhalten der Mitarbeiter, der Kunden, Shareholder und anderer Zielgruppen ebenso wie das Verhalten des Managements oder der Kommunikationsbereiche selbst. Wenn es dem Kommunikationsmanagement gelingt, Verbindungen zwischen den Wertvorstellungen des Unternehmens und der Zielgruppen herzustellen sowie Inhalte zu kommunizieren, die in Bezug zu diesen Werten wahrgenommen werden, kann es einen aktiven Beitrag für die Wertschöpfung des Unternehmens leisten.

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Unternehmenswerte verbinden die Geschäfts- und die Kommunikationspolitik. Das Themenmanagement der Bereiche Corporate Communications bekommt durch sie einen langfristigen Orientierungsrahmen für Schwerpunktthemen und aktuelle Informationen gleichermaßen. Zielgruppen- und Themenplanung werden also mit den geschäftlichen Strategien und Herausforderungen koordiniert. Wahrgenommene Werte dienen den Rezipienten als Bewertungsgrundlage für Informationen und steuern deren Aufmerksamkeit. Seit Ausbruch der Wirtschaftskrise z. B. sind die gesellschaftliche Verantwortung und die Kommunikation von Corporate Social Responsibility (CSR) zum Top-Thema der Unternehmenskommunikation geworden. Die Menschen sind sensibler geworden gegenüber dem wertorientierten Handeln von Unternehmen – die Dauerkrise hat viel Vertrauen zerstört.

5 Neuere content-orientierte Ansätze Zahlreiche Krisen in Politik und Wirtschaft und die damit verbundenen Glaubwürdigkeits- und Imageverluste führen dazu, dass die Unternehmenskommunikation noch intensiver nach neuen Wegen der Kommunikation sucht. Das Mediensystem wird immer unübersichtlicher und schwer zu kalkulieren (Mast 2012a). Die Redaktionen gehen höchst unterschiedliche Wege in ihrem Kampf um Aufmerksamkeit. Die redaktionellen Strategien der medialen Publikumsansprache (Mast 2012a) und die Informationsüberflutung der Menschen machen es notwendig, über eine andere inhaltliche Aufbereitung der Unternehmenskommunikation nachzudenken. Die Orientierung an den Anforderungen der Zielgruppen ist nach wie vor zwingend erforderlich, aber nicht mehr ausreichend, um in der gegenwärtigen Situation Aufmerksamkeit zu finden. Neuere Ansätze der (Unternehmens-)Kommunikation setzen deshalb direkt bei den Empfindungen und Sinnbildern der Rezipienten an. Ausgangspunkt ist die Grundsatzfrage, wie Menschen ihre Umwelt erleben bzw. in welcher Form sie die Aspekte wahrnehmen, die für sie bedeutsam sind. Hier wollen die Unternehmen ansetzen, um mit ihren Aussagen und Botschaften durchzudringen. Die Menschen sind immer schwerer zu überzeugen. Ihre Ansprüche an die Kommunikation steigen, im Unternehmen und außerhalb. Content gilt daher als neue Währung in der Unternehmenskommunikation, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen. Genauer betrachtet gehen diese neueren Ansätze der Unternehmenskommunikation davon aus, dass die Inhalte der Kommunikation, nämlich was wie gesagt wird, wieder stärker beachtet werden, z. B. im sog. Content-Marketing (Löffler 2014). Der Begriff Content wird allerdings im Marketing vollkommen unbestimmt verwendet. Content ist mehr als ein Thema. Entscheidend sind die Perspektiven, wie Themen aufgegriffen werden und wie sie dramaturgisch und sprachlich aufbereitet werden. Denn Inhalte sind im strategischen Kommunikationsmanagement nur dann Erfolg versprechend, wenn die Zielgruppen sie wahrnehmen und  – vor

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allem – aufnehmen. Das gelingt meist besser mit aus Sicht der Zielgruppen nützlichen Inhalten, die ihnen helfen, ihren Alltag zu organisieren und sich zu orientieren, als mit positiv-werblichen Selbstdarstellungen und Präsentationen des Unternehmens und seiner Produkte (Mast 2013). Das Schlagwort „Content is king“ gilt also keineswegs generell, sondern es kommt auf die Art und den Blickwinkel der Inhalte sowie deren Gestaltung an (Mast 2015, 231 f.). Entscheidend für den Erfolg von Kommunikation ist also nicht nur, was die Unternehmen den Zielgruppen sagen, sondern auch in welcher Situation sie das tun und aus welcher Perspektive sie die Menschen ansprechen. Soll die ZielgruppenOrientierung Wirklichkeit werden, müssen Unternehmen die Aufmerksamkeit der Bürger mit passgenauen Themenausschnitten und -präsentationen wecken. Eine Übersicht über aktuelle content-orientierte Ansätze der Unternehmenskommunikation ist in Abbildung 3 dargestellt, auf welche im Folgenden näher eingegangen wird. Touchpoints

Framing

Storytelling

Wording

Interessen und Betroffenheit der Menschen

Rahmen, der die Inhalte in die Unternehmensziele einfügt

Auswahl, Reihung und Zuspitzung von Themen zu Erzählungen

Auswahl und Kreation von Wörtern als Bedeutungsträger

Abb. 3: Content-orientierte Ansätze der Unternehmenskommunikation

Erst einmal sind die so genannten Touchpoints zu nennen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Darunter versteht man die Stellen, an denen die Menschen mit einem Thema in Berührung kommen und die ihre Problemwahrnehmung prägen. Von diesen Touchpoints hängt es ab, ob sie sich den präsentierten Themen zuwenden und was Kommunikation bewirkt. Der Begriff Touchpoints kommt aus dem Marketing und wurde weiterentwickelt (Mast/Spachmann/Georg 2014). Er geht von den Interessen der Menschen und ihrer Betroffenheit bei Wirtschafts- bzw. Unternehmensthemen aus. Aus der Perspektive der Menschen, also aus ihrer Wahrnehmung, werden Berührungspunkte (Touchpoints) wichtig, um zu erfahren, für welche Inhalte sie überhaupt noch  – angesichts der Kommunikationsüberflutung  – Interesse haben und was sie berührt, d. h. womit sie sich beschäftigen wollen. Das Konzept beinhaltet Touchpoints und Themen als Dimensionen, an denen sich die Unternehmenskommunikation ausrichten kann. Dies ist ein neuer Ansatz der Unternehmenskommunikation. Es gibt drei grundlegende Berührungspunkte der Menschen mit Unternehmensthemen: – In der Medienberichterstattung ist das Interesse entscheidend, das die Menschen einzelnen Themen entgegenbringen. Diese Themeninteressen sind stark durch aktuelle Ereignisse, Entwicklungen und Diskussionen beeinflusst und können

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sich schnell ändern. Aktuelle Beispiele sind Kriege, Krisen, Naturkatastrophen u. a. – In speziellen Alltagssituationen kommt es auf das Maß an, in dem ein Problem den Einzelnen beschäftigt. Im Berufsalltag sind die Menschen zum Beispiel mit Herausforderungen konfrontiert, in denen sie selbst handeln können (individuelles Problem). Diese individuellen Touchpoints, die aus der Einbettung des Individuums in politische, ökonomische und soziale Strukturen gespeist werden, sind äußerst stabil. Aktuelle Beispiele für Themeninteressen mit individuellem Bezug sind Preise, Sparen, Geldwert, Zinsen oder Arbeitsmarkt. – Ökonomische Problemsituationen können aber auch Gruppen oder das ganze Unternehmen betreffen. Dann sind kollektive Problemlösungen gefragt (allgemeines Problem). Diese Touchpoints repräsentieren die – auch gefühlte – Unternehmensrelevanz von Themen und zeigen, welche Probleme die Menschen im Zusammenhang mit dem Unternehmen als Ganzes wahrnehmen. Aktuelle Beispiele sind Eurokrise, Energiewende, demographischer Wandel und Sicherheit der Sozialsysteme. Touchpoints beziehen sich also einerseits auf die klassische Medienkommunikation: Die Menschen greifen auf eine vorgegebene Themenagenda der unternehmensinternen und -externen Medien zu, aus der sie auswählen oder die sie ignorieren können. Andererseits prägen auch individuelle und gesellschaftliche Probleme die Touchpoints der Menschen zur Unternehmenskommunikation. In diesem Fall sind die Menschen direkt betroffen und bestimmen ihre eigene Themenagenda. Natürlich können sie sich auch aus den Medien über die Themen informieren. Voraussetzung dafür ist, dass die internen und externen Medien sie (angemessen) aufgreifen. Hinzu kommt: Die Menschen kommunizieren mit ihrem persönlichen Umfeld, und sie können sich via soziale Medien über diese Probleme mit anderen austauschen und vernetzen. Mit der Unterscheidung von Themen und Touchpoints können nun folgende Fragen unterschieden werden: Welche Zugänge zur Welt der Wirtschaft und der Unternehmen haben die Menschen? Wie stark sind sie von einzelnen ökonomischen Themen betroffen? Übertragen auf die Gestaltung der Unternehmenskommunikation z. B. einer Branche oder der gesamten Wirtschaft, insbesondere auf das Themenmanagement, bedeutet das: Es genügt nicht, die relevanten Themen zu identifizieren, um Menschen unter den heutigen Bedingungen der Mediengesellschaft anzusprechen. Um erfolgreich zu kommunizieren, müssen Unternehmen die Themen-Touchpoints aus der Perspektive der jeweiligen Zielgruppen berücksichtigen. Denn je nach Blickwinkel kommt einem Thema in den Köpfen der Mitarbeiter und Führungskräfte oder der Bürger unterschiedliche Bedeutung zu. Und diese kann sich je nach Situation und aktuellen Diskussionen im Unternehmen oder in der Öffentlichkeit ändern. Sind die Touchpoints, also die Zugänge der Menschen zu Themen, deren Blickwinkel und Betroffenheit gefunden, werden Unternehmen den Inhalten der Kommunikation einen Interpretationsrahmen geben, wie sie – meist aus der Management-

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perspektive heraus – das Thema interpretieren. Dies nennt man Framing (Scheufele 2003). Unter Framing versteht man ein immer wiederkehrendes Deutungsmuster, eine Art Interpretationsrahmen, der die persönliche Wahrnehmung und Themenverarbeitung des Publikums in bestimmte Richtungen lenkt. Der Framing-Ansatz in der Unternehmenskommunikation geht davon aus, dass die Unternehmenssprecher und -medien Themen mit solchen Frames versehen, um damit bestimmte Strukturierungsund Interpretationsleistungen bei den Menschen zu erzielen. Klassische Frames sind z. B. Konflikt, Moral, Fortschritt oder Wettbewerb. Solche Framing-Entscheidungen werden meist im Top-Management (zusammen mit dem Bereich Corporate Communications) getroffen. Sie legen die grundsätzliche, inhaltliche Herangehensweise eines Unternehmens fest. Die narrativen Ansätze der Unternehmenskommunikation betonen das jeweils spezielle Wie der Kommunikation. Daraus wurde das Konzept des Kommunikationsmodus entwickelt, der auf die Rezeption von Inhalten maßgeblichen Einfluss hat. Unter einem Kommunikationsmodus (Lünenborg 2005, 126, 159) versteht man einen grundsätzlichen Zugang zur Wirklichkeit bzw. eine spezifische Art und Weise der (journalistischen) Vermittlung von Content. Dieses Konzept lässt sich auf die Unternehmenskommunikation übertragen. Die wichtigsten Kommunikationsmodi sind (Mast 2012a, 218 f.): – Der informative Kommunikationsmodus („So ist es…“) fokussiert vor allem Ereignisfakten, Tatsachen sowie die daraus resultierenden Ergebnisse. Unternehmen legen Wert auf die sachliche, faktenorientierte Kommunikation. – Der erklärende bzw. argumentative Kommunikationsmodus („Es ist so, weil …“) zeichnet sich insbesondere durch die Präsentation der Logik, der Hintergründe sowie Rahmenbedingungen und -faktoren des Ereignisses aus. In diesen Konstellationen versuchen Unternehmen zu argumentieren, Hintergründe auszuleuchten, zu legitimieren, warum etwas so und nicht anders geschah. – Im narrativen Kommunikationsmodus („Erst ist dies geschehen, dann jenes …“) stehen vor allem der Verlauf des Ereignisses und die handelnden Akteure im Vordergrund. Diese Art der Kommunikation wurde im Storytelling-Ansatz verfeinert, der nachfolgend noch vorgestellt wird. – Der bewertende Kommunikationsmodus („Es ist gut/schlecht, dass es so ist …“) stellt vor allem Meinungen, Urteile, Wertungen und darauf aufbauend Einschätzungen bzw. Empfehlungen in den Vordergrund. Hier geben die Unternehmen meist klare Vorgaben, die sie mit ihren Führungskräften und Mitarbeitern erarbeitet haben. – Im diskursiven Kommunikationsmodus („A streitet sich mit B, ob es wirklich so ist…“) überwiegen Szenarien, in denen Interaktionen stattfinden. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf den Aktivitäten und Äußerungen der Akteure, die innerhalb eines festgelegten Rahmens handeln. Solche diskursiven Elemente werden in der Unternehmenskommunikation in Form von Interaktionen häufig einge-

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setzt. Streit hingegen wird selten oder zumindest nicht bewusst geplant. Wenn er auftritt, wird er in ein Kommunikationsgeflecht eingebunden mit dem Ziel einer Entscheidungsfindung oder eines Konsens. Der narrative Ansatz, speziell das Storytelling, argumentiert, dass Geschichten sich hervorragend eignen, um komplexe Vorgänge einfach zu erklären, banale Fakten spannend zu gestalten und Emotionen zu transportieren. Geschichten werden immer häufiger in der Unternehmenskommunikation eingesetzt, insbesondere wenn es darum geht, das Image und den Bekanntheitsgrad von Organisationen, Produkten oder Personen zu verbessern. So ist das Bild des grünen Schlauchbootes auf stürmischer See auf dem Weg zum havarierten Öltanker ein etabliertes Beispiel von Sinnvermittlung: die Geschichte des David gegen Goliath, erzählt von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die Kommunikation von Geschichten in der Unternehmenskommunikation erfüllt mehrere Funktionen. Zum einen fördern Storys ein gemeinsames Verständnis durch den Einsatz von Handlungsschemata, Symbolen und Charakteren, die jeder kennt. Zum anderen ist durch Geschichten ein Wissenstransfer möglich, der an bestehende Erfahrungen der Menschen anknüpft und diese mit der Erfahrungswelt des Unternehmens verbindet. Der Vorteil des Storytellings – und daran setzt die narrative Perspektive an – ist ihre enorme Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit. So können Geschichten ebenso gut für Unternehmen wie für Persönlichkeiten oder Erfindungen verwendet werden. Auch Prozesse und Strukturen lassen sich durch Geschichten darstellen. Über die Komplexitätsreduktion hinaus setzen Storys einen spielerischen und leicht merkbaren Rahmen und fördern die Erinnerungsleistung. Dies führt in der Regel zu einem höheren Bekanntheitswert und  – je nach Story  – auch zu einem positiven Image. Zudem kann eine gute Geschichte die Legitimationsgrundlage für die soziale, politische und kulturelle Ordnung eines Unternehmens bieten. Für die Mitarbeiter und Führungskräfte eines Unternehmens schaffen Storys zudem einen gemeinsamen Bezugsrahmen, der die Identifikation und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt. Dies trägt nicht zuletzt zu einer höheren Motivation der Belegschaft sowie zu einer höheren Arbeitsleistung bei (Loebbert 2008). Geschichten stiften eben den Sinnzusammenhang menschlichen Handelns und des Handelns von Unternehmen. Menschen entnehmen den Sinn für ihr Handeln aus solchen Geschichten, die diese wichtigen Kontextinformationen transportieren. Narratives Kommunikationsmanagement, das dies leistet, orientiert sich nach Loebbert (2008) an folgenden Grundsätzen: – Vorrang des narrativen Denkens: Menschen erleben ihre Umwelt subjektiv und nehmen das Erlebte in Form einer Erzählung auf. Möchte man seine Zielgruppen erreichen, muss das narrative Denken die Grundlage jeder Konzeption und Strategie in der Unternehmenskommunikation sein.

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– Narratives Denken als Abfolge von Handlungen: Erleben erfolgt in Handlungssequenzen, die dem Ablauf von Geschichten ähneln, d. h. dass die Wahrnehmung eines einzelnen Aspektes stets im Kontext eines übergeordneten Ereignisses geschieht. – Handlungsgestaltung als narrative Sequenz: Einzelne Bestandteile des Erlebten werden im Gesamtzusammenhang interpretiert. Deshalb müssen einzelne Maßnahmen stets an die übergeordnete Unternehmensgeschichte andocken und dürfen nicht lose im Raum stehen. – Dramatische Form der narrativen Sequenz: Der narrative Ansatz geht von der Annahme aus, dass Menschen einen Drang zum Dramatischen haben, wenn es darum geht, ihre Umwelt bewusst zu erleben. Das eigene Handeln ist also in dramatischen Akten organisiert, Handlungen haben einen Anfang und ein Ende sowie z. T. konkurrierende Akteure bzw. gegensätzliche Interessen. Je mehr derartige Spannung ein Unternehmen bietet, umso attraktiver wird es für sein Publikum. – Narrative Einheit: Menschen passen sowohl die Geschichten ihrer Umwelt an als auch ihre Umwelt den Geschichten, die sie gerade erzählen. Das bedeutet, dass Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen auch danach ausgesucht werden, ob die erzählte Geschichte zu den eigenen Vorstellungen passt. – Narrative Suche nach dem guten Leben: Aus einer philosophischen Perspektive argumentiert der narrative Ansatz, dass sich Menschen stets als Hauptakteure ihrer eigenen Lebensgeschichte betrachten und daher auf der Suche nach einem Happy End sind. – Einbettung des Storytellings in das Unternehmen: Das Unternehmen als Kontext des Erlebens und Handelns seiner Mitarbeiter und Führungskräfte bietet den Sinn für die erzählten Geschichten. Hauptaufgabe des Unternehmens ist es somit, diesen Kontext für die Storys mit Sinn zu füllen und ihm eine Zieldimension zu geben. Geschichten können auf unterschiedlichen Ebenen der Unternehmenskommunikation eingesetzt werden. Narrative Ansätze sind sowohl für die Formulierung der übergeordneten Strategie als auch für operative Maßnahmen und Instrumente geeignet. Sie können in unterschiedlichen Anwendungsfeldern eingesetzt werden. In der Führungskräftekommunikation wird Storytelling vor allem dazu verwendet, bestimmte Verhaltensweisen zu stärken oder hervorzurufen. Auch das eigene Handeln als Führungskraft kann in einer Geschichte erzählt werden. Dies dient der Legitimation und übt eine Vorbildfunktion für Mitarbeiter aus. Geschichten stärken die gemeinsame Identität des Unternehmens sowie das Gemeinschaftsgefühl der Mitarbeiter. In der Kundenkommunikation geht es darum, Kaufverhalten anzuregen und bestimmte Erinnerungsleistungen für ein Produkt zu stärken. Dabei wirken sich gute Storys positiv auf das Image des Unternehmens aus; eine erfolgreiche kommunika-

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tive Positionierung bei Zielgruppen wird ermöglicht. Dem Storytelling kommt auch im Brand Management eine große Bedeutung zu: „In einem narrativen Verständnis könnte man sagen, dass eine Marke nichts anderes ist, als eine Geschichte im Kopf des Kunden“ (Harringer/Maier 2009, 26). Auch bei Veränderungsprozessen lohnt sich der Einsatz von Geschichten. Das Ende des Veränderungsprozesses kann in Form einer erzählten Lösung vorweggenommen werden. So entsteht eine Zukunftsvision, die die Motivation der Mitarbeiter durch eine gemeinsame Zielvorstellung fördert. Storytelling in Veränderungsprozessen trägt somit zur Komplexitätsreduktion bei, stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Belegschaft und fördert das Commitment für ein Change-Projekt. Schließlich kommt Storytelling auch in der Medienarbeit zum Einsatz. So besitzen Geschichten eine hohe Anschlussfähigkeit an die journalistische Berichterstattung, weil sie der Arbeitslogik von Journalisten entsprechen (Mast 2012a und b). Denn auch bei der Berichterstattung geht es darum, dem Publikum eine Geschichte zu erzählen – so ist es z. B. bei einer Reportage unerlässlich, die Leser bzw. Zuschauer mitzunehmen und sie am Geschehen teilhaben zu lassen. Storytelling in der Medienarbeit bereitet die Inhalte daher mediengerecht auf, d. h. in Erzählungen mit einem roten Faden. Storytelling dient der Sinnstiftung von Unternehmen und ist ein besonderer Kommunikationsmodus. Es handelt sich um eine ganz spezielle Kommunikationsform, um Zielgruppen wirkungsvoll zu erreichen. Darüber hinaus achten Unternehmen penibel darauf, welche Worte im Umlauf sind, benutzt oder ihnen gar von Kritikern entgegengehalten werden, also das so genannte Wording. Sprache ist schließlich ein Symbolsystem und Ausdruck der Unternehmenskultur. Wie sie in der Praxis angewandt wird, ist nicht nur eine Frage des individuellen Geschmacks, sondern auch eine strategische Entscheidung. Durch die bewusste Wahl von Bezeichnungen im Unternehmenskontext, das so genannte Corporate Wording, sollen vor allem bestimmte Vorstellungsbilder und Assoziationen erzeugt, geweckt oder bewusst vermieden werden. Dies setzt ein feines Sprachgefühl sowohl auf Seiten des Senders als auch des Empfängers von Botschaften voraus. Sprachlich induzierte Vorstellungsbilder wiederum können je nach Konnotation unterschiedliche Emotionen bei den Zielgruppen hervorrufen. Diese Emotionen kann ein Unternehmen durch eine bewusste Sprachwahl zu beeinflussen versuchen. Nicht zuletzt kann Sprache im Rahmen der wertorientierten Unternehmenskommunikation unterstützend eingesetzt werden, um die jeweiligen immateriellen Werte nach innen und außen verbal sichtbar zu machen. Beispiele für den Einsatz von Corporate Wording (Förster/Rost/Thiermeyer 2010) in der Unternehmenskommunikation gibt es viele. So wird ein Unternehmen der Luftfahrtbranche im Krisenfall nach einem Flugzeugabsturz zunächst eher nicht von einer tödlichen Tragödie sprechen, sondern vielmehr von einem bedauernswerten Unfall. Ein modernes und international ausgerichtetes Unternehmen verwendet in der Kommunikation mit seinen Mitarbeitern unter Umständen lieber Anglizismen wie Town Hall Meeting anstatt des in konservativen Firmen eher geläufigen Begriffes der Mitar-

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beiterversammlung. Nicht nur Anglizismen, auch das Verwenden von Neologismen, d. h. Wortneuschöpfungen, können dazu eingesetzt werden, um neue Assoziationen für einen bereits bekannten Bedeutungsgegenstand beim Empfänger der Nachricht zu wecken. Ein Beispiel hierfür ist das Umbenennen der Schalter der Deutschen Bahn in Service-Points. Diese Beispiele zeigen, dass ein Unternehmen durch das Corporate Wording mehr oder weniger durch Sprache und damit Kommunikation beeinflussen kann, wie es gesehen werden möchte und welche Vorstellungsbilder in den Köpfen der Zielgruppen erzeugt werden sollen.

6 Herausforderungen für Theorie und Praxis Das politische, ökonomische und soziale Umfeld der Unternehmen ändert sich rasant, ebenso die Menschen, die in den Unternehmen arbeiten oder mit ihnen zu tun haben. Sie können inzwischen viele Kommunikationsformen nutzen, um sich zu informieren, mitzuteilen oder mit anderen zusammenzuschließen. Alles in allem betrachtet sind sie selbstbewusster, kritischer und anspruchsvoller geworden. Diese Menschen wollen spüren, dass sie von den Unternehmen und ihren Vertretern wertgeschätzt werden, dass diese ihre Sorgen und Beweggründe ernst nehmen und vor allem einen Kommunikationsstil wählen, der die Bedeutung der Menschen unterstreicht. Denn Menschen als Adressaten von Unternehmenskommunikation wollen nicht als Objekte behandelt werden, sondern als Subjekte, deren Fragen und Wünsche bestmöglich berücksichtigt werden. Die Zeiten, in denen Unternehmen Kommunikationsmaßnahmen planen, organisieren bzw. optimieren und dabei alles unter Kontrolle haben, gehen dem Ende zu. Die Unternehmen sind gerade dabei zu lernen, wie sie mit den Kontrollverlusten in der Onlinekommunikation umgehen können. Die Netzwerkkommunikation (Jansen 2006) folgt eben anderen Gesetzmäßigkeiten als die eher hierarchisch ausgerichtete klassische Unternehmenskommunikation. Viele Unternehmen denken jedoch nach wie vor im Kommunikationsmodell der Informationsübermittlung. Wichtige Themen werden zu den relevanten Zielgruppen transportiert. Das Menschenbild, das diese Kommunikationspraxis leitet, konzentriert sich auf Kommunikatoren, die planmäßig vorgehen und auf Empfänger von Botschaften stoßen, die diese annehmen oder ablehnen können. Wenn die erwünschten Effekte dann nicht nachweisbar sind, liegt das eben an der Professionalität des Instrumenteneinsatzes oder der Unfähigkeit bzw. der mangelnden Aufgeschlossenheit der Zielgruppen. Das Feedback dient in diesem Fall bestenfalls der Kommunikationsoptimierung von asymmetrischen Beziehungen und der Beantwortung von Fragen, die das Unternehmen an die Zielgruppen stellt. Dialogische Strukturen hingegen, auf die immer mehr Menschen Wert legen, erfordern, dass sich die Unternehmen offen und in kontinuierlichen Prozessen auf die Anliegen, Vorschläge und Kritik der Zielgruppen einlassen. Das Ergebnis dieser

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Kommunikationsbeziehungen kann also nicht schon in vorher festgelegten Zielen formuliert werden, sondern muss sich letztlich im Laufe des Prozesses erst herausbilden. Daher zögern noch viele Unternehmen, die Meinungen und Einstellungen wichtiger Gruppen in ihre CSR-Kommunikation einzubeziehen. Allerdings gehen die Erwartungen der Menschen in diese Richtung, Social Media-Plattformen weisen den Weg. Sie belegen aber auch, wie schwer sich Unternehmen damit tun, diese neuartigen Formen des Austausches in ihre Kommunikationsarchitektur zu integrieren. Über die Frage nach dem Kommunikationsverständnis hinaus geht es in Theorie und Praxis der Unternehmenskommunikation künftig auch um das Menschenbild, das Manager in den Unternehmen vor Augen haben, wenn sie sich an Mitarbeiter, Kunden, Nachbarn oder Journalisten wenden. Welches Verständnis vom Menschen leitet die Manager, wenn sie bei ChangeProjekten (Lewis 2011) erstaunt fragen: „Wir haben das Thema doch kommuniziert. Warum fragen die dann immer noch?“ Fragen können Hinweise geben auf Missverständnisse, Unklarheiten oder aber – indirekt – Dissonanzen offenbaren. Vielleicht stellen auch viele Menschen nur Fragen, um in den Antworten ein Gefühl der Wertschätzung zu erleben. Jedenfalls sind Menschen weder Automaten, die auf Hebeldruck bestimmte Verhaltensweisen zeigen noch sind sie passive Rezipienten, die auf Kommunikationsangebote die erwünschten Wirkungen zeigen. Und in der Unternehmenspraxis? Über 40 Prozent der befragten DAX-Unternehmen und TOP-250-Unternehmen geben zu, dass ihnen die zielgruppengerechte Ausgestaltung der Kommunikation bei Change-Projekten nicht gelinge (Mast 2011, 94). Sie denken zu sehr an ihre Rolle als Sender von Kommunikation und verlieren dadurch die emotionale Lage der Mitarbeiter und Führungskräfte aus den Augen. „Die Betroffenheit der Mitarbeiter wurde unterschätzt“ – gesteht ein Unternehmen. Andere sprechen von „mangelnder Sensibilität“ und „mangelndem Verständnis“, weil sie die „persönliche Betroffenheit, Befindlichkeiten, Antipathien, Präferenzen… eben die menschlichen Dinge“ unterschätzt hätten. Der Kommunikationswissenschaftler Gerhard Maletzke betonte immer wieder, welche Konsequenzen das Menschenbild für die theoretischen Ansätze von Kommunikation wie auch für die praktische Umsetzung hat. Auch die Kommunikationswissenschaft richtete schließlich über viele Jahrzehnte ihre theoretischen Konzepte auf Rezipienten aus, die mehr oder weniger aktiv bzw. passiv auf Kommunikationsangebote reagieren. Heute versteht man in der Kommunikationswissenschaft […] den Menschen in seiner ganzen biologischen, psychologischen und sozialen Konstitution als ein Wesen, das sich aktiv, selektiv, sinn- und gestaltgebend seine Welt aufbaut und in das Geschehen eingreift – auch in der Massenkommunikation. (Maletzke 1998, 215)

Unternehmen müssen daher lernen, dass sie sich nicht mehr an homogene, pflegeleichte Zielgruppen wenden, die die erwarteten Verhaltensänderungen zeigen, wenn

Was ist Unternehmenskommunikation? 

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man nur die richtigen Instrumente einsetzt. Es gilt, Abschied von der Vorstellung zu nehmen, dass die Unternehmenskommunikation alles unter Kontrolle hat, wenn sie nur im Sinne der persuasiven Kommunikation und der althergebrachten StimulusResponse-Modelle alles richtig macht. Menschen sind – sozialpsychologisch betrachtet  – bilanzierende Wesen, die Veränderungen als kognitive und emotionale Unsicherheiten erleben. Es sind diese emotionalen Spannungszustände, in denen die Zielgruppen Inhalte, Stil und Form der Kommunikation besonders sensibel bewerten. Sie wollen spüren, dass sie für die Unternehmen wichtig sind. Die zukünftige Entwicklung der Unternehmenskommunikation wird zeigen, wie schnell es den Unternehmen gelingt, die Menschen als soziale, bilanzierende Wesen zu begreifen, anzusprechen und zu überzeugen.

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Birger P. Priddat

2. Kommunikation in der Wirtschaft über Geld Abstract: Geld ist eine allgemeine Forderung an die Wirtschaftsgesellschaft, deren Wert nicht eindeutig ist: Die Kaufkraft hängt von unabhängigen Inflations/Deflationsprozessen, der Vermögens- oder Anlagewert von volatiler Kursentwicklung ab. Folglich kommt es auf die Erwartungen und die mentalen Modelle an, über die die Akteure verfügen. Was aber erwartbar ist, entwickelt sich aus den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kommunikationen. Dementsprechend hat Geld in der Wirtschaftskommunikation diverse Bedeutungen: metaphorische bis praktische. In Geld wird gerechnet wie geglaubt und gehofft. Man muss zwischen den diversen Sprachen unterscheiden: Die Wissenschaftssprache Ö der Experten unterscheidet sich von den diversen Soziolekten der Wirtschaftsalltagssprachen A. Geld ist zudem divers affektiv besetzt: Geld als Einkommen wird persönlicher genommen als Geld als Staatsschulden bzw. als Geld als Reichtum (meist anderer). In diesen Unterscheidungen kommen politische Bedeutungssetzungen ins Spiel: Geld als Machtindikator. Alltagspragmatisch ist Geld notorisch knapp, es zu erwerben ein kultureller Anreiz, es nicht zu haben ein social displacement. 1 Systematische Rekonstruktion des Geldes 2 Momente geschichtlicher Rekonstruktion 3 Neue Reichtumskommunikation und Folgen 4 Differenz von A und Ö: unterschiedliche Geldkommunikationen 5 Fin 6 Literatur

1 Systematische Rekonstruktion des Geldes Was die Akteure in der Wirtschaft über Geld reden, ist nicht allein technisch-instrumental zu verstehen, sondern eingewoben in heterogene mental models, die nur über die Geschichte der Geldentwicklung zu klären sind – über die Begriffsgeschichte, ihre Semantiken und ihre kulturellen Einbettungen (Krisch 2010) sowie über die Praxis der Handhabung. Dabei sind mehrere Ebenen zu unterscheiden: die Kommunikation über Geld in der Theorie der Wirtschaft, die sich von der Kommunikation über Geld bei den Alltagsakteuren unterscheidet. In der Theorie haben wir es mit heterogenen Deutungsbatterien zu tun (systematisch vgl. Brodbeck 2012), im Marktalltag mit residualen Interpretationen verschiedener Theorieherkünfte, aber auch mit pragmatischen Alltagstheorien.

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Geld, behaupten Ökonomen gewöhnlich (ausdifferenziert Smithin 2000), ist ein intelligentes Medium, das den Tausch erleichtere. Aber wir haben es heute nicht mit Tausch zu tun, sondern mit Kauf und Verkauf: mit Transaktionen. Hier beginnen gleich die semantischen Differentiale. A bekommt von B für seine Ware Geld. Wenn wir von einem Tausch reden, müsste A, der gerade Geld bekommen hat, es sofort wieder in Ware tauschen. Denn Tausch ist eine Formel für Ware-Ware-Beziehungen. Das Geld wäre nur ein zwischengeschaltetes Medium, das die Vergleichbarkeit bzw. Gleichwertigkeit von Ware A zu Ware B markiert. Es wäre lediglich Rechengeld und ein im Prozess verschwindendes Transaktionsmedium. Sprachlich ist die Differenz Tausch/Transaktion signifikant. Wir bewegen uns in Semantiken, die nicht der Marktwirklichkeit entsprechen. Der Tausch codiert eine moralische Ökonomie, die den Aspekt der Gerechtigkeit (Tausch als Äquivalententausch) höher hält, als die asymmetrische Transaktionswelt bieten kann. Wir haben es mit heterogenen Semantiken zu tun, die im Diskurs über Wirtschaft quer laufen, ohne zu synthetisieren. Tausch transportiert ein Idealbild wechselseitiger Gerechtigkeit: ein Legitimationsbegriff der Marktwirtschaft. Die Transaktionen hingegen sind rechtlich (vertragsrechtlich) gesicherte Instanzen, aber weder auf Effizienz noch auf Gerechtigkeit gegründet, sondern funktionale Kopplungen, in die wechselseitige Motive, Gründe, Anreize, Affekte etc. einfließen, die weder synthetisiert noch kongruent ablaufen müssen. Denn wenn A sein Geld hat, ist er nicht verpflichtet, sofort andere Ware zu kaufen. Geld legt eine Zäsur in das, was wir (voreilig) Tausch nennen. A kann warten, d. h. er hält Liquidität. Vielleicht deshalb, weil er erwartet, im nächsten (Zukunfts-)Markt mehr für sein Geld zu bekommen (bei anderen Preisen). Dann hätten wir es bereits nicht mehr mit einer Tauschäquivalenz zu tun, sondern mit geänderten (relativen) Preisen. Was A mit seinem Geld dann von C kauft, ist nicht mehr äquivalent mit dem, was er unmittelbar getauscht hätte. Liquidität, d. h. das Halten von Geld, ohne es auszugeben, kann ein Warten auf bessere Märkte in der Zukunft sein. Man kann sich den Markt, in den man gehen will, aussuchen. Es geht um das Zeitmoment. In dem Warten ist bereits das enthalten, was wir später – in der kapitalistischen Wirtschaft seit dem 18. Jahrhundert – Investition nennen. Denn wenn das Warten aktiv als Investition betrieben wird, generiert sich in diesem Prozess später ein return on investment (Profit), auf den hin das investive Warten überhaupt eingegangen wird. Das passive Warten (Halten von Geld, Schatz) ist wertsichernd, das aktive Warten wertschöpfend. Und zugleich riskant. Das sind bereits zwei verschiedene Geldkommunikationen (in der warten/erwarten-Semantik sind Zeitmodalitäten eingewoben, die die ältere Substanz/Wert-Metaphorik überholen). Aber A kann sein Geld auch verleihen (eine andere Form des investiven Wartens), d. h. nicht für andere Waren ausgeben, sondern Dritten geben, um es später wiederzubekommen – mit (Kredit) oder ohne Zins (Darlehen). Wenn A es – später, mit Zins – zurückbekommt, kann er mehr kaufen als zuvor. Wieder haben wir keine Tauschäqui-

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valenz, d. h. überhaupt keinen Tausch. Denn mehr kaufen zu können heißt, nicht dasselbe zu bekommen (Ungleichheit). Bei beiden Formen kommen Dritte ins Spiel (vgl. Kabalak/Smirnova 2008; Priddat 2010). A, der von B für seine Ware Geld bekommt, tauscht ja nicht bei B andere Waren ein, sondern Geld. Für das Geld kauft er nicht bei B, sondern bei C (stellvertretend für beliebige Dritte). Oder er leiht es D, der es A später zurückgibt, damit A dann bei E einkauft etc. Die Tauschunmittelbarkeit wird in einen ausgefächerten Wertverkettungszusammenhang übertragen (denn D, der von A Geld geliehen bekommen hat, kauft bei F, um Gewinne zu machen, die so groß sind, dass D an A den Kredit + Zins zurückzahlen kann und selber auch noch einen Gewinn hat. Dass F, bei dem D kauft, damit wieder Geld hat, bringt F in dieselbe Lage wie A – und alles, was wir beschrieben haben, wiederholt sich auf erweiterter Stufenleiter). So betrachtet, erscheint der Markt als etwas, als das wir ihn gewöhnlich überhaupt nicht betrachten: als Netzstruktur (vgl. Kirman 2011, Kap. 2; Wilm 2012). Als Netze bestehen Märkte aus mannigfaltigen losen transaktionalen Kopplungen, die wegen des Geldes, das einer der Transaktanten notorisch hält/erhält, ständig in Kopplungsanschlüsse münden. Dabei ist es nicht mehr systematisch notwendig, jede Transaktion als effiziente Relation auszuweisen. Der Markt als Netzkopplungsprozess funktioniert auch dann, wenn die jeweiligen bilateralen Transaktionen nichtoder sub-effizient ausfallen. Die Funktion des Marktes ist, transaktionale Anschlüsse zu liefern, nicht notwendig, effizient zu sein (Priddat 2013b, Kap. 12). Weil wir es nicht mit Tausch zu tun haben, entfallen die strengen (normativen) Anforderungen von Wertäquivalenz (die implizite Gerechtigkeitsmoral). Jede Transaktion ist ökonomisch gültig, die faktisch beschlossen wird (Vertrag ist Vertrag), auch wenn sie asymmetrisch ausfällt (die Grenze liegt beim Betrug). Jede  – geldvermittelte  – Transaktion ist ein Abkommen zwischen zwei Transaktanten, das nicht auf wechselseitige Effizienz geprüft wird, sondern auf Zustandekommen (weil z. B. zwei Wünsche realisiert werden, die, rational betrachtet, zu teuer sind). Transaktionen sind selber – oft hochstandardisierte, manchmal aber echte, verhandelbare – Kommunikationen (Priddat 2012b). „Geld als Medium von Beziehungen“ (Krisch 2010, 47) strukturiert nicht nur soziale Institutionen (Familie, Verschuldungsbeziehungen etc.), sondern allgemein Transaktionen. In diesem Sinne sind Transaktionen Sprechakten ähnlich (und selber Sprechakte, Diewald/Smirnova 2008; Kabalak/Smirnova 2008). Die sprechaktliche/transaktionale Verständigung bedient sich natürlicher Zeichen und Geld (vgl. Bauer 1998; allgemeiner Keller 1995). Den sprachlichen Zeichen und Symbolen werden zwei Funktionen zugeschrieben: eine referenzielle oder repräsentative Funktion und die in der Kommunikation vermittelnde Funktion. Geld erfüllt beide Bedingungen. So wie sprachliche Symbole für (alle) Objekte der Welt gelten, so gilt Geld als ökonomisches Symbol für (alle) Güter der Welt (Kabalak/Smirnova 2008).

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‚Geld‘ in seinem Zeichenvorkommen hat als Konkretes den Charakter der Drittheit, ist aber als Legizeichen hochgradig fallibel, da stetige Veränderungen des Geldwertes stattfinden, diese Veränderungen aber kein Äquivalent etwa in Veränderungen des Gebrauchswertes finden. Geldzeichen werden diskursiv vereinbart; Geldhandlungen haben daher den Charakter deklarativer Akte. Die Pluralität der Kontexte bedingt eine Unschärfe der geldlichen Zeichenobjekte, die trotz der allgemeinen Anerkenntnis von ‚Geld‘ eine Varianz aufweisen, die vor allem diskursiv bedingt ist. ‚Geld‘ als Zeichen variiert also zwischen Konkretem, mit dem gehandelt, und Unkonkretem, das stets neu vereinbart wird. (Ipsen 2010, 304)

Das Geld ist ein Transaktionsmedium. Würden A oder C das Geld nur halten (Liquidität), hätten sie nur Kaufpotential, das aber solange brach liegt, wie sie nicht kaufen. Geld als Liquidität ist eine Forderung auf Einlösung. Ökonomisch ist der Akt erst vollendet, wenn A oder C für Geld etwas gekauft haben. Wenn sie aber kaufen, bekommt C Geld, das er wieder einlösen muss. Die Redeweise vom Geld ändert sich: Wir haben es weder mit einem bloßen Rechenmedium zu tun noch mit einem sicheren Wertträger, sondern mit einer Forderung, etwas künftig zu bekommen, ohne schon zu wissen, wie die Bedingungen sein werden. Geld arbeitet über Systemvertrauen. Sein Wert ist potentiell kontingent. Wir haben es mit einer „superlanguage“ zu tun (Willke 2006, 54; zit. in: Pahl 2008, 304), die nicht nur das Finanz- und das Banksystem kommunikativ koppelt, sondern jede Transaktion. Als Forderung drängt Geld auf Einlösung, d. h. auf Kauf oder Anlage. Es fließt in Güter- oder Geldmärkte, perpetuiert sie. Geld ist in diesem Zusammenhang eine Forderung gegen Unbekannt, d. h. auf unendliche und anonyme Einlösbarkeit ausgelegt. Die Forderung, die es repräsentiert, ist die auf das Funktionieren der Wirtschaft ad libitum. Unser Papiergeld ist, als trust money, auf dieses Vertrauen gebaut (was wiederum Systemvertrauen voraussetzt). Deshalb ist Wachstum unabdingbar. Würde das Wachstum abbrechen  – aus welchem Grund auch immer  –, wäre die weitere Akzeptanz des Geldes gefährdet. Denn Geld muss die Zukunft als Option sehen, es ausgeben, investieren oder verleihen zu können – in einer Welt perennierender Transaktionalität: als Anschlussfähigkeit. Es ist – metaphorisch – mehr wert (Optionalität) als es wert ist (faktische Kaufkraft) – ein Transzendentaloperator (vgl. Simmel 1978; Esposito 2014). Geld ist ein ambiges Zeichen. Geld ist ein Überschussmedium: Als Option hat es ubiquitäre Valenz; als Budget/asset limitationale Kompetenz. Solange man es nicht ausgibt (Liquidität), kann man ‚die ganze Welt kaufen‘ (bzw. relevante Teile zu kaufen sich vorstellen). Dieser überschüssige metaphorische Aspekt ist ein optionaler Wert: eine fiktive bzw. imaginative Bestimmung (Esposito 2014). Erst wenn man es verwendet, treten die Grenzen sofort auf. Geld zu haben/viel Geld ist ein Traum, der ökonomisch realisiert wird, und zwar bereits durch dispositives Vermögen (Liquidität). Wir sehen, wie Geld sprachlich mehrfach konnotiert ist: optional und real. Es auszugeben ist eine Vernichtung/Entwertung des Traumes/der Optionalität, zugleich ein Motiv, es wieder und vermehrt zu erwerben, um den optional state aufrecht zu erhalten. Transaktionen sind monetäre Transaktionen: Substitution von Ware gegen Geld (bzw. Leistung gegen Zahlung). Indem beide Aktanten in der Transaktion erhalten,

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was sie vorher nicht hatten, entstehen gleichzeitig Knappheiten: Dem Verkäufer fehlen weitere Produkte, dem Käufer Geld. Es geht nicht nur um positiven Besitzwechsel (mutual agreement), sondern um eine erweiterte Kommunikation. Um anschlussfähig bzw. um im Markt zu bleiben, müssen die Verkäufer neue Produkte beschaffen bzw. produzieren; um weiterhin kaufen zu können, müssen die Käufer Einkommen beschaffen – d. h. jeweils neue Transaktionen auf anderen Märkten (Märkte für Vorprodukte [in der Wertschöpfungskette], Kreditmärkte etc.) eingehen und für die Konsumenten auf Arbeitsmärkten (oder, bei Anlagevermögen, auf Kapitalmärkten). Die monetäre Kommunikation der Transaktionen generiert ständig Anschlusstransaktionen: ein kompaktes transaktionales Feld mit Fortsetzungsdynamiken. Die Wirtschaft hat mit der Gesamtheit aller Güter (und Leistungen) eine ‚objektive gesellschaftliche Wirklichkeit‘ (Searle 2004), die auf dem Wege des Symbolisierens durch Geld erschaffen wird. So gesehen, stellte die Wirtschaft ein Zeichensystem dar, das seine ‚Welt‘ von der natürlichsprachlich strukturierten durch sein eigenes, spezifisches Symbol abhebt, ohne sich aber von der sprachlichen Welt vollständig abzusondern. Ökonomische Äußerungen in Form von Preisen werden regelmäßig durch sprachliche kommunikative Akte ergänzt, um eine Leistung oder ein Gut zu beschreiben (auch die ‚Güterqualität‘ ist nicht einfach objektiv gegeben; sie erfordert natürlich-sprachliche Konstruktion). Demnach sind natürlich-sprachliche und ökonomische Kommunikationen Ausdruck zweier Kommunikationssysteme nebeneinander und fungieren als zwei unterschiedliche Arten der Kommunikation zur ‚zwischenmenschlichen Verständigung‘ über Dinge und Sachverhalte der Welt. (Kabalak/Smirnova 2008, 192; über Geldtransfer als Kommunikation vgl. Ipsen 2010, 284 ff.).

In der Transaktion geben beide Aktanten dem eingesetzten Symbol jeweils konkret verschiedene Bedeutungen, obwohl sie sich über die allgemeine Referenz von Geld einig sind. Ihr mutual agreement bezieht sich auf die Regel- bzw. institutionale Geltung der Transaktion: dass man erwarten kann, für Geld Güter zu bekommen, und für Geld künftig weiterhin Güter. Geld ist insofern  – als symbolisch generalisiertes Medium – das fundamentum in re jeder Transaktion. Aber zugleich gilt eine notwendige Asymmetrie, indem der Käufer einen konkreten Referenten meint (ein Gut, ein Nutzen), der Verkäufer hingegen einen allgemeinen Referenten (Geld). Nur in dieser Verschiedenheit verstehen sie sich in ihrem generellen Bezug auf die Geldreferenz. Es ist ein mutual agreement über die Verschiedenheit im gemeinsam akzeptierten Medium. Das herauszustellen ist wichtig, um der Interpretation des gemeinsamen Wertes zu entkommen; die transaktionale Kommunikation macht es möglich, verschiedene Bedeutungen dennoch in einen (gemeinsamen) Kontrakt münden zu lassen. Die Verschiedenheit ist die Bedingung der transaktionalen Einigkeit. Folglich erweisen sich Transaktionen als bedeutungsoffen. Sie gehorchen zwei Kommunikationsdimensionen: der Vermittlung (von Verschiedenem, d. h. von verschiedenen Interpretationen, Bedeutungen etc.) und der symbolischen Repräsentation. Hier koppelt sich die ökonomische Transaktion mit der Semiosphäre.

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Denn beide Transaktanten stehen in jeweils anderen Netzwerk- und Kommunikationsfeldern, die das, was sie erhandeln, gegen ihre linguistic community verteidigen müssen, nicht gegen den Transaktionspartner. Die monetäre Transaktion spielt sich nicht in einem rein ökonomischen Raum ab, sondern immer zugleich in einer Semiosphäre (ich leihe den Begriff von Jurij Lotmann 1990; 2010): Zeichen, Signale, Informationen, Gerüchte, Bedeutungen, Narrative, Kommunikationen etc. formatieren die Interpretationen der jeweiligen Akteure (und jeweils different, wenn sie sich in verschiedenen semiologischen Kulturen befinden). In der Wirklichkeit kommen keine Zeichensysteme vor, die völlig exakt und funktional eindeutig für sich alleine funktionieren. […] Sie funktionieren nur, weil sie in ein bestimmtes semiotisches Kontinuum eingebaut sind, d. h. mit semiotischen Gebilden unterschiedlichen Typus, die sich auf unterschiedlichem Organisationsniveau befinden, angefüllt sind. Ein derartiges Kontinuum wollen wir […] als Semiosphäre bezeichnen. (Lotman 1990, 288)

Lotmanns Kulturbegriff „verbindet, erforscht und nutzt mindestens zwei unvereinbare und doch unzertrennbare Sprachen, die nicht Wirklichkeit kodieren, sondern Bedeutungen durch Wechselwirkung produzieren“ (Baecker 2012, 10 mit Bezug auf Lotman 2010. Über die Bedeutungspluralität von Güter-Zeichen Nöth 1996). In den – scheinbar rein ökonomischen – Transaktionen begegnen sich unterschiedliche Weltinterpretationen, die sich faktisch auf Kauf/Verkauf einigen, aber aus verschiedenen Gründen, Motiven, Haltungen, Interessen, Anreizen etc. Der Vergleich, der darin geschieht, ist kein Vergleich/Ausgleich der unterschiedlichen semantischen Felder, die aufeinandertreffen, sondern ein kommunikativer Grenzprozess, in dem sich die Bedeutung/Interpretation des einen in der Bedeutung/Interpretation des anderen spiegelt, aber nicht identisch wird. Es ist eine Identität als Differenz, nicht als synthetisierende Identität. A, der von B kauft, gibt B Geld und erhält einen Gebrauchswert, der den Optionswert des Geldes auf eine singuläre Sache reduziert. B erhält Geld, d. h. eine Option auf Möglichkeiten, die in dem Moment noch abstrakt bleiben, aber immer mehr sind als je spezifische Gebrauchswerte. Was funktional wie ein Tausch von Ware und Geld erscheint, endet transaktional in völlig verschiedenen Optionen. Was im Moment der Transaktion als gleich erscheint, zerfällt danach in den Nutzen des Gebrauchs der Ware und in die Option, später etwas (anderes) erwerben zu können. Das Geld vermittelt in der Transaktion hoch differente Möglichkeiten, die in je andere Bedeutungsfelder fallen. Die monetäre Transaktion ist ein Phasenübergang, der eine vorher bestehende Asymmetrie nur verschiebt: Reduktion der Optionen für den Käufer, Erhöhung der Optionen für den Verkäufer. Märkte sind demnach mannigfaltige Verschiebungen von Optionen-Ungleichgewichten. Man kann auch sagen: In jeder Transaktion kippt die Option dessen, der Geld hält, in den Nutzen, etwas Konkretes zu erhalten, und umgekehrt für den Transaktionspartner. Geld ist nicht nur ein Medium der Transaktion, sondern ein begehrtes Objekt für eine Seite. Der Nutzen, Geld zu halten, besteht darin, optional viele mögliche Nutzen zu haben. Deswegen sind die Nutzen in einer

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Transaktion asymmetrisch; das Geldhalten ist im Grunde kein Nutzen, sondern eine Option auf Nutzen im Modus der Freiheit. Geld ist nicht lediglich Geld, sondern ein optionales Narrativ: prospektiv ein Imaginativ, operational ein Enabler. In die Liquidität schreiben sich alle möglichen Geschichten, Storys, Narrative ein, mit jeweils hohem Imaginationswert (Kleeberg 2009; Künzel/Hempel 2011; Koschorke 2012; Beckert 2011). Die Wirklichkeit, selbst die sogenannte ‚Realwirtschaft‘, ist nichts als eine Story. Die Wahrheit, sagt der 1998 verstorbene amerikanische Philosoph Nelson Goodman, ist alles andere als eine erhabene und gestrenge Herrin; sie ist eine gefügige und gehorsame Dienerin. Einzig das Subjektive ist das Objektive. Vorurteile, Gerüchte, Unterstellungen: All das taugt zum hermeneutischen Material. Nur daraus erfahren wir, wie wir die Welt zu sehen haben. (Hank 2012, Sp. 3)

Im Marketing weiß man, dass alles auf die richtige Erzählung ankommt. Dass aber keinesfalls verraten werden darf, wie narrativ die Wirklichkeit ist. Siegen wird, wer die strategisch überlegene Story hat und sie mit Absolutheitsanspruch verkaufen kann. […] [Das Marketing; B. P.] fertigt jene Mythen des Alltags, die – nach dem Wort von Roland Barthes – ‚weder Lüge noch Geständnis‘ sind, sondern lediglich ‚eine Abwandlung‘ vornehmen. (Hank 2012, Sp. 4)

Geld enthält mehrere Bedeutungen/Möglichkeiten, während die Sache, die A erworben hat, eindeutig ist. Man sieht, wie die Asymmetrie bleibt, sich nur verschiebt. Dass dabei viele Transsubstantiationen geschehen, die nicht effizient sind, sondern aus dem spontanen Willen zumindest eines Akteurs entspringen können, ist evident. Man kauft nicht notorisch rational, sondern auch spontan, emotional, routiniert (immer das Gleiche: konventional), nicht-rational etc. Geld zu erhalten ist für manche Alltagsakteure oft die bessere Option, selbst wenn sie weniger bekommen: weil ihnen die aktuale Option, Möglichkeiten zu haben, mehr wert ist. Mehr-Geld-später ist ihnen weniger wert als relativ-weniger-Geld-jetzt (hyperbolische Diskontierung: Ainslie 1992). Wenn der Aktualwert höher als der Zukunftswert des Geldes geschätzt wird, haben wir es mit einer zeitelastischen Wert-Ästimation zu tun. Der Wert des Geldes hängt von seiner imaginierten möglichen Verwendbarkeit ab. Das Geld hat keinen Wert, sondern realisiert ihn jeweils in den neuen Situationen und Konstellationen. Der Kredit weitet die Wirtschaft aus, wenn D den Kredit produktiv einsetzt. Denn das Geld, das A verleiht, evoziert auf erweiterter Stufenleiter neue Transaktionen, die ohne den Kredit nicht stattgefunden hätten. A verschiebt nur seinen Kauf (und verzichtet auf Liquidität, d. h. auf einfache Geldhaltung) und ermöglicht damit anderen, ebenfalls Transaktionen zu tätigen (deren Geld wieder verliehen werden kann etc.). Der Kredit ermöglicht neue Transaktionen + Rückzahlung, d. h. dann wieder Transaktionen des Kreditgebers  – eine produktive Verzweigung (Bifurkation) und damit Erweiterung des Transaktionsfeldes, das wir uns Markt zu nennen angewöhnt haben. Als Forderung ist Geld ein Suprazeichen, auf dessen Gültigkeit vertraut werden muss (trust money). Nur dann repräsentiert Geld potentiell alle Güter (bis man diese

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Option durch konkreten Kauf zerstört oder sein Budget mindert). Geld hat, im strengen Sinne, keinen eigenen Wert, sondern Kaufkraft nur dank seiner Optionalität. Es repräsentiert künftige Transaktionalität (in welchem Maße jeweils hängt von den künftigen Marktkonstellationen, Inflationen etc. ab). Als Forderungs-Suprazeichen ist Geld nur ein Zeichen, das auf künftige Prozesse verweist, denen Realität unterstellt wird (als Generalhypothese), um jeweils, in den Transaktionen, erst immer wieder realisiert zu werden (gleichsam ein notwendig immer zu wiederholender performativer Akt).

2 Momente geschichtlicher Rekonstruktion Gehen wir für einen Moment in die Geschichte zurück (North 2000; Brodbeck 2012). Papier- und Buchgeld sind moderne Geldzeichen-Formen. Vordem war Münzgeld in Umlauf; es war durch seinen intrinsischen Wert scheinbar gesichert (notfalls konnte das in den Münzen steckende Gold oder Silber auf dem Metallmarkt als Ware verkauft werden). Aber Münzgeld wurde, auch durch den herausgebenden Staat, gefälscht (mindere Legierungen etc.). So musste beim Bezahlen immer bemessen werden, was das Geld jeweils wirklich wert war (schlechtes Geld/gutes Geld). Viele Münzen mussten einen Abschlag hinnehmen: Sie wurden nicht für bar genommen, sondern gewogen. Zum Papiergeld ging man in der Neuzeit über, als klar wurde, dass Geld nicht durch seine Substanz (Metallwert) sicher war, sondern letztlich durch seinen auf Einlösbarkeit beruhenden Forderungscharakter, dass es auch künftig akzeptiert und einlösbar war. Die ersten Papiergelder waren Bankgeld, d. h. privat herausgegeben (und wegen Betrug und Insolvenz der Banken für eine lange Zeit immer wieder in Verruf). Die Banken entstanden in der Neuzeit – zuerst in Italien, dann in Holland und anderswo (Bank of London, Hamburg etc.). Die internationalen Händler der Neuzeit hatten längst ihre eigenen Geld- und Finanzierungssysteme entwickelt (vor allem Wechsel, die als Kreditpapiere fungierten, das Giralgeld etc.). Das waren aber Vertrauensgelder, oft auf Namen ausgestellt – und galten nur in einer Welt, in der sich die Partner kannten. Vertrauen war hier noch auf (Netzwerk- oder familiale) Loyalität gebaut, eine nicht-moderne Form des Vertrauens. Modern wurde das Vertrauen erst, als man auf das System vertrauen konnte, dass diese neuen Gelder jederzeit namenslos einlösbar waren – eigentlich erst durch das Staatspapiergeld des 19. Jahrhunderts (Staatsversprechen bzw. garantie). Zuvor waren die Banknoten private Versprechen: private Gelder (privater) Banken – transaktional gekoppelt. Erst Staatsgelder gewährleisten eine allgemeine Geldkommunikation. Die Garantie wurde später vom Staat übernommen (Staatsbanknoten; wie heute noch). Aber der Staat ist auch nur eine rechtliche Konvention: Die letzte Garantie oder Versicherung liegt in der allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz. Im Geld zeichnet

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sich eine politische Geltung ab: Wieweit vertraut man dem Staat (bzw. seiner Zentralbank), der es zeichnet bzw. herausgibt? Letztlich ist das Geld ein Versprechen: eine Forderung als Behauptung auf Akzeptanz, d. h. ein propositionaler Wert, der seine Geltung durch akzeptierte Verwendung immer wieder neu beweist (in fortlaufenden performativen Akten der Transaktionen). Wir halten die Geldzeichen für (sicheres) Geld, obwohl sie ihre Geltung immer wieder transaktional erweisen müssen. Dass der relationale Wert des Geldes, seine faktische Kaufkraft, variiert, macht einen Teil der Risikobeobachtung der Wirtschaft aus, schuf den modernen Kapitalmarkt. Money’s value derives from the expectations concerning its liquidity and stability. The economic historian Philip Mirowski (1991: 580) accurately referred to these expectations as the “fiction of a monetary invariant.” It is a fiction because monetary stability depends on the actual commitment of central banks to low inflation, on banking regulation, and on macroeconomic development in the future, all of which are uncertain (Ganßmann 2012: 230 ff.). As the history of monetary crises shows, the devaluation of money is a recurrent phenomenon. Nevertheless, in a money economy, actors must act as if the value of money were invariant in order to accept money as means of payment and abstain from wage and price increases in anticipation of inflation. Because the future is open, the expectation of the stability of money requires, as Georg Simmel argued, an element of “supra-theoretical belief ” or “social-psychological quasi-religious faith” (Simmel [1907] 1978: 179). Such subjection to forces that are neither predictable nor controllable probably finds its clearest expression on the American bank notes: “In God We Trust.” Money is valuable only as long as the belief in its stability prevails. The contingent nature of this expectation poses a constant and latent threat to the monetary system and accounts for the massive communicative effort by governments, central banks, politicians, economists, and statisticians to make money appear stable. The stability of money is thus created discursively in the economy itself through the formation and reinforcement of its credibility. (Beckert 2014: 12).

Wer Geld hält, hat mehr als nur ein Äquivalent zu den parallel angebotenen Waren; Er hat ein Dispositiv auf alle, vor allem auch auf künftige Waren. Das ist in wenig produktiven vormodernen Wirtschaften mit minderer Dynamik nicht bedeutsam, aber in dynamischen Wirtschaften bedeutet das dispositive Mehr des Geldes die Ausbildbarkeit von Erwartungen, bessere Geschäfte zu machen, in die Zeit hinein zu kaufen, zu investieren oder zu kreditieren. Der Gegenwartsbezug der Versorgungsunmittelbarkeit, der die Tauschsituation kennzeichnet (alte Ökonomie: oikonomia), wird zu einem Zukunftsbezug der Optimierung von Transaktionalität (modern economics). Erwartungen sind Imaginative, Vorstellungen künftiger (ökonomischer) Welten (Beckert 2011). Da wir nicht wissen, was kommt, bilden wir uns ein, heute zu entscheiden, was später sein wird. Wenn dies auf Imaginationen beruht, befinden wir uns in einem sprachlich akuten Bereich: Wir bilden Narrative, aufgrund derer wir entscheiden. Erwartungen sind keine statistisch begründeten Vorstellungen, sondern selber wiederum interpretierte Erinnerungen von statistischen Häufigkeiten der Vergangenheit, die wir auf die Zukunft hin übertragen, ohne die veränderten aktuellen Konstellationen mitzudenken. Die Erwartungen werden narrativ zu Plausibilitäten, die uns helfen, Entscheidungen zu fällen, ohne genau zu wissen, was daraus werden

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wird. Das narrative Moment aber ist entscheidend für die Herstellung von Entscheidbarkeit (Priddat 2013b). Geld symbolisiert die Menge aller erwerbbaren Gebrauchswerte und potentiell auch die möglichen, noch gar nicht vorhandenen, so dass die Menge der Imaginativa größer ist als die Menge faktischer Konsumptiva. Im Geld ist bereits künftige Produktion repräsentiert, als Option. Der Optionswert – oder Funktionswert – von Geld ist größer als der Gebrauchswert von Gütern. Geld ist, ganz funktional, mehr als ein Gut. Wir haben es mit einem prospektiven Dispositiv zu tun, das das weitere Handeln futurisch ausrichtet. In dieser monetär basierten Transaktionsverkettung ist das ganze Potential des Kapitalismus, der historisch dem 18./19. Jahrhundert zuzuordnen ist, in nuce enthalten. Erst seit man Geld legitim anlegen, investieren, vermehren etc. kann (auf der Basis von Rechts- und Eigentumssicherheit, d. h. mit der Ausbildung moderner Staaten), kann sich die Transaktionsökonomik zum Kapitalismus ausfalten. Die eigentumsrechtlichen institutionellen Sicherungen durch einen modernen Staat seit der Neuzeit sind eine entscheidende Voraussetzung dieses Prozesses. Die Dynamik moderner Märkte hängt mit der Extension politischer und sozialer Freiheiten eng zusammen  – insbesondere mit den Freiheiten (und Regulationen) der Geld- und Kapitalmärkte (vgl. Admati/Hellwig 2013). Im Transaktionspotential des Geldes sind alle Differenzierungen, Güterangebotsausweitungen, Nachfragemöglichkeiten, Wertschöpfungen etc. angelegt. Denn erst dadurch, dass das Geld in einen Akkumulationsprozess investiert wird, entfaltet sich eine Dynamik des Eigentums, das als bloßer Besitz verfällt und verbraucht wird (Arendt 1981: 65). In der Transformation von Geld in Kapital beginnt eine Eigentumsdynamik, die die Besitzerhaltung als Steigerungsprozess zum einen nachhaltig macht, zum anderen die Nachhaltigkeit aber nur als Progression ansetzen kann. Die Reichtums-Semantik wandelt sich vom Schatz zum Kapital als Prozess. Das Vermögen ist nicht mehr der Finalzustand, sondern ein modus operandi für gesteigerte Aktivität und Kompetenz. Entscheidend ist die Transformation des Kredites in Investition, was bei den großen Volumina nicht mehr auf Privatkreditbasis geschehen kann, sondern Kapitalsammelstellen wie die Banken braucht. Banken verleihen, was sie selber geliehen haben: konzentrierte Kredite. Und sie sichern sich gegen Risiken des Rückzahlungsausfalls, indem sie in ihren Kreditportfolien bestimmte Verluste so einrechnen, dass der Rest dennoch den Gewinn garantiert. So können sie riskantere Geschäfte als Privatpersonen eingehen. Viewed from an historical perspective, the ability to expand credit relations by expanding expectations of trustworthiness has been one of the most important – but often unnoticed – preconditions for the unfolding of capitalism. The development of modern credit and monetary systems depends on the emergence of institutional trust devices. However, the institutional safeguards have not led to the disappearance of uncertainty in credit relations. Despite institutional safeguards such as credit rating, malfeasance remains a threat to creditors, as can be seen in such

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spectacular instances of fraud as the bankruptcy of Enron or the Ponzi scheme run by Bernard Madoff. (Beckert 2014, 13)

Geld und Kredit werden nach verschiedenen Sicherungs- und Gewährleistungsvorstellungen kommuniziert: nach verschiedenen Graden der „fictional expectations“ (Beckert 2011; 2014), die wiederum differente Risikokommunikationen generieren. Im 19.  Jahrhundert wird die Kapitalsammlungsfunktion auf die Aktien ausgeweitet, Formen der (stillen) Beteiligung, die aber zugleich börsengehandelt werden. Börsen sind öffentliche Informations- und clearing-Instanzen dieses breit angelegten Investitionshandels. Die Ausweitung dieses Handels auf Warenterminbörsen und weitere Investitionsformen (futures, options, Derivate im 20. Jahrhundert – die letzteren kaum börslich gehandelt, sondern im OTC-Handel (over the counter), d. h. intransparent, fast im Graubereich) hat Kapitalmärkte aufblühen lassen, die – neben spekulativen Aspekten  – neue Finanzierungsformen von Firmen kreiert haben, die weit außerhalb des klassischen Kredites liegen. Das Banking hat sich auf das Investmentbanking ausgeweitet. Hedgefonds wiederum sichern diese spekulativen Finanzierungen gegen Risiken ab. D. h. man investiert, parallel zu seinen Finanzmarktinvestitionen, in eine Art von Versicherung gegen das Risiko des Verlustes – mit dem modernen Paradox, dass Investmentbanken, die ihren Kunden Derivate verkaufen, gleichzeitig gegen den erwarteten Wertverfall dieser Derivate hedgen können. Das mag wiederum das Vertrauen in die Finanzmärkte mindern, d. h. es wird zu einem kommunikativen Ereignis des Geldvertrauens. Wir haben es mit neuen Strukturen zu tun. Die monetäre Entwicklung, fasst Tarde zusammen, verläuft vom Metallgeld zum Papiergeld (sozusagen ein algebraisches Zeichen des Geldes) und vom Warenhandel (wo eine bestimmte Geldmenge gegen einen Artikel oder einen Dienst getauscht wird) zum Handel der Börsenwerte (wo die Finanztitel gegeneinander getauscht werden). An der Börse werden die Werte  – als Verhältnisse zwischen einer Geldsumme und einem Objekt – selbst im Verhältnis zueinander bewertet. Das ist ein Verhältnis zweiten Grades. Durch die Kursnotierungen präsentieren sie sich als Funktion voneinander, die zusammen nach gewissen Gesetzen steigen oder fallen. (Tarde 1902, 289 [vol. 1]; , zit. in: Latour/Lepinay 2010, 91).

Das Geld vollzieht in den Finanzmärkten eine eigene Semiose. Tarde ergänzt, dass die „mathematische Entwicklung von der Arithmetik zur Algebra, von der Zahlentheorie zur Funktionentheorie“ verläuft (ebd.). Darin zeigt sich ein Übergang zwischen Ungewissheit und Wahrscheinlichkeit, in dem neue Bemessungsverfahren erweitert und formatiert werden. Die Zeichen-Zuordnungen „zweiten Grades“ aber wechseln nur mehr von einem „Regime der Ungewißheit“ in ein anderes (ebd.) – „ein Wechsel der Performanz, den wir mit ‚Finanzialisierung‘ bezeichnet finden. Die Geldkommunikation der Finanzmärkte wird nicht ‚sicherer‘, aber durch „Berechnungsvorrichtungen erleichtert, erweitert, vereinfacht und formatiert“ (ebd.).

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Derivate versuchen, Zukunftswerte in gegenwärtige Liquidität zu transferieren (wenn man z. B. eine Ernte des nächsten Herbstes schon im Januar verkauft). Im Gegensatz zum klassischen Kredit, der auf seine spätere Rückzahlung + Zins wartet, handelt es sich hier um ein Gegenwartsgeschäft, bei dem der Käufer erwartet, später Gewinne zu machen, der Verkäufer aber bereits jetzt Liquidität erhält. Aber auch Kredite werden verkauft. Es wird alles zu allen Terminen handelbar. Man will von erwarteten Werterhöhungen profitieren  – mit dem dann allerdings höheren Risiko des Verlustes. Das aber kommuniziert man weniger als die optionalen Narrative. Geldkommunikation hat eine progressionsbehauptende Tendenz. Die Geldschöpfung – längst ein Buchgeldsystem – passt sich in ihrem Angebot der Kapitalmarktdynamik an; die Zentralbanken werden letztlich politische Instanzen der Aufrechterhaltung dieser Dynamiken. Es ist bereits im Transaktionssystem angelegt, dass das Geld immer fungibel bleiben muss, d. h. es muss sein Wert-Dispositiv beibehalten: Liquidität sucht Anlagen. Somit erweitert sich der spekulative Bereich, der höhere und vor allem kurzfristige Renditen verspricht als die klassische Anlage in Unternehmen, mit parallel wachsendem Risiko (Marazzi 2011). Spekulativ heißt: narrativ-plausibel. Die Erwartung muss den Anleger überzeugen. Da er nicht weiß, was tatsächlich eintreten wird, muss er plausibel überzeugt sein, um zu entscheiden (Herstellung von Entscheidbarkeit ist die Bedingung für Entscheidungen in Unsicherheiten). Informationen, Gerüchte, Storys, Kommunikationen generieren je andere Plausibilitäten. In Geld wird gerechnet wie geglaubt und gehofft. Man muss zwischen den diversen Sprachen unterscheiden: Die Wissenschaftssprache Ö (= ökonomische Sprache) der Experten unterscheidet sich von den diversen Soziolekten der Wirtschaftsalltagssprachen A (Priddat 2013b, Kap. 2; Enste/ Haferkamp/Fetchenhauer 2009). Reasons, or financial memes (units of cultural replication […]), can be simple (‘buy on the dips’) or elaborate (e.g., portfolio theory). The contagion of such memes, their effects on markets, and (more ambitiously) the way combinations of memes evolve as they move from person to person are the subjects of a missing chapter in financial theory. (Hirshleifer/Teoh 2009, 39)

Lynch (2000, 10) spricht von dem, was wir die Sprache A nennen, als „popular models“, Klamer von „Ersatzeconomics“ (Klamer 1987, 170). Geld ist zudem divers affektiv besetzt: Geld-als-Einkommen wird persönlicher genommen als Geld-als-Staatschulden bzw. als Geld-als-Reichtum (meist anderer). Alltagspragmatisch ist Geld notorisch knapp, es zu erwerben ein kultureller Anreiz, es nicht zu haben ein social displacement. In den Sprachen A wird Geld zum Teil völlig anders kommuniziert als in den Expertensprachen Ö (zum Verhältnis Sprache und Ökonomie vgl. Shell 1982; Hundt 1995; Männel 2002; Priddat 2004; Kabalak/ Smirnova/Priddat 2008; Priddat 2013b). Wir haben es bei A mit „Ersatzeconomics“ (Klamer 1987, 170) zu tun, d. h. mit eigenen Alltagsakteurs-Geld-Theorien, die stärker die sozialen Status in den gesellschaftlichen Positionierungsmatrizes markieren

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als die ökonomische Funktion. Das gilt auch für die Wirtschaftsalltagssprache der Reichen (Priddat 2012a).

3 Neue Reichtumskommunikation und Folgen Wer viel hat, sorgt sich um seinen Erhalt, gibt aber auch aus für Projekte, die manchmal nur zeigen, dass man so viel hat, dass man so ausgeben kann. Wer Geld/Vermögen hat, hat damit potentiell alles, was er will. Das gilt als Glück bzw. als sein Surrogat. Genauer: Man will nicht etwas Bestimmtes, es geht nicht um Befriedigung von Bedürfnissen, sondern um Potenzierung der Möglichkeit, jedes Bedürfnis zu befriedigen (wieder die Optionalität des Geldes). Dazu wird mehr und mehr Geld benötigt (Druysen 2007; Priddat 2012a). Reichtum ist eine Fülle an Geld, die kein Telos hat (warum mehr Reichtum? [Priddat 2012a]). Die alten Reichen verausgabten ihr Geld mäzenatisch, oft in Überfülle. Heutiger Reichtum investiert hingegen weiter; Stiftungen sind, von Ausnahmen abgesehen, eher nur legitimatorische Zeichen. Das Geld verbleibt in der ökonomischen bzw. Anlagesphäre, verausgabt sich nicht in die Gesellschaft, in die hinein es sich in großartigen Projekten inszenieren könnte. Die Geldkommunikation Reichtum hat sich über die letzten hundert Jahre gewandelt: Statt reicher (mäzenatischer) Öffentlichkeitsgestaltung (Theater, Parks, Opern, Wohlfahrt, Universitäten, Schulen, ganze Plätze, Stadtviertel, Städte, Museen etc.) haben wir es, neben dem obligatorischen demonstrativen Konsum, mit Steueroptimierungstaktiken zu tun. Das Geld verschwindet in sich selbst. Die alte Erwartung, dass der, der reich wurde, an die Gesellschaft zurückgeben möge – gleichsam ein informelles Gerechtigkeitsmodell –, wird heute durch obsessive Privatierungstendenzen ersetzt. Das Geben und Nehmen übersetzt sich in ein Haben. Damit werden role models geschaffen: dass das Haben und Zeigen von Reichtum/Geld inklusive der damit einhergehenden performances und Inszenierungen schon öffentlichkeitswirksam genug wäre. Es geht nicht mehr um die Finanzierung öffentlicher Objekte/Infrastrukturen, sondern um die Inszenierung von events: performative Öffentlichkeit. Die gesellschaftliche Reichtumskommunikation hat sich geändert. Ihr folgt, absehbar kontradiktorisch, eine neue Verteilungsdiskussion (beginnend bei Fragen der Höhe der Boni von CEOs/Managern, ergänzt um Fragen der Zulässigkeit von Steueroptimierungen etc. [allgemeiner Piketty 2014]). Was in der Alltagsprache der Reichen aufscheint, diffundiert in die mentalen Modelle der gewöhnlichen Einkommensabhängigen, die den imaginativen Wert des Geldes gegen ihre limitierten Budgets abgleichen müssen. Sie sind zu haushälterischer Rationalität verdammt, der sie nur durch Kreditkarten (temporär) entkommen, durch Karrieren und durch Hoffnungsoperationen wie Lottospielen. Der Wunsch, viel Geld zu haben, bleibt unrealistisch. Aber das disposable income wird auf Konsumobjekte verteilt, die die Teilhabe am rich life style simulieren. Gegen die Zumutung

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der Rationalität geben auch sie Geld für Überfluss aus (shopping, viel konsumieren), ohne am Kapitalmarkt ihr relativ geringes Einkommen zu expandieren. So vermindert sich nicht ihr Vermögen, das sie nicht haben, sondern das lebensnotwendige Budget, das sie dagegen durch Karrieren, Erbschaften und manchmal kriminelle Handlungen relational steigern möchten. Sie sind vom Kapitalmarkt grosso modo ausgeschlossen bzw. Kapitalmarktinvestitionen sind für sie existentiell riskant. Man kann nicht anlegen, was man notwendig zum Leben braucht. Aber dennoch werden sie dazu überredet: Wertschöpfungssemantik einer economy of persuasion (Priddat 2013b, bes. Kap. 6). Das Geld hat für sie den gleichen imaginativen Wert, nur dass ihr faktisches Einkommen ihnen keine Spielräume lässt. Umso mehr hoffen sie auf Zugewinn ohne Arbeit. Letztlich bleibt ihnen aber nur die Verteilung ihres Einkommens auf Objekte symbolischen Zugewinns, d. h. auf Positionierungsgüter, die sie sozial aufwerten. Man investiert in Markierungen von Reichtumssimulation, d. h. man spricht mehr über Geld, als man hat. Geld ist ein Medium, das anreizt, mehr davon zu haben, aber zugleich ist es begleitet von der Erfahrung, es nicht zu bekommen (bzw. nicht ausreichend mehr davon zu bekommen, um es als Erlösung vom Einkommenszwang betrachten zu können). Weil das – realistischerweise – so ist, bleibt Geld ein hochwertiges Kommunikationsobjekt, das multipel belegt wird mit Erwartungen, Hoffnungen, Wünschen. Jenseits des Glaubens (an Gott) übernimmt das Geld funktional äquivalent die Rolle des Erlösers (Priddat 2012c; Hörisch 2013). Wenn man Geld hat, beruhigt es, weil man sich einer ungewissen Zukunft gegenüber gewappnet sieht. Es gewährt Handlungsund Reaktionsfreiheit. Hat man es nicht, dominieren Diskurse über Ungerechtigkeit (Warum haben andere, man selber nicht?) und Sehnsüchte (Wie bekommt man es?). Es ist ein Glücksversprechen, das sich nahe der Paradoxie bewegt, weil zugleich Erfahrungen kursieren, es nicht erfüllt zu bekommen. In dieser Spannung bewegen sich hypermoderne Gesellschaften, die in den Medien role models auftreten lassen, die scheinbar arbeitslos viel verdienen (Stars, Fußballer etc. Vgl. Pradtke 2014). Das, was daran als zuviel moralisch markierbar ist, ist zugleich ein agens movens, sich in diese Richtung zu sehnen. Geldkommunikationen dieser Art sind die letzten romantischen Glaubensbekenntnisse (subtiler Hörisch 1996).

4 Differenz von A und Ö: unterschiedliche Geldkommunikationen In der Eurokrisenatmosphäre 2013 haben die „einen Menschen Angst vor der Inflation, die anderen Menschen Furcht vor einer Währungsreform und die dritten Menschen haben Sorge vor einer Enteignung“ (Looman 2013, Sp. 1). Jeder legt sich seine eigenen Alltagsökonomien zurecht und liest das, was er darüber erfährt, aus der Per-

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spektive seines engen konzeptuellen Schemas als Bestätigung. Die Alltagsauffassungen von Akteuren werden in der „folk psychology“ (Nichols 2002) untersucht; Melvin Pollner spricht von den „mundane reasons“ einer „folk ontology“ (Pollner 2010, 20). Der letztere Ausdruck scheint mir angemessener, weil er das Manifeste der Alltagshandlungsprospekte betont: Es sind oft Grundhaltungen, eigene Sprachen A, keine psychologischen Attituden, die sich kontextual ändern. Für Alltagsakteure  – die Mehrzahl der Wirtschaftsakteure  – zerfällt die Wirtschaft in diverse Geschichten bzw. Narrative, die sie auf verschiedene Situationen verschieden anwenden (Priddat 2013b, Kap. 2). Ökonomie besteht für sie in einer Metageschichte (natürliche oder Selbstordnung des Marktes), ohne dass das ihrer Erfahrung entsprechen muss. Sie übernehmen bzw. glauben diese Erklärung der Ökonomik, ohne dass sie aber für sie handlungsleitend ist. Damit ist für sie die Ökonomik abgetan; der Rest sind ihre handlungsleitenden Storys, die sie fraktional verwenden, d. h. ohne daraus einen Gesamtzusammenhang zu stricken (über Imaginations, Fictions und Storys im ökonomischen Entscheidungskontext von Finanzmärkten vgl. Künzel/Hempel 2011, Beckert 2011; 2014; Kleeberg 2009). Das reicht aber nicht aus, um erfolgreiches Handeln in der Wirtschaft zu erklären, wenn die Akteure andere Sprachen als Ö sprechen, d. h. wenn eine Inkongruenz von beobachtbarem Handeln und Denken der Akteure angenommen werden muss (eine spezifische ludonarrative Dissonanz [vgl. Priddat 2013b, Kap. 2]). Die Ökonomik muss sich auf die Position zurückziehen, dass sie die unterstellte Kongruenz nur dann behaupten kann, wenn der Handlungsraum Wirtschaft solche Reize und Signale aussendet, die die Akteure, unabhängig von ihren Handlungs- und Weltmodellen, als corrigenda ihrer eigenen ursprünglichen Einschätzungen und Prospektionen auffassen. Denn wenn die Akteure in vielen Einschätzungen wirtschaftlicher Situationen z. B. Gerechtigkeit vor Effizienz gehen lassen (Bolton/Ockenfels 2000; Falk/Fischbacher 2006; Pesendorfer 2006), gehen sie in eine systematische Differenz zu den Annahmen der Sprache Ö und ihrer Theorien, die sich nicht durch Aufklärung, d. h. durch Lernen von Ö auflösen lassen. Die Alltagsakteure der Wirtschaft denken und sprechen anders, bilden eigene linguistic communities mit anderen Semantiken (z. B. M-Sprachen [moralische Gerechtigkeitssemantiken]). Gehen wir in eine Dimension hinein: Finanzhändler  – scheinbar Sprecher der Sprache Ö, faktisch aber eines bereichsspezifischen Soziolektes (eine Ö/A-Variante) – reden z. B. vom Markt als einem Lebewesen – nicht in finanzökonomischen, sondern in analogen biologischen und Alltagsterms: Er steigt, fällt; schlägt aus; er antwortet oder reagiert. Der Markt ist jeden Tag anders, unberechenbar, die Stimmung ist euphorisch oder nervös. Der Markt ist lebendig oder tot, er kann für dich oder gegen dich sein, ein Wichser oder Scheiß-Markt. Zuletzt bestraft er, nämlich Fehler (aus der Feldforschung von Laube 2012, 371).

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Sind die Bewegungen des Marktes besonders intensiv, ‚fällt es wie Sau‘, ‚stetig abartig‘, ‚schlägt aus‘ oder ‚produziert Kerzen‘. Dass dieses ‚es‘ ‚ausschlägt‘ und ‚Kerzen produziert‘, korrespondiert mit der visuellen Dynamik der Real-Time-Preiskurven auf den Händlerbildschirmen. (Laube 2012, 371).

Die Sprache ist eine Bild-/Alltagssprache, die den monetären oder Finanzmarkt als autonomes Lebewesen beobachtet und alltagsdeutsch interpretiert. Der Handel ist ein Handel mit diesem eigenartigen Lebewesen, das sich so schnell bewegt, dass man nur reagieren oder antizipieren kann. Der vernünftige Rest der rational choice, eine Überlegungsbesonnenheit, fällt aus; auf etwas, das sich nervös, euphorisch oder verrückt bewegt, reagieren die Händler ähnlich, von der Nervosität angesteckt, in einem high speed mood (genauer accelerated mood). Außerstande, in dieser Stimmung vernünftig geschweige denn ökonomisch zu reden, reagieren sie im teuflischen Markt mit ihrer gewöhnlichen Alltagssprache: auf Verluste mit Penner, Fotze, Scheiß-Ding, Hure, Wichser. Händler scheinen Verluste nahezu persönlich zu nehmen und den Markt dafür verantwortlich zu machen; auf jeden Fall werden Verluste als vom Markt zugefügt verbalisiert. So lautet ein diesbezüglich prägnanter Ausruf im Handelsraum: ‚ich habe den ganzen Tag auf die Fresse bekommen, mit meinen Scheiß-Longs‘. (Laube 2012, 373)

Ihre Sprache  – „Routinevokabular“ (Laube 2012, 375)  – erlaubt es den Händlern, mit der Geschwindigkeit der Marktreaktionen mitzukommen, indem sie Alltagsmetaphern verwenden, d. h. sich sprachlich in gewohnten Alltagshandlungsräumen bewegen, die sie auf ihre Finanzhandlungsräume übertragen. Ihre metaphorischen Modelle sind Übertragungen vor allem von Relationen […] aus einem Quellkonzept auf ein mehr oder weniger bekanntes Zielkonzept. Sie werden synonym verwendet mit analogen Modellen und Analogien. Die analoge Übertragung ist zu verstehen als Regel zur Strukturierung und zum Neuerwerb von Wissen. […] Metaphorische Modelle werden durch Metaphern, d. h. durch auf das metaphorische Modell verweisende Ausdrücke in Sprache gebracht. (Hundt 1995, 87; vgl. auch 108 ff.)

Lakoff/Johnson (2003) zeigen, dass die Konzeptualisierung von Wirklichkeit in hohem Maße metaphorisch strukturiert und organisiert ist. Mit dem Abstraktionsgrad des zu erfassenden Zusammenhanges steigt die Metapherndichte (Lakoff/Johnson 2003, 115), so z. B. in der Finanzkrise (Peter 2011, 140 ff.). „Metaphors not only define reality, but create a frame of interpretation for a particular worldview“ (Scacco 2009; zit. in Peter 2011, 142, Fn. 11). Sie legen die Finanzprozesse in ihren Erfahrungsraum zurück, um die Handhabung des Ungewohnten/Unsicheren in einem gewohnten Medium auszuführen  – in ihrer Sprache A (bzw. A/Ö). Sie interpretieren die Geldwelt der Wirtschaft in der Sprache A ihrer Welt, d. h. sie übersetzen sie nicht in Ö, sondern in A, weil A ihre Alltagsbewältigungssprache ist. Ihnen kommt es nicht auf irgendeine (ökonomische)

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Theorie an, sondern auf Erfolg, d. h. auf erfolgreiches Handeln (vgl. auch Svetlova 2010). Dass sie die Sprache verwenden, die sie brauchen für ihre Handhabungen, ist nur ein Beispiel für die vielen Varianten der Sprache A bzw. der Soziolekte A/Ö, die in der Wirtschaft üblich sind und die alle gemeinsam haben, dass sie nicht in Ö aufgehen. Aber auch die Theoriesprachen Ö sind metapherndurchsetzt (McCloskey 1981; Hundt 1995, 147 ff.; besonders die metaphorischen Modelle in der Geldtheorie [Übersicht S. 282]), d. h. vielfach rhetorisch statt durchgehend analytisch.

5 Fin Wenn wir die Kommunikationsdifferentiale A und Ö auf die Konsequenzen für die Theorie betrachten, ist fortan Folgendes zu beachten: Da die Sprache Ö und ihre ökonomischen Theorien mit dem Umstand rechnen müssen, dass die Akteure A sprechen, können sie ihre Akteure nicht mehr umstandslos als Ö-Sprecher fungieren lassen. Lässt sie aber A-sprechende Akteure zu, enthält die ökonomische Theorie andere Begriffsschemata und gegebenenfalls  – wenn auch in einem schwachen Sinne – andere ökonomische Theorien (vgl. dazu Priddat 1998). Das können erstens andere ökonomische Theorien in der Sprache Ö sein (Theoriepluralismus), aber zweitens auch andere ökonomische Theorien in der Sprache A. Nehmen wir ein Beispiel für den ersten Fall. Eine erste Komplikation entsteht dadurch, dass mikroökonomische Akteure gewöhnlich, trotz der Präsenz von Makroökonomie, nicht als Akteure modelliert werden, die makroökonomische Bedeutungen für ihr (mikroökonomisches) Handeln aufnehmen und werten. Die Komplikation lautet genauer: Wie modelliert man mikroökonomische Akteure, die makroökonomische Theorien kennen? Die Frage des Theorienpluralismus, die neuerdings in der methodologischen Debatte zugestanden wird, führt über die liberale Attitude, andere Theorien im Wissenschaftskosmos für legitim (wenngleich auch oft gleichzeitig für irrelevant und deshalb für tolerabel [Priddat 1996]) zu halten, hinaus in den Kern der eigenen Theoriebildung. Wir haben es mit Theorien zu tun, die andere Theorien enthalten, die mit der eigenen Theorie nicht konform gehen (Priddat 1998; Priddat 2013a). Das schließt alle Geldkommunikationen mit ein. Denn wie ein Akteur mit dem Geld umgeht, über das er verfügt, ist weder einem klaren Schema noch seiner individuellen Einschätzung allein geschuldet, sondern den semantischen Inklusionen, in denen er sich bewegt. Geld ist ein Universaloperator, der deshalb in den verschiedenen Situationen, Konstellation, Communities, Netzen etc. verschieden (kontextualisiert) gehandhabt werden kann (Ipsen 2010, 286 f.). Wie man damit umgeht, gehört zu den Usancen der Transaktionsfelder – den semiosphärischen Einbettungen, in denen man sich je bewegt.

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Die Transaktion, die so fundamental ist für die Erklärung ökonomischer Prozesse, fordert kein gemeinsames Verständnis, keine homogene Kommunikation der Geldverwendung. Man kann miteinander transagieren, ohne voraussetzen zu müssen, ein gleiches Geldverständnis zu haben. Jeder kann daraus mitnehmen, was ihm wichtig erscheint, was seine social community ihm rät, was er an Erwartungen aus den allgemeinen und aus den wirtschaftlichen Kommunikationen sich herausnimmt. Nicht das Geld bestimmt die Kommunikation, sondern die Kommunikationen bestimmen den Geldumgang. Man sieht, dass es auf die Kommunikation ankommt, auf die aus ihr bezogenen Zuschreibungen, nicht auf ein scheinbar eindeutiges Geldschema. Das spiegelt sich in der ökonomischen Theorie, der kein allgemeingültiges Konzept gelungen ist (vgl. Brodbeck 2012).

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Heidrun Gerzymisch

3. Textverstehen – Kohärenz – Individuelle Hypothesen – am Beispiel eines Wirtschaftstextes Abstract: In der Regel wird Textverstehen und Kohärenzbildung in einem engen Zusammenhang gesehen. Dabei gilt, dass sich Kohärenzprozesse einerseits über das manifest vorliegende Textmaterial und andererseits über individuelle Hypothesen des Textrezipienten herstellen. Beim Textverstehen von Fachtexten spielen fachliche Hypothesen zur Kohärenzbildung eine große Rolle. Während sich Experten im Fach fachliche Hypothesen beim Verstehen von Texten nicht bewusst machen (müssen), spielen diese jedoch bei der Rezeption und Übersetzung fachlicher Texte eine herausragende Rolle, zum Beispiel wenn es darum geht, die Ausdrucksvielfalt von Termini als Synonymik zu deuten (und zu übersetzen). Der Artikel behandelt das Problem des Textverstehens beim Lesen (fachlicher) Texte. Ausgehend von der Unterscheidung zwischen System- und Textwissen werden explizite und implizite fachliche Texte unterschieden sowie Kohärenz und individuelle Hypothesen. Auf dieser Basis werden Zusammenhangbildungsprozesse über ein Standardleseverfahren gezeigt, die dazu notwendigen individuellen Hypothesen beleuchtet sowie Kohärenztypen unterschieden und an einem Textbeispiel veranschaulicht. 1 Phänomen und Einordnung 2 Vorausgesetzte Unterscheidungen 3 Kohärenz und Lesehandlung 4 Zusammenfassung und Beispiel 5 Literatur 6 Beispieltexte

1 Phänomen und Einordnung Fachliche Texte gelten allgemein als schwer zugänglich für Laien bzw. Nicht-Experten wie z. B. beim Übersetzen und Dolmetschen. In der Regel wird dies auf die Häufigkeit der verwendeten Termini zurückgeführt, die über das fachliche Hintergrundwissen zwar dem Experten ohne Weiteres zur Verfügung stehen, deren Textbedeutung sich aber Nicht-Experten oft mühsam erschließen müssen. Dabei wird auch heute noch häufig angenommen, das mehrsprachige terminologische Bedeutungsproblem ließe sich kontextfrei, etwa über terminologische Datenbanken lösen, jedoch erschließt sich der fachliche Zusammenhang einer Benennung meist erst im aktuellen Text (zur

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Erschließungsproblematik von Termini im Kontext, insbesondere bei der Übersetzung, vgl. Gerzymisch-Arbogast 1996, 2003a und 2008; zur Erschließung von Termini beim Konferenzdolmetschen vgl. insbesondere Will 2009). In den folgenden Ausführungen geht es um zwei Problemkreise: 1) um den Problemkreis Terminus und die ‚Bedeutungsfalle‘ seiner allzu oft nur isolierten atomistischen Betrachtung als Verstehensproblem fachlicher Texte und 2) um die Frage des Zusammenhangs, den ein Terminus oder auch andere (fachliche) Ausdrücke mit dem Text herstellen und wie ein fachlicher Text z. B. einem nicht-fachlichen Leser (auch im Sinne einer horizontalen Schichtung) zugänglich, verständlich gemacht werden kann, indem man die Bezüge im Textzusammenhang als Kohärenz offenlegt und damit transparent macht. Zum Problemkreis 1) besteht heute kein Zweifel mehr daran, dass die fachliche Bedeutung des Terminus nicht allein als systematische ‚Eineindeutigkeit‘ im Wüster’schen Sinn festgelegt werden kann, sondern häufig im Text in mannigfacher Weise variiert als Kontamination, als Variation eines Type zur Vermeidung von Monotonie oder als erklärende Umschreibung zur Verständnissicherung. Zum Problemkreis 2) wird hier exemplarisch ausgeführt, welche kohärenzstiftenden Bezüge beim Lesen fachlicher Texte hergestellt werden können. Dabei wird davon ausgegangen, dass Texte individuell gestaltet werden, d. h. nicht nur von Autor zu Autor, sondern auch vom gleichen Autor je nach Zweck und Situation (auch unter Rückgriff auf andere Texte, Stichwort ‚Intertextualität‘) unterschiedlich verfasst werden können. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang häufig von der Intention des Autors gesprochen (vgl. exemplarisch de Beaugrande/ Dresslers Textualitätskriterien (1981), für das Übersetzen exemplarisch auch Nord 2009). Dabei wird jedoch häufig außer Acht gelassen, dass ein Leser die Autorenintention meist nicht kennt, sondern über die Autorenintention nur Annahmen, Hypothesen anstellen kann. Welche möglichen Zusammenhänge über verschiedene Hypothesen hergestellt werden können, wird im Folgenden (Kap. 3) dargestellt. Zunächst sind jedoch einige Unterscheidungen notwendig, um dieser Problematik aus der Lesersicht systematisch zu begegnen. Eine dieser Unterscheidungen ist die Differenzierung in Wissen und Text, was wiederum zur Unterscheidung von explizit fachlichen und implizit fachlichen Texten führt, woran sich die Unterscheidung unterschiedlicher Kohärenz- und Hypothesentypen anschließt, über die sich ein Leser bei der Verstehenssicherung klar werden muss. Über die Bewusstmachung der individuellen Annahmen durch einen Leser wird es möglich, den Textzusammenhang (Kohärenz) herzustellen und diesen inter-individuell nachvollziehbar, also transparent zu machen. Dies soll im Folgenden genauer beschrieben werden, wobei von einer Reihe von Voraussetzungen ausgegangen wird.

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2 Vorausgesetzte Unterscheidungen 2.1 Der Text als individuelle Einheit Wir verstehen unter Text phänomenologisch das, was eine Gemeinschaft als Gebilde mit einem Anfang und einem Ende, bestehend aus sprachlichen und/oder nichtsprachlichen Elementen (z. B. Bildern) als Text deklariert und einem (Typ von) Empfänger ‚anbietet‘ (vgl. dazu ausführlich Mudersbach 1999 und 2004 sowie Sunwoo 2012). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Leser für die Vermutung, dass es sich um einen Text handelt, zwar Annahmen über die Autorschaft machen muss, dass er aber sein Verstehen des Textes nicht als Rekonstruktion der Autoren-Intention auffassen muss, sondern für sich ein kohärentes Ganzes daraus machen kann. (Mudersbach 2004, 254)

Dieses Verständnis trägt der Tatsache Rechnung, dass ein Leser erst bei oder nach der (mehrmaligen) Lektüre entscheidet, ob ein Text für ihn/sie einen Sinn ergibt, d. h. kohärent ist. Im Gegensatz zum Textualitätskriterium ‚Kohärenz‘ de Beaugrande/ Dresslers (1981) wird Kohärenz hier also nicht als Vorbedingung für das Rezipieren eines Textes betrachtet, sondern erst im Nachhinein nach der Lektüre möglicherweise festgestellt. Dabei gelten Gliederungssignale wie Überschrift, Absätze, Satzgrenzen u. a., die dem als Text zu rezipierendem Gebilde eine gewisse Struktur verleihen, natürlich als Verstehenshilfen. Der Gedanke der Individualität ist also im Phänomen inbegriffen und wir können sagen, dass ein Text in seiner individuellen Dimension auf der Individualebene angesiedelt ist und wissenschaftlich betrachtet werden kann. Unter Individualebene verstehen wir eine der drei möglichen wissenschaftlichen Betrachtungsebenen im Rahmen des IKS-Modells (Mudersbach 1999, 2001): Prinzip der Betrachtungs-Ebenen (Individual-, Kollektiv-, System-Ebene) (I-K-S-Prinzip): Die Datensammlung bzw. die Theorie kann eine der folgenden Ebenen betreffen: Die Individual-Ebene: Individuelle Objekte, deren individuelle Eigenschaften und deren Beziehungen zueinander werden beschrieben. Die Zusammenfassung von solchen individuell unterscheidbaren Objekten zu einer Menge gehört in diese Ebene (cf. Cantors Definition der Menge). Ebenso die damit definierbaren Mengenrelationen und Mengenoperationen. Die Kollektiv-Ebene: Eine Auswahl (Kollektiv, nicht „Menge“) von Objekten wird hinsichtlich einer Auswahl von Eigenschaften (quantitativ oder qualitativ) klassifiziert, d. h. in statistisch auswertbare Gruppen zusammengefasst (Kollektivierung). Die System-Ebene: Statt der Objekte bzw. Kollektive werden nur noch daran relevante Eigenschaften und Beziehungen beschrieben (System-Abstraktion). (Mudersbach 1999, 201, vgl. auch Gerzymisch-Arbogast 1996 und 2003b)

Legt man das IKS-Modell Mudersbachs zugrunde, so lässt sich ein Text auf der Individualebene beschreiben als Katalog von individualisierenden und charakterisierenden Eigenschaften, wobei die Mengenbildung hier extensionalen Charakter hat

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(vgl. dazu Gerzymisch-Arbogast 1996, 23 ff.). Die charakterisierenden Eigenschaften lassen sich per Abstraktion zu einem ‚Typ‘ auf der Systemebene als I-System abstrahieren. Bei der Abstraktion gehen die individualisierenden Eigenschaften verloren. Die charakterisierenden Eigenschaften lassen sich auch über die Bildung eines Kollektivs statistisch auf der Kollektiv-Ebene untersuchen, wobei mit der Bildung eines Kollektivs auch charakterisierende Eigenschaften des Untersuchungsobjekts verloren gehen, eine Tatsache, die häufig in empirischen (statistischen) Untersuchungen vernachlässigt wird.

2.2 Drei Betrachtungsebenen des Textes Auf der Individualebene des Textes unterscheiden wir drei Betrachtungsebenen, auf denen (fachliche) Texte untersucht werden können: eine einzelproblemspezifische, atomistische Betrachtungsebene, eine ganzheitliche holistische Betrachtungsebene und eine zwischen diesen beiden Ebenen vermittelnde hol-atomistische Ebene. Nur aus der Gesamtschau aller dieser drei Betrachtungsebenen kann ein Text als kohärent im hier zugrundegelegten Sinn verstanden werden. – Die atomistische Perspektive fragt nach Aspekten und deren Ausprägungen/ Werten im Text, die als Einzelbausteine individuell auftreten können. Beispiele sind individuelle autorenspezifische Prägungen und ad hoc-Wendungen als Bausteine und Einzelaspekte. Eine Visualisierung ist möglich als Aspektmatrix. – Die holistische Perspektive fragt nach im Text angelegten Gesamtvorstellungen, zum Beispiel formal nach der Gestaltung von Geschäftsbriefen oder inhaltlich nach dem Leserbezug oder der Adressatenorientierung in Texten. Eine Visualisierung der holistischen Gesamtvorstellungen kann über semantische Netze erfolgen. – Die hol-atomistische Perspektive vermittelt zwischen diesen beiden Polen und beschreibt die Verschränkung von Texteinheiten bspw. über die Isotopie oder die Informationsgliederung (Thema-Rhema-Gliederung). Auch hier ist eine Visualisierung über semantische Netze möglich (vgl. Gerzymisch-Arbogast/Mudersbach 1998).

2.3 Wissen und Text Neben der Art der Betrachtungsebene eines fachlichen Textes aus atomistischer, holistischer und hol-atomistischer Sicht durch einen Leser unterscheiden wir weiter zwischen einem Text als individueller Verwendungseinheit und einem Systemwissen, dem Vorwissen, das in den Text eingeht. Die Unterscheidung von System und Text hat Konsequenzen für das Verstehen von Texten. Sie entspricht etwa der Unterscheidung in langue und parole, die Ferdi-

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nand de Saussure Anfang des 20. Jahrhunderts in die Sprachwissenschaft eingeführt hat. Dabei ist die langue, das Sprachsystem, die Menge von sprachlichen Einheiten und Regeln, die eine beliebige Sprache ausmachen und Voraussetzung dafür ist, dass man sich in dieser Sprache ausdrücken und verständigen kann. Davon zu unterscheiden ist die parole, die Verwendung dieses Systems bei jeder Art sprachlicher Kommunikation. Wir verwenden hier System weiter gefasst als Systemebene im Sinne des oben angesprochenen IKS-Modells (Mudersbach 1999). Für das Lesen von (fachlichen) Texten heißt dies, dass das (Vor)wissen (Systemebene) als Verstehensvoraussetzung immer mit den aktuellen Phänomenen der Individualebene des Textes verschränkt ist. Speziell beim ‚übersetzenden‘ Lesen werden zudem kollektive charakterisierende Merkmale (wie bspw. der Texttyp oder die Textsortenkonventionen) neben den – mehr oder weniger – individualisierenden Eigenschaften den Text ‚einzigartig‘ machen, ihn insgesamt als individuelle Einheit auszeichnen. Diese individuelle Dimension ist eng mit dem Problem der Kontextbedeutung verknüpft und bezieht sich sowohl atomistisch auf das einzelne Wort und Syntagma als auch hol-atomistisch auf größere Texteinheiten und ihr Zusammenspiel miteinander bezogen auf Satz, Absatz, Kapitel oder Titel des Textes. Bei der Analyse der Verknüpfung von Text und Fach- bzw. Weltwissen helfen die drei Textperspektiven atomistisch, holistisch und hol-atomistisch, wie sie in der Methodentrias Aspektex, Holontex und Relatex (Mudersbach 1991) bzw. Aspektra, Holontra und Relatra (Gerzymisch 2008, 2013; vgl. auch insbesondere die überarbeitete Version bei Sunwoo 2012) dargestellt werden.

2.4 Der explizite und implizite fachliche Text Wir gehen hier davon aus, dass sich die Fachlichkeit von Texten explizit als eingeführte Termini oder Fachwissensbestände oder implizit als vorausgesetztes Welt- und Fachwissen zeigen kann und unterscheiden daher – Explizite fachliche Texte, die explizit über einen fachlichen Sachverhalt informieren, und auf der (atomistisch) Wörter oder auch syntaktische Strukturen textimmanent miteinander in Beziehung gesetzt werden. Diese atomistischen Einzelphänomene werden im Textverlauf in ihrer sinnkonstituierenden Verknüpfung (hol-atomistisch) transparent. – Implizite fachliche Texte, die implizit auf textexterne Wissensvoraussetzungen oder Hypothesen zurückgreifen und die bei der Zusammenhangbildung über den subjektiven Faktor, also die eigene (individuelle) Komponente der Leserin, holistisch in den Verstehensprozess mit einfließen. Implizite fachliche Texte sind in der Regel dem Nicht-Experten nur schwer zugänglich.

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3 Kohärenz und Lesehandlung Bei der metasprachlichen Beschreibung von Texten  – nicht schon bei der ersten Rezeption des Phänomens  – spielt der Kohärenzbegriff (vgl. exemplarisch Bellert 1974; de Beaugrande/Dessler 1981) eine tragende Rolle. Unterscheidendes Merkmal zum hier verwendeten Kohärenzbegriff (ausgeführt bei Gerzymisch-Arbogast 1999; Mudersbach 2004; Gerzymisch 2013) ist, dass Kohärenz nicht als Eigenschaft eines Textes gefasst wird, sondern als reflektierter aktiver Zusammenhangbildungsprozess des Lesers/der Leserin, der über die Differenzierung individueller Hypothesen transparent wird und von der Leserin auf der Basis der Informationssequenzierung über Thema-Rhema-Gegebenheiten (vgl. Gerzymisch-Arbogast 1987) als Indikator für Kohärenz kontrolliert werden kann. Dieses Verfahren soll im Folgenden dargestellt und veranschaulicht werden (zu den notwendigen formalen Voraussetzungen vgl. ausführlich Mudersbach 2004).

3.1 Kohärenz und Differenz Wir folgen zunächst der Unterscheidung Mudersbachs (2004, 249) in kohärente, inkohärente und a-kohärente Texte, je nachdem, ob die betrachteten Textstücke explizit miteinander zusammenhängen (kohärent), miteinander inkompatibel sind (inkohärent) sind oder nichts miteinander zu tun haben, aber sich dabei nicht stören (a-kohärent). Der Ausdruck nicht-kohärent bleibt solchen Fällen vorbehalten, die entweder inkohärent oder a-kohärent sind. Als kohärent miteinander verknüpft können wir in Text 1 (s. Kap. 6) alle Textstücke betrachten. In Text 2 (s. Kap. 6) ist der zweite Abschnitt als a-kohärent zu werten, da er über die Autorin Aussagen macht, die nicht mit dem Titel in Verbindung stehen. Er ist nicht-inkohärent, da hier zwar die Thematisierung von Geld und Bankerin, nicht aber der Beruf der Autorin als Psychoanalytikerin zur Kohärenzbildung beiträgt, aber im Textzusammenhang nicht ‚stört‘. Inkohärent wäre dagegen der Textbeginn von Text 1, wenn das Faust-Zitat – wie dies in der Prüfungspraxis für Übersetzer wegen des damit verbundenen Rechercheaufwandes häufig vorkommt weggelassen würde und der Text mit „Margaretes Ausspruch […]“ beginnen würde. Der Leser/die Leserin vergewissert sich beim Textverstehen entlang eines vorausgesetzten Standardleseverhaltens schrittweise, ob er/sie den Text als kohärent rezipieren kann. Nach dem Standardleseverfahren beginnt der Leser/die Leserin mit dem Lesen des Titels, der Gliederung (des Inhaltsverzeichnisses) und dem Lesen des Vorworts. Dann beginnt er/sie mit dem ersten Satz des ersten Kapitels und liest auf diese Weise linear das Buch bis zum Ende durch (Mudersbach 2004, 252). Dieses Verfahren spiegelt die Autor- und Lesererwartung, bei dem Abweichungen (z. B. inkohärente oder a-kohärente Teile) erkennbar werden. Abweichungen vom Standardleseverhalten können dazu führen, dass der Text als nicht kohärent rezipiert wird.

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Werden beim partiellen Lesen – dies ist zum Beispiel in der Übersetzungspraxis im Fall von Team-Übersetzungen häufig der Fall – lediglich Textteile rezipiert, so kann dies zu Verstehensproblemen führen, die im Zweifelsfall unter Rückgriff auf das Standardleseverfahren zu überprüfen und aufzulösen sind. Diese Prüfung kann aktuell schrittweise und rekursiv durchlaufen werden. Im dritten Abschnitt des Beispieltextes ergibt sich möglicherweise z. B. für den fachlichen Ausdruck „phantastisches Objekt“ eine A-Kohärenz, wenn zu partiell rezipiert und keine aspektive Kohärenz zum Teiltitel (vgl. Kap. 3.3) bzw. dem zweiten Absatz des Beispieltextes im Anhang hergestellt werden kann. Dabei wird das Prinzip der durchgängigen Thema-Rhema-Gliederung (Gerzymisch-Arbogast 1987, 2003a, 2004b) angewandt. Das Grundprinzip auf den verschiedenen Ebenen des Textes ist das Wechselspiel von Thema und Rhema, mit anderen Worten das Wechselspiel von Anbindung an das Vorausgehende und Weiterführung der Information. Die vom Autor vorgenommene Anbindung an das Vorausgehende durch Kohärenzmarkierungen wie z. B. Thema-Indikatoren wird vom Leser durch Kohärenzprüfung festgestellt. Kohärenz lässt sich daher als das fassen, was für den Leser mit dem Vorausgehenden (auf derselben Ebene oder auf einer übergeordneten Ebene) zusammenhängt bzw. sich thematisch daraus ergibt. Die Weiterführung muss dann notgedrungen dazu etwas Neuartiges sein, das vom Vorausgehenden verschieden ist, also etwas Rhematisches. Wir bezeichnen dieses Rhematische in Texten mit Mudersbach (2004) als Differenz.

3.2 Die Standard-Lesehandlung Die Lesehandlung (Mudersbach 2004) beginnt top-down vom Titel, der als Thema aufgefasst wird, zum ersten Kapitel und zum ersten Satz. Die Titel werden als Thema auf der jeweiligen Ebene (Satz – Kapitel usw.) verstanden. Danach beginnt die Satzfür-Satz Lektüre bis hin zum Absatz- bzw. Kapitelende. Verschränkt mit diesem topdown Vorgehen läuft der Verstehensprozess bottom-up mit der Kohärenz-Betrachtung und mit dem noch wenig beachteten Gegenstück, der Differenz-Betrachtung (in der klassischen Terminologie die Rhemata, die im Rahmen eines Absatzes aufeinanderfolgen), insofern als sie die Kohärenzbedingung erfüllen und dazu noch etwas mit den vorangegangenen Rhemata gemeinsam haben.

3.3 Kohärenz- und Hypothesentypen Auf diese Weise lassen sich verschiedene Kohärenztypen unterscheiden: – Satzinterne Kohärenz, die durch die Zusammengehörigkeit der Satzglieder gegeben ist;

Textverstehen – Kohärenz – Individuelle Hypothesen  

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– Satzpaar-Kohärenz (lokale Kohärenz), die gegeben ist, wenn sich eine Argumentstelle (im Sinne der Relatex-Methode als meist nominale Besetzung einer Valenzstelle, vgl. Gerzymisch-Arbogast 1996) des Satzes 2 durch eine ‚Hypothese der Gleichheit‘ (s. u.) mit Satz 1 verbinden lässt. – Aspektive Kohärenz, die gegeben ist, wenn ein Leser zu einem Aspekt A eines Textstücks einem Textstück B denselben oder ähnlichen Aspekt oder Aspektwert zuordnen kann. Sie wird nicht dadurch hergestellt, dass sich zwei Ausdrücke in den Texten gleich oder ähnlich sein müssen, sondern dass die Themen der beiden Textstücke bezogen auf einen (abstrahierten) Aspekt oder Aspektwert abgebildet werden können. Diese Betrachtung ist vergleichbar etwa mit der semantischen Beschreibung von Kohyponymen, die zum selben Oberbegriff gehören, zum anderen aber in Opposition zueinander stehen. Der Gedanke bei diesem sehr häufig auftretenden Kohärenztypen, der hol-atomisch Zusammenhänge, zum Beispiel Isotopieebenen (Gerzymisch-Arbogast 2004a), im Text offenlegt, ist hier, dass zwei Textstücke – wenn sie etwas Thematisches gemeinsam haben – aus der Sicht des Lesers miteinander verbunden sind, ohne dass dies unbedingt am Wortmaterial, wie dies für die Satzpaar-Kohärenz gilt, festzumachen ist. Die aspektive Kohärenz ist Grundlage für die beiden folgenden Kohärenztypen, die sich auf größere Texteinheiten beziehen. – Absatz-Kapitelthema-Kohärenz ist gegeben, wenn zwischen dem Absatz A eines Kapitels und dem Kapitelthema aspektive Kohärenz hergestellt werden kann. Dabei kann (aber muss nicht notwendigerweise) das Thema des ersten Satzes eines Kapitels sowohl mit dem letzten Satz im vorangegangenen Absatz als auch bezogen auf das übergeordnete Kapitelthema aspektiv kohärent sein. – Kapitel-Titel-Kohärenz ergibt sich für den Leser dann, wenn zwischen einem Kapitelthema und dem Mitteilungsthema im Titel aspektive Kohärenz hergestellt werden kann. Dabei sind dies i. d. R. über den Rückgriff auf Vorangegangenes thematische Bezüge. Die Differenztypen ergeben sich entsprechend. Eine Diskussion der von Mudersbach unterschiedenen überaus wichtigen holistischen Kohärenz in Form und Inhalt des Textes (Mudersbach 2004, 263 ff.) würde den Rahmen dieses Artikels, der sich auf den Kohärenzbildungsprozess beim Standardleseverfahren konzentriert, sprengen und bleibt daher hier aus der Betrachtung ausgeklammert. Da die aspektive Kohärenz und aspektive Differenz von besonderer Bedeutung für die Zusammenhangbildung durch den Leser ist, soll dies am Beginn des Textes 2 (vgl. Kap. 6) veranschaulicht werden:

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 Heidrun Gerzymisch

Macht und Magie des Geldes – Heiligtum und Fetisch Willst du den Wert des Geldes erkennen, versuche dir welches zu borgen. Benjamin Franklin Nach Geld drängt, am Golde hängt doch alles. Ach, wir Armen! Margarete, „Faust“, J. W. von Goethe Margaretes Ausspruch fasst die besondere Bedeutung des Goldes und des Geldes zusammen…

In diesem Beispiel sind alle oben genannten Kohärenztypen vertreten: Die satzinterne Kohärenz ergibt sich jeweils aus der Zusammengehörigkeit der Satzglieder. Satzpaar-Kohärenz lässt sich leicht dadurch herstellen, dass hier das Argument Geld per Gleichheitshypothese an Vorausgehendes, nämlich an das Argument Geld in der Überschrift „Macht und Magie des Geldes“ angeschlossen werden kann. Aspektive Kohärenz ergibt sich über die Bildung des gemeinsamen Aspekts ‚Funktionalität des Geldes‘, mit dem zwischen „Wert des Geldes“ und der Überschrift „Macht und Magie des Geldes – Heiligtum und Fetisch“ (Kapitel-Titel-Kohärenz) ein aspektiver Zusammenhang hergestellt werden kann, der dann im folgenden Faust-Zitat über „Geld“ (Satzpaar-Kohärenz) und „Gold“ (Kapitel-Titel-Kohärenz) aspektiv weitergeführt wird. Die Absatz-Kapitelthema-Kohärenz lässt sich beim Absatzbeginn über „Margaretes Ausspruch…“ veranschaulichen, der mit „Margarete“ zum einen auf das vorangegangene Zitat verweist und zum anderen über die Zusammenfassung der „besonderen Bedeutung des Goldes und des Geldes“ auch aspektive Differenz indiziert, nämlich einmal zum Rhema „am Golde hängt doch alles. Ach, wir Armen!“ des vorangegangenen Zitats (Absatz-Kapitelthema-Differenz), überdies zum rhematischen Teil der Überschrift „Heiligtum und Fetisch“ (Kapitel-Titel-Differenz).

3.4 Individuelle Hypothesen Spätestens bei der Analyse auf Satzpaarebene ergibt sich für einen Leser das Problem der Implizitheit, das zur Zusammenhangherstellung in Texten die Bildung von Hypothesen erfordert. Wir haben oben bereits von einer Hypothese der Gleichheit gesprochen. Im Folgenden wird eine Reihe von Hypothesen unterschieden, die in ihrer Ausprägung individuell variieren und daher zu einem unterschiedlichen Verstehen auch von fachlichen Texten führen können. Die folgenden Unterscheidungen nach zunehmender Stärke basieren auf den Ausführungen von Mudersbach (2004, 260): – Hypothese 0 (Hypothese der Gleichheit) als direkte Identität oder Anapher (vgl. das Beispiel der Rekurrenz von Geld oben)

Textverstehen – Kohärenz – Individuelle Hypothesen  

 55

– Hypothese 1 (Hypothese der Synonymität) als Annahme, dass ein Wort/Terminus mit dem anderen synonym ist bzw. den gleichen Bedeutungsumfang hat, also extensional gleich ist (z. B. money supply und money stock) – Hypothese 2 (Hypothese des ‚Miteinander-zu-tun-Habens‘) als Annahme, dass ein Ausdruck etwas mit der Sache zu tun hat, die mit einem anderen Ausdruck benannt wird (z. B. ein Teil von einem Ganzen sein, vgl. hierzu Gold und Geld und im Text 2 der globale Finanztopf, Finanztopf mit den CDOs oder Credit Default Obligations) – Hypothese 3 (‚hermeneutische‘ Verstehens-Hypothese im Sinne von Dilthey oder im Sinne des genetischen Verstehens bei Jaspers). Auch diese Art der Hypothese spielt bei fachlichen Texten eine große Rolle, wenn zum Beispiel im Sinne einer horizontalen Schichtung in einem Text Ausdrücke oder Termini verwendet werden, die einem anderen Fachbereich angehören (vgl. das obige Beispiel des „phantastischen Objekts“). Die Stufung dieser Hypothesen beansprucht keine Vollständigkeit. Wichtig ist nur, dass der Leser sich klar macht, welche Art von Hypothese er bei der Kohärenzbildung verwendet, weil davon abhängt wie individuell sein Textverstehen aufgrund der Kohärenzbildung ist bzw. ob das Textverstehen inter-individuell vermittelbar ist.“ (Mudersbach 2004, 260)

4 Zusammenfassung und Beispiel einer Kohärenzbildung mit Hypothesen Das Verstehen eines Textes erfolgt in Form einer Kohärenzbildung durch eine Verschränkung von explizitem Textmaterial (thematische oder rhematische Ausdrücke) mit implizitem Wissen (individuelle Hypothesen). Das explizite Textmaterial wird über eine Standardlesehandlung erschlossen, Abweichungen vom Standardleseverfahren können zu Kohärenzlücken führen. Die Hypothesenbildung erfolgt textimmanent über implizite Sachverhalte und/oder über textexterne Wissensvoraussetzungen aus der individuellen Wissensbasis der Leserin/des Lesers. Dies ist für jeden Einzelfall zu analysieren. Beispiel: Wir gehen vom Text 1 aus und nehmen an, dass am Ende des ersten Abschnittes der Ausdruck Fed backstop Verstehensschwierigkeiten für eine Leserin/ Übersetzerin macht, im Sinne der Thema-Rhema-Gliederung also ‚fraglich‘ ist. Hier wäre nach der Standardlesehandlung zu prüfen, ob dieser Ausdruck in der vorangegangenen Aussage bzw. im Titel als Thema erscheint. Dies ist zu bejahen, wenn die Leserin Fed backstop über eine Hypothese 2 mit dollar liquidity access im Sinne einer aspektiven Kohärenz in Verbindung bringen könnte. Dann wäre über eine individuelle Hypothese Kohärenz hergestellt, individuell, da ja nicht jede Leserin

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 Heidrun Gerzymisch

diese Hypothese über ihr implizites Fachwissen herstellen kann. Das Textverstehen bzw. die Kohärenzbildung ist also in hohem Maße eine individuelle Tätigkeit.

5 Literatur Beaugrande, Robert de/Wolfgang U. Dressler (1981): Einführung in die Textlinguistik. Tübingen. Bellert, Irena (1974): Über eine Bedingung für die Kohärenz von Texten. In: Werner Kallmeyer u. a. (Hg.): Lektürekolleg zur Textlinguistik. Bd. 2: Reader. Frankfurt a. M., 213–245. Gerzymisch-Arbogast, Heidrun (1987): Zur Thema-Rhema-Gliederung in amerikanischen Wirtschaftsfachtexten. Eine exemplarische Analyse. Tübingen. Gerzymisch-Arbogast, Heidrun (1996): Termini im Kontext: Verfahren zur Erschließung und Übersetzung der textspezifischen Bedeutung von fachlichen Ausdrücken. Tübingen. Gerzymisch-Arbogast (2003a): Die Thema-Rhema-Gliederung in fachlichen Texten. In: Udo O. H. Jung/Angelina Kolesnikova (Hg.): Fachsprachen und Hochschule. Forschung – Didaktik – Methodik. Frankfurt a. M. u. a., 43–65. Gerzymisch-Arbogast (2003b): Norm and Translation Theory. Some Reflections on Its Status, Methodology and Implications. In: Klaus Schubert (Hg.): Übersetzen und Dolmetschen: Modelle, Methoden, Technologie. Tübingen (Jahrbuch Übersetzen und Dolmetschen, 4/I), 47–68. Gerzymisch-Arbogast, Heidrun (2004a): On the Translatability of Isotopies. In: Fougner Antin/ Werner Koller (Hg.): Les limites du traduisible. In: FORUM. Paris: Presses de la Sorbonne Nouvelle KSCI. Vol. 2, No. 2, 177–197. Gerzymisch-Arbogast, Heidrun (2004b): Theme-Rheme Organization (TRO) and Translation. In: Harald Kittel u. a. (Hg.): Übersetzung – Translation – Traduction. Ein internationales Handbuch zur Übersetzungsforschung. Berlin/New York (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, 26/1), 593–600. Gerzymisch-Arbogast, Heidrun (2008): Fundamentals of LSP Translation. In: Heidrun GerzymischArbogast/Gerhard Budin/Gertrud Hofer (Hg.): LSP Translation Scenarios. Selected Contributions of the EU Marie Curie Conference Vienna 2007. MuTra Journal 2. Norderstedt, 7–55. URL: http://www.translationconcepts.org/pdf/MuTra_Journal2_2008.pdf (Zugriff am 19.01.2015). Gerzymisch, Heidrun (Hg.) (2013): Die Wiener und Zürcher Vorlesungen vom Sommersemester 2010 – eine Synopse In: Heidrun Gerzymisch (Hg.): Translation als Sinngebung. Berlin/ Münster, 1–90. Gerzymisch-Arbogast, Heidrun/Klaus Mudersbach (1998): Methoden des wissenschaftlichen Übersetzens. Tübingen. Lange, Ulrike (2013): Fachtexte. Lesen – verstehen – wiedergeben. Paderborn Mudersbach, Klaus (1991): Erschließung historischer Texte mit Hilfe linguistischer Methoden. In: Heinrich Best/Helmut Thome (Hg.): Neue Methoden der Analyse historischer Daten. St. Katharinen, 318–362. Mudersbach, Klaus (1999): Wissenschaftstheorie der Wissenschaftssprache oder: Wie beeinflußt die Sprache die Wissenschaft? In: Herbert Ernst Wiegand (Hg.): Sprache und Sprachen in den Wissenschaften. Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Walter de Gruyter & Co. anläßlich einer 250jährigen Verlagstradition. Berlin/New York, 154–219. Mudersbach, Klaus (2004): Kohärenz und Textverstehen in der Lesersicht. Oder: Wie prüft man die Stimmigkeit von Texten beim Lesen? In: Juliane House u. a. (Hg.): Neue Perspektiven in der

Textverstehen – Kohärenz – Individuelle Hypothesen  

 57

Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft. Festschrift für Heidrun Gerzymisch-Arbogast zum 60. Geburtstag. Bochum, 249–271. Nord, Christiane (2009): Textanalyse und Übersetzen. Theoretische Grundlagen, Methode und didaktische Anwendung einer übersetzungsrelevanten Textanalyse. 4., überarb. Aufl. Tübingen. Sunwoo, June (2012): Zur Operationalisierung des Übersetzungszwecks: Modell und Methode. Berlin u. a. Will, Martin (2009): Dolmetschorientierte Terminologiearbeit. Modell und Methode. Tübingen.

6 Beispieltexte Text 1 Ousmène Mandeng (2014): Fed has built a thorny central Bank divide on dollar liquidity access In Financial Times – Markets & Investing – 7 November 2014 Top Federal Reserve officials were careful to be seen to be understanding of the light of lesser central banks during the International Monetary Fund’s meetings in Washington last month. But they may have unintentionally made things worse. By confirming their reluctance to assume greater international commitments, they underlined the divide between central banks that have access to the Fed’s dollar swap facility and those that do not – or, between those with and without a Fed backstop. In an environment of record low government bond yields, an indication that safe and liquid assets are scarce, it is likely to make a big difference whether or not a country has access to an unlimited source of dollar liquidity. Fed vice-chairman Stanley Fischer focused on the international transmission of monetary policies and the Fed’s responsibility to the global economy. This appears to have been in response to repeated complaints, in particular from emerging markets, that highly accommodative monetary policy has caused a surge of capital inflows to their reversals. The Fed acknowledges there may have been adverse spillovers from changes in its policy stance (such as the “taper tantrum”), and that a normalization of monetary policies may bring further volatility. There is therefore a considerable premium on access to dollar liquidity. Mr Fischer merely offered that the Fed will “promote a smooth transition by communicating our assessment of the economy and our policy intentions as clearly as possible”. At the same time he stressed that the Fed is not a “global central bank”. The Fed is in effect a global central bank, but only for some. Recognising the importance of adequate dollar funding beyond its borders, the Fed extended temporary dollar liquidity facilities to 14 central banks during 2008, including to the central banks of Brazil, South Korea, Mexico and Singapore. Those expired in February 2010. In May 2010, amid renewed short-term dollar funding strains, the Fed reau-

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 Heidrun Gerzymisch

thorized dollar liquidity swap lines with the central banks of Canada, the euro area, Japan, Switzerland and the UK; in October 2013, the Fed converted those into standing arrangements. This suddenly established a segmented dollar liquidity sphere. Several emerging markets’ central banks were visibly irritated. While the Fed may review its stance in the event of a systemic crisis, it leaves a considerable gap between dollar liquidity haves and have-nots. This may exacerbate market perception that countries without a Fed backstop are risky and could bring forward haven-motivated trades. The Fed has remained the only entity that can create international liquidity. Efforts to address this have concentrated almost exclusively on providing alternative sources of finance. But these mostly just recycle the existing stock of dollar liquidity. Rather than crafting new dollar safety nets, efforts need to be directed at treating the cause, not the symptoms. The cause of persistent reliance on dollar liquidity is the fact that there are too few comparable international currencies. Most emerging markets currencies in particular cannot be used in international financial transactions. Dollar dependence is thus critical to allow orderly exchanges and balance of payments adjustments. The high number of relatively large economies unable to use their own currency to conduct international transactions has remained a central weakness of the international economy. The current fragile and uncertain international economic environment puts a premium on dollar liquidity. The Fed’s select backstop has widened the haven zone, making it more likely that money will hide there in the event of mounting economic and financial uncertainty. The critical principle of currency convertibility has historically been to allow multilateral free exchange and, therefore, to create a level playing field. The Fed’s dollar liquidity rationing, and hence the risk of an increasingly skewed distribution of dollar liquidity, may have put that at greater risk. More market volatility seems the most likely consequence. Ousmène Mandeng is managing director of the global institutional relations group at Pramerica Investment Management

Textverstehen – Kohärenz – Individuelle Hypothesen  

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Text 2 Claudia Nagel (2013): Macht und Magie des Geldes  – Heiligtum und Fetisch. In: GELD, Jung Journal. Heft 30.  Jahrgang 16. URL: http://www.jung-journal.de/index.php?/heft30/index.php, S. 27 f. Macht und Magie des Geldes – Heiligtum und Fetisch Willst du den Wert des Geldes erkennen, versuche dir welches zu borgen. Benjamin Franklin Nach Geld drängt, am Golde hängt doch alles. Ach, wir Armen! Margarete, „Faust“, J. W. von Goethe

Margaretes Ausspruch fasst die besondere Bedeutung des Goldes und des Geldes zusammen. Wir wollen es besitzen, aber letztlich werden „wir Armen“ eben auch besessen vom Gold, es macht uns abhängig und unglücklich. Und das, obwohl doch viele die Hoffnung haben, dass es uns glücklich macht, weil wir uns mit dem Geld Wünsche erfüllen können. Als ehemalige Bankerin und Psychoanalytikerin habe ich mich schon lange mit Geld und seiner Bedeutung für den Einzelnen und für die Gesellschaft beschäftigt. Es interessiert mich, warum das Geld so eine große Faszination auf viele von uns, wenn auch nicht auf alle, ausübt. Diese Faszination bleibt auch dann erhalten, wenn wir die unbewussten Wirkmechanismen kennen. Vielleicht, weil die Ursachen so vielfältig sind und es keine einfache Gleichung gibt, auch wenn Geld = Macht = Liebe den Kern der Bedeutung gut zusammenfasst. Beginnen wir bei einer Situation, die uns alle in den letzten Jahren beschäftigt hat und uns noch beschäftigt: bei der Finanzmarktkrise. In ihr sind viele Faktoren zusammengekommen, so dass sich eine gesellschaftliche Sogwirkung entfaltet hat, der sich manche dann gar nicht mehr entziehen konnten. Auf gesellschaftlicher Ebene kann man von einem „perversen Geisteszustand“ ausgehen, in dem das Geld die Rolle eines Fetisch oder eines „phantastischen Objekts“ spielt. Entscheidender Ausgangspunkt war neben dem amerikanischen Häusermarkt und der Niedrigzinspolitik der sogenannte globale Finanztopf auf der Suche nach risikoarmen und ertragreichen Anlagemöglichkeiten. Institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen, Fonds, Hedge Fonds oder auch Family Offices von großen Privatvermögen verfügten 2007 über 70.000 Mrd. $ (70.000 Mrd. entspricht einer Zahl mit 13 Nullen: 70.000.000.000.000 US $) (o. V. 2001, Blumberg 2009).

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 Heidrun Gerzymisch

Innerhalb von 27 Jahren (von 1980 bis 2007) hat sich der „globale Finanztopf“ verdreiundzwanzigfacht. Und irgendwie und irgendwo musste das Geld angelegt werden. Zu den vermeintlich risikolosen Anlagen gehörten damals CDOs. Sie entstanden aus gebündelten Immobilienkrediten. In der Boomphase des amerikanischen Häusermarktes  – der vor allem durch eine Niedrigzinspolitik der amerikanischen Notenbank verursacht war, machten alle mit. Privatleute kauften Häuser, Makler makelten, Hypothekenbanken finanzierten, Geschäftsbanker refinanzierten, Investmentbanker bündelten die Kredite und verkauften sie als Credit Default Obligations, kurz CDOs, an diesen nimmersatten Finanztopf. Alle wollten mitmachen, das schnelle Geld risikolos verdienen, und vor allem: Sie schauten weg – was die damit verbundenen Risiken und offenen Fragen anging. […]

II Spezifische Eigenschaften der Wirtschaftssprache

Barbara Brandstetter

4. Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation Abstract: Metaphern kommt in der internen und externen Kommunikation von Unternehmen eine bedeutende Rolle zu, um komplexe wirtschaftliche Sachverhalte verständlich darstellen zu können. Unternehmen setzen Metaphern zudem in Argumentationsstrategien ein, um unpopuläre Entscheidungen zu erläutern und zu begründen. Dieser Aufsatz widmet sich der Funktion von Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der externen Kommunikation von Unternehmen. Untersucht wurden Pressemitteilungen und Reden der Vorstände, die die 30 größten und umsatzstärksten Unternehmen, die an der Frankfurter Börse gelistet sind (DAX-30), anlässlich ihrer Hauptversammlungen im Jahr 2013 veröffentlicht haben. Zu welchen Metaphern greifen die Konzerne in der Kommunikation? Welche konzeptuellen Strukturen liegen diesen zugrunde? Analysiert wurde zudem, inwiefern Journalisten des Onlineportals Handelsblatt.com Metaphern aus PR-Texten und Reden in ihren Artikeln übernehmen. Grundlage der Analyse ist die kognitive Metapherntheorie nach Lakoff und Johnson (1980), das Klassifikationsschema von Baldauf (1997) und der onomasiologische Ansatz von Jäkel (2003). 1 Einleitung 2 Bildschematische Metaphern 3 Konstellationsmetaphern 4 Fazit 5 Literatur

1 Einleitung Wer über wirtschaftliche Zusammenhänge spricht oder schreibt, bedient sich oft Metaphern, um komplexe Sachverhalte und Strategien nachvollziehbar und leicht verständlich darstellen zu können. Ohne Sprachbilder wäre es Vorstandsvorsitzenden kaum möglich, in ihren Reden auf den Hauptversammlungen Stärken oder Schwächen ihrer Unternehmen anschaulich darzustellen. Wirtschaftsjournalisten greifen häufig zu Sprachbildern, um wirtschaftliche Zusammenhänge für ihre Leser nachvollziehbar zu erläutern. Analysen verschiedener Sprachen belegen, dass Metaphern nicht nur die alltägliche Sprache, sondern insbesondere auch die abstrakte Diskursdomäne Wirtschaft durchziehen (u. a. Jäkel 2003; Charteris-Black 2000; Charteris-Black/Musolff 2003; Skorczynska/Deignan 2006). Eine Wirtschaftskommunika-

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 Barbara Brandstetter

tion ohne Metaphern ist de facto unmöglich: „[…] each step in economic reasoning, even in the reasoning of official rhetoric, is metaphoric“ (McCloskey 1986, 75). Spätestens seitdem Lakoff und Johnson 1980 ihr Werk Metaphors we live by veröffentlichten, werden Metaphern nicht mehr als rein sprachliches, sondern vielmehr als konzeptuelles Phänomen betrachtet. Metaphor is fundamentally conceptual, not linguistic, in nature. Metaphorical language is a surface manifestation of conceptual metaphor. (Lakoff 1993, 244)

Sprachbildern kommen verschiedene Funktionen zu. Eine wesentliche Funktion ist die Möglichkeit, abstrakte Diskursdomänen durch Rückgriff auf einen dem Menschen vertrauten Erfahrungsbereich kognitiv zu erschließen: Generell hat die Metapher Erklärungs- und Verständnisfunktion. Bestimmte Gegenstandsbereiche sind unserem Denken sogar kaum anders zugänglich als durch das Mittel der konzeptuellen Metapher. Eine regelrechte kognitive Erschließungsfunktion übernimmt die Metapher daher prinzipiell für abstrakte Begriffsdomänen, theoretische Konstrukte und metaphysische Ideen. (Jäkel 2003, 41, Hervorhebungen im Original)

Dabei werden Strukturen von einer Ursprungsdomäne („source domain“) auf eine Zieldomäne („target domain“) übertragen (Lakoff 1993, 206 f.). Die Gliederung des Aufsatzes erfolgt nach dem Klassifikationsschema von Baldauf (1997). Baldauf unterscheidet unter anderem bildschematische Metaphern und Konstellations-Metaphern. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um konzeptuelle Sprachbilder, denen ein räumliches Vorstellungsschema zugrunde liegt (Baldauf 1997, 123 f.). Ohne diese Gruppe von Metaphern, die aus Herkunftsbereichen wie ‚Skala‘ oder ‚Weg‘ stammen, lassen sich wirtschaftliche Entwicklungen kaum verbalisieren. Konstellations-Metaphern übertragen hingegen komplette Strukturmuster von einem Herkunftsbereich auf einen anderen, abstrakten Bereich (Baldauf 1997, 178). Der vorliegende Aufsatz legt den Fokus auf die wissenskonstitutive Funktion von Metaphern. Welche Sprachbilder tauchen in der Wirtschaftskommunikation auf? Welche konzeptuellen Strukturen liegen den sprachlichen Ausprägungen zugrunde? Inwiefern sind Metaphern wissenskonstitutive Elemente, um abstrakte wirtschaftliche Zusammenhänge durch Rückgriff auf eine den Zuhörern und Lesern bekannte Ursprungsdomäne zugänglich zu machen? Der Analyse liegt der von Jäkel entwickelte onomasiologische Ansatz zugrunde (2003, 141 ff.). Korpus Das Korpus umfasst insgesamt 145.798 Wörter. Untersucht wurden Pressemitteilungen zu den Hauptversammlungen der DAX-30-Konzerne 2013 sowie die Reden der Vorstandsvorsitzenden. In die Untersuchung einbezogen wurde zudem die Berichterstattung über die Aktionärstreffen auf Handelsblatt.com. Die Veranstaltungen fanden 2013 zwischen dem 18. Januar (ThyssenKrupp AG) und dem 4. Juni (SAP AG) statt.

Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation 

 65

Da die Vorstandsvorsitzenden wirtschaftliche Zusammenhänge einem breiten Publikum erläutern müssen, ist davon auszugehen, dass sie zu Metaphern greifen. Diese sind elementar, um abstrakte wirtschaftliche Vorgänge anschaulich beschreiben zu können (Jäkel 2003). Berücksichtigt wurden in der Analyse lediglich die Unternehmen, über deren Aktionärstreffen die Redakteure von Handelsblatt.com noch am gleichen Tag berichtet haben. Nur dann lässt das Korpus Rückschlüsse zu, inwiefern Sprachbilder aus der externen Wirtschaftskommunikation und den Reden in die Berichterstattung der Journalisten einfließen. Keinen Artikel veröffentlichte Handelsblatt.com über die Hauptversammlungen von Adidas, Continental, Deutsche Börse, Fresenius, Heidelberg Cement, Merck und K+S. Daher wurden Pressemitteilungen und Reden dieser Firmen – obwohl sie dem Börsensegment der 30 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland angehören – nicht untersucht. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die analysierten Pressemitteilungen, Reden und Berichte sowie die Anzahl der Wörter im jeweiligen Segment. Tab. 1: Korpus: * mehrere Texte vorhanden; ** keine Pressemitteilung vorhanden Hauptversammlungen 2013

Datum 2013

Anzahl Wörter PM

Anzahl Wörter Rede

Anzahl Wörter Bericht

Allianz SE

07.05.

1618

5516

422

BASF SE

26.04.

1556

3774

502

Bayer AG

26.04.

1898

4613

171

Beiersdorf AG

18.04.

472

1602

571

BMW AG

14.05.

2123 + 414*

5223

401

Commerzbank AG

19.04.

1809 + 1526

3533

1096 + 478 + 667

Daimler AG

10.04.

829

7450

700 + 438

Deutsche Bank AG

23.05.

0**

4608

274 + 1127 + 511

Deutsche Lufthansa AG

07.05.

677

3196

826 + 720

Deutsche Post AG

29.05.

1332 + 437

3617

781

Deutsche Telekom AG

16.05.

1005

3610

893

E.ON SE

03.05.

1237

3620

497 + 1261

Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA

16.05.

663

3060

441

Henkel AG & Co. KGaA

15.04.

247 + 661

4238

790

Infineon Technologies AG

28.02.

239

3781

491

Lanxess AG

23.05.

1339

3392

408

66 

 Barbara Brandstetter

Tab. 1: (fortgesetzt) Hauptversammlungen 2013

Datum 2013

Anzahl Wörter PM

Anzahl Wörter Rede

Anzahl Wörter Bericht

Linde AG

29.05.

470

4107

356

Münchener Rückversicherungsgesellschaft AG

25.04.

858

4207

417

RWE AG

18.04.

0**

3511

1021

SAP AG

04.06.

334

2001 + 2394

611

Siemens AG

23.01.

471

6077

126 + 1122 + 454

ThyssenKrupp AG

18.01.

1926

6523

1134 + 268 + 972

Volkswagen AG VZ

25.04.

324 + 557 + 187

4593

951 + 445

2 Bildschematische Metaphern Bei bildschematischen Metaphern handelt es sich um Sprachbilder, die physische und räumliche Erfahrungen aus dem Alltag auf abstrakte Bereiche übertragen (Baldauf 1997, 123 f.). In diese Rubrik fallen Sprachbilder aus den Herkunftsbereichen ‚Weg‘, ‚Skala‘ und ‚Behälter‘. Diese spielen in der Wirtschaftskommunikation eine essentielle Rolle, um abstrakte wirtschaftliche Vorgänge mit einer Struktur zu versehen und auf diesem Weg zu erläutern (Baldauf 1997, 123 f.). Die grundlegende These ist, dass der menschliche Verstand und das Denken leibgebunden sind, d. h. in körperlichen Erfahrungen des Raums, der Bewegung und Orientierung, und der sensomotorischen Erfahrung überhaupt verwurzelt sind. Vor allem unsere abstrakten Konzepte und Ideen beruhen auf Metaphern, die aus diesen körpergebundenen Erfahrungen abgeleitet werden. (Debatin 2011, 191 f.)

Metaphern aus den Bereichen ‚Skala‘ und ‚Weg‘ dominieren in dem vorliegenden Korpus. In den Berichten über die Hauptversammlungen und den Reden der Vorstände geht es um den Stand des Unternehmens im Vergleich zu den Konkurrenten und die Entwicklung der Geschäftszahlen. Diese können steigen oder fallen. Ein Unternehmen kann Fortschritte machen, Konkurrenten überholen oder im Vergleich zu den Wettbewerbern zurückfallen. Die Vorstandsvorsitzenden nutzen Sprachbilder, um zu verdeutlichen, wie das Geschäftsjahr verlaufen ist und um zu erläutern, mit welchen Schwierigkeiten ihr Unternehmen konfrontiert war.

Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation 

 67

2.1 Wege – Horizontalbewegung Stark vertreten sind in den analysierten Texten Sprachbilder aus dem Herkunftsbereich ‚Weg‘. Wege basieren immer auf dem gleichen Schema: Jeder Weg hat einen Ausgangspunkt, ein Ziel und eine Strecke, die zurückgelegt wird (Johnson 1987, 113). Dabei projizieren Autoren und Redner unterschiedlichste Erfahrungen mit Wegen auf wirtschaftliches Handeln. So thematisieren sie nicht nur den Weg, sondern auch dessen Beschaffenheit, die Geschwindigkeit oder Richtung. Ist der Start ins Geschäftsjahr oder in die Saison geglückt, wirkt sich dies positiv auf die Entwicklung des Unternehmens aus [alle Hervorhebungen in den Belegen 1–91 – B. B.]: (1) Damit darf der Start in das Geschäftsjahr als wirklich gelungen bezeichnet werden. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/ versicherungen/versicherungskonzern-allianz-steigert-gewinn-deutlich/8172462.html, Zugriff am 07.05.2013, Allianz) (2) Der sehr gute Saisonstart in Europa und Nordamerika trug hierzu maßgeblich bei. (BASF, Pressemitteilung, 26.04.2013)

In den Reden der Vorstände spielt eine entscheidende Rolle, ob das Unternehmen seine gesetzten Ziele im vergangenen Geschäftsjahr erreicht hat (3). Als Ziele werden angestrebte Gewinne, Umsätze oder Absatzzahlen konzeptualisiert. Ist die Zielgerade noch nicht passiert, thematisieren die Manager, wo sich ihr Unternehmen auf dem Weg zu ihren selbst gesteckten Zielen befindet (4). Die Ziele erreicht zu haben, wird als Erfolg gewertet: (3) Dazu gehört, dass Beiersdorf seine Geschäftsziele für das Jahr 2012 vollständig erreicht hat. (Beiersdorf, Pressemitteilung, 18.04.2013) (4) Was haben wir mit unseren Innovationen erreicht, wo steht Bayer heute? (Bayer, Rede, 26.04.2013)

Die nachfolgenden Beispiele (5) und (6) verdeutlichen, dass Sprachbilder auch isotopisch verwendet werden. Der Autor bzw. der Redner nutzt unterschiedliche linguistische Ausprägungen aus dem Herkunftsbereich ‚Weg‘. Damit verleihen sie ihrem Text bzw. ihrer Rede eine gewisse Kohärenz (Drößiger 2006, 101): (5) Trotz dieser insgesamt positiven Entwicklung verkennen wir nicht, dass wir erst am Anfang einer längeren Wegstrecke stehen. Wir haben Teilerfolge erreicht. Wir müssen aber noch Vieles tun bis wir am Ziel sind. (Beiersdorf, Pressemitteilung, 18.04.2013) (6) Vor drei Jahren haben wir klar gesagt, wo wir hinwollen. Wir haben uns dazu vier Ziele gesetzt. Präzise, messbare Ziele. Deshalb können Sie heute selbst beurteilen und konkret nachvollziehen, was wir erreicht haben. (E.ON, Rede, 3.05.2013)

Die Information, wo sich ein Unternehmen auf dem beschrittenen Weg befindet, ist jedoch nur dann aussagekräftig, wenn die Zuhörer oder Leser erfahren, wo der

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Konzern im Vergleich zur Konkurrenz steht (7). Wie bei einem Wettkampf hat derjenige gute Karten, der vorangeht (9), vor den Wettbewerbern (8) oder ganz vorne steht (10). Unternehmen, die schlechter abschneiden, müssen darauf achten, den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren (11). (7) In diesem Schaubild sehen Sie unsere Position in den einzelnen Geschäftsfeldern im Vergleich zu den jeweils größten Wettbewerbern nach Umsatz. (Allianz, Rede, 7.05.2013) (8) Mit einem Marktwert von 47 Milliarden Euro zum Jahresende lagen wir deutlich vor der Konkurrenz. (Allianz, Rede, 7.05.2013) (9) Jede Branche braucht einen, der voran geht [sic]. (Handelsblatt.com, URL: http://www. handelsblatt.com/unternehmen/industrie/bmw-vorstandschef-wir-deutsche-sehen-mehrprobleme-als-chancen/8203448.html, Zugriff am 14.05.2013, BMW) (10) Wo wollen wir hin? […] ganz nach vorne! (Daimler, Rede, 10.04.2013) (11) Obermann hatte zu seinem Amtsantritt im November 2006 gesagt, dass seine „Mission gescheitert“ wäre, wenn die T-Aktie „in ein bis zwei Jahren keinen Anschluss an die Kursentwicklung vergleichbarer Konkurrenten“ gefunden habe. (Handelsblatt.com, URL: http:// www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/telekom-hauptversammlung-unseraktienkurs-loest-keine-jubelstuerme-aus/8214968.html, Zugriff am 16.05.2013, Deutsche Telekom)

Ein Ziel kann auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden. Unternehmen, die einen falschen Weg einschlagen, kommen entweder nicht ans Ziel oder verlieren in jedem Fall Zeit. Das wiederum führt dazu, dass das eigene Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz zurückfällt. Daher betonen viele Vorstände in ihren Reden, dass ihr Vorgehen – der von ihnen eingeschlagene Weg – der richtige sei (12), (13): (12) Das Management ist fest davon überzeugt, dass die Commerzbank mit der neuen Strategie auf dem richtigen Weg ist. (Commerzbank, Rede, 19.04.2013) (13) Der eingeschlagene Weg ist richtig  – wir müssen ihn aber auch gehen. (Daimler, Rede, 10.04.2013)

Unternehmen müssen handeln, wenn sie auf dem Weg zu ihren Zielen vorankommen wollen. Fortschritte in der Forschung oder beim Umbau des Unternehmens werden als Vorwärts-Bewegung konzeptualisiert. Diese wird positiv beurteilt  – schließlich bringen Fortschritte die Unternehmen näher an ihre Ziele (14), (15). Misserfolge sind Rückschritte. Diese sind negativ konnotiert, da Rückgänge die Entfernung zum Ziel vergrößern (16), (17): (14) Wir leisten unseren Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt. (Bayer, Rede, 26.04.2013) (15) Wir können wichtige Erfolge und Fortschritte beim Umbau des Unternehmens vorweisen. (E.ON, Pressemitteilung, 3.05.2013) (16) Befriedigen kann ein solcher Ergebnisrückgang aber niemanden. (E.ON, Rede, 3.05.2013) (17) Im Chemiegeschäft sind die verkauften Mengen dagegen um 3 % zurückgegangen. (BASF, Rede, 26.04.2013)

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Entscheidend ist neben Fortschritten auch die Geschwindigkeit, mit der ein Unternehmen auf seinem Weg zum Ziel vorankommt. Nur wer einen Gang hochschaltet (18) oder Fahrt aufnimmt (19), ist in der Lage, die Konkurrenz abzuhängen: (18) Im weiteren Jahresverlauf wollen wir noch einen Gang hochschalten. (Daimler, Rede, 10.04.2013) (19) Der Kurs ist also klar – jetzt gilt es, Fahrt aufzunehmen. (Daimler, Rede, 10.04.2013) (20) Wir haben uns Mitte 2012 entschlossen, unseren eingeschlagenen Weg der Neuausrichtung der Bank noch schneller als ursprünglich geplant zu beschreiten. (Commerzbank, Rede, 19.04.2013)

Das Voranschreiten kann mit Rückenwind beschleunigt werden. Positive wirtschaftliche Entwicklungen werden daher als ‚Rückenwind‘ konzeptualisiert (21). Dieser hilft Unternehmen, ihre Ziele schneller oder mit weniger Anstrengungen zu erreichen. Läuft die Konjunktur nicht gut (23) oder erschweren politische Entscheidungen die Geschäfte (22), müssen Unternehmen mit Gegenwind kämpfen. Sie werden in ihrer Bewegung ausgebremst. Das Voranschreiten ist mühsamer. (21) In den Jahren 2010 und 2011 haben wir das Unternehmen auf den Erfolgspfad zurückgeführt  – mit dem Rückenwind einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung. (BMW, Rede, 14.05.2013) (22) Politischer Gegenwind stimmt FCM vorsichtig. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/dialysefirma-politischer-gegenwind-stimmt-fmcvorsichtig/8219356.html, Zugriff am 16.05.2003, Fresenius Medical Care) (23) Infineon ist mit dem konjunkturellen Gegenwind gut zurechtgekommen. (Infineon, Rede, 28.02.2013)

Auf härtere Zeiten schwört der Vorstandsvorsitzende von VW die Anteilseigner ein. Er begründet dies damit, dass VW ein harter Wind ins Gesicht bläst. Das Unternehmen VW wird dabei als Person konzeptualisiert (24) (vgl. 3.2). Der Redakteur von Handelsblatt.com übernimmt Zitat und Sprachbild in seinem Artikel (25), ein Phänomen, das sich im Korpus häufiger beobachten lässt. Journalisten bedienen sich oft der gleichen Sprachbilder wie die Vorstände in ihren Reden oder die Verfasser der Pressemitteilungen. (24) Sie sehen: Auch Volkswagen bläst ein harter Gegenwind ins Gesicht. (VW, Rede, 25.04.2013) (25) Harter Wind bläst uns ins Gesicht. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt. com/unternehmen/industrie/vw-hauptversammlung-harter-wind-blaest-uns-ins-gesicht/​ 8121566.html, Zugriff am 25.04.2013, VW)

Negativ ist, wenn das Geschäft stagniert oder lahmt. In diesem Fall kommen Unternehmen beim Ergebnis oder anderen Geschäftszahlen nicht vom Fleck. Ziele, die es zu erreichen gilt, bleiben entfernt:

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(26) Das Geschäft lahmt. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/ industrie/hauptversammlung-daimler-blickt-skeptisch-aufs-jahr/8043926.html, Zugriff am 10.04.2013, Daimler) (27) Anfang Februar hatte er angekündigt, 2013 beim operativen Ergebnis nicht vom Fleck zu kommen. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/​ hauptversammlung-daimler-blickt-skeptisch-aufs-jahr/8043926.html, Zugriff am 10.04.​ 2013, Daimler)

Schwierigkeiten werden als Hindernisse auf dem Weg zum Ziel konzeptualisiert. So können bestimmte Fragen nicht geklärt werden, weil Verbraucherschützer den Weg blockieren (28). In diesem Fall kommen die Betroffenen beim Beantworten der Fragen nicht weiter. Hindernisse gilt es zu beseitigen, da sie das Fortkommen erschweren. Sind die Hindernisse beseitigt, ist der Weg wieder frei (29): (28) Die Debatte […] war aus unserer Sicht ein Musterbeispiel dafür, wie dringend zu lösende Fragen durch einen falsch verstandenen Verbraucherschutz blockiert werden. (Münchener Rückversicherung, Rede, 25.04.2013) (29) Die Aktionäre der Commerzbank haben den Weg für die Rückzahlung der restlichen Staatshilfen für die zweitgrößte deutsche Bank freigemacht. (Handelsblatt.com, URL: http://www. handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/banken/trotz-kritik-aktionaereerlauben-commerzbank-die-kapitalerhoehung/8096326.html, Zugriff am 19.04.2013, Commerzbank)

Nicht nur mögliche Hindernisse, auch die Beschaffenheit des Weges entscheidet darüber, wie gut und wie schnell Unternehmen vorankommen. Ist der Weg in einem schlechten Zustand, kann ein Unternehmen auch ins Straucheln geraten und so am Vorankommen gehindert werden (30): (30) Auf unserem Weg an die Spitze haben wir wichtige Etappenziele erreicht. Und wir sind dabei auch auf unwegsamem Gelände nicht ins Straucheln geraten. (VW, Rede, 25.04.2013)

Eine Variante des Weg-Konzepts bilden ‚Fahrzeug‘-Metaphern (Baldauf 1997, 208 ff.). In den Texten und Reden finden sich zahlreiche Sprachbilder aus dem Bereich ‚Schiff‘. Vorstände thematisieren in ihren Reden, dass sie einen Kompass besitzen, mit dessen Hilfe sie auch in stürmischen Zeiten sicher navigieren und auf Kurs bleiben können (31). Auch Strategien von Unternehmen werden als Kompass dargestellt (32). Das Sprachbild des Kompasses impliziert, dass Unternehmen stets auf dem richtigen Kurs bleiben: (31) Mit der Strategie 2015 hat unser Unternehmen einen klaren Kompass, mit dem es uns gelungen ist, souverän durch die Finanz- und Wirtschaftskrise zu navigieren. Wir bleiben damit auch bei fehlendem konjunkturellen Rückenwind weiterhin auf Kurs. (Deutsche Post, Pressemitteilung, URL: http://www.dpdhl.com/de/presse/pressemitteilungen/2013/deutsche_ post_dhl_hauptversammlung_2013.html, Zugriff am 09.02.2015) (32) Sie [Blue Agenda 2012] ist unser Kompass für den künftigen Unternehmenserfolg von Beiersdorf. (Beiersdorf, Rede 18.04.2013).

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Vorstände erläutern auf Hauptversammlungen, wie sich die Geschäftszahlen entwickelt haben. Es geht darum, die Aktionäre davon zu überzeugen, ihre Anteile am Unternehmen weiterhin zu halten. Dieses Anliegen wird in den Reden als ‚Reise‘ (33), ‚Weg‘ (34) oder ‚Flug‘ (35) konzeptualisiert, auf denen die Aktionäre das Unternehmen begleiten sollen: (33) Wir freuen uns darauf, Sie auf dieser Reise mitzunehmen. (SAP, Rede, URL: http://global. sap.com/corporate-de/investors/governance/pdf/SAP-2013-Hauptversammlung-Rede-JimHagemann-Snabe.pdf, Zugriff am 09.02.2015) (34) Begleiten Sie uns auf unserem Weg – dem BMW Weg! (BMW, Rede, 14.05.2013) (35)  Bleiben Sie an Bord und helfen Sie uns, Lufthansa zu neuen Erfolgen und einem langen Steigflug zu führen. (Lufthansa, Rede, 7.05.2013)

Der Lufthansa-Vorstand verwendet in seiner Rede Sprachbilder aus dem Herkunftsbereich ‚Luftfahrt‘ (35). In den Ausführungen des BMW-Chefs, Norbert Reithofer, tauchen etliche ‚Weg‘- und ‚Fahrzeug‘-Metaphern auf (34), ein Phänomen, das auch Kövecses (2009, 18) beobachtet hat: „speakers try (and tend) to be coherent with various aspects of the communicative situation in the process of creating metaphorical ideas“.

2.2 Skala – Vertikalbewegung Nicht nur horizontale, auch vertikale Bewegungen spielen in der Wirtschaftskommunikation eine essentielle Rolle. Das Skalen-Schema kann als vertikal ausgerichtetes Weg-Schema gesehen werden (Johnson 1987, 121 ff.). Es fungiert als Maß für Mengen. Höhe ist im westlichen Kulturkreis mit positiven Assoziationen besetzt, Tiefe hingegen mit negativen. Die Skalen-Metaphorik ist unabdingbar, um die wirtschaftliche Entwicklung von Geschäften erläutern zu können. Die Ökonomie ist geprägt von Aufund Abwärtsbewegungen. Dividenden, Umsätze oder Gewinne können steigen oder fallen. Bei den Beispielen (36), (37) und (38) handelt es sich um eine aktive vertikale Bewegung. Passive Aufwärtsbewegungen werden als ‚Wachstum‘ konzeptionalisiert (vgl. 3.5). Wer besonders erfolgreich ist, steht an der Spitze: (36) Wir wollen die Dividende jedes Jahr erhöhen, zumindest aber auf dem Niveau des jeweiligen Vorjahres halten. (BASF, Rede, 26.04.2013) (37) Das operative Ergebnis stieg um rund 800 Millionen auf 3,0 Milliarden Euro. (Allianz, Rede, 7.05.2013) (38) Im ersten Quartal fiel der Gewinn von FMC. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/dialysefirma-politischer-gegenwind-stimmt-fmc-vorsichtig/8219356.html, Zugriff am 16.05.2013, Fresenius Medical Care) (39) In puncto Dividendenrendite gehören wir damit weiter zur Spitze im Dax. (RWE, Rede, 18.04.2013)

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Wenn Unternehmen mit verschiedenen Kennzahlen ein bestimmtes Niveau erreicht haben, ist es mit Anstrengungen verbunden, das Niveau – entgegen der Schwerkraft – zu halten: (40) Auch die Kapitalposition der Allianz blieb im Berichtszeitraum auf hohem Niveau. (Allianz, Pressemitteilung, 7.05.2013) (41) In Europa konnten wir die Umsätze trotz der Eurokrise und der schwachen Entwicklung in Südeuropa auf dem Vorjahresniveau halten. (Henkel, Rede, 15.04.2013)

Ist die Talsohle durchschritten (42) oder der Boden erreicht (43), ist das Schlimmste überstanden. Von da an kann es nur noch aufwärts gehen: (42) Infineon sieht Talsohle fast durchschritten. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/halbleiter-konzern-infineon-sieht-talsohle-fast-durchschritten/7857294.html, Zugriff am 28.02.2013, Infineon) (43) Wir glauben, im Geschäftsjahr 2013 den Boden erreicht zu haben. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/halbleiter-konzern-infineon-siehttalsohle-fast-durchschritten/7857294.html, Zugriff am 28.02.2013, Infineon)

2.3 Behälter Behälter-Metaphern kommt in der Wirtschaftsberichterstattung eine relevante wissenskonstitutive Funktion zu. Behälter haben einen ‚Kern‘ und einen ‚Randbereich‘ sowie eine ‚Innen- und Außenseite‘. Sie können ‚offen‘ oder ‚geschlossen‘, ‚voll‘ oder ‚leer‘ sein (Jäkel 2003, 290). Sprachbilder aus dem Herkunftsbereich ‚Behälter‘ werden von den Vorständen häufig genutzt. Dabei werden Geschäftsfelder, Länder oder die Unternehmen als Behälter mit einer klaren Begrenzung konzeptualisiert. Unterschieden wird zwischen Dingen, die sich im Behälter abspielen, und solchen, die sich außerhalb, also extern zutragen (44). In der Finanzkrise hat der Staat die Commerzbank unterstützt. Nun soll der Staat aus dem Kreditinstitut wieder aussteigen (45). (44) Darüber hinaus setzen wir auf weitere Kapazitäten bei dem externen Partner Valmet. (Daimler, Rede, 10.04.2013) (45) Wir wollen die Weichen für den Einstieg in den Ausstieg des Staates aus der Commerzbank stellen. (Commerzbank, Rede, 19.04.2013)

Nicht nur Unternehmen, auch Gremien wie Vorstand und Aufsichtsrat werden als Behälter konzeptualisiert. Zu diesen haben nur ausgewählte Leute Zutritt. Es können jedoch jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden, ausscheiden (46) oder ein weiterer Verbleib im Aufsichtsrat zugesichert werden (47):

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(46) Der Chef der Gewerkschaft Verdi scheidet aus dem Kontrollgremium der Lufthansa aus. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/lufthansa-hauptversammlung-aktionaere-zanken-sich-wegen-mayrhuber/8174312. html, Zugriff am 07.05.2013, Deutsche Lufthansa) (47)  Darüber hinaus hat die Hauptversammlung als Vertreter der Anteilseigner Frau Sari Baldauf und Herrn Dr. Jürgen Hambrecht für weitere fünf Jahre in den Aufsichtsrat gewählt. (Daimler, Pressemitteilung, 10.04.2013)

Relevant ist für Unternehmen ihr Kerngeschäft. In diesem Fall wird ein weiteres Merkmal des Behälter-Schemas genutzt: „Important is central – unimportant is peripheral“ (Johnson 1987, 124). Das, was aus Sicht des Unternehmens wichtig ist, ist zentral. Daher konzentrieren sich Unternehmen auf zentrale Märkte (48) und auf ihre Kernmarken (49): (48)  Auch der Markt für Leichtbaumaterialien ist für uns ein zentraler Wachstumsmarkt. (Lanxess, Rede, 23.05.2013) (49) Mit einem neuen unverwechselbaren Design für unsere Kernmarken haben wir ein zentrales Element der Markenidentität in den Mittelpunkt gerückt. (Beiersdorf, Pressemitteilung, 18.04.2013)

Ein Behälter kann voll oder leer sein. Geschäftszweige oder Unternehmen werden daher auch als Behälter mit einem bestimmten Füllstand konzeptualisiert. Geld wird als Liquidität dargestellt (Jäkel 2003, 192 f.). Einnahmen fließen in das Unternehmen, Ausgaben hinaus (50), (51). Die Einnahmen sollten über den Ausgaben liegen, da der Behälter sich sonst leert (53). Das Unternehmen wäre dann nicht mehr liquide. Steigt die Liquidität, ist dies positiv zu werten (52): (50) Daraus sind uns Erlöse in Höhe von 1,7 Milliarden Euro zugeflossen. (Daimler, Rede, 10.04.2013) (51) Während wir im letzten Jahr noch einen Mittelabfluss aus der operativen Geschäftstätigkeit in Höhe von 357 Mio. Euro verzeichneten, […] (Deutsche Post, Rede, 29.05.2013) (52) Auch die Liquidität der FMC-Aktie wird etwas steigen. (Handelsblatt.com, URL: http://www. handelsblatt.com/unternehmen/industrie/dialysefirma-politischer-gegenwind-stimmtfmc-vorsichtig/8219356.html, Zugriff am 16.05.2013, Fresenius Medical Care) (53) Wir können auf Dauer nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. (RWE, Rede, 18.04.2013)

Auf jeder Hauptversammlung verkünden Vorstände, wie hoch die Dividende ausfällt, die die Anteilseigner erhalten. Diese wird als Liquidität konzeptualisiert, die an die Aktionäre ausgeschüttet wird (54), (55). Eine Ausschüttung ist nur dann möglich, wenn ausreichend Liquidität vorhanden ist: (54) Insgesamt schütten wir 32 Prozent des Jahresüberschusses an Sie, die Aktionäre, aus. (BMW, Rede, 14.05.2013) (55) Dies entspricht einer Ausschüttung von fast 2,4 Milliarden Euro. (BASF, Pressemitteilung, 26.04.2013)

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3 Konstellationsmetaphern Bei Konstellationsmetaphern werden ganze Strukturen von einem Herkunftsbereich auf abstrakte Diskursdomänen wie Wirtschaft übertragen. Das Beispiel, das Lakoff und Johnson für diese Gruppe von Metaphern angeben, ist das vielfach zitierte: „Argument is war“ (Lakoff/Johnson 1980, 61). Damit verdeutlichen die Autoren, dass sich Menschen im westlichen Kulturkreis verbale Auseinandersetzungen als Krieg vorstellen. Sprachbilder aus dem Herkunftsbereich ‚Krieg‘ sind in der vorliegenden Analyse rar. Es dominieren vielmehr Konstellationsmetaphern aus den Herkunftsbereichen ‚Sport‘, ‚Bau‘, ‚Personifikation‘ und ‚Natur‘.

3.1 Sport Der Kampf um Marktanteile oder die Positionierung des Unternehmens im Vergleich zur Konkurrenz wird in den Texten oft als sportlicher Wettkampf konzipiert. Letztendlich geht es darum, sich gegen seine Mitbewerber durchzusetzen. Der Wettkampf wird anhand unterschiedlicher Sportarten wie Tauziehen (56), Lauf (57) oder Autorennen (58) dargestellt. Einige Unternehmen haben auch mit neuen Wettbewerbern auf dem Spielfeld zu kämpfen (59): (56) Auch die Gewerkschaften […] ziehen hier mit unseren Airlines an einem Strang. (Lufthansa, Rede, 7.05.2013) (57) Die strategische Agenda, die wir uns gesetzt haben, ist kein 100-Meter-Lauf. Sie ähnelt in vielerlei Hinsicht einem Langstreckenlauf. (Commerzbank, Rede, 19.04.2013) (58) Gestartet sind wir von den hinteren Rängen, heute besetzt Infineon weltweit die Position 2 bei Automobil-Chips. (Infineon, Rede, 28.02.2013) (59)  Dabei betreten auch Anbieter aus den neuen Märkten das Spielfeld. (Daimler, Rede, 10.04.2013)

Im sportlichen Wettbewerb – ganz gleich ob beim Fußball, Boxen oder Autorennen – geht es darum, Konkurrenten zu schlagen (60) oder Wettbewerber auf die Plätze zu verweisen (61). Nur so können Unternehmen die Nummer Eins werden (62) oder sich im vorderen Tabellenfeld behaupten (63): (60) Wir wollen die Konkurrenz schlagen – dauerhaft. (Daimler, Rede, 10.04.2013) (61) Seit Anfang des Jahres verweist die A-Klasse ihre Konkurrenten Audi A3 und 1er BMW in Deutschland auf die Plätze. (Daimler, Rede, 10.04.2013) (62) Wir müssen uns weiterentwickeln, wenn wir die Nummer Eins in der Chemie bleiben wollen. (BASF, Rede, 26.04.2013) (63) Mit einer Platzierung im mittleren Tabellenfeld würde sich Siemens niemals zufrieden geben. (Siemens, Rede, 23.01.2013)

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3.2 Personifikation Eine weitere Möglichkeit, die abstrakte Diskursdomäne Wirtschaft für ein breiteres Publikum nachvollziehbar darzustellen, ist die Personifikation. In diesem Fall werden Unternehmen, Techniken oder Märkten menschliche Eigenschaften oder Stimmungen zugeschrieben. Sie werden geboren (64), erwachsen (65) oder müssen sich anstrengen, um zu überleben (66): (64) Die Elektromobilität ist nicht tot. Sie wird jetzt erst richtig geboren. (VW, Rede, 25.04.2013) (65) Aber die Erneuerbaren [Energien] müssen nun erwachsen werden. (RWE, Rede, 18.04.2013) (66) Deshalb müssen wir uns ändern, wenn wir auf Dauer überleben wollen. (Lufthansa, Pressemitteilung, 7.05.2013)

Eine besondere Rolle spielen Unternehmensfamilien. Es gibt große Brüder (67) und Schwestern (68) und es werden neue Mitglieder in die Familie aufgenommen (69). Familienstrukturen verdeutlichen auch die Verteilung von Macht und Autorität (Jäkel 2003, 202 f.). Da oft von größeren Geschwistern in der Familie die Rede ist, können Zuhörer und Leser davon ausgehen, dass sich der neue Nachwuchs ähnlich gut entwickeln wird wie bisherige Familienmitglieder: (67) Von übermorgen an ist dann das dritte Modell unserer neuen Kompaktfamilie erhältlich – der neue CLA […] Wie sein „großer Bruder“ – der CLS – vereint er Sportlichkeit und Eleganz. (Daimler, Rede, 10.04.2013) (68) Dieses jüngste Mitglied der E.ON-Familie folgt dem erfolgreichen Weg ihrer großen Schwester E.ON Climate&Renewables. (E.ON, Rede, 3.05.2013) (69) Mit Ducati haben wir eine ebenso legendäre wie wertvolle Motorradmarke in die Konzernfamilie aufgenommen. (VW, Rede, 25.04.2013)

3.3 Bauwesen Sprachbilder aus dem Bereich ‚Bauwesen‘ setzen die Autoren in zahlreichen Variationen in ihren Texten ein: „Abstract complex systems are buildings“ (Kövecses 2009, 15). Bei den Sprachbildern aus diesem Herkunftsbereich steht die Stabilität im Vordergrund. Zum einen werden Einzelteile eines Gebäudes wie beispielsweise Säulen oder Dächer beschrieben. Fehlt eine tragende Säule, droht das Gebäude einzustürzen (70). Ebenso elementar für die Stabilität ist ein starkes Fundament (72): (70) Damit zur zweiten tragenden Säule des Volkswagen Konzerns: Dem Geschäft mit leichten und schweren Nutzfahrzeugen. (VW, Rede, 25.04.2013) (71) Die bisher getrennt operierenden Vertriebsorganisationen […] sind jetzt unter einem Dach gebündelt. (Daimler, Rede, 10.04.2013). (72) Damit haben wir ein starkes Fundament für weiteres Wachstum geschaffen. (Henkel, Rede, 15.04.2013)

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Stimmt die Strategie nicht, muss das Unternehmen umgebaut werden, (73) Risiken, Stellen oder unrentable Abteilungen werden abgebaut (75). Entwickelt sich ein Unternehmen positiv, kann das bereits existierende Gebäude weiter ausgebaut werden (74): (73) Sie fragen, wie der Umbau von ThyssenKrupp funktionieren kann, und wie lange er dauern wird. (ThyssenKrupp, Rede, 18.01.2013) (74) Wir werden auch weiter alles tun, um […] unsere Zukunftsfähigkeit auszubauen. (Allianz, Rede, 7.05.2013) (75) Dies gilt insbesondere für den Abbau unserer risikogewichteten Aktiva (Commerzbank, Rede, 19.04.2013)

Geschäftsstellen und Unternehmen, in denen die Geschäfte nicht gut laufen, werden häufig als Baustellen konzipiert (76), (77). Baustellen kosten Zeit und Geld und lenken vom Kerngeschäft ab. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass das Unternehmen nach dem Umbau besser aufgestellt ist. Von Vorteil ist, wenn einzelne Baustellen geschlossen werden können (76), (78): (76) Damit zeichnet sich nach mehreren Verlustjahren ab, dass der Hamburger Kosmetikkonzern im zweiten Anlauf […] eine große Baustelle los ist (Handelsblatt.com, URL: http://www. handelsblatt.com/unternehmen/industrie/positive-prognosen-beiersdorf-kommt-bei-chinesen-an/8085076.html, Zugriff am 18.04.2013, Beiersdorf) (77) Die Aufräumarbeiten auf der Großbaustelle Deutsche Bank haben begonnen, aber es wird wohl noch lange dauern, bis alle Altlasten beseitigt sind und das Vertrauen wiederhergestellt ist (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/bankenversicherungen/banken/hauptversammlung-mit-papp-panzern-gegen-die-deutschebank/8243884.html, Zugriff am 23.05.2013, Deutsche Bank) (78) Es ist uns gelungen, große Auslandsbaustellen zu schließen (Telekom, Rede, 16.05.2013)

3.4 Medizin Zu den physischen Erfahrungen gehören Krankheiten. Auch Unternehmen können erkranken. So sind Unternehmen gegen Nachfrageschwankungen nicht immun (79), (80). Ist das Unternehmen infiziert, fungieren Manager als Ärzte, die eine Medizin – in diesem Fall ein Sparprogramm – verordnen, damit es wieder gesundet (81): (79) Der Hersteller von synthetischem Kautschuk […] ist nicht immun gegen Nachfrageschwankungen. (Handelsblatt.com, URL. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/ hauptversammlung-autokrise-in-europa-macht-lanxess-zu-schaffen/8242936.html, Zugriff am 23.05.2013, Lanxess) (80) Wir bei Lanxess sind nicht immun gegen derartige Nachfrageschwankungen. (Lanxess, Rede, 23.05.2013) (81) Seither haben sie der Deutschen Bank nicht nur einen radikalen Konzernumbau inklusive Sparprogramm verordnet. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/banken/deutsche-bank-hauptversammlung-jain-haeltkomplette-rede-auf-deutsch/8242694.html, Zugriff am 23.05.2013, Deutsche Bank)

Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation 

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3.5 Natur Entwickelt sich ein Unternehmen positiv, wächst es. Das Sprachbild des Wachstums aus dem Bereich der ‚Natur‘ ist elementarer Bestandteil der Wirtschaftskommunikation. Diesem liegen auch Teile des ‚Skalen‘-Schemas zugrunde. Bei dem Sprachbild Wachstum wird jedoch der Eindruck erweckt, die Kennzahlen entwickelten sich ohne großes Zutun der Firmenleitung (Jäkel 2003, 198 f.): (83) Mit den verbleibenden 60 Prozent finanzieren wir interessantes organisches Wachstum. (Allianz, Rede, 7.05.2013) (84) Wir wollen auf den Märkten dieser Welt weiter wachsen. (BMW, Rede, 14.05.2013) (85) Dank der selektiven Wachstumsstrategie […] konnten darüber hinaus die Bruttomargen in allen drei Geschäftsfeldern weiter erhöht werden. (Deutsche Post, Rede, 29.05.2013)

Ein Unternehmen betreibt ähnlich einem Landwirt verschiedene Felder (86). Ist es erfolgreich, kann es Früchte ernten (88), oder die Geschäfte florieren (87): (86) Lassen Sie mich anhand unserer strategischen Wachstumsfelder genauer erläutern, wie wir sie verwirklichen wollen. (Daimler, Rede, 10.04.2013) (87) Noch im Vorjahr hatte der Hersteller von Pritt und Persil dank florierender Geschäfte in Wachstumsregionen und seines Sparprogramms Umsatz, Ergebnis und Dividende auf Rekordwerte geschraubt. (Handelsblatt.com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/hauptversammlung-henkel-verschiebt-jobs-ins-ausland/8066558.html, Zugriff am 15.04.2013, Henkel) (88) Gleichzeitig ernten wir die Früchte unseres guten Kostenmanagements. (Deutsche Post, Rede, 29.05.2013)

3.6 Militärwesen Sprachbilder aus dem Herkunftsbereich ‚Militärwesen‘ sind im Korpus selten. Sie finden sich vor allem in den Reden der Vorstände, deren Unternehmen mit schwierigen wirtschaftlichen Entwicklungen kämpfen müssen. So muss der E.ON-Vorstand seine Strategie verteidigen (89) und der Commerzbank-Chef erläutert, dass das niedrige Zinsniveau die Pläne des Managements torpediert habe (90). Die Metapher erweckt den Anschein, dass die Pläne scharf angegriffen wurden und dass das Commerzbank-Management dem Angriff schutzlos ausgeliefert war. Daimler zeigt sich kampfeslustig und geht davon aus, mit dem neuen Produkt Märkte zu erobern (91): (89) E.ON-Chef Teyssen verteidigte dagegen die Auslandsstrategie des Konzerns. (Handelsblatt. com, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/eon-hauptversammlungbrasilien-und-die-tuerkei-machen-viel-freude/8157874.html Zugriff am 03.05.2013, E.ON) (90) Er räumte ein, dass die Euro-Schuldenkrise und die Niedrigzinsen den Plan torpediert hätten, die Staatshilfen aus Gewinnen zu tilgen. (Handelsblatt.com, URL: http://www. handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/banken/trotz-kritik-aktionaere-

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erlauben-commerzbank-die-kapitalerhoehung/8096326.html, Zugriff am 19.04.2013, Commerzbank) (91) Auch für die nächste Produkt-Neuheit […] rechnen wir uns gute Eroberungschancen aus. (Daimler, Rede, 10.04.2013)

4 Fazit Metaphern spielen sowohl in der externen Kommunikation als auch in der Wirtschaftsberichterstattung eine essentielle Rolle als wissenskonstitutive Elemente. Ohne Metaphern ließe sich die abstrakte Diskursdomäne Wirtschaft kaum erschließen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den bildschematischen Sprachbildern zu. Diese sind stark lexikalisiert und fallen daher als Metaphern kaum mehr auf. Doch sie geben dem abstrakten Bereich Wirtschaft eine Struktur, sodass dieser überhaupt sprachlich und kognitiv erfasst werden kann. In der Wirtschaft sind horizontale und vertikale Bewegungen konstitutiv. Ein Unternehmen muss möglichst schnell unterwegs sein, damit es seine Ziele zügig erreicht und die Konkurrenz auf dem Weg überholen kann. Geschäftszahlen steigen und fallen. Daher ist Wirtschaftskommunikation ohne Sprachbilder aus den Bereichen ‚Weg‘ und ‚Skala‘ undenkbar. Konstellationsmetaphern fungieren auch als wissenskonstitutive Elemente. Ihnen kommt daneben jedoch oft auch eine manipulative Funktion zu, da mit Sprachbildern eine bestimmte Sicht auf Sachverhalte transportiert wird, während andere Aspekte ausgeblendet werden. Lakoff und Johnson sprechen dabei von „highlighting and hiding“ (Lakoff/Johnson 1980, 10). Im Korpus dominieren Sprachbilder aus dem Bereich des ‚Sports‘. Den Kampf um Marktanteile sehen Unternehmen eher sportlich. Zu Bildern aus dem Bereich ‚Militär‘ greifen überwiegend Unternehmen, deren Geschäftsjahr 2012 wenig erfreulich verlief. Durch Metaphern aus dem Herkunftsbereich ‚Militär‘ verdeutlichen die Vorstände, dass sie besonders harten Angriffen ausgesetzt waren. Andere Unternehmen nutzen die Sprachbilder aus diesem Bereich hingegen, um sich bei der Eroberung von Marktanteilen kampfeslustig und entschlossen zu zeigen. Die Journalisten von Handelsblatt.com übernehmen größtenteils die Metaphern aus den Pressemitteilungen und Reden. Zu bildschematischen Sprachbildern gibt es oft keine Alternative. Aber auch bei den Konstellationsmetaphern zeigen sich bei den Sprachbildern in Reden, Pressemitteilungen und Berichten keine nennenswerten Unterschiede. Alle Texte sind von Metaphern durchzogen. Ohne Sprachbilder als wissenskonstitutive Elemente wäre eine Wirtschaftskommunikation de facto gar nicht möglich.

Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation 

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5 Literatur 5.1 Literatur Baldauf, Christa (1997): Metapher und Kognition – Grundlagen einer neuen Theorie der Alltagsmetapher. Frankfurt a. M. Charteris-Black, Jonathan (2000): Metaphor and vocabulary teaching in ESP economics. In: English for Specific Purposes 19, 149–165. Charteris-Black, Jonathan/Andreas Musolff (2003): ‘Battered hero’ or ‘innocent victim’? A comparative study of metaphors for euro trading in British and German financial reporting. In: English for Specific Purposes 22, 153–176. Debatin, Bernhard (2011): Die Rationalität metaphorischer Argumente. In: Junge, 185–203. Drößiger, Hans-Harry (2006): Metaphorik in der deutschen Gegenwartssprache. Funktionalkommunikative Aspekte. Hamburg. Jäkel, Olaf (2003): Wie Metaphern Wissen schaffen. Die kognitive Metapherntheorie und ihre Anwendung in Modell-Analysen der Diskursbereiche Geistestätigkeit, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion. Verb., aktual. und erw. Neuaufl. Hamburg. Johnson, Mark (1987): The Body in the Mind: The Bodily Basis of Meaning, Imagination, and Reason. Chicago. Junge, Matthias (Hg.) (2011): Metaphern und Gesellschaft. Die Bedeutung der Orientierung durch Metaphern. Wiesbaden. Kövecses, Zoltán (2009): Metaphor, Culture, and Discourse. The Pressure of Coherence. In: Musolff/ Zinken, 11–24. Lakoff, George (1993): The Contemporary Theory of Metaphor. In: Andrew Ortony (Hg.): Metaphor and Thought. 2. Aufl. Cambridge u. a., 202–251. Lakoff, George/Mark Johnson (1980): Metaphors we live by. Chicago. McCloskey, Deirdre N. (1986): The rhetoric of economics. Brighton. Musolff, Andreas/Jörg Zinken (Hg.) (2009): Metaphor and Discourse. Basingstoke/New York. Scorczynska, Hanna/Alice Deignan (2006): Readership and Purpose in the Choice of Economics Metaphors. In: Metaphor and Symbol 21, 87–104.

5.2 Textkorpus – Artikel Allianz Reuters/dpa (2013): Allianz steigert Gewinn deutlich. In: Handelsblatt.com, 7.05.2013, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/versicherungen/ versicherungskonzern-allianz-steigert-gewinn-deutlich/8172462.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. BASF Reuters (2013): Agrarchemie beschert BASF sattes Gewinnplus. In: Handelsblatt.com, 26.04.2013, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/weltgroesster-chemiekonzernagrarchemie-beschert-basf-sattes-gewinnplus/8126972.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Bayer Reuters (2013): Bayer glaubt an Zukunft der Kunststoffsparte. In: Handelsblatt.com, 26.04.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/trotz-gewinnrueckgangs-bayer-glaubtan-zukunft-der-kunststoffsparte/8129374.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015.

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Beiersdorf Reuters (2013): Beiersdorf kommt bei Chinesen an. In: Handelsblatt.com, 18.04.2013, http:// www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/positive-prognosen-beiersdorf-kommt-beichinesen-an/8085076.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. BMW Reuters (2013): „Wir Deutsche sehen mehr Probleme als Chancen“. In: Handelsblatt.com, 14.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/bmw-vorstandschef-wirdeutsche-sehen-mehr-probleme-als-chancen/8203448.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Commerzbank Reuters (2013): Aktionäre erlauben Commerzbank die Kapitalerhöhung. In: Handelsblatt.com, 19.04.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/banken/ trotz-kritik-aktionaere-erlauben-commerzbank-die-kapitalerhoehung/8096326.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Reuters (2013): Commerzbank in den roten Zahlen. In: Handelsblatt.com, 19.04.2013, http:// www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/banken/hauptversammlungcommerzbank-in-den-roten-zahlen/8092378.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Ertinger, Sebastian (2013): Volle Deckung, Herr Blessing“ In: Handelsblatt.com, 19.04.2013, http:// www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/banken/commerzbank-volledeckung-herr-blessing/8093214.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Daimler dpa (2013): Daimler blickt skeptisch aufs Jahr. In: Handelsblatt.com, 10.04.2013, http://www. handelsblatt.com/unternehmen/industrie/hauptversammlung-daimler-blickt-skeptischaufs-jahr/8043926.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Döring, Tobias (2013): Zetsches Aufseher müssen herbe Kritik einstecken. In: Handelsblatt. com, 10.04.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/daimlerhauptversammlung-zetsches-aufseher-muessen-herbe-kritik-einstecken/8043942.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Deutsche Bank Reuters (2013): Aktionäre nicken Vergütungsmodell der Deutschen Bank ab. In: Handelsblatt.com, 23.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/banken/ hauptversammlung-aktionaere-nicken-verguetungsmodell-der-deutschen-bank-ab/8247866. html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Ertinger, Sebastian (2013): Mit Papp-Panzern gegen die Deutsche Bank. In: Handelblatt.de, 23.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/banken/ hauptversammlung-mit-papp-panzern-gegen-die-deutsche-bank/8243884.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Ertinger, Sebastian (2013): Jain hält komplette Rede auf Deutsch. In: Handelsblatt.com, 23.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/banken/deutsche-bankhauptversammlung-jain-haelt-komplette-rede-auf-deutsch/8242694.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Deutsche Lufthansa Döring, Tobias (2013): Aktionäre zanken sich wegen Mayrhuber. In: Handelblatt.de, 7.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/lufthansahauptversammlung-aktionaere-zanken-sich-wegen-mayrhuber/8174312.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. dpa (2013): Denkzettel für Mayrhuber. In: Handelsblatt.com, 7.05.2013, http://www.handelsblatt. com/unternehmen/dienstleister/lufthansa-hauptversammlung-denkzettel-fuermayrhuber/8176698.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015.

Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation 

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Deutsche Post Reuters (2013): Neues Gesetz könnte Post in die Quere kommen. In: Handelsblatt.com, 29.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/hauptversammlung-neuesgesetz-koennte-post-in-die-quere-kommen/8271222.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Deutsche Telekom Reuters/dpa (2013): „Unser Aktienkurs löst keine Jubelstürme aus“. In: Handelsblatt. com, 16.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/telekomhauptversammlung-unser-aktienkurs-loest-keine-jubelstuerme-aus/8214968.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. E.ON Heide, Dana (2013): „Brasilien und die Türkei machen viel Freude“. In: Handelsblatt.com, 3.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/eon-hauptversammlung-brasilien-unddie-tuerkei-machen-viel-freude/8157874.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Heide, Dana (2013): Warum Eon für Umweltfreundlichkeit bestraft wird. In: Handelsblatt.com, 3.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/hauptversammlung-warumeon-fuer-umweltfreundlichkeit-bestraft-wird/8159070.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Fresenius Medical Care Reuters (2013): Politischer Gegenwind stimmt FMC vorsichtig. In: Handelsblatt.com, 16.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/dialysefirma-politischer-gegenwindstimmt-fmc-vorsichtig/8219356.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Henkel Reuters (2013): Henkel verschiebt Jobs ins Ausland. In: Handelsblatt.com, 15.04.2013, http://www. handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/hauptversammlung-henkel-verschiebtjobs-ins-ausland/8066558.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Infineon Technologies dpa (2013): Infineon sieht Talsohle fast durchschritten. In: Handelsblatt.com, 28.02.2013, http:// www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/halbleiter-konzern-infineon-sieht-talsohlefast-durchschritten/7857294.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Lanxess Reuters/dpa (2013): Autokrise in Europa macht Lanxess zu schaffen. In: Handelsblatt.com, 23.05.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/hauptversammlungautokrise-in-europa-macht-lanxess-zu-schaffen/8242936.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Linde dpa (2013): Reitzle verspricht weiteres Rekordjahr. In: Handelsblatt.com, 29.05.2013, http:// www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/linde-hauptversammlung-reitzle-versprichtweiteres-rekordjahr/8273308.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Münchener Rückversicherungsgesellschaft Reuters (2013): Ergo-Mutter Munich Re startet stark ins Jahr. In: Handelsblatt.com, 25.04.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/versicherungen/ versicherungskonzern-ergo-mutter-munich-re-startet-stark-ins-jahr/8120906.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. RWE Heide, Dana (2013): RWE-Aktionäre wollen Dividende kürzen. In: Handelsblatt.com, 18.04.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/hauptversammlung-rwe-aktionaerewollen-dividende-kuerzen/8086370.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015.

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SAP Kerkmann, Christof (2013): SAP feiert Party mit leisen Tönen. In: Handelsblatt.com, 4.06.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/software-konzern-sap-feiert-party-mitleisen-misstoenen/8296158.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Siemens dpa (2013): Ex-Bundesminister Waigel verdiente bei Siemens eine halbe Million Euro. In: Handelsblatt.com, 23.01.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/ management/koepfe/ex-bundesfinanzminister-waigel-verdiente-bei-siemens-eine-halbemillion-euro/7678922.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Ohne Autornennung (2013): Siemens-Gewinn schrumpft. In: Handelsblatt.com, 23.01.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/quartalsergebnis-siemens-gewinnschrumpft/7672882.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Ertinger, Sebastian; Höpner, Axel (2013): Das zweite Gefecht des Superaufsehers. In: Handelsblatt. com, 23.01.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/siemenshauptversammlung-das-zweite-gefecht-des-superaufsehers/7671056.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. ThyssenKrupp AFP (2013): Geschacher um Problem-Werke von Thyssen-Krupp. In: Handelsblatt.com, 18.01.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/industriekonzern-geschacher-umproblem-werke-von-thyssen-krupp/7650698.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Reuters/dpa (2013): Chefaufseher Cromme gesteht verspätetes Handeln ein. In: Handelsblatt. com, 18.01.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/thyssen-kruppchefaufseher-cromme-gesteht-verspaetetes-handeln-ein/7652356.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Ertinger, Sebastian (2013): Guter Manager, böser Manager. In: Handelsblatt.com, 18.01.2013, http:// www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/thyssen-krupp-hauptversammlung-gutermanager-boeser-manager/7654212.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. VW Döring, Tobias (2013): „Harter Wind bläst uns ins Gesicht“. In: Handelsblatt.com, 25.04.2013, http:// www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/vw-hauptversammlung-harter-wind-blaestuns-ins-gesicht/8121566.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Reuters (2013): VW-Chef stimmt Konzern auf schwere Zeiten ein. In: Handelsblatt.com, 25.04.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/hauptversammlung-vw-chef-stimmtkonzern-auf-schwere-zeiten-ein/8121278.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015.

5.3 Textkorpus – Reden, Pressemitteilungen Allianz Diekmann,Michael (2013): Bericht des Vorstandsvorsitzenden Michael Diekmann über den Geschäftsverlauf, 7.05.2013, URL: https://www.allianz.com/v_1367916730000/media/ investor_relations/de/hauptversammlung/archiv_1999_2014/hv_2013/hv2013_rede.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Allianz SE Group Communications (2013): Erfolgreiches erstes Quartal 2013 für Allianz, 15.05.2013, URL: https://www.allianz.com/de/investor_relations/Mitteilungen/archiv_2013/130515. html?search.query=Erfolgreiches%20OR%20erster%20OR%20Quartal%20OR%20 2013&search.filter=_contentType:editorial, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015.

Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation 

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BASF Bock, Kurt (2013): Rede zur Hauptversammlung der BASF SE am 26. April 2013, https://www.basf. com/documents/corp/de/investor-relations/calendar-and-publications/annual-shareholdersmeeting/2013/BASF_Rede_zur_HV_2013.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. BASF SE (2013): Solides 1. Quartal 2013 für BASF, 26.04.2013, http://www.standort-ludwigshafen. basf.de/group/corporate/site-ludwigshafen/de_DE/news-and-media-relations/ news-releases/P-13-229, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Bayer Dekkers, Marijn (2013): Aus den Ausführungen von Dr. Marijn Dekkers, Vorsitzender des Vorstands der Bayer AG. „Mit Innovationen optimistisch in die Zukunft“, 26.04.2013. Bayer AG Communications: Vorstandsvorsitzender Dr. Marijn Dekkers auf der Hauptver-sammlung der Bayer AG: „Bayer ist ein Innovationsunternehmen von Weltrang“, 26.04.2013. Beiersdorf Heidenreich, Stefan F. (2013): Rede Stefan F. Heidenreich, Vorsitzender des Vorstands auf der Hauptversammlung der Beiersdorf AG am 18. April 2013 in Hamburg, 18.04.2013, http://www. beiersdorf.de/investoren/hauptversammlung/archiv, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Beiersdorf AG, Presse (2013): Hauptversammlung der Beiersdorf AG 2013, 18.04.2013, http:// www.beiersdorf.de/presse/news/alle-news/2013/04/2013-04-18-news-hauptversammlungbeiersdorf-ag-2013, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. BMW Reithofer, Norbert (2013): Bericht Dr. Norbert Reithofer Vorsitzender des Vorstands der BMW AG, 93. Ordentliche Hauptversammlung des BMW AG, 14.05.2013, http://www.bmwgroup.com/d/0_0_ www_bmwgroup_com/investor_relations/corporate_events/hauptversammlung/2013/_pdf/ Rede_Dr_Reithofer_HV_2013.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. BMW Unternehmenskommunikation (2013): BMW Group stellt Weichen für eine erfolgreiche Zukunft, 14.05.2013, http://www.bmwgroup.com/d/0_0_www_bmwgroup_com/investor_relations/ corporate_news/news/2013/hauptversammlung_2013.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. BMW Unternehmenskommunikation (2013): Prof. Milberg erneut zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt, 14.05.2013, http://www.bmwgroup.com/d/0_0_www_bmwgroup_com/investor_ relations/corporate_news/news/2013/HV_2013_Milberg.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Commerzbank Blessing, Martin (2013): Hauptversammlung 19. April 2013, 19.04.2013, https://www.commerzbank. de/media/aktionaere/haupt/2013_2/HV2013_19_04_HV_Rede_MB_pp.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Commerzbank Investor Relations (2013): Hauptversammlung der Commerzbank stellt Weichen für vollständige Rückzahlung der Stillen Einlagen von Bund und Allianz und wählt neue Aufsichtsratsmitglieder, 19.04.2013, https://www.commerzbank.de/de/hauptnavigation/ aktionaere/service/archive/ir-nachrichten_1/2013_8/ir_nachrichten_detail_13_31690.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Commerzbank Investor Relations (2013): Commerzbank-Hauptversammlung stimmt Kapitalerhöhung zur vollständigen und vorzeitigen Rückzahlung der Stillen Einlagen von Bund und Allianz zu – Abstimmungsergebnisse im Überblick, 19.04.2013, https://www.commerzbank.de/ de/hauptnavigation/aktionaere/service/archive/ir-nachrichten_1/2013_8/ir_nachrichten_ detail_13_31691.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Daimler Zetsche, Dieter (2013): Rede des Vorstandsvorsitzenden Dr. Dieter Zetsche anlässlich der ordentlichen Hauptversammlung der Daimler AG, 10.04.2013, http://www.daimler.com/

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 Barbara Brandstetter

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Metaphern als wissenskonstitutive Elemente in der Wirtschaftskommunikation 

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Henkel Rorsted, Kasper (2013): Rede Kasper Rorsted, Vorsitzender des Vorstands, 15.04.2013, http://www. henkel.de/blob/49956/7bdd7f9b935e5ae380d91f67b9b272cf/data/308938-rede-kasperrorsted-hv-2013-dv-aktionaere.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Henkel Investor Relations (2013): Henkel bekräftigt Ausblick für 2013, 15.04.2013, http://www. henkel.de/blob/191006/776ef8fb83df740ece23a7354ee73a27/data/309174-pi-ii-hv-2013-en. pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Henkel Investor Relations (2013): Hauptversammlung bei Henkel, 15.04.2013, http://www.henkel. de/blob/201624/c8032c525e431302499b96705380eb57/data/309174-pi-ii-hv-2013-de.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Infineon Technologies Ploss, Reinhard (2013): Vorsitzender des Vorstands Infineon Technologies AG Hauptversammlung, 28.02.2013, https://www.infineon.com/dgdl?folderId=db3a30433c1a8752013c245501347224 &fileId=db3a30433d1d0bbe013d2032030f15c1, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Infineon Presse (2013): Aufsichtsrat verlängert Vorstandsvertrag von Dominik Asam, 28.02.2013, http://www.infineon.com/cms/de/about-infineon/press/press-releases/2013/ INFXX201302-028.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Lanxess Heitmann, Axel C. (2013): Aus den Ausführungen von Dr. Axel C. Heitmann, Vorstandsvorsitzender der Lanxess AG, 23.05.2013, http://lanxess.de/de/corporate/presse/reden/ hauptversammlung-2013/, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Lanxess Presse (2013): Lanxess präsentiert auf Hauptversammlung starkes Geschäftsjahr 2012, 23.05.2013, http://lanxess.de/de/corporate/ueber-lanxess/konzern-news/2013-00057/, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Linde Reitzle, Wolfgang (2013): Rede von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle, Vorsitzender des Vorstands der Linde AG anlässlich der Linde-Hauptversammlung, 29.05.2013, http://www.anlegerplus.de/ assets/Downloads/HV-Reden/2013/HV-RedeLindeweb.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Linde Group Presse: Hauptversammlung der Linde AG wählt neuen Aufsichtsrat – Dr. Manfred Schneider als Vorsitzender bestätigt, 29.05.2013, https://www.google.de/?gws_rd=ssl#q=H auptversammlung+der+Linde+AG+w%C3 %A4hlt+neuen+Aufsichtsrat, zuletzt aufgerufen am 1.02.105. Münchener Rückversicherungsgesellschaft Bomhard, Nikolaus von (2013): Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Hauptversammlung 2013, Bericht des Vorstandsvorsitzenden Nikolaus von Bomhard, 25.04.2013, http://www. munichre.com/site/corporate/get/documents_E1683042510/mr/assetpool.shared/ Documents/0_Corporate%20Website/5_Investor%20Relations/AGM/2013/302-07813_de.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Munich Re Media Relations (2013): Munich Re schüttet mehr als 1,25 Mrd. Euro an Aktionäre aus, 26.04.2013, http://www.munichre.com/de/media-relations/publications/ press-releases/2013/2013-04-26-press-release/index.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. RWE Terium, Peter (2013): Ausführungen anlässlich der Hauptversammlung der RWE AG, 18.04.2013, http://www.rwe.com/web/cms/mediablob/de/1805600/data/1798118/5/rwe/investorrelations/hauptversammlung/hauptversammlung-2013/Rede-Peter-Terium-HV2013.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015.

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 Barbara Brandstetter

SAP McDermott, Bill (2013): 26. Ordentliche Hauptversammlung, 4.06.2013, http://global.sap.com/ corporate-de/investors/governance/pdf/SAP-2013-Hauptversammlung-Rede-Bill-McDermott. pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Snabe, Jim Hagemann (2013): 26. Ordentliche Hauptversammlung, 4.06.2013, http://global. sap.com/corporate-de/investors/governance/pdf/SAP-2013-Hauptversammlung-Rede-JimHagemann-Snabe.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. SAP Investor Relations (2013): Hauptversammlung der SAP stimmt Dividende von 0,85 Euro/Aktie zu, 4.06.2013, http://de.news-sap.com/2013/06/04/hauptversammlung-der-sap-stimmtdividende-von-085-euroaktie-zu/, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Siemens Löscher, Peter (2013): Hauptversammlung der Siemens AG, 23.01.2013, http://www.siemens.com/ press/pool/de/events/2013/corporate/2013-q1/2013-hv-rede-loescher.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Siemens Presse (2013): Hauptversammlung wählt neuen Aufsichtsrat, 23.01.2013, http://www. siemens.com/press/de/pressemitteilungen/?press=/de/pressemitteilungen/2013/ corporate/2013-q1/axx20130122.htm&content%5B%5D=CC&content%5B%5D=IO&content%5 B%5D=Corp, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. ThyssenKrupp Hiesinger, Heinrich (2013): Ausführungen von Dr. Heinrich Hiesinger, Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG anlässlich der 14. Ordentlichen Hauptversammlung, 18.01.2013, http://www. thyssenkrupp.com/documents/hv_2013_01_18_de/ThyssenKrupp_HV_2013_Rede_Hiesinger. pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. ThyssenKrupp Corporate Communications (2013): ThyssenKrupp erreicht im ersten Quartal 2012/13 operative Ziele und setzt wichtige strategische Meilensteine um, 12.02.2013, http://www. thyssenkrupp.com/de/presse/art_detail.html&eid=TKBase_1360596793808_1016609831, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. VW Winterkorn, Martin (2013): Hauptversammlung Rede Prof. Dr. Martin Winterkorn, Vorsitzender des Vorstands der Volkswagen Aktiengesellschaft, 25.04.2013, http://www.volkswagenag.com/ content/vwcorp/info_center/de/talks_and_presentations/2013/04/53_HV_2013.bin.html/ binarystorageitem/file/Rede_Prof._Dr._Winterkorn.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Volkswagen Presse (2013): Volkswagen legt umfassenden Nachhaltigkeitsbericht vor, 25.04.2013, http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/news/2013/04/SR_Report. html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Volkswagen Presse (2013): Hauptversammlung 2013, 25.04.2013, http://www.volkswagenag.com/ content/vwcorp/info_center/de/themes/2013/04/2013_Annual_General_Meeting0.html, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015. Volkswagen Presse (2013): Volkswagen bestätigt Ausblick für das Gesamtjahr 2013, 24.04.2013, https://www.volkswagen-media-services.com/detailpage/-/detail/Volkswagen-bestaetigtAusblick-fuer-das-Gesamtjahr-2013/view/304262/228a390a34bb1303ea5899a8f8a31 e09?p_p_auth=n2cOABQg, zuletzt aufgerufen am 1.02.2015

Dieter Georg Herbst

5. Zum Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling Abstract: Storytelling in der Wirtschaft nimmt an Bedeutung stark zu. Das Storytelling besteht in der klassischen Erzählform aus Text und Bild. Die Frage lautet, wie das optimale Text-Bild-Verhältnis im Storytelling beschaffen sein sollte und welche jeweiligen Vorteile und Nachteile Texte und Bilder im Storytelling haben. Hierzu stellt der Beitrag zunächst Storytelling in der Wirtschaft vor: Definition, Funktionen, Ziele, Technik, Wirkung und Kernelemente. Es folgt die Diskussion der Verarbeitung von Texten und Bildern durch das Gehirn und daraus resultierend deren jeweiliger Wirkweisen. Auf dieser Grundlage werden die unterschiedlichen Eigenschaften von Text und Bild dargestellt, aber auch deren Zusammenspiel. Der Beitrag endet mit Fazit und Ausblick. 1 Storytelling in der Wirtschaft 2 Wahrnehmung von Texten und Bildern 3 Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling 4 Fazit und Ausblick 5 Literatur

1 Storytelling in der Wirtschaft 1.1 Definition Storytelling in der Wirtschaft bedeutet, Mitarbeitenden, Kunden, Journalisten und anderen wichtigen Bezugsgruppen Fakten über das Unternehmen gezielt, systematisch geplant und langfristig in Form von Geschichten zu erzählen (Herbst 2014). Storytelling unterstützt die Einordnung von Informationen und erhöht deren Verständlichkeit, es unterstützt das Lernen und Mitdenken der Beteiligten nachhaltig und fördert die geistige Beteiligung. Insgesamt fügt Storytelling der Kommunikation in der Wirtschaft eine neue Qualität hinzu (vgl. Frenzel/Müller/Sottong 2006, 3; Herbst 2014). Das Konzept des Storytellings für den Einsatz im Unternehmen stammt aus den USA: Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat sich 1996 ein Team aus Wissenschaftlern, Journalisten und Managern großer Unternehmen die Frage gestellt, wie es gelingen kann, Lernprozesse im Unternehmen so zu dokumentieren, dass sie das gesamte Unternehmen nutzen kann. Die Antwort war, dass Geschichten hierzu

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am besten geeignet sind. Das Storytelling war geboren (vgl. Thier 2010). Heutzutage setzen Unternehmen Storytelling umfassend ein, zum Beispiel im Change Management, im Wissensmanagement und im Marketing (siehe Kap. 1.4). Neben dem Begriff Storytelling gibt es eine Reihe weiterer Konzepte, die auf der gleichen beziehungsweise einer ähnlichen Idee beruhen. Sie heißen zum Beispiel Storytising (Simoudis 2004) und Story Dealing (Geißlinger/Raab 2007). Allen Konzepten gemeinsam ist, dass sie die enorme Wirkung von Erzählungen nutzen, um Menschen für Unternehmen und Produkte zu begeistern. Im Hinblick auf Geschichten ist folgende Unterscheidung üblich (Herbst 2014): – Ereignis: kleinste Handlungseinheit einer Geschichte. Sie bildet einen Baustein für das Fundament der Geschichte. „Erzählt werden die Erlebnisse, die ›ereignishaft‹ sind, in denen ›irgendetwas passiert‹, das aus dem Normalen herausgehoben ist. Ohne Ereignis gäbe es keine Geschichten.“ (Frenzel/Müller/Sottong 2006). Das Ereignis strukturiert die Handlung. Es trägt sehr zur Anschaulichkeit bei, da es bildhaft ist. Außerdem lassen die Ereignisse Spannungsbögen entstehen, die Erwartungen, wie die Handlung weitergeht, bei den Konsumenten aufbauen und diese in die Geschichte gedanklich einbeziehen. Folgen Ereignisse nur chronologisch aufeinander, handelt es sich um eine Chronik, deren Ereignisse nicht in einem bedeutsamen Zusammenhang stehen müssen. Erst wenn ein solcher Zusammenhang vorliegt, entsteht eine Geschichte. – Geschehen: Das Geschehen besteht aus allen chronologisch und nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten aufeinander folgenden Ereignissen. – Geschichte: In einer Geschichte folgen die Ereignisse nicht nur chronologisch aufeinander, sondern sie stehen in einem bedeutungsvollen Zusammenhang. „Strukturell betrachtet, stellt die Geschichte ein mentales Organisationskonzept zur Sinnerzeugung dar. Ihr Sinn entsteht dabei durch den zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang ihrer Elemente bzw. der Ereignisse […]“ (Simoudis 2004). Geschichten sind somit Erzählungen, die zeitlich und kausal geordnet sind. Storytelling selbst ist der Prozess des Erzählens von Geschichten.

1.2 Bedeutung in der Wirtschaft Das Interesse am Thema Storytelling ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen (Herbst 2014). Welche Gründe gibt es hierfür? In den vergangen Jahren haben sich Unternehmen dramatisch verändert: Sie sind komplexer, internationaler und schneller geworden (Hitt u. a. 2002). Auslöser für diese Entwicklung sind der steigende Wettbewerb in allen Märkten, die Austauschbarkeit von Leistungen und das daraus resultierende nachlassende Interesse der Konsumenten (Aaker 2004; Kroeber-Riel/Esch 2011).

Zum Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling 

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Diese Veränderungen gehen einher mit einem Verlust an Orientierung und Vertrauen bei den wichtigen internen und externen Bezugsgruppen wie Mitarbeitende, Kunden, Geschäftspartner, Journalisten und Politiker. Diese vermissen zunehmend ein klares Vorstellungsbild vom Unternehmen (Image), von dessen Eigenschaften, Leistungen und vor allem von dessen Einzigartigkeit. Dieses einzigartige Image ist jedoch essenziell, damit die Bezugsgruppen schnell und gezielt entscheiden können, ob sie das Unternehmen durch ihren individuellen Beitrag unterstützen wollen oder nicht (Fombrun/Shanley 1990; Fombrun 1996; Kroeber-Riel 1996; GEO-Studie 2006; Kroeber-Riel/Esch 2011). Nur einige Unternehmen sind erfolgreich darin, ein solches klares, lebendiges und einzigartiges Image zu gestalten (Herbst 2014). Einer der Gründe ist, dass die von ihnen verwendeten Bilder und Botschaften austauschbar geworden sind. Sie greifen gemeinsam auf weltweite Bilddatenbanken zu und imitieren sich mit abstrakten Begriffen wie „innovativ“, „kompetent“, „kundenfreundlich“. Die qualitative Studie von Herbst (2005) zeigt, dass nur einzelne der umsatzstärksten Dax-Unternehmen mit einzigartigen inneren Vorstellungsbildern verbunden sind – lediglich BMW und Mercedes konnten diese erzeugen. Die Forschung zeigt, dass gerade diese inneren Bilder als besonders verhaltenswirksam gelten (Kroeber-Riel 1996). Storytelling kann zum Aufbau und zur Entwicklung von inneren Bildern von Unternehmen und deren Leistungen beitragen, die stark verhaltenswirksam sind (Herbst 2014, Fuchs 2009).

1.3 Technik des Storytellings Die Technik des Storytellings besteht aus den drei Komponenten: was das Unternehmen erzählt (Handlung), wie das Unternehmen dies erzählt (Darstellung) und wozu (Wirkung) (vgl. Mangold 2003): – Was: Mit der Handlung und den daran beteiligten Personen verdeutlicht das Unternehmen, wie es die Ziele seiner Bezugsgruppen einzigartig befriedigt. – Wie es das erzählt, ist durchdacht und nach einem Muster aufgebaut. Die beiden wichtigsten Anforderungen: Die Handlungen stehen in einem zeitlichen und einem inhaltlichen Zusammenhang. Simoudis (2004, 16) schreibt: Wir verstehen die Welt, indem wir die Ereignisse um uns kausal verbinden und chronologisch sortieren. Dazu gehört auch die Einteilung der Zeit in einzelne Episoden, die aus Anfang, Mitte und Schluss bestehen. Das menschliche Leben selbst unterliegt auch dieser Zeiteinteilung und jede der vielen Episoden aus denen es besteht ebenso. Kein Moment unseres Lebens steht zusammenhangslos im Raum – wir haben ihn sowohl zeitlich als auch kausal und zielgerichtet in unsere Lebensgeschichte integriert.

– Wozu: Die Ziele des Storytellings sind zum einen, das Unternehmen bei wichtigen Bezugsgruppen bekannt zu machen und dieses in deren Köpfen präsent zu

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halten, so dass es im Fall einer Entscheidung spontan erinnert wird; zum anderen tragen Geschichten dazu bei, das klare Vorstellungsbild vom Unternehmen und seinen Leistungen aufzubauen und dieses Bild langfristig und systematisch zu entwickeln.

1.4 Einsatzgebiete In der Wirtschaft wird Storytelling mittlerweile vielfältig genutzt. Einige Beispiele: – Geschichten im Journalismus: Journalisten denken stark in Geschichten. Fog/ Budtz/Yakaboylu (2005, 197) schreiben: “the media feed on and live off of good stories”. Theoretiker und Praktiker des Wissenschaftsjournalismus fordern erzählenden (narrativen) Journalismus. Hierunter verstehen sie, dem Leser, Hörer oder Zuschauer ein absolut klares und plastisches Bild davon zu servieren, wie eine neue Technologie funktioniert und wie ein Forschungsergebnis zu verstehen ist, welche Vorzüge ihnen zugeschrieben werden und welche Nachteile daraus entspringen könnten (Goede 2005, 4). Michael Haller hat die Berichterstattung über die Terroranschläge vom 11. September analysiert (2002). Sein Ergebnis: In der Mediengesellschaft erzählen uns die Medien Großereignisse nach dem Muster einer Geschichte, die tradierten Dramaturgieregeln folgt  – Regeln, nach denen traumatisierende Erlebnisse reinszeniert, durchlebt und vielleicht auch bewältigt werden. Diese seit der Antike bekannten Muster gehörten früher ausschließlich auf die Bühne des Theaters. Heute erzeugen die Bildschirmmedien ihre eigene Theatralik und inszenieren katastrophische Großereignisse in der Form eines Psychodramas. Dabei folgen sie einer archetypischen Dramaturgie, die von der Exposition in die Polarisierung, weiter zur kathartischen Krise und schließlich zur Auflösung, wenn möglich zum Happyend führt. (Haller 2002, 4)

– Geschichten im Wissensmanagement: In den vergangenen Jahren haben Unternehmen das Geschichtenerzählen entdeckt, um Wissen zu bewahren und weiterzugeben (z. B. Thier 2010). Dahinter steht die Erkenntnis, dass der größte Schatz einer Firma in den Köpfen ihrer Mitarbeiter steckt („What is left, when people go home?“). Die Erfahrungen der Mitarbeiter und deren Wissen über Abläufe und Zusammenhänge bilden einen Großteil des Wertes eines Unternehmens. Wenn Mitarbeiter die Firma verlassen, geht meist auch deren Wissen für die Firma verloren. Das Problem für die Erfassung des Wissens und der Erfahrungen besteht darin, dass über 90 Prozent davon unbewusst und durch Befragen nicht zugänglich sind (z. B. Roth 2002; Scheier/Held 2006, 2007). Um auch das unbewusste Wissen erfassen und weitergeben zu können, nutzen Unternehmen Geschichten in ihrem Wissensmanagement: Sie lassen Mitarbeiter authentische Begebenheiten und Anekdoten über das Unternehmen erzählen und besonders gut oder schlecht gelaufene Projekte. Ergebnis sind wichtige Erkenntnisse über das, was das Denken und Handeln im Unternehmen im Umgang mit Wissen leitet.

Zum Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling 

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Zu den bekanntesten Methoden des Storytellings im Wissensmanagement gehört der „Learning-Histories-Ansatz“, den das Massachusetts Institute of Technology (MIT) Mitte der 1990er-Jahre in den USA entwickelt hat. Diese Methode erfasst anhand von Interviews das Erfahrungswissen von Mitarbeitenden über Fusionen, Reorganisationen oder Pilotprojekte und bereitet diese Informationen als gemeinsame Erfahrungsgeschichte auf. Ziel ist zum einen, die Erfahrungen, Tipps und Tricks zu dokumentieren und zum anderen dieses Wissen für das gesamte Unternehmen zugänglich und somit nutzbar zu machen (z. B. Thier 2010). – Storytelling in der Markenführung: Zunehmend erscheinen Beiträge in Webforen; Agenturen gründen eigene Abteilungen für (Digital) Brand Storytelling, um Markengeschichten professionell anzubieten. Diese enorm gestiegene Bedeutung ist eng verbunden mit der Ausbreitung des Konzeptes des Storytellings in vielen Bereichen des täglichen Lebens und in der Wirtschaft (vgl. z. B. Herbst 2008; Thier 2010; Dietrich/Schmidt-Bleeker 2013). Brand Storytelling bedeutet, die Marke gezielt, systematisch geplant und langfristig nach der Technik des Geschichtenerzählens zu inszenieren (vgl. z. B. Simoudis 2004; Herbst 2014). Brand Storytelling erzählt über Fakten hinaus, was für die Marke wichtig ist und welches einzigartig belohnende Gefühl sie auslöst. Sie beantwortet die Fragen: Will das Brand Storytelling ihren Kunden mehr Sicherheit bringen? Will die Marke sie Neues entdecken lassen oder will sie deren Leistung steigern? Welche Hindernisse stellen sich ihr hierbei in den Weg? Wie erfüllt sie dennoch ihren Auftrag? Wie belohnen sie die Menschen hierfür? Empirisch untersuchte Wirkungen von Markengeschichten gibt es in Studien über Konsumenten und über Unternehmen. Als besonders wichtig gelten Markengeschichten über Dienstleister wie Banken und Versicherungen, weil deren Produkte immateriell sind und keinen physischen Wahrnehmungsanker besitzen (vgl. z. B. Mossberg/Nissen Johansen 2006). Für beides hat es einen Anstieg von Forschung gegeben (z. B. Adaval/Wyer, 1998; Mattila 2000; Benjamin 2006; Mossberg/Nissen Johansen 2006; Woodside/Sood/Miller 2008). Die meisten Studien untersuchen Markengeschichten im Hinblick auf die Erfahrungen der Konsumenten und auf Konsequenzen der Markenverwendung (z. B. Chang 2009, 22) sowie auf Inhalte von Markengeschichten in der Werbung (Stern 1994). Überdies wurden viele Quellen für den Inhalt von Markengeschichten analysiert, einschließlich Reise-Blogs (Woodside/Sood/Miller 2008; Hsu/Dehuang/Woodside 2009), Konsumentenblogs (Hirschman 2010) und Unternehmensblogs (Mast 2012).

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1.5 Wirkung Storytelling wirkt deshalb so stark, weil es an die Grundprinzipien des Gehirns anknüpft, an dessen Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung  – Storytelling ist „gehirngerechte“ Kommunikation (vgl. z. B. Spitzer 2002; Fuchs 2009; Herbst, 2008; Scheier/Held 2006, 2007). Geschichten sind deshalb besonders wirkungsvoll, weil sie bildhaft, bewegungsnah und anschaulich sind. Die Technik des Storytellings greift auf Muster zurück (z. B. von Personen, Handlungen, Orten), die Konsumenten schon in ihrer Kindheit gelernt haben und die ihnen die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Geschichten so leicht macht (Fuchs 2009). Geschichten sind offenbar eine höchst ökonomische Art, mit der Komplexität der Welt umzugehen. Sie setzen unterschiedliche Akteure in einer spannenden, die Emotionen […] fesselnden und daher gut merkbaren Form zueinander in Beziehungen […]. Sie integrieren kognitive und emotionale Schemata und werden so zu einem der wichtigsten Interpretationsrahmen, die wir als Menschen zur Deutung unserer Erfahrungen verwenden. (Simon 2004, 179

Hierbei transportieren Geschichten „implizite, kulturell gelernte Bedeutungen, weit über das Offensichtliche und Explizite hinaus.“ (Scheier/Held 2006, 70). Beispiele solcher tiefergehenden Bedeutungen sind z. B. der Kampf von Don Quichotte gegen Windmühlen, Sisyphos oder die zahlreichen Erzählungen der Bibel. Wie wichtig Geschichten für das Gehirn sind, zeigt sich darin, dass eigene neuronale Netzwerke, das episodische Gedächtnis, Geschichten speichern (Pöppel 2001). Dieses Gedächtnissystem verfügt über enorme Kapazitäten, weil es für den Menschen sehr wichtig ist, auf dieses Wissen zuzugreifen. […] Geschichten […] aktivieren Erlebnisse in unserem episodischen Gedächtnis und schaffen damit Relevanz. Die verwendeten Symbole wie z. B. ein Logo oder die Architektur der Filialen werden im semantischen Gedächtnis und die sensorischen Erfahrungen wie Farben oder Musik werden in den sensorischen Gedächtnissen verarbeitet. All diese Signale werden mit den individuellen und kulturell gelernten Erfahrungen und Erwartungen abgeglichen. Aus diesem Abgleich entsteht dann die Bedeutung, die unser Verhalten steuert. (Scheier/Held 2006, 70)

Die Bedeutung von Geschichten für das Verhalten von Menschen fasst Pöppel zusammen: Nur wer das bildhafte oder episodische Gedächtnis erreiche, könne das Verhalten von Menschen dauerhaft ändern (Pöppel 2001).

1.6 Kernelemente von Geschichten Studien in unterschiedlichen Kulturkreisen zeigen, dass Geschichten zu allen Zeiten und an allen Orten sehr ähnliche Strukturen haben. Es scheint ein Regelwerk, eine universale Grammatik für den Aufbau von Geschichten zu geben (Mangold 2003).

Zum Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling 

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Geschichten bestehen grundsätzlich aus Handelnden und einer Handlung, die zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten stattfindet.

1.6.1 Handelnde Im Mittelpunkt des Storytellings in der Wirtschaft stehen Geschichten über Menschen: Forscher, Mitarbeitende in der Produktion und der Qualitätssicherung, Menschen, die nah am Kunden sind, Mitbewerber, aber auch Protagonisten, die die Marke unterstützen, ihr Belohnungsversprechen zu erfüllen, zum Beispiel internationale Experten. Entsprechend ihrer Bedeutung und Funktion lassen sich die Figuren oder Charaktere einteilen in zentrale Charaktere, in Platzhalter und Nebenfiguren (Gesing 2004). Zu den zentralen Charakteren gehören der Held, Protagonisten und Antagonisten. Die Hauptfiguren sind das Zentrum der Geschichte: Sie stehen im Blickpunkt, und häufig ist die Geschichte von ihnen oder aus ihrer Sicht erzählt: – Menschen aus dem Unternehmen: Erzählungen über den Unternehmenschef, die Manager, ein Team, Mitarbeiter allgemein oder aus einem Bereich wie Forschung und Entwicklung oder der Produktion, Auszubildende und Ehemalige. – Protagonisten: Protagonisten sind Menschen, die das Unternehmen bei seinem Handeln und in seinen Plänen unterstützen. Diese können zum Beispiel Kunden und Experten sein. Der Archetyp für den Protagonisten ist der Freund und Helfer. – Antagonisten: Antagonisten wollen die Marke hindern, ihr Belohnungsversprechen umzusetzen. Der Archetyp für den Antagonisten ist der Feind, zum Beispiel der ärgste Konkurrent. – Platzhalter: Sie sind Stereotype und Teil der Szenerie: Sie treten auf und wieder ab, weil die Geschichte sie braucht, geraten aber selbst nicht ins Blickfeld. Sie bleiben namenlose Funktionsträger: Beschäftigte des eigenen Unternehmens, Mitarbeiter der Wettbewerber. Sobald sie aus ihrer Anonymität heraustreten, einen Namen erhalten und eine Rolle zu spielen beginnen, werden sie zu Nebenfiguren. – Nebenfiguren: Sie stehen nicht im Zentrum der Geschichte, aber wir können auf sie nicht verzichten. Neben dem Helden und seinem Gegenspieler gibt es demnach noch Rat- und Stichwortgeber, Beichtväter und Hofnarren, Geschäftsfreunde, Gehilfen.

1.6.2 Handlung Welchen Stoff behandelt die Geschichte? Was geschieht mit den Figuren? Viel zu oft sind Strategien nur Worthülsen, die nie gelebt werden. Dagegen erzählen Geschichten von Menschen und deren Handeln, um ein Ziel zu erreichen. Sie machen vor, was die anderen nachmachen können.

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Die Urform von Handlungen scheint seit jeher die gleiche zu sein (Campbell 1999). Sie scheint begründet in der überlebenswichtigen biologischen Vergangenheit der Nahrungsaufnahme: – Bewusstwerden des Bedürfnisses – Verlassen der Basis – Entdeckung des rechten Ortes – Kampf um die Nahrung – Erfolg – Rückkehr Aus dieser Urform ist ein Muster entstanden, dass Konsumenten auch heute noch kennen und tief abgespeichert haben: – Auslöser der Handlung ist ein Mangel, zum Beispiel an Gesundheit (Sicherheitsmotiv) oder Leistungsfähigkeit (Dominanzmotiv). – Der Held ist mit der Gegenhandlung beauftragt und zieht los: Das Storytelling beschreibt, wie die Marke dieses Motiv befriedigen will, zum Beispiel durch die Suche nach neuartigen Medikamenten. – Der Held wird auf die Probe gestellt und bekommt als Belohnung zusätzliche Unterstützung, z. B. durch einen Helfer: Die Suche nach Medizinexperten gestaltet sich schwierig, aber dann findet er doch den richtigen Fachmann. – Der Held gelangt an den gesuchten Ort und trifft dort auf seinen Gegenspieler: Das Unternehmen entwickelt neue Präparate und bietet sie auf dem weltweiten Pharmamarkt an. – Der Gegner wird besiegt und die Mangelsituation behoben: Das Unter-nehmen erkämpft sich eine gute Wettbewerbsposition. – Der Held wird für seine Taten belohnt: Das Medikament ist erfolgreich, heilt Krankheiten und dies belohnen die Aktionäre. Deutlich wird, dass Geschichten strukturierte Erzählungen sind: Die Handlungselemente sind zeitlich und inhaltlich geordnet (Simoudis 2004). Geschichten sind nicht lediglich aneinander gehängte Handlungen. Stattdessen sind in Geschichten Handlungen und Ereignisse aufeinander bezogen, sie hängen voneinander ab. Besonders aktivierend ist die Handlung, wenn sie einen Konflikt zum Thema hat: Die Marke kämpft gegen Angst und Unsicherheit („Sicherheit ist ein gutes Gefühl“; Kukident), gegen Eintönigkeit und Langeweile („Like ice in the sunshine“; Langnese) oder gegen Unterlegenheit und Wut („Ich bin doch nicht blöd“; Media Markt). Die Lösung dieses Konfliktes besteht aus Alternativen, die sie ergreifen kann. Am Ende der Handlung steht das Happy End, die positive Lösung: Ein guter Plot ist nicht nur durch eine Ursache-Wirkung-Relation gekennzeichnet. Seine Ereignisse sollten auch bedeutend sein, Konsequenzen haben sowie […] bewegen. […] Dies geschieht am leichtesten […] durch den inneren Motor aller dramatischen Geschichten: durch einen Kon-

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flikt, der in Handlungen entfaltet und szenisch dargestellt wird. Ein Konflikt ist eine Kollision polarer Kräfte, eine Auseinandersetzung von Menschen und Normen, auch ein innerer Widerstreit von Motiven, Wünschen und Werten. Ausdruck und Höhepunkt eines Konflikts ist eine äußere wie innere Krise, eine gestörte Ordnung, die auf eine Lösung drängt. Insofern führen Konflikte und Krisen auch zu Wendepunkten im Leben eines Individuums, einer Familie oder einer Gesellschaft. (Gesing 2004, 47)

Das unbewusste Verstehen von Handlungen erleichtern Mythen als Urgeschichten, die meist schon in jungen Jahren gelernt werden. Mythen in der Markenführung sind zum Beispiel als Paradies-Thema in der Werbung zu finden. Die Grundmuster dieser Urgeschichten bleiben, wie in diesem Beispiel das Thema der Verführung, auch wenn sie immer neu umgesetzt sind. Weitere Beispiele für solche Urgeschichten sind der Kampf von David gegen Goliath (Greenpeace). Handlungen lassen sich in die physischen Handlungen einerseits und in die emotionalen Handlungen andererseits unterscheiden. Die physischen Handlungen umfassen jene Handlungen, die für die Konsumenten sichtbar sind, wie die Handhabung der Marke. Die emotionale Handlung umfasst das, wie die Handelnden fühlen, welche Konflikte sie gedanklich durchleben, ihre Zweifel, aber auch ihre Überzeugung, ihr Problem zu lösen. Beide Komponenten zeigen den dramatischen Dialog der Person: – Die Person gerät in Konflikt, zum Beispiel muss sie gegen Angst kämpfen. – Die Person interagiert mit anderen (feindlich, freundlich etc.). – Die Person agiert mit sich selbst (Angst überwinden). Beide Aspekte, also die physische und die emotionale Handlung, sind für den Konsumenten gleichermaßen interessant.

1.6.3 Bühne und Requisiten Die Geschichten im Storytelling finden auf einer Bühne statt: Die Konsumenten nehmen diese Bühne wahr und speichern sie zusammen mit dem Wissen über die Marke, den Gefühlen und erlebten Körperzuständen ab (z. B. Spitzer 2002; Scheier/ Held 2007). Beispiele aus der Werbung sind das Tropenschema und das Alpenschema. Zur Inszenierung des Ortes gehören seine Lage sowie Requisiten. Zur Bühne gehören sensorische Einflüsse wie Licht, Wärme, Farben und die Stimmung, wie zum Beispiel Erregung oder Langeweile, die diesen Ort kennzeichnen. Viele Marken lassen sich an inszenierten Orten durch alle Sinne erleben, wie die Kristallwelt von Swarowski, das Legoland und die VW-Autostadt in Wolfsburg zeigen.

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2 Wahrnehmung von Texten und Bildern 2.1 Zwei Systeme der Informationsverarbeitung Texte und Bilder verarbeiten Menschen in zwei unterschiedlichen Systemen. Menschen nehmen ständig und überall Informationen auf, entgegen der Annahme einer allseits behaupteten Informationsüberlastung. Spitzer schreibt hierzu: Wir nehmen zwar nicht immer alles wahr, aber wir sind nicht in der Lage, unser Wahrnehmungssystem daran zu hindern, immer so viel wie möglich wahrzunehmen. (Spitzer 2002, 146)

Das Gehirn ist also stets offen für Neues, das wichtig ist oder wichtig sein könnte, weil es vor Schaden und Unwohlsein bewahrt oder zu einem größeren Wohlbefinden und guten Gefühlen beiträgt. Eingehende Informationen verarbeitet das Gehirn in zwei unterschiedlichen Systemen – es trennt jene Aktivitäten, die bewusst ablaufen, Zeit und Energie kosten, von jenen Aktivitäten, die unbewusst ablaufen, schnell sind und wenig Energie verbrauchen. Diese Trennung ermöglicht dem Gehirn, viele Arbeitsvorgänge parallel auszuführen. Kahneman nennt die beiden Systeme der Informationsverarbeitung System 1 und System 2: System 1 ist schnell, automatisch, immer aktiv, emotional, stereotypisierend, unbewusst. System 2 ist langsam, anstrengend, selten aktiv, logisch, berechnend, bewusst (Kahneman 2012, 20 f.). Die meisten Informationen verarbeitet System 1, nämlich 95 Prozent (Zaltman 2003). Nur der geringste Teil dringt ins Bewusstsein. Warum arbeitet das Gehirn so? Hierfür gibt es vor allem drei Gründe: 1. Bewusstsein kostet den Körper viel Energie: Das Gehirn nimmt zwar nur etwa 2 Prozent der Körpermasse ein, verbraucht aber bei intensivem Denken bis zu 20 Prozent der Körperenergie – wenn es unbewusst arbeitet, verbraucht es nur noch 5 Prozent. Da der Mensch zum Fortpflanzen und Überleben auf Energie angewiesen ist, spart das Gehirn Energie, wo nur möglich. Bewusstsein sei daher „für das Gehirn ein Zustand, der tunlichst zu vermeiden und nur im Notfall einzusetzen ist“ (Roth 2000, 231). 2. Reaktionen laufen wesentlich schneller ab: Das Gehirn kann schnellstens reagieren, wenn es eingehende Reize direkt in Handeln umsetzt, statt sie bewusst zu prüfen: Fährt ein Lastwagen auf einen Menschen zu, springt dieser spontan und schnell zur Seite, statt die Situation gründlich zu analysieren, Handlungsoptionen zu entwickeln, diese abzuwägen und dann zu entscheiden. 3. Unbewusstes ruft leicht und schnell bewertete Erfahrungen ab: Alle Erlebnisse speichert das Gehirn danach ab, ob sie gut oder schlecht waren. Soll ein Mensch entscheiden, kann dieser auf dieses Wissen zurückgreifen. Warum sollte das Gehirn nachdenken, wenn es auf bewährte Lösungen schnell und einfach zugreifen kann?

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Timothy Wilson (2007) vergleicht das Bewusstsein (explizites System), mit einem winzigen Schneeball auf der Spitze des Eisbergs. Die meisten Prozesse kann es an das Unbewusste delegieren (implizites System). Dies lässt sich ähnlich einem Autopiloten in einem Flugzeug vorstellen, das fast ohne Piloten fliegen kann (Scheier/Held 2007). Die enorme Leistung des Unbewussten zeigen folgende Zahlen: Bewusst kann das Gehirn etwa 40–50 Bit Informationen verarbeiten, unbewusst 11.000.000 Bit (Scheier/Held 2007). Das implizite System entscheidet, welche eingehenden Informationen wichtig sind und welche nicht. Es übernimmt das Steuer im Kopf, wenn Menschen unter Zeitdruck stehen, mit Informationen überlastet, wenig interessiert und unsicher hinsichtlich einer Entscheidung sind, zum Beispiel weil sich Unternehmen stark ähneln oder die Entscheidung sehr komplex ist und damit die begrenzten Kapazitäten des expliziten Systems nicht ausreichen (vgl. Scheier/Held 2007). Bilder und Geschichten werden vor allem von System 1 verarbeitet, Texte von System 2 (vgl. Kahnemann 2012; Scheier/Held 2006). Dies hat gravierende Konsequenzen für die Wahrnehmung von Bildern und Texten im Storytelling, also für Aufmerksamkeit, Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung.

2.2 Unterschiede von Texten und Bildern Ein Grund für die zunehmende Bedeutung von Bildern ist, dass sie im Vergleich mit Texten wesentlich schneller auffallen, leichter aufgenommen, verarbeitet und länger gespeichert werden (z. B. Dieterle 1992; Kroeber-Riel 1996; Kroeber-Riel/Esch 2011): – Aufmerksamkeit: Sie ist der Filter, der entscheidet, welche Reize beachtet und welche ignoriert werden. Aktivierung versetzt den Körper in einen energiereichen und leistungsfähigen Zustand, der für die Verarbeitung und Speicherung von Informationen wichtig ist (Kroeber-Riel 1996). Bilder werden vor Texten beachtet (Bilddominanz). Bilder können stark aktivieren, wodurch wir ein Bild besser aufnehmen und verarbeiten. Bilder könnten also überhaupt erst zur Kontaktaufnahme mit einem Unternehmen führen (Kroeber-Riel 1996). Tab. 1: Beachtung von Anzeigen (Quelle: Schierl 2001, 275) Text-Bild-Verhältnis

Anzeige gesehen (in Prozent)

Nur Text Text überwiegend Etwa 1:1 Bild überwiegend (Fast) nur Bild

16 21 28 35 33

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– Leichte Aufnahme: Eine Imageanzeige wird etwa 1,7 bis 2 Sekunden beachtet. In dieser Zeit nehmen Betrachter etwa 5 Prozent der Informationen auf; für alle würden sie 35 bis 40 Sekunden benötigen (Scheier/Held 2007). 76 Prozent entfallen auf das Bild, 16 Prozent auf die Überschrift und nur 8 Prozent auf den Text (Kroeber-Riel 1996). Die Betrachter nehmen 50 bis 70 Prozent der Bildinformationen auf, aber nur 2 Prozent der Textinformationen (Kroeber-Riel/Esch 2011, 261) das sind etwa 6 bis 7 Wörter (Behrens/Hinrichs 1986). – Schnelles, leichtes Verarbeiten: Bilder verarbeitet das Gehirn weitgehend automatisch, ohne große gedankliche Verarbeitung (Kroeber-Riel 1996). – Bilder sind überzeugender als Text: Bilder beweisen, dass sich etwas genauso abgespielt hat: „Ich habe es doch genau auf dem Bild gesehen!“. Bilder dokumentieren für uns die Wirklichkeit (z. B. Hollbrock 1983). Schon Säuglinge lächeln und wenden sich Bildern zu, die einem realen Gesicht stark ähneln; später müssen sie eher lernen, ein Bild von der Realität zu unterscheiden (Schuster 2005, 55). Widersprechen sich Bild und Text, halten wir die Bilder für wahr, die Texte für unwahr. Reine Bildanzeigen führen zu ausgeprägteren Überzeugungen als reine Textanzeigen (Mitchell/Olson 1981). – Langes Speichern: Noch nach Tagen können Probanden Hunderte von Bildern wieder erkennen. Shepard zeigte seinen Probanden 612 Werbeanzeigen. Nach einmal Durchsehen mischte er die Bilder mit neuen. Beim anschließenden Wiedererkennen (recognition) konnten die Probanden 99 Prozent der Bilder wieder erkennen. Nach drei Monaten konnten sie immer noch knapp 60 Prozent wiedererkennen (Shepard 1967). In einem Test erkannten Probanden aus 10 000 Dias 73 Prozent wieder (Standing 1973). Die unterschiedliche Verarbeitung von Bildern und Texten führt zu Unterschieden, die das Storytelling in der Wirtschaft gezielt nutzen kann (Schierl 2001, 287; Herbst 2012a).

2.3 Zusammenspiel von Texten und Bildern Nach Paivio speichert das Gehirn Bilder und Texte in eigenständigen Systemen: einem bildhaften, visuellen Gedächtniscode und einem sprachlichen, abstrakt-begrifflichen Gedächtniscode. Einfache, konkrete Bilder und Wörter wie Sonnenuntergang oder Strand legt das Gehirn doppelt im Gedächtnis ab, dies bezeichnet Paivio als „duale Codierung“ (Paivio 1971, 1986). Bilder lassen sich mit Wörtern benennen, Wörter mit visuellen Eindrücken verbinden. Abstrakte Begriffe wie Bruttosozialprodukt und Politik werden nur im Sprachsystem gespeichert, da Bildvorstellungen fehlen. Texte wirken stärker, wenn sie bildhaft sind: Sie werden leichter und schneller aufgenommen, verarbeitet und länger gespeichert (Kroeber-Riel 1996, Schierl 2001).

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Wie lassen sich die jeweiligen Chancen und Grenzen von Texten und Bildern im Storytelling in der Wirtschaft nutzen?

3 Einsatz von Texten und Bildern Beim Einsatz von Storytelling in der Wirtschaft können sich Texte und Bilder ergänzen, sie können auch unterschiedliche Funktionen wahrnehmen und so die Kommunikationswirkung von Geschichten erhöhen.

3.1 Konzept des Involvement Zum Verständnis der Unterschiede zwischen der Wahrnehmung von Texten und Bildern und der Konsequenzen für den Einsatz im Storytelling kann das Konzept des „Involvement“ wichtige Beiträge leisten (vgl. z. B. Felser 2007). Trommsdorf bezeichnet mit Involvement die „innere Beteiligung“ beziehungsweise den „Aktivierungsgrad für die objektgerichtete Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und -speicherung.“ (Trommsdorff 2003, 50). Kroeber-Riel versteht unter Involvement den „Zustand der Aktiviertheit“, durch den der Konsument anregt, sich kognitiv oder emotional mit der Entscheidung auseinanderzusetzen (KroeberRiel 1996). Weitere Begriffe sind Ich-Beteiligung, Aktivierung und Motivationsstärke. Die Kommunikation von Unternehmen in der Wirtschaft trifft zunehmend auf Kommunikationspartner, die kein oder nur geringes Interesse entgegenbringen, die Kommunikationsbotschaften aufzunehmen, zu verarbeiten und zu speichern (Scheier/Held 2007, Kroeber-Riel/Esch 2011). Diese Situation ist grundlegend anders als jene noch vor einigen Jahren: In Zeiten, in denen sich Leistungen noch erheblich voneinander unterschieden haben, spielten Informationen eine große Rolle; Leistungen wurden gezielt in Anspruch genommen, weil diese sich in der Qualität deutlich unterschieden. Die Kommunikation war geprägt von Informationen und Sachargumenten. Mittlerweile werden viele Leistungen, auch jene von Menschen auf Märkten, als weitgehend austauschbar wahrgenommen (Kroeber-Riel/Esch 2011). Folge: Das Interesse an ausführlichen Informationen hat deutlich abgenommen (Kroeber-Riel/Esch 2011, 36). „Die Informationsüberlastung durch gedruckte Werbung beträgt demnach mehr als 95 Prozent […]. Höchstens 5 % der angebotenen Werbeinformationen erreichen Ihre Empfänger, der Rest landet auf dem Müll.“ (Kroeber-Riel/Esch, 2011, 21). Hier die Unterschiede zwischen hoch und niedrig involvierten Bezugsgruppen:

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Tab. 2: Bedeutung des Involvement (eigene Darstellung) High Involvement

Low Involvement

Ich-Betei­ ligung

Kommunikationspartner haben großes Interesse am Unternehmen und sind stark aktiviert.

Kommunikationspartner haben kaum Interesse am Unternehmen.

Risiko

Das Unternehmen bzw. das Nutzen von dessen Leistung ist mit einem hohen wahrgenommenen Risiko verbunden.

Das Unternehmen bzw. das Nutzen seiner Leistung ist kaum mit einem wahrgenommenen Risiko verbunden.

Beispiele

Das Unternehmen ist Arbeitgeber (Mitarbeiter), Kooperationspartner (anderes Unternehmen), Geschäftspartner (Lieferant) oder Anwohner (Nachbar).

Unternehmen, die nicht in der Nähe sind, von denen man keine Produkte kauft und Leistungen in Anspruch nimmt, bei dem man nicht arbeitet oder arbeiten möchte.

Der Grad des Involvements hat gravierende Auswirkungen auf die Informationssuche, die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen: Bei hohem Involvement suchen sie aktiv nach Informationen und setzen sich mit Botschaften des Unternehmens auseinander. Die Bewertung der Leistung des Unternehmens erfolgt vor der Inanspruchnahme stark durch rationale Argumente, die Bezugsgruppe beachtet viele Leistungsmerkmale, um die beste Lösung zu finden. Das Unternehmen und seine Marken haben eine starke Beziehung zur Persönlichkeit der Bezugsgruppe, zu deren Werten und vielleicht sogar zu deren Lebensstil. Bei niedrigem Involvement sucht die Bezugsgruppe nicht aktiv nach Informationen, sie nehmen diese eher passiv auf. Urteile ändern sie vor allem durch emotionale Appelle. Die Bewertung ihrer Leistung erfolgt nach der Inanspruchnahme durch Erfahrungen mit der Leistung. Die Bezugsgruppe beachtet wenige Leistungsmerkmale und sucht nur eine akzeptable Alternative. Ihre Persönlichkeit hat nur eine schwache Beziehung zur Bezugsgruppe, zu deren Werten und zu deren Lebensstil. Für das Storytelling von Unternehmen bedeutet dies, dass diese schnell und auch bei niedrigem Involvement wahrgenommen werden können. Das generell nachlassende Interesse der Kommunikationspartner hat gravierende Auswirkungen für die Bildwahrnehmung:

Zum Verhältnis von Texten und Bildern im Storytelling 

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Tab. 3: Auswirkungen des Involvements auf Texte und Bilder (eigene Darstellung) hohes Involvement

niedriges Involvement

Kommunikationsziel

überzeugen

oft kontaktieren

Länge

ausführlich

kurz

Meinungsänderung

Sachargumente

emotionale Reize

Kommunikationsmittel

Sprache, Texte

Bilder

Wiederholungsfrequenz

gering

oft

Das Involvement hat entscheidenden Einfluss darauf, ob im Storytelling Bilder oder Texte eingesetzt werden sollten: Auf Bilder können Menschen schnell und leicht zugreifen. Das Lesen von Texten erfordert geistige Anstrengung. Es ist wesentlich mühsamer, auf sie zuzugreifen und sie zu verarbeiten.

3.2 Gewichtung von Texten und Bildern Das Verhältnis von Bild und Text im Storytelling in der Wirtschaft lässt sich nach dem Umfang beziehungsweise der Gewichtung bestimmen (Herbst 2012): – Textdominanz: Bei der Textdominanz steht der Text im Vordergrund. Das Bild erzeugt Stimmung und regt Gefühle an. Dennoch wird das Bild oft länger kontaktiert. – Bilddominanz: Bei der Bilddominanz steht das Bild im Mittelpunkt und vermittelt die Botschaft. Der Text nennt ergänzende Details. – Ausgewogenes Verhältnis: Texte und Bilder können gleichwertig sein. In der Wirtschaft ist eine zunehmende Bilddominanz in allen Bereichen festzustellen (vgl. Herbst/Scheier 2004, Schierl 2001, Herbst 2012a). Wer im neuen Jahrtausend durch die bundesdeutschen Tages- und Wochenzeitungen blättert, erhält […] den Eindruck, der Fotojournalismus befinde sich in einem Aufschwung. Noch nie wurden so viele Bilder gedruckt, noch nie so viel Platz für die visuelle Berichterstattung eingeräumt. (Grittmann 2003, 131)

Auch in Werbung und PR nimmt der Bildanteil im Vergleich zum Text in den vergangenen Jahren erheblich zu (Herbst 2012a). So ist davon auszugehen, dass im Storytelling in der Wirtschaft künftig stärker Bilder zum Einsatz kommen.

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3.3 Zusammenspiel von Texten und Bildern Bilder für Texte: Bilder können Interesse für den Text wecken (Herbst 2012a). Das Bild kann den Text ergänzen: Der Text erzählt von der Leistung oder den Aktivitäten eines Unternehmens, die das Bild optisch ergänzt: Ein Auto ist zu sehen und der Text zitiert die Pannenstatistik, der Text erzählt von der Entdeckung eines Produktes und das Bild zeigt den Erfinder. Bilder dekorieren den Text, sind aber für das Textverstehen unwichtig: Sie haben lediglich Schmuckfunktion und erzeugen eine positive Stimmung, die die Aufnahme des Textes unterstützt. Das Bild veranschaulicht den Text: Viele Studien zeigen, dass sich tatsächlich das Verstehen und Behalten von Text verbessert, wenn man Bilder hinzufügt […], die etwas im Text Beschriebenes abbilden (representation function), die einen Text strukturieren, also gliedern bzw. zusammenfassen (organization function) und die einen Text erklären (interpretation function). (Weidenmann 1998, 243)

Bilder können im Text Geäußertes belegen beziehungsweise beweisen. Wichtige Vorteile des Bildes: – Bilder wirken sehr schnell: Sie werden fast automatisch und ohne größere gedankliche Anstrengung aufgenommen, verarbeitet und gespeichert. – Bilder werden vor Texten fixiert (Bilddominanz). – Sie zeigen Gefühle und können diese sehr schnell und intensiv im Betrachter auslösen. – Sie sind glaubwürdiger als Texte und anschaulicher, weil sie der Wirklichkeit ähnlich sind (vgl. z. B. Levie 1987). Bilder dokumentieren für uns die Wirklichkeit (z. B. Hollbrock 1983). Reine Bildanzeigen führen zu ausgeprägteren Überzeugungen als reine Textanzeigen (Mitchell/Olson 1981). – Sie sind allgemein verständlich, auch für Lese- und Sprachunkundige. – Sie können räumliche Vorstellungen erzeugen. Texte für Bilder: Texte können das Involvement und die Einstellung ändern, mit der an das Bild herangegangen wird, zum Beispiel durch die Erläuterungen der Relevanz eines Themas. Der Text kann das Bild erklären: Bilder sind vieldeutig (Polysemie), deren Bedeutung erschließt sich oft nur aus dem Text. Porträts von Personen können ohne Text einen sympathischen Eindruck hinterlassen, durch einen abwertenden Kommentar hält sie der Betrachter für unsympathisch. Text gibt weitere Informationen als das Bild vermittelt: Texte können logische Verknüpfungen aufzeigen im Sinn eines „wenn-dann“. Sie können schwierige Begriffe erläutern wie Moral und Verantwortung, was im Bild nicht direkt darstellbar ist. Der Text zeigt, welche Bildelemente der Betrachter aufnehmen soll. Je nach Text kann

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sich der Blickverlauf ändern. Texte organisieren und verbessern das Bildverstehen durch Legenden, Überschriften, Kommentare. Wichtige Vorteile des Textes: – Texte sind eindeutiger, weil sie sich ihren Kontext selbst schaffen können. – Texte können Leser ansprechen („Wussten Sie schon…?“). – Texte können argumentieren („Diese Gründe sprechen für …“). – Texte können Schwerpunkte auf Menschen und Handlungen setzen und Einzelaspekte betonen. – Texte können auffordern („Sie sollten…“). – Texte können ein Bildargument in einer anderen Form wiederholen (Stichwort: System 1 und System 2). – Texte können im Gegensatz zu Bildern zeitliche Vorstellungen und Prozesse vermitteln.

4 Fazit und Ausblick Die Technik des Storytellings nutzt oft Texte und Bilder zur Vermittlung der Erzählungen. Ein Blick auf die Wahrnehmung von Texten und Bildern durch Menschen zeigt, dass diese in zwei sehr unterschiedlichen Systemen verarbeitet werden. Dies führt dazu, dass Texte und Bilder unterschiedlich auffallen, aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden. Der Einsatz von Texten und Bildern sollte differenziert erfolgen, um die jeweiligen Stärken und Schwächen zu berücksichtigen. Beide sollten aber auch in ihrem Zusammenspiel beachtet werden, in ihrer Ergänzung. Künftig wird der Bildeinsatz zunehmen. Viele Studien zeigen, dass in der Wirtschaft zunehmend Bilder eingesetzt werden und der Einsatz von Texten zurückgeht (z. B. Kroeber-Riel 1996, Kroeber-Riel/Esch 2011). Dies wird die Frage aufwerfen, was mit den Textaussagen geschieht, die Bilder nicht transportieren können? Eine andere Frage ist, welchen Einfluss die zunehmende Digitalisierung in der Wirtschaft auf das Storytelling und speziell den Einsatz von Texten und Bildern hat.

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Christoph Moss/Katharina Balkmann

6. Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation Abstract: Das genaue Verständnis von Globalisierung ist essentiell für das Verständnis von Wirtschaftskommunikation. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Auswirkungen die kulturelle Dimension der Globalisierung auf international agierende Unternehmen und deren Kommunikationsaktivitäten hat. Deutlich wird dies unter Rückgriff auf das Phänomen Kultur. Wirtschaftskommunikation wird in diesem Beitrag über das Kommunikationsinstrument Twitter operationalisiert. In einer Pilotstudie werden die Tweets internationaler Unternehmen im Hinblick auf ihre Ausprägungen der Kulturdimensionen Hofstedes untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Wirtschaftskommunikation als eine originär kulturelle Tätigkeit überwiegend die Prägung der Heimatkulturen ihrer Absender wiedergibt. Es zeigt sich eine Tendenz, dass die homogenisierenden Einflüsse der kulturellen Globalisierung die Wirtschaftskommunikation auf Twitter noch nicht uniformiert haben. Gleichwohl lassen sich Hinweise darauf finden, dass die Kommunikation der Unternehmen auf Twitter eher individualistisch, unsicherheitsbejahend und maskulin geprägt ist. 1 Einleitung 2 Kommunikation und Globalisierung: ein multidimensionaler Prozess 3 Kultur als zentrale Einflussvariable internationaler Wirtschaftskommunikation im Globalisierungsprozess 4 Pilotstudie zur internationalen Wirtschaftskommunikation auf Twitter: Kulturelle Konstanz oder Konvergenz auf 140 Zeichen? 5 Fazit 6 Literatur

1 Einleitung Gemeinhin wird der Globalisierungsprozess vor allem mit wirtschaftlichen Veränderungen in Verbindung gebracht, insbesondere mit der Entwicklung eines global vernetzten Weltmarkts (Leggewie 2003). Gleichwohl hat das Globalisierungsphänomen auch erhebliche kulturelle Veränderungen hervorgerufen (Brock 2008). Die kommunikationstechnologischen Entwicklungen der Globalisierung haben eine globale Kommunikationsgesellschaft entstehen lassen  – eine Gesellschaft, in der räumliche und zeitliche Grenzen gleichermaßen aufgehoben werden. In der Folge können heute verstärkt auch jene Kulturen miteinander in Kontakt treten, die vorher voneinander getrennt waren. Allerdings ist deshalb noch nicht davon auszugehen, dass

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dieser Kontakt zu einer Konvergenz der Kulturinhalte führen wird (Hofstede 2001). Auch wenn die Globalisierung für eine bisher noch nie dagewesene Entgrenzung aller Lebensbereiche verantwortlich ist (Leggewie 2003), so kann die fortwährende Rückbesinnung auf das Lokale, auf lokal-kulturelle Gegebenheiten, nicht geleugnet werden (Robertson 1998). In dem Moment, in dem Unternehmen grenzüberschreitend tätig werden, überschreiten sie auch kulturelle Grenzen (Huck 2007). Dabei muss eine internationale Wirtschaftskommunikation die Unternehmen global beziehungsfähig machen, obwohl sie selbst den homogenisierenden wie diversifizierenden Einflüssen der Globalisierung ausgesetzt ist (Bardhan 2011). Aus einem homogen-nationalen Zielpublikum ist im schnelllebigen digitalen Zeitalter eine heterogen-globale Bezugsgruppe geworden. Internationale Wirtschaftskommunikation und Globalisierung stehen somit in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander: Die Globalisierung treibt die Notwendigkeit und damit die Entwicklung einer global beziehungsfähigen internationalen Wirtschaftskommunikation dynamisch voran, die wiederum ihrerseits durch kontinuierlichen Beziehungsaufbau zu einem heterogenen globalen Zielpublikum maßgeblich durch die Globalisierung beeinflusst wird (Sriramesh 2008).

2 Kommunikation und Globalisierung: ein multi­ dimensionaler Prozess Eine präzise und unumstrittene Definition des Begriffs Globalisierung fällt schwer, denn die eine, allumfassende Globalisierung gibt es nicht (Halff 2009, 147). Nichtsdestotrotz ist eine Konkretisierung notwendig, denn Globalisierung ist nicht ausschließlich ein ökonomisches, sondern vielmehr ein multidimensionales Phänomen (Brock 2008, 11; Leggewie 2003, 16). Zwar sind die wirtschaftlichen Facetten der Globalisierung, nämlich die Vernetzung nationaler Volkswirtschaften zu einer global integrierten Weltwirtschaft, am deutlichsten spürbar sowie empirisch am einfachsten nachvollziehbar. Allerdings greift diese Betrachtung zu kurz (Brock 2008, 11; Schneider/ Hirt 2007, 5; Kübler 2011, 29). Die wirtschaftliche Globalisierung hängt untrennbar mit einer politischen, gesellschaftlichen, kommunikationstechnischen, sozialen und kulturellen Globalisierung zusammen. Beck spricht von der „Weltgesellschaft“ (2007, 27), die sich durch diese multidimensionale Globalisierung nahezu aller Lebensbereiche entwickelt. Diese ist folglich nicht mehr lediglich auf den Weltmarkt zu reduzieren; vielmehr entstehen in jeglicher Hinsicht Beziehungen zwischen ursprünglich getrennten Gesellschaften (Leggewie 2003, 18). In diesem Sinne ist Globalisierung auch als ein Prozess zu begreifen, denn die Entwicklung zur Weltgesellschaft stellt kein in sich abgeschlossenes, einmaliges Ereignis dar (Brock 2008, 12). Eine wesentliche Facette der Weltgesellschaft ist die Kommunikation: Das Internet hat die allumfassende Kommunikation nahezu ohne Grenzen durch Raum und

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Zeit erst möglich gemacht (Brock 2008, 156; Leggewie 2003, 18). Seit Beginn des 21.  Jahrhunderts herrscht eine Interkonnektivität in einem bis dato noch nie dagewesenen Ausmaß (Leggewie 2003, 47; Beck 2007, 18). In diesem Zusammenhang kann das Internet mit Leggewie (2003, 26) als das entscheidende Medium der Globalisierung gesehen werden. Durch die vollständige Auflösung räumlicher und zeitlicher Grenzen konstituiert das Internet die vernetzte Weltgesellschaft, so dass von einer globalen Kommunikationsgesellschaft gesprochen werden kann. Dieses hohe Ausmaß an Interkonnektivität hat nicht nur Auswirkungen auf die wirtschaftliche Globalisierung, sondern vor allem auch auf die kulturelle Dimension der Globalisierung. In Bezug auf die Globalisierung der Wirtschaft bedeutet dies, dass die funktionale Verknüpfung zwischen Nationalstaat und wirtschaftlichen Akteuren zunehmend an Bedeutung verliert und ökonomisches Handeln verstärkt virtuell stattfindet (Brock 2008, 55; Leggewie 2003, 26). Produkt-, Kapital- und Arbeitsmärkte sind soweit digitalisiert, dass ein wirtschaftliches Handeln zu jeder Zeit und an jedem Ort möglich ist. Die Auswirkungen einer globalen Kommunikationsgesellschaft sind in Bezug auf die kulturelle Dimension der Globalisierung jedoch umstritten. Die kulturelle Konvergenztheorie sieht eine Homogenisierung kultureller Unterschiede, die unweigerlich in einer globalen Einheitskultur endet (Löffelholz 2002, 188). Insbesondere der Anstieg von technisch vermittelten kommunikativen Beziehungen weltweit führt zu der These einer kulturellen Angleichung (Beck 2007, 85; Hepp 2006, 10). Diese Annahme wird um Überlegungen zum amerikanischen Kulturimperialismus ergänzt (Friedman 2007, 477; Löffelholz 2002, 188). Derartige Konzepte verkennen allerdings, dass durch den Globalisierungsprozess eine „hybride Situation kultureller Wechselwirkungen“ (Leggewie 2003, 21) entstehen kann. Der Begriff der „Glokalisierung“ (Robertson 1998, 193) drückt die Ambivalenz einer neuen „global-lokalen“ Kultur der weltweit vernetzten Kommunikationsgesellschaft am präzisesten aus: „The flat-world platform enables you to take your own local culture and upload it to the world“ (Friedman 2007, 478).

3 Kultur als zentrale Einflussvariable internationaler Wirtschaftskommunikation im Globalisierungsprozess Für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den kulturellen Auswirkungen der Globalisierung im Hinblick auf die Kommunikationsaktivitäten international agierender Unternehmen ist auch ein klares Verständnis des Kulturbegriffs unumgänglich. Dieser kann ebenfalls mittels zweier ihn konstituierender Aspekte definiert werden. Kultur nach Hansen (2009, 9) umfasst „erstens Gewohnheiten, die zweitens

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sozialer Natur sind“. Diese beiden grundlegenden Aspekte fassen den Kulturbegriff im anthropologischen Sinn auf, nach dem Kultur ein Referenzsystem von Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmustern ist, die von Angehörigen einer Gruppe gemeinsam gelebt und tradiert werden (Barmeyer 2011a, 13 f.; Lüsebrink 2005, 10; Triandis 2004, 16). Kern eines solchen kulturellen Referenzsystems sind dabei immer die Werte, die dem Denken, Wahrnehmen und Handeln der Angehörigen einer Kultur einen übergeordneten Sinn verleihen (Barmeyer 2011a, 15). Die grundlegenden Wertorientierungen geben den Angehörigen einer Kultur eine Orientierung im alltäglichen Handeln, indem sie richtungweisend ihr Verhalten in allen Lebensbereichen steuern (Hofstede/Hofstede 2005, 8; Lüsebrink 2005, 12; Ting-Toomey 1999, 11). Als Kern eines kulturellen Systems sind sie als zeitlich stabil zu betrachten; sie bleiben auch über lange Zeiträume unverändert (Hofstede/Hofstede 2005, 36; Hofstede 2001, 34). Die soziale Komponente von Kultur kann sich dabei immer nur in Bezug auf eine Gruppe von Menschen manifestieren (Thomas 2005b, 22; Hofstede 2001, 5). Für kommunikationswissenschaftliche Betrachtungen ist in diesem Sinne insbesondere der Einfluss der grundlegenden Wertorientierungen auf die Kommunikation von Bedeutung: Werte beeinflussen das Kommunikationsverhalten der Mitglieder eines kulturellen Systems wesentlich (Ting-Toomey 1999, 11; Lüsebrink 2005, 18). Kommunikation, aufgefasst als wechselseitiger bedeutungsvermittelnder Verständigungsprozess (Burkart 2002) von und zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Kulturen, kann dabei auf zwei unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden. Unter kulturvergleichenden Gesichtspunkten geht es um die kontrastive Gegenüberstellung des Kommunikationsverhaltens von Angehörigen unterschiedlicher Kulturen, im Englischen als „cross-cultural communication“ (Gudykunst 2002, 19) bezeichnet. Demgegenüber stehen unter interkulturellen Gesichtspunkten die Interaktionsprozesse zwischen Mitgliedern unterschiedlicher kultureller Systeme im Fokus der Betrachtung, im Englischen „intercultural communication“ (Ting-Toomey 1999, 16). Für eine kontrastive Gegenüberstellung von Kommunikationsmustern und -stilen ist es notwendig, Kultur mittels universaler, kulturübergreifender Dimensionen zu operationalisieren (Gudykunst/Lee 2002a, 26 f.). Anhand der Art der dominanten Ausprägungen, in denen eine Kulturdimension in einem kulturellen System vorherrscht, ist es möglich, das kommunikative Verhalten der Mitglieder dieser Kultur vorauszusagen. Gleich mehrere empirische Untersuchungen der Kulturwissenschaften identifizieren derartige nationale kulturübergreifende Dimensionen, durch die Kultur für kommunikationswissenschaftliche Betrachtungen operationalisiert werden kann. Geert Hofstede entwickelte Anfang der 1980er Jahre den wohl umfassendsten und gleichzeitig empirisch fundiertesten Ansatz zur Strukturierung von kulturellen Systemen (Hofstede 2001). Er identifiziert fünf nationale Kulturdimensionen, die eine anerkannte Grundtypologie für die Beschreibung von Kulturen darstellen. Kulturen werden demnach mittels Indexwerten auf den Dimensionen eingeordnet und damit

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untereinander vergleichbar gemacht (Barmeyer 2011b, 104; Lüsebrink 2005, 20; Huck 2004, 98): – Machtdistanz: Beschreibt die grundlegende Ungleichverteilung von Macht und deren Akzeptanz aus der Perspektive der weniger Mächtigen einer Gesellschaft. – Individualismus versus Kollektivismus: Beschreibt das grundlegende Verhältnis zwischen Individuen und Gruppen in Gesellschaften. – Unsicherheitsvermeidung: Beschreibt die Art des Umgangs einer Gesellschaft mit nicht eindeutigen und unvorhersehbaren Situationen. – Maskulinität versus Femininität: Beschreibt den Grad, in dem in einer Gesellschaft die mit bestimmten Wertorientierungen besetzten Geschlechterrollen getrennt oder integriert vorherrschen. – Langzeitorientierung: Beschreibt das Ausmaß, in dem in einer Gesellschaft Ausdauer und Beharrlichkeit als wesentlichste Merkmale eines Menschen gelten. Neben dem Ansatz von Hofstede existieren vier weitere Konzeptionen von Inglehart, House, Trompenaars und Hall, die nationale Kulturdimensionen identifizieren (Inglehart 1997; Inglehart/Basáñez/Menéndez Moreno 2000; House 2004; Hanges/Dickson 2004, 140; Javidan/House/Dorfman 2004, 30; Trompenaars/Hampden-Turner 2012; Layes 2005, 64 ff.; Huck 2004, 98; Hall 1989, 91; Hall/Hall 1990, 6; Lüsebrink 2005, 25). Aufgrund der Prominenz und nachgewiesenen Validität von Hofstedes Dimensionen können die der anderen Konzeptionen darin in ein konsistentes Gesamtbild integriert werden, da sie inhaltlich häufig deckungsgleich sind und sich in ihrer Bezeichnung oder graduellen Ausprägung lediglich minimal voneinander unterscheiden (Huck 2004, 99). Abbildung 1 zeigt den Gesamtzusammenhang aller fünf Ansätze.

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Hofstede

Inglehart

House

Machtdistanz

traditionelle Autorität versus rationalgesetzliche Autoriät

Machtdistanz

Individualismus versus Kollektivismus

Wohlbefinden versus Überleben

Individualismus versus institutioneller Kollektivismus und in-group Kollektivismus

Unsicherheitsvermeidung

Maskulinität versus Femininität

Langzeitorientierung

Trompenaars

Hall

Individualismus vs. Kommunitarismus Universalismus vs. Partikularismus Errungenschaft vs. Zuschreibung

expliziter versus impliziter Kommunikationsstil

sequenzielle versus synchrone Zeitorientierung

monochrone versus polychrone Zeitorientierung

Unsicherheitsvermeidung

Überleben versus Wohlbefinden

Durchsetzungsvermögen

Zukunftsorientierung

Quelle: eigene Darstellung nach Huck 2004, Hofstede 2001, Inglehart 1997, Trompenaars/Hampden-Turner 2012, Hall/Hall 1990

Abb. 1: Zusammenhang der fünf Kulturdimensionen Hofstedes mit den Ansätzen von Inglehart, House, Trompenaars und Hall.

Zu klären ist nun die Frage, in welchem Verhältnis die Kultur zu den Kommunikationsaktivitäten global agierender Unternehmen steht. In diesem Rahmen ist Wirtschaftskommunikation mehr als das aus der Wirtschaftslinguistik stammende, weithin wenig konkrete Konzept (Nielsen 2003). In diesem Beitrag wird der Begriff daher auf das Handeln von Unternehmen als wesentliche Treiber der Globalisierung verdichtet. Wirtschaftskommunikation wird folglich operationalisiert über das Konstrukt der internationalen Unternehmenskommunikation. Diese subsumiert

Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation 

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alle internen und externen Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens, deren Ziel es ist, Beziehungen zu Bezugsgruppen in anderen Nationen bzw. Kulturen aufzubauen. (Huck 2007, 892)

Die Adressaten internationaler Wirtschaftskommunikation im Sinne der sich durch den Globalisierungsprozess entwickelnden Weltgesellschaft sind ein heterogenes globales Zielpublikum (Sriramesh 2008, 409). Dabei ist das Ziel der internationalen Wirtschaftskommunikation, für das heterogene globale Zielpublikum ein weltweit konsistentes Image und eine international stimmige Reputation aufzubauen (Huck 2007, 893). Internationale Wirtschaftskommunikation muss dabei in gleichem Maße global beziehungsfähig sein, damit zu den weltweit verstreuten Bezugsgruppen durch eine authentische und glaubwürdige Ansprache langfristige Beziehungen entwickelt werden können. Kultur ist in diesem Sinne auf zwei verschiedenen Ebenen als zentrale Einflussvariable internationaler Wirtschaftskommunikation zu verstehen, auf der Ebene der Absender und auf der Ebene der Empfänger derartiger grenzüberschreitender Kommunikationsaktivitäten: „it communicates across cultural borders and […] is a cultural practice itself“ (Banks 2000, 29). Auf Ebene der Absender ist der Zusammenhang zwischen Kultur und Kommunikation im Allgemeinen von Bedeutung: Die grundlegenden Wertorientierungen beeinflussen das Kommunikationsverhalten maßgeblich (Ting-Toomey 1999, 11). Dieser grundlegende Zusammenhang kann in gleichem Maße für den Zusammenhang zwischen Kultur und Wirtschaftskommunikation unterstellt werden (Huck 2004, 117; Sriramesh 2007, 509). Wirtschaftskommunikation ist eine primär kommunikative Tätigkeit, es geht in erster Linie um einen bedeutungsvermittelnden Verständigungsprozess: Zwischen dem Unternehmen und seinen Bezugsgruppen werden durch die Wirtschaftskommunikation Bedeutungen vermittelt. Daher kann die Wirkung der durch universale Kulturdimensionen operationalisierten Wertorientierungen auf das Kommunikationsverhalten in gleichem Maße auf die Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens übertragen werden (Huck 2004, 117). Aber auch auf Ebene der Empfänger wird Wirtschaftskommunikation maßgeblich durch Kultur beeinflusst. Internationale Wirtschaftskommunikation überschreitet nicht nur nationale, sondern in diesem Sinne gleichermaßen auch kulturelle Grenzen, so dass sich die Notwendigkeit einer permanenten Adaption an lokal-kulturelle Gegebenheiten ergibt. Spezifische externe Rahmenbedingungen, die zwangsläufig von Land zu Land variieren und so die Gestaltung internationaler Wirtschaftskommunikation beeinflussen, sind politische, rechtliche, ökonomische, technologische, medienpolitische, soziale und kulturelle Faktoren (Huck 2004, 75 ff.; Huck 2007, 894 ff.; Huck-Sandhu 2008, 391 ff.; Wakefield 2000, 186 ff.; Sriramesh/Verčič 2003; Kunczik 1992, 341). Der kulturelle Faktor ist dabei nicht ausschließlich ein isoliert zu betrachtender Aspekt der externen Rahmenbedingungen, sondern vielmehr darüber hinaus der konstituierende Faktor der Unterschiedlichkeit dieser Rahmenbedingungen (Hofstede 2001, 12). Eine internationale Wirtschaftskommunikation kann, auch in Zeiten einer welt-

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Machtdistanz Individualismus versus Kollektivismus Absender international agierende Unternehmen

Unsicherheitsvermeidung Maskulinität versus Femininität Langzeitorientierung

Empfänger heterogenes globales Zielpublikum

Quelle: eigene Darstellung

Art der Unternehmenskommunikation

weit vernetzten Kommunikationsgesellschaft, nicht über die Vielfalt der kulturellen Identitäten ihres globalen Zielpublikums hinwegsehen, sofern sie beziehungsfähig sein will (Huck 2007, 896; Thomas 2005a, 384). Abbildung 2 zeigt Kultur als zentrale Einflussvariable internationaler Wirtschaftskommunikation auf Absender- und Empfängerebene.

externe Rahmenbedingungen (politische, rechtliche, ökonomische, technologische, medienpolitische, soziale, kulturelle Faktoren)

internationale Unternehmenskommunikation im Spannungsfeld kultureller Einflüsse

Abb. 2: Kultur als zentrale Einflussvariable internationaler Wirtschaftskommunikation auf Absenderund Empfängerebene.

Stehen der internationalen Wirtschaftskommunikation dieselben Instrumente für die Gestaltung der weltweiten Kommunikationsaktivitäten zur Verfügung wie auch der nationalen Wirtschaftskommunikation, so ist das Internet doch der wesentlichste Bestandteil für den Beziehungsaufbau zu einem heterogenen globalen Zielpublikum (Huck 2007; Zerfaß/Pleil 2012a). Ein Medium, das inzwischen integraler Bestandteil der Online-Kommunikation vieler international agierender Unternehmen ist, ist der

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Microblogging-Dienst Twitter (Fink 2012; Bernet 2010, 120). Die Länge der veröffentlichten Beiträge ist auf ein Maximum von 140 Zeichen beschränkt, für den Nutzer besteht eine recht niedrige Hemmschwelle, einen Tweet zu verfassen (Lienhardt 2010, 15). So entsteht auf der Plattform ein permanentes, tagesaktuelles Grundrauschen (Lienhardt 2010, 15). Ebersbach/Glaser/Heigl (2011, 85) sehen durch die begrenzte Länge die Inhalte der Tweets als „expressiv, appellativ, koordinierend und verweisend“. Für die Online-Kommunikation von Unternehmen stellt Twitter damit eine attraktive Plattform dar. Via Twitter können Bekanntmachungen und Neuigkeiten verbreitet werden. In diesem Sinne dient Twitter Unternehmen vor allem als Nachrichtenmedium, sie können ihre Bezugsgruppen nahezu in Echtzeit informieren (Fink 2012, 266). Dadurch wird der Beziehungsaufbau zwischen Unternehmen und Bezugsgruppen maßgeblich beeinflusst. Die Transparenz und Authentizität der Kommunikationsaktivitäten sorgen für die Entstehung einer Nähe zwischen Unternehmen und ihren Bezugsgruppen, die wesentlich intensiver ist als bei anderen Plattformen im Internet (McCorkindale 2012, 67; Ziegler 2009, 86).

4 Pilotstudie zur internationalen Wirtschafts­ kommunikation auf Twitter: Kulturelle Konstanz oder Konvergenz auf 140 Zeichen? „Twitter ist Kommunikation“ (Ziegler 2009, 85). Wenn Wirtschaftskommunikation in erster Linie kulturell geprägt ist, muss es folglich auch auf der Kommunikationsplattform Twitter eine Kulturgebundenheit geben. Diese drückt sich in Form und Inhalt der Tweets aus, die international agierende Unternehmen in englischer Sprache an ein heterogenes globales Zielpublikum richten. Die dort stattfindende internationale Wirtschaftskommunikation kann sich in ihrer Ausgestaltung nicht mehr an den kulturspezifischen Rahmenbedingungen der Empfänger orientieren, sondern es müsste zu einer Besinnung der Absender auf den eigen-kulturellen Hintergrund kommen. In einer Pilotstudie werden die von international agierenden Unternehmen an ein heterogenes globales Zielpublikum gerichteten Tweets in englischer Sprache im Hinblick auf die von ihnen gezeigten Ausprägungen der fünf nationalen Kulturdimensionen Hofstedes (und der darin integrierten Ansätze) untersucht. Lässt sich auf der globalen Kommunikationsplattform Twitter doch eine kulturelle Konstanz der Wirtschaftskommunikation unterschiedlichster Absender feststellen, die zeigt, dass Wirtschaftskommunikation als eine originär kulturelle Tätigkeit dem Druck der homogenisierenden Kräfte des Globalisierungsprozesses standhält? Die zentrale Fragestellung dieser Pilotstudie wird durch die Betrachtung von Tweets von international agierenden Unternehmen aus zehn Nationen untersucht: USA, Brasilien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Südafrika, Singapur, Japan,

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Hongkong und Australien. Die jeweils nach Marktkapitalisierung 30 größten Unternehmen (Stand: März 2013) werden auf die Existenz eines globalen englischsprachigen Twitterkanals hin untersucht. Bei der Auswahl der Twitterkanäle auf Grundlage eines gezielten Samplings geht es darum, den untersuchten Fall internationaler Wirtschaftskommunikation auf der globalen Kommunikationsplattform Twitter in seiner Typik dazustellen, so dass sie folgenden Kriterien entsprechen müssen (Patton 2002, 236; Barmeyer/Genkova/Scheffer 2011a, 142): 1. Der Twitterkanal soll weitestgehend zentral auf der internationalen englischen Website des Unternehmens platziert sein, damit davon ausgegangen werden kann, dass dieser als aktiver Teil der internationalen Wirtschaftskommunikation genutzt wird. 2. Der Twitterkanal soll die aktuellen Unternehmensneuigkeiten (Corporate News) beinhalten, die das Unternehmen in seiner Gesamtheit betreffen. Themenspezifische Kanäle sollen ausgeklammert werden. 3. Der Twitterkanal soll das Unternehmen als Ganzes widerspiegeln. Daher ist bei Holdings und Groups darauf zu achten, dass ausgehend von der unternehmensübergreifenden ganzheitlichen Corporate Website auch der das gesamte Unternehmen betreffende Corporate Twitterkanal ausgewählt wird. 4. Der Twitterkanal soll mehrheitlich mit Tweets in englischer Sprache bespielt werden, da sonst nicht von der Adressierung eines globalen Zielpublikums ausgegangen werden kann. 5. Der Twitterkanal soll ein Minimum von 100 Tweets aufweisen. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die erhobene Stichprobe.

Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation 

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USA

Deutschland

Brasilien

Wal-Mart Stores Inc.: 300 Tweets General Electric Co.: 297 Tweets IBM Corp.: 300 Tweets

Siemens AG : 300 Tweets BASF SE: 300 Tweets BMW AG: 300 Tweets

Vale SA: 177 Tweets Embraer SA: 300 Tweets

Frankreich

England

Total SA: 294 Tweets L‘Oreal SA: 140 Tweets Schneider Electric SA: 300 Tweets Air Liquide SA: 300 Tweets

Vodafone Group PLC: 152 Tweets BP PLC: 300 Tweets GlaxoSmithKline PLC: 300 Tweets BG Group PLC: 296 Tweets

Australien

Japan

Commonwealth Bank of Australia: 300 Tweets Westpac Banking Corp.: 300 Tweets National Australia Bank Ltd.: 300 Tweets

Nissan Motor Co. Ltd.: 300 Tweets

Singapur

Südafrika

Singapore Telecommunications Ltd.: 300 Tweets Singapore Press Holdings Ltd.: 150 Tweets Starhub Ltd.: 300 Tweets

Standard Bank Group: 300 Tweets Absa Group Ltd.: 300 Tweets Sanlam Ltd.: 300 Tweets The Bidvest Group Ltd.: 39 Tweets

Hong-Kong Hong Kong Exchanges and Clearing Ltd.: 261 Tweets Quelle: eigene Darstellung Abb. 3: Übersicht über die erhobene Stichprobe.

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An einem für alle den Auswahlkriterien entsprechenden Twitterkanäle verbindlichen Stichtag (12. Juni 2013) werden die in chronologisch umgekehrter Reihenfolge jeweils ersten 300 Tweets ausgelesen. Aus forschungspragmatischen Gründen werden stellvertretend die in der Reihenfolge aufsteigender Marktkapitalisierung ersten drei Unternehmen Teil der Pilotstudie. Auf der Grundlage dieses gezielten Auswahlverfahrens werden insgesamt 7.506 Tweets von 28 international agierenden Unternehmen aus zehn verschiedenen Nationen generiert, die einer qualitativen hypothesengeleiteten Inhaltsanalyse unterzogen werden. H 1: Form und Inhalt der Tweets der Unternehmen aus 10 verschiedenen Kulturen unterscheiden sich entlang der Kulturdimensionen Machtdistanz, Individualismus versus Kollektivismus, Unsicherheitsvermeidung, Maskulinität versus Femininität und Langzeitorientierung.

Angenommen wird, dass die Unterschiedlichkeit in Form und Inhalt der Tweets auf die jeweilige Position der Unternehmen auf den Kulturdimensionen zurückzuführen ist, so dass eine zweite Hypothese entsprechend formuliert werden kann. H 2: Die Unterschiede in Form und Inhalt der Tweets spiegeln die Unterschiede zwischen den Kulturen ihrer Absender wider, die Tweets unterscheiden sich analog zur Unterschiedlichkeit der Heimatkulturen der Unternehmen.

Da die Prüfung dieser Hypothesen einen kulturkontrastiven Ansatz voraussetzt, der die Unterschiede zwischen kulturellen Systemen darstellen will, müssen die Heimatkulturen der Unternehmen zueinander in Relation gesetzt werden, damit eine vergleichende Betrachtung möglich wird. Zu diesem Zweck werden die zehn ausgewählten Nationen auf Basis der ihnen von Hofstede zugeteilten Indexwerte für jede der fünf Kulturdimensionen in eine Reihenfolge gebracht, die die Grundlage für eine kontrastive Gegenüberstellung von Form und Inhalt der Tweets bildet (Hofstede 2001). H 2.1: Die unterschiedlichen Ausprägungen in Form und Inhalt der Tweets in Bezug auf die Kulturdimension Machtdistanz spiegeln die Unterschiedlichkeit der Heimatkulturen ihrer Absender wider. In den Tweets aus Singapur, Brasilien und Frankreich müsste sich ein hohes Maß an Machtdistanz finden, in den Tweets aus Großbritannien, Deutschland und Australien dagegen nur ein geringes Maß. H 2.2: Die unterschiedlichen Ausprägungen in Form und Inhalt der Tweets in Bezug auf die Kulturdimension Individualismus versus Kollektivismus spiegeln die Unterschiedlichkeit der Heimatkulturen ihrer Absender wider. In den Tweets aus den USA, Australien und England müsste sich ein hohes Maß an individualistischer Prägung finden, in den Tweets aus Singapur, Hongkong und Brasilien dagegen ein hohes Maß an kollektivistischer Prägung. H 2.3: Die unterschiedlichen Ausprägungen in Form und Inhalt der Tweets in Bezug auf die Kulturdimension Unsicherheitsvermeidung spiegeln die Unterschiedlichkeit der Heimatkulturen ihrer Absender wider. In den Tweets aus Japan, Frankreich und Brasilien müsste sich ein hohes Maß an Unsicherheitsvermeidung finden, in den Tweets aus Singapur, Hongkong und England dagegen nur ein geringes Maß.

Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation 

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H 2.4: Die unterschiedlichen Ausprägungen in Form und Inhalt der Tweets in Bezug auf die Kulturdimension Maskulinität versus Femininität spiegeln nach Hofstede die Unterschiedlichkeit der Heimatkulturen ihrer Absender wider. In den Tweets aus Japan, England und Deutschland müsste sich ein hohes Maß an maskuliner Prägung finden, in den Tweets aus Frankreich, Singapur und Brasilien dagegen ein hohes Maß an femininer Prägung. H 2.5: Die unterschiedlichen Ausprägungen in Form und Inhalt der Tweets in Bezug auf die Kulturdimension Langzeitorientierung spiegeln die Unterschiedlichkeit der Heimatkulturen ihrer Absender wider. In den Tweets aus Hongkong, Japan und Brasilien müsste sich ein hohes Maß an Langzeitorientierung finden, in den Tweets aus England, den USA und Deutschland dagegen nur ein geringes Maß.

Die qualitative Inhaltsanalyse bestätigt die grundsätzliche Unterschiedlichkeit der Tweets entlang der Kulturdimensionen Individualismus versus Kollektivismus, Unsicherheitsvermeidung, Maskulinität versus Femininität und Langzeitorientierung. Lediglich die Dimension Machtdistanz lässt sich in den analysierten Tweets nicht nachvollziehen. Ursache dafür kann die Konzeption dieser Kulturdimension im Zusammenhang mit dem untersuchten Medium Twitter sein. Machtdistanz drückt die Ungleichheit in einer Gesellschaft zwischen den Mächtigen und weniger Mächtigen aus, Twitter jedoch beruht auf der völligen Abwesenheit von Macht: Twitter soll Grenzen durch Kommunikation überwinden und nicht aufbauen.

4.1 Individualismus versus Kollektivismus Tweets aus den stark individualistisch geprägten Kulturen Amerikas, Australiens und Englands illustrieren das Bewusstsein, dass das Selbstverständnis einer Person unabhängig von äußeren Einflüssen durch die eigene Identität bestimmt wird dadurch, dass immer wieder einzelne Individuen in den Fokus der Tweets rücken: Your #Walmart is a remarkable company, and it’s because of every one of you. -Holley #WMTShares (Wal-Mart Stores) Noble Laureate Dr. Heinrich Rohrer, IBM Fellow who opened the door to nanotechnology, dies at 79. (IBM) Our employee Kate Rogers makes the @timewisejobs #powerparttimelist. (GSK) Andrew Gould, Chairman: “Chris has an immense knowledge of gas and oil projects, exploration, production, operational management and LNG”. (BG Group) Spark and ambition helped Wattrix Electrical founder, Adam Farrugia, wire his #business for success. (Commonwealth Bank) Help name the next Australian of the Year by nominating someone you know today at […]. (Commonwealth Bank) Multiple job vacancies for talented individuals across Westpac in the ACT. (Westpac Banking)

In diesem Zusammenhang wird betont, dass sich der Status, der einem Menschen zugeschrieben wird, in individualistischen Kulturen aus seinen Errungenschaften

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heraus ergibt und ihm nicht von Geburt an zugeschrieben wird – die eigene Leistung macht den Menschen zu dem, was er ist: This store manager began as a #Walmart grocery stocker, now he fosters the same opportunities w/ associates. (Wal-Mart Stores) From Navy pilot to GE financial analyst, watch the inspiring story of Melissa Fay […] (General Electric) Congrats to our own Dr. Laskaris on 200 patents! A GE milestone previously reached by none other than Thomas Edison. (General Electric) IBM R&D VP Dr. Matt Wang wins 2012 IT Times “Outstanding Leadership” (China) award. (IBM) Congratulations to our Chairman, Andrew Gould, who tonight receives the @TheOilCouncil lifetime achievement award. (BG Group) Passion inspires a Sydney-based cookie lover to become an #entrepreneur […] (Commonwealth Bank)

Demgegenüber scheint in den Tweets aus dem kollektivistischen Singapur und dem kollektivistischen Brasilien das einzelne Individuum in den Hintergrund zu treten. Insbesondere die Unternehmen aus Singapur thematisieren Dinge, die das Kollektiv als solches angehen, sei es die Familie, die Nachbarschaft oder andere zwischenmenschliche Beziehungen: TGIF all! Today is ‘Eat With Your Family Day’. Enjoy your time with your Family! (Singapore Telecommunications) Win a treat for your mum by telling us why your mum is truly amazing! #MyMumIsAmazing (Singapore Telecommunications) Change your Facebook profile pic to one with your mum! Then tweet it to us and stand to win $100 Takashimaya vouchers! #AddMumOnFacebook (Starhub) Surprise your mum this Mother’s Day. Do what you’d never do any other day! (Starhub) Watch this touching video of how a father sacrifices his time and well-being for the sake of his family […] (Starhub) Nominations for this year’s Good Neighbour Award are now open! Win up to $500 in vouchers and a trophy. (Singapore Press) From next Sunday, grieving pet owners will have a new way to cope with their loss when The Sunday Times starts a new pet obituary section. (Singapore Press)

Aber nicht nur in Bezug auf Privates ist die Orientierung am Kollektiv von Bedeutung. Im Unternehmenskontext wird die Überzeugung, dass unternehmerischer Erfolg nicht von Alleingängen eines Unternehmens, sondern vom Eingehen von Partnerschaften und Allianzen abhängt, betont: Vale invests in the sharing of knowledge through activities such as its Exchange Program with Mitsui. (Vale) A partnership with the British Geological Survey will bring more quality, safety and productivity to our operations […] (Vale) Want proof that we value international exchanges of experience? (Vale)

Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation 

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4.2 Unsicherheitsvermeidung Inhalte der Tweets aus stark unsicherheitsvermeidenden Kulturen wie Japan, Frankreich und Brasilien lassen Rückschlüsse auf die allgegenwärtige Unsicherheit des Lebens zu, die die Mitglieder solcher stark unsicherheitsvermeidenden Kulturen empfinden und daher bekämpfen und kontrollieren wollen: We’ve installed 400 sensors at various points throughout Porto de Tubarão to follow our operations even more closely! (Vale) Is your company prepared to take advantage of newer technologies and minimize risks? […] (Schneider Electric) Are you safe from the many things that could go wrong when designing and #manufacturing a product? (Schneider Electric) Air Liquide #USA receives food safety certification for liquid nitrogen and carbon dioxide facilities (Air Liquide)

Etablierte Strukturen sorgen dafür, dass dem Verlangen nach Klarheit und dem Einsatz von technisch-automatisierten Lösungen zur Absicherung gegen Unwägbarkeiten genüge getan wird, damit alle Unternehmensaktivitäten nach Plan verlaufen: To integrate our operations on 6 different continents, we depend on a network of modern and efficient ports. (Vale) To ensure the efficient transport of mineral ore, we rely on an integrated logistics network. Take a look! (Vale) Nissan Motor Co. says it maintains its full-year financial forecast. (Nissan) Nissan COO Shiga says the company is on track to achieve midterm plan’s goals […] (Nissan)

Dagegen ist in den Tweets aus den USA und England als schwach unsicherheitsvermeidende Kulturen kaum eine Spur mehr von Unsicherheit, Angst oder Stress zu erkennen. Vielmehr konzentrieren sich diese Unternehmen scheinbar darauf, die eigene Euphorie für Innovationen mit den Empfängern ihrer Tweets zu teilen: Innovation never sleeps. (General Electric) The only thing separating you from #science should be a pair of protective goggles. (General Electric) Click to find out how #aviation innovation in emerging markets is changing the global skyscape […] (General Electric) Highlights of IBM’s ~ 67,000 patents over last 2 decades [infographic] (IBM) Could future medicines be based on electrical impulses? We think so, and we’re going to find out how #bioelectronics (GSK)

Auffällig ist dabei, dass nicht nur Innovationen generell euphorisch und offen begrüßt werden, sondern auch, dass der Drang nach eher skurrilen, unüblichen und die Welt revolutionierenden Innovationen groß zu sein scheint:

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What if you could control a helicopter with your thoughts? (General Electric) From science fiction to science fact, the #driverless #car has come a long way. (General Electric) Finding the unexpected: how research into cardiovascular disease uncovered a genetic switch in a rare cancer. (GSK)

4.3 Maskulinität versus Femininität Form und Inhalte der Tweets von Unternehmen aus maskulinen Kulturen legen den Fokus auf stetigen Fortschritt und neue Erkenntnisse. Dazu gehören neben Kulturen wie Japan, England und Deutschland auch die USA und Südafrika. In ihren Tweets wird der Drang deutlich spürbar, niemals stehen zu bleiben, sondern immer nach Höherem zu streben und sich permanent weiter zu entwickeln: More efficient airports. Improved healthcare experiences. […] (General Electric) “My objective is to change the way people think about chemistry and science. We want to be awesome.” (IBM) Anton Gildenhuys CE, Sanlam Personal Finance Actuarial presenting. Reform: “Turning back is not an option.” #sanlambenchmark (Sanlam) #Siemens will play a key role in developing smart, self-organized factories where machines organize themselves. (Siemens) #BASF expands capacity for high performance Ultramid® B (polyamide 6) in Germany (BASF) Dudley: ‘We have reached our $38 billion target for divestments, and we reached it a year ahead of schedule.’ #bpagm #bp (BP) Finlayson: “Good start to year. More to accomplish but I’m encouraged by our progress” (BG Group)

Eng damit verbunden ist die Konzentration auf Herausforderungen. Herausforderungen erkennen und meistern als grundlegendes Motto maskuliner Kulturen wird auch in den Tweets durch solche Kulturen geprägter Unternehmen zum Ausdruck gebracht: As board members, we constantly challenge one another to ensure that the focus is on issues that are important to shareholders. #WMTShares (Wal-Mart Stores) Sanlam continues strong performance trend despite market challenges. (Sanlam) #Siemens is facing one of today’s biggest challenges: Reducing #energy demand despite of #economic growth. (Siemens) Dudley: ‘I believe we have turned a problem in Russia into an opportunity.’ #bpagm #bp (BP)

Die Konkurrenzorientierung, die sich in diesem Streben nach Fortschritt und Herausforderung ausdrückt, zeigt sich darin, dass Leistung durch Anerkennung gemessen wird. Diese Anerkennung herausragender Leistungen drückt sich nicht ausschließlich materiell aus, sondern durch das Verleihen von Auszeichnungen. Eine Auszeichnung erzeugt das Gefühl der Überlegenheit gegenüber der Konkurrenz, was maskuline Kulturen wie die Luft zum Leben brauchen. Dies zeigt sich auch in den Tweets der durch sie geprägten Unternehmen:

Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation 

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We are listed at the top of the Fortune 500 again this year as the world’s largest company. -Holley #WMTShares (Wal-Mart Stores) Nissan CEO Ghosn on EV: “We are by far the carmaker with the most sales of the electric car.” (Nissan) Siemens has won the Zayed Future Energy Prize 2013 for its efforts in reducing emissions and energy consumption. (Siemens) #BASF first chemical company 2 achieve gold-level certification according 2 European Water Stewardship(EWS) standard […] (BASF) Engine of the Year Awards 2012: BMW Group scores with four, six and eight cylinders. (BMW) Great news! We are in The Times Top 100 grad employers list. Check us out at #18 […] (GSK)

Der permanente Drang, sich mit der Konkurrenz zu messen, diese auszustechen und Preise zu gewinnen, findet sich in den Inhalten der Tweets der durch eine feminine Kultur geprägten französischen und brasilianischen Unternehmen kaum: We are one of the 50 most sustainable companies in the world according to the Global 100 Ranking! (Vale) We are one of @FortuneMagazine’s #MostAdmired. […] (Schneider Electric) We are proud to be among @ethisphere’s 2013 World’s Most Ethical Companies. (Schneider Electric) Sustainable Brands Expands Corporate Member Group with Addition of Disney, L’Oreal, SAP, Mattel, Del Monte, BASF as Newest Members (L’Oreal)

Die Tweets dieser Unternehmen verraten den Empfängern noch nicht einmal, welchen Platz das Unternehmen erreicht hat, es wirkt eher so, also würde es sich in eine Reihe von vielen Unternehmen einreihen, keine herausragende Stellung für sich allein beanspruchen. In diesem Sinne wird das in maskulinen Kulturen so bewusst kommunizierte Streben nach Fortschritt in den Tweets der Unternehmen aus femininen Kulturen weitaus zurückhaltender angekündigt.

4.4 Langzeitorientierung Wird die Kulturdimension Langzeitorientierung im Unternehmenskontext betrachtet, so geht es in erster Linie darum, dass Unternehmen, die durch langzeitorientierte Kulturen geprägt, zukunftsorientiert ausgerichtet sind. Sie gehen davon aus, dass vergangene Quartals- oder Jahresergebnisse keine Rolle spielen für das, was in der Zukunft erst noch geschehen wird. Allerdings weisen alle der zehn untersuchten Kulturen in ihren Tweets die Publikation von Quartals-, Halbjahres- oder Jahresergebnissen auf. Die Publikation dieser zentralen Finanzkennzahlen ist jedoch im Rahmen dieser Untersuchung vermutlich nicht der kulturellen Prägung der Unternehmen geschuldet, da es sich durch die Auswahl der Unternehmen mittels der Leitindizes ausschließlich um Aktiengesellschaften handelt, deren Pflicht es ist, bestimmte Finanzkennzahlen zu publizieren. Twitter als Nachrichtenmedium wird folglich auch

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 Christoph Moss/Katharina Balkmann

zur Publikation dieser Kennzahlen genutzt – egal ob ein Unternehmen durch langzeit- oder kurzzeitorientierte Kulturen geprägt ist. Allerdings lässt sich die rückwärtsgerichtete Perspektive der Unternehmen, die durch kurzzeitorientierte Kulturen wie England, den USA, Deutschland, Frankreich und auch Australien geprägt sind, daran erkennen, dass sie in ihren Tweets immer wieder auf Vergangenes anspielen. Insbesondere amerikanische, aber auch die anderen kurzzeitorientieren Unternehmen richten ihren Blick immer wieder in eine bedeutsame Vergangenheit, so dass deutlich wird, dass sie ihrer Vergangenheit nicht nur einen hohen Stellenwert zuschreiben, sondern auch davon ausgehen, dass sie ihr ihre gegenwärtigen Erfolge zu verdanken haben: We are closing in on one half of a trillion dollars! Not bad for a little company that started in Bentonville, Arkansas! -Holley #WMTShares (Wal-Mart Stores) #ThrowbackThursday: Our R&D laboratory from 1900 was the first of its kind in the United States. (General Electric) We’ve tested this maxim for over 130 years. (General Electric) IBM Fellows, 50 Years of Innovation – timeline […] (IBM) A #picture from the past: 1899  – the first #Siemens & Halske #trademark registered in #Berlin. (Siemens) #MINI celebrates 100 years of automotive production in Oxford. (BMW) On February 20th, 2013, #AirLiquide celebrates 100 years as a listed company on the Paris Stock Exchange. (Air Liquide) Dudley: “#BP has invested in #Russia for more than 20 years and for a decade…” (BP) A #throwback painting of one of our first branches from the early 19th century. #ThrowbackThursday (Commonwealth Bank) Today marks 196 anniversary of our 1st day of trading on Apr 8, 1817. Image: Sydney Gazette advertising opening day. (Westpac Banking)

5 Fazit Die Kulturgebundenheit der Tweets wurde in Form der fünf nationalen Kulturdimensionen Hofstedes (und der darin integrierten Ansätze) untersucht. Dabei konnten allein für die Kulturdimension Machtdistanz keine eindeutigen Ergebnisse generiert werden, die übrigen vier Kulturdimensionen zeichnen sich in den 7.506 analysierten Tweets gemäß der Prägung der Heimatkulturen ihrer Absender ab. Allerdings kann hier nicht auf eine verallgemeinernde Regelmäßigkeit geschlossen werden. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich vielmehr um eine Momentaufnahme, die lediglich eine Tendenz abbildet, eine Tendenz die zeigt, dass die homogenisierenden Einflüsse der kulturellen Globalisierung die Wirtschaftskommunikation auf Twitter noch nicht uniformiert haben. Dennoch lassen sich in dieser Untersuchung Hinweise darauf finden, dass die Wirtschaftskommunikation auf Twitter eher individualistisch, unsicherheitsbejahend und maskulin ist. Die Gründe, denen diese einseitige Ausprägung der Kulturdimensionen geschuldet ist, lassen Raum für Spekulation. Allerdings ist sicherlich

Globalisierung in der Wirtschaftskommunikation 

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die voranschreitende wirtschaftliche Globalisierung mit ihren Dynamiken und ihrem stetig steigenden Wettbewerbsdruck ein möglicher Auslöser, der die Kommunikation international agierender Unternehmen auf Twitter einseitiger erscheinen lässt, als es die theoretischen Annahmen vermuten lassen. Die im Rahmen dieser Pilotstudie durchgeführte qualitative Inhaltsanalyse lässt dennoch Fragen offen. Ein Kulturvergleich wie der hier durchgeführte ist immer durch die eigen-kulturelle Brille des Forschers gefärbt. So müsste eine derartige Untersuchung von mehreren Forschern durchgeführt werden, die nicht dieselbe Heimatkultur teilen, um so zu Ergebnissen gelangen, die eine höhere intersubjektive Nachvollziehbarkeit zulassen. Außerdem wird der Bedarf für eine weiterführende Forschungsarbeit erkennbar. Die Anzahl der analysierten Twitterkanäle pro Nation müsste deutlich erhöht werden, um eventuelle Einflüsse der spezifischen Unternehmens- oder Branchenkultur auszuschließen. Dabei müsste auf eine größtmögliche Vielfalt bei der Unternehmensauswahl geachtet werden, anstatt lediglich die drei nach Marktkapitalisierung größten Unternehmen aus forschungspragmatischen Gründen auszuwählen. In diesem Sinne wäre es von großem Forschungsinteresse, nicht nur national-kulturelle Unterschiede zu betrachten, sondern diese auch mit der Unternehmenskultur der einzelnen untersuchten Unternehmen oder der unternehmensübergreifenden Branchenkultur in Beziehung zu setzen. Bei der Frage der Kulturgebundenheit internationaler Wirtschaftskommunikation auf Twitter sollte es nicht ausschließlich beim kulturkontrastiven Forschungsansatz bleiben. Die Interaktionsmomente, die sich auf dieser Plattform zwischen den Unternehmen und ihrem globalen Zielpublikum abspielen, sollten im Sinne des interaktionistischen Forschungsansatzes ebenfalls auf ihre Kulturgebundenheit hin untersucht werden.

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 Christoph Moss/Katharina Balkmann

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III Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation

Simone Huck-Sandhu/Katrin Hassenstein

7. Kundenkommunikation

Abstract: Der Beitrag beschreibt die Kundenkommunikation als Teilbereich der Unternehmenskommunikation, der am Schnittfeld von Marketingkommunikation und Public Relations angesiedelt ist. Ausgehend von den Perspektiven, die die beiden Forschungsfelder an die Kommunikation mit bestehenden und potenziellen Kunden anlegen, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede dargestellt und ein ganzheitlicher Ansatz für die Kundenkommunikation entwickelt. Zunächst stehen dabei die zentralen Leitgrößen Marke, Image und Reputation im Mittelpunkt. Dann werden Ziele und Zielgruppen der Kundenkommunikation sowie Vermittlungsstrategien und Kommunikationsmodi vorgestellt. Sie bilden die Grundlage, auf deren Basis Botschaften formuliert, aufbereitet und über die spezifischen Maßnahmen und Instrumente des Feldes vermittelt werden. Eine Zusammenfassung und ein Ausblick schließen den Überblicksbeitrag ab. 1 Einleitung 2 Kundenkommunikation als Teilbereich der Unternehmenskommunikation 3 Grundzüge der Kundenkommunikation 4 Zusammenfassung und Ausblick 5 Literatur

1 Einleitung Kunden gelten gleichauf mit den Mitarbeitern als wichtigste Zielgruppe der Unternehmenskommunikation. Ob klassische Anzeige, Plakat, Postwurfsendung, Event, Kundenzeitschrift oder Produktblogs – für die Kommunikation mit bestehenden und potenziellen Kunden steht eine breite Palette an gedruckten, digitalen und persönlichen Medien zur Verfügung. Traditionell ist die Kommunikation mit Kunden der Marketing- oder Marktkommunikation zugeordnet. Aber auch im Rahmen der Public Relations (PR) werden (potenzielle) Kunden direkt sowie indirekt angesprochen. Je nachdem, ob die Kommunikation stärker aus Marketing- oder stärker aus PR-Perspektive geplant und umgesetzt wird, variieren Kommunikationsziele, -formen und eingesetzte Instrumente. Unter dem Dach der Kundenkommunikation lassen sich diese beiden Disziplinen und ihr jeweils spezifischer Zugriff auf die Kommunikation mit Kunden verbinden und als Querschnittsfeld der Unternehmenskommunikation ganzheitlich modellieren. Ziel des Beitrags ist es, Grundzüge der Kundenkommunikation zu beschreiben und Verbindungslinien zur Sprache in der Wissenschaft aufzuzeigen. Ausgehend von

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 Simone Huck-Sandhu/Katrin Hassenstein

einem groben Überblick über den Erklärungsbeitrag, den Marktkommunikation und PR zur Kundenkommunikation liefern können, stehen zunächst die zentralen Leitgrößen Marke, Image und Reputation im Mittelpunkt. Dann werden Ziele und Zielgruppen der Kundenkommunikation sowie Vermittlungsstrategien und Kommunikationsmodi vorgestellt und ihre Bedeutung für die Instrumentenwahl diskutiert. Ein Ausblick schließt den Überblicksbeitrag ab.

2 Kundenkommunikation als Teilbereich der Unternehmenskommunikation Der Kunde steht traditionell im Mittelpunkt des Marketings. Kreutzer (2013, 328) differenziert diese Kernzielgruppe weiter aus, indem er vier Teilzielgruppen benennt: gegenwärtige Kunden, Wunsch- oder Ziel-Kunden, Interessenten und ehemalige Kunden. Hinzu treten weitere Bezugs- und Anspruchsgruppen eines Unternehmens wie z. B. Mitarbeiter, Investoren, Anwohner oder die Medien – im Kern der Marketingkommunikation und ihrer Kommunikationspolitik steht aber primär die Ansprache aktueller und potenzieller Kunden.

2.1 Marketing-Perspektive: Kommunikationspolitik Die Kommunikationspolitik (promotion) fügt sich als eines der „4Ps“ des Marketingmix nahtlos in den Reigen von Produkt-, Preis- und Distributionspolitik (product, price, place) ein. Sie umfasst „die systematische Planung, Ausgestaltung, Abstimmung und Kontrolle aller Kommunikationsmaßnahmen eines Unternehmens im Hinblick auf alle relevanten Zielgruppen, um die Kommunikationsziele und damit die nachgelagerten Marketing- und Unternehmensziele zu erreichen“ (Meffert/Burmann/ Kirchgeorg 2012, 606). Vorrangiges Ziel ist es, bei Kunden und potenziellen Kunden „marktrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen im Sinne der Unternehmensziele zu verändern“ (Bruhn 2010, 373), indem sie eine möglichst große Aufmerksamkeit und Interesse für die Produkte bzw. Dienstleistungen erzeugt und Nachfrage schafft oder steigert (Willis 2009, 411). Sie orientiert sich damit sowohl an ökonomischen als auch sozialen Zielen wie Bekanntheit, Einstellung, Differenzierung und Stärkung der Kaufabsicht (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2012, 608). Marketing Communications encompasses any form of communication that contributes to the conversion of a non-customer to a customer, and subsequently to the retention of such customers. (Hart 1995, 25)

Kundenkommunikation 

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Die Marketingkommunikation setzt verschiedene Kommunikationsinstrumente ein: Neben der klassischen Werbung sind dies v. a. Verkaufsförderung und PR, aber auch Außenwerbung, Direktmarketing, Sponsoring, Messen und Ausstellungen oder Events (Bruhn 2012, 204; Unger/Fuchs 2005, 23). Das bedeutendste Instrument ist nach wie vor die Werbung. Ziel der Werbung ist es, mit spezifischen Kommunikationsmitteln, die über bezahlte Kommunikationsmedien verbreitet werden, verhaltensrelevante Einstellungen zu beeinflussen (Gabler 2014). Sie nutzt dazu sowohl Massenmedien – z. B. Zeitungen und Zeitschriften, Fernsehen, Radio, Plakat  – als auch Medien der direkten Kommunikation wie z. B. Mailings (Kuß/Kleinaltenkamp 2013, 220; Shimp 2010, 7). Neben der klassischen Werbung ist hier die stationäre und mobile Außenwerbung (Out-of-Home-Medien) zu nennen, also Werbung über jene Medien, „die im öffentlichen Raum und aus dem öffentlichen Raum heraus auf ‚Jedermann‘“ einwirken (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2012, 637). Das Direktmarketing beinhaltet alle Kommunikationsmaßnahmen, die darauf abzielen, den direkten Kontakt mit (potenziellen) Kunden durch Einzelansprache aufzubauen bzw. den Dialog aufrechtzuerhalten (Bruhn 2012, 230; Meffert/ Burmann/Kirchgeorg 2012, 686). Ein weiteres wesentliches Instrument ist die Verkaufsförderung. Dabei handelt es sich um zeitlich befristete Maßnahmen mit Aktionscharakter, die in Form von Verbraucher-, Außendienst- oder Händler-Promotions auf schnelle Reaktionen beim Käufer ausgelegt und unmittelbar auf den Verkauf eines Produkts gerichtet sind (Kuß/ Kleinaltenkamp 2013, 222). Auch die PR, die systematisch geplante, vertrauensvolle Beziehungen zu sämtlichen Anspruchsgruppen eines Unternehmens aufbaut, stellt ein Instrument dar. Im Rahmen des Kommunikationsmix begleitet und ergänzt es andere Kommunikationsinstrumente (Willis 2009, 411). Hinzu kommen Messen und Ausstellungen, Eventmarketing, Sponsoring, Product-Placement und in-Game-Advertising (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2012, 691 ff.). In den letzten Jahren hat auch die Online-Kommunikation für die Ansprache von Kunden stark an Bedeutung gewonnen. Sie beinhaltet die Kommunikation zwischen einem Unternehmen und Kunden bzw. potenziellen Kunden sowie die Kommunikation der (potenziellen) Kunden untereinander, die über das Internet und seine Dienste, zunehmend auch Social Media, stattfindet (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2012, 653 ff.). Als Zwischenfazit lässt sich festhalten: Werbung und Verkaufsförderung werden als klassische Instrumente der Kommunikationspolitik bezeichnet, während Sponsoring, Event-Marketing, Product Placement, Messen und Ausstellungen oder auch PR als nicht-klassische Instrumente gelten (Tomczak/Kuß/Reinecke 2009, 248). Die Kommunikation mit Kunden und potenziellen Kunden findet im Rahmen der Marketingperspektive primär in Form bezahlter Medien (paid media) statt. Allein die PR hebt sich ab, indem sie durch redaktionelle, nicht bezahlte Berichterstattung in

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 Simone Huck-Sandhu/Katrin Hassenstein

den Medien öffentliche Aufmerksamkeit für ein Unternehmen, seine Produkte oder Dienstleistungen herstellt (earned media).

2.2 Public Relations-Perspektive: Produkt- und Kunden-PR Wie oben dargestellt, gilt PR im Rahmen der Marketing-Literatur als ein Instrument unter vielen. In ihrer Anlage und ihrem Anspruch reicht sie aber über die bloße Absatzförderung klar hinaus, indem sie neben Kunden und potenziellen Kunden auch alle anderen Teilöffentlichkeiten einer Organisation anspricht. In der neueren Marketingliteratur wird diese breitere Ausrichtung teilweise anerkannt, wie z. B. Tomczak/Kuß/ Reinecke (2009, 249) deutlich machen, wenn sie schreiben: Somit ist Öffentlichkeitsarbeit nicht als Teilbereich des Marketing zu sehen, auch wenn sie aufgrund ihrer akquisitorischen Wirkung auf die Gruppe der Kunden durchaus für das Marketing relevant ist […]. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die so genannte leistungsbezogene Public Relations (‚Product-PR‘) auf konkrete Marktleistungen bezieht […].

Von Produkt-PR kann dann die Rede sein, wenn PR gezielt Kunden und potenzielle Kunden anspricht bzw. konkret Marktleistungen zum Gegenstand hat. Sie kommt flankierend als verkaufsunterstützendes Instrument zum Einsatz. Es handelt sich um jenen Teil der Kommunikationsarbeit eines Unternehmens, der sich mit dessen Produkten [bzw. Leistungen d. Verf.] und deren zentralen oder relevanten Leistungsmerkmalen beschäftigt, um diese im potenziellen Absatzmarkt und dessen marktlichem Umfeld bekannt zu machen, möglichst eigenständig und positiv besetzt zu profilieren und zu positionieren. (Szyszka 2004, 69)

Produkt-PR entfaltet über das unmittelbar marktliche Umfeld hinaus Wirkung. Ob als Produkt-Medienarbeit, durch PR-Anzeigen oder andere Maßnahmen – sie wirkt in das gesamtgesellschaftliche Umfeld eines Unternehmens hinein (Szyszka 2004, 69). Szyszka (2004, 70) schreibt der Produkt-PR deshalb eine „doppelte Zielsetzung“ zu: Produkt-PR unterstützt Kaufentscheidungen einerseits direkt, wenn sie Kunden und potenzielle Kunden über Produkte bzw. Dienstleistungen informiert und durch spezifische Maßnahmen (wie z. B. die Einbindung unabhängiger Experten oder Meinungsbildner) Unsicherheiten reduziert mit dem Ziel, die Kaufentscheidung zu unterstützen (ebd.). Andererseits wirkt Produkt-PR indirekt, indem sie die öffentliche Aufmerksamkeit, Bekanntheit und eine positive Bewertung von Produkten oder Leistungen fördert mit dem Ziel, über „den Umweg von Diskussion und Empfehlungen mittelbar Einfluss auf Entscheidungsverhalten zu nehmen“ (ebd.; Braden/Roth 1997, 48). Journalisten selektieren aus dem Pool der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen jene Themen, die ihnen wert erscheinen, in die Medien zu gelangen. Über die Sichtung und Prüfung verleihen sie – in der Funktion von neutralen Gate-

Kundenkommunikation 

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keepern  – einer Nachricht Objektivität, so dass die redaktionelle Berichterstattung den Rezipienten glaubwürdiger erscheint als Informationen aus unternehmenseigenen Medien (Mast/Huck/Güller 2005, 147 f.). The persuasive power of editorial is much greater than paid-for advertising as the stories and features that appear in newspapers and magazines – as well as on radio and television – tend to be viewed by consumers as unbiased and objective. In contrast, advertising in the same media channels relies on paid-for space and therefore lacks the same credibility as coverage that has been created by an independent third party such as a journalist. (Willis 2009, 412)

Abbildung 1 stellt die direkte und indirekte Kommunikation im Rahmen der Kundenansprache grafisch dar. Hier wird sichtbar, dass Kunden als Teil der Öffentlichkeit über den indirekten und den direkten Weg erreicht werden. Direkte Kommunikation

Indirekte Kommunikation

Unternehmen Massenmedien Kundenmedien

Kunden

Meinungsführer

Öffentlichkeit

Abb. 1: Direkte und indirekte Kommunikation im Rahmen der Kundenansprache (Quelle: in Anlehnung an Mast/Huck/Güller 2005, 148)

Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Zahl der Informationskanäle, aus denen sich Kunden über ein Unternehmen und dessen Produkte bzw. Leistungen informieren können, stark gestiegen (Schultz/Schultz 1998). In den letzten Jahren kamen mit den digitalen Medien, v. a. den Social Media, neue Kommunikationsplattformen hinzu, die für stärkere Transparenz sorgen und Kunden die Möglichkeit zum Austausch bieten. Kurz gesagt: Die Kommunikationssituation der Kunden hat sich verändert. Sie sind selbstbewusster, fordernder und im Kommunikationsprozess aktiver geworden (Rolke 2003). Das Informationsmonopol der Unternehmen ist längst gefallen. Die Werbung spielt nach wie vor eine wichtige Rolle im Kommunikationsmix der Kundenansprache. Neben anderen Instrumenten der Marketing-Kommunikation hat aber zunehmend auch die PR an Bedeutung gewonnen. Es geht im Rahmen der Kunden-

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 Simone Huck-Sandhu/Katrin Hassenstein

PR heute v. a. darum, langfristig dauerhafte, vertrauensvolle Beziehungen zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden bzw. potenziellen Kunden herzustellen (Mast/Huck/Güller 2005, 17). Einen solch breiteren Ansatz verfolgt die Kunden-PR (Customer Public Relations). Die Kunden-PR definiert sich nicht primär über den Gegenstand der Kommunikation, also nicht über Produkte und Dienstleistungen als Inhalt, sondern über das Ziel, langfristige Beziehungen zwischen einer Organisation und Kunden sowie potenziellen Kunden aufzubauen: „Consumer PR forges meaningful connections with consumers to help stimulate the sale of goods and services“, schreibt Hutchinson (2012, 354). Damit liegt der Kunden-PR ein breites Begriffsverständnis, angelehnt an die Definition von PR als Kommunikationsmanagement, zugrunde  – eine Perspektive, der in den letzten Jahren auch im Beziehungsmarketing (Relationship Marketing) verstärkt Rechnung getragen wird. Ähnlich breit und langfristig ist auch die so genannte Marken-PR angelegt, die auf den Aufbau von Markenwelten ausgerichtet ist (Bentele/ Hoepfner 2004, 1552; Hassenstein 2011, 403).

2.3 Kundenkommunikation als Querschnittsfeld So unterschiedlich die Marketing- und die PR-Perspektive auf die Kommunikation mit dem Kunden auch sind, weisen sie doch auch formale und inhaltliche Schnittmengen auf. Ziele und Instrumente der beiden Disziplinen überlappen sich teilweise (Hutton 1996). Unter dem Dach der Unternehmenskommunikation lassen sich die beiden Felder zusammenführen. Wie im Beitrag von Claudia Mast in diesem Band deutlich wird, umfasst Unternehmenskommunikation sämtliche Kommunikationsprozesse, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird und die insbesondere zur internen und externen Handlungskoordination sowie Interessenklärung zwischen Unternehmen und ihren Bezugsgruppen (Stakeholdern) beitragen. (Zerfaß 2007, 23)

Unternehmenskommunikation leistet demnach einen Beitrag zu den Unternehmenszielen, indem sie aufgaben-, transaktions- und interaktionsorientiert interne und externe Bezugsgruppen des Unternehmens anspricht. Gliedert man die Unternehmenskommunikation in Funktionsfelder auf, so lassen sich Marktkommunikation und PR um die interne Kommunikation ergänzen (Zerfaß 2010, 289 ff.; Mast/Huck/Güller 2005, 37 f.): – die Marktkommunikation, die Bezugsgruppen im Marktumfeld adressiert mit dem transaktionsorientierten Ziel, den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen zu fördern,

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– die PR, die langfristige, vertrauensvolle Beziehungen zu relevanten Bezugsgruppen in der sozialen und politischen Umwelt der Organisation aufbauen will und somit als primär interaktionsorientiert bezeichnet werden kann, und – die Mitarbeiterkommunikation, die Bezugsgruppen innerhalb der Organisation anspricht und v. a. die Aufgabenorientierung im Blick hat. Im Rahmen der Markt- bzw. Marketingkommunikation sind u. a. Fragen der Markenbildung und -führung von Bedeutung, im Kontext der PR stehen stärker Image und Reputation im Vordergrund. Kunden können auch in anderen Rollen Kontakt zum Unternehmen und damit zu PR haben, wenn sie etwa auch Mitarbeiter, Investoren oder Anwohner sind. Zugleich spielt auch die interne Kommunikation eine Rolle für die Kundenansprache. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Außenwirkung, die die Innen- und Kostenwirkung der Mitarbeiterkommunikation ergänzt (Meier 2002, 24 ff.). Mitarbeiter werden hier zur Quelle von Markenassoziationen und somit zu einem bedeutsamen Element des zu transportierenden Markenbildes (Meyer/Brudler 2009, 1127). Abbildung 2 deutet die Schnittmengen zwischen den drei idealtypischen Bezugsgruppen an. Die Abbildung macht deutlich, dass die Unternehmenskommunikation die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive und die sozialwissenschaftlich geprägte Perspektive zusammenführt (Röttger 2009, 72). Neben den gemeinsamen Schnittmengen wie Eventmarketing bzw. PR oder der Online-Kommunikation können Werbung und PR bei der Ansprache von (potenziellen) Kunden auch Hand in Hand greifen, etwa wenn Image-Anzeigen geschaltet werden oder eine Pressemitteilung auf eine neue Werbekampagne hinweist (Tomczak/Kuß/Reinecke 2009, 249).

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Bezugsgruppen in der Organisation

Mitarbeiterkommunikation aufgabenorientiert

Bezugsgruppen im Marktumfeld

Marktkommunikation

Public Relations

transaktionsorientiert

interaktionsorientiert

eher wirtschafswissenschaftliche Perspektive

Bezugsgruppen im sozialen und politischen Umfeld

eher sozialwissenschaftliche Perspektive

Abb. 2: Funktionsfelder der Unternehmenskommunikation (Quelle: eigene Darstellung)

Gerade bei der Ansprache von Kunden spielt integrierte (Gesamt-)Kommunikation (Kirchner 2001; Bruhn 2011) eine wesentliche Rolle. Nach Bruhn (2011, 99) ist inte­ grierte Kommunikation ein strategischer und operativer Prozess […], der darauf ausgerichtet ist, aus den differenzierten Quellen der internen und externen Kommunikation von Unternehmen eine Einheit herzustellen, um ein für die Zielgruppen der Kommunikation konsistentes Erscheinungsbild des Unternehmens beziehungsweise eines Bezugsobjektes der Kommunikation zu vermitteln.

Es geht demnach um die „Synchronisation“ aller Kommunikationsaktivitäten (Hutchinson 2012, 356) in der inhaltlichen, formalen und zeitlichen Dimension, d. h. um die konsistente Planung und Abstimmung von Themen und Botschaften, von Gestaltungsprinzipien und Planungsperioden (Bruhn 2011, 102 f.).

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3 Grundzüge der Kundenkommunikation Kundenkommunikation kann als jener Teilbereich der Unternehmenskommunikation verstanden werden, der das Ziel verfolgt, mittels Kommunikation den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen zu fördern sowie dauerhafte, vertrauensvolle Beziehungen zu Kunden und potenziellen Kunden aufzubauen. Kundenkommunikation beinhaltet sämtliche kommunikativen Maßnahmen eines Unternehmens, die einen dauerhaften, interaktiven Dialog zwischen dem Unternehmen und potenziellen sowie aktuellen Kunden mit dem Ziel fördern, profitable Kundenbeziehungen aufzubauen und zu pflegen (Mast/Huck/Güller 2005, 15, in Anlehnung an Lischka 2000, 50).

3.1 Leitgrößen der Kundenkommunikation Kundenkommunikation in diesem Sinne als Beziehungsmanagement zu verstehen heißt, eine ganzheitliche Perspektive auf Leitgrößen der Kundenansprache anzulegen: Aus Marketingperspektive ist dies v. a. die Marke, aus PR-Perspektive die Reputation. Gemeinsam ist den beiden Disziplinen die Ausrichtung auf das Image als die dritte zentrale Leitgröße. Von einer Marke ist dann die Rede, wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung eindeutige Eigenschaften aufweist, die es von Konkurrenzangeboten positiv unterscheiden (Unger/Fuchs 2005, 33; Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2012, 359). Sie werden auch als kognitive Repräsentation – fest verankerte, unverwechselbare Vorstellungsbilder  – von einem Produkt oder einer Dienstleistung definiert (Unger/Fuchs 2005, 33). Als „the consumer’s idea of a product“ (David Ogilvy 1951; zit. nach Esch 2012, 23) entstehen sie in den Köpfen der Konsumenten (Kroeber-Riel/Weinberg 1999, 196) und übernehmen die Rolle eines zentralen Orientierungssystems (Mast/Huck/Güller 2005, 80). Aufgabe der Marktkommunikation ist in diesem Zusammenhang, die Marke durch die Kundenkommunikation zu aktualisieren und dazu beizutragen, eine starke Marke durch eine klare, für Kunden relevante Positionierung zu unterstützen. Dabei spielen Kontinuität, Konsistenz und Glaubwürdigkeit der Markenführung und -kommunikation eine wesentliche Rolle (Unger/Fuchs 2005, 32/38). Für Konsumenten ist die Marke ein wichtiges Orientierungssystem. Sie reduziert die Komplexität eines Produkts oder einer Dienstleistung auf einfache Markenwerte und -botschaften und vereinfacht damit Kaufentscheidungen in wesentlichem Maß. Dies kann in ähnlicher Weise auch für Unternehmensmarken und damit das Unternehmen als Ganzes gelten (Corporate Brands; Süss/Zerfaß/Dühring 2011, 11 ff.). Für Unternehmen sind Marken immaterielle Vermögenwerte, deren Ertrag sich monetär beziffern lässt (Bentele u. a. 2003) und die auf andere Leitgrößen wie Image und Reputation ausstrahlen.

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Image als zweite maßgebliche Leitgröße der Kundenkommunikation verbindet die Produkt- bzw. Dienstleistungsebene mit der Unternehmensebene. In Anlehnung an Essig/Soulas de Russel/Semanakova (2003, 21) kann Image verstanden werden als die Gesamtheit von Gefühlen, Einstellungen, Erfahrungen und Meinungen bewusster und unbewusster Art, die sich eine Person bzw. eine Personengruppe von einem ‚Meinungsgegenstand‘ […] macht.

Bei diesem Meinungsgegenstand kann es sich um ein Produkt bzw. eine Leistung handeln, so dass von Produkt-, Service- oder Markenimage die Rede sein kann. Es kann sich aber auch um ein Unternehmen als Ganzes handeln, dann wird von einem Unternehmensimage gesprochen. Images sind mehrdimensionale, strukturierte Gebilde, deren Inhalte sowohl rationaler als auch emotionaler oder sozialer Natur sein können (Mast/Huck/Güller 2005, 82). Ähnlich wie Marken entstehen sie durch eine Reduktion und Typisierung komplexer Gebilde auf einige wenige, prägnante Sachverhalte. Sie bilden sich relativ schnell, können sich aber im Laufe ihrer Verfestigung noch verändern: Sie sind stabil, aber nicht starr (ebd.). Images können sich von Person zu Person und von Zielgruppe zu Zielgruppe unterscheiden. Reputation entsteht als Summe aller Einzelimages, die bei verschiedenen Stakeholdern eines Unternehmens vorliegen, und lässt sich als ‚der gute Ruf‘ beschreiben. Reputation kann definiert werden als die Summe der Wahrnehmungen aller relevanten Stakeholder hinsichtlich der Leistungen, Produkte, Services und Personen eines Unternehmens und der sich hieraus jeweils ergebenden Achtung vor diesem Unternehmen. (Fombrun/Wiedmann 2001, 3)

Im Gegensatz zum Image entsteht Reputation nur langfristig. Sie reflektiert zudem stärker die Werte und Kultur des Unternehmens (Mast/Huck/Güller 2005, 87). Zentrale Eckpfeiler für die Entstehung von Reputation sind Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein (Fombrun 1996, 72). Die Ausführungen machen deutlich: Reputation ist nicht nur, aber auch im Rahmen der Kommunikation mit Kunden eine wichtige Leitgröße. Sie hilft dem Unternehmen, die Loyalität bestehender Kunden zu verstärken, die Neukundengewinnung zu erleichtern, hervorragende Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden, Kapitalkosten zu senken und eine verbesserte Unterstützung von Medien und Bevölkerung zu erreichen. (Mast/ Huck/Güller 2005, 91)

Marke, Image und Reputation stellen die (Kunden-)Kommunikation vor eine zentrale Herausforderung: Es bedarf der Abstimmung und Koordination der Kommunikation, um ein authentisches Bild vom Unternehmen und seinen Produkten oder seiner Leistung entstehen zu lassen.

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3.2 Positionierung durch Botschaften: Ziele und Zielgruppen Um zielgerichtet Kommunikation zu betreiben, überlegen sich Unternehmen und Organisationen zunächst, wen sie erreichen möchten. Häufig haben traditionell die Werbeabteilung und das Marketing den Kunden als Hauptzielgruppe definiert, während sich die Pressestelle auf die Ansprache der Medien fokussiert (vgl. Abb. 1). Dieses Zielgruppendenken spielt insofern eine Rolle, als sich Botschaften für Kunden und Botschaften für Medien zu ein und derselben Sache durchaus unterscheiden können. Wie in Kap. 2.1 gezeigt, sollen Botschaften in Richtung der Kunden drei wesentliche Ziele erreichen: Kunden sollen das Produkt, die Marke oder das Unternehmen kennen lernen (Bekanntheit), sie sollen Positives damit verbinden (Vertrauen) und letztlich zu einer Kaufentscheidung bewegt werden (Absatz). Bruhn (2010, 135 ff.) unterscheidet in diesem Zusammenhang kognitiv-orientierte, affektiv-orientierte und konativ-orientierte Ziele in der Kommunikation. Diese Zielkategorien werden als aufeinander aufbauend verstanden (nachfolgend ebd.): – In der kognitiven Zielkategorie geht es darum, Produkte oder Dienstleistungen im Bewusstsein der Kunden zu verankern, damit in der Entscheidungssituation diese Angebote präsent sind. – Affektive Zielgrößen werden hinzugenommen, wenn zusätzlich zur reinen Information bestimmte Gefühle und Sympathie zur Marke oder zum Produkt vermittelt werden sollen. – Konative Zielgrößen sollen einerseits das Konsumverhalten positiv beeinflussen, andererseits das Informations- und Kommunikationsverhalten der Konsumenten aktivieren. Letzteres beinhaltet auch die Mund-zu-Mund-Kommunikation der Zielgruppe, welche durch Weiterempfehlungen für eine weitere Verbreitung der Kommunikationsbotschaft sorgen kann. Dem Empfehlungsverhalten der Kunden kommt durch Social Media und die Kommunikation im Internet eine wachsende Bedeutung zu: Der Empfängerkreis vergrößert sich durch die Onlinekommunikation um ein Vielfaches (Mast 2013, 251). Die Gewichtung der Ziele kann sich aufgrund der Markt- und Umfeldbedingungen eines Unternehmens verändern. So ist zum Beispiel in wirtschaftlichen Krisenzeiten ein Schwerpunkt auf dem Ziel der Kundenbindung zu beobachten (Mast/Huck/Güller 2005, 41 f.). Wichtig für die Kommunikationsstrategie sind Kommunikationsziele einerseits deshalb, weil sie den Soll-Zustand für die Kommunikationsevaluation beschreiben (Mast 2013, 133). Zielformulierungen haben also Steuerungsfunktion (Rosenberger 2013, 42). Andererseits wird erst nach klarer Formulierung der Ziele der nächste Schritt möglich, nämlich die Formulierung der inhaltlichen Position.

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Positionierungen sind lebendig formulierte, mit emotionalen Werten verbundene Aussagen, die das angestrebte Vorstellungsbild von dem Gegenstand, auf den sich das Kommunikationskonzept bezieht, definieren und für den internen Gebrauch festhalten. (Mast 2013, 136)

Die Positionierung wird für die weitere Planung der Kommunikation benötigt, selbst aber nicht an die Zielgruppen kommuniziert. Aus der Positionierung als gedanklicher Basis werden konkrete Kommunikationsbotschaften abgeleitet, die zielgruppenspezifisch geprägt sind (vgl. ebd.). In Form von Dach- und Teilbotschaften sind sie aufeinander abgestimmt. Sie sollten konsistent und widerspruchsfrei gehalten sein, um die Funktion von Corporate Messages einnehmen zu können (Cornelissen 2011, 5). Diese Botschaften bilden das Scharnier zwischen Positionierung und Implementierung. Sie müssen den inhaltlichen Aspekt der Positionierung enthalten, konsistent und widerspruchsfrei gehalten sein (ebd.) und sich in den Kontext übergeordneter Corporate Messages einfügen (Huck-Sandhu 2014, 646). Kundenkommunikation sollte deshalb in das Themenmanagement einer Organisation, also in „den strategisch geleiteten Prozess der Planung und Steuerung von Botschaften der Unternehmenskommunikation“ insgesamt eingebunden sein (Huck-Sandhu 2014, 647).

3.3 Aufbereitung von Botschaften: Kommunikationsmodi Im Rahmen der Kundenkommunikation spielen nicht nur die Inhalte selbst (‚was‘), sondern auch die Art ihrer Aufbereitung und Formen ihrer Vermittlung (‚wie‘) eine Rolle. Die Art der Aufbereitung von Botschaften lässt sich im Rahmen der Unternehmenskommunikation entlang von Vermittlungsstrategien der persuasiven Kommunikation beschreiben und über so genannte Kommunikationsmodi oder -stile weiter systematisieren. Im Kontext der persuasiven Kommunikation, die im Kern der Kundenkommunikation steht, können drei zentrale Vermittlungsstrategien unterschieden werden (Merten 2008, 299 f.): – Die Belehrung setzt auf der Wissensebene an. Als rein kognitiv ausgerichtete Persuasionsstrategie der Kundenkommunikation zielt sie auf die Veränderung des Wissens, das Kunden oder potenzielle Kunden über ein Produkt bzw. eine Leistung haben, ab. Voraussetzung ist, dass die Information als nützlich wahrgenommen wird: „Belehrung wird, [sic!] aus Sicht des Rezipienten freiwillig akzeptiert resp. geduldet, wenn sie (ex post) in kognitiver Perspektive nützlich erscheint.“ (Merten 2008, 299) – Die Überredung setzt auf der Verhaltensebene an (konative Ebene). Um eine Verhaltensänderung – z. B. den Kauf eines bestimmten Produktes – herbeizuführen, setzt die Überredung auf der Belehrung auf und bedarf der Übereinstimmung von Emotionen und Kognitionen. Überredung erfolgt oft situativ und ist v. a. auf kurzfristige Verhaltensänderungen ausgerichtet.

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– Die Überzeugung hingegen zielt auf langfristige Verhaltensänderungen ab. Sie ist auf der Ebene der Einstellungen angesiedelt. Voraussetzung für die Überzeugungsarbeit ist, dass sowohl Belehrung als auch Überredung vorausgegangen sind und dann mit einem „persuasiven Argument“ (Schönbach 2013, 111, in Weiterentwicklung von Funkhouser 1986) gearbeitet wird. Im Rückbezug zu Kap. 2 kann die Überredung eher der Marketingkommunikation (z. B. Werbung) und die Überzeugung eher der PR zugeordnet werden (Merten 2008, 300). Ansatzpunkte für die Aufbereitung von Botschaften in der Kundenkommunikation liefert aber auch die Journalistik (Lünenborg 2005). Auf ihrer Grundlage können fünf grundlegende Modi  – oder Stile  – der Unternehmenskommunikation identifiziert werden (Lünenborg 2005; Mast 2012, 218 f.; Mast 2013, 58; Huck-Sandhu 2014, 649 f.), die in Übertragung auf die Kundenkommunikation wie folgt beschrieben werden können: – Der informierende Modus vermittelt Fakten zu Produkten bzw. Dienstleistungen und informiert Kunden über relevante Ereignisse, Tatsachen und deren Ergebnisse aus dem Unternehmen bzw. Unternehmensgeschehen. – Der erklärende Modus erklärt Funktionen oder Nutzen von Produkten bzw. Leistungen, stellt Zusammenhänge dar und zeigt Hintergründe, Rahmenfaktoren und -bedingungen auf. – Der bewertende oder argumentierende Modus bringt Meinungen, Urteile und Wertungen zu einem Produkt, einer Dienstleistung oder zu einem für Kunden relevanten Thema zum Ausdruck und gibt Einschätzungen und Empfehlungen ab. – Der narrative Modus ist gekennzeichnet durch die dramaturgische Aufbereitung von Inhalten, indem z. B. ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Ereignis sowie dessen handelnde Akteure im Verlauf dargestellt werden. – Der diskursive Modus basiert auf Austausch, Argumentation und Aushandlung im Dialog mit Kunden. Vergleicht man die persuasiven Vermittlungsstrategien mit den aus dem Journalismus heraus entwickelten Kommunikationsmodi, zeigen sich Parallelen und Verbindungslinien bei den jeweiligen Bezügen auf die kognitive, affektive und konative Ebene der Kommunikation. Während aber die Vermittlungsstrategien grundlegende Arten der Persuasionskommunikation abbilden, beschreiben Kommunikationsmodi stärker die inhaltliche Ebene der Botschaftsvermittlung – in welcher Kommunikationsform Inhalte zielorientiert aufbereitet werden können. Der Formulierung von Inhalten als Botschaften kommt in der Kommunikationsarbeit besondere Bedeutung zu, da sie sich in allen einzusetzenden Kommunikationsmodi und -formen sprachlich wiederfinden sollten. Dabei geht es nicht darum, die Botschaft in möglichst vielen verschiedenen Varianten auszuformulieren, sondern in

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einem mehrstufigen Prozess zielgruppen- und instrumentengerecht zu erarbeiten (Stücheli-Herlach/Perrin 2013, 25 f.).

3.4 Vermittlung von Botschaften: Instrumente Um die Botschaften direkt oder indirekt an Kunden zu kommunizieren, müssen geeignete Kommunikationsinstrumente ausgewählt werden. Im Überblick zu Kommunikationspolitik und Marketingkommunikation (Kap. 2.1) wurde deutlich, dass in der betriebswirtschaftlichen Perspektive Werbung, PR, Eventmarketing oder auch Messen als Instrumente bezeichnet werden. Im Zuge der Zusammenführung mit der sozialwissenschaftlichen Perspektive war von jenen ‚Instrumenten‘ als Teilbereiche der Unternehmenskommunikation die Rede. Mit dieser Bezeichnung wird betont, dass es sich keineswegs bloß um „Werkzeuge handelt, mit denen Stakeholder oder Kommunikationsprobleme bearbeitet werden“ (Röttger/Preusse/Schmitt 2011, 229), sondern um Teildisziplinen der Unternehmenskommunikation, die jeweils spezifische Ziele verfolgen, Leitgrößen anlegen und eben auch unterschiedliche Instrumente einsetzen. In beiden Bereichen der Unternehmenskommunikation leitet sich die Wahl geeigneter Instrumente aus den Kommunikationszielen, der Positionierung und den Botschaften, die es zu vermitteln gilt, ab. Die Modi der Kundenkommunikation können dabei als Leitfaden dienen. Systematisiert man die Kommunikationsinstrumente auf der Maßnahmenebene ganz allgemein in gedruckte, elektronische und persönliche Instrumente (Mast/Huck/Güller 2005, 154 ff.), so lässt sich exemplarisch zeigen, welche Instrumente für welche Modi vorrangig geeignet sind. Abbildung 3 zeigt die Zuordnung am Beispiel ausgewählter Instrumente (auch: Medien) der Kundenkommunikation. Sie verdeutlicht, wie das abgebildete Spektrum der Kommunikationsmodi durch verschiedene Medien der Kundenkommunikation ausgeschöpft wird. Dabei lässt sich festhalten: Jedem Medium kann ein individuelles Profil zugeordnet werden, das es je nach Botschaft/Inhalt, Zielgruppe/Ziel und Kommunikationssituation geeignet oder ungeeignet erscheinen lässt. Die Profile lassen sich anhand von drei Beispielen verdeutlichen:

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Maßnahmenebene Instrumente der Kundenkommunikation

Events

Servicetelefon/Hotline

Beratungs- und Verkaufsgespräch

Kundenservice

Werbespots TV/Radio

Newsletter

persönliche Kommunikation

Produktblog

diskursiver Modus

Social Media

marrativer Modus

elektronische Medien

Unternehmenswebsite

bewertender Modus

Werbeanzeige

Briefe

erklärender Modus Kundenzeitschrift

Modi der Kundenkommunikation

Inhaltsebene

informierender Modus

Pressemitteilung

gedruckte Medien

Abb. 3: Modi und Instrumente der Kundenkommunikation (Quelle: eigene Darstellung)

Als Beispiel für das Bündel der gedruckten Medien kann die Kundenzeitschrift herausgegriffen werden. Kundenzeitschriften spielen im Rahmen der Kundenkommunikation eine wichtige Rolle, da sie sowohl im Rahmen der Marktkommunikation als auch der PR genutzt werden. Mast/Huck/Güller (2005,183 ff.) unterscheiden quantitative von qualitativen Kundenzeitschriften: Quantitative Kundenzeitschriften richten sich an einen unspezifischen Leserkreis, sind produktorientiert und in der Aufmachung prospektartig. Sie sind im Bereich des informierenden und des bewertenden Modus anzusiedeln. Qualitative Kundenzeitschriften hingegen orientieren sich stark an einer (spezifischen) Leserschaft. Sie sind journalistisch aufgemacht und im redaktionellen Konzept dementsprechend unabhängiger. In der Berichterstattung wird stärker Wert auf die Erklärung von Zusammenhängen und die Einordnung und Bewertung von Sachverhalten gelegt. Es werden Geschichten über Produkte, Leistungen, das Unternehmen und über Personen erzählt. Zudem ist die qualitative Kundenzeitschrift im Unterschied zur quantitativen Kundenzeitschrift zweiseitig angelegt (dialogisch), das heißt mit Rückkopplungsmöglichkeiten der Leser zum Unternehmen. Sie kann somit alle fünf Modi abbilden und in der Leseransprache nutzen.

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Als Beispiel für ein digitales Medium soll der Produktblog näher betrachtet werden. Produktblogs als ein Social-Media-Instrument der Kundenkommunikation stellen die Auseinandersetzung mit der Kundenmeinung und den Dialog mit bestehenden und potenziellen Kunden in den Mittelpunkt. Sie haben als zentrales Anliegen, Botschaften im narrativen und diskursiven Modus zu kommunizieren, nutzen dazu aber zwangsläufig auch den informierenden und erklärenden Modus. Sie tragen damit der Tatsache Rechnung, dass Kunden im Web 2.0 zunehmend zu Partnern werden, die denselben Informationszugang und vergleichbare Kommunikationsmöglichkeiten wie Unternehmen haben (Schildhauer/Voss 2009, 261): Die Prozesse der direkten und indirekten Kundenkommunikation werden in der Online-Welt von Dialogen im Netz verändert: Auch Kunden des Unternehmens sprechen im Internet über das Unternehmen, die Marke und die Produkte. Aus Sicht der PR erfolgt hier ein Dialog zwischen und mit Zielgruppen, die sich übergreifend aus denen des Marketings und der Werbung (Kunden), der PR (Medien) und auch der internen Kommunikation (Mitarbeiter) rekrutieren. Stellvertretend für das Bündel der persönlichen Kommunikationsinstrumente lässt sich das Spektrum der Kommunikationsmodi am Beispiel des Kundenservice umfassend beschreiben. Im Rahmen des Kundenservice treten Kunden und Mitarbeiter des Unternehmens in direkten Kontakt. Sie informieren, erklären, sprechen Empfehlungen aus, erzählen von Erfahrungen anderer Kunden oder treten – v. a. bei konflikthaltigen Themen – in den Dialog mit dem Kunden. Je nach Kunde, Anliegen oder Thema können somit alle fünf Modi einzeln oder in Kombination zum Einsatz kommen. Als Gesicht des Unternehmens gestalten Mitarbeiter unmittelbar den persönlichen Eindruck, den ein Kunde oder potenzieller Kunde von der Organisation, ihren Produkten oder Leistungen gewinnt. Während im Konsumgüterbereich vielfach eine Trennung von Unternehmens- und Kundenkultur möglich ist, verschwimmen die Grenzen insbesondere bei Dienstleistungsanbietern (Meyer/Brudler 2009, 1128) – und machen noch einmal die besondere Rolle der internen Kommunikation, die über ihre Außenwirkung indirekt auf den Kunden abstrahlt, deutlich (vgl. Kap. 2.3).

4 Zusammenfassung und Ausblick Kundenkommunikation, so lässt sich zusammenfassend festhalten, hat als Teilbereich der Unternehmenskommunikation zwei zentrale Ziele: Erstens ist sie darauf ausgerichtet, mittels Kommunikation den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen zu fördern. Zweitens zielt sie darauf ab, dauerhafte, vertrauensvolle Beziehungen zwischen dem Unternehmen und bestehenden sowie potenziellen Kunden aufzubauen. Im ersten Teilziel kommt stärker die Marktkommunikation, im zweiten eher die PR-Perspektive zum Ausdruck.

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Bei Kundenkommunikation handelt sich demnach um jenen Bereich des Kommunikationsmanagements, der auf die bestehenden und potenziellen Kunden ausgerichtet ist. Die Kommunikation ist langfristig angelegt, strategisch geplant und systematisch implementiert. Vor allem aber orientiert sie sich an den Erwartungen, Bedürfnissen und am Nutzen der spezifischen Ziel- und Bezugsgruppe, die sie anspricht. Oben war von Botschaften, deren Aufbereitung in Form verschiedener Kommunikationsmodi und von der Wahl geeigneter Instrumente die Rede. Es ist aber letztlich die Sprache, in der alle planerisch-konzeptionellen und inhaltlichoperativen Teilarbeiten der Kommunikationsarbeit ihren konkreten Ausdruck finden. Um den Bogen zurück zum Beginn des Beitrags zu schlagen: Sprache ist nicht nur Ausdruck von Kommunikationszielen, -modi und Medienprofilen, sondern auch ein verlässlicher Indikator für die Zuordnung eines Kommunikationsinstruments in die Marktkommunikation oder in die PR. Kundenkommunikation aus Perspektive der PR orientiert ihre Sprache am journalistischen Stil und an journalistischen Genres. Am Beispiel der Pressemitteilung lässt sich dies stellvertretend für die PR-induzierte Kundenkommunikation verdeutlichen: Bei der Pressemitteilung handelt es sich um eine schriftliche Mitteilung an die Presse mit dem Ziel der Veröffentlichung im redaktionellen Teil. Pressemitteilungen als eigene Textsorte (Femers 2011, 110; Christoph 2009, 81) werden zu medienrelevanten Anlässen verschickt und informieren über einen Sachverhalt, ein Ereignis oder eine Einschätzung anhand von Fakten (Falkenberg 2006, 13). Sprachlich muss der Text deshalb so angelegt werden, dass er möglichst für alle Medien im Presseverteiler geeignet ist (Pflaum 1990, 37 f.). Als Informationsangebot an die Medien sind sie so geschrieben, dass sie aus Sicht des Journalisten ohne Änderung abdruckbar sein könnten. Sie heben sich damit klar von der Sprache in der Werbung ab, die die Kundenkommunikation im Kontext der Markt- bzw. Marketingkommunikation bestimmt. Zwar zielt auch werbliche Sprache auf eine erwünschte Wirkung ab (Janich 2010, 45), aber sie arbeitet im Vergleich zu Texten der Medienarbeit stärker mit emotionalisierenden Elementen und ist plakativer. Sie orientiert sich an der werbeinhaltlichen Grundkonzeption, der so genannten Copy-Strategie, die für die Verbalisierung und Visualisierung gleichermaßen als Gestaltungsplattform gilt (Huth/Pflaum 2005, 276). In der Gestaltung der Printwerbung liegt der Fokus bspw. auf der Visualisierung (Bild) und auf der Headline (Textelement) (ebd., 284; Femers 2011, 202), wobei die Headline als „sprachlicher und typografischer Blickfang“ (Femers 2011, 203) fungieren und gleichzeitig den Kundennutzen transportieren soll – deshalb ist die Sprache hier besonders plakativ. Im Rahmen der Kundenkommunikation ergänzen sich die am Journalismus orientierte PR-Sprache und der plakative, stärker auf Emotionalisierung ausgerichtete Werbetext. Sie greifen Hand in Hand, wenn es um die Kommunikation rund um Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen sowie um den Aufbau von dauerhaften, vertrauensvollen Beziehungen zwischen dem Unternehmen und den Kunden geht.

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Oder sie verschmelzen im einen oder anderen Kontext gar, etwa in der Online-Kommunikation, bei der Markenkommunikation oder auch beim Storytelling.

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 Simone Huck-Sandhu/Katrin Hassenstein

als Erfolgsfaktor im Innovationsmanagement. Strategien im Zeitalter der Open Innovation. Wiesbaden, 259–270. Schönbach, Klaus (2013): Verkaufen, Flirten, Führen. Persuasive Kommunikation – ein Überblick. 2., erw. Aufl. Wiesbaden. Schultz, Don E./Heidi F. Schultz (1998): Transitioning Marketing Communication into the 21st Century. In: Journal of Marketing Communication, 4/1, 9–26. Shimp, Terence A. (2010): Advertising, Promotion & Supplemental Aspects of Integrated Marketing Communications. 8. Aufl. Mason. Stücheli-Herlach, Peter/Daniel Perrin (2013): Schreiben mit System. PR-Texte planen, entwerfen und verbessern für die medienkonvergente PR. In: Peter Stücheli-Herlach/Daniel Perrin (Hg.): Schreiben mit System. PR-Texte planen, entwerfen und verbessern. Wiesbaden, 15–38. Süss, Werner/Ansgar Zerfaß/Lisa Dühring (2011): Corporate Branding im Spannungsfeld von Unternehmens- und Marketingkommunikation. Grundlagen, Fallstudien und empirische Erkenntnisse in Commodity-Branchen. Wiesbaden. Szyszka, Peter (2004): Produkt-PR und Journalismus. Annäherung an eine verschwiegene Win-WinSituation. In: Juliana Raupp/Joachim Klewes (Hg.): Quo vadis Public Relations? Auf dem Weg zum Kommunikationsmanagement: Bestandsaufnahmen und Entwicklungen. Wiesbaden, 66–78. Tomczak, Torsten/Alfred Kuß/Sven Reinecke (2009): Marketingplanung. Einführung in die marktorientierte Unternehmens- und Geschäftsfeldplanung. 6., überarb. Aufl. Wiesbaden. Unger, Fritz/Wolfgang Fuchs (2005): Management der Marketing-Kommunikation. 3., aktual. und erw. Aufl. Berlin. Willis, Paul (2009): Public Relations and the Consumer. In: Ralph Tench/Liz Yeomans (Hg.): Exploring Public Relations. 2. Aufl. Harlow, 409–424. Zerfaß, Ansgar (2007): Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement: Grundlagen, Wertschöpfung, Integration. In: Manfred Piwinger/Ansgar Zerfaß (Hg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Wiesbaden, 21–70. Zerfaß, Ansgar (2010): Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit. Grundlegung einer Theorie der Unternehmenskommunikation und Public Relations. 3., aktual. Aufl. Wiesbaden.

Klaus Rainer Kirchhoff

8. Investor Relations – ein Praxisbericht Abstract: „Es treffend zu sagen“ ist im Umfeld der Investor Relations von ganz entscheidender Bedeutung. Eine missverständliche Formulierung kann dazu führen, dass Aktionäre, Analysten und Journalisten falsche Schlussfolgerungen ziehen, die den Kurs der Aktie beeinflussen. Die Hauptaufgabe der Investor Relations besteht darin, die Anleger über die Entwicklungen in und um das Unternehmen offen und vollständig zu informieren, um Vertrauen in das Management zu erzeugen. Zudem soll sich der Investor ein Bild von dem so genannten „fairen Wert“ des Unternehmens machen können, also in die Lage versetzt werden, das betreffende Unternehmen möglichst objektiv beurteilen zu können. Daher ist es besonders wichtig, die Kapitalmarktteilnehmer mit klaren und wahren Botschaften zu versorgen. Dies gilt ‚in guten wie in schlechten Zeiten‘. 1 Einleitung 2 Begriffliche Grundlagen 3 Sprache in der Praxis der Investor Relations 4 Empfehlungen für eine angemessene Sprache in der Investor Relations 5 Abschließende Bemerkungen 6 Literatur

1 Einleitung Im Bereich Investor Relations – den Beziehungen zwischen Unternehmen und Investoren  – hat die Sprache eine große Bedeutung. Eine unklare Formulierung, die zu Missverständnissen führt, kann erhebliche Auswirkungen auf das Anlageverhalten von Aktionären haben, im Extremfall zu drastischen Kursverlusten und dadurch zu einer Wertvernichtung führen. „Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe wie zwischen dem Blitz und einem Glühwürmchen“ (Bainton 1890, 87). Dieser Ausspruch von Mark Twain gilt in besonderem Maße für die Investor Relations. Doch Unternehmen, oder genauer gesagt die verantwortlichen Manager im Unternehmen, sind sich der Bedeutung der Sprache für die Investor Relations oft nicht bewusst. Investor Relations sollen eine Vertrauensbasis schaffen zwischen dem Unternehmen und seinen (potentiellen) Anlegern. Unternehmen sollten glaubwürdig kommunizieren. Die Kommunikation beruht in erster Linie auf der Sprache. Auch dieser Aspekt der Investor Relations wird oft vernachlässigt. Wie wichtig die Glaubwürdigkeit für ein Unternehmen ist, wird vor allem in Krisenzeiten

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deutlich. Wenn das Management kein Vertrauen in der Financial Community genießt, können Krisen Millionenwerte vernichten, den Ruin eines Unternehmens bedeuten. Wie jede Kommunikation sind auch Investor Relations darauf ausgerichtet, Einstellungen und Handlungen von Menschen zu beeinflussen. So soll der Aktionär dazu gebracht werden, eine Aktie zu behalten oder weitere Aktien des Unternehmens zu kaufen, der Analyst soll eine positive Einschätzung der Aussichten des Unternehmens verbreiten, Journalisten sollen ebenso positiv über das Unternehmen berichten. Doch die Wirkung der Investor Relations ist durch den Faktor Glaubwürdigkeit begrenzt. Ist der Investor-Relations-Manager nicht glaubwürdig, so bleibt sein Versuch, den Anleger, Analysten oder Journalisten zu überzeugen, erfolglos. In diesem Beitrag sollen zunächst die Begriffe Investor Relations sowie Sprache und Glaubwürdigkeit geklärt werden. Der folgende Hauptteil beschäftigt sich mit Aspekten der Sprache und ihrer Glaubwürdigkeit bei den wichtigsten Instrumenten in der Praxis der Investor Relations.

2 Begriffliche Grundlagen Der Begriff Investor Relations ist zwar nicht neu, aber nur Wenigen geläufig. Vor 20 Jahren hatten nur zehn Prozent der deutschen börsennotierten Unternehmen eine Abteilung mit dem Namen Investor Relations, heute sind es praktisch alle größeren Börsengesellschaften. Die breite Öffentlichkeit bekommt jedoch von den Aktivitäten nichts mit.

2.1 Investor Relations Investor Relations (Kirchhoff 2009, 35 ff.), die oft synonym verwendet werden mit dem Begriff der Finanzkommunikation, sind eine strategische Managementaufgabe, die Finanzen, Kommunikation, Marketing und die Beachtung rechtlicher Verpflichtungen integrieren und zu erreichen versuchen, dass das Unternehmen im Kapitalmarkt eine faire Bewertung erhält. Deshalb erfüllen Investor Relations eine übergreifende strategische Aufgabe, denen die anderen Disziplinen insoweit untergeordnet sind, als sie bei ihrer Außendarstellung die strategischen Vorgaben der Investor Relations zu beachten haben. Es ist häufig zu beobachten, dass diese Vorgaben in Unternehmen nicht beachtet werden und zum Beispiel aus dem Marketing Botschaften kommen, die mit der Positionierung des Unternehmens am Kapitalmarkt nicht übereinstimmen. Insbesondere in schwierigem Kapitalmarktumfeld, wenn Nervosität und Misstrauen vorherrschen, ist es wichtig, dass die Unternehmen mit einer Stimme sprechen und den Markt nicht durch unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Botschaften verwirren.

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Damit können wir die wichtigste Aufgabe der Investor Relations definieren: Sie sollen Investoren über die Entwicklungen in und um das Unternehmen offen und vollständig informieren und so Vertrauen in das Management schaffen. Letztlich sollen Investor Relations den Investor in die Lage versetzen, den so genannten fairen Wert des Unternehmens zu erkennen, der bei objektiver Bewertung anzusetzen wäre. Zusammenfassend geht es bei den Investor Relations um die Minimierung von Informationsdefiziten und die Berücksichtigung der Bedenken des Kapitalmarktes bei der strategischen Planung als Schlüssel zur Realisierung einer angemessenen Bewertung der Aktien. Die Financial Community muss den veröffentlichten Daten und Informationen Glauben schenken. Dazu gehört auch, dass Meldungen nicht nur positive Ereignisse betreffen, sondern auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Kontakt gepflegt wird. So wird Falschmeldungen in der Presse und Misstrauen gegenüber dem Unternehmen vorgebeugt. Die Beurteilung der Unternehmenssituation durch Dritte lässt sich zweifellos besser steuern, wenn das Management die entsprechenden Informationen selbst verbreitet. Investor-Relations-Aktivitäten sind heute vielfach im Bereich Public Relations und Kommunikation angesiedelt, was Vor- und Nachteile mit sich bringt. Der Vorteil besteht in dem zweifellos vorhandenen hohen Abstimmungsbedarf zwischen Investor Relations und Public Relations; den Informationsfluss kann man durch eine Zusammenlegung der Bereiche häufig begünstigen. Andererseits gibt es doch erhebliche Unterschiede beim Kommunikationsgegenstand und der spezifischen Vorgehensweise von Investor Relations und Public Relations. In einer gemeinsamen Abteilung sollten daher Investor-Relations-Spezialisten eingesetzt werden, die allen Mitgliedern der Financial Community qualifiziert und kompetent gegenübertreten können. Bei eigenständigen Public-Relations- und Investor-Relations-Abteilungen kann die Zusammenarbeit vereinfacht werden, indem beide Abteilungen unter eine einheitliche Leitung gestellt werden. Dabei ist zu bedenken, dass gerade Investor-Relations-Abteilungen auf Grund des immer stärker werdenden Wettbewerbs um das internationale Kapital einem großen Druck ausgesetzt sind, eine direkte Anbindung an den Vorstand ist daher notwendig.

2.2 Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Kommunikation In der Kommunikation eines Unternehmens sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit die entscheidenden Faktoren. Eine Kommunikation, die nur auf die Übermittlung von Informationen abzielt, kann auf Dauer nicht erfolgreich sein, da Vertrauen und Glaubwürdigkeit Elemente, Ziele und Voraussetzungen der Kommunikation sind. Die Informationsübermittlung dient im Endeffekt dazu, Investoren zu überzeugen, ihre Einstellung zu beeinflussen und sie zu einer vertrauensvollen Entscheidung zu

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bringen. Dies kann der Kauf von Aktien sein (Reinmuth 2006, 200). Vertrauen ist das Ergebnis einer glaubwürdigen Kommunikation. Glaubwürdigkeit und Vertrauen werden beide vom Rezipienten zugeschrieben. Allerdings ist es wohl so, dass Vertrauen das stärkere Konzept ist, denn die Mitteilung eines glaubwürdigen Kommunikators können wir inhaltlich tendenziell eher ablehnen, als die eines vertrauenswürdigen. Die Glaubwürdigkeit der Information hat keinen derart starken Anreiz, eine Anschlusshandlung auszulösen und sich in eine Risikosituation zu begeben, wie die Kommunikation eines vertrauenswürdigen Kommunikators. (Reinmuth 2006, 197)

Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit sind Bestandteile des Images, das durch die Kommunikation beeinflusst wird. Images sind gleichzeitig Voraussetzung für Vertrauen. Durch Glaubwürdigkeit und Vertrauen ist das Image mehr oder weniger stabil in Bezug auf unbeabsichtigte Effekte, dagegen flexibler in Bezug auf beabsichtigte Änderungen. Diese Phänomene bedingen und beeinflussen sich gegenseitig (Reinmuth 2006, 199). Ohne ein positives Image wird einem Unternehmen kein Vertrauen geschenkt. Ohne von den Bezugspersonen und -gruppen zugewiesenes Vertrauen erhält ein Unternehmen kein positives Image. Ohne Vertrauen und positives Image wird einem Unternehmen und dessen Informationsangeboten keine Glaubwürdigkeit zugewiesen, wobei Letzteres wiederum die Voraussetzung für Vertrauen und ein positives Image darstellt (Janik 2002, 99). Es ist zweckmäßig, zwischen der Vertrauenswürdigkeit eines Investor-RelationsManagers und der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen zu unterscheiden. Das Vertrauen gilt dabei als das Ergebnis einer glaubwürdigen Kommunikation. Glaubwürdigkeit kann so als Vorstufe für das Vertrauen angesehen werden. Auf der anderen Seite muss Vertrauen für viele Aspekte der Kommunikation bereits vorhanden sein, um überhaupt als glaubwürdig wahrgenommen werden zu können (Reinmuth 2006, 197).

3 Sprache in der Praxis der Investor Relations Die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt geschieht durch direkte persönliche Gespräche und mit dem geschriebenen Wort in elektronischer oder gedruckter Form. Unternehmen im Börsensegment Prime Standard müssen ihre Mitteilungen in deutscher und englischer Sprache veröffentlichen. Die sich daraus ergebenden Probleme sollen hier nicht weiter berücksichtigt werden, obwohl sie von erheblicher Relevanz sind: In Frankfurt notierte chinesische Unternehmen haben ihre Informationen zunächst von der chinesischen Sprache ins Englische zu übertragen und danach ins Deutsche zu übersetzen. Es ist nachvollziehbar, dass bei der Textqualität der deutschen Unternehmensmeldung oder den Texten im deutschen Geschäftsbericht Abstriche gemacht werden müssen.

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3.1 Sprache in Geschäftsberichten Der Geschäftsbericht eines Unternehmens wird als Visitenkarte des Unternehmens und als Königsdisziplin der Unternehmenskommunikation bezeichnet (Baetge/ Kirchhoff 1997). Er wird mit großem Aufwand erstellt, umfasst nicht selten mehr als 300 Seiten und ist als von Wirtschaftsprüfern testiertes Informationsmedium die verlässlichste Quelle über das Geschäftsjahr eines Unternehmens. Hier finden private Anleger und institutionelle Investoren eine Fülle an Informationen, die für ihre Anlageentscheidungen nützlich sein können. Den Stellenwert des Geschäftsberichts hat schon vor langer Zeit die Wirtschaftspresse erkannt: In den Jahren von 1995 bis 2013 hat das manager magazin einmal jährlich im Rahmen des Wettbewerbs „Der beste Geschäftsbericht“ die Berichte der wichtigsten deutschen Börsengesellschaften beurteilt und  – im Anschluss an eine Jury-Sitzung  – in eine Rangfolge gebracht. Neben inhaltlichen und gestalterischen Beurteilungskriterien wurde auch die Sprache der Geschäftsberichte beurteilt (Baden/Wilhelm 1995). Mein langjähriger Jury-Kollege bei „Der beste Geschäftsbericht“, der emeritierte Düsseldorfer Sprachwissenschaftler Rudi Keller, hat an seinem Lehrstuhl regelmäßig die Beurteilung der Sprache in den Geschäftsberichten vorgenommen und häufig aus seiner empirischen Arbeit berichtet sowie Empfehlungen ausgesprochen (Keller 2005; 2006; im Folgenden 2005, 3 ff.). Geschäftsberichte dienen in erster Linie dazu, die Berichtspflicht des Unternehmens zu erfüllen, müssen deshalb aber nicht langweilig und übertrieben fachspezifisch verfasst sein. Keller empfiehlt daher, einen Geschäftsbericht im Erzählstil zu verfassen: lebendig und lesefreundlich, dennoch aber in einer seriösen und glaubwürdigen Sprache, keinesfalls aber flapsig oder in farbloser Behördensprache. Basis eines jeden guten Geschäftsberichts ist eine fehlerfreie Sprache ohne Orthografie- und Grammatikfehler. Ein weiterer wichtiger Faktor, der nach Keller die Lesefreundlichkeit von Texten erhöht, ist eine abwechslungsreiche Interpunktion: Sie unterstützt die Rhetorik und verhindert, dass der Text aus einer monotonen und immer gleich strukturierten Aneinanderreihung von Sätzen besteht. Genauso ist ein abwechslungsreicher Satzbau entscheidend für einen gelungenen Geschäftsbericht. Abgehackte Sätze, die fantasielos aneinandergehängt sind, oder zu lange, verschachtelte Sätze erschweren unnötig den Lesefluss. Deshalb ist es wichtig, bei den Satzkonstruktionen auf eine transparente Syntax zu achten. Allzu umfangreiche Satz- oder Verbalklammern, bei denen zwischen Hilfsverb und Vollverb oft eine Menge Sprachmaterial untergebracht wird, gilt es zu vermeiden. Eine sprachliche Schwäche, die bei vielen Geschäftsberichten auffällt, ist der mangelnde Schreibstil. Oft sind weite Teile des Berichts in ‚Bürokratendeutsch‘ geschrieben. Durch umständliche Umschreibungen sind diese Texte schwer verständlich und lassen außerdem einen negativen Rückschluss auf das Unternehmen zu.

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Denn wer in einem zu bürokratischen Stil schreibt, hat wahrscheinlich ebensolche Unternehmensstrukturen. Grundsätzlich macht es die Sprache lebendiger, wenn statt Substantivkons­ truktionen Verben verwendet werden. Auch sind Aktivformulierungen Passivkons­ truktionen vorzuziehen. Ist der Akteur unbekannt oder eine schlechte Nachricht soll möglichst neutral formuliert werden, sind Passivkonstruktionen jedoch durchaus sinnvoll. Besonders persönlich und aktiv wirkt hingegen der sogenannte „Wir-Stil“ auf den Leser. Der persönlichste Teil eines Geschäftsberichts ist der Brief an die Aktionäre, der oft die Funktion eines Vorworts übernimmt. Die meisten Unternehmen verwenden inzwischen die Briefform, da diese eine direkte und persönliche Ansprache der Aktionäre erlaubt. Der typische Briefstil des Aktionärsbriefs orientiert sich stark an der mündlichen Rede und ist damit weitaus weniger formell geschrieben als die übrigen Inhalte eines Geschäftsberichts. Hier lassen sich durchaus persönliche Einschätzungen oder Emotionen zur Beschreibung der Unternehmensentwicklung unterbringen. Neben der inhaltlich klaren und verständlichen sprachlichen Darstellung spielt Keller zufolge auch die Textgestaltung des Berichts eine wichtige Rolle in Bezug auf Übersichtlichkeit und Gliederung. Aufzählungszeichen, Tabellen, Diagramme und optische Navigationshilfen im Seitenkopf helfen dem Leser, die Übersicht zu behalten, komplexe Inhalte schneller zu begreifen und immer zu wissen, wo im Bericht er sich gerade befindet.

3.2 Sprache in Ad-hoc- und Pressemitteilungen Börsennotierte Unternehmen informieren zwischen den Geschäftsberichten unterjährig Öffentlichkeit und Kapitalmarkt mit Ad-hoc-Mitteilungen und Pressemitteilungen. Während die Ad-hoc-Publizität rechtlich eng geregelt ist, sind Pressemitteilungen reine Kür; es existiert keine Pflicht zu ihrer Verbreitung. Vereinfacht dargestellt fallen unter die Ad-hoc-Publizität die im deutschen Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) geregelten Veröffentlichungspflichten von börsennotierten Unternehmen im Prime Standard. Nach § 15 WpHG sind Unternehmen zu einer unverzüglichen Veröffentlichung von Tatsachen verpflichtet, die den Börsenkurs der zugelassenen Wertpapiere erheblich beeinflussen können. Ziel ist es, die Informationen möglichst allen Marktteilnehmern zur gleichen Zeit zur Verfügung zu stellen. Zu den relevanten Tatsachen zählen bedeutende Geschäftsabschlüsse, Veränderungen von Jahresabschlusszahlen, Vorstandspersonalien und andere Dinge, die ein erhebliches Steigen oder ein Sinken des Aktienkurses an der Börse zur Folge haben können (ausführlich dazu: Emittentenleitfaden 2013). Ad-hoc-Mitteilungen sind ein wichtiges Instrument der Investor Relations. Sie werden zumeist dann veröffentlicht, wenn Tatsachen von den Erwartungen der Marktteilnehmer abweichen. Betriebswirtschaftlich ist mit ihnen das Problem ver-

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bunden, zu prognostizieren, was den Kurs erheblich beeinflussen kann. Ist dies bei einem Ergebniswachstum von zwei Prozent anstelle der erwarteten zehn Prozent gegeben? Und dann stellt sich die Frage, was erheblich bedeutet. Da hierzu keine Vorschriften bestehen, hat sich in der Praxis folgende Regel entwickelt: Eine Reaktion ist erheblich, wenn sie im zweistelligen Prozentbereich liegt. Mit diesen Problemen sind Unsicherheiten verbunden, die in der verwendeten Sprache zum Ausdruck kommen. Die Sprache erfüllt hier die Funktion, mögliche Klagen von Investoren zu erschweren, falls die veröffentlichten Informationen nicht eintreffen. Dies führt in Ad-hoc-Mitteilungen häufig zu folgenden Formulierungen: Unklare Sprache in Ad-hoc-Mitteilungen am Beispiel Siemens: Siemens geht für sein Unternehmensprogramm Siemens 2014 überwiegend aufgrund geringerer Markterwartungen nicht mehr davon aus, bis zum Geschäftsjahr 2014 eine Ergebnismarge der Summe Sektoren von mindestens 12 Prozent zu erreichen. Die strukturellen Maßnahmen zur Portfoliooptimierung und Kostensenkung sind weitestgehend auf Kurs. (Ad-hoc-Mitteilung der Siemens AG, 25.7.2013. URL: http://www.dgap.de/dgap/News/adhoc/siemens-aktiengesellschaft-siemens-wird-margenziel-fuer-voraussichtlich-nicht-erreichen/?companyID=142&new sID=764461)

Die einzige handfeste Information ist die Tatsache des verfehlten Margenziels. Die Aussage „überwiegend aufgrund geringerer Markterwartungen“ gleicht einer Nebelbombe. Ein aktualisiertes Ziel wird nicht genannt. Ebenso ist offen, was „weitestgehend auf Kurs“ bedeutet. Auch das nicht selten anzutreffende Wort „voraussichtlich“ führt beim Leser nicht gerade dazu, sich gut informiert zu fühlen. Es folgt ein Beispiel für die Verwendung in einer Überschrift: Das Wort voraussichtlich bei centrotherm: centrotherm photovoltaics erwartet voraussichtlich eine Verschlechterung der Ergebnisprognose für 2014 und 2015. (Ad-hoc-Mitteilung der centrotherm photovoltaics AG, 21.10.2013. URL: http:// www.dgap.de/dgap/News/adhoc/centrotherm-photovoltaics-erwartet-voraussichtlich-eine-verschlechterung-der-ergebnisprognose-fuer-und/?companyID=9325&newsID=774036)

Ein weiteres Beispiel zeigt die Verwendung im Fließtext einer Pressemitteilung. Das Wort voraussichtlich bei Deutsche Annington: Der Bookbuilding-Prozess wird voraussichtlich heute und morgen (9. und 10. Juli 2013) stattfinden. Der Preis, zu dem die angebotenen Aktien platziert werden sollen, wird erwartungsgemäß morgen (10. Juli 2013) in einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht werden. Der Handel der Aktien der Deutschen Annington im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse (Prime Standard) wird voraussichtlich am 11. Juli 2013 unter dem Ticker-Symbol ANN erfolgen. (Corporate News der Deutsche Annington AG, 9.7.2013. URL: http://www.dgap.de/dgap/News/ corporate/deutsche-annington-immobilien-deutsche-annington-bietet-aktien-rahmen-einesbeschleunigten-bookbuildingverfahrens-an/?companyID=382300&newsID=762591)

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Die Beispiele lassen sich verallgemeinern: Durch die Dominanz rechtlicher Fragen sind die bisher dargestellten sprachlichen Empfehlungen für Geschäftsberichte in Adhoc-Mitteilungen offenbar nicht durchzuhalten. Das Weglassen gewünschter und aus Anlegersicht nötiger Informationen ist allerdings kaum geeignet, die Kommunikation als glaubwürdig einzustufen. Damit wird es nicht möglich sein, Vertrauen beim Leser zu schaffen. In mehr als 25 Jahren Beratertätigkeit habe ich in diesem Zusammenhang ein Phänomen erlebt, das einen gewissen Automatismus aufweist: Wenn ein zuvor kommuniziertes Ziel nicht erreicht werden kann, wird sehr häufig zunächst eine durchaus beschönigende und unklare Formulierung à la Siemens („weitestgehend auf Kurs“) gewählt. Ein anderes Beispiel: Statt von einem „niedrigen Wachstum“ wird von einem „verhaltenen Wachstum“ gesprochen. Ohne es zu wollen, erreichen die Unternehmen damit, dass der Leser sich ein positiveres Bild der tatsächlichen Lage macht. Werden dann später die echten Zahlen veröffentlicht, sinkt der Aktienkurs erheblich, weil das Ergebnis schlechter ist, als die Anleger es erwartet hatten. Aus Kommunikationssicht ist daher Unternehmen zu raten, Zielabweichungen stets offen und präzise zu kommunizieren sowie gleichzeitig Maßnahmen anzukündigen, mit denen gegengesteuert werden soll. Im Gegensatz zu Ad-hoc-Mitteilungen sind Pressemitteilungen rechtlich nicht geregelt. Lediglich § 400 Aktiengesetz und § 331 Handelsgesetzbuch sehen Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren bei unrichtigen Angaben zur Unternehmenslage in „Darstellungen oder Übersichten“ vor. Dazu zählen auch Pressemitteilungen. Hier sind zwei Typen zu unterscheiden: Zum einen die meist werblich formulierten, auf Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens bezogenen Meldungen, die als PR-Instrument absatzfördernd wirken sollen. Nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ kann ihre Sprache emotionaler und blumiger sein, als wir es von der Sprache im Geschäftsbericht erwarten; es ist die Sprache der Werbung. Dazu ein Beispiel: Die Wellnessanwendungen im Viereinhalb-Sterne-Hotel Das Ahlbeck & Spa auf Usedom wirken wie eine Verjüngungskur – nichts glättet Falten besser als Entspannung. Die Gäste können zwischen verschiedenen Spa-Anwendungen wählen, wie beispielsweise Massagen, Erlebnisbäder und kosmetische Behandlungen. (TUI Deutschland GmbH, Pressemitteilung vom 22.1.2014. URL: http://unternehmen.tui.com/de/newsroom/pressemeldungen/2014/Januar/22_vital)

Zum anderen gibt es Pressemitteilungen, die Wirtschafts- und Finanzthemen zum Gegenstand haben und deshalb hier näher betrachtet werden sollen. Sie können als ein Instrument der Investor Relations angesehen werden und haben eine gewisse Nähe zu den Ad-hoc-Mitteilungen. Während Letztere jedoch einzig die zu veröffentlichende Tatsache beschreiben sollen, können Wirtschaftspressemitteilungen weiter ausholen und zusätzliche Informationen über das Unternehmen, seine Märkte, den Wettbewerb und Zitate des Managements beinhalten. Die sprachlichen Empfehlungen für Wirtschaftsmeldungen entsprechen den Empfehlungen für Geschäftsberichte. Hinzu kommt: Während Geschäftsberichte von

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einer sehr heterogenen Zielgruppe gelesen werden – Investoren, Mitarbeiter, Wettbewerber, Gewerkschafter, Politiker – richtet sich die Pressemitteilung an Journalisten. Der Inhalt, aber auch Form und Schreibstil, sind Marketinginstrumente, mit denen Journalisten bewegt werden sollen, aus der Pressemitteilung einen Zeitungs- oder Magazinartikel zu verfassen. Erfahrungsgemäß steigt die Abdruckwahrscheinlichkeit, wenn: – die wichtigste Nachricht in der Überschrift steht und zu Beginn des Textes erläutert wird, – dabei die so genannten W-Fragen der Journalisten beantwortet werden: „Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum?“, – die Nachricht in einer für jeden verständlichen Sprache formuliert ist, – nur die wichtigsten Zahlen herausgehoben und erläutert werden.

3.3 Exkurs: Interkulturelle Kommunikation und Investor Relations Die Investor Relations eines Unternehmens sind international. Zurzeit befindet sich die Mehrheit aller Anteile der im Deutschen Aktienindex enthaltenen Unternehmen in ausländischem Besitz. An der deutschen Börse sind zudem zahlreiche ausländische Unternehmen notiert, darunter auch chinesische Firmen. Treffen amerikanische oder europäische Investoren auf Vorstände aus China, sind die filigranen Überlegungen zu Sprache und Stil in den Investor Relations nicht zielführend. Hier prallen Welten aufeinander, die eine Verständigung massiv erschweren. Der Grund sind tiefgreifende kulturelle Unterschiede. Sie zu kennen, erleichtert den Umgang miteinander. Als 2007 die ersten chinesischen Unternehmen in Deutschland an die Börse gingen, waren Analysten, Journalisten und Investoren sehr positiv gestimmt. Alle fanden es interessant, am hohen Wachstum in China mit einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht teilhaben zu können. Ein Betrugsfall in Kanada hat dann das Vertrauen in die Firmen aus der Volksrepublik in den USA und auch in Deutschland erschüttert. Als Konsequenz verloren auch die in Deutschland notierten chinesischen Unternehmen stark an Wert. Die Vorstände der chinesischen Unternehmen taten sich von Anfang an sehr schwer bei ihren Investor Relations im Westen. In Investorengesprächen beklagen Fondsmanager, dass ihre Fragen nicht präzise beantwortet werden. Für die chinesischen Vorstände sind die Verhaltensweisen der Anleger unverständlich. Dabei handelt es sich nicht um Verständigungsprobleme, da stets Dolmetscher zugegen sind. Die größten Hürden in Kürze: Stillsitzen und Zuhören bei einer Präsentation  – ohne Störungen durch Handyklingeln oder Gespräche – findet in China nicht statt. Um Aufmerksamkeit zu zeigen, bewegt man sich und macht Geräusche. Man tut während eines Gesprächs alles, was bei den Deutschen als unhöflich gilt: neben-

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bei telefonieren, laut mit Papier rascheln, Privatgespräche führen oder geräuschvoll gähnen. Grundsätzlich kommt man in China nicht direkt zum Thema, sondern leitet jedes Gespräch erst einmal mit ausgiebigem Small Talk ein, der auf einer wesentlich persönlicheren Ebene stattfindet als in Deutschland, wo bei geschäftlichen Kontakten Distanz gewahrt wird. Eines der wichtigsten Themen in China ist das Essen. Geschäftsessen sind bedeutend für den Beziehungsaufbau. Deshalb wird in China beim Essen nicht über Geschäfte gesprochen, sondern Small Talk betrieben. Dabei sind die Tischsitten für Europa allerdings eher befremdlich: Laute Geräusche zeigen, dass es schmeckt. Auch sollte man niemals seinen Teller ganz leer essen; dies wird so interpretiert, dass man nicht satt geworden ist. Essstäbchen dürfen nie in die Schale zeigend abgelegt werden, da dies an die Räucherstäbchen vor den Ahnentempeln erinnert und somit die Ahnenwürde verletzen würde. Die Fähigkeit des richtigen Gebrauchs und des richtigen Einsatzes der Sprache ist Bedingung für eine kulturadäquate Kommunikation. Unter Kommunikationsfähigkeit kann z. B. die Fähigkeit zu klarer und stringenter Argumentation verstanden werden oder aber die Fähigkeit, erkennen zu können, wann Schweigen die bessere Alternative ist. Nur wenn die Beherrschung der Landessprache und die Fähigkeit zur Kommunikation vorhanden sind, können Interpretationsunterschiede und Missverständnisse erkannt und vermieden werden. Jedes Investorentreffen sollte mit Small Talk anfangen, denn Chinesen ist es wichtig, zunächst ein angenehmes Gesprächsklima zu schaffen. Dazu gehören ein Dank für die Gastfreundschaft oder für das Kommen der Gäste und anerkennende Äußerungen über China, seine Kultur oder Sportereignisse. Ein zustimmendes Nicken oder „Ja“ bedeutet für Chinesen lediglich, dass sie zuhören und dass sie verstanden haben, was gesagt wurde, mehr nicht. Ein klares „Nein“ können sie zwar meinen, aber nur schwer aussprechen. Stattdessen antwortet man lieber ausweichend, etwa mit „vielleicht“ sowie mit einer Gegenfrage. Derartige Antworten bedeuten ein klares „Nein“. Während es in den westlichen Ländern wichtiger ist, was gesagt wird, ist für Chinesen wichtig, wie es gesagt wird. Dinge werden selten beim Namen genannt, Symbolik und mittelbare Kommunikation haben eine viel größere Bedeutung. Das führt dazu, dass nach einer Besprechung mit Chinesen oft unklar ist, was genau eigentlich besprochen oder vereinbart wurde. Ein weiterer Grund: Vage Äußerungen zeugen in China von Klugheit, weil man so besser sein Gesicht wahren kann. Es kann also vorkommen, dass bei einer Begegnung nur Höflichkeiten ausgetauscht werden – ohne konkrete Vereinbarungen getroffen zu haben. Und trotzdem kann dieses Treffen die Zusammenarbeit erheblich vorangebracht haben.

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4 Empfehlungen für eine angemessene Sprache in der Investor Relations Abschließend sollen Empfehlungen zusammengefasst werden, die für die Sprache in den Investor Relations angemessen erscheinen. Diese Empfehlungen gehen über die populären Ratgeber für einen besseren Schreibstil (Reiners 1971; Schneider 2001) hinaus. Während die Ratgeber Wege zu einer „flotten Schreibe“ aufzeigen, hat die hier auszugsweise wiedergegebene Liste von Reinmuth explizit den Anspruch, Glaubwürdigkeitsindikatoren bei der Texterstellung zu verwenden, um Vertrauen aufzubauen. Die Liste ist nicht auf Geschäftsberichte beschränkt und damit universell im Rahmen der Unternehmenskommunikation anwendbar. Glaubwürdige Sprache nach Reinmuth (2006, 333–335; Auszüge): – Sprachliche Fehler lassen Sie inkompetent erscheinen – Sie müssen diese unbedingt vermeiden! – Nennen Sie nötige Details und verzichten Sie auf unnötige! – Formulieren Sie kurz, aber so ausführlich wie nötig! – Ihre Art zu kommunizieren, Ihr Stil muss zu Ihrem Image und zu den dargereichten Informationen passen. – Seien Sie abwechslungsreich, allerdings nicht zwanghaft! – Vermeiden Sie nichtssagende Floskeln! – Kommunizieren Sie Fehler und Versäumnisse offen! – Relativieren Sie nicht Ihre eigenen Aussagen! – Kommunizieren Sie konsistent und widerspruchsfrei! – Achten Sie darauf, dass Ihre Kommunikation zu Aussagen aus der Vergangenheit passt. – Achten Sie auf eine angemessene Wortwahl: nicht zu fachspezifisch, nicht zu umgangssprachlich; dafür ausdrucksstark und passend. – Signalisieren Sie Ähnlichkeit zu Ihrem Rezipienten! – Erzählen Sie eine spannende Geschichte! – Malen Sie Bilder mit Ihrer Sprache! – Achten Sie auf die Qualität Ihrer Satzkonstruktionen. – Achten Sie auf eine logische Argumentation! – Wen der Rezipient nicht versteht, dem kann er auch nicht glauben. – Verwenden Sie sparsam und gezielt emotionale Elemente. – Versuchen Sie, objektiv zu formulieren. – Humorvolle Menschen sind sympathisch; kluger Humor wirkt darüber hinaus kompetent. – Glaubwürdigkeit spricht man am ehesten Personen zu. Treten Sie als Person auf oder identifizieren Sie sich zumindest sprachlich durch Selbstreferenzen mit Ihrem Unternehmen!

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– Belegen Sie Aussagen und liefern Sie Beispiele! Durch derartige Verweise steigern Sie Ihre Glaubwürdigkeit. Reinmuth kommentiert seine Liste mit den Worten „Teilweise wirken die Indikatoren selbstverständlich, andere erschließen sich erst beim zweiten Hinsehen  – bei der Erstellung von kommunikativen Produkten in der Unternehmenskommunikation sollten sie als grobe Schablone hilfreich sein“ (Reinmuth 2006, 336).

5 Abschließende Bemerkungen Der vorliegende Beitrag richtet sich an Praktiker in den Investor Relations. Es konnte anhand von Beispielen aufgezeigt werden, dass die Sprache in den Instrumenten Geschäftsbericht sowie Presse- und vor allem Ad-hoc-Mitteilungen in vielen Fällen nicht dabei hilft, die eigentlichen Aufgaben Glaubwürdigkeit und Vertrauensbildung zu erfüllen. Mit den dargestellten Empfehlungen von Keller und Reinmuth liegen Regelwerke vor, die dabei helfen können, die Sprache in den Investor Relations zu verbessern.

6 Literatur Baden, Kay/Winfried Wilhelm (1995): „Tadel verpflichtet“. In: manager magazin 10, 161–174. Baetge, Jörg/Klaus Rainer Kirchhoff (1997): Der Geschäftsbericht: Die Visitenkarte des Unternehmens. Bedeutung – Inhalt – Sprache – Design – Servicefunktion – Praxisbeispiele. Wien. Bainton, George (1890): The Art of Authorship. Literary Reminiscences, Methods of Work, and Advice to Young Beginners, Personally Contributed by Leading Authors of the Day. Appleton. Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2013). 4. Aufl. Frankfurt a. M. Janik, Achim (2002): Investor Relations in der Unternehmenskommunikation. Kommunikationswissenschaftliche Analysen und Handlungsempfehlungen. Wiesbaden. Keller, Rudi (2005): Die Sprache des Geschäftsberichts. Eine kurz gefasste Handreichung zur Optimierung von Texten. Universität Düsseldorf. URL: http://www.phil-fak.uni-duesseldorf. de/uploads/media/Handreichung_Die_Sprache_des_Geschaeftsberichts.pdf (Zugriff am 18.01.2015). Keller, Rudi (2006): Der Geschäftsbericht. Überzeugende Unternehmenskommunikation durch klare Sprache und gutes Deutsch. Wiesbaden. Kirchhoff, Klaus Rainer (2009): Grundlagen der IR. In: Klaus Rainer Kirchhoff/Manfred Piwinger (Hg.): Praxishandbuch Investor Relations. Das Standardwerk der Finanzkommunikation. 2., überarb. und erw. Aufl. Wiesbaden, 35–61. Reiners, Ludwig (1971): Stilfibel. Der sichere Weg zum guten Deutsch. 11. Aufl. München. Reinmuth, Marcus (2006): Vertrauen schaffen durch glaubwürdige Unternehmenskommunikation. Von Geschäftsberichten und den Möglichkeiten und Grenzen einer angemessenen Sprache.

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Diss., Universität Düsseldorf. URL: http://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/ Derivate-3547/1547.pdf (Zugriff am 18.01.2015). Schneider, Wolf (2001): Deutsch für Profis. Wege zu gutem Stil. 18. Aufl. München. http://www.dgap.de/dgap/News/adhoc/siemens-aktiengesellschaft-siemens-wird-margenziel-fuervoraussichtlich-nicht-erreichen/?companyID=142&newsID= 764461 (Zugriff am 12.12.2014). http://www.dgap.de/dgap/News/adhoc/centrotherm-photovoltaics-erwartet-voraussichtlich-eineverschlechterung-der-ergebnisprognose-fuer-und/?companyID=9325&newsID=774036 (Zugriff am 12.12.2014). http://www.dgap.de/dgap/News/corporate/deutsche-annington-immobilien-deutscheannington-bietet-aktien-rahmen-eines-beschleunigten-bookbuildingverfahrensan/?companyID=382300&newsID=762591 (Zugriff am 12.12.2014). http://unternehmen.tui.com/de/newsroom/pressemeldungen/2014/Januar/22_vital (Zugriff am 12.12.2014).

Daniela Puttenat

9. Public Relations in der Unternehmenskommunikation – ein Praxisbericht Abstract: Der Begriff Public Relations (PR) wird in der Öffentlichkeit, nicht zuletzt durch Medien, aus Unwissenheit oder durch Vorbehalte oft pejorativ verwendet (z. B. „Das war nur schlechte PR“, „Diese Nachricht ist ein PR-Gag“ etc.). Dabei wird vernachlässigt, dass PR oder, zu Deutsch, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, ein wichtiges, etabliertes, jedoch durchaus nicht einheitliches Wirtschafts- und Berufsfeld bilden. Deswegen lohnt sich eine genauere Betrachtung. Anhand von konkreten Beispielen aus der Öffentlichkeitsarbeit sowie von Abgrenzungen und Überschneidungen zu verwandten Bereichen wie Werbung und Marketing soll ein Überblick gegeben und letztlich herausgestellt werden, wie Public Relations funktionieren und welche Funktion sie sprachlich und inhaltlich in der modernen Unternehmenskommunikation erfüllen. 1 Vorbemerkung 2 Zur professionellen und linguistischen Problematik der Public Relations (PR) 3 Kleines PR-Glossar: Ausgewählte Fachbegriffe und ihre Erläuterungen 4 Literatur

1 Vorbemerkung Vorab soll betont werden, dass vorliegender Aufsatz aus der mittlerweile 15jährigen Berufspraxis der Autorin in der Unternehmenskommunikation verfasst wurde und infolgedessen manche Feststellungen vorwiegend auf eigenen Beobachtungen und Einordnungen beruhen. Die Sichtweise ist von dem beruflichen Alltag in Pressestellen von Unternehmen sowie in Kommunikationsagenturen geprägt. Einige Inhalte sind aus bereits publizierten Fachbüchern der Autorin entnommen (Puttenat 2009, 2012).

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2 Zur professionellen und linguistischen ­Proble­matik der Public Relations (PR) 2.1 Definition, Abgrenzung und Profession PR sind eine Teildisziplin der Unternehmenskommunikation und werden im Deutschen im Allgemeinen mit dem Begriff Öffentlichkeitsarbeit übersetzt, dabei oft erweitert zu Presse- und Öffentlichkeitsarbeit als Synonym für PR. Diesen Begriff führte Albert Oeckl in den sechziger Jahren des 20.  Jahrhunderts ein (vgl. Puttenat 2012, 4). Manchmal werden der englische und der deutsche Begriff, zum Beispiel in Unternehmensfunktionen, zusammen verwendet, wie Leiterin Öffentlichkeitsarbeit & PR. Ebenso häufig, zumeist in Unternehmen mit internationaler Ausrichtung, werden lediglich englische Titel angegeben, z. B. Head of Corporate Communications and Public Relations. Öffentlichkeitsarbeit ist ein Beruf mit einem so genannten freien Zugang. Heutige PR-Schaffende sind z. B. Philologen, Chemiker, Betriebs- oder Volkswirtschaftler, die sich aus ganz individuellen Gründen für die herausfordernde und interessante Arbeit in beziehungsweise mit der Öffentlichkeit, damit letztlich für die Öffentlichkeit entschieden haben und sich aufgrund ihrer Vorausbildung auf einzelne Fachbereiche der Public Relations spezialisieren können. Der Pharmazeut oder Chemiker ist in der Pressestelle eines Pharmakonzerns oder Krankenhauses gut aufgehoben, der Ernährungswissenschaftler in einem Nahrungsmittelkonzern usw. PR-Agenturen oder Pressestellen in Unternehmen bieten zumeist eigene Fortund Weiterbildungen für ihre Volontäre, PR-Assistenten oder Juniorberater an oder machen diese gleich zur Voraussetzung für die spätere Tätigkeit. Etablierte Berufsverbände wie das DIPR (Deutsches Institut für Public Relations), die DPRG (Deutsche Public Relations Gesellschaft), die GPRA (Gesellschaft Public Relations Agenturen) oder die depak (Deutsche Presseakademie) bieten verschiedene PR-Kompaktseminare und -Prüfungen an. Dass hier unterschiedlichste Definitionen und Ansätze vermittelt werden, liegt auf der Hand. Die DPRG beispielsweise definiert PR als Pflege und Förderung der Beziehungen eines Unternehmens, einer Organisation oder Institution zur Öffentlichkeit. Sie sind eine unternehmerische Führungsaufgabe. (Puttenat 2012, 4)

Gerade der letzte Satz verweist auf den in den letzten 20 Jahren stark gestiegenen Stellenwert, welcher der Öffentlichkeitsarbeit bzw. PR zukommt: Noch vor 20 Jahren als luxuriöses Beiwerk von Großunternehmen belächelt, haben Public Relations (PR) mittlerweile ihr Nischendasein verlassen. Heute sind PR zu einem festen Bestandteil der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation geworden und haben sich in Unternehmen, Organisationen und Institutionen jeder Art und Größe etabliert. (Köhler/Schaffranietz 2004, 11)

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Und weiter: In hohem Tempo wächst die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von PR und mit ihr die Ausdifferenzierung des Berufsfelds in Wissenschaft und Praxis. (ebd.)

Auf diese Anforderungen und Differenzierung werde ich in Kürze genauer eingehen. Dass der englische Begriff Public Relations oder seine Abkürzung PR im Deutschen oft synonym mit Unternehmenskommunikation verwendet wird, erschwert ihre sprachliche und inhaltliche Abgrenzung voneinander. Dies hängt nach meiner Auffassung auch damit zusammen, dass in Pressestellen von Unternehmen nicht jede Teildisziplin mit einem eigenen Stelleninhaber besetzt ist, d. h. es gibt oft lediglich einen Verantwortlichen für Unternehmenskommunikation und PR, nur in größeren Konzernen leistet man sich einen übergeordneten Leiter Unternehmens- oder Konzernkommunikation, an welchen wiederum die Leiter oder Referenten für Pressearbeit (Media Relations), Interne Kommunikation, Corporate Social Responsibility (CSR) usw. berichten. Hier soll allerdings keine linguistische Forschungsdiskussion über die vielen unterschiedlichen Definitionen oder inhaltlichen Feinheiten von Termini und Berufsbezeichnungen erfolgen, sondern vielmehr bei dem Leser, welcher nicht mit dem Berufsalltag in der Öffentlichkeitsarbeit und all seinen Herausforderungen vertraut sein mag, ein Bewusstsein für Public Relations als bedeutende Teildisziplin der Unternehmenskommunikation geschaffen werden mit dem Ziel, den etwas diffusen Begriff Public Relations und seine sprachlichen wie inhaltlichen Ausprägungen letztlich besser erfassen und einordnen zu können. Da es sich in vorliegendem Band um ein Handbuch zur Sprache in der Wirtschaft handelt, soll nach diesem kurzen Überblick über Berufsbild und Entwicklungen ein Schwerpunkt dahingehend gesetzt werden, was PR-Sprache in heutigen Wirtschaftsunternehmen bedeutet. Die Vermengung der deutschen und englischsprachigen Begriffe zeigt trotz einer seit Jahren, wie oben beschrieben, zunehmenden Etablierung des Berufsfelds gleichzeitig die anhaltend unklare Definition und willkürliche Verwendung des PRspezifischen Wortschatzes und des Themenfelds PR selbst. Dies ist ein Phänomen, welches nicht nur durch Laien, sondern auch von vielen PR-Schaffenden selbst befördert wird, fast immer jedoch, ohne diese Begriffsverwirrungen zu beabsichtigen. Man geht untereinander offenbar davon aus, dass das Gegenüber, wenn es auch aus der „PR-Welt“ kommt, schon aus dem Gesprächskontext heraus verstehen wird, was gemeint ist, oder aber man verwendet Fachbegriffe, wenn es sich bei dem Gesprächspartner um einen PR-Laien handelt, sowieso nicht ganz exakt. Ob diese unachtsame, erstaunlich unbekümmert wirkende Verwendung einer Fachsprache mit der uneinheitlichen Ausbildung für künftige Öffentlichkeitsarbeiter und einem sehr breiten Tätigkeitsspektrum zusammenhängt, sei dahingestellt, darf aber vermutet werden. Denn offenbar besteht immer noch kein einheitliches Verständnis darüber, was in diesem Betätigungsfeld alles geleistet wird. „Der gesamte Kommunikationsbereich

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leidet unter diffusen Berufsbildern und schwammigen Vorstellungen über Tätigkeitsfelder und Aufgaben“, klagt Wienand in einem Aufsatz mit dem provokanten Titel „Zur Unprofessionalität von Public Relations“ (Wienand 2005, 34). Und weiter: „Die Grenzen zwischen Journalismus, Werbung, Marketing und PR sind häufig nicht klar zu erkennen.“ (ebd.) Das ist eine ernüchternde Erkenntnis in einem Fachbeitrag, der erst vor wenigen Jahren erschienen und in einem Sammelband mit dem selbstbewussten Untertitel Perspektiven und Potenziale der PR im 21. Jahrhundert zu finden ist. Auch nach dem subjektiven Empfinden der Autorin dieses Beitrags, bedingt durch die praktische Tätigkeit in der Unternehmenskommunikation, werden PR sehr häufig mit dem Begriff Marketing verwechselt und sogar fälschlicherweise als Synonym für diesen verwendet. Fiktives Beispiel: „Ich muss noch mehr Marketing für meine Geschäftsidee machen und wohl selbst die Presse anrufen, damit die etwas schreiben.“

Hier wäre der Begriff PR korrekt oder spezifischer, Pressearbeit/Media Relations als auf die Zielgruppe Presse bezogene Öffentlichkeitsarbeit. Eine anschauliche und für Laien hilfreiche Erklärung besagt: „Marketing und Werbung bedeutet: Ich spreche über mich. PR bedeutet: Andere sprechen über mich.“ Was von der Zielgruppe als glaubwürdiger empfunden werden wird, liegt auf der Hand. Es ist wohl noch ein weiter Weg zu einem allgemein geltenden Selbstverständnis von Öffentlichkeitsarbeit, zumal sich das Berufsbild des PR-Schaffenden und damit auch Inhalte und Sprache der PR an neue Trends und Entwicklungen in der Kommunikation anpassen müssen, nicht zuletzt an mittlerweile selbstverständlich genutzte Social Media-Kanäle wie Twitter, Facebook oder Instagram. Textinformationen, Fotos und Videos erreichen eine große Masse von Nutzern, sind immer schneller verfüg- und abrufbar und können problemlos 24 Stunden lang von den Usern in aller Welt produziert und verbreitet werden. Es gibt fast keine Nachrichtenhoheit der so genannten etablierten Medien mehr. Selbst Formate wie die Tagesschau oder der Spiegel greifen inzwischen Informationen z. B. aus Twitternachrichten auf, vor allem bei Großereignissen, sei es eine Demonstration oder eine Krönung. Die Schnelligkeit eines Tweets (Nachricht auf Twitter) in Bezug auf dessen Versendung und Verbreitung kann schon technisch niemals von einem aufwändig produzierten TV-Format oder einer gedruckten Zeitung übertroffen werden. Und selbst dort werden oft nur noch die Schlagzeilen überflogen. Der Journalismus musste und muss sich dem Tempo sowie den neuen Anforderungen an mediale Inhalte und Bilder fortlaufend anpassen. Und auch interne Informationen aus Unternehmen werden durch Weiterleitung per Klick fast in Echtzeit zu externen Nachrichten. Vertrauliche Mitarbeiterinformationen gibt es nicht (mehr). Ein so genannter Shitstorm, also eine mehr oder weniger emotional geführte, digitale Empörungskampagne, kann mittlerweile beinahe jedes Unternehmen, jede Organisation oder Person ohne Vorwarnung treffen. Öffentlichkeitsarbeit wird mehr

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und mehr zum Reputationsmanagement unter den wachsamen Augen der Netzöffentlichkeit. Dies alles bedeutet für die Unternehmenskommunikation und ihre Verantwortlichen – und somit auch für die Unternehmensführung! – einen zunehmenden Kontrollverlust. Die oben skizzierten Entwicklungen erfordern ein stetes, sorgfältiges Monitoring dieser komplexen Verästelungen von Informationen. Die Wirkung von Presseinformationen in Blogs oder Newskanälen müsste ebenso permanent beobachtet werden, was jedoch bei sekündlich eintreffenden Nachrichten, wie in der Twitter Timeline, kaum realisierbar ist. Eine Twitternachricht beispielsweise kann nicht länger als 140 Zeichen sein, ein falsch gesetzter Hashtag wiederum dafür sorgen, dass ein von PR-Beratern wohlmeinend verbreiteter Tweet wirkungslos im digitalen Nirwana verhallt. Mit wachsender Komplexität und Spezialisierung ihrer Aufgaben steigt der Anforderungsdruck für PR-Schaffende und führt zu einer zunehmenden Akademisierung des Berufs (vgl. Wienand 2005, 34). Gleichzeitig fehlen jedoch immer noch angemessene Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten, auch wenn sich in den letzten 15 bis 20 Jahren einiges getan hat. Wenngleich die heute als erste moderne PR-Fibel geltende Publikation Propaganda bereits 1928 in New York erschien (Bernays 2007), wurde der erste Lehrstuhl für Öffentlichkeitsarbeit/PR in Deutschland überhaupt erst im Wintersemester 1993/94 an der Universität Leipzig eingerichtet.

2.2 Merkmale und Funktion der PR in der Unternehmenskommunikation 2.2.1 Von der „öffentlichen Meinung“ In dem Kapitel „Wirtschaft und Öffentlichkeit“ seines zuvor erwähnten wegweisenden Werks Propaganda konstatierte Edward Bernays, der übrigens den heute gängigen Begriff des PR-Beraters (Public Relations Counselor) prägte: Unternehmen müssen sich selbst und ihre Aktivitäten so darstellen, dass die Öffentlichkeit sie verstehen und akzeptieren kann. Sie müssen sich ein klares Profil geben und ihre Ziele erklären; jedem Einzelnen, mit dem sie in Kontakt kommen, aber auch gegenüber ihrer Stadt, ihrer Gemeinde und ihrer Nation. (Bernays 2007, 63)

Abgesehen von Bernays’ oft zwischen Einfachheit und Pathos schwankendem Schreibstil ist die Botschaft seiner Aussage auch mehr als 85 Jahre später klar und stimmig. Die positive Beeinflussung ebenjener Öffentlichkeit ist wesentliche Aufgabe der Public Relations. Professionelle PR können ein positives Image aufbauen, überzeugen, den Bekanntheitsgrad eines Unternehmens, einer Organisation oder Marke steigern (vgl. Puttenat 2009, 13).

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Doch genauso gilt heute wie damals: „Maßstäbe, Wünsche und Gewohnheiten der Öffentlichkeit kann man beeinflussen. Man darf sich ihnen jedoch nicht entgegenstellen.“ (Bernays 2007, 64) Bernays führt aus, dass die Öffentlichkeit keine „willenlose Masse“ sei, die man „nach Belieben formen und kneten“ könne. Nur wenige Jahre nach Erscheinen seines Buchs freilich schien die Realität dieser Behauptung zu widersprechen, veranlassten doch in Deutschland die Nationalsozialisten eine „Gleichschaltung“ der  – seinerzeit natürlich weit überschaubareren  – Medien und perfektionierten auf perfide Weise das, was damals selbst der jüdische Amerikaner Bernays, ein Neffe Sigmund Freuds, noch „Propaganda“ betitelte. Man denke an die berüchtigte Sportpalastrede des „Propagandaministers“ Goebbels in der letzten Phase des 2. Weltkrieges, bei deren Filmaufnahmen es heute schwer fällt, Bernays’ Behauptung, die Öffentlichkeit sei keine willenlose, form- und knetbare Masse, nachzuvollziehen. Tatsächlich konsultierte Goebbels u. a. auch Bernays’ Werke für seine antijüdische Propaganda.

2.2.2 PR im modernen Sprachgebrauch/Sprache in der PR Die Sprache spielt bei dem Verständnis und der Akzeptanz der Öffentlichkeit für jedwede Aktivität eines Unternehmens oder einer Marke eine wichtige Rolle. Public Relations sind Kommunikation und wollen, ja müssen in den Dialog mit ihren relevanten Zielgruppen treten. PR-Botschaften ohne (die richtigen) Empfänger sind wirkungslos. Das klingt banal, geschieht jedoch in der Praxis häufiger. Es beginnt damit, dass Pressestellen oder Agenturen ihre Medienverteiler oft schlecht pflegen und Pressemeldungen aufgrund falscher oder veralteter Daten viele Adressaten gar nicht erst erreichen. Wenn doch, dann sind Presseinformationen oft inhaltlich so belanglos und sprachlich derart austauschbar, dass der Journalist, der sich aufgrund der eintreffenden Informationsflut nur wenige Sekunden zum Überfliegen einer Meldung nehmen kann, diese entnervt löscht und aus einer Pressemeldung wieder keine mediale Nachricht wird. Es ist also entgegen einer immer noch verbreiteten Meinung („Eine Pressemeldung kann ich auch schnell selbst schreiben“, so ein befreundeter Gründer eines Start-ups) sehr wohl eine Kunst, Informationen so aufzubereiten, dass sie wahrgenommen, verstanden und im Sinne des Unternehmens verbreitet werden. Festzuhalten bleibt auch, dass selbstverständlich ein qualitativ minderwertiges Produkt oder ein schlechtes Unternehmensergebnis niemals durch „gute PR“ besser verkauft werden kann, auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird. Gerade die heutigen Medienkonsumenten lassen sich durch den zuvor beschriebenen, schnelleren und transparenteren Zugang zu Informationen immer weniger blenden, und das ist gut so. Dass plumpe PR-Aktionen von einigen nicht sehr professionell arbeitenden Beratern oder Referenten immer wieder angestrengt werden, trägt leider zu einem anhaltend schlechten Image des Berufsstandes und der PR selbst bei. Sprachliche Negativbeispiele um den Begriff PR gibt es zuhauf. Im Folgenden nenne ich einige,

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die in den letzten Jahren vornehmlich in Boulevardmedien erschienen sind und mir aufgrund der auffälligen Verwendung des Begriffs PR in Erinnerung geblieben sind: – Zwei Hollywoodschauspieler vermarkten „PR-wirksam“ ihren neuen Film, indem sie auch nach Drehschluss als Paar auftreten. Sind sie wirklich zusammen oder steckt „clevere PR“ dahinter? (Schauspielerin Jennifer Aniston und Schauspieler Vince Vaughn) – Ein Prominenter verkündet die Geburt seiner Tochter nach fünf Minuten auf seiner Homepage. Ein Medium schreibt, seine „PR-Sucht“ kenne keine Grenzen (Schauspieler Tom Cruise). – Ist die Rivalität zweier Moderatoren echt oder nur ein „PR-Gag“? (Moderatoren Harald Schmidt und Oliver Pocher) – Das auf Facebook und Twitter gepostete, provokante Foto einer Sängerin war ein „PR-Stunt“. (Sängerin Miley Cyrus) Bei diesen wenigen Beispielen von vielen, die einem täglich begegnen, fällt bereits auf, dass der Begriff „PR“ vor allem in Boulevardmedien, aber auch renommierten Nachrichtenmagazinen fast ausnahmslos diminutiv bis pejorativ verwendet wird. Dies trägt zu einem anhaltenden generellen Misstrauen der Öffentlichkeit bei. Dies geschieht sowohl ungewollt als auch gewollt: „Public Relations sind „Meister der Verdrehung“ und „Die Profis der Branche helfen inzwischen sogar, Kriege zu inszenieren.“, behauptete recht maliziös ein Nachrichtenmagazin (Klawitter 2006, 72). Von „Verdrehung“ zu „Lüge“ ist es semantisch nur noch ein kleiner Schritt. Immerhin spricht man bei der Berichterstattung über totalitäre Regimes und ihrer Potentaten heute häufiger von „Propaganda“ als von Public Relations oder PR. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass auch so genannte Spin Doctors (von engl. spin: Dreh, Drall) und Lobbyisten, zwei negativ konnotierte Bezeichnungen für zumeist im politischen Umfeld tätige „Einflüsterer“, zum schlechten Image der gesamten Kommunikationsbranche beitragen. Gerade kontrovers diskutierte Branchen wie die Tabak-, Waffen- oder Atomindustrie leisten sich gern diesen Typ Berater, der mehr oder weniger geschickt die Nähe zu politischen Entscheidern, ob in Berlin, Brüssel oder Washington, sucht. Lobbyisten gründen Initiativen, starten verdeckte Kampagnen gegen politische Widersacher, streuen Informationen an Medien und versuchen so, auf politische Entwicklungen, Gesetzesvorlagen usw. gezielt Einfluss zu nehmen. Dies kann man verurteilen, es gehört jedoch längst zum politischen Alltag, insbesondere traditionell in den USA, wenngleich Präsident Obama die Macht der US-Lobbyisten gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit stark beschneiden wollte. Festzustellen ist immerhin, dass Lobbyisten heute aufgrund einer kritischeren, medial besser aufgeklärten Öffentlichkeit wohl ein wenig unauffälliger auftreten müssen. Political Correctness, in den USA seit langem zum guten Ton gehörend, hat sich auch in Deutschland zumindest vor den Kameras etabliert (wie in den Hinterzimmern dagegen „off the records“ gesprochen wird, ist wieder eine andere Sache). Umso größer, wiederum befeuert von der schnellen Verbreitung von Nachrichten in

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den Social Media, ist dann allerdings der öffentliche Aufschrei bei vermeintlichen Fehltritten verbaler oder verhaltensgesteuerter Art. Dies reicht von angeblicher Vorteilsnahme im Amt (Fall Christian Wulff) bis hin zu Themen unter der Gürtellinie, wie einem Sexismus-Vorwurf (Fall Rainer Brüderle und die stern-Reporterin). Ausgerechnet Journalisten als wichtigste Zielgruppe jedweder Form von Öffentlichkeitsarbeit stehen PR-Schaffenden seit jeher besonders kritisch gegenüber, denn letztere sind bestrebt, die Redakteure in ihrer durchaus gewollt kritischen Berichterstattung im Sinne ihres jeweiligen Auftraggebers zu beeinflussen. Hier reagiert der Journalist, der sich in Deutschland auf die herrschende Pressefreiheit berufen kann, (zu Recht) empfindlich. Dabei ist es ein Geben und Nehmen – beide Seiten tauschen Informationen aus, manchmal sind Journalisten auf exklusive oder vertrauliche Informationen von PR-Insidern angewiesen, um ihre story abzurunden oder sie beziehen ihre Informationen selbstverständlich aus Pressemeldungen. Wohl dem PR-Berater oder dem Pressesprecher, der genau weiß, wie Medien arbeiten, welche Informationen sie wann benötigen und wie man professionell mit Journalisten umgeht. Ein wesentlicher Bestandteil von Public Relations ist deren Langfristigkeit. Diese wird von PR-Neulingen oft unterschätzt. Es braucht Zeit, gute Medienkontakte aufzubauen und zu pflegen, die Sprache des jeweiligen Ansprechpartners zu kennen und zu wissen, auf welche Informationen er oder sie „anspringt“. Somit kommen wir zum bereits zuvor beschriebenen Unterschied zur Werbung. Anzeigen oder so genannte Advertorials (ein redaktionell aufbereiteter Text mit Werbeinhalt) müssen zumindest hierzulande als Anzeige gekennzeichnet werden und sprechen eine erkennbar werbende Sprache mit stark verdichteten Slogans, die teils noch nach Jahrzehnten kollektiv erinnert werden („Wäscht nicht nur sauber, sondern rein“; „Eine Perle der Natur“; „Aus Erfahrung gut“; „Nichts ist unmöglich“ etc.). Die PR-Sprache muss sehr viel subtiler sein und eine fast nachrichtenstilartige Tonalität annehmen. Man kann überspitzt sagen, dass eine Pressemeldung die journalistische Nachricht imitiert. Sie kann und soll natürlich nie neutral sein, daher muss sie deutlich als Presseinformation gekennzeichnet werden. Dem Journalisten ist selbstverständlich bewusst, dass es sich um eine subjektive PR-Meldung handelt. Er wird diese dementsprechend quasi dechiffrieren, stark kürzen (die meisten Pressemeldungen sind zu lang!), nachrecherchieren, ggf. bei Wettbewerbern und im Hause des Absenders selbst nochmals nachfragen und schließlich eine redaktionelle Nachricht daraus schreiben – falls der Journalist und sein Chefredakteur diese Nachricht in der Redaktionskonferenz überhaupt als interessant genug für eine solche bewerten. Beispiel: Bei einer Pressemeldung mit der Überschrift „Unternehmen XY verzeichnet 2013 erneut gutes Ergebnis“ wird ein Medienvertreter wissen wollen, was „gut“, übersetzt aus der PR-Sprache, hier wirklich bedeutet. Er vergleicht das Ergebnis sicher mit den Zahlen des Vorjahrs und sieht vielleicht, dass dort das Ergebnis viel besser war – es hat sich also tatsächlich verschlechtert. Nun wird er in der Meldung, im Geschäftsbericht oder auf der Website des Unternehmens nachlesen wollen, ob irgendwo auch Gründe genannt werden (bei Energiekonzernen z. B. nied-

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riger Ölpreis, milder Winter, Rückzug aus bestimmten Regionen usw.). Sollten ihn diese Erklärungen nicht zufriedenstellen oder benötigt er noch ein Zitat aus dem Unternehmen, so wird er als erstes beim Pressesprecher anrufen. Ein guter Sprecher ist am Tage der Veröffentlichung der Jahresergebnisse selbstverständlich auf solche Nachfragen vorbereitet, er hat im Vorfeld bereits Qs and As (Questions and Answers) vorbereitet und an Kollegen und Management verteilt. Auch bestimmte Kernbotschaften, die gegenüber der Presse und anderen Stakeholdern wie Aktionären oder Analysten abgegeben werden sollen und damit zitierfähig sind, sollten termingerecht aufbereitet und mit der Geschäftsleitung abgestimmt sein.

PR-Maßnahmen sind, wenn sie professionell geschickt umgesetzt werden, nicht immer sofort als solche zu erkennen (vgl. auch so genannte Guerrilla-PR in Puttenat 2012, 120 ff.). Medien geben es nicht gern zu, sofern ihre Beiträge auch auf PR-Informationen beruhen, wenngleich sich diese traditionelle und auch etwas überhebliche, demonstrative Distanzierung meiner Beobachtung nach in den letzten Jahren etwas entspannt hat. In jedem Fall bemühen seriöse Medien sich um journalistische Ausgewogenheit in ihrer Berichterstattung. Daher sind PR-Erfolge trotz aller Versuche, diese messbar zu machen (in Unternehmen meist auf Wunsch der Geschäftsleitung, in PRAgenturen auf Wunsch der Kunden, die jeweils ein Interesse daran haben, wohin ihr PR-Budget fließt), auch relativ. Eine positive, rein redaktionelle Erwähnung in einem auflagenstarken, einflussreichen Zielmedium ist aus PR-Sicht mehr „wert“ als manch aufwändig produzierter Werbespot oder andere Above-the-line-Maßnahmen. Die manchmal sogar für Berufskollegen schwierige Durchschaubarkeit von PRKonzepten und -aktionen trägt einerseits zum oben beschriebenen generellen Misstrauen gegenüber PR bei, ist andererseits aber auch ein Beweis für die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit von guter, erfolgreicher Öffentlichkeitsarbeit. Bei allen PR-Botschaften gilt die Regel: Wenn man sie selbst nicht mehr hören kann, ist sie möglicherweise bei den Zielgruppen angekommen. Es dauert eine gewisse Zeit, bis die Botschaften in der täglichen Informationsflut den Weg durch ihre Informationskanäle finden, in diesen verbreitet werden und letztlich ihre Leser, Hörer, Zuschauer, User erreichen, was wiederum auf das Stichwort Langfristigkeit zurückverweist. Ständige Wiederholungen von Kernbotschaften sind essentiell, auch und gerade in Krisenzeiten, in denen unbedingte Glaubwürdigkeit oberstes Gebot ist. Es gilt das One-Voice-Prinzip, alle Beteiligten sprechen mit einer Stimme. Niemals sollte ein Pressesprecher lügen, auch wenn die Versuchung in Krisenzeiten als psychologischer Schutzmechanismus vielleicht gegeben ist. Dies wäre falsch verstandene Loyalität seinem Auftraggeber gegenüber. Erfahrene Journalisten erkennen Widersprüche, Verzögerungstaktiken und Ungereimtheiten sehr schnell. Die beiden europäischen PR-Kodizes, der Code d’Athènes (1965) und der Code de Lisbonne (1978), schließen Lügen für Pressesprecher normativ aus. Man muss jedoch nicht immer alles sagen, was man weiß. Bei Sonderfällen wie Unternehmenszusammenschlüssen oder Übernahmen (Mergers & Acquisitions) gibt es enge rechtliche Rahmenbedingungen, was nach außen (und innen) kommuniziert

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werden darf und was nicht. Im Spezialgebiet Finanzkommunikation oder englisch, Investor Relations (IR) herrschen wiederum besondere, gesetzlich festgelegte Kommunikationsvorgaben zu Pflichtveröffentlichungen (z. B. ad hoc-Meldungen, zur IRKommunikation vgl. Schnorrenberg 2008). Für Pressemeldungen gilt Allgemeinverständlichkeit. Bei technisch anspruchsvollen Themen, zum Beispiel der Vorstellung eines komplexen neuen Produkts, hat es sich bewährt, zwei Pressetexte zu verfassen, einen für die Fachmedien, in welchem natürlich Fachsprache verwendet werden kann und soll, und einen für alle anderen Zielmedien. Ich wage hier die Behauptung, dass ein PR-Schaffender ohne gutes Sprachgefühl auf Dauer kein erfolgreicher PR-Experte ist. Die Sprache ist der Filter, durch den die Unternehmensinformationen an die Medien gelangen. Da keine Pressemeldung 1:1 in Medien wiedergegeben wird – das wäre unerlaubte Werbung – muss einem Öffentlichkeitsarbeiter, wie eingangs beschrieben, bewusst sein, dass die Pressemeldung sprachlich verändert wiedergegeben wird. Jedes Medium hat seinen eigenen Sprachstil, der FOCUS verwendet eine andere Sprache als die BILD-Zeitung. Auch bei Medien als Marke wirkt übrigens der aus der Neuropsychologie bekannte Framing-Effekt. Die subjektive Glaubwürdigkeit der Meldung „Kurzstreckenpreise der Bahn werden im Herbst deutlich sinken“ wurde in einer Studie von Forschern der Universität Münster bei den Probanden (unbewusst) unterschiedlich empfunden, je nachdem, ob der Markenhintergrund zu dieser Nachricht derjenige des FOCUS oder der BILD war (Held/Scheier 2007, 30f). Im Spiegel wurden früher Verfasser von Artikeln nicht namentlich genannt, der Sprachduktus des Magazins soll gerade aufgrund der Gleichartigkeit der Sprache unverwechselbar sein. Wie es Hans Magnus Enzensberger 1957 formulierte: Die SPIEGEL-Sprache ist anonym, Produkt eines Kollektivs. Sie maskiert den, der sie schreibt, ebenso wie das, was beschrieben wird: Sprache einer schlechten Universalität, die sich für alles kompetent hält. (Enzensberger 1957, 48)

In Pressetexten findet sich natürlich eine einseitige Wertung der Neuigkeit oder des Produkts, was, wie oben erwähnt, dem Journalisten auch bewusst ist. Eine PR-Sprache, die verstanden, die ernst genommen werden will, muss bei aller Subjektivität das Interesse, ja den Respekt des Journalisten insoweit erlangen, als die Pressemeldung sprachlich kaum verändert zu einer „richtigen“ Nachricht in den Medien wird. Dies ist, für den Laien nicht ersichtlich, sogar öfter der Fall, als man vermuten mag. Und genau das sind dann gute Public Relations in Vollendung.

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3 Kleines PR-Glossar: Ausgewählte Fachbegriffe und Erläuterungen Die PR-Fachsprache ist ebenso wie die Werbesprache geprägt von der angelsächsischen bzw. US-amerikanischen Tradition dieser Profession und enthält daher viele Anglizismen. Ebenso häufig ist eine Tendenz zu Abbreviationen zu verzeichnen (Bsp. FAQ), manche Begriffe sind vollkommen artfremden Bereichen wie dem Sport entlehnt (Pitch). Above-the-line (ATL): Sammelbegriff aus der Werbung. Bezeichnet klassische Maßnahmen wie Anzeigen, Spots, Außenwerbung usw. Im Gegensatz zu Below-the-line, (BTL), worunter auch Public-Relations-Maßnahmen zählen. Advertorial: Zusammensetzung der Worte Advertisement (Anzeige) und Editorial (Redaktionelles): Ein redaktionell aufgemachter Text, der vom Werbekunden, nicht vom Redakteur, gestaltet – und bezahlt – wird. Im Gegensatz zu einer Werbeanzeige ist der Textanteil i. d. R. höher. Der Inhalt soll einen scheinbar neutralen Artikel suggerieren und so die Glaubwürdigkeit steigern. Aus presserechtlichen Gründen muss ein A. (manchmal auch Promotion genannt) jedoch als Anzeige oder Promotion gekennzeichnet sein. Clipping (engl.: to clip = abschneiden): Ergebnis der Medienbeobachtung: Beiträge, die in Printmedien erschienen sind. C.s werden zur Evaluation von Kommunikationsmaßnahmen mit Kriterien wie Medium, Auflage, Datum versehen und können zu einem Pressespiegel zusammengestellt werden. Corporate Communications: Unternehmenskommunikation. Einheitliche Kommunikation der Mitglieder einer Organisation, eines Unternehmens, nach innen und außen. In der CC. sollen die Werte eines Unternehmens als Teil seiner Gesamtstrategie fassbar werden. Corporate Design (CD): Äußerliche Darstellung der Unternehmensidentität, Teil der Corporate Identity. CD umfasst die einheitliche Darstellung von Markendesign, Produktdesign, Firmenlogo bis hin zu Geschäftspapieren. Das CD eines Unternehmens soll den Wiedererkennungseffekt eines Unternehmens/Produkts erhöhen und trägt wesentlich zur Herausbildung der Markenidentität bei. Corporate Identity (CI): Unternehmensidentität. CI ist die strategische Einheit einer Unternehmenspersönlichkeit nach innen und außen. Es setzt sich u. a. zusammen aus dem Corporate Design, Corporate Communications sowie der Unternehmenskultur (Corporate Culture) und seinem Verhalten (Corporate Behaviour). Evaluation: Auch als Medienresonanzanalyse bezeichnet. PR-Evaluation ist der Versuch, den PRErfolg einer Maßnahme oder Strategie zu messen und zu bewerten. Die einfachste Form der E. ist das Clipping bzw. das Media Monitoring, anhand dessen abzulesen ist, wie oft und in welchen Medien über das Thema berichtet wurde. Dies ist die rein quantitative E. Qualitative Medienresonanzanalyse schließt Faktoren wie z. B. die Tonalität der Berichterstattung (positiv, neutral, negativ), das Verwenden bestimmter Schlüsselwörter oder die Berechnung des Anzeigenäquivalenzwertes ein: Was hätte eine Anzeige in der gleichen Größe im Verhältnis zum redaktionellen Artikel gekostet? All diese Maßnahmen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass PR-Erfolg auch mit solchen Hilfsmitteln nie hundertprozentig messbar ist. FAQs (Abkürzung für Frequently Asked Questions): Ein FAQ ist ein Fragen- und Antwortenkatalog. Ursprünglich aus dem IT-Bereich stammend, enthält ein FAQ die am häufigsten gestellten Fragen zu einem Thema und liefert gleich die Antworten dazu, hat also auch eine Entlastungs-

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funktion: in der Krisenkommunikation, um eine einheitliche Sprachregelung zu gewährleisten, oder auch als Antwortvorgaben für erwartete Fragen auf einer Pressekonferenz. Guerilla-Marketing: Das Wort bezeichnet eine konzertierte, Aufsehen erregende, dabei kostengünstige Marketing- oder PR-Aktion: kleiner Aufwand – große Wirkung. Es haben sich verschiedene Formen des G.-M. herausgebildet, siehe auch Virales Marketing. Investor Relations: Die Kommunikation einer Aktiengesellschaft vornehmlich mit den Zielgruppen Aktionäre, Analysten, Finanzmedien etc., der sog. financial community. Diese benötigt alle relevanten Informationen, um den Aktienwert der AG möglichst exakt beurteilen zu können. Die Kommunikation hat dabei bestimmte gesetzliche Auflagen, z. B. ad hoc-Publizität, zu beachten. Der IR-Manager des Unternehmens organisiert zusammen mit der PR die Hauptversammlung und Bilanzpressekonferenz, ist auf Börsentagen vertreten und veranstaltet für seinen Vorgesetzten (CEO oder CFO) Roadshows. Issue oder Issues Management: Implementierung von wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen Themen, die für eine Organisation relevant sind, insbesondere für die Kommunikation mit bestimmten Interessensgruppen. Launch (engl. Einführung): In Marketing und PR bezeichnet ein L. die Markteinführung eines neuen Produktes oder einer neuen Marke, für die ein bestimmtes Marketing- und Kommunikationskonzept entwickelt wird. Der Kommunikationsmix kann dabei so unterschiedliche Maßnahmen enthalten wie Presseaktivitäten, Events, Promotions, Online-PR, Werbebanner, Anzeigen, Spots, Guerilla-Marketing – alles, was die Aufmerksamkeit für das Produkt erhöht. Denn: viele neue Marken verschwinden nach kurzer Zeit wieder vom übersättigten Markt  – der Verdrängungswettbewerb ist gewaltig. Die Wiedereinführung eines Produkts, das entweder längere Zeit nicht auf dem Markt war, für das es jedoch im Zuge von Trends wieder eine Nachfrage gibt oder dessen Design dem Zeitgeist angepasst wurde, nennt man Relaunch. Media Monitoring: Medienbeobachtung. Als M. M. wird die regelmäßige Beobachtung und Dokumentation relevanter, heute auch Onlinemedien im Hinblick auf ein Thema bezeichnet. Artikel, in denen das gesuchte Stichwort enthalten ist, werden als Clippings aufbereitet. M. M. ist Teil der PR-Evaluation. Pitch (engl. u. a. Spielfeld): Ursprünglich ein Begriff aus dem Rugbysport. Dort bezeichnet es das Spielfeld und den Kampf, im Baseball auch einen Ballwurf. In der Werbe- und PR-Sprache meint ein P. die Ausschreibung bzw. den Wettbewerb für einen Werbeetat, ein strategisches Kommunikationskonzept, ein Projekt wie einen Produkt-Launch oder auch eine regelmäßige Unterstützung durch eine PR-Agentur. Nach einem Briefing durch den Auftraggeber findet ein P.-Termin statt, bei welchem die Ideen der konkurrierenden Agenturen präsentiert werden. Fachmedien vermelden regelmäßig, welche P.s durch welche Agenturen gewonnen wurden und wer somit begehrte Werbe- oder PR-Etats erhält. Presseverteiler: Datei, die alle Medien und Personen enthält, die im Rahmen der Pressearbeit eines Unternehmens mit Informationen versorgt werden müssen. Ein P. sollte neben Namen, Adresse, Telefon- und weiteren Kontaktdaten auch weitere wissenswerte Informationen über den Journalisten oder Meinungsbildner enthalten. Ein gut gepflegter P. ist die Basis für eine zielgerichtete, erfolgreiche Pressearbeit und muss laufend überarbeitet werden, andernfalls erreichen die Informationen nicht ihre Empfänger. Promotion: siehe Advertorial. Roadshow: Bezeichnet eine Präsentation, die man nacheinander, meist an ein bis zwei Tagen, vor verschiedenen Vertretern einer Zielgruppe hält. Der Begriff verdeutlicht, dass man seine Zuhörer besucht, nicht umgekehrt. Im Finanzwesen ist eine R. zumeist die Unternehmenspräsentation des CFO oder des Investor Relations Managers vor Vertretern der financial community, in der PR meint R. das Absolvieren von Redaktionsbesuchen bei mehreren Medien mit dem Ziel, Nachrichten und neue Produkte vorzustellen und sind eine Form der Beziehungspflege,

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die jedoch aufgrund der immer knapper bemessenen Zeit sowohl der PR Manager als auch der Journalisten seltener wird. Spin Doctor (engl. spin = Dreh, Drall): Meist pejorativ verwendete Bezeichnung für einen ausgebufften PR-Profi. Insbes. in der US-amerikanischen Politik sorgen S. D.s mit ihren weit reichenden Kontakten zu verschiedenen Lobbys für die schnelle Verbreitung der PR-Botschaften ihrer Auftraggeber. Oft wird ihnen, nicht ganz zu Unrecht, vorgeworfen, die Wahrheit zu manipulieren, zu ‚verdrehen‘. Testimonial (engl.: Zeuge): Aus dem Lat. stammender Begriff aus der Werbesprache, der auch in der PR verwendet wird. Ein T. wird in der Regel bezahlt, um überzeugend für ein Produkt, ein Unternehmen oder eine Dienstleistung zu werben oder als ‚Markenbotschafter‘ auf PR-Events aufzutreten, bspw. ist George Clooney T. für einen Kaffeehersteller. Virales Marketing: Marketingform, die darauf setzt, dass sich Nachrichten epidemisch, d. h. wie ein Virus, ausbreiten, ein Phänomen, das man früher als Mundpropaganda bezeichnete. Insbesondere durch das Internet verbreiten sich Inhalte sehr schnell, und zwar positiv wie negativ, so dass V. M. nur begrenzt steuerbar ist. Geschicktes V. M. kann die Glaubwürdigkeit und Bekanntheit einer Marke oder eines Produkts jedoch erhöhen.

4 Literatur Bernays, Edward (2007): Propaganda. Die Kunst der Public Relations. Freiburg (englische Erstausgabe 1928). Code d’Athènes (1965): International Code of Ethics (Code of Athens). In: https://web.archive.org/ web/20070613042953/http://www.cerp.org/codes/international.asp (Zugriff am 12.12.2014). Code de Lisbonne (1978): European Code of Professional Conduct in Public Relations (Code of Lisbon). In: https://web.archive.org/web/200706130429 47/http://www.cerp.org/codes/ european.asp (Zugriff am 12.12.2014). Enzensberger, Hans Magnus (1957): Die Sprache des Spiegel. Moral und Masche eines Magazins. In: Der Spiegel 10/1957, 48–51. Held, Dirk/Christian Scheier (2007): Was Marken erfolgreich macht. Neuropsychologie in der Markenführung. Freiburg u. a. Klawitter, Nils (2006): Public Relations. Meister der Verdrehung. In: Der Spiegel 31/2006, 72–76. Köhler, Tanja/Adrian Schaffranietz (2004): Vorwort. In: Tanja Köhler/Adrian Schaffranietz (Hg.): Public Relations – Perspektiven und Potenziale im 21. Jahrhundert. Wiesbaden, 11–14. Puttenat, Daniela (2009): Praxishandbuch Krisenkommunikation. Von Ackermann bis Zumwinkel. PR-Störfälle und ihre Lektionen. Wiesbaden. Puttenat, Daniela (2012): Praxishandbuch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Der kleine PR-Coach. Wiesbaden. Schnorrenberg, Thomas (2008): Investor Relations Management. Praxisleitfaden für erfolgreiche Finanzkommunikation. Wiesbaden. Wienand, Edith (2005): Zur Unprofessionalität von Public Relations. In: Tanja Köhler/Adrian Schaffranietz (Hg.): Public Relations Perspektiven und Potenziale im 21. Jahrhundert. 2., durchges. Aufl. Wiesbaden, 31–43.

Eike Wagner/Stefanie Guse

10. Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von Change-Kommunikation Abstract: Systematische Change-Kommunikation trägt wesentlich zum Erfolg von organisationalen Veränderungsprojekten bei. Nach einer kurzen Beschreibung der wesentlichen Merkmale von Change-Prozessen gibt dieser Beitrag Aufschluss über die Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von Change-Kommunikation, wie beispielsweise die zu kommunizierenden Inhalte, beteiligte Personengruppen und die zeitliche Taktung. Schwerpunktmäßig wird der Frage nachgegangen, wie ChangeKommunikation sprachlich so aufbereitet werden kann, dass die Organisationsmitglieder bereit sind, ihr Verhalten entsprechend den neuen Anforderungen ihres alltäglichen Arbeitslebens anzupassen. 1 Einleitung 2 Kontext und Herausforderungen von Change-Kommunikation 3 Sprache in der Change-Kommunikation 4 Praktische Implikationen 5 Fazit 6 Literatur

1 Einleitung Zahlreiche Studien nennen Kommunikation entweder als einen der häufigsten Gründe für das Scheitern von Veränderungen oder als einen der zentralen Erfolgsfaktoren für das Gelingen der Projekte (vgl. Wagner 2010). Was genau aber ist unter Change-Kommunikation zu verstehen, was verbirgt sich überhaupt hinter ‚organisationalen Veränderungsprozessen‘– kurz ‚Change‘– und was hat das mit ‚Sprache‘ zu tun? Wir wollen in diesem Beitrag aufzeigen, mit welchen Herausforderungen bei der Kommunikation in Veränderungsprozessen umgegangen werden muss und wie diesen mithilfe von Sprache begegnet werden kann. Hierbei verstehen wir unter Change-Prozessen grundsätzlich Veränderungen, die im Unternehmen bewusst vorgenommen werden und die sich vom derzeitigen Status quo differenzieren (vgl. Ford/ Ford 1995, 543). Dies kann von der Neudefinition einzelner Stellen über das Zusammenlegen von Abteilungen bis hin zum Abstoßen von Geschäftsfeldern und Fusionen jede Art von organisationaler Veränderung sein. Diese meist in Projekten organisierten Change-Vorhaben werden im Idealfall von einer systematischen Kommunikation begleitet, die das Verhalten der Organisationsmitglieder zugunsten im Vorfeld

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definierter kommunikativer Ziele zu beeinflussen versucht. Wie können diese Ziele erreicht werden? Das wollen wir in diesem Beitrag näher beleuchten – und zwar in Bezug auf Sprache. Hierbei geht es weder um multilinguale noch syntaktische Überlegungen, sondern in erster Linie um die Verwendung der Sprache, die Sprachkompetenz (vgl. Funke 1999) – in diesem Fall die Kompetenz, Sprache in organisationalen Change-Prozessen so einzusetzen, dass alle Organisationsmitglieder von der Notwendigkeit der Veränderung überzeugt, oder aber zumindest bereit sind, Dinge fortan anders zu machen als es ihrer Gewohnheit entsprach. In Kap. 2 werden wir zunächst für die soziokulturellen Dynamiken während Change-Prozessen sensibilisieren und daraus resultierend Rolle sowie Herausforderungen der Change-Kommunikation erläutern. Anschließend legen wir dar, wie wir in diesem Kontext den Begriff der Sprache eingrenzen wollen und welche Denkmodelle dabei nützlich sind (Kap. 3). Kap. 4 erörtert, welche praktischen Implikationen sich aus dem zuvor aufgespannten Bezugsrahmen ableiten lassen.

2 Kontext und Herausforderungen von Change-Kommunikation 2.1 Soziokulturelle Auswirkungen von Change-Prozessen Veränderungsprojekte treffen oft das Herz der Organisation, ihr kulturelles Fundament und somit lang etablierte Entscheidungsprämissen, die die Verhaltensgrundlage der Organisationsmitglieder bilden. Hier geht es neben Strukturen, Arbeitsabläufen und Regeln auch um Anschauungen und Gefühle, die aufgrund ihrer Selbstverständlichkeit gar nicht mehr bewusst wahrgenommen werden (vgl. Schein 1995). Aber genau für diese selbstverständlich gewordenen Parameter, wie beispielsweise die vorherrschende Vertrauensbasis, die etablierten Informations- und Kommunikationswege, die Transparenz des Handelns oder den Stellenwert der Mitarbeiter haben organisationale Veränderungen weitreichende Folgen (vgl. Marr 1993). Die Berücksichtigung von Einstellungen, Verhalten und Fähigkeiten ist daher in gleichem Maße relevant wie strukturelle Veränderungen (vgl. ebd.)  – schließlich sind Veränderungen nur dann durchführbar, wenn die betroffenen Personengruppen sie verstehen und bereit sind, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick auf ein typisches Change-Management-Werkzeug, die sogenannte Veränderungskurve, um die Situation einzelner Personengruppen zu analysieren (vgl. Abbildung 1).

Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von Change-Kommunikation 

Verneinung

Mitarbeiterleistung

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Commitment

Schock

Widerstand

Anpassung

Zeit Abb. 1: Change-Kurve als typischer Reaktionsverlauf bei Veränderungen (angelehnt an die Veränderungskurve von Elisabeth Kübler-Ross 1969 sowie den Four Rooms of Change von Claes Janssen 1996)

Die Change-Kurve beschreibt die im Unternehmenskontext typischen Phasen in einem individuellen Veränderungsprozess: Verneinung, Widerstand, Anpassung und Commitment. Sie kann zur Verortung der einzelnen Personengruppen eingesetzt werden: Während die Initiatoren des Wandels sich bereits engagiert für die Implementierung neuer Strategien einsetzen, sind die Mitarbeiter beispielsweise noch in der Schockphase, die in der Regel als erste Reaktion auf den befürchteten Verlust von etwas durchlebt wird. Dies gilt auch, wenn es ‚nur‘ um den Verlust liebgewonnener Strukturen, Kollegen, Arbeitsweisen oder Bürostandorte geht. Um dieser typisch ungleichen Verteilung auf der Change-Kurve zu begegnen, haben die Initiatoren des Wandels dafür Sorge zu tragen, die verschiedenen Management- und Mitarbeiterebenen dort ‚abzuholen‘, wo sie sich gerade befinden. In der Regel agieren die Manager auf Teamleiterebene als Change-Agenten, die ihre Mitarbeiter mit auf die Reise nehmen sollen. Dieser wegweisenden Rolle können sie nur gerecht werden, wenn sie bereits über die Phasen der Verneinung und des Widerstands hinaus sind und sich mindestens im Bereich der Entdeckung bzw. Anpassung befinden (vgl. Abb. 2).

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Topmanagement

Wenn das Topmanagement das „Tal der Tränen“ bereits durchlaufen hat …

… steckt das mittlere Management gerade mittendrin … Mittleres Management … und den Mitarbeitern steht es sogar noch bevor! Mitarbeiter Zeit Abb. 2: Zeitverschiebung beim „Durchlaufen“ der Change-Kurve (vgl. http://bessler-org.de/pages/beratung/change-management.php)

Hierfür bedarf es einer gewissen Vorbereitung von Seiten des Top-Managements. Es muss dafür Sorge tragen, dass die unteren Managementebenen frühzeitig eingebunden und über die geplanten Veränderungen im Allgemeinen sowie die Konsequenzen für ihren eigenen Handlungsrahmen im Speziellen en détail informiert werden. Es sollten im Idealfall empirische Daten und Best Practices über die Logik von Veränderungsprojekten bereitgestellt werden, mit Hinweisen verbunden, wie dieses Wissen umsetzbar ist  – nicht nur einmalig zu Beginn des Projekts, sondern regelmäßig während des gesamten Projektverlaufs (vgl. Langen/Schwabe 2009; Wagner 2010).

Akzeptanz von Widerstand als Phänomen Der Umgang mit Widerstand ist eine der größten Herausforderungen in der ChangeKommunikation, weshalb wir dieses Phänomen etwas ausführlicher erläutern wollen. Widerstand ist menschlich und in Veränderungsprozessen an der Tagesordnung. Ursachen für und Ausprägung von Widerstand sind vielfältig und immer gültige Verhaltenstipps daher schwer definierbar. Dennoch können Indizien für Widerstand identifiziert werden, die es im ersten Schritt zu erkennen gilt. Beispielsweise verlaufen Besprechungen anders als sonst, die eigenen Argumente werden defensiv wiederholt oder es wird geschwiegen. Wichtig ist, diese Indizien zu akzeptieren und ernst zu nehmen. Gefühle dürfen nicht als unerwünscht oder dysfunktional verstanden werden, sondern als Energiequelle und treibende Kraft menschlichen Handelns. Dementsprechend ist es die Aufgabe der Change-Manager, entsprechende Gefühle herbeizuführen bzw. auf die vorhandenen Gefühle der Mitarbeiter einzugehen. Die

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negative Energie sollte im Idealfall im Sinne der Veränderung kanalisiert und bei der Formulierung von konkreten Kommunikationszielen berücksichtigt werden. Wichtig ist herauszufinden, ob sich der Widerstand eher gegen die Veränderung als solche oder gegen die Art und Weise, wie der Veränderungsprozess gestaltet wird, richtet. Folgende Ursachen für Widerstand sind typischerweise in Erwägung zu ziehen: – Fehlendes Verständnis für die Veränderung: Im Umgang mit Widerstand, der sich aus der Angst vor dem Neuen speist, sollte der Change-Manager wissen, dass es sich hier um eine emotionale und keine rationale Sorge handelt. Die Mitarbeiter fühlen sich nicht verstanden und nicht wertgeschätzt. Dies ist in der frühen Phase der Veränderung fast unvermeidlich, denn die Initiatoren des Wandels und die betroffenen Mitarbeiter handeln fast immer auf Basis unterschiedlicher Informationsgrundlagen und Erwartungen. – Angst vor Verlust: Die Veränderung wird emotional nicht akzeptiert. Die Mitarbeiter haben Angst vor dem Verlust von Aspekten des Arbeitslebens, die sie liebgewonnen oder an die sie sich zumindest gewöhnt haben. Gängige Verlustängste begründen sich auf Status, Macht, soziale Netzwerke, Komfort, Handlungsspielraum, Zukunftsoptionen oder Kompetenzen. Die Angst der Mitarbeiter basiert dabei auf ihrer subjektiven Wahrnehmung der Situation und es spielt anfangs keine Rolle, ob die Befürchtungen der Mitarbeiter begründet sind oder nicht. – Fehlendes Vertrauen in die Führungskräfte: Die Mitarbeiter misstrauen den Informationen und verstehen deswegen die Veränderung bzw. deren Vorteile nicht. Dieser Widerstand ist insbesondere dann zu erwarten, wenn den politischen Rahmenbedingungen nicht vertraut wird. Eine hilfreiche Vorbereitung für den Umgang mit Widerstand ist das Formulieren von Antworten auf typische Fragen, die in Veränderungsprozessen immer wieder aufkommen. Im organisationsübergreifenden Kontext sind dies beispielsweise Fragen wie die folgenden: Warum brauchen wir überhaupt eine Veränderung? Warum genau diese? Was ist das Ziel? Gibt es Alternativen? Auf individueller Ebene müssen in der Regel Fragen beantwortet werden, wie: Was gewinne oder verliere ich durch die Veränderung und bin ich den Veränderungsanforderungen gewachsen?

2.2 Die Rolle der Kommunikation in Change-Prozessen Change-Kommunikation kann als Prozess verstanden werden, der das Veränderungsprojekt von Anfang bis Ende unterstützt. Natürlich birgt jedes Change-Projekt andere Herausforderungen, so dass die Ausrichtung der Kommunikation an die situationsspezifischen Gegebenheiten von entscheidender Bedeutung und zugleich die höchste Herausforderung ist. Die Maßnahmen müssen zum einen an die Inhalte und den Kontext der Veränderung und zum anderen an die Makro- und Mikrophasen des

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Veränderungsverlaufs angepasst werden – und dies im Rahmen eines systematischen Vorgehens. Die Change-Kommunikation adressiert die weichen Faktoren, wie beispielsweise das Betriebsklima, die Motivation oder die Einstellungen der Mitarbeiter. Typische Ziele der Change-Kommunikation sind: – Ängste und Befürchtungen abbauen, – Nutzen und Sinn der Veränderung verdeutlichen, – Verständnis für die Veränderung wecken, – Dialog zwischen Projektverantwortlichen und Mitarbeitern ermöglichen, – Mitarbeiter aktiv in den Prozess einbinden, – Transparenz über Projektergebnisse und -fortschritte schaffen, – den Projektverantwortlichen Feedback und Anregungen geben, – Verhaltensänderungen herbeiführen. Die Einflussnahme auf das Verhalten der Mitarbeiter ist ein zentrales Ziel der ChangeKommunikation, da Veränderungen nur umsetzbar sind, wenn etwas anders gemacht und nicht nur anders gedacht wird. Auf das Verhalten der beteiligten Personengruppen kann aber nur indirekt über dessen Determinanten eingewirkt werden: Zunächst müssen Bewusstsein und Verständnis für die anstehenden Veränderungen geweckt werden, was wiederum die Voraussetzung für die Akzeptanz der veränderten Situation bildet (vgl. Rogers 1995; Buchholz 2002). Da menschliches Verhalten durch Emotionen beeinflusst wird, steht die Change-Kommunikation vor der Herausforderung, positive Gefühle zu stimulieren und negative zu adressieren beziehungsweise zu kanalisieren, um diese Akzeptanz herbeizuführen (vgl. Lundberg/Young 2001). Negative Gefühle, die sich in Angst oder Widerstand äußern, treten wie in Kap. 2.1 erläutert in jedem Change-Prozess auf. Menschen neigen dazu, Veränderungen zunächst skeptisch gegenüberzustehen. Diese Skepsis wird verstärkt, wenn sie von einer neuen Struktur, einem neuen Prozess oder einem neuen System überzeugt werden sollen, an deren Definition sie nicht beteiligt waren und deren Nutzen sich ihnen meist nicht ohne Weiteres erschließt. Denn während bei der Diagnose des Problems und bei der Erarbeitung der Lösung häufig nur wenige Personen und zumeist Vertreter der oberen Managementebenen eingebunden sind, wirkt sich die Umsetzung dieser Lösung auf die Mehrheit der Mitarbeiter des Unternehmens bzw. des betroffenen Bereichs aus (vgl. Abb. 2). Auch wenn nicht alle Veränderungen basisdemokratisch entschieden werden können, so muss die Change-Kommunikation dafür Sorge tragen, die Mitarbeiter so früh und so aktiv wie möglich in die geplanten Veränderungen einzubinden, und ausreichend Raum bieten, die geplanten Veränderungen tatsächlich verstehen zu können. Andernfalls ist es schwer möglich, die meist tief verankerten Verhaltensmuster zu adressieren – schließlich sollen Routinen eines sozialen, in sich funktionierenden, kulturell hoch komplexen Systems neu gestaltet werden. Gerade unternehmenskulturelle Veränderungen, auf die es in der Regel am meisten ankommt, finden auf

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Mitarbeiter- und nicht auf der Ebene des Top-Managements statt, so dass die Mitarbeiter in allen Change-Vorhaben eine Schlüsselrolle einnehmen. Im Kontext ihrer unternehmenskulturellen Gegebenheiten bewerten die Mitarbeiter die an sie gerichteten Kommunikationsmaßnahmen. Es entstehen öffentliche und inoffizielle Diskurse über Bedeutung und Tragweite des Change-Projekts, die von den Kommunikationsverantwortlichen erkannt, ernst genommen und eingefangen werden müssen. Denn die in diesen Diskursen verwendeten Argumente, die Gesprächsatmosphäre oder die Einschätzung der Tragweite des Veränderungsprojekts geben Aufschluss darüber, wie eine Kommunikation zu gestalten ist, die wenig Raum für Missverständnisse bietet. Change-Kommunikation hat daher die Aufgabe, Angebote für einen Deutungsrahmen (Framing) zu schaffen, innerhalb dessen diese Diskurse stattfinden sollten. Das heißt, sie gibt den Interpretationsrahmen vor, innerhalb dessen Sinn und Notwendigkeit des Change im Idealfall verstanden werden sollen. So kann sie Orientierung bieten und ein gemeinsames Verständnis für die anstehenden Veränderungen erzeugen. Dieser Argumentation folgend haben sich zentrale Prinzipien erfolgreicher Change-Kommunikation etabliert (vgl. Abb. 3), auf die wir im weiteren Verlauf dieses Beitrags immer wieder Bezug nehmen werden.  1. Auf die Situation eingehen  2. Saubere Analyse zu Beginn durchführen  3. Maßgeschneidert für jede Zielgruppe  4. Im Dialog mit den Mitarbeitern  5. Kernbotschaften formulieren  6. Gefühl der Dringlichkeit sicherstellen  7. Erste Erfolge sichtbar machen  8. Kernbotschaften wiederholen  9. Nicht zu viel und nicht zu wenig ­kommunizieren 10. Frühzeitig informieren 11. Regelmäßig kommunizieren 12. Das obere Management nicht aus der ­Verantwortung lassen

13. Die weiteren Managementebenen ­gewinnen/unterstützen 14. Meinungsführer einbinden 15. Ausreichend persönliche Kommunikation 16. Die richtige Maßnahme für das richtige Ziel 17. „Push“ und „Pull“ einsetzen 18. „Orchestrierung“ aller Maßnahmen 19. Konsistenz über Personen und Kanäle 20. Klarheit der Kommunikation 21. Glaubwürdigkeit sicherstellen 22. Inhalt/Wirkung informeller Kommunikation berücksichtigen 23. Regelmäßig den Status erheben

Abb. 3: Prinzipien erfolgreicher Change-Kommunikation (vgl. Wagner 2010)

3 Sprache in der Change-Kommunikation 3.1 Bedeutung der Sprache Es gibt zahlreiche Definitionen von Sprache aus unterschiedlichen Perspektiven, die wir als Change-Experten weder vollständig noch in gebotener Tiefe darzulegen

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vermögen. Als hilfreich für die Eingrenzung des Sprachbegriffs in der Change-Kommunikation stellt sich unseres Erachtens die Betrachtung von Sprache aus zwei Perspektiven heraus: 1) Sprache als wesentlicher Bestandteil der zwischenmenschlichen Kommunikation und als sozialisierendes Element, auf dessen Basis die Deutung von Sinnzusammenhängen stattfindet sowie 2) Sprache als Instrument zum Erreichen der kommunikativen Ziele (vgl. Reinmuth 2006). Sprache ist die Basis und der Motor von sozialer Interaktion, die wiederum das Zugehörigkeitsgefühl fördert (vgl. Etzol 2008). So entscheidet zum Beispiel das Verwenden eines ähnlichen Vokabulars über Gruppenzugehörigkeiten. Das Sprechen einer gemeinsamen Sprache und somit das Sich-verständigen-Können trägt maßgeblich zur Sozialisierung bei und verleiht Orientierung und Sinnhaftigkeit. Einzelne Begriffe wirken sich beispielsweise unmittelbar auf unsere Wahrnehmung aus. Gewisses Vokabular, zum Beispiel Tabuwörter, löst je nach kulturellem Kontext körperlichen Stress aus; sobald wir unsere Gefühle in Worte fassen, können wir sie besser verstehen und wenn wir bestimmte Produktnamen lesen, wirkt sich das auf unser Geschmackserlebnis aus – kurz: „Unsere Wahrnehmung lässt sich von Begriffen leiten“ (Schramm/Wüstenhagen 2012). Dasselbe gilt andersherum: Die Worte, die wir wählen, geben Rückschluss auf unsere Gedanken und Gefühle sowie unsere intellektuellen Fähigkeiten. In Change-Projekten wird dieser Einfluss der Sprache oftmals unterschätzt. Das ist fahrlässig, wenn man bedenkt, dass Sprache als Grundlage der schriftlichen und verbalen Kommunikation die Entscheidungsfindung und den Transfer von Wissen in Organisationen positiv beeinflusst (vgl. Thitthongkam/Walsh 2010) und somit den Erfolg eines Change-Vorhabens bestimmt: Talk is not cheap: What is said matters, and rigor and consciousness in the communication of change are what differentiates a successful change from one that is derailed by resistance and uncertainty. (Ford/Ford 1995, 560)

Nur durch Sprache kann ein gemeinsames Verständnis über die anstehenden Veränderungen entwickelt werden (vgl. Etzol 2008). Die sprachliche Auseinandersetzung in Form von Diskussionen, Diskursen, Meetings oder Flurgesprächen prägt die Entwicklung eines Change-Vorhabens auf beträchtliche Weise – und vice versa: Bevorstehende Change-Projekte formen und forcieren jede Form von sozialer Interaktion. In formellen und informellen Diskursen werden Fragen und Sorgen erörtert, wie beispielsweise: Wie gravierend werden die Veränderungen sein? Ist unsere Abteilung/mein Arbeitsplatz in Gefahr? Welche Kompetenzen erfülle ich möglicherweise nicht? Das führt zu einer Einordnung der Geschehnisse und somit zu einer kollektiven Grundhaltung gegenüber dem Change innerhalb einer bestimmten Gruppierung (vgl. Etzol 2008). Jede Veränderung bedingt folglich auch eine Neueinordnung der organisationalen Aktivitäten (vgl. Tsoukas 2005) – und diese Neueinordnung findet vorrangig innerhalb sozialer Interaktionen statt: „[…] change is produced through the

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ways people talk, communicate and converse in the context of practical activities.” (Tsoukas 2005, 102 f.) Dieses interaktive Erarbeiten von Deutungsrahmen entscheidet über die Entwicklung eines Change-Projekts und ist der Nährboden für Misstrauen, Widerstand oder aber Unterstützung. Mit zur Bewertungsgrundlage gehört hierbei, in welcher Terminologie und mit welcher Metaphorik das Change-Projekt kommuniziert, in welcher Ausführlichkeit und zu welchem Zeitpunkt und wie es möglicherweise narrativ verpackt wird. Aus der zweiten Perspektive heraus betrachtet, fungiert Sprache als ein Werkzeug, mit Hilfe dessen kommunikative Botschaften zweck- und zielgerichtet übermittelt werden sollen. Wir können zu einem gewissen Maß steuern, wie unsere kommunikativen Botschaften verstanden werden sollen, wenn wir die Möglichkeiten der Sprache bewusst nutzen (vgl. auch Reinmuth 2006). Aus der Kommunikationswissenschaft wissen wir allerdings auch, dass die Dekodierung der Botschaften nicht in der Macht des Kommunikators liegt, sondern in der des Rezipienten. Auf Basis seiner Vorerfahrungen, Einstellungen und Kenntnisse deutet er „im Verlauf der Kommunikation alle für ihn erkennbaren Dinge, die interpretierbar sind – auch jene, die wir nicht oder anders intendiert haben.“ (Reinmuth 2006, 205) Dennoch können Einstellungen auf die vom Kommunikator beabsichtigte Weise beeinflusst werden (vgl. ebd.). Dies gelingt am ehesten dann, wenn der Rezipient in die Lage versetzt wird, eine Aussage im Sinne des Kommunikators zu interpretieren. Zwar lässt sich dies aufgrund der Komplexität des Kommunikationsvorgangs nicht in Gänze steuern, jedoch aber durch bestimmte Kommunikationsmuster vereinfachen. Reinmuth (2006) führt an, dass sich diese Muster zu einem großen Teil durch den Stil, also durch die Art und Weise der Kommunikation, beschreiben lassen. Die Ausdrucksform gibt Aufschluss über die Gedankenwelt des Kommunikators und reflektiert seine intellektuellen Fähigkeiten, was wiederum Rückschlüsse auf seine Glaubwürdigkeit zulässt.

3.2 Sprache der Bedeutung Change-Projekte scheitern häufig daran, dass die Bedürfnisse der Mitarbeiter übersehen werden – und das, obwohl von ihnen oft das höchste Maß an Veränderung erwartet wird. Eine gute Möglichkeit, Sachverhalte aus Mitarbeiterperspektive zu kommunizieren, d. h. basierend auf menschlichen Erfahrungen und Empfindungen, ist das Erzählen von Geschichten (vgl. Thier 2010). Geschichten vermitteln Sinnzusammenhänge, verstärken die zwischenmenschliche Bindung und erleichtern das Verstehen komplexer Themen. In Geschichten wird eine Sprache verwendet, die Bedeutung vermittelt. Auf sprachlicher Ebene manifestiert sich Narrativität durch verbindende Satzelemente wie jedoch, davor, demnach sowie durch eine stringente Dramaturgie, die eine zentrale Handlung nebst handelnden Personen, Sequenzen einer Handlung und einen Höhepunkt umfasst.

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Unter dem Begriff Storytelling wurde das Erzählen von Geschichten im organisationalen Kontext zu einer narrativen Methode weiterentwickelt: Ursprünglich im Rahmen eines Forschungsprojekts des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zum kollektives Lernverhalten entwickelt, wird das Erzählen von Geschichten heute auch genutzt, um an die tiefgründigen Motive auftretender Probleme, wie beispielsweise Blockadehaltungen bei Struktur- oder Kulturveränderungen, zu gelangen, die bei traditionellen Frage-Antwort-Interviews nicht zu Tage treten würden (vgl. Thier 2010). Während das Anhören der Geschichten ein gutes Analysewerkzeug ist, hilft das aktive Erzählen von Geschichten bei der Steuerung von Diskursen und der Gestaltung von Deutungsrahmen. Daher ist es eines der Ziele des organisationalen Storytellings, die Gespräche über ein bestimmtes Thema zu beeinflussen (vgl. Thier 2010), indem Geschichten von zentraler Stelle erzählt werden, um Gerüchten entgegenzuwirken, die anstehenden Veränderungsmaßnahmen einleuchtend darzulegen und das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen. Denn wer seine Argumente in Form einer Geschichte vorträgt, dem wird eher geglaubt: Thier (2010) führt eine Studie an, die belegt, dass Geschichten selbst Entscheidungen im Gerichtssaal beeinflussen: Die Richter bevorzugten die Parteien, die ihre Aussage in Form einer Geschichte vortrugen.

3.3 Bedeutung der Glaubwürdigkeit Glaubwürdigkeit ist die Grundlage jeder erfolgreichen Change-Kommunikation: Wer nicht an Notwendigkeit und Sinn des Veränderungsvorhabens oder wer schlicht dem Kommunikator nicht glaubt, wird sich schwer für eine Veränderung des Status quo erwärmen lassen. Wenn Führungskräfte nicht glaubhaft versichern können, warum die Reise dort und nicht woanders hingeht, wird ihnen niemand folgen. Hebel zur Steigerung der Glaubwürdigkeit lassen sich für alle Komponenten des Kommunikationsprozesses definieren: ein glaubwürdiger Sender, glaubwürdige Inhalte, ein glaubwürdiges Medium und so weiter. Ein übergreifender Ansatz ist die Berücksichtigung des Prinzips der Klarheit in der Kommunikation. Denn Menschen neigen dazu, Dinge nicht zu glauben, die sie nicht verstehen. „Sprache und Glaubwürdigkeit sind getrennt voneinander nicht vorstellbar“, d. h., wer nichts aktiv kommuniziert, dem kann auch nichts geglaubt werden (Reinmuth 2006, 204). Hierbei ist aber nicht nur das Vertrauen in den Kommunikator entscheidend, sondern auch in erheblichem Maß die Vorerfahrung der Rezipienten. Die kommunikativen Botschaften werden von den Rezipienten entsprechend ihrer individuellen Erfahrungswerte wahrgenommen und interpretiert. Falls im Unternehmen bereits mehrere Veränderungen durchlaufen wurden (einige davon vielleicht mit negativem Ausgang), ist das Misstrauen gegenüber einem weiteren Change-Vorhaben beispielsweise immens – auch wenn der Kommunikator eine hohe Glaubwürdigkeit genießt (vgl. Wagner 2010). In einigen Fällen kann mitunter allein das Wort Change

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bei den Mitarbeitern zu einer Blockadehaltung führen. Hier ist dann ein besonderes Fingerspitzengefühl von Seiten der Kommunikatoren gefordert. Im Rahmen seiner Dissertation hat Reinmuth (2006) auf der Suche nach einem Stil der Glaubwürdigkeit Indikatoren herausgearbeitet, die auf textlicher Ebene die Glaubwürdigkeit des Kommunikators positiv beeinflussen (vgl. Abb. 4) – allerdings mit der Einschränkung, dass es aufgrund der Vielfältigkeit und der Interdependenzen der Faktoren, „die die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit berühren und beeinflussen“ nur schwer möglich ist, diese „differenziert [zu] erfassen oder gar [zu] bewerten“ (Reinmuth 2006, 13). Selbst bei akribischer Beachtung einzelner Indikatoren könne der Kommunikator am Ende an der Verbindung der Elemente, ihrer Qualität oder ihrer Gewichtung scheitern. Dennoch sensibilisieren die Indikatoren für einen gewissenhaften Umgang mit dem geschriebenen Wort, indem sie auf inhaltlicher als auch auf stilistischer Ebene einen Leitfaden bereitstellen, der die Analyse von Texten in Bezug auf ihre Glaubwürdigkeit ermöglicht  1. Sprachliche Korrektheit  2. Ein angemessener Detailgrad  3. Die angemessene Länge der Mitteilungen  4. Übergeneralisierung & Übertreibung ­vermeiden!  5. Kanaldiskrepanzen vermeiden!  6. Abwechslungsreiche Sprache: Ausrutscher oder Highlights?  7. Floskelhafte Ausdrucksweise vermeiden!  8. Aussagen zum Wahrheitsgehalt der eigenen Aussage  9. Aussagehomogenität (Konsistenz) & ­Widerspruchsfreiheit 10. Aussagekonstanz in der Zeit 11. Eine angemessene Wortwahl

12. Ähnlichkeit zwischen Kommunikator & Rezipient 13. Narrative Elemente 14. Bildhafte Sprache 15. Satzkonstruktion 16. Passivkonstruktionen vermeiden 17. Argumentation: Eine Frage der Strategie 18. Emotionen 19. Offensichtliche Interessengebundenheit 20. Ein angemessener Grad an humorvollen Äußerungen 21. Personalisierung – Selbstreferenzen – ­Identifikation 22. Verweise – Belege – Referenzen (Kontext)

Abb. 4: Linguistische Glaubwürdigkeitsindikatoren (vgl. Reinmuth 2006).

4 Praktische Implikationen 4.1 Handlungsfeld von Change-Kommunikation Vor dem Hintergrund des aufgespannten Bezugsrahmens, der für die soziokulturelle Dynamik in Change-Prozessen, die kommunikativen Herausforderungen und die Möglichkeiten der Sprache sensibilisiert hat, sollen nun Implikationen für die Praxis erörtert werden.

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Wir fassen zusammen: Erfolgreich ist Change-Kommunikation dann, wenn sie die Mitarbeiter dazu bewegen kann, sich den veränderten organisationalen Anforderungen entsprechend zu verhalten. Wie bereits skizziert, liegt das übergeordnete Ziel der Change-Kommunikation daher in der (frühzeitigen!) Stimulation positiver Emotionen, die für eine Änderung des Verhaltens notwendig sind. Hierfür nimmt sie Unsicherheiten bei den Mitarbeitern wahr und schafft Angebote für einen Deutungsrahmen, der Sinn und Orientierung verleiht und ein gemeinsames Verständnis stärkt. Sprache ist hierbei ein wirksamer Hebel, denn die Wahl der Worte entscheidet über Zugehörigkeiten und prägt den Interpretationsrahmen auf Seiten der Empfänger. Die Wortwahl ist somit unmittelbar mit einer der Hauptaufgaben der ChangeKommunikation verbunden, nämlich möglichst unmissverständlich die Kernbotschaften des Veränderungsvorhabens zu kommunizieren und seine Bedeutung zu steuern – auf Basis eines glaubwürdigen Verhaltens. Hierbei ist natürlich nicht nur entscheidend, was kommuniziert wird, sondern auch mit welcher Gestik, Mimik oder Tonlage es vermittelt wird. Die aufgelisteten Erfolgsprinzipien der Change-Kommunikation sowie die Glaubwürdigkeitsindikatoren geben hierbei konkrete Hilfestellungen. Beide Forschungsrichtungen weisen zum Teil Überschneidungen auf, was wenig überrascht, da ja der Entwicklung beider eine ähnliche Fragestellung vorausging: Wie muss eine zielgerichtete Unternehmenskommunikation gestaltet sein, damit sie die Empfänger mit geringem Reibungsverlust und in intendierter Weise erreicht? Der besondere Stellenwert der Glaubwürdigkeit an sich wurde ja bereits hervorgehoben. Während wir mithilfe der Glaubwürdigkeitsindikatoren vorrangig den Stil der Kommunikation, also das Wie, untersuchen können, geben die Erfolgsprinzipien der Change-Kommunikation zusätzliche Anhaltspunkte zur Steuerung der kommunikativen Aktivitäten (wer kommuniziert wann und was wird gesagt?). Wir wollen daher in den folgenden Abschnitten beide Ansätze in die praktischen Implikationen einfließen lassen.

4.2 Was wird gesagt Die vorangegangenen Überlegungen zeigen: Was kommuniziert werden soll und in welchem Kontext bedarf einer gründlichen Überlegung. Dies ist die Aufgabe der für die Change-Kommunikation beauftragten Personen. Zunächst ist vor dem Roll-out eines Change-Projektes zu klären, welche zentralen Botschaften in den Köpfen der Mitarbeiter verankert werden sollen. Unabhängig von den konkreten Inhalten einzelner Kommunikationsmaßnahmen hat sich die Formulierung von wenigen zentralen Kernbotschaften für das gesamte Projekt als erfolgskritisch herausgestellt. Die Kernbotschaften bilden die Ausgangsbasis für die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Kommunikationsmaßnahmen (vgl. in Abb. 3 das Prinzip ‚Kernbotschaften formulieren‘).

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Unter Federführung des Top-Managements und des ihm zur Seite stehenden Kommunikationsteams sollten die Kernbotschaften konsistent und kontinuierlich in das Unternehmen getragen werden, um dem Veränderungsprojekt Klarheit und Transparenz zu verleihen. Alle betroffenen Personengruppen möchten so frühzeitig wie möglich wissen, inwiefern sie von der Veränderung persönlich betroffen sind und welche positiven oder negativen Konsequenzen die Veränderung für ihren unmittelbaren Arbeitsbereich mit sich bringt. Sind diese noch nicht absehbar, sollten zumindest Vorgehensweise und Meilensteine kommuniziert werden, damit die Mitarbeiter erkennen, wann sie sich in etwa ein Bild von der Auswirkung der Veränderung machen können. Der Nutzen der Veränderung sollte ebenfalls in den Kernbotschaften erkennbar sein. In erster Linie relevant für die Betroffenen ist allerdings nicht der objektiv vorhandene Vorteil für das Unternehmen, sondern der subjektiv wahrgenommene Nutzen im Hinblick auf die eigene Person. Die Kunst der Veränderungskommunikation besteht darin, diesen Nutzen so zu kommunizieren, dass er für die Mitarbeiter sichtbar wird, zum Beispiel indem die Informationen auf die direkte Arbeitsumgebung der Mitarbeiter ausgerichtet werden. Eine weitere Kernbotschaft sollte die Ziele der Veränderung und die Vision dahinter beinhalten. Unter Vision kann dabei zum Beispiel ein konkretes Zukunftsbild verstanden werden, also der wünschenswerte Soll-Zustand des Unternehmens. Mögliche Kernbotschaften könnten sein: – – – –



Um im Markt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir Einsparungen in einer Gesamthöhe von rund EUR 20 Millionen bis Ende 2016 erreichen. Diese Einsparungen werden wir hauptsächlich durch die Umstrukturierung unserer IT-Serviceabteilungen erzielen. Wir werden die bisher drei IT-Abteilungen zu einem zentralen IT-Service zusammenlegen, um bessere Synergieeffekte erzielen zu können. Die Mitarbeiter der bisherigen IT-Abteilungen können an ihren jeweiligen Standorten bleiben, werden aber zentral verwaltet und müssen neue Aufgabenfelder übernehmen und regelmäßig zur neuen IT-Zentrale reisen (für Schulungen etc). Die durch diese Umstrukturierung erhofften Kosteneinsparungen verhindern einen Abbau von Stellen, der andernfalls unvermeidbar gewesen wäre.

4.3 Wer kommuniziert Offizielle Kommunikation in Veränderungsprozessen findet in Form von konkreten Kommunikationsmaßnahmen statt. Maßnahmenübergreifend sind die grundsätzlichen Rollen in der Kommunikation zu definieren und anschließend ist für jede einzelne Maßnahme ein Kommunikator zu bestimmen. Es ist beispielsweise zu klären, welche Rolle das obere und das mittlere Management und welche die operativen Vorgesetzten spielen, wer willens und kompetent ist zu kommunizieren, wer glaub-

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würdig ist und welche Personengruppen auf welche Weise erreicht werden sollen. Oftmals ist es hilfreich, Multiplikatoren einzubinden (vgl. Wagner 2010). Eine Vorreiterstellung hat wegen seiner Funktion das Top-Management (vgl. Kotter 2008). Die dort konzipierten Kernbotschaften werden im Idealfall systematisch im Unternehmen verbreitet. Die Art und Weise der Übermittlung muss hierbei erkennen lassen, dass das Top-Management aktiv und persönlich in den Prozess involviert ist und hinter der Veränderung steht (vgl. in Abb. 3 das Prinzip ‚Das obere Management nicht aus der Verantwortung lassen‘). Bei unternehmensweiten Veränderungen sollten die Kernbotschaften bei allen kommunikativen Auftritten des TopManagements platziert werden. Die Beziehung zwischen den strategischen Zielen des Unternehmens und der geplanten Veränderung muss dabei transparent sein. Wenn das Top-Management einen offenen Kommunikationsfluss propagiert und vorlebt, erhält das Veränderungsprojekt die notwendige Dringlichkeit und Glaubwürdigkeit. Haben die Mitarbeiter hingegen das Gefühl, dass keine klare Strategie verfolgt wird oder selbst ihre direkten Vorgesetzten keine verbindlichen Vorgaben zu haben scheinen, wird den kommunikativen Anstrengungen bald wenig Bedeutung zugemessen werden. Wie eingangs bereits erwähnt, befinden sich die betroffenen Personengruppen selten alle zur selben Zeit in derselben Veränderungsphase der Change-Kurve (s. Abb. 2). In der Praxis wird von den Initiatoren des Wandels häufig übersehen, dass jede betroffene Personengruppe eine gewisse Vorlaufzeit braucht, sich auf die Veränderungen einzustellen und zunächst wissen möchte, warum der Status quo nicht mehr tragbar ist. Vorher wird es schwierig, sie von den Vorteilen einer Veränderung zu überzeugen. Nach Kotter (2008) soll daher zu Beginn von Veränderungsprozessen eine gewisse Dringlichkeit vermittelt werden, um eine ausreichende Mobilisierung von Management und Mitarbeitern bewirken zu können (vgl. in Abb. 3 das Prinzip ‚Gefühl der Dringlichkeit sicherstellen‘). Zunächst obliegt es folglich dem Top-Management, die unteren Managementebenen von dieser Dringlichkeit zu überzeugen, um sie als aktive Fürsprecher (Change-Agenten) zu gewinnen, die die Notwendigkeit der geplanten Veränderungen verstehen und wissen, welche entsprechenden Maßnahmen in ihrem Verantwortungsbereich getroffen werden müssen. Beispielsweise sollte auf Teamleiterebene bekannt sein, welche Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter durchzuführen sind, um sie auf ihre neuen Tätigkeitsfelder vorzubereiten. Unterstützt werden die Change-Agenten im besten Fall durch Meinungsführer, wie beispielsweise den Betriebsrat oder langjährige Mitarbeiter (vgl. in Abb. 3 das Prinzip ‚Meinungsführer einbinden‘). Langjährige Mitarbeiter genießen als ‚alte Hasen‘ oft eine hohe Glaubwürdigkeit, die mit ihrer detaillierten Branchenkenntnis, ihrer hohen Vernetzung und ihren kulturellen Erfahrungswerten (wie liefen bisherige Veränderungen im Unternehmen ab? Was hat funktioniert, was lief schief? Welche Reaktionen sind zu erwarten?) zusammenhängt. Dadurch werden sie sowohl auf Führungs- als auch auf Mitarbeiterebene zu Key Playern.

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Werden solche Meinungsführer aktiv in die Kommunikationsaktivitäten eingebunden, erhöht sich die Glaubwürdigkeit des Change-Vorhabens und damit die Wahrscheinlichkeit seiner Akzeptanz. Auf Basis der Einschätzung von glaubwürdigen Meinungsführern bewerten die Mitarbeiter das Projekt im Zeitverlauf immer wieder neu. Die Orientierungsfunktion der Meinungsführer ist allerdings nur dann gegeben, wenn die Motivation ihrer Einflussnahme weder offensichtlich zweckgerichtet noch kommerziell motiviert ist. Jenseits der geplanten Kaskadierung der Change-Kommunikation lassen informelle Diskurse die Organisationsmitglieder aller Hierarchiestufen zu Kommunikatoren werden (vgl. in Abb. 3 das Prinzip ‚Inhalt/Wirkung informeller Kommunikation berücksichtigen‘). Informelle Kommunikation ist eine natürliche Begleiterscheinung der Interaktion von Menschen, die sich weder vermeiden noch kontrollieren lässt. Insbesondere in Zeiten eines wahrgenommenen Informationsdefizits  – und das ist bei Veränderungen fast immer der Fall  – bietet informelle Kommunikation einen klaren Mehrwert für die Mitarbeiter: Sie thematisiert jene Fragen, die von der formellen Change-Kommunikation unberücksichtigt bleiben, und erhöht  – zumindest subjektiv  – die Kontrolle über Situation und Ausgang des Change-Vorhabens (vgl. Wagner 2010).

4.4 Wie wird kommuniziert 4.4.1 Rezipientenorientierte und klare Kommunikation Erfolgreiche Veränderungskommunikation achtet auf die Klarheit und Verständlichkeit der Kommunikationsinhalte. Was nicht verstanden wird, wirkt unter emotionalem Stress negativ und vergrößert die Unsicherheit. Nur wenn die Interpretationsmöglichkeiten des Empfängers eingeschränkt werden, lassen sich Unsicherheiten reduzieren (vgl. Wagner 2010). Je verständlicher eine Aussage formuliert ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch im Sinne des Kommunikators interpretiert wird. Eine wichtige kommunikative Herausforderung liegt daher in der Übersetzungsleistung der Botschaften in die Sprache und Vorstellungswelt ihrer Mitarbeiter. Es muss gelingen, die oft komplexen und fachterminologischen Informationen des TopManagements so zu formulieren, dass sie von den Mitarbeitern unterschiedlicher Bereiche verstanden werden können. Als hilfreich haben sich hier die Konzentration auf wenige Kernthemen, Visualisierungen von Abläufen und Strukturen oder die Verdeutlichung der Inhalte an konkreten Situationen erwiesen (vgl. Wagner 2010). Entlang der Kernbotschaften lässt sich Terminologie und Kommunikationsinhalt des Veränderungsprojektes definieren. Es muss Klarheit darüber bestehen, was in jedem Fall bei den Mitarbeitern hängen bleiben soll und mit welchen Begrifflichkeiten die Botschaften kommuniziert werden sollten: Gibt es Schlüsselbegriffe, die

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immer wieder verwendet werden sollen? Gibt es Begriffe, die tabu sind? Ferner ist zu definieren, wo zielgruppenspezifische Botschaften formuliert werden sollten, denn je nach Beziehung einer Zielgruppe zum Projekt müssen die Botschaften für einzelne Zielgruppen in deren Sprache übersetzt und gegebenenfalls detaillierter aufbereitet werden. Wer zum Beispiel entsprechend seiner Werte, Kenntnisse und Fähigkeiten angesprochen wird und mit jemanden gemäß seiner „sozialen, regionalen oder intellektuellen Gruppierung“ (Reinmuth 2006, 260) interagieren kann, der wird dem Kommunikator Sympathie entgegenbringen und ihm tendenziell eher glauben. Hilfreich ist zudem, die Kernbotschaften regelmäßig zu wiederholen, um die nachhaltige Verankerung bei den Mitarbeitern zu fördern. Diese Wiederholungen dürfen aber nicht zu stereotyp ausfallen, um Immunisierungsreaktionen zu vermeiden (vgl. Wagner 2010). Trotz verständlicher und einfacher Darstellung sollte aber objektiv über den Wandel berichtet werden, da eine wahrgenommene Objektivität die Glaubwürdigkeit erhöht. Objektive Kommunikation verzichtet darauf, Tatsachen zu verschweigen oder zu generalisieren oder aber Risiken einer Veränderung zu beschönigen (vgl. ebd). Generalisierungen sind in der unternehmerischen Praxis jedoch an der Tagesordnung: Häufig wird die Notwendigkeit von Change-Projekten beispielsweise mit Phrasen wie zunehmender Wettbewerbsdruck umschrieben, um von möglichen Versäumnissen in der eigenen Unternehmens-Performance abzulenken (vgl. in Abb. 4 den Indikator ‚Übergeneralisierung und Übertreibung vermeiden‘). Zur Beschönigung der geplanten Umstrukturierungen werden ferner Euphemismen verwendet, die etwa entlassene Mitarbeiter als freigestellt bezeichnen (vgl. in Abb. 4 den Indikator ‚Offensichtliche Interessengebundenheit‘). Eine klare und verständliche Kommunikation erläutert, was sich hinter Begriffen wie Kundenorientierung, Effizienzsteigerung, Strategieanpassung etc. verbirgt und verdeutlicht in einfachen und prägnanten Sätzen Ziele und Anforderungen des Change-Projekts (vgl. http://www.wolfgangrodlauer.at). Der positive Nebeneffekt: Eine objektive Form der Kommunikation fördert die Veränderungs- und Lernbereitschaft der Mitarbeiter, weil sie ihnen die Gelegenheit bietet, selbst zu bestimmten Einsichten zu gelangen (vgl. Reinmuth 2006).

4.4.2 Konsistenz, Konstanz und Homogenität In der Change-Kommunikation werden in der Regel über mehrere Kanäle Informationen unterschiedlichen Komplexitätsgrades versendet. Trotz der Vielfalt der Kommunikationsmaßnahmen und der daran beteiligten Personen dürfen keine widersprüchlichen Informationen auf unterschiedlichen Kanälen oder von verschiedenen Personen gesendet werden. Insbesondere Dissonanzen zwischen den Aussagen verschiedener Manager verringern die Glaubwürdigkeit und folglich die Veränderungsbereitschaft aller Beteiligten (vgl. Wagner 2010). Dissonanzen linguistischer Natur treten dann auf, wenn Stil und Inhalt eines Kommunikats nicht zueinander passen,

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wie beim weiter oben aufgeführten Beispiel der euphemistischen Formulierung von Mitarbeiterentlassungen (vgl. Reinmuth 2006). Die Kommunikationsverantwortlichen müssen daher in erster Linie die Konsistenz der einzelnen Maßnahmen sicherstellen. Hierzu gehört 1) eine konsistente Verwendung von Begriffen und Formulierungen, 2) die inhaltlich schlüssige Erklärung, was sich hinter diesen Begriffen/Formulierungen verbirgt und 3) welche Handlungsableitungen sich explizit daraus ergeben. Erläutern wir diese drei Aspekte am Beispiel der Kommunikation von Unternehmenswerten: Sollen in einem Unternehmen neue Werte etabliert werden, müssen zunächst die Wertebezeichnungen, wie beispielsweise eigenverantwortlich oder nachhaltig im Wortlaut konsistent kommuniziert werden (vgl. in Abb. 4 den Indikator ‚Abwechslungsreiche Sprache: Ausrutscher oder Highlight‘). Eigenverantwortlich heißt dann stets eigenverantwortlich und nicht verantwortungsbewusst oder ähnliches. Zweitens ist auf eine konsistente Formulierung der Wertebeschreibungen zu achten. Aus diesen geht hervor, was in dem Unternehmen unter eigenverantwortlich verstanden werden soll und warum dieser Wert wichtig ist. Beispielsweise soll über diesen Wert erreicht werden, dass jeder Mitarbeiter sich im Rahmen seines Handlungsspielraums für das Erreichen der Unternehmensziele engagiert, um für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens einen Beitrag zu leisten. Wichtig ist dann, dass die Werte handlungsweisend beschrieben sind. Zu eigenverantwortlichem Handeln könnte beispielsweise zählen, die Entscheidungsbefugnisse auf Mitarbeiterebene auszuweiten oder flexiblere Arbeitszeitmodelle zu etablieren, um Best Practices zu fördern oder kreatives Arbeiten zu unterstützen. Besonders bedeutsam ist die wortwörtliche Integrität bei der Formulierung von identitätsstiftenden Unternehmensstatements, wie die Unternehmensvision oder -mission. Sie sind ein verbindliches Versprechen des Unternehmens an die Außenwelt, aber auch an die Mitarbeiter. Werden sie nicht einheitlich kommuniziert, verlieren sie an Glaubwürdigkeit und folglich ihren orientierungsstiftenden Charakter. „Gefordert ist also eine gewisse Bezeichnungskonstanz, vor allem bei Begriffen, die nicht solche des alltäglichen Lebens sind.“ (Reinmuth 2006, 249) Gerade die Konstanz von Aussagen über einen längeren Zeitraum gibt in ungewissen Zeiten Orientierung und fördert die Integrität des Managements – ein Grundpfeiler der Glaubwürdigkeit, dessen Bedeutung in der Praxis von Seiten des Managements oft nicht erkannt wird. Zugunsten einer schnellen Projektabwicklung wird auf ein kurzes Innehalten verzichtet, das es ermöglichen würde, sich in die Lage des Mitarbeiters hineinzuversetzen und eine ehrliche Antwort auf die Frage zu erhalten: Wie würde ich mich mit der Kommunikation fühlen? Würde ich das so verstehen und mich auf die Veränderung meines vertrauten Umfelds einlassen?

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4.4.3 Dialogisch kommunizieren Am ehesten lässt sich die Situation der Mitarbeiter in dialogischen Kommunikationsformaten nachempfinden. Dialogische Kommunikation ist in zweierlei Hinsicht erfolgsentscheidend: Sie ist zum einen effektiver, weil die Informationsverluste entfallen, die beim Einsatz technischer Medien unvermeidlich sind. Zum anderen ist sie durch die Vielfalt der möglichen verbalen und nonverbalen Signale besser als Massenkommunikation geeignet, die Gedanken, Gefühle, Einstellungen und vor allem das Verhalten von Mitarbeitern zu beeinflussen. Mögliche Missverständnisse können im Dialog sehr viel schneller ausgeräumt werden. Gerade bei Veränderungen haben Mitarbeiter verstärkt das Bedürfnis, sich zu beteiligen, Fragen zu stellen, Meinungen zu äußern und Empfehlungen für bestimmte Vorgehensweisen abzugeben (vgl. Wagner 2010). Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, schafft erfolgreiche Veränderungskommunikation Dialogsituationen, gestaltet dadurch Beziehungen zwischen Führung und Mitarbeiterschaft und führt im Idealfall zur Optimierung der Kommunikationsaktivitäten. Werden die Mitarbeiter hingegen nicht auf offiziellem Weg persönlich über die Veränderung in Kenntnis gesetzt, nutzen sie verstärkt Gerüchte als alternative Informationsquelle. Im Kontext von Unsicherheit und Sorge kann informeller Austausch aber verdeckten oder offenen Widerstand gegen die geplante Veränderung begünstigen. Hier wird erneut deutlich, warum Manager auf den Umgang mit Widerstand besonders sensibilisiert werden sollten. Wie in Kap. 2 erwähnt, haben Mitarbeiter in Zeiten des Umbruchs verstärkt mit Verlustangst zu kämpfen. Ist diese Angst berechtigt, ist es zunächst wichtig zuzuhören: Was bedeutet dieser Verlust für den Mitarbeiter? Allein durch aktives Zuhören kann Verständnis gezeigt werden. Die Mitarbeiter fühlen sich durch dieses Führungsverhalten in der Regel wertgeschätzt und stehen alleine dadurch der Veränderung offener gegenüber. Zusätzlich kann aufgezeigt werden, was sich nicht verändert, um den Verlust zu kompensieren. Falls die Notwendigkeit der Veränderung nicht eingesehen wird, hilft die Darstellung möglicher Verluste, wenn der Status quo beibehalten würde. Denn die meisten Menschen erachten es als weniger gravierend, nicht zu gewinnen, als etwas zu verlieren. Zum Erhalt bzw. Wiederaufbau des Vertrauens sollten sich die Führungskräfte im Rahmen dialogischer Maßnahmen nicht scheuen, Emotionen zu zeigen und auch ihre Mitarbeiter dazu ermutigen, ihre Gefühle auszudrücken. Gelingt es, ein offenes Gespräch zu führen, das über das Stellen von Verständnisfragen hinaus geht, kann eine Vertrauensbasis geschaffen werden, die es letztlich erlaubt, emotional aufgeladenen Situationen wieder eine lösungsorientierte Richtung zu geben.

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4.4.4 Narrativität und Metaphorik Wie bereits erläutert, ist die Change-Kommunikation auf einem guten Weg, wenn ein Sachverhalt klar, deutlich, schlüssig und zielgruppenspezifisch erklärt wird, so dass ihn der Teamleiter ebenso versteht wie der Arbeiter im Werk. Damit die Mitarbeiter die angekündigten Veränderungen und deren Auswirkungen auf den individuellen Arbeitsalltag tatsächlich verinnerlichen können, haben sich außerdem narrative Elemente bewährt. Wie in Kap. 3.2 bereits erläutert, kann sich die Change-Kommunikation die Kraft der Geschichten zunutze machen, um Veränderungen sinnstiftend zu vermitteln. Ängste und Sorgen kursieren in Form von Geschichten, die sich die Mitarbeiter über ehemalige und künftige Change-Projekte erzählen, durch das Unternehmen. Mit dem Ziel, eine gemeinsame Version der anstehenden Veränderungen zu finden, eine gemeingültige Change-Story, sollte das Management daher Plattformen schaffen, auf denen diese Geschichten erzählt werden können (vgl. Thier 2010). Die Plattformen sollten Diskurse ermöglichen, die Probleme, Befürchtungen oder Hoffnungen adressieren – und zwar hierarchieübergreifend. Wenn das Management sich die Sorgen der Mitarbeiter anhört und zugleich Stellung zu geplanten Maßnahmen nimmt, fördert das nicht nur Vertrauen und Glaubwürdigkeit, sondern auch ein organisationsweit einheitliches Verständnis über die anstehenden Veränderungen (vgl. ebd.). Ein ähnlich narrativer Ansatz hilft auch den Managern, sich auf ihre Rolle vorzubereiten: Wenn sich einzelne Management-Teams über die Auswirkungen des Change, deren kommunikative Vermittlung sowie die Implementation notwendiger Maßnahmen austauschen, erarbeiten sie ein gemeinsames Verständnis über Wesen und Umfang des Change-Projekts und können es glaubwürdiger ins Unternehmen tragen. Der Erfolg einer großrahmig angelegten Change-Initiative bei General Electric (GE) lag beispielsweise in systematischen Diskursen der Manager begründet: Einzelne Manager-Teams erhielten Kommunikationsbotschaften vom CEO via Video und waren anschließend dazu angehalten, sich in selbst organisierten Diskussionsgruppen mit den anstehenden Veränderungsmaßnahmen auseinanderzusetzen. So wurden sie zu Change-Agenten und erhielten ein gemeinsames Verständnis von den bevorstehenden Herausforderungen, was die Grundvoraussetzung für den Erfolg des Projektes war (vgl. Etzol 2008). Manager werden durch diese Vorbereitung außerdem für mögliche Widerstände sensibilisiert, da sie sich das Thema selbst interaktiv und narrativ erschlossen haben. A narrative analysis of change processes opens space for a discussion of motives and purposes, power and domination, aspirations and follies, vanity and self-doubt, ambiguity and polyphony. (Tsoukas 2005, 102)

Neben der Frage, wie die Manager aus Perspektive der Mitarbeiter die bisherige Kommunikation bewerten würden (siehe Kap. 4.4.2), lässt sich eine weitere selbstreflexive

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Frage sinnvoll ergänzen: Wie konsistent und transparent müsste ich mich als Führungskraft verhalten, damit meine Mitarbeiter darüber eine gute Geschichte erzählen können? (vgl. Bittelmeyer 2004, 76). Wie bereits erwähnt, eröffnen Diskurse auch den Raum für Neuinterpretationen, die von den Initiatoren des Wandels nicht intendiert waren. Beispielsweise kann die Einführung eines Total-Quality-Programms den Diskurs über die Optimierung einzelner Prozesse fördern, was ein generelles Überdenken von Routinen zur Folge haben kann (vgl. Tsoukas 2005). Hierbei kann sich eine Dynamik entwickeln, die weit über den ursprünglichen Kontext des Change-Projekts hinaus eine Kultur des Hinterfragens und Lernens hervorbringt. Mit einer Art Schneeballeffekt werden weitere Prozesse und Routinen hinterfragt, so dass aus einem sequenziellen Change-Projekt ein kontinuierlicher Veränderungsprozess entsteht (vgl. Tsoukas 2005, 100). Dieses Beispiel kann zwar als eine positive Form der Kontextverschiebung gewertet werden, macht aber dennoch deutlich, dass Change-Projekte auf ihrem Weg durch die Organisation mitunter ungeplante Dynamiken entwickeln. Wurden in der Analysephase des Change-Projektes Meinungsführer identifiziert, die den Veränderungen gegenüber tendenziell positiv gestimmt sind, ist es durchaus zielführend, diese darum zu bitten, die Change-Story im Unternehmen auf unterschiedlichen Ebenen zu verbreiten, um diese Dynamiken besser steuern zu können (vgl. Bittelmeyer 2004). Mit ihrem Auftrag, einen Beitrag zum Framing des Change-Projektes zu leisten, also eine schlüssige Change-Story zu erzählen, sollte sich die Change-Kommunikation außerdem die Metaphorik zunutze machen: Metaphern haben bei der Konstruktion der organisationalen Wirklichkeit eine Schlüsselrolle inne – denn Metaphern erleichtern das Verstehen komplexer Sachverhalte und wirken sich besonders sinnstiftend aus (vgl. http://www.wolfgangrodlauer.at). So prägt die Metaphorik, mit der ein Sachverhalt geschildert wird, maßgeblich die Interpretation auf Seiten des Empfängers. Als Beispiel dient ein wissenschaftliches Experiment der Stanford University: Den Probanden werden zwei Versionen eines Textes vorgelegt, der dieselbe Kriminalitätsstatistik einer fiktiven Stadt darlegt. Der einzige Unterschied liegt in der Metaphorik bei der Betitelung des Verbrechens: Einmal wurde es als „Wildes Tier“ und einmal als „Virus“ bezeichnet. Die Probanden, denen Version 1 („Wildes Tier“) vorgelegt wurde, schlugen zur Bekämpfung der Kriminalität hartnäckige Methoden zur Verbrecherjagd vor, während die Probanden mit der Virus-Metapher auf die Armutsbekämpfung fokussierten und für den Ausbau der Bildung plädierten (vgl. Schramm/Wüstenhagen 2012). Metaphern beeinflussen folglich, in welche Richtung sich ein Interpretationsrahmen aufspannen soll, wie wir Dinge aufnehmen und unsere Entscheidungsfindung gestalten (vgl. Schramm/Wüstenhagen 2012). Sie können demnach einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf eines Change-Vorhabens nehmen, den die Kommunikationsverantwortlichen für ihre Zwecke zu beeinflussen versuchen sollten.

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4.5 Wann wird kommuniziert? Rechtzeitige Kommunikation verringert die Gefahr negativer Gerüchte über die Ziele und Auswirkungen der Veränderung und erhöht ferner das Vertrauen in die Integrität und die Kompetenz des (Top-)Managements (vgl. in Abb. 3 das Prinzip ‚Frühzeitig informieren‘). Dies gilt sowohl für die Erstinformation über die Veränderung als auch für Entscheidungen und Ereignisse im weiteren Verlauf. Mithilfe einer rechtzeitigen Kommunikation können informelle Kommunikationswege indirekt beeinflusst und kontraproduktiven Gerüchten entgegengewirkt werden. Insbesondere bei schwer vermittelbaren Inhalten oder Versäumnissen des Managements ist die frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung. Wenn schlechte Nachrichten hingegen zu spät oder nur scheibchenweise kommuniziert werden, versäumt das Management die Chance, den Interpretationsrahmen dieser Nachrichten aktiv mitzugestalten. Außerdem wird den Mitarbeitern über solch eine frühzeitige Aufklärung signalisiert, dass die Lage realistisch eingeschätzt und an Lösungsvorschlägen gearbeitet wird (vgl. Reinmuth 2006). Dies schafft Vertrauen und verringert das Risiko eines verdeckten Widerstands. In der unternehmerischen Praxis obliegt es den Kommunikationsverantwortlichen, die jeweiligen Managementebenen im Timing ihrer kommunikativen Aktivität zu unterstützen. Hierzu zählt beispielsweise auch, Informationen vom Top-Management aktiv einzufordern, um unternehmensweit für eine transparente Kommunikation zu sorgen. Aber auch wenn nur vage Informationen über den Verlauf des Veränderungsprojekts vorliegen: Fast immer ist eine frühzeitige Kommunikation verbunden mit einem Verweis auf Folgeinformationen eine bessere Lösung als auf frühzeitige Kommunikation zu verzichten. Denn so fühlen sich die Mitarbeiter informiert und einbezogen (vgl. Wagner 2010). Die kommunikativen Aktivitäten dürfen dann natürlich während des ChangeProjekts nicht nachlassen. Insbesondere bei strategischen unternehmensweiten Veränderungen muss die begleitende Projektkommunikation die Linienkommunikation überlagern. Werden die Mitarbeiter kontinuierlich über den Stand des Veränderungsprojekts informiert, können sie die Informationen besser aufnehmen und eventuelle kommunikative Pannen bei einzelnen Maßnahmen eher verzeihen (vgl. in Abb. 3 das Prinzip ‚Regelmäßig kommunizieren‘). Zudem können von der Intention des Senders abweichende Interpretationen durch den Rezipienten einer Botschaft rasch durch die nächste Kommunikationsmaßnahme korrigiert werden. Beides zusammen führt dazu, dass die Mitarbeiter voraussichtlich emotional und gedanklich weniger abgelenkt sind und sich daher trotz laufender Veränderungen besser auf die Erledigung ihrer Routineaufgaben konzentrieren können. Ein kontinuierliches Hintergrundrauschen ist demnach genauso wichtig wie die Inhalte der Kommunikation selbst. Der Kommunikationsfluss darf hierbei aber nicht als einseitig top-down verstanden werden. Der gezielte Einsatz von Feedbackinstrumenten ist unerlässlich, um die

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Entwicklung des Change-Projektes und die ‚Betriebstemperatur‘ auf allen Organisationsebenen messen und gegebenenfalls Kurskorrekturen vornehmen zu können.

5 Fazit Die Wahl der Worte entscheidet über die wahrgenommene Kompetenz, Sympathie, Intention und folglich Glaubwürdigkeit der Kommunikatoren. Was das Management wie kommuniziert, prägt die Einstellung der Organisationsmitglieder und die Konstruktion (organisationaler) Wirklichkeiten. Diese Wirklichkeiten wirken sich unmittelbar auf den Erfolg von Veränderungsvorhaben aus, denn sie sind der Bezugsrahmen für die Menschen, die aus einem vertrauten Umfeld heraus auf die Reise in eine unbekannte Zukunft genommen werden, bei der Umlernen und Neulernen auf dem Programm stehen. Organisationale Wirklichkeiten werden hierbei aber genauso von Seiten der Mitarbeiter geformt, und zwar durch informelle Diskurse. Die Interpretation jeder Form von Kommunikation hängt von den Fähigkeiten, Einstellungen und der Vorerfahrung der jeweiligen Rezipienten ab. So entstehen Dynamiken, die von einer systematischen, handwerklich versierten Change-Kommunikation eingefangen werden müssen. Der Schwerpunkt liegt auf der aktiven Steuerung – denn wer nicht kommuniziert, kann auch keine Deutungsrahmen vorgeben und dem kann auch keiner etwas glauben (vgl. Reinmuth 2006). Erfolgreiche Change-Kommunikation zeichnet sich also durch hohe Sprachkompetenz aus, die eine klare und konsistente Kommunikation sicherstellt, auf Basis einer metaphorisch klugen Storyline. Wenn es gelingt, dass über das Change-Projekt hierarchieübergreifend ein anregender Austausch stattfindet, der zwar Raum für Unsicherheit und Sorge bietet, aber nicht von ihr eingenommen wird, dann kann eine einheitliche Sprache gefunden werden, die Sinn und Orientierung verleiht – die Basis für gelungene Veränderungen.

6 Literatur Bittelmeyer, Andrea (2004): Geschichten, die das Unternehmen schreibt. In: Manager Seminare 78, 70–78. Buchholz, Ulrike (2002): Wie funktioniert Veränderung? Interne Kommunikation als Schlüsselfaktor. In: Günter Bentele/Manfred Piwinger/Gregor Schönborn (Hg.): Kommunikationsmanagement. Strategien, Wissen, Lösungen. Neuwied u. a. Etzol, Pascal (2008): The Role of Language in Organizational Power and Change – A Case Study in a Global European Pharmaceutical Company. Diss., Faculty of the Graduate School of Education and Human Development, George Washington University.

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Ford, Jeffrey D./Lauri W. Ford (1995): The role of conversations in producing intentional change in organizations. In: Academy of Management Review 20/3, 541–570. Funke, Joachim (1999): Sprache und Denken: Einerlei oder Zweierlei? Einige Überlegungen aus Sicht der Psychologie. Ringvorlesung Wintersemester 1999/2000 ‚Sprache und Denken‘. Psychologisches Institut der Universität Heidelberg. Janssen, Claes F. (1996): The Four Rooms of Change. In: http://www.claesjanssen.com/four-rooms/ index.shtml (Zugriff am 05.01.2015). Kübler-Ross, Elisabeth (1969): On Death and Dying. New York. Kotter, John P. (2008): Das Unternehmen erfolgreich erneuern. In: Harvard Business Manager 04/08, 140–151. Lundberg Craig C./Cheri A. Young (2001): A note on emotions and consultancy. In: Journal of Organizational Change Management 14/6, 530–538. Langen, Ralf/Kathrin Schwabe (2009): Die gelähmte Schicht – Ein positiver Blick auf die Kommunikationserfordernisse moderner Führung. In: Lars Dörfel/Ulrich E. Hinsen (Hg.): Führungskommunikation. Dialoge. Kommunikation im Wandel – Wandel in der Kommunikation. Berlin, 81–124. Marr, Rainer (1993): Arbeitszeitmanagement. Grundlagen und Perspektiven der Gestaltung flexibler Arbeitszeitsysteme. 2. Aufl. Berlin. Reinmuth, Marcus (2006): Vertrauen schaffen durch glaubwürdige Unternehmenskommunikation. Diss., Philosophische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Rogers, Everett M. (1995): Diffusion of innovations. 4. Aufl. New York. Schein, Edgar (1995): Unternehmenskultur. Ein Handbuch für Führungskräfte. Frankfurt a. M. Schramm, Stefanie/Claudia Wüstenhagen (2012): Die Macht der Worte. In: Zeit wissen 6/2012, http://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/06/Sprache-Worte-Wahrnehmung (Zugriff am 05.01.2015). Thier, Karin (2010): Storytelling. 2. Aufl. Berlin/Heidelberg. Thitthongkam, Thavorn/John Walsh (2010): Roles of Language in Tourism Organisational Management. In: Asian Journal of Management Research 1/1, 184–199 Tsoukas, Haridimos (2005): Afterword. Why language matters in the analysis of organizational change. In: Journal of Organizational Change Management, 18/1, 96–104. Wagner, Eike (2010): Wie erfolgreiche Veränderungskommunikation wirklich funktioniert?! Berlin. URLS: http://bessler-org.de/pages/beratung/change-management.php (Zugriff am 05.01.2015). http://www.wolfgangrodlauer.at (Zugriff am 05.01.2015).

Peter Höbel

11. Ohne Risiko keine Chance – Issuesmanagement, Risiko- und Krisenkommunikation Abstract: Ein zunehmend bedeutender werdendes Instrument der strategischen Kommunikation ist das Issuesmanagement. Professionell umgesetzt trägt es dazu bei, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Themen und Trends frühzeitig zu identifizieren. Wesentlicher Bestandteil ist das Erkennen, Beurteilen und Managen kommunikativer Risiken und Chancen. Damit eng verknüpft sind die Risiko- und die Krisenkommunikation. Die interne Risikokommunikation dient unter anderem der Risikosteuerung, die externe Risikokommunikation soll zur Risikomündigkeit der Öffentlichkeit führen. Falls sich ein Risiko realisiert und zur Krise wird, kann Krisenkommunikation strategisch und taktisch zur Schadensbegrenzung eingesetzt werden. Beschrieben werden dazu sechs vom Autor dieses Beitrags identifizierte Faktoren der Krise sowie eine von ihm entwickelte Typologie von zwölf Krisenarten mit ihren spezifischen Eigenschaften. Alle Typen verbindet als Gemeinsamkeit, dass es meist mehr auf die gefühlten als auf die tatsächlichen Bedrohungen ankommt. Im Gegensatz zu Medien, die das Fördern latenter Ängste als Auflagen bzw. Quoten steigerndes Geschäftsmodell betreiben, unterschätzen rational denkende Entscheider in Wirtschaft und Politik oft deren emotionale Wirkungen. Eine zusätzliche Verschärfung bringen neuerdings die sozialen Medien, deren Erregungsmechanismen als eine Art kommunikative Brandbeschleuniger wirken. 1 2

Issuesmanagement zeigt Risiken und Chancen Krisenkommunikation begrenzt den Schaden

1 Issuesmanagement zeigt Risiken und Chancen „An issue ignored is a crisis ensured“ dürfte wohl eines der am häufigsten zitierten geflügelten Worte des ehemaligen US-Außenministers Henry A. Kissinger sein. Der Altmeister der Diplomatie hat schon in den 1970er-Jahren festgestellt, dass eine nicht adäquat behandelte „Angelegenheit“ (im Englischen issue) unweigerlich in eine Krise mündet. Gelegenheit, seine These in der Praxis zu belegen und mit Krisen infolge nicht adäquat eingeschätzter Issues amerikanischer Außenpolitik umzugehen, hatte Kissinger rund um seine Amtszeit reichlich – vom Vietnamkrieg bis zum Nahostkonflikt.

Ohne Risiko keine Chance 

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1.1 Früherkennung von Trends und Entwicklungen Wenn wir heute von Issues und Issuesmanagement im Umfeld von Politik und Wirtschaft sprechen, sind in erster Linie gesellschaftliche Trends und Entwicklungen mit Auswirkungen auf die Gesellschaft und die betreffenden Unternehmen gemeint. Die möglichen Dimensionen und Eskalationsstufen sind vielfältig. Das können Veränderungsprozesse von epochaler und globaler Bedeutung sein. Es kann sich bei einem Thema oder Themenkonglomerat aber ebenso um eine nur begrenzt wirkende spezifische Lage handeln, beispielsweise innerhalb einer Branche oder eines Unternehmens. Nach Auffassung des Leipziger Kommunikationswissenschaftlers Bentele stellen sich selbst oder fremd thematisierte Einflüsse als Bedrohung oder Chance dar. Aus der Fülle an Informationen sind die relevanten auszufiltern und Handlungsoptionen zu definieren (Wehmeier 2000, 170). Merten führt dazu aus: „Issues Management ist ein kontinuierlicher Prozess von Beobachtung (Monitoring), Analyse, Strategie und Handeln.“ (Merten 2001, 56) Kernaufgabe des Issuesmanagements in der Praxis ist es, Themen, Trends und Entwicklungen mit Hilfe intelligenter Früherkennungssysteme so rechtzeitig zu identifizieren bzw. deren Indikatoren antizipativ zu interpretieren, dass die daraus resultierenden Chancen genutzt und Krisen vermieden werden können. Als Instrumente dienen einerseits die klassischen Mittel der Kommunikationsevaluation wie zum Beispiel die Medienresonanzanalyse, interne und externe Panels und die Beobachtung von Newsgroups, zunehmend auch die planmäßige Auswertung sozialer Medien. Bei hinreichender Professionalisierung wird ein multidisziplinärer Prozess etabliert, in dem neben Kommunikatoren unter anderem Juristen, Naturwissenschaftler, Soziologen, Psychologen, Politologen und natürlich auch Volks- und Betriebswirte mitwirken. Allerdings ist der erforderliche Grad an Professionalisierung in Deutschland bislang noch nicht State of the Art. Nach Mosemann, Communications-Managerin bei Deutsche Post DHL, betrieben 2013 nur drei von zehn DAX-30-Unternehmen strategisches Issues-Management (vgl. Meiburg 2014, 18). Ein idealtypisches Beispiel für ein Mega-Issue mit allen Facetten ist die hochkomplexe Entwicklung der Veränderung unserer Energieversorgung. Das Issue Energiewende hat hauptsächlich eine technische, eine gesellschaftliche und eine rechtliche Komponente. Die Erfindung und stetige Verbesserung von Energieanlagen etwa mit modernen Solarzellen für die Fotovoltaik, effizienten Windanlagen in jeder Größe, GeothermieSonden zu erschwinglichen Preisen oder Mini-Block-Heizwerken sogar für Privathaushalte bilden die technische Grundlage. Die zunehmende Akzeptanz des Klimaschutzgedankens liefert den gesellschaftlichen Nährboden für die Verbreitung neuer Technologien und Techniken in relevantem Ausmaß. Gleichzeitig begünstigen breit vorhandene Ängste vor der hergebrachten Energieerzeugung, wie etwa die wachsende Furcht vor dem Nuklear-Gau und die zunehmende Sorge vor den klimatischen und gesundheitlichen Auswirkungen der Kohleverstromung, die Entwicklung. Die

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Politik, die nur zu oft nicht die Richtung vorgibt, sondern opportunistisch auf dem gesellschaftlichen Mainstream surft, macht schließlich den Weg durch das Schaffen der nötigen gesetzlichen Voraussetzungen frei. Bei gleicher Ausgangslage sind die Folgen höchst unterschiedlich. So haben Manager von Energieversorgungsunternehmen (EVU) den aufkommenden Issue offensichtlich falsch interpretiert und ihre Konzernschiffe nicht rechtzeitig umgesteuert. Folgen des ausgebliebenen oder zu spät eingeleiteten Kurswechsels sind Milliardenverluste aus der konventionellen Energieerzeugung: Issue ignoriert – Krise eingeladen. Wer hingegen aus den sich verändernden Faktoren frühzeitig die richtigen Schlüsse gezogen hat, konnte mit gutem Vorsprung neue Geschäftsfelder erschließen und Marktanteile sichern. Die sich verändernden Umweltbedingungen wurden ökonomisch genutzt und in ein Innovationsmanagement gegossen: Issue erkannt – Chance genutzt. Doch Issues haben einen Lebenszyklus. Dessen Entwicklung ist dynamisch und von zahlreichen Imponderabilien beeinflusst. Die heutigen Gewinner der Energiewende können bereits morgen zu Verlierern werden, falls das Pendel zurück schwingt. Weil die Sonne bekanntlich nicht immer scheint und der Wind nicht immer ausreichend bläst, schwankt die Energieausbeute und prompt wachsen die Ängste in der Bevölkerung vor dem drohenden Blackout. Weil überdies die Strompreise explodieren, nimmt auch die vor kurzem noch gestiegene Akzeptanz für die neuen Energiequellen wieder rapide ab. Die Euphorie scheinbar unbegrenzter technischer Möglichkeiten ist der Ernüchterung ob der unschönen Begleiterscheinungen gewichen. Dies führt zu Konflikten – paradoxerweise sogar innerhalb des vermeintlich selben Lagers: Natur- und Tierschützer bekämpfen Umweltschützer. Individualisten aus der Gruppe der „NIMBY“s (Abkürzung für: „Not in my Back Yard“) frönen dem Sankt-Florians-Prinzip: Strommasten ja – aber bitte nicht neben meinem Haus. Schon bringen sich populistische Agendasurfer für die Wende der Wende in Stellung.

1.2 Sprachschöpfungen als Katalysatoren in den Issues Neue Entwicklungen bringen neue Sprachschöpfungen mit sich. Auch das lässt sich am Beispiel des Issues Energiewende aufzeigen. Schon der Gattungsbegriff Energiewende ist so eine Neuschöpfung – erfunden vom Öko-Institut Freiburg (Krause/ Bossel/Müller-Reissmann 1980). Wende ist positiv konnotiert: Wende signalisiert die Wandlung hin zum Besseren. So soll die Energiewende die Hoffnung auf Veränderung hin zu einer saubereren, sichereren, in jedem Fall besseren Versorgung der Menschen mit Energie suggerieren. Befürworter oder Nutznießer bemühen sich um eine möglichst positiv wirkende Sprache, die manchmal hart an der Grenze zu Euphemismen ist: Windpark. Wer hat

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schon etwas gegen einen Park? In die Phantasie der Rezipienten sollen Bilder von einem eleganten Schlosspark oder der idyllischen Landschaft in naturbelassenen Nationalparks projiziert werden, durch die ein sanfter Wind weht. Das ist Bestandteil einer sich anbiedernden Marketingsprache. Sie gehört innerhalb des Issuesmanagements zum Perzeptionsmanagement (Wahrnehmungsmanagement). Die Menschen sollen mit nachhaltiger Entwicklung, Kraft-Wärme-Kopplung, Versorgungssicherheit, globaler und Generationen übergreifender Solidarität und natürlich dem Atomausstieg, dem Ölausstieg, dem Kohleausstieg und bei Bedarf auch noch dem Ausstieg vom Ausstieg den Issue lieben lernen. Zum Einsatz kommen in der Marketingsprache zahlreicher Broschüren und Internetauftritte, aus denen die Begriffe stammen, gerne Anglizismen oder ‚Denglisch‘ (Deutsch-Englisch-Sprachkombinationen), zum Beispiel Wortschöpfungen wie Power-to-Gas-Konzept. Nicht weniger einfallsreich sind die Gegner. Ihnen gelingt es, denselben Issue sprachlich negativ zu konnotieren. Dann wird aus dem idyllischen Windpark die Vorstellung vom mörderischen Vogelschredder, in dem unschuldige Piepmätze zerfleischt werden. Über diesem Unterholz wächst der Hochwald aus monströsen Windrädern, die immer weiter in den Himmel hineinragen. Bald weit über 200 Meter, verrufen als Vogelschredder. […] Als die Windpioniere in den 70er-Jahren, zu Beginn der Antiatomkraft-Bewegung, bei etwa 60 Metern angelangt waren, kürzten sie ihre „Großwindanlage“ selbstironisch mit „Growian“ ab. (Kulke 2013)

Wer kann so eine Barbarei guten Gewissens mitmachen? Und die auf Generationen hinaus wirkende ästhetische Deformierung ganzer Ortschaften und Landstriche durch Windmühlen wird mit dem Begriff Verspargelung bildhaft dargestellt. Aber bei der Verspargelung des Raumes gehe es „um Kernregionen deutscher Geschichte und Kultur, um Landschaftsschutzgebiete, bislang sorgsam gewahrte Kulturräume und Ensembles, die man um unseres unstillbaren Energiehungers willen im Verein mit den unsagbaren Fotovoltaik-Untaten auf den Dächern alter Ortsgefüge in ihrer Identität, in ihrem Wert hinrichtet und vernichtet.“ Naturschutz ist für zu Guttenberg nicht zuletzt auch konsequenter Landschaftsschutz. (Kulke 2013)

Folgerichtig produzieren Biogasanlagen Fäkalstrom (vgl. z. B. o. V. 2014) – die öffentliche Wahrnehmung wird mit Hilfe der Sprache mental auf abstoßend und unappetitlich umgepolt. Zahlreiche im Zuge des Issues entstandene technische Neubegriffe von der SolarPaneele bis zum „regelbaren Ortsnetz-Transformator“ (RWE Deutschland AG (2014) sind scheinbar neutral. Trotzdem sollten die technikaffinen Unternehmenskommunikatoren nicht unterschätzen, dass solche Begriffe allein wegen ihrer Fremdartigkeit oder aufgrund des technischen Unverständnisses der Masse der Rezipienten Ängste verursachen können. Solchen Ängsten zu begegnen ist eine der Funktionen der Risikokommunikation.

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1.3 Risikomanagement und Risikokommunikation Ein Risiko zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ein negatives Ereignis in der Zukunft eintreten und zur Krise werden könnte – aber eben nicht notwendigerweise. Die Eintrittswahrscheinlichkeit sowie das Ausmaß des zu erwartenden Schadens bei Eintritt bestimmen den Umfang des tatsächlichen Risikos. Die Risikokommunikation ist wesentlicher Teil im Instrumentenkasten des Risikomanagements. Sie nimmt Einfluss mit dem Ziel, unnötige Risiken zu vermeiden und das Krisenpotenzial zu minimieren. Wirtschaftswissenschaftler und Juristen stützen sich auf komplizierte und nicht allgemein verständliche Regelwerke wie den US-amerikanischen Sarbanes-Oxley-Act (SOX 2002), den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK 2014), diverse DINund ISO-Normen oder das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG 1998). Demnach gehört ein betriebliches Risikomanagement zur pflichtgemäßen Kernkompetenz unternehmerischer Führung und wird folgerichtig meist im Controlling der Finanzabteilung beschrieben, bewertet und verwaltet. Rein rechtliche und wirtschaftliche Betrachtungen greifen aber zu kurz. Vielmehr sollten multidisziplinäre Risikobewertungen zu operativen Handlungsanweisungen führen. Darauf bauen interne und externe Risikokommunikation auf.

1.3.1 Interne Kommunikation dient der Risikosteuerung Prozessbegleitende interne Risikokommunikation ist unverzichtbar, um die relevanten Informationen an die jeweils Verantwortlichen auf geeignete Weise weiterzuleiten. Die übermittelten Inhalte sollen über die reine Beschreibung der Risiken oder bloße Handlungsanweisungen hinausgehen. Sie sollen vielmehr auf die mentale Haltung jedes einzelnen Rezipienten nachhaltig einwirken. Das Risikobewusstsein der eigenen Mitarbeiter zu stärken, wieder zu aktivieren oder manchmal auch erst zu wecken, ist bedeutsam. Eine Gratwanderung hinsichtlich Ethik und Unternehmenskultur kann dabei Awareness-Kommunikation sein, dann nämlich, wenn sie der sozialen Kontrolle und deren Akzeptanz dient. Jedem bekannt gewordenen Fehler konsequent nachzugehen und Mitarbeiter sogar aufzufordern, Fehler von Kollegen zu melden, hat auf den ersten Blick den unangenehmen Beigeschmack von Denunziation. Dabei ist dieses negative Image unbegründet, vorausgesetzt in der Organisation ist eine entsprechende Fehlerkultur etabliert und akzeptiert. Positives Beispiel hierfür sind die im Lufthansa-Konzern seit vielen Jahren etablierten Flightreports. In diesen Berichten wird jeder kritische Zwischenfall gemeldet und intern aufgearbeitet. Dabei spielt es keine Rolle, wer den Report über wen abgibt. So kann der jüngste Co-Pilot einen altgedienten Kapitän melden. Experten prüfen dann, ob der tatsächliche oder vermeintliche Fehler systemisch oder individuell begründet ist, ob er vermeidbar gewesen wäre und  – am

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wichtigsten – ob er zukünftig vermeidbar sein wird. Ausschlaggebend für den Erfolg dieses Systems der Risikominimierung ist, dass unabhängig vom Ergebnis der Untersuchung keine disziplinarischen oder arbeitsrechtlichen Maßnahmen drohen. Überall im Arbeitsleben gilt: Angst vor Strafe führt zu einem Klima der Vertuschung. Offener Umgang mit Fehlern führt dagegen zu einer kontinuierlichen Verringerung der Fehlerquote. Nur so ist der außerordentlich hohe Sicherheitsstandard in der Luftfahrt und das ausgeprägte Sicherheitsbewusstsein des Personals zu erreichen und zu halten. Verschiedentlich wird nun versucht, dieses erfolgreiche Prinzip auf andere Branchen zu übertragen, beispielsweise die Medizin. Es dürfte allerdings noch lange dauern, bis sich in den Operationssälen eine ähnlich offene und hierarchielose Fehlerkultur wie in den Flugzeugcockpits etablieren wird. Wenngleich die Zielrichtung nach innen gerichtet ist, können die gleichen Botschaften auch für die externe Risikokommunikation genutzt werden. Denn sie sind Belege für Qualität und Sicherheit und wirken angstreduzierend auf die externen Stakeholder wie Behörden oder Geschäftspartner, vor allen Dingen aber die zahlenden Kunden. Viele Menschen können sich während eines Fluges nicht entspannen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach von 2003 leiden 16 % der Deutschen an Flugangst, weitere 22 % verspüren deutliches Unbehagen. Eine Umfrage von checkfelix.com ergab 2013 für Österreich, dass sich über die Hälfte der Passagiere (55 %) nicht wohl fühlt, wenn sie in ein Flugzeug steigen muss.

In Anbetracht der realen Sicherheit des Fliegens handelt es sich meist um irrationale Ängste (häufig aufgrund mangelnder oder falscher Informationen), die man, am besten mit fachlicher Unterstützung, bewältigen kann. (Deutsche Lufthansa AG 2015)

1.3.2 Externe Kommunikation führt zu Risikomündigkeit Vielfach und lange Zeit unterschätzt war und ist die externe Risikokommunikation. Den Adressaten der Risikokommunikation fehlen oft grundlegende Informationen sowie die Fähigkeit, mit wissenschaftlichen Aussagen umzugehen. Das beginnt schon damit, dass Laien und Experten ein und denselben Sachverhalt höchst unterschiedlich beurteilen. Fachkenntnisse, Vorkenntnisse, Erfahrungen aus der Vergangenheit, Bildung, aber auch Ideologien und Vorurteile und der soziale Hintergrund werden zur Einschätzung des Risikoinhaltes herbeigezogen. Und eine große Rolle spielen psychologische Komponenten wie Ängste. Frauen und ältere Menschen haben eine intensivere Risikowahrnehmung als Männer und jüngere Personen. Ein Biologe bewertet das Risiko gentechnisch veränderten Saatguts anders als ein Politologe. Ein Physiker schätzt die Gefahr, die von einem Kernkraftwerk ausgeht, anders ein als eine in direkter Nachbarschaft lebende Familie oder ein Umweltaktivist. Für Risiko-

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forscher Ortwin Renn sind all diese Zusammenhänge aufgrund seiner langjährigen Studien lapidar erklärbar: „[…] uns bereitet […] das Denken in Wahrscheinlichkeiten große Probleme“. (Kramer 2015, vgl. detailliert hierzu Renn 2014). Wir geben sehr viel Geld für Kriminalitätsbekämpfung aus. Wir geben dagegen sehr wenig Geld für Suizidprävention aus. Dabei kommen durch Suizide zehnmal mehr Menschen ums Leben als durch Mord und Totschlag. Wenn man genug Geld hat, um beides zu bekämpfen – wunderbar. Aber wenn die Mittel knapp sind, würde ich sie eher in die Suizidprävention stecken. (Renn im Interview mit Kramer 2015)

So wird über die Eintrittswahrscheinlichkeit und das zu erwartende Schadensausmaß von Risiken regelmäßig öffentlich gestritten. Was dem einen als riskant erscheint, ist für den anderen absolut tolerabel. Den Schaden, den eine Gruppe für inakzeptabel hält, sieht eine andere als hinnehmbar an. Für das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gehört deshalb der Diskurs zur „Risikomündigkeit“ (Brauerhoch/Ewen/ Sinemus 2008, 13). Risiken werden von den unterschiedlichen Stakeholdern auch verschieden stark gewichtet und deshalb auch mit divergierender Priorität kommuniziert. Ein Chemiekonzern beispielsweise wird die mit seiner Produktion verbundenen Risiken anders kommunizieren (nämlich entweder gar nicht oder mit der Tonalität, dass alles sicher und beherrschbar sei) als ein Umweltverband oder eine Bürgerinitiative. Während es für den Konzern nur eines von vielen Themen ist, kann das Umweltrisiko für die Bürgerinitiative vielleicht das einzige oder sogar konstituierende Thema sein. Externe Risikokommunikation hat für den ‚Risk Owner‘, also denjenigen, von dem das Risiko ausgeht, mehrere Ziele. Zum einen die Pflicht, vor realen Gefahren zu warnen: Ein Hinweis auf Hochspannung soll verhindern, dass jemand die Leitung berührt und zu Schaden kommt. Die zweite Funktion ist die juristische Absicherung (Disclaimer) zur wirtschaftlichen Schadensbegrenzung, oft nur Vorschriften folgend und formelhaft mit geringer Auswirkung auf das tatsächliche Verhalten: „Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Zum Dritten sollen Menschen mental vorbereitet werden, dass bestimmte kritische Ereignisse tatsächlich eintreten können. Der in den 1970er-Jahren von der Nuklearindustrie aus diesem Grund geprägte Begriff Restrisiko, ursprünglich zur Beruhigung der Bevölkerung gedacht, ist zwischenzeitlich allerdings zum Inbegriff für fehlgeleitete Risikokommunikation geworden (vgl. Höbel 2013). Der ‚Rest‘ ist eben eine mathematische Größe, denn wann wirklich etwas passiert, kann seriöserweise keiner vorhersagen.

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2 Krisenkommunikation begrenzt den Schaden Krisen sind bereits eingetretene Ereignisse oder Störungen, die negativen Einfluss mit nachhaltiger Wirkung auf die Wirtschaftskraft oder die Reputation eines Unternehmens oder einer Organisation haben oder haben können. Zur Schadensminderung ist aktives Krisenmanagement erforderlich. Im Vorfeld sind die erforderlichen Maßnahmen als Krisenprävention zu organisieren und im Ernstfall ist die Krisenintervention durchzuführen. Jede Krise hat eine operative und eine kommunikative Komponente, die sich zueinander verhalten wie kommunizierende Röhren. Krisenkommunikation muss daher zwingend integrativer Bestandteil des Krisenmanagements sein. Risikokommunikation ist wie weiter oben beschrieben die Kommunikation vor Eintritt einer möglichen Krise. Krisenkommunikation ist die Kommunikation nach Eintritt einer Krise. Sie ist eine Querschnitt-Disziplin, in der aus nahezu allen Bereichen des Kommunikationsmanagements Elemente vorkommen. Sei es die Zielgruppe intern wie extern, seien es Auslöser, Stilmittel, Sprach- und Kulturelemente, Informationskanäle oder Inhalte – lokal, regional, national und global. Entsprechend gibt es zu vielen Beiträgen des vorliegenden „Handbuchs Sprache in der Wirtschaft“ einen Bezug. Krisenkommunikation kann nicht das eingetretene Ereignis selbst verringern, aber sie kann zur wirksamen Schadensbegrenzung in den ökonomischen und reputativen Folgen beitragen.

2.1 Die sechs Faktoren der Krisenkommunikation Nach eigener Definition des Autors bestimmen sechs Faktoren die Krisenkommunikation: Zeitfaktor, Personalfaktor, Vertrauensfaktor, Komplexitätsfaktor, Kostenfaktor und Know-how-Faktor. Sie sind eng miteinander verwoben und wirken in der Summe.

2.1.1 Zeitfaktor Von den öffentlich wahrgenommenen Handlungsweisen zu Beginn einer Krise wird der gesamte spätere Krisenverlauf bestimmt. Anfangsfehler lassen sich später nur mit sehr großem Aufwand korrigieren. Die Geschwindigkeit und Aggressivität der Medien zu unterschätzen heißt, das taktische Ziel, die Meinungsführerschaft anzustreben, aufzugeben. Das ist insofern ein Dilemma für die Kommunikatoren, als zu einem Zeitpunkt, zu dem häufig noch sehr wenige belastbare Fakten bekannt sind und sich die Ereignisse häufig rapide weiter entwickeln, ein besonders hoher Kommunikationsdruck besteht. Schnelligkeit geht vor Vollständigkeit. Um die Deutungshoheit nicht kampflos abzugeben, lassen sich universell einsetzbare Sprachregelungen vorbereiten.

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2.1.2 Personalfaktor Krisenmanagement ist Chefsache und funktioniert top-down. Die Krisenreaktionskräfte werden von einem idealerweise interdisziplinär besetzten Krisenstab geführt. Neben einem Juristen, dem Finanzverantwortlichen, einem Personaler, einem Experten für den von der Krise betroffenen Fachbereich und ggf. dem für Sicherheit zuständigen Leiter ist natürlich der Kommunikator unverzichtbar. Dadurch fließen für die interne und externe Kommunikation nötige Informationen aus erster Hand in die Krisenreaktion ein. Und es können Zielkonflikte angegangen und aufgelöst werden. In Krisen knirscht es häufig zwischen Öffentlichkeitsarbeitern und Juristen. Die typische Zurückhaltung von Juristen kollidiert mit der Absicht der Kommunikatoren, mit Offenheit und Transparenz punkten zu wollen. Konflikte ergeben sich auch beim Umgang mit der Sprache: Während den Kommunikatoren die Juristensprache in der Regel zu kompliziert erscheint, bemängeln diese die der Verständlichkeit geschuldeten unpräzisen Formulierungen der Kommunikatoren. Praktiker wissen: Jede Krise braucht ein Krisengesicht. Der Person, die als Sprecher oder Repräsentant nach außen sichtbar wird, kommt eine besondere Bedeutung zu. So spielen Bekanntheit, Image und Bedeutung der handelnden Personen eine Rolle. Die Prominenz eines Vorstands kann zur Glaubwürdigkeit beitragen, im negativen Fall aber zu zusätzlichem Sympathieverlust führen.

2.1.3 Vertrauensfaktor Wir alle haben ständig Angst. Die Deutschen lieben ihre ‚German Angst‘: Kein Flug ohne Angst vor dem Absturz, Angst vor materiellen Verlusten und sozialem Abstieg; permanente Angst vor der Krankheit, paradoxerweise aber mindestens im gleichen Maße vor den helfenden Ärzten und deren Arzneimitteln; Angst vor Energie – egal ob aus Kernkraft, Kohle oder Wind erzeugt –, aber ebenso vor dem drohenden Blackout und den steigenden Strompreisen. Stets kommt es mehr auf die gefühlten als auf die tatsächlichen Bedrohungen an. Rational denkende Entscheider in Wirtschaft und Politik unterschätzen diesen Umstand nach wie vor. Sprachlich kann aber nur erfolgreich gegensteuern, wer die Krisenkommunikation als Funktion der Angst begreift. Jede Krise ist mit massiven Vertrauensverlusten verbunden. Stakeholder reagieren anspruchsvoll, hochemotional, oft überkritisch, aggressiv und unfair. Vertrauen und Ängste sind miteinander verbunden wie siamesische Zwillinge. Insbesondere die Leitmedien, die sich an einer zunehmend skandalisierenden Berichterstattung beteiligen, verstärken die latenten Ängste. Daraus entwickelte Höbel die Formel „Angst + Medien = Krise“. Kernaufgabe der Krisenkommunikation ist es, Vertrauen zu schaffen, zu bewahren oder wieder herzustellen. Die Sprache spielt hier eine Schlüsselrolle: Negativ konnotierte Wörter

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und Begriffe wirken angstverstärkend und vertrauensmindernd, sie sollten deshalb vermieden werden.

2.1.4 Komplexitätsfaktor Der Komplexitätsfaktor gehört nach dem Zeitfaktor zu den am meisten unterschätzen Krisenfaktoren. Unterschiedliche Interessen von unmittelbar oder indirekt Beteiligten sowie operative Sachzwänge und Rahmenbedingungen bilden ein hochkomplexes und oft schwer durchschaubares ‚Nervengeflecht‘. Am Krisengeschehen beteiligte Lieferanten, Kunden, Opfer, Hinterbliebene, Behörden, Verbände, Medien, Mitarbeiter, Wettbewerber, Geschäftspartner, Versicherungen, Staatsanwälte, Krisengewinnler und dergleichen melden sich zu Wort oder werden befragt. Schon in durchschnittlichen Krisen können nach den langjährigen Praxiserfahrungen des Autors aus einer Fülle von Beratungseinsätzen 50, 60 oder mehr Stakeholder ihre Interessen einbringen und diese kommunizieren. Der gezielten Ansprache der Stakeholder kommt eine Schlüsselstellung zu. Sicher ist es nicht unbedeutend, was die breite Öffentlichkeit über einen Vorfall denkt. Bedeutsamer aber ist, wenn Entscheider mit realer Macht nicht in der Sprache erreicht werden, die sie verstehen und akzeptieren: der Aufsichtsbeamte, der über eine Betriebsstilllegung zu befinden hat; der Banker, der den Kredit verlängern muss; der Einkäufer, der womöglich unser Produkt auslistet; der Richter, der den Antrag auf einstweilige Verfügung auf dem Tisch hat. Sie alle müssen jenseits aller operativen Erfordernisse von unserer Botschaft überzeugt werden. Idealerweise sind entsprechende Szenarien bereits in der Risikoanalyse berücksichtigt und hinterlegt. Im Ergebnis sollen Menschlichkeit und Kompetenz sympathisch vorgetragen zur Deeskalation beitragen.

2.1.5 Kostenfaktor Krisen sind teuer. Die Krisenkommunikation ist Teil der unternehmerischen Verantwortung, auch wenn ihr Wert wirtschaftlich schwer messbar ist. In einer Zeit, in der Evaluation an Bedeutung gewinnt, muss die Krisenkommunikation ihren Beitrag zur Wertschöpfung unter Beweis stellen. Plausibel ist der Vergleich mit einer Versicherung. Kein vernünftiger Betriebswirt lässt seine Gebäude oder Maschinen unversichert. Völlig selbstverständlich werden dafür hohe Prämien bezahlt. Image- und Reputationswerte sind für viele Controller dagegen noch immer Neuland. Investition in Krisenprävention kann als Versicherung für Marke, Image und Reputation und damit als Schutz beträchtlicher Unternehmenswerte verstanden werden. Welche Investitionen sind sinnvoll? Es gibt eine Fülle von Einzelbausteinen, die aufeinander abgestimmt für das jeweilige Unternehmen maßgeschneidert werden

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sollten: Szenarioanalysen (Risk-Map), Prozessbeschreibungen, Krisenhandbücher, vorbereitete Krisenräume, Logistik, technische Geräte, Kommunikationsmittel, eventuell Krisensoftware, Schulungen, Medientrainings, regelmäßige Übungen und Informationsaustausch. Finanzcontroller und Budgetverantwortliche müssen im Rahmen der weiter oben beschriebenen Risikokommunikation frühzeitig davon überzeugt werden, dass Ausgaben für die Krisenprävention sinnvoll sind, auch wenn sich daraus nicht kurzfristig ein Return on Investment realisieren lässt.

2.1.6 Know-how-Faktor Krisenkommunikation wird als ‚Königsdisziplin‘ angesehen. Unter hoher psychologischer Spannung und unter großem Zeitdruck müssen Entscheidungen in einem komplexen Umfeld getroffen werden, oft genug ohne ausreichend gesicherte Grundlagen. Die alltäglichen wirtschaftlichen und administrativen Mechanismen greifen nicht. Stattdessen stehen schwer korrigierbare Weichenstellungen an, meist verbunden mit erheblichen Kosten oder einem folgenschweren wirtschaftlichen Risiko. Von der passenden Strategie und Taktik und der zielgerichteten Wortwahl hängt mitunter die Zukunft des ganzen Unternehmens ab. Daher ist gute Vorbereitung mehr als die halbe Miete. Die Krisenprävention erfolgt in sechs Schritten: mental, organisatorisch, personell, technisch, strategisch und inhaltlich-taktisch. Ein sich ständig wiederholender Lernprozess verbessert die Aussicht auf Erfolg: Die mentale Vorbereitung steht aus gutem Grund an erster Stelle. Ohne ausreichende Sensibilisierung des Top-Managements gehen Wissen und Vorbereitungen im Stress des Alltagsgeschäfts unter (vgl. Höbel 2007, 881).

2.2 Die zwölf Arten der Krise und ihre Kommunikation Auf Basis jahrelanger Beobachtungen und Erfahrungen haben Höbel/Hoffmann eine Typologie von zwölf Krisenarten herausgearbeitet (Höbel/Hofmann 2014). Jede dieser Krisenarten zeichnet sich jeweils durch ein markantes Interventionsmerkmal aus, das eine prototypische Vorgehensweise und zumeist auch eine spezifische Sprache zur Folge hat.

2.2.1 Schadensereignis Im Gegensatz zu anderen Krisen, die sich oft schleichend entwickeln, treten Schadensereignisse stets schlagartig auf. Der Begriff Schadensereignis ist ein Terminus technicus, denn im allgemeinen Sprachgebrauch ist je nach Ausmaß, das sich an der

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Zahl von Opfern oder dem Grad der gezeigten spektakulären Bilder bemisst, eher von Unfall oder Unglück die Rede, fälschlicherweise oft auch von Katastrophe. Ein Flugzeugabsturz beispielsweise ist definitionsgemäß ein Großschadensereignis aber noch keine Katastrophe. Auch und obwohl die Medien einen so schrecklichen Unfall mit vielen Toten in der Regel medial als Katastrophe bezeichnen, umgangssprachlich von Katastrophe gesprochen wird und natürlich jeder einzelne Angehörige den Verlust eines nahestehenden Menschen individuell als Katastrophe empfindet (vgl. Höbel 2006). Als einer [sic!] der schwersten Flugzeugkatastrophen in Deutschland gilt der Absturz einer Aeroflot-Maschine über Berlin-Schönefeld 1986. 72 Menschen starben. (o. V. 2015)

An der umgangssprachlichen Ungenauigkeit hat sich im Laufe von fast 30 Jahren nichts geändert. So textete beispielsweise noch im Dezember 2014 die ARD- Tagesschau nach dem Absturz einer Passagiermaschine der Malaysia Airlines in der Ukraine: Trauer und Verzweiflung nach der Katastrophe um Flug MH17: Die Niederlande, die 192 Opfer beklagen, ließen auf der ganzen Welt an ihren Botschaften die Nationalflaggen auf Halbmast setzen […]. (o. V. 2014a)

Als Krise werden Schadens- und Großschadensereignisse und deren Folgen meist nur von den direkt Betroffenen wahrgenommen. Dies können sowohl die Opfer als auch die tatsächlichen oder vermeintlichen Verursacher sein. Die Auslöser sind unterschiedlich. Die Muster gleichen sich. Menschen kommen zu Schaden. Menschen kommen ums Leben. Menschen erleiden Verluste. Wirtschaftliche Werte werden zerstört. Es scheint, als könnten alle mitreden, denn alle meinen auf den ersten Blick zu erkennen, worum es geht. Doch Wahrnehmung und Wirklichkeit unterscheiden sich eklatant. Für eine breite öffentliche Diskussion ist die Komplexität eines Schadensereignisses zu kompliziert und sollte vermieden werden. Technische Erläuterungen sind meist kontraproduktiv und sollten auf der Fachebene ausgetragen werden. Besser ist es, Empathie und Fürsorge in den Mittelpunkt der Krisenkommunikation zu stellen. Dies verhindert, dass verbitterte oder unzufriedene Opfer das Kommunikationsgeschehen dominieren und wirkt gleichzeitig auch auf Nichtbetroffene sympathisch und vertrauensbildend. Der König der Niederlande, Willem-Alexander, fand nach dem oben genannten Absturz der Malaysia Airlines in der Ukraine die genau passenden Worte: [Er sei] „tief traurig über diese schreckliche Nachricht. Unsere Gedanken sind bei den Familien, Freunden und Kollegen der Opfer und bei all denen, die noch nicht wissen, ob ihre Freunde an Bord waren.“ (o. V. 2014a)

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2.2.2 Katastrophe Trotz Überschneidungen und Ähnlichkeiten zu Schadensereignissen stellen Katastrophen eine eigene Untergattung in der Kommunikation dar. Im Gegensatz zu Krisen finden Katastrophen nicht statt, sondern sie werden ‚ausgerufen‘, also amtlich festgestellt. Eine Katastrophe ist ein Geschehen, bei dem Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder die natürlichen Lebensgrundlagen oder bedeutende Sachwerte in so ungewöhnlichem Ausmaß gefährdet oder geschädigt werden, dass die Gefahr nur abgewehrt oder die Störung nur unterbunden und beseitigt werden kann, wenn die im Katastrophenschutz mitwirkenden Behörden, Organisationen und Einrichtungen unter einheitlicher Führung und Leitung durch die Katastrophenschutzbehörde zur Gefahrenabwehr tätig werden.

So definiert das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) den Sachverhalt. (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2014). Die Instrumente der Krisenkommunikation und der Katastrophenkommunikation sind weitgehend identisch. Nicht aber deren Zielsetzung. Denn das oberste Ziel der Katastrophenkommunikation ist der Bevölkerungsschutz, die Versorgung sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten oder bestmöglich wieder herzustellen. Während in der konventionellen Risiko- und in der Krisenkommunikation Lügen absolute Tabus sind, stellt die externe Katastrophenkommunikation die einzige Ausnahme dar, in der geschönte oder unvollständige Informationen nach sorgfältiger Güterabwägung nicht nur zulässig, sondern ausnahmsweise sogar geboten sein können. Das mag auf den ersten Blick unethisch und empörend klingen, ist aber logisch und gerechtfertigt. Wenn infolge einer wahrheitsgemäßen Information beispielsweise eine Massenpanik droht, in deren Verlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Menschen als in der ursprünglichen Gefahrenlage zu Schaden kommen, ist eine im Ergebnis stabilisierende Information sinnvoll, auch wenn sie nicht das vollständige Lagebild wiedergibt. Infolge einer komplexen Lage können zeitgleich weitere Einzelkrisen stattfinden. Das katastrophale Naturereignis – beispielsweise ein Sturm – kann zu Erdrutschen, Hochwasser, großflächigen langanhaltenden Überschwemmungen und Stromausfällen führen. Das ist bittere und regelmäßige Realität vom Wintersturm Lothar 1999, dem Elbehochwasser 2002, der Schneekatastrophe im Münsterland 2005, dem Wintersturm Kyrill 2007 bis zur Jahrhundertflut 2013 in Bayern und den Überschwemmungen 2014 in weiten Teilen Sachsens. Als unmittelbare Folge müssen bei Unternehmern, Organisationen und öffentlichen Einrichtungen parallel zum übergeordneten Katastrophenmanagement zahlreiche lokale oder begrenzte Prozesse des Krisenmanagements mit der dazugehörenden Kommunikation laufen. Unterspülte Gleisanlagen lassen tausende Bahnkunden nicht oder zu spät ihre Arbeitsplätze erreichen. Der zeitgleiche Stromausfall führt zur

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akuten Krise in der Landwirtschaft einer ganzen Region, weil durch den Ausfall aller elektrischen Melkanlagen sämtliches Milchvieh in Lebensgefahr gerät. Die durch den Schlamm des Hochwassers unbrauchbar gewordenen Maschinen eines AutomobilZulieferbetriebs lassen dessen Bauteile knapp werden und bringen damit nicht nur den eigenen Betrieb in wirtschaftliche Nöte: Wegen durchrationalisierter Just-in-TimeLieferung der Komponenten sind bei anderen Beteiligten in der Wertschöpfungskette kaum Reserven auf Lager und das aus Kostengründen betriebene Single-Sourcing macht die Abhängigkeit von dem im Schlamm begrabenen Lieferanten zum Desaster.

2.2.3 Bedrohung des Ansehens Gerüchte manipulieren die öffentliche Wahrnehmung und können Ansehen und Erfolg der Betroffenen bedrohen. An den Finanzmärkten gehören Gerüchte zum Tagesgeschäft, in der Politik sind sie allgegenwärtig und Personen des öffentlichen Lebens sehen sich einer Flut böswilliger Gerüchte ausgesetzt, die ihren Ruf auf Dauer schädigen können. Grundsätzlich kann von psychologischen und ökonomischen Wirkungen gesprochen werden. Psychologische Wirkungen wirken auf das Image und die Motivation von Mitarbeitern oder das Vertrauen der Kunden und Partner in das Unternehmen. Ökonomische Wirkungen lassen sich an Umsatzeinbrüchen oder dem Aktienkurs ablesen. Die Bedrohung des Ansehens ist für die Krisenkommunikation eine Top-Herausforderung. Gerüchte lassen sich kaum widerlegen und die Urheber sind in der Regel nicht fassbar. Das klassische Dementi hat meist geringe Glaubwürdigkeit und zudem den Nachteil, dass durch die eigene Kommunikation die Breitenwirkung eher noch verstärkt wird.

2.2.4 Personenkrise Noch in den 1990er-Jahren wurden Managerkarrieren hauptsächlich aufgrund von mangelnder Performance beendet. Das hat sich geändert. Bei mehr als 80 Prozent gefeuerter Manager stellte einer aktuellen Untersuchung der Unternehmensberatung Roland Berger und der Fachhochschule Quadriga zufolge der Verlust der öffentlichen Wertschätzung (Perzeption) einen zentralen Faktor für das plötzliche Karriereende dar (Roland Berger/Quadriga 2014; Oltmanns 2014). Das Alleinstellungsmerkmal der Personenkrise ist, dass die einzelne Person oder deren persönliches Umfeld, beispielsweise die Familie, das unmittelbare Objekt der kritischen Lage ist und zwar sowohl operativ als auch kommunikativ. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die kritische Situation zutreffend und selbstverschuldet ist oder ob sie dem Betroffenen von Gegnern, Neidern, Feinden oder den Medien ‚angehängt‘ wird. Es kommt weniger auf die Fakten oder die Schwere der vorgeworfenen

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Verfehlung an als auf den Grad der Empörung und die damit verbundene Skandalisierung. Mit zunehmender Prominenz steigt die Projektionsfläche für Enthüllungen und Empörungswellen. Von A wie Ackermann bis Z wie Zumwinkel. In der Krisenkommunikation geht es darum, verlorene Sympathie zurückzugewinnen. Das funktioniert aber nur bei sehr schneller Reaktion, bevor der mediale Schaden aufgrund des Schwarmverhaltens der Journalisten zu groß anwachsen konnte. Ein positives Beispiel hierfür ist der Fall Hoeneß. Ein tränenreicher Auftritt in der Mitgliederversammlung des FC Bayern und eine öffentliche Beichte nicht im Boulevard, sondern ausgerechnet in der seriösen ZEIT, waren sein kommunikativer Befreiungsschlag: [Hoeneß] „Ich habe eine große Torheit begangen, einen Riesenfehler, den ich so gut wie möglich korrigieren will.“ „[…] Ich fühlte mich in diesen Tagen auf die andere Seite der Gesellschaft katapultiert, ich gehöre nicht mehr dazu. Ich mache mir natürlich riesige Vorwürfe. Ich habe Riesenmist gebaut, aber ich bin kein schlechter Mensch.“ (o. V. 2013)

Dieses taktisch geschickte Vorgehen hat den Fußballmanager zwar nicht vor einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung bewahrt. Aber seine verhältnismäßig milde Haftstrafe von dreieinhalb Jahren nebst den erstaunlich schnellen Hafturlauben und dem frühzeitigen Freigang wurde von der Mehrzahl der Medien eher wohlwollend begleitet. Hoeneß selbst hat durch sein Kommunikationsverhalten alle Weichen für ein mögliches Comeback gestellt. Einer, der dieses Spiel nicht begriffen hat, ist Thomas Middelhoff. Der ehemalige Topmanager zeigte sich uneinsichtig und trat 2014 gegenüber Gericht und Öffentlichkeit unverändert arrogant auf. Er klagte die Medien an, die falsch über seinen Lebensstil berichtet hätten. Er beschimpfte die Ermittler, die gezielt Stimmung gegen ihn gemacht hätten: [Middelhoff] „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ […] Es gebe viele Orte, an denen er lieber wäre, sagt er. Doch er sei auch froh über den Termin. „Gleichwohl bin ich dankbar, da mir auf diesem Wege öffentliches Gehör geschenkt wird“, sagt der frühere Arcandor-Chef. „Ich werde heute entschieden für meinen Ruf kämpfen.“ (Hegemann 2014)

Die Quittung dafür erhielt er prompt: Eine drakonische Freiheitsstrafe von drei Jahren Haft, für einen Bruchteil der Schadenshöhe, gemessen an der der Millionen-Steuerhinterziehung von Hoeneß. Wegen Fluchtgefahr wanderte Middelhoff sofort nach der Urteilsverkündung in eine wochenlange Untersuchungshaft, begleitet von gnadenloser Häme. Das Urteil gegen den ehemaligen Arcandor-Chef markiert den Tiefpunkt eines beispiellosen Abstiegs, befand beispielsweise der Spiegel in der Ausgabe 47/204. Ein Comeback als Manager dürfte für „Bad T.“ (o. V. 2014b) wohl auch nach Verbüßung einer Haftstrafe ausgeschlossen sein.

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2.2.5 Change Management und Übernahmen Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über Firmenverkäufe, Fusionspläne, Standortschließungen, Arbeitsplatzabbau oder Maßnahmen zur Restrukturierung berichtet oder spekuliert wird. In politisch und wirtschaftlich angespannten Zeiten gehört Veränderung zum Alltag. Für die meisten tatsächlich oder potenziell Betroffenen sind Veränderungsvorgänge extrem Angst erzeugend. Es ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft, Veränderungen weniger in freudiger Erwartung als in skeptischer Unsicherheit entgegen zu sehen. Im Change-Management spielt daher die Kommunikation für die planvolle und zielorientierte Steuerung und Gestaltung von Veränderungen die zentrale Rolle. Ein Fallbeispiel, bei dem dieser Prozess in Echtzeit verfolgt werden kann, ist der größte Umbau in der Konzerngeschichte beim Energieriesen E.ON. Das Unternehmen plant die Trennung von Strom aus Kohle, Gas und Atomkraft und erneuerbaren Energien. Am ersten Adventssonntag 2014 startete Vorstandschef Johannes Teyssen den Prozess mit einer starken Botschaft: [Teyssen] „Die drastischen Veränderungen der globalen Energiemärkte, technische Innovationen und wachsende, individuellere Kundenerwartungen erfordern einen mutigen Neuanfang. Das bisherige breite Geschäftsmodell von E.ON wird den neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht. Deshalb wollen wir uns radikal neu aufstellen […]“ [Teyssen] „Dabei leitet uns genau ein Ziel: Wir wollen in allen Zielmärkten ‚Klassenbester‘ bei der Kundenzufriedenheit sein.“ (E.ON 2014)

Um wirklich Klassenbester zu werden, müssen Mitarbeiter und Führungskräfte auf den neuen Kurs eingestimmt werden und auch die Mitarbeiter und deren Familien. Ohne sie ist jeder Veränderungsprozess zum Scheitern verurteilt: [Teyssen] „Unsere neue Strategie ist also kein Programm zum Abbau von Arbeitsplätzen.“ […] Die Neuaufstellung wird im Sinne der bewährten Sozialpartnerschaft in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen konkretisiert und umgesetzt. (E.ON 2014)

Unter Umständen sind unterschiedliche Kulturen anzugleichen. Gegenreaktionen der Öffentlichkeit gilt es abzufedern: Die Neue Gesellschaft wird ihren Sitz in Deutschland (Region Rhein-Ruhr) erhalten und rund 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gute Perspektiven bieten. Sie schafft zudem bessere Voraussetzungen zur Sicherung der Arbeitsplätze in einem veränderten Marktumfeld. (E.ON 2014).

Oft wird vergessen, dass von wesentlichen Veränderungen alle Anspruchsgruppen betroffen sind. Dazu gehören Kunden und Lieferanten, Behörden und Politik, der Kapitalmarkt ebenso wie die Anteilseigner:

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Sämtliche Kapitalmarktverbindlichkeiten des heutigen Konzerns verbleiben bei E.ON. Die Finanzgläubiger des Konzerns behalten damit den bewährten, starken und auf Wachstum ausgerichteten Schuldner. (E.ON 2014)

Zumindest mit der Ankündigung des anstehenden Veränderungsprozesses hat der E.ON-Chef alle Zielgruppen sprachlich zufriedengestellt und zumindest keine überraschenden Gegenreaktionen provoziert. Um das Kommunikationsziel win-win beizubehalten, müssen alle Anspruchsgruppen kontinuierlich mit zielgerichteten Botschaften bei Laune gehalten werden.

2.2.6 Entführung und Erpressung Die statistische Wahrscheinlichkeit, in Deutschland entführt zu werden ist äußerst gering. Zwar steigt mit der Prominenz der Gefährdungsgrad, aber in mehr als 30 Jahren gab es nicht mehr als zwei Dutzend bekannt gewordene Entführungen. Die Kommunikationshoheit liegt hier unbestritten bei den Sicherheitsbehörden, in der Regel also der Polizei. Deutlich häufiger werden deutsche Staatsbürger im Ausland entführt. Ein beträchtliches Risiko besteht besonders für Firmenrepräsentanten in Süd- und Mittelamerika, im Nahen Osten, in Afrika und einigen Teilen Asiens. Genaue Zahlen gibt es nicht. Der Bundesnachrichtendienst (BND) spricht von einem erschreckenden Ausmaß: „Vorsichtige Schätzungen deuten inzwischen auf gut 50.000 Fälle pro Jahr hin […]“ (Bundesnachrichtendienst 2014). Hier haben das Auswärtige Amt, die Behörden des betroffenen Landes und meist extern hinzugezogene Verhandlungsspezialisten den Hut auf. Sie sorgen möglichst diskret für eine professionelle Abwicklung. Gleiches gilt für gekaperte Schiffsbesatzungen in von Piraten kontrollierten Gewässern, beispielsweise vor den Küsten Somalias. Eine neue Gefahr sind islamistische Fanatiker und Terroristen, die immer öfter Geiseln nehmen. Während kriminell motivierte Entführungen meist von regionalen Sicherheitsbehörden oder durch private Lösegeldzahlungen gelöst werden, sind politisch-weltanschaulich motivierte Fälle meist begleitet von besonderer Kompromisslosigkeit der Täter, sehr hohen Lösegeld- und politischen Forderungen. (Bundesnachrichtendienst 2014, Fettdruck d. Orig. getilgt)

Neben den Tätern bilden die Medien für die Opfer eine zweite Front. Eine Veröffentlichung zum falschen Zeitpunkt kann fatale Folgen haben. In diesen Fällen ist es die Aufgabe der Krisenkommunikatoren, gefährliche Veröffentlichungen zu verhindern. Das psychologisch größere Problem beginnt mit Beendigung der Entführung, falls Medien versuchen, tief in das Privatleben der Betroffenen einzudringen. Hier kommt dem Unternehmen eine besondere Verantwortung zu, für Abschirmung zu sorgen. Es gilt ausnahmsweise eine verordnete Sprachlosigkeit. Wesentlich häufiger als zu Entführungen kommt es in Deutschland zu Erpressungen, allen voran Produkterpressungen. Besonders gefährdet sind Lebensmittel.

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Der wirtschaftliche und der Imageschaden sind bei Bekanntwerden oft höher als die Geldforderung der Täter. Die Kommunikation für einen Warenrückruf und Umsatzrückgänge durch verlorengegangenes Verbrauchervertrauen müssen behandelt werden wie eine Produktkrise (siehe 2.2.10).

2.2.7 Vertrauenskrise (Compliance-Krise) Dieser Krisengattung geht ein Mega-Issue voraus, nämlich der Paradigmenwechsel in der Akzeptanz gesellschaftlicher Regeln. Zwar wurden auch früher bestimmte Verstöße nicht geduldet, etwa wenn Führungskräfte in die Kasse griffen. Allerdings wurde derlei Fehlverhalten, wenn es denn ruchbar wurde, diskret erledigt, oft genug verbunden mit einem ‚goldenen Handschlag‘. Großzügige Einladungen, als Fachveranstaltungen bezeichnete Luxusreisen, aufwendige Weihnachtsgeschenke und teure Werbeartikel waren an der Tagesordnung. Schmiergeldzahlungen zur Geschäftsanbahnung waren sogar steuerlich absetzbar. Derbe Witze über Minderheiten? Fotos von nackten Damen im Spind? Alles völlig normal. Und in Mobbing-Fällen, wenn sie denn überhaupt zur Kenntnis genommen wurden, versuchte man die Gemobbten als Störenfriede loszuwerden. Die Peiniger gingen noch vor nicht allzu langer Zeit straffrei aus. Das hat sich gründlich geändert. Eine falsche Bemerkung zur falschen Zeit und schon droht der Rausschmiss. Geschenke sind gestrichen. Selbst in der früher als besonders großzügig bekannten Pharmaindustrie dürfen neuerdings nicht einmal mehr Kugelschreiber an Ärzte verschenkt werden. Die neue Korrektheit bringt neue Kommunikationsprobleme mit sich. Auf tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten reagieren Öffentlichkeit und Strafverfolger inzwischen unerbittlich. Gleichzeitig nimmt nach innen die Verunsicherung darüber zu, was erlaubt ist und was nicht. Während man sich im Laufe der Zeit mit der klassischen hauseigenen Revision oder mit Wirtschaftsprüfern arrangiert hat, wurde die neue Institution Compliance Officer zunächst oft als Feind im eigenen Lager wahrgenommen. Nachdem zum Beispiel die Deutsche Bahn über viele Jahre als korrupter Selbstbedienungsladen galt und danach in das andere Extrem verfiel und 2008 bis 2010 durch massenhaften heimlichen Datenabgleich sich dem Vorwurf der Mitarbeiterbespitzelung aussetzte, gilt das Unternehmen heute als vorbildlich. Erfolgsfaktor sind dabei die Aufklärungsaktionen. Der DB-Konzern und seine Mitarbeiter haben das Ziel, bei allen Geschäftsaktivitäten ethisch und entsprechend der gesetzlichen Vorschriften zu agieren. […] (Deutsche Bahn 2014a). Wir ächten Kinderarbeit und jegliche Form von Zwangsarbeit. […] (Deutsche Bahn 2014)

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Im Umgang mit unseren Kunden, Geschäftspartnern, Mitarbeitern und Eigentümern sind wir stets darauf bedacht, fair und integer zu handeln. (Deutsche Bahn 2014)

Neben den Betreuern der Compliance Management-Einheiten steht ein ComplianceHelpdesk zur Verfügung. Unser Miteinander ist durch gegenseitige Wertschätzung gekennzeichnet. Wir verhalten uns partnerschaftlich und sorgen für ein positives Arbeitsklima. (Deutsche Bahn 2014)

Es ist also hilfreich, wenn die Compliance-Kommunikation eine sinnvolle Balance zwischen unternehmerischem Erfolg und Regelkonformität vermittelt. ComplianceMaßnahmen lassen sich als Nebeneffekt auch in der Employer-Kommunikation einsetzen, um sich auf dem Markt als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Mehr noch aber hilft eine offensive Compliance-Kommunikation bei reputationsschädigenden Vorkommnissen – die es natürlich trotz aller Vorkehrungen nach wie vor gibt –, wesentlich schneller wieder aus dem Krisenmodus herauszukommen.

2.2.8 Informationskrise Spätestens seit Bekanntwerden der großangelegten Spähaktionen des amerikanischen Geheimdienstes NSA ist der Wert von sensiblen persönlichen und wirtschaftlichen Informationen auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Die Anfälligkeit für Internetkriminalität mit Spionage, Phishing, Pharming, Viren und Trojanern stellt eine massive Bedrohung dar. Die Technologie des Cloud Computing spitzt die Lage weiter zu. Oft unterschätzt wird auch das Gefährdungspotenzial für Datendiebstahl durch eigene Mitarbeiter. Neben den rein technischen Aufgaben der IT-Spezialisten, für möglichst sichere Netze zu sorgen, stellen Informationskrisen ein neues Feld für die Kommunikation dar. Besonders wenn Kundendaten abhandenkommen und womöglich öffentlich werden, sind zwei klare Botschaften überlebenswichtig. 1. Es muss sehr schnell sehr deutlich gemacht werden, was operativ unternommen wird, um Zwischenfälle künftig auszuschließen. 2. Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung: Damit Sie Online-Dieben nicht ins Phishing-Netz gehen, informieren wir hier fortlaufend über aktuelle Phishing-Attacken, denn täglich tauchen im Internet Tausende neuer Phishing-Seiten auf. (t-online 2015) Derzeit kursieren E-Mails, die Sparkassen-Kunden vorgaukeln, sie müssten ein Update zur SEPAUmstellung durchführen. […] Die offizielle Internetseite der Sparkasse weist eindringlich darauf hin, dass sie ihre Kunden niemals auffordert, sensible Daten preiszugeben […]. (t-online 2015).

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Erneut versenden Betrüger massenhaft Spam-Mails, um so Namen und Adressen sowie Konto- und Kreditkarteninformationen von Internetnutzern abzugreifen. Ihre Masche: Sie geben sich per E-Mail als „Bundeszentralamt für Steuern (BZSt)“ aus und teilen dem Empfänger mit, er hätte Anspruch eine Steuerrückerstattung. […] Die Finanzverwaltung weist ausdrücklich darauf hin, dass die Finanzbehörden niemals Bank- und Kreditkartendaten über eine Internetseite in Erfahrung bringen würden. (t-online 2015, Fettdruck i.Org. getilgt). Die Botschaften sind einfach klar. Trotzdem finden die Betrüger noch immer reichlich Opfer.

2.2.9 Gefahr durch Gesetzgebung Gesetzliche Neuregelungen, geänderte Verordnungen oder angepasste Richtlinien können den wirtschaftlichen Zielen eines Unternehmens erheblichen Schaden zufügen, sie zu Umstrukturierungsmaßnahmen zwingen oder zu Absatz- und Umsatzeinbußen führen. Im schlimmsten Fall entziehen sie dem Unternehmen sogar die Geschäftsgrundlage. Idealerweise werden bereits während des Gesetzgebungsprozesses für das Unternehmen relevante politische Entwicklungen beobachtet, um rechtzeitig auf das Vorhaben einwirken zu können. Im Grunde ist dies eine typische Aufgabe des Issuesmanagements, wie zu Beginn ausführlich beschrieben. Die Krisenkommunikation wird erst dann erforderlich, wenn das Issue nicht oder zu spät erkannt wurde. Dann muss der verbliebene Handlungsspielraum des Unternehmens im politischen Feld ausgelotet und mögliche Verbündete und Gegner identifiziert werden. Die wohl bekannteste Maßnahme ist das Lobbying: Die Positionen des Unternehmens werden im unmittelbareren persönlichen Kontakt in den politischen Raum eingebracht. Sprache wirkt hier in ihrer Reinform des Ansprechens.

2.2.10 Produktkrise Produktkrisen sind ebenso vielfältig wie die Produkte selbst. Sie sind vom Weltkonzern bis zum Mittelständler oder über ganzen Branchen möglich. Produkte in diesem Kontext sind Gegenstände aller Art, also Waren, Geräte, Maschinen, Immobilien, Konsumgüter, Nahrungsmittel usw. Aber auch Dienstleistungen (Beratung, Geldanlagen) oder Know-how (Software, Ideen, Konzepte) fallen darunter. Mitunter können sogar Personen gleichsam Produkte sein, wenn sie entsprechend aufgebaut und vermarktet werden: Künstler, Schauspieler, Spitzensportler sind heutzutage Marken oder eben Produkt ihrer selbst. Produktkrisen sind daher an der Tagesordnung, spektakuläre und weniger aufsehenerregende. Die Faustregel lautet: Je stärker die Marke, desto größer ist der

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Vertrauensverlust. Im Gegensatz zu einem Schadensereignis, bei dem jeder sofort sieht, dass ein Zwischenfall eingetreten ist, sind Produktkrisen wesentlich häufiger zunächst nicht so offensichtlich, es sei denn ein öffentlicher Rückruf wird wegen akuter Gesundheitsgefährdung oder Lebensgefahr erforderlich. Das Krisenmanagement für Produkte wird manchmal als ‚die große Schwester‘ des Qualitäts- und Beschwerdemanagements bezeichnet. Unternehmen, die ihre Wertschöpfungskette durch ein funktionsfähiges operatives Qualitätsmanagement absichern, werden wesentlich seltener Opfer hausgemachter Produktkrisen. Bei aller Vielfalt der unterschiedlichen Produkte sind es doch fünf Kernbotschaften, die gleich bleiben: 1. Wir schätzen unsere Kunden (d. h. nehmen ihre Belange ernst). 2. Wir schützen unsere Kunden (auch schon bei bloßem Verdacht). 3. Wir klären den Vorgang rückhaltlos auf und informieren darüber. 4. Wir kooperieren mit allen beteiligten Behörden (ggf. auch Organisationen wie Verbraucherschutz). 5. Wir lernen aus dem Vorgang für die Zukunft.

Der wirksamste Rat, den ein Krisenberater einem Manager in einer Produktkrise geben kann, ist gleichzeitig der schlichteste: „Verhalten Sie sich Ihren Kunden gegenüber stets so, wie Sie selbst gerne behandelt werden wollen“.

2.2.11 Finanzkrise Wer nicht glaubwürdig darstellen kann, dass er Verpflichtungen zuverlässig bedient, Verträge erfüllt und Vorgaben einhält, wird in der Wirtschaft zum Außenseiter. In den Boom-Jahren der 1990er wurden die Vorstände einiger DAX-Unternehmen noch gefeiert wie Popstars. Mit dem Einbruch der Kurse verwandelte sich die Bewunderung in Häme. Anfangs begriffen die meisten Journalisten die Mechanismen hinter der Finanzkrise nicht und ersetzten Fachwissen durch drastische Metaphern: Da wurde das „Armageddon-Szenario“ (Krönig 2002) verkündet oder das „Fegefeuer des Kapitalismus“ (Prantl 2010) beschworen. Wohl nicht ganz verkehrt, denn das ImageDesaster der Finanzwirtschaft ließ sich nicht leugnen. In einer Situation völligen Vertrauensverlustes ist ein überzeugender Neuanfang die einzige Chance. Erste Stufe: Kommunikation der neuen Werte nach innen ausrichten, denn die Mitarbeiter müssen als Multiplikator und Testimonials in eigener Sache den Neustart glaubhaft vermitteln können. Der Bankberater, der noch vor einem halben Jahr voller Überzeugung giftige Papiere verkauft hat, muss jetzt seinen Kunden beweisen, dass seine Beratung wieder vertrauenswürdig ist. Das ist dann die zweite Stufe. Dass für die Krisenkommunikation prinzipiell alle Kanäle, also auch Werbung, denkbar sind, lässt sich daran zeigen, wie die Commerzbank Vertrauen zurück gewin-

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nen will: Die Filmszene: Es ist früh am Morgen in Frankfurt. Eine Frau im grauen Kapuzenpulli (im echten Leben Filialleiterin einer Commerzbank) joggt durch die Straßen der deutschen Finanzmetropole und setzt so ihre ersten Schritte des Tages auf den Asphalt. Dazu spricht sie: Auch ein langer Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Unser Weg beginnt vor über 140 Jahren. Eine Zeit, in der nicht alles besser war, aber vieles anders. Eine Zeit, in der noch echte Unternehmer den Ton angaben und keine Spekulanten. […] Keine leichte Zeit. Doch wer sich auskennt mit dem Geschäft, der weiß, dass leichte Zeiten selten sind. Und wer seit über 140 Jahren dabei ist, weiß auch, wie man damit umgeht. (Commerzbank 2013)

Sie nimmt Stellung zu den Vorfällen im Rahmen der Finanzkrise, spricht aktiv Fehler an und übt Selbstkritik. Eines aber haben wir uns in 140 Jahren bewahrt: Die Fähigkeit uns nicht nur an die Geschichte zu erinnern, sondern aus ihr zu lernen. Wir kennen die Bankenkrise von 1931 nur aus den Geschichtsbüchern. 2008 haben wir sie selbst erlebt. Wir haben beide überlebt. (Commerzbank 2013)

Symbolisch wird der erste Schritt gezeigt zum Imagewandel von der einer anonymen profitorientierten Großbank hin zur persönlichen und bodenständigen Mittelstandsbank. Wo eine Bank herkommt ist wichtig. Wo sie hin will noch wichtiger. Die Commerzbank von 1870 – das sollte die Bank für die kleinen und mittleren Betriebe sein. Die Commerzbank von heute ist die Mittelstandsbank in Deutschland. Weltweit für ihre Kunden aktiv. Ob uns das stolz macht? Natürlich macht uns das stolz. […] Wenn der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist, dann sind wir das Rückgrat des deutschen Mittelstandes. […] Wir sind die Bank an Ihrer Seite! (Commerzbank 2013)

Nach eigenem Bekunden und sehr zum Ärger des Wettbewerbs zeigt die Kampagne positive Wirkung – der Zulauf ist enorm. Die Wortwahl ist empathisch und geschickt auf den Punkt gebracht. Sie ist allerdings auch riskant. Dann nämlich, falls bei den durch die Kampagne gewonnenen Kunden erneut etwas schief gehen sollte. Dann wäre die Glaubwürdigkeit endgültig weg.

2.2.12 Internationale Krise Stellt das Eintreten eines lokalen Ernstfalles für Unternehmen bereits eine Sondersituation dar, so potenziert eine internationale Krise die Anforderungen an das Krisenmanagement einer Organisation. Mitarbeiter an verschiedenen Standorten, Journalisten aus unterschiedlichen Ländern oder Kunden in aller Welt als Zielgruppen

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bedeuten, dass die unterschiedlichsten nationalen und kulturellen Kommunikationsanforderungen aufeinander treffen können. Auch für die internationale Krisenorganisation gilt: klare, transparente Strukturen, eindeutige Berichtswege, definierte Freigabeprozesse und verbindliche Kommunikationsregeln sind festzulegen. Wobei hier die besondere Herausforderung liegt: Unterschiedliche sprachliche und kulturelle Regeln können sich zu folgenschweren sekundären Krisen entwickeln. Dies kann ein fiktives Beispiel verdeutlichen: Falls bei einem Absturz eines deutschen Flugzeugs in Japan ein US-Amerikaner ums Leben kommen sollte, wären drei sich widersprechende Erklärungen fällig. Nach japanischen Traditionen steht am Anfang der Kommunikation stets eine offizielle Entschuldigung, losgelöst von jeglicher Schuldfrage, und alle Opfernamen sind öffentlich. Undenkbar, ohne Entschuldigung sachlich über die Unglücksursache zu sprechen. In den USA hingegen kommt eine Entschuldigung einem juristischen Schuldanerkenntnis gleich. Hier könnte die für Japaner erforderliche Entschuldigung direkt zu einer Millionen schweren Schadensersatzforderung führen. Und die Veröffentlichung der Namensliste würde bei den beteiligten Deutschen zu einer Datenschutzkrise führen. Derlei Dilemmata müssen von erfahrenen Kommunikatoren mit Fingerspitzengefühl vorbereitet und vorsorglich sprachlich verpackt werden: Mit großer Betroffenheit müssen wir Ihnen heute den Verlust von x Menschen mitteilen. Unser tiefstes Mitempfinden gilt den Angehörigen, denen wir jetzt jede uns mögliche Hilfe zukommen lassen. Mit Rücksicht auf die betroffenen Familien haben wir die Passagierlisten den zuständigen Behörden übergeben.

Das Sprachbeispiel zeigt, wie schmal der Grat der Formulierung ist. Der Ausdruck Betroffenheit klingt zwar entschuldigend, ist aber nicht als Schuldanerkenntnis justiziabel. Mit Übergabe der Passagierliste an die Behörden werden die Namen zwar letztlich öffentlich, die Daten werden aber nicht von der Fluggesellschaft preisgegeben, Und mit dem Angebot jeder uns möglichen Hilfe wird zwar Zuwendung signalisiert, die aber keine fixe Zusage enthält.

2.3 Die Sprache der Krise Im Wechselspiel von Angst und Vertrauen spielt – wie in Kap. 2.1.3 (Vertrauensfaktor) beschrieben  – die verwendete Sprache eine Schlüsselrolle. Gerade technisch-wirtschaftlichen und damit an Zahlen, Daten, Fakten orientierten Branchen fällt es traditionell schwer, sich in die Gefühlswelt der Öffentlichkeit hineinzuversetzen. Selbst ohne mediale Übertreibungen wirken Beschreibungen von Krisen stets bedrohlich. Eine besondere Rolle spielt neben der verbalen Sprache die Bildsprache. Fotos und Bewegtbilder produzieren eine nachhaltige Wirkung.

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2.3.1 Krisendarstellung in den klassischen Medien Die Medien verstärken durch eine häufig vorverurteilende und skandalisierende Berichterstattung Ärger und Ängste. Dabei greifen sie gezielt auf eine dramatisierende Sprache zurück. Es wird falsch oder verzerrend zitiert. Aussagen werden aus dem Zusammenhang gerissen und überspitzt. Es wird um jeden Preis versucht, jeden Sachverhalt zu personalisieren. Im Zusammenhang mit der Affäre um den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff sprach beispielsweise die Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Edda Müller, die Verantwortung der Medien an und stellte fest: „Zu beobachten ist eine mediale Form von Lynchjustiz, die aus meiner Sicht höchst problematisch ist.“ (Demokratie-Forum Hambacher Schloss 2014, 8). Die grundgesetzlich garantierte und gesellschaftlich zweifelsohne notwendige öffentliche Kontrolle durch die Medien hat sich teilweise in eine unangemessene, skandallüsterne und übertriebene Darstellung verkehrt, die vereinzelt sogar dem Deutschen Journalistenverband (DJV) zu weit geht. Nur: Diese (Selbst-)Erkenntnis nützt im Zweifelsfall einem Unternehmen oder einer Organisation in der Krise nicht. Wenn die Nerven ohnehin blank liegen, mag solches Medienverhalten bedauert werden, wichtiger aber ist es, angemessen darauf zu reagieren, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Zufällig aufeinander folgende Ereignisse gleicher oder ähnlicher Art führen zu erhöhter Sensibilität in der Wahrnehmung der Redaktionen. Die üblichen Textbausteine aus der Nachrichtenredaktion dazu: Schon wieder ein…, erneut kam es zu…, die Serie von… reißt nicht ab. So können bereits kleinere Zwischenfälle, die zufällig in ein vermeintliches Serienraster passen, überraschend und für die Betroffenen unangenehmerweise zu überproportionaler Berichterstattung führen. Subjektiv beschleicht die Bevölkerung das Gefühl, wieder einmal eine nicht abreißende Kette von Krisen und Skandalen zu durchleben. Eine Quelle für die häufig gravierend unterschiedliche Bewertung von betroffenen Unternehmen und der Öffentlichkeit ist die Betrachtungsperspektive. Die Medien pflegen in der Regel ihre Bewertung und Kritik ex post vorzunehmen. Journalisten können bequemerweise im Laufe einer Berichterstattung folgenlos ihre eigene Beurteilung anpassen, verändern und korrigieren, im Extremfall bis hin zum Gegenteil der ursprünglichen Schlagzeilen. Die Aufarbeitung erfolgt im Nachhinein mit den dann bekannten Fakten. Mit anderen Worten: Nach der Krise ist immer die Stunde der Besserwisser. Das führt zwangsläufig zu einer kommunikativen Schieflage. Gerecht wäre natürlich eine Bewertung der Entscheidungsträger ex ante, also auf jener Wissensgrundlage, auf der die verantwortlichen Manager und Kommunikatoren ihre Entscheidungen ursprünglich zu treffen hatten: Aktuelle Lagemeldungen, Planannahmen, Erfahrungen, Antizipationen  – nur eben häufig genug keine belastbaren Erkenntnisse und das Wissen über den tatsächlich kommenden Krisenverlauf.

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Ein Paradebeispiel für einen solchen Bewertungskonflikt war die drohende Pandemie („Schweinegrippe“). Als das H1N1-Virus von Asien kommend näher rückte, bestimmten Panik-Meldungen und Panik-Schlagzeilen die veröffentlichte Meinung: Die Schweinegrippe breitet sich immer heftiger aus  – aber Millionen Bundesbürger werden weiter ungeimpft bleiben! (Bild, o. V. 2009) Schweinegrippe//Lenja (3) klagte über Husten, jetzt ist sie tot! (Bild, o. V. 2011) Schweinegrippe//Wir wollten uns impfen lassen – vergeblich (Bild, o. V. 2009a) Schweinegrippe-Gipfel in Berlin//[…] Impfstoff reicht nicht für jeden (Bild, o. V. 2009b)

Da der Mainstream-Journalismus ein gewisses Schwarmverhalten mit sich bringt, bestimmen Leitmedien (im Boulevard die „Bild“-Zeitung, im übrigen Printbereich das Magazin „Der Spiegel“) weitgehend den Kurs. Unter dem geballten öffentlichen Druck beschlossen die Gesundheitsminister die Anschaffung von 34 Millionen Dosen Impfstoff im Wert von mehr als 300 Millionen Euro. Der damalige Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler verkündete die frohe Botschaft: [Rösler] „Vor zwei Wochen ist die größte Impfaktion in der Geschichte Deutschlands angelaufen. Erst vor einem halben Jahr wurde der Erreger ausfindig gemacht, ein Impfstoff entwickelt und zugelassen – da können wir schon zufrieden sein.“ (europolitan 2009)

Nur wenige Wochen später, zum Ende der Grippe-Saison, als die heraufbeschworenen Massenerkrankungen ausblieben, drehte sich der Wind. Jetzt wurde Kritik an den (inzwischen) unnötigen Vorsorgemaßnahmen der Regierung laut: Die Gesundheitsminister der Länder wollen nur die Hälfte der 50 Millionen bestellten Dosen des Schweinegrippe-Impfstoffs Pandemrix abnehmen. Sonst drohen sie nämlich auf zahlreichen Impfstoffdosen sitzenzubleiben  – und damit hohen Kosten [sic!]. (Süddeutsche Zeitung, o. V. 2010). 196 Paletten mit 16 Millionen Impfdosen würden mangels Nachfrage im Magdeburger Müllheizkraftwerk Rothensee vernichtet, teilte das Sozialministerium von Sachsen-Anhalt am Freitag mit. Für den Transport sind sechs bis acht Lastwagen notwendig. Bereits im September hatten Behörden Millionen Packungen des H1N1-Impfstoffs entsorgt. (Der Spiegel, o. V. 2011a).

Bemerkenswert war immerhin eine sich anschließende Diskussion, wer denn nun die teure Panik letztlich verursacht hat: die überängstlichen Politiker, die skandallüsternen Medien oder womöglich die Pharma-Industrie als Krisengewinnler. Inflationär und typisch für die sprachliche Skandalisierung sind bestimmte journalistische Formulierungen als sprachliche Krisenindikatoren: Sehr beliebt ist die regelmäßige Nachsilbe -gate. In Anlehnung an die von Reportern der Washington-Post 1973 aufgedeckte Affäre nach einem Einbruch und Abhörskandal in das

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Watergate-Hotel in der Ära des US-Präsidenten Nixon. Ist im Fernsehen versehentlich (oder provoziert) eine nackte (Prominenten-)Frauenbrust zu sehen, ist das ein NippelGate. Der Familienkrach zwischen der Gräfin von Wessex mit ihrer Schwiegermutter, Königin Elisabeth II, mutierte medial zum Sophie-Gate. Als der SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück sich im Wahlkampf 2013 bei Hausbesuchen etwas ungeschickt zu seinem Verhältnis im Umgang mit ‚kleinen Leuten‘ äußerte, war folgerichtig das EierlikörGate geboren. Aus der weinseligen Äußerung des damaligen FDP-Spitzenkandidaten Brüderle nächtens an einer Hotelbar über den üppigen Ausschnitt einer Reporterin wurde das Dirndl-Gate. Jede dieser Wortschöpfungen in Verbindung mit -gate suggeriert also einen ausgewachsenen Skandal. Während das Original, Watergate, tatsächlich ein Skandal von bis dahin nicht gekanntem Ausmaß war und immerhin zum Rücktritt eines amerikanischen Präsidenten führte, sind die aufgeregten Medien-Gates dieser Tage in Wirklichkeit nicht wirklich relevant. Was nicht bedeutet, dass die davon Betroffenen im Moment der Publikation nicht darunter leiden. Nicht anders ergeht es dem Akronym GAU als Sprachstereotyp. Ursprünglich stand das Wort für den Größten anzunehmenden Unfall aus der Katastrophenplanung und verbreitete nicht zu Unrecht Angstschauder. Der Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 beispielsweise war ein echter, ein Super-GAU. Und auch die Störfallserie im japanischen Kernkraftwerk Fukushima 2011 war natürlich ein Super-GAU. Weil glücklicherweise Großschadensereignisse in kerntechnischen Einrichtungen nicht allzu häufig sind, greifen Journalisten umso lieber auf den GAU für ihre Sprach-Katastrophen zurück. Am liebsten in der Verbindung mit PR, denn kritische Journalisten mögen PR-Leute ohnehin nicht besonders. Ein nicht ganz so gelungenes Personal-Werbe-Video einer Bank ist – ein PR-GAU; ein abgesagtes Konzert eines Rappers – ein PR-GAU; der umstrittene Bildungsplan zur sexuellen Vielfalt in BadenWürttemberg – ein PR-GAU, über ihr Quartier im Olympia-Dorf von Sotchi unzufriedene Reporter – ein PR-GAU für Putin; die Abmahnung eines Bloggers durch einen Medienanwalt  – natürlich ein PR-GAU für den Auftraggeber; die Scheidung eines prominenten Schauspielers von seiner Frau (zum Beispiel Tom Cruise von Katie Holmes) – sogar ein Super-PR-GAU.

2.3.2 Krisen in den Onlinemedien Durch das Internet wurden und werden die Karten sowohl im Issuesmanagement als auch in der Krisenkommunikation neu gemischt. Social Media zählen mittlerweile zum selbstverständlichen Kommunikationsrepertoire. Mehr noch: In Krisen geben die neuen schnelleren Kommunikationskanäle immer öfter den Takt auch für die etablierten Medien vor, die drauf und dran sind, ihre angestammte Rolle als GateKeeper zu verlieren. Einerseits haben die Berufsjournalisten also ohnehin nicht mehr das absolute Meinungsmonopol, andererseits nutzen sie die sozialen Medien sogar

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selbst und lassen sich von ihnen beeinflussen. Eine neue Studie belegt, dass bereits zwei von drei Journalisten in Deutschland Social Media zur Pflege und zum Ausbau ihres professionellen Netzwerkes nutzen (Cision Social Journalism-Studie 2013/14). Deutlich gestiegen ist nach dieser Studie auch der Anteil an Journalisten, die soziale Medien zur Medienbeobachtung verwenden und um die Aktivitäten anderer nachzuvollziehen (66 %). Außerdem sind soziale Medien ein wichtiges Tool für die Recherche. Immerhin 79 % der Journalisten nutzen der Cision-Studie zufolge soziale Medien als Recherchetool. Das kann nicht ohne Auswirkungen auf Inhalt und Sprache auch in den sogenannten Qualitätsmedien bleiben. Gleichzeitig nimmt die für Recherche zur Verfügung stehende Zeit ab. Das Internet und mobile Technologien haben durch die Quasi-Echtzeitkommunikation den Wettlauf gegen die Zeit so drastisch verschärft, dass die Onlinemedien inzwischen eine meinungsbildende Schlüsselrolle spielen. Bis auf wenige Neugründungen sind das die elektronischen Ableger der etablierten Publikationen. Sie sind sowohl bei den Printmedien vorhanden (die wichtigsten sind u. a. Spiegel-Online SPON, Zeit-Online ZON, Frankfurter Allgemeine Zeitung faz-net, BILD.de oder FOCUS.de) als auch bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, allen voran bei der ARD mit tagesschau.de und beim ZDF mit heute.de. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen sich zwar laut Rundfunkstaatsvertrag mit bloßen sendungsergänzenden Inhalten im Web begnügen. Diese Regel legen sie aber sehr großzügig aus und bringen zu oft sehr kurzen Bildschirminhalten sehr ausführliche Zusatzinformationen im Internet. Die werbefinanzierten privatwirtschaftlichen Medien dagegen produzieren Content, wie der Inhalt im Web genannt wird, der sich möglichst gut werblich verkauft. Unter den Gesichtspunkten der Krisenkommunikation können sich beide Formen für die Betroffenen unangenehm auswirken. Informationen, die sich im klassischen Fernsehen in wenigen Sekunden ‚versendet‘ hätten, werden deutlich prominenter und größer aufbereitet. Vor allen Dingen sind sie in den Mediatheken und Archiven der online-Auftritte der Sender tage- und wochenlang, manchmal sogar dauerhaft über Suchmaschinen auffindbar und rund um die Uhr abrufbar. Eine kritische Sendung der ARD über Saisonarbeiter beim Versandhändler Amazon (Titel: „Ausgeliefert“) hat auf diese Weise die ursprüngliche Quote der Erstsendung vom 13. Februar 2013 von 2,02 Million TV-Zuschauern bis zum Herbst 2014 mit mehr als 1,5 Millionen zusätzlichen Mediathek-Aufrufen glatt um ein Drittel gesteigert (ARD 2013). Bei den kommerziellen Onlinemedien heißt die Währung Click-Rate. Im Kampf um die äußerst mobilen Nutzer der Onlineangebote werden die ‚User‘ wie im Boulevard mit echten oder vermeintlichen Sensationsmeldungen geködert. Ein inzwischen berüchtigtes Instrument sind die Live-Ticker, die fast im Minutentakt Smartphones und Tablets mit Nachrichten überschwemmen. Ein abstoßendes Beispiel für diese neue Form der Krisenberichterstattung zeigt das Schicksal des Formel-1-Idols Michael Schumacher. Als der Rekord-Weltmeister 2013 nach einem schweren Ski-Unfall in einer Klinik in Grenoble im Koma lag, erklärte

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der Medienfachdienst meedia die Berichterstattung zum „Test für die notorisch überreizte Branche, ob es in ihr noch Anstand gibt“ (Winterbauer 2014). Gerade Online-Medien wurden wegen teils komplett sinnfreier “Schumi-Live-Ticker” stark kritisiert, die jede Nicht-Nachricht zu Schumachers Gesundheitszustand zu immer neuen ScheinNachrichten aufbliesen. (Winterbauer 2014)

Dieser Mechanismus lässt sich inzwischen verallgemeinern und besonders bei Krisen beobachten. Die Psychologie der Quote lässt die Redakteure in Versuchung geraten, klickfördernde Überschriften stärker zuzuspitzen als es der Inhalt der Berichterstattung deckt. Kritiker nennen diese Form der Reichweitenmaximierung „Klick-Fallen“. So zitiert eine Fernseh-Dokumentation des deutsch-französischen Kulturkanals ARTE im August 2014 die auf digitale Leserforschung spezialisierte New Yorker Firma chartbeat: „Die meisten Klicks haben immer die billigsten Inhalte und provokantesten Schlagzeilen.“ (ARTE 2014)

2.3.3 Roboterjournalismus und Textautomatisierung Mittlerweile experimentieren namhafte Medienunternehmen sogar schon mit der nächsten Generation des technischen Journalismus. Mit Hilfe semantischer Spracherkennung und Algorithmen, vergleichbar denen von Suchmaschinen, sollen künftig automatisierte Texte generiert und in Nachrichtenportale eingestellt werden. Ergänzend werden klickstarke Stichworte vollautomatisch mit Informationen aus Datenbanken angereichert. Solche Beiträge aus dem Prozessor können und werden menschliche Journalisten wohl nicht ganz ersetzen; aber durch die standardisierte neue Medien-Kommunikation im Allgemeinen und in der Folge die Krisenkommunikation im Besonderen werden passende Reaktionsformen erforderlich. Pressesprecher alter Schule werden umlernen müssen. Der künftige Roboterjournalismus bietet freilich auch Chancen. Jene Kommunikationsexperten, die wissen, wie die News-Algorithmen funktionieren, können über Originaltextdienste passgenaue Krisensprachregelungen versenden, die sprachlich so optimiert sind, dass sie – im wahrsten Sinne des Wortes – automatisch eine hohe Veröffentlichungsquote erzielen. Darüber hinaus können Datenquellen wie Wikipedia oder YouTube mit eigenem Material gefüttert und für die Text-Roboter auffindbar gemacht werden. Umgekehrt wird eine angestammte Aufgabe der Krisenkommunikatoren und Pressesprecher schwieriger: Ohne menschliche Ansprechpartner in den Redaktionen dürften Beiträge, die auf der Basis von nachfragesteigernden Stichworten automatisiert verbreitet werden, mit Argumenten kaum zu verhindern sein.

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2.3.4 Soziale Medien als kommunikative Brandbeschleuniger Die Mechanismen für Erfolge in Social Media sind durchschaubar. Es kommt nicht mehr darauf an, was eine (vielleicht fachkundige) Redaktion inhaltlich für relevant hält. Viel wichtiger sind im Social Web Themen, die Emotionen oder Ängste wecken oder Schlagworte, die dafür sorgen, dass Inhalte viral verbreitet werden. Durch Blogs, Chats und Foren können sich böswillige Gerüchte nahezu ungebremst verselbständigen. Was in früheren Zeiten mit einem Beschwerdeschreiben oder einem Leserbrief in der örtlichen Zeitung abgetan war, kann heute über Twitter oder Facebook schlagartig eine kommunikative Lawine in Form eines Shitstorms lostreten: Neid, Missgunst, Schadenfreude, Häme, Unverständnis und Unwissen sind bei diesen kommunikativen Brandbeschleunigern an der Tagesordnung. Wie ein mittelständisches ostdeutsches Bauunternehmen durch Blogger in die Insolvenz getrieben wurde, zeigt das folgende Beispiel: Der zunächst erfolgreiche mittelständische Bauträger aus Sachsen hat über Monate hinweg Kundenbeschwerden in Bautagebüchern als unberechtigte Nörgeleien der Häuslebauer abgetan und ignoriert. Die Antistimmung im Internet wurde zunehmend angeheizt. Es dauerte lange – zu lange –, bis die Geschäftsführer begriffen, dass ihnen wegen der kritischen Blog-Einträge fällige Zahlungen verweigert wurden, Neukunden ausblieben und zuletzt Geschäftspartner auf Distanz gingen, Lieferanten und Handwerker auf Vorkasse bestanden. Die Manager hatten nicht erkannt, dass im Grunde nur zwei Bauherren als treibende Kräfte den Aufstand im Internet losgetreten und befeuert hatten. Den kommunikativen Konflikt mit diesen beiden ‚Aufrührern‘ rechtzeitig zu befrieden hätte die Firma retten können. Wer frühzeitig gegensteuert, hat durchaus eine Chance. Der neue Begriff dazu heißt Influencer Relations. Wenn die Zahl der seriösen Journalisten abnimmt und gleichzeitig die Zahl der Multiplikatoren im Internet ansteigt, müssen die neuen Meinungsmacher bedient werden. Krisenkommunikatoren können es sich daher nicht entgehen lassen, Influencer wie beispielsweise Blogger oder Foren-Betreiber zu identifizieren und ihnen sorgfältig zuzuhören. Im nächsten Schritt müssen sie versuchen, mit diesen neuen Multiplikatoren ins Gespräch zu kommen und ihnen zielgerichtete Informationsangebote zu machen. Dies ist allerdings zeit- und personalintensiv und erfordert sorgfältige strategische Planung. Wer erst in der akuten Krise Facebook, Twitter und Co. entdeckt, muss und wird scheitern. Nur wenn die Vorbereitungen für diese Kommunikationsform langfristig und nachhaltig angelegt ist, kann im Notfall einer Krise kurzfristig und damit erfolgreich reagiert werden.

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3 Fazit Issuesmanagement, Risikomanagement und Krisenmanagement, Katastrophenmanagement und die jeweils mit ihnen verbundenen Kommunikationsdisziplinen stellen ein außerordentlich komplexes und auch vielfältiges Geflecht dar. Zwar sind die genannten Felder grundsätzlich für Forschungsprojekte beliebt. Aber sowohl beschreibende als auch empirische Arbeiten beschäftigen sich vorwiegend mit Einzelfällen (beispielsweise mit einer spezifischen Krise der im vorliegenden Text aufgeführten Typen) in Form von Case Studies oder einzelnen Erscheinungsformen mit starkem Praxisbezug. In jüngerer Zeit sind dies aus gegebenem Anlass Phänomene und Wirkung von Social Media. Der Autor hat dabei den Eindruck, dass der Einsatz der Sprache dabei zwar als Werkzeug durchaus als bedeutsam erkannt wird und gewürdigt wird. Die Sprache wird dabei jedoch eher als Werkzeug, als Mittel zum Zweck begriffen. Rein sprachliche Aspekte stehen jedoch eher ausnahmsweise im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Dies gilt z. B. für die im Sammelband von Wengeler/Ziem (2013) publizierten Beiträge.

4 Literatur 4.1 Quellen ARD (2013): Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon. Reportage und Dokumentation. In: https://www. youtube.com/watch?v=xdrkY_NpgrY (Zugriff am 27.01.2015). ARTE (2014): Journalismus von morgen – Die virtuelle Feder, Erstsendung am 26.08.2014. http:// www.arte.tv/guide/de/048392-000/journalismus-von-morgen-die-virtuelle-feder (Zugriff am 27.01.2015). Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (2014): BBK-Glossar. Deutschsprachiges Glossar. Stichwort: Katastrophe. In: http://www.bbk.bund.de/DE/Servicefunktionen/Glossar/_ function/glossar.html?lv2=4968170&lv3=1956350 (Zugriff am 27.01.2015). Bundesnachrichtendienst (2014): Entführungen deutscher Staatsangehöriger im Ausland. In: http:// www.bnd.bund.de/DE/Themen/Lagebeitraege/Entfuehrungen/Entfuehrungen_node.html (Zugriff am 26.01.2015). Commerzbank (2013): Meilensteine. In: https://www.youtube.com/watch?v=C94UYqx2CFY (Zugriff 26.01.2015). Demokratie-Forum Hambacher Schloss (2014): Mythos Transparenzgesellschaft: Trübt die Informationsflut den Durchblick? In: http://www.swr.de/-/id=13158574/property=download/ nid=7687068/1ai028a/leitfragen.pdf (Zugriff am 27.01.2015). Deutsche Bahn (2014): Konzerngrundsätze – Ethik – Verhaltenskodex. In: http://www. deutschebahn.com/file/2193682/data/db_verhaltenskodex.pdf (Zugriff am 26.01.2015). Deutsche Bahn (2014a): Compliance-Beratung. In: http://www.deutschebahn.com/de/konzern/ compliance/beratung_.html (Zugriff am 26.01.2015).

230 

 Peter Höbel

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Ohne Risiko keine Chance 

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4.2 Sekundärliteratur Brauerhoch, Frank-Olaf/Christoph Ewen/Kristina Sinemus (2008): Formen und Folgen behördlicher Risikokommunikation. Berlin. Cision Social Journalism-Studie 2013/14. In: PR-Report 05/2014. Berlin. DCGK (2014): Deutscher Corporate Governance Kodex. In: http://www.dcgk.de//files/dcgk/ usercontent/de/download/kodex/D_CorGov_Endfassung_2014.pdf (Zugriff am 27.01.2015). Höbel, Peter (2006): Die Rolle der Kommunikation im interdisziplinären Krisenmanagement bei Großschadensereignissen. In: Ralf Laumer/Jürgen Pütz (Hg.): Krisen-PR in der Praxis. Münster, 170–179. Höbel, Peter (2007): Kommunikation in Krisen – Krisen in der Kommunikation? In: Manfred Piwinger/Ansgar Zerfass (Hg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Wiesbaden, 875–889. Höbel, Peter/Thorsten Hofmann (2009): Vorbereitung auf den Börsengang – Kommunikation in Krisen. In: Klaus Rainer Kirchhoff/Manfred Piwinger (Hg.) Praxishandbuch Investor Relations. 2. Aufl. Wiesbaden, 311–325. Höbel, Peter (2013): Bürger verstehen – Bedürfnisse und Ängste analysieren. In: Thorsten Hofmann/ Kristina Sinemus (Hg.): Partizipation – Neue Herausforderung für die Kommunikation. Berlin, 41–48. Höbel, Peter/Hofmann, Thorsten (2014): Krisenkommunikation, 2. Aufl. Konstanz. Kramer, Bernd (2015): „Wir sollten risikomündiger werden“. Fürchten wir uns vor den richtigen Dingen? Ein Interview mit dem Risikoforscher Ortwin Renn. In: fluter. Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung 19.01.2015. http://www.fluter.de/de/141/thema/13317/ (Zugriff am 27.01.2015). Krause, Florentin/Hartmut Bossel/Karl-Friedrich Müller-Reissmann (1980): Energie-Wende. Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran. Ein Alternativbericht des Öko-Instituts Freiburg. Frankfurt a. M. Meiburg, Jill (2014): Management mit Weitblick. Integriertes strategisches Issues-Management bei Deutsche Post DHL. In: Kommunikationsmanager 12/2014, 18–22. Merten, Klaus (2001): Determinanten des Issues Managements. In: Ulrike Röttger (Hg.): Issues Management. Theoretische Konzepte und praktische Umsetzung. Eine Bestandsaufnahme. Wiesbaden, 41–57. Oltmanns, Thorsten (2014): It’s the Performance, Stupid? Really…? – Work in Progess. In: http:// www.rolandberger.de/media/pdf/Roland_Berger_Manager_Reputation_20140729.pdf (Zugriff am 27.01.2015). Renn, Ortwin (2014): Das Risikoparadox. Warum wir uns vor dem Falschen fürchten. 2. Aufl. Frankfurt a. M.

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 Peter Höbel

Roland Berger/Quadriga (2014): Perception beats performance – woran Manager scheitern. In: http://www.rolandberger.de/pressemitteilungen/514-press_archive2014_sc_content/ Perception_beats_Performance.html (Zugriff 27.01.2015). SOX (2002): Sarbanes-Oxley-Act. In: http://www.sec.gov/about/laws/soa2002.pdf (Zugriff am 27.01.2015). Wehmeier, Stefan (2000): Vom „Issue-Embryo“ zum Konflikt. Tagung der DGPuK-Fachgruppe PR zum Thema Issue Management. In: Public Relations Forum für Wissenschaft und Praxis 6/4, 170–171. Wengeler, Martin/Alexander Ziem (Hg.) (2013): Sprachliche Konstruktionen von Krisen. Interdisziplinäre Perspektiven auf ein fortwährend aktuelles Phänomen. Bremen.

Inga Ellen Kastens

12. Wettbewerb um die Bedeutungen Oder warum Marken nicht am Schreibtisch einer Agentur entstehen Abstract: Die ökonomische und soziale Wirkmächtigkeit von Marken ist heute unbestritten: Das Marketing nutzt die Marke daher in den Unternehmen als eines der stärksten Instrumentarien zur Steuerung von Meinungen, Sentiments und Verhaltensweisen von (potenziellen) Kunden. Doch zunehmende Austauschbarkeit von Produkten, Leistungen und Botschaften, die Explosion neuer Produkte und Produktvarianten, die sich rasant verändernde Medienlandschaft, einhergehend mit dem anwachsenden Hintergrundrauschen in der Kommunikationslandschaft und einer abnehmenden Aufmerksamkeit bei den Anspruchsgruppen lassen das Management von Marke und Kommunikation zwar immer wichtiger, aber auch immer wirkungsloser erscheinen. Der Wettbewerb der Produkte wird zu einem Wettbewerb der Marken. Genauer: Zu einem Wettbewerb um einzigartige Images, Gefühle, Einstellungen zu einem Produkt, einer Leistung oder dem Unternehmen. In diesem Beitrag wird ein Perspektivenwechsel auf das immaterielle Zielsystem Marke vorgestellt, das unter Zugrundelegung einer kulturwissenschaftlich orientierten Semantik zum einen zeigt, dass die Bildung einer Marke nicht dem kommunikativen Mechanismus der Steuerung, sondern dem der Aushandlung unterliegt. Denn die klassische Management- und Marketinglehre geht bis heute davon aus, soziokulturelle Prozesse, wie die der interaktiven Bedeutungskonstitution, steuern zu können. Zum zweiten wird skizziert, wie das Management von Marke und Kommunikation an die laufende, nicht einseitig steuerbare gesellschaftliche Aushandlung langfristig angekoppelt werden kann. Dies wird exemplifiziert auf Basis des systemisch-semantischen Grundlagenmodells Markendiskursraum. Der hier vorgestellte Zugang zur Marke ist interdisziplinär angelegt und betont den hohen und keineswegs hilfswissenschaftlichen Stellenwert geistes- und kulturwissenschaftlicher Ansätze in der Markenforschung. 1 2 3 4 5

Unsicherheit der Ökonomie in Bezug auf Immaterielles Immaterielles Wesen der Marke Interdisziplinäre Öffnungen in der Markenwissenschaft Systemisch-semantische Markentheorie: Die Marke im Paradigma der Aushandlung Systemisch-semantische Markenpraxis: Markendiskursraum (MDR) als Eintrittstor in die gesellschaftliche Aushandlung 6 Plädoyer für eine aushandlungsparadigmatische Grundlegung im Marken- und Kommunikationsmanagement 7 Literatur

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1 Unsicherheit der Ökonomie in Bezug auf Immaterielles Wer heute in der Unternehmenskommunikation oder einem ihrer Teilbereiche wie Marketing, PR, Werbung, Social Media oder Big Data arbeitet, hat diese Arbeit zunehmend beziehungs- und nicht mehr nur angebotsorientiert auszurichten. Denn das klassische, auf das Senden von Botschaften fokussierte technizistische Paradigma der Unternehmenskommunikation wich zumindest in der Theorie einem interaktiven Kommunikationsverständnis (vgl. Menz/Stahl 2008; Schmidt/Lyczek 2008). Doch zwischen Theorie und Praxis klafft eine Lücke: In der täglichen Kommunikationsarbeit der Unternehmen steht die Konzeption und der Einsatz komplexitätsreduzierender Kommunikationsansätze im Fokus, die „mit Blick auf Tempo, Reaktionsfähigkeit, Beweglichkeit und Lernvermögen Spitze [sind].“ (Mast 2010, 1) Die klassische Einwegkommunikation dominiert: Modelle der Unternehmens- und Markenkommunikation basieren auf einer beschreibend-darstellenden Ebene, das interaktive und damit kontinuierlich bedeutungsverändernde Moment erfassen sie nicht. Dieser Stillstand in der praktischen Entwicklung der Unternehmenskommunikation ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Kommunikation – allgemeiner: Sprache  – in der Ökonomie immer noch unterkomplex behandelt wird: Es interessiert vornehmlich der persuasive Charakter sprachlicher Handlungen und Prozesse (vgl. Burkart 2002, 193). Dass Persuasionen, wenn überhaupt, nur kurzfristig wirksam sind, aber langfristig ohne Bedeutung bleiben (vgl. Bator/Cialdini 2000), wird aus den strategischen Plänen häufig ausgeblendet. Zudem gilt Sprache als „Gratismedium“ (Priddat 2008, 22); ihre grundsätzlichen Charakteristika wie Emergenz, doppelte Kontingenz sowie die damit einhergehende prinzipielle Unsteuerbarkeit von Kommunikation werden kaum beachtet. Kurz: Es wird akzeptiert, dass „niemand [genau] weiß, wie das Verstehen semantischer Bedeutung […] funktioniert.“ (Franck 2007, 160) Weitverbreitete Folgen sind u. a., dass das Initiieren authentischer Dialoge zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen in der Praxis kaum funktionieren (vgl. Pleil/ Zerfass 2007, 517), der Markenaufbau trotz Millioneninvestition in Marketingkampagnen nicht funktioniert und gesellschaftliche Ressentiments bzw. Reaktanzen deutlich ansteigen. Unternehmen und ganze Branchen wie die Energie-, Versicherungs- und Finanzbranche befinden sich mittlerweile in steigendem Legitimationsdruck, dem mit bisherigen kommunikativen Mitteln innerhalb gesellschaftlicher Diskursprozesse kaum mehr entgegengewirkt werden kann. Zur Bewältigung bestehender und zukünftiger Herausforderungen der Wirtschaftsunternehmen im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Gesellschaft ist es daher unabdingbar, die Sprache in ihrem konstruierenden Charakter zu verstehen. Mit anderen Worten: Der Grundgedanke laufender Bedeutungskonstruktion und -konstitution muss in der Unternehmens- und Markenkommunikation Einlass finden. Dies ist möglich auf Basis des Konzepts ‚Marke‘.

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2 Immaterielles Wesen der Marke Die Marke zählt heute zu den erfolgsbestimmenden immateriellen Zielsystemen unternehmerisch-kommunikativen Handelns. Ihre semantische Grundcharakteristik umfasst ein paar wenige, aber entscheidende Bedeutungen, die sich in den Köpfen der Menschen gebildet haben und ein Produkt oder eine Dienstleistung von einem anderen Anbieter eindeutig unterscheiden, ja einzigartig machen. Wie dieses Mehr an emotional determinierter Bedeutung jedoch entsteht, gilt als Forschungsdesiderat in den Marketing- und Markenwissenschaften. Einer der Hauptgründe darf darin vermutet werden, dass die fast hundertjährige Geschichte der Erforschung des Markenwesens hier eine Kreisbewegung kennzeichnet, die aus einem technizistisch-funktionalistischen Kommunikations- und Bedeutungsverständnis im Markenmanagement bislang nicht herausführen konnte. Kurzchronik einer Erforschung der Marke Als Geburtsstunde des modernen Markenartikels beziffert Lutz (1967, 182) das Jahr 1850. Entwicklungsgeschichtlich folgten drei Paradigmen in der Erforschung des Markenwesens: Das Technik-Paradigma, das Persönlichkeits-Paradigma sowie das Kommunikations-Paradigma der Marke. Ausgerufen wurden diese Paradigmen durch sich immer wieder verschärfende externe Einflüsse. So kam es in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung zu einer Entpersonalisierung der Beziehungen von Konsument und Hersteller, was eine einheitliche Markierung des Produktes erforderte: „Durch die Markierung erfährt der Konsument, wer der Hersteller bzw. Anbieter eines Produktes oder einer Dienstleistung ist.“ (Esch 2004, 19) Diese Markierung erfolgte auf Basis eines festgelegten Merkmalsbündels, welches in den Lehr- und Praxisbüchern des Marketings als Beschreibung von ‚Marke‘ immer noch gültig ist: Markenartikel sind für den privaten Bedarf geschaffene Fertigwaren, die in einem größeren Absatzraum unter einem besonderen, die Herkunft kennzeichnenden Merkmal (Marke) in einheitlicher Aufmachung, gleicher Menge sowie in gleichbleibender oder verbesserter Güte sind und sich […] durch für sie betriebene Werbung die Anerkennung der beteiligten Wirtschaftskreise (Verbraucher, Händler und Hersteller) erworben haben (Verkehrsgeltung). (Mellerowicz 1963, 39)

Diese Phase ging als Technik-Paradigma der Marke in die Lehrbücher ein, da man bei diesem Markenverständnis von „einer Art Gebrauchsanleitung zum Bau von Marken“ (Hellmann 2003, 73) sprechen konnte. Ende der 50er-Jahre verschärfte sich die Wettbewerbssituation weiter, und die ökonomischen Erklärungsansätze erhielten Verstärkung durch kognitivistisch-psychologische Ansätze zur Markentheorie  – das Paradigma der Persönlichkeit wurde eingeläutet. Charakteristisch für dieses sollte der Wechsel von einer Herstellersicht („Wir machen die Marke im Unternehmen!“) zu einer Verbrauchersicht („Die Marke

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 Inga Ellen Kastens

entsteht in den Köpfen der Konsumenten!“) sein. Sowohl der Konsument als auch die Marke wurden dabei als Persönlichkeiten verstanden, die miteinander in Interaktion treten. Aus dieser „Psychologie der Marke“ (Bergler 1963) oder auch „Psychologisierung der Marke“ (Heun 2012) entwickelte sich seit den 60er-Jahren eine ganze Flut an psychologischen Methoden aus der Konsum- und Marktforschung, die herauszufinden versuchten, mit welchen Vorstellungen, inneren Bildern und Gefühlen Verbraucher eine bestimmte Marke assoziieren. Die Marke wurde menschenähnlich gemacht („Die Marke ist eine Persönlichkeit und hat einen eigenen Charakter.“ Kapferer 1992, 51) bzw. ihr wurde ein eigenständiges, ja lebendiges Wesen zugesprochen (vgl. Hellmann 2003, 83 ff.). Der Markensoziologe Alexander Deichsel spricht gar von einem Marken-Wesen, [das] jeweils eine eigene Gestalt [hat], sie sucht sich ihre Nahrung, sie lebt durch kräftigen Stoffwechsel, sie unterwirft sich den Seelen der Menschen, deren Hingabebereitschaft und Opferwille sie zum Blühen bringt. (Deichsel 1992, 275)

Das Persönlichkeits-Paradigma ist in der theoretischen Exemplifikation attraktiv, fungiert doch „die Metapher der Markenpersönlichkeit […] als Chiffre, Idealtyp und Leitbild für erfolgreiche Markenpolitik“ (Hellmann 2003, 88). Vom Standpunkt der Praxis aus ist die Metapher der Persönlichkeit jedoch weniger hilfreich: So lässt sich eine Marke zwar unternehmensintern mit menschlichen Attributen beschreiben; dass diese aber wie vorab festgelegt in den Köpfen der anvisierten Zielgruppe(n) ankommen, entspricht bis heute mehr einem Wunsch als der Wirklichkeit. Seit Beginn der 90er-Jahre lautet das Credo daher konkreter: „Was die starke Marke auszeichnet, ist eine starke Kommunikations-Leistung.“ (Szallies 1987, 326), Markenpolitik ist Kommunikationsmanagement (Trommsdorff 1997, 1) oder auch: Marke ist Kommunikation (Kapferer 1992, 79). Die Arbeiten, die Marke auf Basis von Kommunikation zu erklären versuchten, taten dies v. a. unter Hinzunahme des Konzeptes der Integrierten Kommunikation sowie  – weiter gefasst  – das der Corporate Identity. Seitdem leitet das Markenmanagement zwei Grundgedanken: Zum ersten muss beim Aufbau von Marken auf einen konsistenten und stimmigen, sprich integrierten Kommunikations-Mix geachtet werden. Der Auftritt einer Marke soll über alle Kanäle einheitlich erfolgen. Zum zweiten kam man nicht vom Persönlichkeits-Paradigma los: Genauso wie bei Unternehmen und Produkten soll die Marke als widerspruchsfreie Identität (Persönlichkeit) qua Festsetzung prägnanter Eigenschaften in den Köpfen der Menschen positioniert werden (vgl. Esch 2004). Millionen werden heute in die Konzeption einer Markenidentität investiert. Die herrschenden, sich im Kern stark ähnelnden Ansätze sollen eine strategische und operative Handlungsebene für das Nicht-Greifbare der Marke schaffen. Zu den bekanntesten gehören die Identitätsansätze von Kapferer (1992), Aaker (1996), Meffert/ Burmann/Koers (2002) und Esch (2004). Genauso aber wie damals im Rahmen der Merkmalskataloge steht heute die (alte) Absicht des Herstellers, ein Produkt oder eine Dienstleistung durch einen Markennamen, eine Farbgestaltung und einen Slogan aus

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der Anonymität der homogenen Produkt- und Dienstleistungskategorien herauszuheben. In dieser Kreisbewegung verharrend, arbeitet heute eine ganze Design-Industrie im Rahmen des multisensualen Brandings an immer neuen Markierungsmöglichkeiten, um Markenidentitäten ganzheitlich aufzubauen. Am grundsätzlichen technizistischen Kommunikationsverständnis wurde nicht gerührt: Mittels Markierung und damit einhergehender festgelegter Eigenschaften „platziert [man] ein Produkt in den Köpfen der potentiellen Kunden.“ (Ries/Trout 2000, 19) Die Marke gilt heute pauschal als das Ergebnis von (integrierter) Kommunikation (vgl. dazu kritisch Hellmann 2003, 88 ff. und Wätjen 2008, 5).

3 Interdisziplinäre Öffnungen in der Markenwissenschaft Ein Grundverständnis davon, was ‚Marke‘ ist, fehlt bis heute (vgl. Gerken 1991; Meyer/ Pogoda/Küthe 1995; Halstenberg 1996; Thurm 2000; Adjouri 2002; Tropp 2004; Hüllemann 2007). Dieses Desiderats angenommen haben sich insbesondere zwei interdisziplinär arbeitende Forschungsperspektiven auf die Marke: Die (1) systemtheoretische Perspektive (Otte 1993; Halstenberg 1996; Roth 1999; Thurm 2000; Essinger 2001; Hellmann 2003; Tropp 2004; Hüllemann 2007) sowie die (2) kulturwissenschaftliche Perspektive (Hellmann 2011; Heun 2012; Friedemann 2012). (1) Die Systemtheorie bietet sich zur Erforschung der Marke innerhalb gesamtgesellschaftlicher Prozesse generell an, da sie sich als eine Metatheorie von (zu) einfachen Ursache-Wirkungsbeziehungen distanziert. In den Beiträgen einer systemtheoretischen Konzeption der Marke wurden wertvolle Blickwinkel eröffnet: – Vertreter systemtheoretischer Markenkonzeptionen arbeiten auf Basis eines konstruktivistischen Kommunikationsverständnisses und schwören dem metaphysischen Realismus informationstheoretisch-behavioristischer Input-Output-Kommunikationsbeziehungen ab. – Zum einen wird dadurch die kognitive Unsteuerbarkeit von Konsumenten und anderen am Markensystem Beteiligten betont. Zum anderen wird das klassische Management-Verständnis der Steuerung kritisch hinterfragt; Charakteristika der Selbstorganisation wie Zirkularität und Komplexität treten in den Diskussionsraum mit dem Ziel, linear geordnete Abfolgeprozesse abzulösen. Das allgemeine Credo interdisziplinär arbeitender Markenforscher lautet für das Markenmanagement: Mitgestaltung ja, Kontrolle nein. – Die Marke wird nicht mehr als rein wirtschaftliches Phänomen verstanden und man erkennt, dass die individuelle und soziale Bedeutung einer Marke weder allein in der organisationalen Entscheidungskommunikation noch allein im Kopf der Verbraucher zu suchen ist. Die Bedeutung der Marke ist innerhalb des Systems aller sinnhaften Kommunikation, sprich in der Gesellschaft zu verorten;

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s. bspw. die Konzeptionen der Marke als autopoietisches Kommunikationssystem (Thurm 2000); Marke als synreferentielles System (Kothen 2006); Marke als einzigartiger Wissensbereich (Tropp 2004). Doch die Systemtheorie stößt an Grenzen: Den Einbezug wesentlicher Prozesse interaktiver Bedeutungskonstitution erlaubt sie nicht. Dazu wurde systemtheoretisch bislang aus einem zu stark naturwissenschaftlich fokussierten Blickwinkel gearbeitet  – zurückgehend auf Biologen wie Bertalanffy (1972) sowie Maturana/Varela (2010): Begriffe wie Autopoiese, Selbstorganisation, Synergie etc., die ursprünglich der Naturwissenschaft bzw. der Physiologie entstammen, wurden relativ unmittelbar auf soziale Systeme übertragen (vgl. dazu kritisch Goebel 2006, 261 f.). In dieser biokybernetischen bzw. bio-epistemisch konstruierten Systemtheorie wurden zentrale kulturwissenschaftliche, geschweige denn linguistisch-semantische Aspekte weitestgehend ausgeblendet, die es zum Verstehen des Phänomens Marke aber dringend braucht. Denn die „Markentheorie [muss] von einer Transportmetapher auf Bedeutungskonstruktion [umschalten].“ (Tropp 2004, 73). (2) Kulturwissenschaftliche Ansätze zur Marke im Rahmen der Brand Community-Forschung, die ein Forschungszweig der Konsumsoziologie darstellt, sprechen daher von einer „Markenkultur, verstanden als geteiltes Bedeutungsgewebe“ (Heun 2012, 3). Diese wird als etwas verstanden, das durch den aktiven, freiwilligen und interessengeleiteten Umgang und Austausch von Verwendern der Marke zustande kommt, und nicht innerhalb eines vertraglichen Zwangsverhältnisses gesteuert werden kann. (Heun 2012, 75)

Diese Forschungsrichtung bestärkt die Marketingwissenschaften darin, den Eigensinn der Kunden in die zukünftige Markenarbeit zu integrieren (vgl. Heun 2012; Friedemann 2012). Denn [i]n Anbetracht der aktuellen Entwicklungen erscheint es ungewisser denn je, ob man nach wie vor davon ausgehen kann, dass die Unternehmen mittels ihrer kommunikation Maßnahmen in der Lage sind, ein für die Zielgruppen der Markenkommunikation konsistentes Erscheinungsbild der Marke(n) eines Unternehmens zu vermitteln, […]. (Heun 2012, 3)

Kulturwissenschaftliche Ansätze zur Marke besitzen bislang aber nicht den Anspruch, eine grundlegende Theorie der Marke aufzustellen. Sie wollen zuvorderst die operative Markenpraxis optimieren. Die theoretische Durchdringung ist aber notwendig, um das Markenphänomen hinsichtlich seiner semantischen Entstehungs- und Entwicklungsmechanismen grundsätzlich zu verstehen. Erst auf dieser Basis sollten neue unternehmensinterne Handlungsoptionen entwickelt werden. Denn anderenfalls wird nie berücksichtigt werden können, dass Bedeutungen nicht prospektiv herstellbar sind  – wie es klassische Positionierungsansätze implizit setzen  – sondern Sinnkonstitution sich stets retrospektiv zeigt.

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4 Systemisch-semantische Markentheorie: Die Marke im Paradigma der Aushandlung Mit einem Aspekt wird die Marke zwar immer häufiger in Verbindung, nicht aber in ein konkretes, analytisch-methodologisches Verhältnis gesetzt: Bedeutung und die Prozesse dynamischer Bedeutungskonstitution. Die Marke umfassend in Theorie und Praxis als ein Phänomen der Bedeutung darzustellen und zu erklären, ist eine der Aufgaben der systemisch-semantischen Markentheorie und -praxis. Diese ist im Schnittfeld mehrerer Disziplinen angesiedelt: Angewandte Linguistik (Linguistische Epistemologie sowie interdisziplinäre Diskursanalyse), soziologische Systemtheorie, moderne Kulturwissenschaften sowie Management- und Betriebswirtschaftslehre. Wir konzentrieren uns auf die semantischen Aspekte: Die systemisch-semantische Markentheorie versteht Sprache im Sinne der ihr innewohnenden Organisationsprinzipien als die entscheidende Grundlage jeder Sinnkonstitution und damit auch der Entstehung vom sozialen System ‚Marke‘ (vgl. Kastens/Lux 2014).

4.1 Von der Systemtheorie zur Semantik der Marke: Notwendigkeit einer umfassenden Linguistischen Epistemologie Aus systemisch-semantischer Perspektive stellt die Marke ein selbstreferentielles, autopoietisches soziales System von Sinnoperationen dar (vgl. Kastens/Lux 2014, 45 ff.). Marken entstehen durch Bedeutungsaushandlung und reproduzieren sich durch diese. Kollektive Bedeutungsaushandlungen in sozialen, für die jeweilige Marke spezifischen Kommunikationszusammenhängen bilden die jeweils spezifische Systemstruktur einer Marke. Daher stellt neben der soziologischen Systemtheorie die Semantik einen zentralen Pfeiler im Perspektivenwechsel auf ‚Marke‘ dar. Der Ausdruck Semantik der Marke beschreibt eine linguistisch-kulturwissenschaftlich angelegte Forschungsperspektive, innerhalb derer die Marke konsequent als „reines Bedeutungsding“ (Hellmann 2003, 21) in den Blick kommt: Marke ist und wird immer wieder sozial ausgehandelte Bedeutung. Allgemein führte der Linguistic turn die Semantik über traditionelle Disziplinen (Sprach- und Literaturwissenschaften, Philosophie, Hermeneutik; vgl. Busse 2009, 125) hinaus in die Kommunikationswissenschaften, Ethnologie, Soziologie und Geschichtswissenschaft. In diesen Disziplinen wurde die Bedeutung der Bedeutung immer wichtiger; der Mythos von der Sprache als transparentes Medium zur Erfassung und technizistischen Vermittlung der Wirklichkeit wich einem konstruktivistischen Verständnis interaktiver Wirklichkeitskonstruktion (vgl. Landwehr 2008). Der Aushandlungscharakter von Bedeutungen wurde dabei zum einen in einer Theorielinie der Angewandten Gesprächsforschung  – der interaktiven Bedeutungskonstitution (vgl. Deppermann/Spranz-Fogasy 2006)  – als zentral herausgestellt. Zum anderen

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beschäftigte man sich in der phänomenologischen Sozialforschung unter dem Begriff der Konstruktion mit dem fluiden Charakter von Bedeutungen. In Form des Symbolischen Interaktionismus fand der Begriff der Konstruktion auch Einlass in die Ökonomie, so u. a. in Ansätzen der Corporate Identity (vgl. Schmidt/Lyczek 2008). So hätte im Kern der Kommunikationsarbeit von Unternehmen erkannt werden können: Die (sprachliche) Wirklichkeit ist nichts objektiv Gegebenes. Doch wie oben bereits beklagt: Weder für die Unternehmenskommunikation allgemein, noch für die Marke im Besonderen wurden daraus langfristige Ableitungen getroffen. Mit dem kulturwissenschaftlich geprägten Begriff der Aushandlung (s. grundlegend Wimmer 2005) kann eine Entwicklungslinie in der Markenforschung eingeschlagen werden, die den in der Ökonomie ubiquitär eingesetzten Kommunikationsmechanismus der Steuerung in Theorie und Praxis ersetzt. Die Aushandlung von Bedeutungen meint im einfachen Sinne: Ein Wort hat keine prästabilisierte Bedeutung. Denn unser Wissen existiert nicht einfach. Ständig bewerten wir (neue) Dinge auf Basis unseres bisherigen Wissensvorrates und transformieren so relativ schnell Unvertrautes in Vertrautes (Schützeichel 2007, 453). Wir bauen unser Wissen also laufend auf und verändern es in unbewusst ablaufenden Prozessen, so dass es uns in der sinn- und orientierungsstiftenden Bewältigung der jeweiligen Realitäten unbewusst oder bewusst unterstützt. Die Aushandlung ist ein ständig ablaufender Mechanismus in unserer Sinnkonstitution. Die Notwendigkeit einer Substitution des grundlegenden Kommunikationsmechanismus innerhalb des Unternehmens- und Markenmanagements ist offensichtlich: Die hier praktizierte Sprachbewusstseinshaltung entspricht zwar dem anerkannten funktionalistisch-objektivistischen Management-Leitbild (vgl. Wimmer 1999, 165; Tropp 2004, 130); doch sorgt genau dieses dafür, dass die codierten Regelsysteme heutiger Kommunikationsarbeit die natürlich-sprachlichen Kommunikationsprozesse und damit den notwendigen Bedeutungswandel und die Ambiguität unterbinden. Dabei ist es für die überwiegende Mehrzahl sprachlicher Ausdrücke in verbaler Interaktion […] geradezu verfehlt, nach ihrer ‚Bedeutung‘ zu fragen. Für sie gilt, dass sie im Fluss des interaktiven Geschehens untergehen, so dass es vielleicht Sinn haben mag, ihnen eine interaktive Funktion zuzuschreiben, dass aber davon, dass sie in einem linguistischen Sinne ‚eine Bedeutung haben‘, gerade nicht die Rede sein kann. (Nothdurft 2006, 5)

Für eine konsequent interaktional ausgerichtete Unternehmens- und Markenkommunikation muss „der Ausdruck Bedeutung […] seine Bedeutung im Kontext der Phrase Interaktive Bedeutungskonstitution erhalten […]“ (Nothdurft 2006, 62) Diesem Anspruch werden wir gerecht, indem wir im Kontext des Unternehmens- und Markenmanagements mit dem Begriff der Aushandlung arbeiten. Dieser reißt – um mit Busses (2012, 15 ff.) Worten zu sprechen – Grenzzäune ein, die bislang den Blick auf ein ganzheitliches Verstehen von Bedeutungen und ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit verdeckt haben. Der Kommunikationsmecha-

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nismus der Aushandlung verweist wiederum auf einen grundlegenden Zugang in die Entstehung und den Wirkungsbereich von Bedeutungen: Die Linguistische Epistemologie. Diese steht im Kreuzungspunkt von kognitiver, sprachwissenschaftlicher und kulturwissenschaftlicher Perspektive, weil sie einerseits die kognitiven Bedingungen der Möglichkeit zur Erzeugung von sprachgestütztem Sinn ernst zu nehmen hat. Zum anderen muss sie aber auch die sozialen, kulturell konstituierten Bedingungen von (kollektivem) Sinn berücksichtigen, da […] nur über die Sozialität des verstehensermöglichenden Wissens kommunikativer Austausch, Diskursivität, Kulturalität möglich wird. (Busse 2012, 810)

Eine solch kulturwissenschaftlich-orientierte Semantik versteht sich als Teil einer umfassenden Wissensanalyse, die das gesamte verstehensrelevante Wissen in ihre Betrachtung und Analyse einbezieht (vgl. Busse 2003, 21). Kern dieses Bedeutungsverständnisses ist die Tiefensemantik, die auf das „tacit knowledge“, also das stillschweigende Wissen (Busse 2003, 26 sowie Busse 2012, 46) zielt, das in Aushandlungsprozessen stets wirkt. Dieses steht in Kontrast zum offensichtlichen Wissen, das in der traditionellen semantischen Linguistik und auch in der herkömmlichen Marktforschung an der Oberfläche von Wörtern, Sätzen, Texten eruiert wird. Bei einem tiefensemantischen Zugang zu den Bedeutungen zielt man auf das versteckte, häufig übersehene, weil als selbstverständlich unterstellte Wissen der Menschen, das sich teils in Jahrzehnten der soziokulturellen Bedeutungshandlung in einzelnen Wörtern (bzw. allgemein: Aussagen) abgespeichert hat und von deren Vorhandensein Sprecher und Rezipienten i. d. R. kein reflektiertes Bewusstsein haben (vgl. Busse 2003, 26 sowie Busse 2012, 46). Übertragen wir dies auf die Marke (s. folgende Ausführungen umfassend in Kastens/Lux 2014, 19 ff.).

4.2 Marken und ihre semantische Dialektik Die Lexikalisierung von Marken in unserer Alltagssprache ist eigentlich denkbar simpel: Zu jedem für uns im Alltag gebräuchlichen Wort besitzen wir einerseits ein semantisches Durchschnittswissen, also eine Art Durchschnittsbedeutung des Wortes, auf dessen Basis wir uns – sofern wir die gleiche Sprache sprechen – unterhalten können (Stabilität in der Bedeutungsbildung). Andererseits jedoch ist jedem Wort eine semantische Flexibilität zu eigen, ausgedrückt in Bedeutungsnuancen (Dynamik in der Bedeutungsbildung). Eine Nuance ist eine feine, qualitative Abstufung bzw. Schattierung innerhalb eines Bedeutungskontinuums. Bedeutungsnuancen speichern sich zu jedem Wort ab und können einen teils enormen Umfang annehmen. Bedeutungsnuancen lagern sich zum einen langfristig in ein bestimmtes Wort ein. Sie werden einem erst dann bewusst, wenn man die Bedeutungsentwicklung dieses Wortes in seiner soziohistorischen Entwicklung betrachtet. Zum anderen sind Bedeutungsnuancen situativ-kontextbestimmt.

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Marken basieren nun, genauso wie jedes andere alltagssprachliche Wort, auf dieser Dialektik: Sie bilden im Laufe der Zeit ein semantische Durchschnittswissen aus; dieser Bedeutungskern, über den die relevanten kommunikativen Akteure jederzeit über und durch die Marke sprechen können, wird optimalerweise in den fortlaufenden gesellschaftlichen Interaktionen sowohl immer wieder bestätigt und gefestigt als auch unentwegt in Nuancen geändert und angepasst, damit die gesellschaftlich ausgehandelten Bedeutungen der Marke aktuell bleiben. Die systemisch-semantische Definition einer Marke fasst dies in vier Schritten zusammen: 1. Die Marke stellt einen zwischen mindestens zwei gesellschaftlichen Beziehungsgruppen sozial ausgehandelten Bedeutungsraum dar. 2. Das sich in diesem Raum bildende Bedeutungsgewebe besteht sowohl aus festen, kollektiv verwendeten als auch sich immer wieder dynamisch wandelnden und aktualisierenden Bedeutungsinhalten. 3. Das Unternehmen selber ist nur eine gesellschaftliche Beziehungsgruppe unter vielen in diesem dynamisch reziproken und interdependenten Aushandlungsprozess. 4. Die Marke ist nicht steuerbar, sondern ausschließlich aushandelbar.

Abb. 1: Marke als ein sozial ausgehandeltes Bedeutungssystem verstehen (Kastens/Lux 2014)

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4.3 Wie Marken in unserem Alltag an Bedeutung gewinnen. Und verlieren. Zu Marken wie Nivea, Otto, Ford oder auch Deichmann haben wir im Laufe unserer Sozialisation – mehr unbewusst als bewusst – ein semantisches Durchschnittswissen ausgehandelt. Doch obwohl sie in der Werbung immer noch teils hochfrequent medial inszeniert werden, bleibt eine notwendige Aktualisierung wichtiger Bedeutungen innerhalb des semantischen Durchschnittswissens dieser Markensysteme weitestgehend aus: Sie umfassen ein nur noch geringes, wenig emotionales Markenwissen und machen deutlich, wie nachrangig eine rein werbespezifische Kommunikation für eine starke Markenentwicklung zu sein scheint. Emotional differenzierende Bedeutungsnuancen, die später zu einem hochdifferenzierenden semantischen Durchschnittswissen anwachsen können, basieren maßgeblich auf Prozessen in unserer täglichen Alltagssprache. Erst hier entstehen die Bedeutungen, die von einem Unternehmen vielleicht nicht in der Art beabsichtigt waren, eine bestimmte Marke aber aus epistemologischer Sicht fest in den mentalen Lexika verankern. Schauen wir uns dazu den Begriff Premium an, der fest zum semantischen Durchschnittswissen der beiden Marken BMW und Mercedes gehört (wenngleich es nur einen ganz kleinen Teil von diesem repräsentiert) und auch intendiert war. Doch je nachdem, ob das Wort im Kontext BMW oder im Kontext Mercedes aktiviert wird, werden unterschiedliche Bedeutungsnuancen bei den Menschen wachgerufen, die auf die unterschiedliche Sozialisation dieser beiden Markensysteme zurückzuführen ist: „Premium“ Bedeutungsfeld bei BMW energisch kraftvoll

PS-stark sportliches Fahrwerk

BMW

prollig/protzig machohaft Männer

ruhig

rasant

sportlich

überholen

Bedeutungsfeld bei Mercedes

sexy elegant stolz

gemächlich (deutsche) Wertarbeit

tourig dynamisch wohlhabend jung

teuer

attraktiv edel

zuverlässig

gediegen anspruchsvoll

Statussymbol eine Klasse für sich schick/silbern

sicher

Mercedes

luxuriös

distinguiert

abgehoben gierig

typischer Luxuswagen

großspurig Bonze reich/Reichtum ältere reiche Männer Altherrenauto

Abb. 2: Semantische Ausdifferenzierung einer Marke in unserer Alltagssprache (Kastens/Lux 2014)

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Eine solche semantische Ausdifferenzierung stellt den Optimalzustand hinsichtlich der Bedeutungsaushandlung einer Marke dar: Das semantische Merkmal ‚Premium‘ wird von den jeweiligen Beziehungsgruppen der Marke bedeutungsmäßig typisch aufgeladen und damit verändert. Die klassischen Positionierungstheorien haben diesen Stellenwert sozialen Wandels von Bedeutungen nicht erkannt. Doch ist diese alltagssprachliche Anverwandlung notwendig, denn ein Zeichen dafür, dass das Bedeutungsinventar einer Marke im Aufbau, in Entwicklung und vor allem integrativer Prozessbestandteil unserer täglichen Markenlexikalisierung ist: „Jede Sprachhandlung ist gleichzeitig Produkt und Produzent gesellschaftlichen Wissens.“ (Wengeler 2013, 151) Ohne eine solche Veränderung kann es nicht zu den typisch-charakteristischen Bedeutungsnuancen kommen, die eine Marke von einer anderen wirklich differenzierungskräftig werden lassen. Dazu gehören immer auch negativ getönte Bedeutungen. Diese Ausdifferenzierung des semantischen Durchschnittswissens wird  – in Anknüpfung an Bourdieus (2005) Terminologie zur Sprache als „Profit“ und „Kapital“ – semantisches Stammkapital genannt und ist in Aufbau und Entwicklung nicht einseitig vom Unternehmen (oder einer Agentur) steuerbar. Alle Bedeutungsbildung unterliegt der Emergenz. Diese meint die Herausbildung von Etwas aus dem Zusammenwirken der daran beteiligten Einflussfaktoren. Dabei lassen sich die Eigenschaften des Emergenten nicht, oder nicht offensichtlich, auf diejenigen zurückführen, die den isolierten Einflussfaktoren eigen sind. Im Kontext der Markenbildung ist die aus Prozessen der Emergenz resultierende Unsteuerbarkeit als grundlegend zu werten: Eine Marke könnte ohne die nicht einseitig steuerbaren Aushandlungsprozesse nicht als sich immer weiter entwickelnder und größer werdender Bedeutungsspeicher in das über Generationen laufende mentale Netzwerk der Gesellschaft eingehen. Dazu besitzen organisationale Akteure wie Unternehmen kein ausreichendes Ausdrucksvermögen.

4.4 (Nur) ein Anfang Die Unterteilung in semantisches Durchschnittswissen und Bedeutungsnuancen stellt eine Vereinfachung dar, die den groben Rahmen liefert. Die Bedeutungsdimensionen, die eine Marke im Laufe ihrer soziokulturellen Entwicklung speichert und die letztendlich für den ökonomischen (Miss-)Erfolg verantwortlich zeichnen, können heute nur zu Bruchstücken bspw. mittels diskursanalytischer Verfahren aufgedeckt werden (dazu grundlegend Kastens/Lux 2014). Denn wie oben betont, gilt für Bedeutungen allgemein, dass sie zum einen als feste Abgrenzungen im Fluss des interaktiven Geschehens untergehen. Zum anderen gründet die Bedeutungsbildung auf Prozessen und Kontextfaktoren, die – zumindest im Rahmen der Markenforschung – eine Terra Incognita darstellen. Die Herausarbeitung bestimmter Bedeutungsdimensionen einer Marke darf daher als einer der größten defizitären Bereiche der Markenforschung angesehen werden (vgl. Friedemann 2012, 250).

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Bedeutungszentrierte Verstehenszugänge zur Marke wie die aus der Linguistischen Epistemologie abgeleiteten zeichnen aber hoffnungsvolle Wege auf, auf denen das Bedeutungswesen ‚Marke‘ aus soziokultureller und infolge ökonomischer Perspektive besser verstanden werden kann. So lässt diese Sichtweise bspw. schon heute die Konzeption einer umfassenden semantischen Binnenstruktur der Marke zu, die diese hinsichtlich ihrer möglichen ausgehandelten Wissenskategorien marken- und branchenübergreifend darstellbar macht (zur semantischen Binnenstruktur einer Marke umfassend Kastens/Lux 2014, 57 ff.). Konzentrieren wir uns nun darauf, wie der laufende Aushandlungsprozess und der damit einhergehende Wandel von Bedeutungen als zentraler Mechanismus der Markenbildung und -entwicklung in das Markenmanagement implementiert werden kann.

5 Systemisch-semantische Markenpraxis: ­Markendiskursraum (MDR) als Eintrittstor in die gesellschaftliche Aushandlung Aus dem Blickwinkel der systemisch-semantischen Markenpraxis stellt sich die Marke dar als ein umfassender, interaktiv zwischen Unternehmen, Markt und Gesellschaft ausgehandelter Bedeutungsraum. Analytisch erschlossen, sprechen wir bei diesem Raum vom Markendiskursraum. In diesem werden aushandlungsrelevante Aspekte wie Bedeutungen, Beziehungen, Verhalten, Akteure, Regeln und Gesetzmäßigkeiten usw. erfasst und offengelegt, die das Markensystem im bisherigen Aushandlungsprozess zwischen Branche, Unternehmen und deren gesellschaftlichen Beziehungsgruppen entstehen ließen und beeinflusst haben sowie voraussichtlich in Zukunft gestalten und beeinflussen werden. Die diskursanalytische Erschließung der Marke erlaubt ein solches Erkenntnisinventar: Diskurse sind die großen Gesellschaftsgespräche unserer Zeit (vgl. Busch 2004, 9 sowie Wichter 1999). Eine einheitliche Definition von Diskurs existiert jedoch nicht (vgl. Keller/Hirseland/Viehöver 2006; Spitzmüller/Warnke 2011; Konerding 2009). Fassen wir daher drei allgemeine Charakteristika zusammen: – Diskurse werden als Wissensformation verstanden, die im Zuge gesellschaftlicher Ausdifferenzierungs- und Institutionalisierungsprozesse entstehen. – Diskurse zeichnen sich stets durch spezifische Machtgefüge, also unterschiedliche Machtverhältnisse zwischen den Diskursteilnehmern aus. Mit anderen Worten: „Die Hörbarmachung von Stimmen im Diskurs [bedeutet] die Unhörbarmachung Anderer.“ (Spitzmüller/Warnke 2011, 179). – Forschungspraktisch lässt sich ein Diskurs als ein offenes virtuelles Korpus bestimmen, das eine Sammlung von Texten umfasst, die sich jeweils auf einen

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zusammenhängenden Wissenskomplex beziehen. Diskurse umfassen nicht nur Sprachzeichen, sondern jede zeichengebundene Manifestation von Wissen. Ein Markendiskursraum hat die Aufgabe, eine bestimmte Marke in ihrer diskursiv ausgehandelten Wirklichkeit ausschnitthaft in semantischer Breite und Tiefe darzustellen und das Unternehmen auf Basis dieser Ergebnisse als einen der Hauptakteure in die darin laufenden Aushandlungsprozesse strategisch einzuführen (vgl. umfassend Kastens/Lux 2014, 97 ff.). Der Markendiskursraum bleibt als empirisches Zugangsfenster in die natürlich-sprachlichen Aushandlungsprozesse der relevanten gesellschaftlichen Beziehungsgruppen innerhalb des Unternehmens konzeptionell bestehen. Die Konzeption eines Markendiskursraums basiert auf drei Schritten: – Qualitativ-tiefensemantische Analyse bestehender Offline- wie Online-Leitmedien der Hauptmarke sowie drei bis fünf ihrer zentralen Wettbewerber. – Konzeption eines Studiendesigns auf Basis dieser Ergebnisse. – Empirische Befragung relevanter Beziehungsgruppen (z. B. Kunden der Hauptsowie der Wettbewerbsmarken, Markenkritiker, Interessierte). Über diskurs- und tiefensemantisch angelegte Analyseverfahren wird also das gesellschaftlich ausgehandelte Bedeutungsgewebe einer Marke und das ihrer zentralen Wettbewerber erhoben und ausgewertet. Der Markendiskursraum zeigt sich nach Analyse und Auswertung erschlossen als – ein durch seine wesentlich ausgehandelten Bedeutungen charakterisierter, – grundlegende Beziehungs- und Interaktionsstrukturen abbildender sowie – sozial ausgehandelte Regeln und Gesetzmäßigkeiten offenlegender – gesellschaftlich-dynamisch konstituierter Themenraum, in dem ein bestimmtes Unternehmen in seinem komplexen Wirkungs- und Beziehungsgefüge (sprich unter Einbezug relevanter gesellschaftlicher Beziehungsgruppen sowie zentraler Wettbewerber) operiert. Grundsätzlich wird damit die Basis gelegt, das Management der Unternehmens- und Markenkommunikation mit den Mechanismen und Prozessen der gesellschaftlichen Bedeutungsentstehung und des -wandels langfristig miteinander zu koppeln. Folgend leuchten wir in die Analyse- und Konzeptionsschritte zur Erstellung der vier diskursanalytischen Ergebnisebenen hinein: 1. Schritt: Markendiskursanalyse im Bedeutungsraum Unternehmen (Sprachbasis) 2. Schritt: Übergang zum Bedeutungsraum Alltag (Studienkonzeption) 3. Schritt: Markendiskursanalyse im Bedeutungsraum Alltag (Festlegung des Markendiskursraums).

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5.1 1. Schritt: Markendiskursanalyse im Bedeutungsraum Unternehmen (Sprachbasis) Zunächst wird eine grundlegende Sichtung der strategischen Bedeutungsgrundlage, also der strategischen Vorgaben für die Unternehmens- und/oder Markenkommunikation aller in die Analyse einbezogenen Unternehmen vorgenommen. Dazu gehören das Hauptunternehmen (für das der Markendiskursraum erstellt wird) sowie drei bis fünf seiner zentralen Wettbewerber. Der Sichtung und Bewertung des kommunikativen Strategiefundaments schließt sich eine erste (tiefen-) semantische Analyse an, in der beantwortet wird, in welcher bedeutungsseitigen Qualität und Quantität diese strategischen Inhalte in den Offlineund Online-Leitmedien tatsächlich umgesetzt und welche Voraussetzungen für eine Anschlussfähigkeit mittels der strategischen Kommunikationsarbeit geschaffen wurden. Für diese Analyse haben sich (diskurs-)analytische Verfahren wie die folgenden bewährt: – Präsuppositions- und Implikaturanalyse (vgl. Busse 1987; 2003; 2009; 2012); – Sprachmuster und Interaktionsbeziehungen; (narrative) Themen- und Argumentationsstrukturen (vgl. Kopperschmidt 1980; Wengeler 2013); – Expressiver Wortgebrauch (Hochwert-, Schlüssel- und Plastikwörter) – Frames (vgl. Busse 2012; Konerding 2001; Fraas/Meier 2012; Ziem 2008), Kollektivsymbole, Stereotype (vgl. Quasthoff 1973; Wichter 1999; Konerding 2001) sowie Metaphern (vgl. Böke 1997; Busch 2000; Busch 2004; Lakoff/Johnson 2004; Geideck/Liebert 2003; Ziem 2008); – Analyse der Vertikalitätsbeziehung: Wie wird (komplexes) Produkt- und/oder Leistungswissen (Expertenwissen) alltagssprachlich in Laienwissen transformiert und kommuniziert (Busch 1999; Busch 2006; Wichter 2001; Wichter/Busch 2006)? Am Ende des ersten Schrittes wird beantwortet, was markenstrategisch von allen in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen kommuniziert werden sollte und welche Bedeutungen sowie Nebentöne tatsächlich in den vergangenen Jahren in den zentralen Off- und Online-Leitmedien kommuniziert wurden. Dargestellt wird also ein unverstellter Blick auf eine Bedeutungslandschaft, die die Unternehmen in den letzten Jahren, intendiert wie nicht-beabsichtigt, gesendet haben. Die Ergebnisse fließen direkt in die darauf folgende Konzeptionsphase ein.

5.2 2. Schritt: Übergang zum Bedeutungsraum Alltag (Studienkonzeption) In dieser Phase wird das Studiendesign vorbereitet, auf dessen Basis später die Festlegung des Markendiskursraums erfolgt. Denn jeder Aushandlungsprozess entwickelt

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sich hochindividuell und muss mit einem entsprechend auf den Untersuchungszeitpunkt angepassten Frageninventar erhoben werden. In dieser Konzeptionsphase wird daher zunächst geklärt, wer die zentralen gesellschaftlichen Beziehungsgruppen sind, die in Interaktion mit dem Unternehmen stehen (z. B. Kunden der Haupt- und Wettbewerbsmarken, Kritiker, Medienakteure usw.). Auf Basis der Ergebnisse aus der ersten Analysephase im Bedeutungsraum Unternehmen wird dann ein auf die Hauptmarke und ihre zentralen Wettbewerber abgestimmtes Studiendesign angefertigt und eine qualitativ angelegte, empirische Erhebung durchgeführt. Hier zeigt sich eine Besonderheit des diskursanalytischen Vorgehens: Nur die Seite der Unternehmen zu analysieren, reicht nicht aus. Durch die Arbeit auf Basis eines Markendiskursraums werden die beiden Bedeutungsräume Unternehmen und Alltag hinsichtlich zentraler Ergebnisse des bisherigen Aushandlungsprozesses miteinander verzahnt. So kann der bisherige gemeinsame Aushandlungsstatus zwischen den einbezogenen Unternehmen und deren relevanten gesellschaftlichen Beziehungsgruppen umfassend abgebildet werden. Hier rückt also die diskursanalytische Tatsache in den Vordergrund, dass alle Texte, die einen (Marken-) Diskursraum konstituieren, in einem thematischen und wissensmäßigen Zusammenhang stehen. Jeder Text trägt immer Inhalte anderer Texte in sich. Dieses mit dem Begriff Transtextualität beschriebene Phänomen verweist darauf, dass Texte kommunikative Erscheinungsformen unterschiedlichster Art umfassen (vgl. Spitzmüller/Warnke 2011, 187 f.). Das, was ein Unternehmen macht(e) und sagt(e) oder was es nicht macht(e) und sagt(e), findet stets einen nachweisbaren sprachlichen Niederschlag in den jeweiligen gesellschaftlichen Beziehungsgruppen, mit denen das Unternehmen in bewusster und auch unbewusster Aushandlung steht. Die Eruierung dieses sprachlichen Niederschlags erfolgt im nächsten Schritt.

5.3 3. Schritt: Markendiskursanalyse im Bedeutungsraum Alltag (Festlegung des Markendiskursraums) Die von den Befragten erhobenen Wissensbestände werden in der zweiten (tiefen) semantischen Analysephase ausgewertet. Dies geschieht auf vier diskursanalytischen Ebenen, deren Auswertung automatisch den Markendiskursraum festlegen:

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Abb. 3: Die vier diskursanalytischen Ebenen des Markendiskursraums (Kastens/Lux 2014)

1. Ebene – Grundlegend ausgehandelte Bedeutungslandschaft Die aus dem Bedeutungsraum Unternehmen gesandten Kommunikationsinhalte treffen im Bedeutungsraum Alltag nie auf eine weiße Wand. Die neu im bestehenden Bedeutungsgewebe ankommenden Bedeutungen werden – so sie nicht ignoriert werden, da unglaubwürdig, austauschbar usw. – in ihren Bedeutungsinhalten verändert. Dieser Bedeutungswandel wird auf Basis semantischer Veränderungsmechanismen offengelegt. Zu diesen gehören: Identität, positive und negative Anverwandlung, Stereotypisierung und Nichtbesetzung (dazu ausführlich Kastens/Lux 2014, 168 ff.). Zudem wird das semantische Stammkapital, also bereits stark differenzierende Bedeutungsinhalte, die eine Marke von einer anderen eindeutig unterscheiden, zu identifizieren versucht. 2. Ebene: Wissensblockaden Dies sind Wissensbestände, die innerhalb gesellschaftlicher Gruppen fest verankert sind und die Aufnahme und Verarbeitung weiterer (strategischer) Inhalte stark beeinflussen, wenn nicht gar verhindern. Ob die vermeintlich „kriminellen Banker“, der „Fiat Panda als typisches Frauenauto“ oder die „generelle Gewissenslosigkeit der Ölkonzerne“: Wissensblockaden sind sozialsprachliche Realität. Auf dieser Ebene werden sie offengelegt, denn die Identifikation von Wissensblockaden ist für ein Markensystem lebenserhaltend. Nicht entdeckt, hemmen sie die Weiterentwicklung des Markensystems oder können sie gänzlich zum Erliegen bringen.

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3. Ebene: Akteurs- und Beziehungsgeflecht Ein Markensystem ent- und besteht nie kontextlos; immer gibt es raumzeitliche, soziokulturelle, akteursspezifische, wirtschaftlich-politische usw. benennbare Bedingungen, die als Kontexte und Voraussetzungen des Redens, Schreibens, Denkens und Fühlens erfassbar sind. Die Beachtung einer solchen Akteursebene  – und die damit einhergehende Aufhebung des in der Ökonomie wirksamen ProduzentenRezipienten-Denkens – macht den Einbezug von Diskursforschung in die Ökonomie so wichtig: Soziale Akteure sind immer diskursiv konstituierte als auch regelinterpretierend Handelnde, die als aktive Produzenten wie auch Rezipienten in den und durch die Diskurse wirken (vgl. Keller 2013, 45). Die dritte Ebene stellt daher eine Nahaufnahme des Hauptunternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb des gegenwärtig existierenden Akteurs- und Beziehungsgeflechts dar. Eruiert werden die semantischen und sozialen Ressourcen, über die das Hauptunternehmen durch seine derzeit von den relevanten Beziehungsgruppen zugesprochenen sozialen Rollen und Positionen verfügt. 4. Ebene: Semantik des Vertrauens Eine systemisch-semantische Perspektive auf Markenvertrauen hat zu berücksichtigen, dass die Erfüllung oder Enttäuschung keine passiven Erlebnismomente der Rezipienten sind. Vertrauenskonstruktion (wahrgenommenes Vertrauen) und Risikokonstruktion (wahrgenommenes Risiko) stellen in unserer Alltagswelt aktive Sinnkonstruktionen dar. Insofern sind diese in den sprachlichen Manifestationen der Befragten eruierbar. Indikatoren für ein bestehendes Vertrauen finden wir auf allen diskursanalytischen Ebenen: – Vom Unternehmen intendierte Markeninhalte, die positiv in der Alltagssprache anverwandelt werden, sind ein Hinweis auf Vertrauen. Übernehmen wir Inhalte, die das Unternehmen sendet, in unseren Sprachschatz, dann glauben wir diesen Inhalten. Und „Glaubwürdigkeit der Kommunikation und des Kommunikators [ist] […] sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis von Vertrauen.“ (Reinmuth 2006, 197) Dabei gilt: Je stärker diese Inhalte alltagssprachlich anverwandelt und damit emotional verändert werden, desto stärker ist die Verankerung der Markeninhalte im mentalen Lexikon. – Markensystemtypische Sprache ist ebenso ein Indikator: Wenn ein Markensystem einzelnen gesellschaftlichen Beziehungsgruppen so gut bekannt, ja vertraut ist, dass sich (positive) Typikalisierungen (typische Begriffe, Eigenschaften oder Bedeutungsmuster) innerhalb des Bedeutungsgewebes herausbilden, so ist das ein relativ sicherer Hinweis auf Vertrauen. Die gemeinsame Aushandlung von Typikalisierungen signalisiert, dass Menschen eine feste und emotionale Erwartungshaltung gegenüber dem Markensystem aufgebaut haben („Das ist typisch für …“). Typikalisierungen reduzieren massiv doppelte Kontingenzen und sind damit eine Grundlage von Vertrauen.

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– Wissensblockaden sind sichere Indikatoren eines wahrgenommen Risikos bzw. Misstrauens und sollten bei einem beabsichtigten Vertrauensaufbau nie ausgeblendet werden. – Aus dem Akteurs- und Beziehungsgeflecht ist bspw. herauszulesen: Handelt es sich in der Beziehung zwischen Unternehmen und Beziehungsgruppen um asymmetrische (hierarchische, autoritäre, anweisende) oder symmetrische (freundschaftliche, partnerschaftliche, sich auf Augenhöhe befindende) Rollenkonstellationen? Welche Erwartungs- und Verantwortungsmuster gehen damit einher und wurden diese von Seiten des Unternehmens erfüllt (Basis für eine vertrauensvolle Beziehung) oder ggfs. nicht eingelöst, was nun zu Ressentiments (Misstrauen) führt? Mit Auswertung der vierten diskursanalytischen Ebene gilt die Markendiskursanalyse als abgeschlossen und der Markendiskursraum als festgelegt. In diese Ergebnisse müssen die Führungskräfte und Mitarbeiter nun involviert und umfassend eingeführt werden. Für eine ausführliche Darstellung eines Implementierungsverfahrens verweisen wir auf Kastens/Lux (2014).

6 Plädoyer für eine aushandlungsparadigmatische Grundlegung im Marken- und Kommunikationsmanagement Das Unternehmens-, Marken- und Kommunikationsmanagement hat es heute mit zahllosen unberechenbaren Variablen zu tun, die das Management immaterieller Wertschöpfung  – bspw. den Aufbau einer starken Marke  – immer schwieriger machen bzw. verhindern. Ein vorrangig instrumentales Behandeln von Kommunikation schürt die vermeintliche Sicherheit, kommunikative Wirkungen und Resultate berechnen und steuern zu können. Dies war nie möglich und wird es nie sein. Daher wird es im Rahmen der professionellen Unternehmens- und Markenkommunikation von immer höherem Stellenwert sein, im Sinne einer rezipienten- und nicht mehr nur produzentenorientierten Gestaltung zu arbeiten. In diesem Beitrag wurde daher die aushandlungsparadigmatische Perspektive am Beispiel der Marke als einer der wertvollsten immateriellen Wertschöpfer der Ökonomie vorgestellt. Durch die konsequent geistes- und kulturwissenschaftliche Perspektiveneinnahme wurde der umfassende Wirkungszusammenhang deutlich, in dem Unternehmen beim Markenaufbau in ihren wechselseitigen, interaktiven Beziehungen unweigerlich eingebunden sind. Die Marke wird durch den Perspektivenwechsel nicht mehr als ein Absatzinstrument des Marketings, sondern als ein vielschichtiges Zutrittsmodell in gesellschaftliche Diskurse erkenn- und nutzbar: Die Ergebnisse des Markendiskurs-

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raums fungieren als Grundlage einer unternehmenskommunikativen Textgestaltung nach dem Prinzip des recipient design, also nach der Maßgabe, Formulierungen so zu wählen, dass sie für den Adressaten angesichts des ihm unterstellten Vorwissens, seiner Aufmerksamkeitsrichtung und seiner Handlungsinteressen maximal verständlich und effektiv sind. (Deppermann 2006, 20)

Die Ergebnisse des Markendiskursraums stellen so gesehen eine Verstehensdokumentation dar, aus der die bisherigen Strukturen des unternehmerischen Interaktionshandelns sichtbar gemacht und eine soziale Interaktionstypik des Unternehmens skizziert werden. Daraus ergehen entsprechend konkrete Handlungsanleitungen für die unternehmensinterne und -externe Text- und Mediengestaltungen. Der Markendiskursraum wird in regelmäßigen Intervallen aktualisiert. So operationalisiert er ein interaktionsbasiertes und rezipientenzentriertes Verständnis kommunikativer Abläufe im Unternehmen und ermöglicht den Einbezug sprachbezogener Variablen wie Emergenz, Kontingenz sowie daraus resultierende Ungewissheiten in allen Kommunikationsprozessen (generelle Unsteuerbarkeit von Kommunikation). Die aushandlungsparadigmatische Perspektive sensibilisiert für eine grundsätzliche Überarbeitung standardisierter Kommunikationsprozesse im Hinblick auf einen Umgang mit Sprache, der den Stellenwert kontextsensitiver Alltagssprache betont. Die natürlich-sprachliche Kommunikation als sich laufend wandelnde Bedeutungsund Wissensquelle wird innerhalb des Markendiskursraums erkannt und operativ über die diskursanalytischen Ebenen eingebunden, denn: „Wissen als sozial verhandeltes Gut verändert sich und wird stets neu in kommunikativen Prozessen vermessen.“ (Spitzmüller/Warnke 2011, 54) Eine einseitige Kontrolle des Bedeutungsraums Marke ist ausgeschlossen und – angesichts der unabdingbaren Ankopplung an das gesellschaftliche System sowie des daraus ergehenden Bedeutungs- und Innovationsreichtums – auch nicht wünschenswert.

7 Literatur Aaker, David (1996): Building strong brands. New York. Adjouri, Nicholas (2002): Die Marke als Botschafter. Markenidentität bestimmen und entwickeln. Wiesbaden. Bator, Renee J./Robert B. Cialdini (2000): The application of persuasion theory to the development of effective proenvironmental public service announcements. In: Journal of Social Issues 56, 527–541. Bergler, Georg (1961): Markenartikel. In: Erwin Becherath/Hermann Bente/Carl Brinkmann (Hg.): Handwörterbuch der Sozialwissenschaften. Bd. 7. Stuttgart u. a., 176–180. Bergler, Reinhold/Brigitte Pörzgen/Katrin Harich (1992): Frau und Werbung. Köln. Bertalanffy, Ludwig von (1972): Systemtheorie. Berlin.

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Stephan Habscheid

13. Beratung, Coaching, Supervision Formen helfender Interaktion in Unternehmen Abstract: In Wirtschaft und Gesellschaft wird seit einigen Jahrzehnten ein Beratungsboom verzeichnet. Nach wie vor werden  – trotz zunehmender Kritik an ‚den Beratern‘  – vielfältige Beratungsangebote von Unternehmen und Beschäftigten nachgefragt, und diverse Formen der Beratung konnten sich als Dienstleistungen kommerziell erfolgreich etablieren. Vielfältige Gestaltungsebenen (von der Personenüber die Personal- bis zur Organisationsentwicklung), Themenfelder (Kundenkontakt, Konflikte, Trennung etc.), Leitbilder (Expertenberatung, systemische Beratung etc.), Bezugsdisziplinen (Betriebswirtschaftslehre, Organisationspsychologie etc.), Hilfsangebote (Supervision, Coaching etc.), Sozialformen (Individual-, Gruppen- und Teamberatung) und Beratungssituationen (Eröffnung eines Beratungsprozesses, Problemdefinition etc.) ergeben ein komplexes Bild der (wirtschaftlich relevanten) Beratungslandschaft der Gegenwart. Beratung unterliegt einem Professionalisierungsprozess, und es hat sich eine Beratungsforschung zu etablieren begonnen, in der mit guten Gründen auch verschiedene Teildisziplinen der Linguistik ihren Platz beanspruchen: Zum einen kommen in konstruktivistisch orientierten Beratungsperspektiven diverse sprachliche Aspekte von Gegenstandsbereichen ins Blickfeld, zum anderen handelt es sich bei der Beratung selbst im Kern um eine – hoch anspruchsvolle – sprachlich-kommunikative Praxis. Der vorliegende Artikel bietet einen Systematisierungsvorschlag und fasst auf dieser Basis den bisherigen Forschungsertrag zusammen. Ein Schwerpunkt liegt auf Formen, Leistungen und Grenzen konstruktivistisch fundierter Beratungsangebote. 1 Organisation und Kommunikation, Analyse und Intervention 2 Leitbilder, Themenfelder und Wirkungen der Unternehmensberatung 3 Beratung als helfende Interaktion 4 Literatur

1 Organisation und Kommunikation, Analyse und Intervention Der Zusammenhang von Kommunikation, Sprache (neben und in Verbindung mit anderen Medialitäten) und Wissen ist für Beratung im Kontext von Unternehmen in zweierlei Hinsicht relevant: zum einen als Gegenstand von Ansätzen der Beratung,

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die Unternehmen (und andere Organisationen) von ihrer kommunikativ-kulturellen Verfasstheit her begreifen; zum anderen als spezifischer Modus operandi, in dem sich die Beratung selbst – strukturell störanfällig (s. Kap. 3) – im Alltag vollzieht. Obwohl über die Brücke von Sprache und Kommunikation Organisation und Organisationsberatung auf den ersten Blick leicht miteinander verknüpfbar erscheinen, erweist sich die Frage nach der Relation zwischen den beiden Kommunikations- und Wissenskomplexen bei näherem Hinsehen als durchaus kompliziert. Für Organisationen  – wie für alle sozialen Gebilde  – werden Zeichenprozesse und Symbolsysteme und die durch sie hervorgebrachten Wissensrepräsentationen, Einstellungen, Handlungsnormen, Verhaltenserwartungen etc. oft als die kulturelle Grundlage von Kooperation, Identität und Beziehung begriffen. Gegen eine Hypostasierung von Kultur  – Zwecken, Werten, Wissen, Symbolsystemen etc.  – lenken sozialanthropologische Perspektiven den Blick auf alltägliche Praktiken, mit denen auf der Basis einer elementaren interaktionalen „Infrastruktur“ (Schegloff 2012) bzw. elementaren Methoden der Textkonstitution (Hausendorf/Kesselheim 2008) soziale Wirklichkeit im Vollzug hergestellt und durch situierte (körperliche, sprachliche etc.) Zeichenverwendungen aufgeführt wird (vgl. Bergmann 1981, 22 f.; Goodwin/Goodwin 1992, 182; grundlegend zu Erklärungen von Sozialität vgl. Ayaß/Meyer 2012a). Dementsprechend müssen auch in modernen Organisationen, die sich anschicken, soziale Ordnung rationalisierend zu gestalten (vgl. z. B. Derlien/Boehme/Heindl 2011, 201–225), all die formalen Zwecke, Pläne, bürokratischen Regelungen, hierarchiebasierten Instruktionen, technischen Systeme etc. in der alltäglichen Arbeit verkörpert und für andere nachvollziehbar sinnhaft vollzogen werden, um wirksam zu sein; hierauf machen vor allem die ethnomethodologischen Studies of work (Überblick in Bergmann 2006) nachdrücklich aufmerksam. Insofern Personen als „soziale Elementarteilchen“ begriffen werden können (vgl. Kühl 2008, 162), kommen in der Beratung mit den individuellen Klienten auch die sozialen Systeme ins Blickfeld, in die die Personen aufgrund ihrer beruflichen bzw. organisationalen Rollen eingebunden sind (vgl. ebd., 65). Wie allerdings unter diesen Umständen Beratung im Alltag der Organisation wirksam werden soll, stellt insofern ein erhebliches Problem dar, als die alltäglichen Verhaltensoptionen des Einzelnen nicht nur durch ihn selbst, sondern auch durch vielfältige, im Individuum untrennbar verdichtete Fremderwartungen massiv beschränkt sind (vgl. ebd., 162): Veränderungen der Selbst- und Fremdwahrnehmungen so takten zu wollen, dass am Ende ein anderes Verhalten herauskommt, bedeutet, die Komplexität von sozialen Erwartungshaltungen völlig zu unterschätzen. (Kühl 2008, 163)

Werden dagegen  – das andere Extrem  – als Beteiligte an den Beratungsprozessen gar nicht (individuelle, kollektive) Akteure betrachtet, sondern Kommunikationssysteme, stellt sich im Blick auf die Wirkungsmechanismen von Beratung die Frage, wem überhaupt Handlungsmacht, Verantwortlichkeit etc. zukommen kann (vgl. Moldaschl

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 Stephan Habscheid

2001, 143). In der Praxis geht die interpersonale Sozialform der Beratung oft damit einher, dass organisationale Probleme einzelnen Personen zugerechnet werden (vgl. Kühl 2008, 166 ff.), was für die Organisationen dysfunktional und existenzbedrohend sein kann, diese aber oft auch in überlebensnotwendiger Weise entlastet (vgl. ebd., 25, 166 ff., s. dazu Kap. 2). Der Zusammenhang von Kommunikation, Sprache und Wissen ist für die Beratung auch insofern relevant, als die Beratungsleistungen selbst auf Interaktion zwischen dem Beratenden und dem Beratenen beruhen (vgl. Kühl 2008, 66); freilich wird die interpersonale Kommunikation häufig von diversen weiteren kommunikativ-kognitiven Tätigkeiten vor, zwischen und nach den Sitzungen flankiert (vgl. ebd., 65 f.; zur Rolle der Schriftlichkeit Albrecht/Perrin 2013, 18). Eine Analyse von Beratung in gesprächslinguistischer Perspektive (vgl. Kap. 3) kann auf der Annahme aufbauen, dass die allgemeinen Verfahren alltäglicher Interaktion in verschiedensten Ausprägungen existieren, die je nach Einzelsprache, historisch-kultureller Konstellation, Institution, Organisation, Situation, kommunikativer Praktik, Medium, Gruppenstil etc. differenziert zu beschreiben sind (vgl. Ayaß/Meyer 2012a, 15). Beratung scheint in und für Organisationen eine wesentliche Rolle zu spielen: Die Praxis, Vorgesetzte oder erfahrene Kollegen um Rat zu bitten, ist in der Tradition von Organisationen tief verankert (vgl. Kühl 2008, 16 f.). Daneben haben sich Beratungsformen wie z. B. das Coaching als eigenständige Dienstleistungen herausgebildet, die – obwohl in jüngerer Zeit auch zunehmend Kritik an der Beraterbranche laut wird (vgl. Kühl/Moldaschl 2010a, 7) – „aus der modernen (Geschäfts)Welt nicht mehr wegzudenken“ sind (Graf 2011, 60). Im Unterschied zu den traditionellen Formen der Beratung begegnet der professionelle Berater dem Beratenen nicht zugleich auch in anderen Rollen (z. B. als Vorgesetzter), auch wenn viele Berater nicht nur als Berater, sondern auch unter anderen professionellen Perspektiven (z. B. Führung, Training, Therapie) mit Organisationsproblemen befasst sind (vgl. ebd., 14, 17). Fragt man nach den gesellschaftlichen Ursachen für den Beratungsboom, treten zunächst die in neueren soziologischen Studien „üblichen Verdächtigen“ (vgl. ebd., 19) ins Blickfeld: Gesellschaftliche Entwicklungen wie Globalisierung, Mediatisierung, Individualisierung etc., mit denen im Zuge einer Steigerung von Komplexität und Reflexivität die verstärkte selbstständige Planung, Steuerung und Überwachung der eigenen Tätigkeiten, die zunehmend geforderte ‚Produktion‘ und ‚Vermarktung‘ der eigenen Fähigkeiten und Leistungen und die mit der Auflösung der Trennung von Berufs- und Privatleben einhergehende ‚Verbetrieblichung der Lebensführung‘ (Kühl 2008, 19)

einher gehe. Als spezifischere Gründe (die durchaus in den Rahmen solcher längerfristigen Tendenzen eingeordnet werden können, vgl. auch Habscheid 2012) führt Kühl (2008, 20) für den Beratungsboom der letzten Jahrzehnte darüber hinaus Instrumente der Personaldiagnostik an, über die ein permanenter Bedarf an Veränderung

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und Entwicklung hervorgebracht wird. Der Anspruch von Coaching, zugleich dem Individuum  – besonders Führungskräften  – bei der Bewältigung von Herausforderungen und Belastungen zu helfen und seine Leistung für die Organisation zu optimieren (vgl. Graf 2011, 62), fügt sich in diesen Kontext ein: Die Suche nach Hilfe durch Expert/innen wird dabei nicht mehr, im Unterschied zu früheren Zeiten, als Schwäche des Einzelnen und als Eingeständnis seiner Grenzen gewertet, sondern – im Gegenteil – eben als Zeichen seiner Reflektiertheit und Selbsterkenntnis. (Graf 2011, 61)

Vor dem Hintergrund permanenter Selbstreflexion und -optimierung ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch in Bezug auf beratende Rollen (Supervisor, Coach etc.) selbst ein Professionalisierungs-, in Ansätzen auch ein Verwissenschaftlichungsprozess eingesetzt hat (vgl. Riemann/Frommer/Marotzki 2000, 219; Kühl 2008, 18; Albrecht/Perrin 2013, 25). In diesem Rahmen beansprucht auch die gesprächslinguistische Beratungsforschung ihren Platz (vgl. Graf 2011, 59 f., 80 ff.; Albrecht/Perrin 2013, 28). Allgemein können mit Moldaschl (2001) Wissenschaften, die grundlegende Perspektiven für die Beratung von Organisationen erarbeiten, von solchen unterschieden werden, die den Prozess der Beratung von Organisationen selbst in den Mittelpunkt der Forschung stellen. Zu den „Wissenschaften für Organisationsberatung“ können insgesamt „jene akademischen Fächer“ gerechnet werden, die z. B. in den USA öfter zu Departments der management science zusammengefasst werden, also Betriebswirtschaftslehre, Organisationssoziologie, Arbeits- und Organisationspsychologie, Verwaltungswissenschaft und z. T. kommunikationswissenschaftliche Disziplinen. (Moldaschl 2001, 136)

Dagegen existiert eine „Beratungs- und Gestaltungswissenschaft“ (ebd., 137), in der – auf empirischer Basis – das Verhältnis zwischen beratender und beratener Einrichtung systematisch reflektiert und Konzepte der Intervention kritisch reflektiert und evaluiert werden, erst in Fragmenten (ebd., 135 f., vgl. aber in soziologischer Perspektive Kühl 2008 und Kühl/Moldaschl 2010 sowie aus linguistischer Sicht Kallmeyer 2000). Im Blick auf die diversen Formen von Beratung und verwandten Hilfsangeboten lassen sich in der Praxis diverse, oft kontroverse Abgrenzungsbemühungen beobachten (vgl. Kühl 2008, 15 f.), die mitunter von sachfremden Motiven (Werbung, Verhüllung anderer Zwecke etc.) geleitet sind (ebd., 13 ff.). Dagegen stellen empirische Studien zum Beratungsalltag in seinen diversen Ausprägungen weithin noch ein Desiderat dar (vgl. z. B. Graf 2011, 77), und die Abgrenzung von Beratung zu anderen Formen der helfenden Interaktion erweist sich angesichts fließender Übergänge als schwierig: So kann Beraten stärker auf Auskunftgeben und Wissensvermittlung oder stärker auf die Thematisierung und Beeinflussung von psychischen Befindlichkeiten orientiert sein. In manchen Kon-

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 Stephan Habscheid

texten ist ein wichtiger Bestandteil des Beratungskonzepts, gerade keine Ratschläge zu geben, sondern nur die Lösungssuche des Klienten zu unterstützen. Andererseits sind aber auch Übergänge zu Formen der Instruktion und Unterweisung zu beobachten, bei denen u. U. Lösungsmodelle und konkrete Lösungsschritte direktiv vorgegeben werden. (Kallmeyer 2000, 228)

Grenzt man zunächst mit Moldaschl (2001) von der klassischen Experten- oder Fachberatung konstruktivistische, prozessorientierte Ansätze ab (s. Kap. 2), so lässt sich im Rahmen der prozessorientierten Angebote annäherungsweise das stärker an Management-Perspektiven orientierte, an Führungskräfte adressierte Coaching von der Supervision unterscheiden, die eher die operative Ebene der Tätigkeiten (z. B. in Sozial- und Bildungseinrichtungen) sowie die (emanzipatorischen) Bedürfnisse des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt (vgl. Kühl 2008, 15 f.). Während, so weitere Abgrenzungsvorschläge, in Supervision und Coaching private Aspekte der Person nur „Hintergrundinformationen“ darstellen (ebd., 14), bleiben in der Therapie, die sich an kranke Personen richtet (vgl. Albrecht/Perrin 2013, 24), organisationale Aspekte zumeist unfokussiert. Für Ansätze der Mediation ist charakteristisch, dass die helfende Instanz in Konfliktsituationen im Namen zweier (oder mehrerer) Parteien agiert, während die Beratung durch einen Coach oder Supervisor auf die Unterstützung eines Akteurs ausgerichtet ist (s. Kühl 2008, 45).

2 Leitbilder, Themenfelder und Wirkungen der Unternehmensberatung Wer Organisationen berät, braucht – zumindest fragmentarisch und implizit – spezifische Handlungsvoraussetzungen: Faktisch ist es so, daß in die Alltagstheorien der Praktiker zahllose Elemente wissenschaftlichen Wissens bzw. theoretischer Konstruktionen eingegangen sind, die sich mit dem praktischen Erfahrungswissen verbinden. (Moldaschl 2001, 137)

Idealtypisch lassen sich  – neben diversen organisationstheoretischen Grundlagen (s. Kap. 1)  – zwei Leitbilder unterscheiden, an denen sich die Beratung orientiert (vgl. Moldaschl 2001, 139; s. auch Kühl/Moldaschl 2010a, 7 ff.): Die Experten- oder Fachberatung setzt darauf, wissenschaftlich hervorgebrachtes Wissen zum Zweck seiner Anwendung in die Praxis zu transferieren (vgl. Moldaschl 2001, 142). Auf der Basis positivistischer Erkenntnistheorie und auf Verallgemeinerung zielender wissenschaftlicher Methoden nimmt sie an, dass sich im Blick auf Erfolgsbedingungen einheitliche Faktoren und Kriterien entwickeln lassen, an denen der Einzelfall einer Organisation im Vergleich zu anderen objektivierend gemessen werden kann (vgl. ebd., 139, 142). Sie geht davon aus, dass in Bezug auf allgemeine Interessen ein Konsens unter den Mitgliedern der Organisation gegeben oder herzustellen ist (vgl.

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ebd., 141). Das Ziel der Beratung besteht in einer klaren, präzisen Empfehlung zur Optimierung, deren Umsetzung überprüft werden kann (vgl. ebd., 139). Durch die Tätigkeit großer Beratungsunternehmen, die einem entsprechenden Verständnis von Beratung folgen, haben derartige Ansätze eine weite Verbreitung gefunden (vgl. ebd., 139), sind aber vor dem Hintergrund von Erkenntnissen der jüngeren Organisationstheorie auch auf vielfältige Kritik gestoßen (vgl. ebd., 142). Prozeduralistisch orientierte Ansätze wie die systemische Prozessberatung (vgl. dazu Kühl/Moldaschl 2010, 13 ff.) stehen der Vorstellung eines von außen herangetragenen „one best way“ (Moldaschl 2001, 139) der Organisationsentwicklung ablehnend gegenüber und arbeiten nicht selten dilemmatische Entscheidungssituationen heraus (vgl. ebd., 133). Im Licht konstruktivistischer Erkenntnistheorie und der Rekonstruktion standpunktabhängiger, kulturell geformter Beobachtungen initiieren und begleiten sie im idealtypischen Fall partizipative Kommunikationsprozesse, die darauf zielen, das vorhandene Wissen der Beteiligten als Ressource für die Bestimmung von Problemen und die Entwicklung von Lösungen zur Geltung zu bringen (vgl. ebd., 133). So verstehen sich die Berater eher als Moderatoren im Organisationsprozess, die selbst „keine inhaltlichen Ziele, Normen und Werte“ vertreten (vgl. ebd., 140), sondern gemeinsam mit den Klienten unterschiedliche Perspektiven in der Organisation analysieren, Konflikte ergründen, zur Veränderung von Wahrnehmungsgewohnheiten beitragen und dem Klientensystem dabei helfen, divergente Perspektiven anlassbezogen aufeinander abzustimmen (vgl. Habscheid 2003, 179 ff.). Professionelle Berater sollten sich freilich den Umstand bewusst machen, dass auch ihre eigene Tätigkeit immer in soziale Kontexte eingebettet ist, sie also – selbst wenn sie dies in ihrem Selbstverständnis auszublenden versuchen  – nicht einem machtund interessenfreien Raum agieren können (vgl. Moldaschl 2001, 142 ff.) und dass ihr Handeln nolens volens Wirkungen entfaltet, die es bei aller programmatischen Offenheit des Beratungsprozesses zu reflektieren gilt (vgl. ebd., 147). Fragt man unvoreingenommen nach den Wirkungen kultursensitiver Beratungsformen, so zeigt sich, dass der Anspruch mancher Beratungseinrichtungen, als eine Art „Supernanny der Organisation“ von der Personen- über die Personal- bis zur Organisationsentwicklung „alle beraterischen Bedürfnisse der Organisation“ abzudecken (Kühl 2008, 155), überzogen ist. Realistischer scheint dagegen die Annahme, dass die personenorientierte Beratung ein schwacher Hebel zur Veränderung von Organisationen ist, dass diese aber über die Personalisierung organisatorischer Probleme eine wichtige Entlastungsfunktion für die Organisation erfüllt. (Kühl 2008, 25)

Durch die in Kap. 1 erwähnte Praxis, durch Beratung organisationale Probleme einzelnen Personen zuzurechnen (vgl. Kühl 2008, 166 ff.), kann sich die Organisation zwar „überlebensnotwendige Lernchancen“ nehmen (ebd., 172), die Praxis kann zudem ethisch und politisch Anlass zur Kritik bieten (vgl. ebd., 170 ff.). In organisationssoziologischer Perspektive können derartige kommunikative Verfahren aber auch

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 Stephan Habscheid

durch „gute Gründe“ praktisch gerechtfertigt erscheinen (ebd., 171): Probleme, die die Organisation selbst nicht lösen kann – z. B. Dilemmata, die sich aus widersprüchlichen Anforderungen ergeben oder Herausforderungen, Sorgen und Nöte des Einzelnen  – werden vom Verantwortungsbereich der Organisation abgetrennt und in der Beratung bearbeitet. Typische Themenfelder dieser Art betreffen nach Kühl (2008) – das Problem, wie an organisationalen Grenzstellen (etwa in der Kommunikation mit Klienten oder Kunden) Organisationsmitglieder im Spannungsfeld zwischen organisationalen Normen und situativen Anforderungen der Kooperation mit Außenstehenden „die Kontaktfläche zu ihrer Umwelt ausfüllen“ (ebd., 35) und wie Widersprüche, Konflikte etc. in diesem Bereich so neutralisiert werden können, dass sie nicht zu einer Belastung werden (ebd., 36); – die Schwierigkeit, sich in neue organisationale Rollen einzufinden, die man bereits praktisch auszufüllen hat (hier geht die Beratung oft mit der Schaffung von Übergangszeiten einher (s. ebd., 53 f.); – die Herausforderung, Konflikte, in die man selbst als Partei involviert ist, mit Abstand zu analysieren, um neue Handlungsoptionen zu gewinnen (s. ebd., 38); – die Herausforderung, die Trennung von Mitarbeitern für beide Seiten möglichst gesichtsschonend zu gestalten bzw. nicht erfüllte Karrierebedürfnisse des Einzelnen zu kompensieren (s. ebd., 11). Andere Themenfelder des Coachings betreffen interkulturelle Herausforderungen, z. B. für Personen, „die ihren muttersprachlichen Kulturraum verlassen haben“ (Nazarkiewicz/Krämer 2012, 19), wie im Ausland tätige Mitarbeiter und ihre Partner oder Migranten (s. ebd., 19 ff.). Die interkulturelle Dimension kann im Coaching nicht nur in inhaltlicher Hinsicht zum Tragen kommen, sondern auch im Blick auf die kulturreflexive Analyse der eigenen kommunikativen Tätigkeit (vgl. im Einzelnen Nazarkiewicz/Krämer 2012). Betrachten wir exemplarisch das erste Themenfeld  – Grenzstellenkommunikation (vgl. Kühl 2008, 29 ff.) – näher: Im Kontext neuerer Unternehmensstrategien wird die Qualität der Kommunikation selbst als wesentlich erachtet für die Erreichung des Ziels der Kundenbindung: The idea is to make customers feel that they are not merely being served but actively and individually ‘cared for’: it is believed that this close attention to each customer’s needs and feelings promotes loyalty to the company and thus enhances its ‘competitive advantage’ in the market. (Cameron 2000b, 338)

Dies betrifft besonders den Bereich der Dienstleistungen, die für die Volkswirtschaften in ehemaligen Industriestaaten erheblich an Bedeutung gewonnen und die ökonomische Relevanz von Kommunikation in Wertschöpfungsprozessen erhöht haben (vgl. Cameron 2005, 9). Hiermit geht eine fortwährende Qualitätssicherung der interpersonalen Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden im Sinne verschie-

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dener ökonomisch-rationaler Kalküle einher (vgl. Habscheid 2012; zu Kommodifizierung von Sprache und Kommunikation grundlegend Heller 2010). Wie Deborah Cameron (2000a, 2000b) am Beispiel britischer Call Center gezeigt hat, werden die kommunikativen Aktivitäten der Agenten fortwährend nicht nur von diesen selbst, sondern auch von anderen bewertet und mit gestaltet, wobei sich verschiedene professionelle Rollen innerhalb und außerhalb der Organisationen ausdifferenziert haben (vgl. Cameron 2000b, 326): Manager (vor Ort oder im Head Office des Unternehmens) als verantwortliche Autoren, Kommunikationsberater als professionelle Experten in deren Umfeld, mit Kontrollaufgaben betraute Teamleiter als unmittelbare Vorgesetzte, vom Unternehmen eingesetzte Mystery shoppers zum Zweck der Qualitätssicherung (vgl. Cameron 2000b, 326). Weitere kritische Beobachter  – Verbraucherschutz, Gewerkschaften, Medien und Wissenschaft – kommen noch hinzu. Vor diesem Hintergrund sehen sich die Handelnden oft mit widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert, kann der Kunde, um den sich doch eigentlich alles drehen soll, auch schon einmal als Adressat aus dem Blick geraten. Dies ist etwa dann der Fall, wenn im Call Center Äußerungen in erster Linie auf die Kontrolleure und deren Bewertungsraster zugeschnitten werden (vgl. Cameron 2000b, 326). Auch die interkulturelle Dimension kann in solchen Kontexten zum Tragen kommen: Zu den kommunikativen Strategien der Unternehmen gehört es oft, sprachliche Stile, die stereotyp an positiv getönte soziale Identitäten geknüpft sind, im Sinne einer affirmativen Stilisierung für die eigene Markenpolitik zu kommodifizieren (Cameron 2000b, unter Bezug auf Bells (1997) Konzept der Stilisierung). Was hierbei mitunter den Agenten abverlangt wird, wird besonders augenfällig, wenn Call-Center-Dienstleistungen im Rahmen von Outsourcing- und Offshoring-Aktivitäten von lokalen Personen erbracht werden müssen, denen die sprachlichen Stilisierungsressourcen, die sich an den Erwartungen der Zielgruppen an anderen geographischen und sozialen Orten orientieren, denkbar fremd sind (Cameron 2005, 10 ff.), die jedoch möglichst authentisch wirken sollen (ebd., 15 ff.). Insgesamt werden durch die Organisation der Kommunikationsarbeit also nicht nur Probleme gelöst, sondern auch hervorgebracht, und zwar solche Probleme, die aufgrund der widersprüchlichen Konstellation im Rahmen der (bestehenden) Organisation nicht gelöst werden können, daher Beratungsbedarf generieren (vgl. auch Kühl 2008, 29 ff.).

3 Beratung als helfende Interaktion Beratungsereignisse lassen sich unter interaktionalen Aspekten zunächst im Hinblick auf die Zahl und die Rollenkonstellationen der Beteiligten typisieren: Beratung kann in Form der Dyade, als eine Abfolge von Gesprächen unter vier Augen, realisiert werden und im Vergleich zu anderen Formen institutioneller Kommunikation durch

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ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit gekennzeichnet sein (vgl. Kühl 2008, 68). Die Form der Gruppenberatung mit Beteiligten aus verschiedenen Organisationen kann sich Gruppenzwänge zunutze machen, die Ressourcen der Gruppe für die Erarbeitung von Lösungsansätzen aktivieren und berücksichtigen, wie sich das allgemeine soziale Verhalten des Einzelnen in der Gruppe widerspiegelt (vgl. ebd., 75). Die beraterische Arbeit mit einem Team ist im Grenzbereich von der personenorientierten Beratung zur Organisationsentwicklung angesiedelt (vgl. ebd., 83). In der linguistisch fundierten Kommunikationsforschung wurden Ratschläge zunächst in der Perspektive der Sprechakttheorie als eine Form von Aufforderungen begriffen, die im mutmaßlichen Interesse des Hörers liegen und auf die Bewältigung eines mutmaßlichen Problems zielen (vgl. Rolf 1997, 187; zur sprechakttheoretisch fundierten Beratungsforschung Kallmeyer 2000, 229; für eine ausführliche Auseinandersetzung mit der sprachphilosophischen und linguistischen Forschung zum Ratgeben in kulturwissenschaftlicher Perspektive vgl. Niehaus 2014). In gesprächslinguistischer Perspektive (Forschungsüberblick in Kallmeyer 2000) handelt es sich im Fall der Beratung um einen asymmetrischen Interaktionstyp mit einander ergänzenden (komplementären) Beteiligungsrollen (vgl. ebd., 229; Nothdurft/Reitemeier/Schröder 1994, 7 ff.). Der prototypische Beratungsfall lässt sich so definieren: Eine Partei, der Ratsuchende (RS), hat ein Problem; RS veranlasst oder lässt zu, dass sich eine andere Partei, der Ratgeber (RG), mit seinem Problem in helfender Funktion beschäftigt; RG schlägt als Problemlösung ein zukünftiges Handeln von RS vor; RS entscheidet über die Annahme des Lösungsvorschlags, und die Realisierung der Lösung bleibt Aufgabe von RS. (Kallmeyer 2002, 228)

Es gehört zu den konstitutiven Merkmalen des Beratens, dass zwischen RS und RG vielfältige Divergenzen bestehen (vgl. Nothdurft/Reitemeyer/Schröder 1994, 7), und zwar hinsichtlich – des Wissens, – der Perspektive auf das Problem, – der Distanz in Relation zum Problem, – der Art und dem Grad der Betroffenheit, – der Handlungs- und Lösungsressourcen. Unter ‚Perspektive‘ wird in einer kognitiven Dimension „die besondere Wahrnehmung oder Sichtweise von Sachverhalten“ verstanden, also von Ereignissen, Gegenständen, Werten, Ideen, Personen, aber auch von der konkreten Interaktionssituation und den Interaktionspartnern mit ihren Aktivitäten. Für die Herausbildung spezifischer Perspektiven ist sicherlich jeweils ein ganzer Komplex von Faktoren verantwortlich, d. h. nicht nur die Erziehung, die Ausbildung, der berufliche und familiäre Kontext einer Person, ihre Biographie, sondern sicherlich auch die momentane psychische und physische Verfassung, die konkrete Lebenssituation, die momentane Interessenlage etc. Diese Sichtweisen oder Pers-

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pektiven sind, dem Handelnden bewußt oder unbewußt, als Basis seiner Handlungsorientierungen anzusehen. (Schröder 1994, 92)

Eine komplementäre Verteilung der kognitiven in Kombination mit den anderen Ressourcen ist für die Rollenkonstellation der Beratung charakteristisch: Während der Ratsuchende unmittelbar von einem Problem betroffen ist, aber nicht in ausreichendem Maße über Ressourcen zur Lösung oder Bewältigung des Problems verfügt, hat der Berater nur vermittelt über das Hilfsansinnen des Ratsuchenden etwas mit diesem Problem zu tun, verfügt aber über Kompetenzen und Ressourcen, die (im Idealfall) geeignet sind, das Problem des Ratsuchenden zu beheben bzw. es einer Lösung näher zu bringen. (Reitemeier 1994, 230)

Beratungskonstitutive und andere Perspektivendivergenzen können in der Interaktion zu massiven Verständigungsproblemen und Konflikten führen, z. B. wenn der Ratsuchende sein Problem in der perspektivischen Redefinition seitens des Beraters (Kallmeyer 2000, 237) nicht mehr wiederfindet, dessen emotionale Anteilnahme vermisst oder eine Bestätigung der eigenen Bewertungen erwartet (vgl. Schröder 1994, 99 ff.). Perspektivendivergenzen in der Beratung sind allerdings nicht nur eine besondere Herausforderung für die Verständigung (vgl. Kallmeyer 2000. 229) und „eine systematische Quelle für Mißverständnisse, Störungen, Komplikationen oder Enttäuschungen“ (Nothdurft/Reitemeier/Schröder 1994, 7), sondern auch eine elementare Bedingung für das Gelingen dieses Interaktionstyps (vgl. Kallmeyer 2000, 229): Die Asymmetrie verleiht Beraten erst einen Sinn: Es ist das besondere Wissen des anderen, das mich veranlaßt, ihn um Rat zu fragen. Es ist die andere Sichtweise, die mir vielleicht zu neuen Einsichten in mein Problem verhilft, mir Anregungen für einen anderen Umgang mit ihm bringt. Es ist die Distanz des anderen zum Problem, durch die ich als Betroffener mein Problem ebenfalls mit mehr Abstand sehen kann. (Nothdurft/Reitemeier/Schröder 1994, 15)

Es wird also von RG erwartet, dass er eine eigenständige, vielleicht sogar überraschende und originelle Sichtweise ins Spiel bringt (vgl. Kallmeyer 2000, 240). Im professionellen Beratungsgespräch eröffnet die Asymmetrie  – das Fachwissen, die Routine und Erfahrung des Beraters, seine institutionellen und organisationalen Ressourcen – dem Klienten die Möglichkeit, fremdes und gegebenenfalls überlegenes Fachwissen zu verwerten, eine andere, pro-fessionell geschulte Sichtweise zu übernehmen sowie die Distanz des nicht unmittelbar Betroffenen für die Lösung seines Problems zu nutzen. (Nothdurft/Reitemeier/Schröder 1994, 7)

Andererseits wird RS oft nicht ohne Weiteres geneigt sein, seine bisherigen Wahrnehmungs- und Handlungsmuster zur Disposition zu stellen. Perspektivendivergenzen müssen also einerseits verdeutlicht, andererseits erfolgreich bearbeitet werden;

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daher kommt Aushandlungsprozessen und Verfahren der Verständnissicherung im Beratungsgespräch eine hohe Relevanz zu (vgl. Schröder 1994, 97 f.; Kallmeyer 2000, 229, 236). Wie hierbei unterschiedliche sprachreflexive Verfahren eingesetzt werden, arbeitet Habscheid (2003, 141–154, 179 ff.) heraus. Für Beratungsinteraktionen lässt sich idealtypisch ein komplexes Handlungsschema rekonstruieren (vgl. zusammenfassend Kallmeyer 2000, 237 f.); Albrecht und Perrin (2013, 16) heben hervor, wie sich in aufeinanderfolgenden Sitzungen der Schwerpunkt der bearbeiteten Aufgaben „rollend“ verschiebt (vgl. auch Kallmeyer 2000, 238). Der zentrale Bestandteil der Beratungsinteraktion – die interaktive Konstruktion eines Problems und einer akzeptierten Lösung „unter Nutzung von Perspektivenunterschieden“ (Kallmeyer 2000, 236)  – wird durch spezifisch ausgeprägte Praktiken zur Herstellung und Auflösung der Situation eingerahmt (vgl. Nothdurft/Reitemeier/ Schröder 1994, 10 ff.): Ein erster interaktiver Aufgabenkomplex besteht in einer die Beratung anbahnenden „Etablierung von Beratungsbedürftigkeit“ auf Seiten von RS und der „Zuschreibung, Prüfung und Aushandlung von Zuständigkeit, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit“ des RG (Kallmeyer 2000, 237). Da für den Vollzug der Beratung der Glaube an die Kompetenz des Beraters unabdingbar ist, tritt nach Nothdurft (1984) oft ein personen- oder sachorientierter Vorschuss von Vertrauen an die Stelle der manifesten Feststellung von Kompetenz; der symbolischen Kontrolle dieses Vertrauensvorschusses im Laufe des Gesprächs dienen Andeutungen und Hinweise des Beraters, all das, was aufgrund von Vertrauen nicht erläutert werden braucht, jederzeit erläutern und offenlegen zu können. (ebd., 211)

Zu derartigen Symbolen der Funktionssicherheit gehören Verweise auf professionelle Verfahren, professionelle Sachverhaltskategorisierungen, standardisierte Mittel der Veranschaulichung, Erläuterungen im Vorgriff auf Fragen des Klienten oder komplexe persuasive Figuren wie Einweihung/Einübung in Lösungsverfahren, Seriosität der Bearbeitung, Transparenz des Programms und Klinischer Diskurs (ebd., 211 ff.). In Institutionen greifen die Beteiligten bei der Initiierung eines Kontaktes in der Regel auf bereits vorab definierte, institutionelle Rollenkonstellationen zurück, „mittels derer wechselseitig unbekannte Personen in unbekannte-aber-kontextuellidentifizierbare-Personen transformiert werden können“ (Bergmann 1980, 238, zitiert nach Reitemeier 1994, 233). Das Ende eines Beratungsprozesses wird u. a. dadurch hergestellt, dass die Realisierung der Lösung vorbereitet sowie RG durch RS von seiner Rolle entlastet wird, z. B. indem RS die Beratungsleistung honoriert und sich dafür bedankt (vgl. Kallmeyer 2000, 238). In der Hauptphase kommt zunächst vor allem RS die Aufgabe zu, den Sachverhalt auszubreiten und dessen Problemcharakter zu verdeutlichen und zu plausibilisieren (vgl. Kallmeyer 2000, 237); dabei kann, bis zu einem gewissen Grad, auch das szenische, „verhaltenshafte ‚Zeigen‘ von Rat- oder Orientierungslosigkeit, von Hilfsbedürftigkeit oder Leidensdruck“ zum Tragen kommen (Nothdurft/Reitemeier/Schröder

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1994, 11). RG hat in dieser Phase die Aufgabe, den Ratsuchenden bei der Sachverhaltsdarstellung zu unterstützen und zur Thematisierung systematisch relevanter Aspekte anzuhalten (ebd., 237): Erfahrene Berater orientieren sich dabei an einem Set von ‚Stücken‘ (Nothdurft 1984), z. B. ‚Geschehen‘ („Was ist passiert?“), ‚Station‘ („Wo bist du schon gewesen?“) oder ‚Auflage‘ („Was möchtest Du bei der Lösungsentwicklung noch berücksichtigt wissen?“). Das Problem, wie es der Klient zunächst präsentiert, ist nur der Ausgangspunkt einer interaktiven Klärung, in die auch die Perspektive des Beraters wesentlich einfließt und an deren Ende das von beiden Seiten akzeptierte Problem steht, für das dann im weiteren Verlauf der Beratung Lösungsansätze gesucht werden (vgl. Kallmeyer 2000, 237 f.; Nothdurft 1984): Komplementär zur Präsentation des Problems durch RS muss RG den Problemsachverhalt aus seiner Perspektive (mit) entwickeln und redefinieren (vgl. Kallmeyer 2000, 237), auf diese Weise das Problem als solches anerkennen und gemeinsam mit RS den Beratungsgegenstand für das Gespräch festlegen, wobei neben der Problempräsentation auch die spezifische Lösungskompetenz von RG, die Voraussetzungen seitens des Ratsuchenden und praktische Aspekte wie das Zeitbudget zu berücksichtigen sind. Dabei kann sich das Problem gegenüber der Darstellung des Ratsuchenden verändern (vgl. Nothdurft 1984): Wenn der Ratsuchende die Problemdefinition nicht gleich anerkennt, schließt sich eine längere Aushandlung des Problems zwischen RG und RS an. Ist das auf diese Weise konstituierte Problem nicht durch einen einfachen Vorschlag und dessen Ratifikation seitens des Ratsuchenden zu lösen, folgt ein komplexer Prozess, in dem Herangehensweisen, Lösungskonzepte und Wege zu ihrer Umsetzung gesucht und ausgearbeitet werden (vgl. Kallmeyer 2000, 238, 242 ff.): Dabei muss RG die Plausibilität der Lösungsentwürfe deutlich machen, und RS muss prüfen, ob die Lösungen unter den Bedingungen seiner Situation zielführend und realisierbar sind. Darüber hinaus kann er selbst an der Suche nach Lösungen mitwirken. Am Ende einer erfolgreichen Lösungsentwicklung steht die Ratifikation eines zuvor formulierten Lösungsvorschlags durch den Ratsuchenden. Dabei gibt er zu erkennen, dass er den Vorschlag – mit Einschränkungen oder uneingeschränkt – in seine Handlungsorientierungen zu übernehmen gedenkt oder zumindest versuchen wird, ihn zu berücksichtigen. (Nothdurft/Reitemeier/Schröder 1994, 14)

Ein besonderes Interesse linguistischer Beratungsforschung gilt den spezifischen Verfahren der Perzeption und Rezeption von Klientenäußerungen, mithin dem „Zuhören“ (Albrecht/Perrin 2013). Es wird danach gefragt, wie sich in der professionellen Perspektive des Beratenden Probleme auf der Basis dessen diagnostizieren lassen, was die Klienten im Gespräch „von sich sagen und zeigen“ (ebd., 11); dies kann, wenn als „Deutungsrahmen“ komplexe Modelle der Persönlichkeit gewählt sind, „auch innere Erlebniswelten, innere Stimmen“ des Beratenen einschließen (ebd., 30). Die Aufgabe besteht darin, „das multimodale Kommunikationshandeln auf allen Kanälen verfolgen und Inkonsistenzen wahrnehmen“ (ebd., 23). Ein besonderes Interesse vieler sys-

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temischer Therapeuten und Berater richtet sich auf Metaphern (vgl. z. B. Roderburg 1998), die sich auch für die Analyse von Organisationen und Organisationstheorien als fruchtbar erwiesen haben (vgl. z. B. Morgan 1986/1997). Zu den charakteristischen Eigenschaften, die ein derartiges professionelles Zuhören von alltäglichen Verstehensprozessen unterscheidet, gehört nach Christine Albrecht und Daniel Perrin (2013, 37 f.) die Nondualität: Mehrere Wahrheiten sind gleichzeitig möglich, und jede ist für sich und nach ihren Maßstäben sinnvoll, sonst gäbe es sie nicht. Zu fragen ist also nicht, was besser ist und was schlechter, sondern: Warum, also unter welchen Bedingungen, funktioniert welche Lösung, welches Denkmuster, welche Gewohnheit? (Albrecht/Perrin 2013, 37)

Dies setzt eine reflexive Distanzierung des Beraters von dem eigenen soziokulturellen Standort, von dem aus er habituell interpretiert und bewertet, voraus, also die Fähigkeit, auch sich selbst beim Beobachten zu beobachten und das heißt, beim Sprechen professionell zuzuhören (vgl. ebd., 26; zu reflexiver Beratung Moldaschl 2001; Moldaschl 2010). Andere spezifische Fragestellungen der linguistischen Beratungsforschung betreffen die Intervention im Sinne einer kommunikativen Initiierung neuer Sichtweisen, die gemeinsame Entwicklung von Lösungsperspektiven oder die Frage, wie sich innere Veränderung in andersartigem sprachlichem Verhalten spiegelt (vgl. Graf 2011, 78; Albrecht/Perrin 2013, 25, unter Bezug auf Wodak 1984). Konstitutiv für Beratungsgespräche sind nach Peter Schröder (1994) nur diejenigen Perspektivendivergenzen, die sich auf beratungsrelevante Strukturen beziehen. Das heißt: Konstitutiv für Beraten sind solche Perspektivendivergenzen, deren Fehlen die Beratungssituation entscheidend verändert, sie aufhebt oder gar nicht erst zustandekommen läßt. (Schröder 1994, 96)

Im Fall der professionellen, institutionell geprägten und organisational eingebundenen Beratung weist die Interaktion darüber hinaus Besonderheiten auf, die weitere Asymmetrien begründen können (vgl. Schröder 1994, 107 ff.; Reitemeier 1994): – institutionell vorgegebene Aufgaben, Rechte und Pflichten, die das Beratungshandeln ergänzen, einbetten und überformen und daher zusätzlich Asymmetrien begründen, z. B. wenn zu den Aufgaben des institutionellen Agenten neben Beraten auch „Prüfen und Bewerten, Bewilligen, Statuszuweisung und soziale Kontrolle“ oder die Persuasion im Verkaufsgespräch gehören (Kallmeyer 2000, 230); – ein unterschiedlicher Situationsdruck: Mit den institutionell geprägten Beteiligungsrollen können Grade und Arten der Verbindlichkeit von Beratungssituationen einhergehen, bis hin zur gesetzlich verordneten Pflichtberatung (vgl. Schröder 1994, 107 ff.). Dabei ist zwischen institutionell-formaler und morali-

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scher, situativ-äußerlicher und inhaltlicher Dimension von Verpflichtungen und Erfolgszwängen zu unterscheiden (vgl. Schröder 1994, 107 ff.); – professionell vorgefertigte Lösungsressourcen, an denen sich der Berater orientiert, einschließlich der sogenannten „Paradoxien des professionellen Handelns“: „die grundsätzliche Aufforderung, handeln zu müssen, ohne die relevanten Bedingungen hinreichend zu kennen“ oder der „Einsatz von professionellen Abkürzungen, fertigen Problemkategorien und Lösungsschemata oder die Übernahme von Verantwortung für andere mit der Gefahr der Entmündigung und Förderung von Unselbständigkeit“ (Kallmeyer 2000, 230); – Leitbilder professioneller Beratungsparadigmen, z. B. die Tendenz zu alltagsferner Normabstinenz, Entdramatisierung, Normalisierung, die mit dem Risiko einhergeht, dass die Klienten eine ernsthafte Würdigung ihrer individuellen Probleme vermissen (vgl. Bergmann/Goll/Wiltschek 1998, 177 ff.). Auch die mit den jeweiligen (institutionellen) Beteiligungsrollen verbundenen Elemente des Handlungsschemas begründen eine beratungskonstitutive, in diesem Fall interaktive Perspektivendivergenz, die eine „Verschiebung der Balance von Selbstund Fremdbestimmung in Richtung auf ein Übergewicht von RG“ begünstigt (Kallmeyer 2000, 230). Im Extremfall werden Probleme durch den Berater im Rückgriff auf Machtressourcen definitorisch gesetzt und Maßnahmen verordnet, ohne dass es zu einer diskursiven Vermittlung der unterschiedlichen Sichtweisen kommt (vgl. Schröder 1994, 104 f.; Kallmeyer 2000, 241). Kommunikationsprobleme, die in den Asymmetrien von Beratung begründet liegen, manifestieren sich an der Oberfläche des Gesprächs durch vielfältige Störungen, unter Umständen ergibt sich  – v. a. in Institutionen  – „ein reibungsloses Zusammenspiel wechselseitiger Nichtberücksichtigung“ (Kallmeyer 2000, 246) bzw. es kommt erkennbar zu einer nur formalen Abarbeitung des Beratungsschemas ohne inhaltliche Konvergenz (vgl. Schröder 1994, 114 ff.). Im Bereich der Unternehmensberatung scheinen nicht zuletzt ambitionierte konstruktivistisch inspirierte Beratungsansätze angesichts der fundamentalen kognitiven Perspektivendivergenz interaktional vor besonderen Herausforderungen zu stehen (vgl. Habscheid 2003, 175–294). Der Umstand, dass Beratungsdienstleistungen aus strukturellen Gründen ihrem offiziellen Anspruch oft nicht gerecht werden können, dafür jedoch unbemerkt andere Probleme lösen (Kühl 2008, 163 ff.; s. Kap. 2), lässt eine gesprächslinguistisch fundierte, empirische Beratungsforschung relevant erscheinen, die der „latenten Funktion“ (ebd.) derartiger institutioneller Praxen im Detail auf die Spur kommt. Diese Forschung sollte der Versuchung widerstehen, ausgehend von unhinterfragten Selbstbeschreibungen aus der Praxis auf unmittelbar anwendbare Erkenntnisse zu zielen und sich so den Blick für das empirisch zu Beobachtende zu verstellen.

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Anastasia Konovalova

14. Wirtschaftssprache in den Übersetzungswissenschaften – ein Bericht aus der Übersetzungspraxis Abstract: In diesem Beitrag werden zunächst der Begriff Fachsprache, die kommunikative Funktion der Fachsprache sowie die Ansätze zu ihrer Differenzierung kurz vorgestellt. Diese theoretischen Grundlagen werden für den Bereich der Wirtschaftssprache geschildert, die in ihrer Mannigfaltigkeit als Forschungsobjekt auftritt. Anhand des analysierten Korpus, das aus den Übersetzungen wirtschaftlicher Texte aus dem Deutschen ins Russische entstand, wird veranschaulicht, welche Schwierigkeiten im Verstehens- und Produktionsprozess auftreten. Bei der Untersuchung der Lösungen wurden nicht nur rein sprachliche, sondern auch weitere außersprachliche Faktoren berücksichtigt. Dieser Ansatz führt zu einigen Überlegungen und Vorschlägen hinsichtlich des Übersetzungsprozesses und der Methodologie des Fachübersetzens. 1 Einleitung 2 Theoretische Grundlagen der Fachsprachenforschung 3 Der kombinierte Ansatz zum Fachübersetzen der Wirtschaftssprache 4 Zusammenfassung 5 Literatur

1 Einleitung Im vorliegenden Beitrag werden die Wirtschaftssprache einerseits und die Übersetzungswissenschaften andererseits thematisiert. Die Nachfrage nach einem solchen Thema ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass diese beiden Bereiche in der letzten Zeit vermehrt an Bedeutung gewonnen haben. Im Beitrag wird zu veranschaulichen versucht, wie sich die wesentlichen Besonderheiten der Wirtschaftssprache im Übersetzungsprozess widerspiegeln. Dieser Studie gingen einige Vorarbeiten voraus, die im Rahmen des Fachübersetzens zu verwirklichen waren. Intensive Überlegungen, welcher Bereich aus der Wirtschaft ausgewählt werden soll, der für die heutigen Studierenden anziehend und für das Fachübersetzen relevant sein könnte, haben zu dem Investitionsbereich geführt, und zwar zu seinem abgegrenzten Sektor Ausländische Direktinvestitionen. Das später analysierte Korpus wurde aus ausschließlich dieser Thematik gewidmeten Texten zusammengestellt und lässt sich in drei Sparten differenzieren: wissenschaftliche Texte, Texte der Institutionen- und Vermittlungssprache und wirtschaftliche Texte, denen man auch im

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Alltag begegnen kann. Das Korpus wurde von verschiedenen Gruppen von Studierenden übersetzt und analysiert. Die zentrale Frage war dabei, welche Schwierigkeiten im Verstehens- und im Übersetzungsprozess eines wirtschaftlichen Textes aus dem Investitionsbereich auftauchen können und wie sie zu lösen sind. Weitere Fragen waren die folgenden: Inwieweit unterscheiden sich die festgestellten Schwierigkeiten je nach den oben erwähnten Sparten der Wirtschaftssprache? Sind beim Fachübersetzen dieser Texte nur die sprachlichen Komponenten von Bedeutung oder spielen dabei auch weitere außersprachliche Komponenten eine Rolle? Welche methodischen Instrumente würden das Übersetzen erleichtern? Welche zusätzlichen Fertigkeiten und Hilfsmittel würden die Leistung wesentlich verbessern? Die Ergebnisse führten zu einem kombinierten Ansatz zum Fachübersetzen der Wirtschaftssprache. Es wurden sowohl sprachliche Komponenten (Komposita, Abkürzungen, Entlehnungen etc.) als auch nicht-sprachliche Komponenten der wirtschaftlichen Texte berücksichtigt, deren Wahrnehmung beim Fachübersetzen gewisse Schwierigkeiten hervorruft. Vor der Darstellung dieser Schwierigkeiten werden die theoretischen Grundlagen der Fachsprachenforschung im ersten Teil dieses Beitrags dargelegt. Die wichtigen Definitionen werden kurz behandelt. Die kommunikative Funktion der Fachsprache steht dabei im Fokus und wird ausführlich betrachtet. Ein kurzer Überblick über die Ansätze zur Differenzierung der Fachsprache, insbesondere der Wirtschaftssprache, sowie die Charakteristik der näher analysierten Wirtschaftssprache des Investitionsbereichs schließen den theoretischen Teil ab.

2 Theoretische Grundlagen der Fachsprachenforschung 2.1 Zur Fachsprache, zu ihrer kommunikativen Funktion und zur Rolle des Fachübersetzens Im Rahmen der Fachsprachenforschung wurden vielfältige Ansätze ausgearbeitet, die jedoch keine voneinander unabhängigen, sondern stets miteinander im Zusammenhang stehende Forschungsgebiete darstellen. Führen wir die allen bekannte und in zahlreichen Beiträgen erwähnte Definition für Fachsprache von L. Hoffmann an, die aus den 70er-Jahren stammt (vgl. Hoffmann 1982, 2), oder auch weitere Definitionen (vgl. Bausch/Schewe/Spiegel 1976a, 12; Möhn/Pelka 1984, 26) oder noch eine Definition von Hoffmann aus den 90er-Jahren (vgl. Hoffmann 1993, 614 nach Roelcke 2010, 23), zieht sich im Hintergrund der Kommunikationsprozess wie ein roter Faden durch alle Entwicklungsphasen. Es ist ja auch offensichtlich, dass die Fachsprache eine herausragende Bedeutung als Teil der Kommunikationsmittel besitzt. Diese sorgt für das effektive Funktionieren der sprachlichen Kommunikation in allen vorstellbaren fach-

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bezogenen Bereichen der menschlichen Tätigkeit (vgl. Möhn 1980, 354 nach Fluck 1985, 14; Hoffmann 1987, 17). Die Fachsprache, einerseits als Widerspiegelung der im Entwicklungsprozess erreichten Ergebnisse und andererseits als Mittel die erworbenen Erkenntnisse weiterzugeben, dient dem Zweck, eine möglichst effektive, präzise und ökonomische Verständigung unter allen möglichen Kommunikationspartnern über ein bestimmtes Fachgebiet zu gewährleisten (Schmitt 1985, 18). Das von Roelcke vorgestellte fachsprachliche Kommunikationsmodell veranschaulicht, welche Grundelemente und welche Verknüpfungen zwischen diesen Grundelementen im Kommunikationsprozess zu berücksichtigen sind. In seinem vereinfachten Modell fachsprachlicher Kommunikation unter Berücksichtigung der Interessenschwerpunkte verschiedenartiger Fachsprachenkonzeptionen hebt er das systemlinguistische Inventarmodell, das pragmalinguistische Kontextmodell und das kognitionslinguistische Funktionsmodell hervor, deren Bezeichnungen darauf hinweisen, welchen Komponenten in den Fachsprachenkonzeptionen besonderes Forschungsinteresse gilt (vgl. Roelcke 2010, 13 f.). Das Fachübersetzen der wirtschaftlichen Texte lässt sich auch unter dem Blickwinkel des Kommunikationsmodells betrachten. Die in den wirtschaftswissenschaftlichen Texten enthaltene und sehr oft sogar verschlüsselte Information ist entweder für Wissenschaftler oder für andere Experten vorgesehen. Die Verwendung der Fachsprache ermöglicht es, den Verständigungspartner zu identifizieren, den Grad und die Art der bei den Verständigungspartnern vorausgesetzten Fachkompetenz vorzugeben und den speziellen fachlichen Tätigkeitsbereich, in dem sich die Verständigung vollzieht, abzugrenzen (Beier 1980, 28 f.). Beim Wahrnehmen der in den wirtschaftswissenschaftlichen Texten verschlüsselten Information wird ein Rezipient vorgesehen, der über spezifische Kenntnisse verfügt und diese Information ohne große Mühe entziffern kann. Ist der Rezipient ein Muttersprachler, ist durch das Wahrnehmen der Information festzustellen, ob das Kenntnisniveau dem des Verfassers entspricht und ob es möglich ist, die Information auf dem zu erwartenden Niveau zu liefern. Daraus kann geschlossen werden, dass die Verständigungsprobleme, die zwischen den Angehörigen verschiedener Gruppen entstehen können, in den meisten Fällen eher durch nicht ausgeglichene Wissensstände verursacht werden, die in den entsprechenden Termini ihren Ausdruck finden. Doch sollten wir zunächst davon ausgehen, dass die Kommunikation anhand des wirtschaftswissenschaftlichen Textes zwischen Experten mit unterschiedlichem sprachlichem Hintergrund stattfindet. In der Kommunikationskette zwischen den Experten taucht ein Übersetzer mit dem Bestreben auf, den Text auf einem hohen qualitativen Niveau in der Zielsprache wiederzugeben. Die Mission des Übersetzers wäre hier mit der des Marketings zu vergleichen, das sich in der vorzustellenden Kette zwischen dem Produzenten und dem Kunden befindet. Die Aufgabe ist vor allem, die Bedürfnisse des Kunden festzustellen, d. h. sich den Bedarf an diesem oder jenem Produkt aus der Perspektive des Kunden vorzustellen. Im Falle des Fachübersetzens bedeutet das, den Bedarf an fachbezogenen, dem zukünftigen Leser noch fehlenden Informationen festzustellen und unter Berücksichtigung

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der Vor- und Nachteile des zu verkaufenden Produktes diese Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei ist die maximale Zufriedenheit von beiden Seiten zu erreichen, wozu verschiedene Instrumente (fachsprachliche Zeichensysteme, Text- und Fachkenntnisse, Übersetzungstechnik usw.) zu verwenden sind. Für eine qualitativ hochwertige Übersetzung ist eine dem Fachübersetzen vorausgehende linguistische Analyse nicht ausreichend, wenn sie im Wesentlichen lediglich die folgenden Fragen fokussiert: Welchem Genre ist der Text zuzuordnen und welche Besonderheiten des Kommunikationsprozesses sind in der Ausgangs- und in der Zielsprache zu beachten usw. (vgl. Suau Jiménez 2010)? Dennoch sind diese sowie weitere Kriterien für den Übersetzungsprozess zweifellos sehr relevant und auf keinen Fall außer Acht zu lassen. Die Aufgabe des Übersetzers als Vermittler wäre, nicht nur den Text hinsichtlich der jeweiligen sprachlichen Informationen zu erforschen, sondern den Text als ein ganzheitliches Produkt mit seinen Kommunikationszielen zu betrachten, die für diesen Bereich spezifischen außersprachlichen Inhalte zu erkennen und diese anhand der sprachlichen Form, welche der Zielsprache entspricht, wiederzugeben. Je besser also die zwischen den Zeilen transportierten wirtschaftlichen Inhalte erkannt und dem Rezipienten angemessen geliefert werden, desto größer sind die Chancen, dass die vom Verfasser mitgeteilte Information vom Rezipienten im erwarteten Maße wahrgenommen wird. In den wirtschaftswissenschaftlichen Texten werden verschiedene kognitive Inhalte versprachlicht. Es ist vom Übersetzer nicht zu erwarten, dass er neben den benötigten sprachlichen Kenntnissen und den Übersetzungskompetenzen die Fachkenntnisse auf dem Niveau eines Experten beherrscht – obwohl es die beste Kenntniskombination wäre –, sondern dass er in der Lage ist, die in den Texten verschlüsselte Denkweise (kognitive und idiomatische) im Laufe des Interpretationsprozesses zu erkennen, wieder aufzubauen und diese in der Zielsprache wiederzugeben.

2.2 Differenzierung der Fachsprache und die Charakteristik der Wirtschaftssprache Die Dimensionen und die Kriterien zur Differenzierung unterscheiden sich je nach der Forschungsphase der Wirtschaftssprache sowie der jeweiligen linguistischen Schule, die sich mit der Frage beschäftigten. Neben der sich auf die sprachlichen Ebenen (Phonologie, Lexik, Syntax) stützenden Strukturierung (vgl. Gnutzmann 1980, 51) gibt es eine weitere: die Strukturierung der Fachsprache in eine horizontale und vertikale Aufteilung (vgl. Trier 1968; von Hahn 1983; Hoffmann 1987; Roelcke 2010). Dieser Ansatz ermöglicht es, eine konkrete Fachsprache in einem zweidimensionalen Koordinatensystem zu verorten. Die Betrachtung der horizontalen Schichtung der Wirtschaftssprache stellt eine fachgebietsspezifische Differenzierung dar, bei der sich der Begriff ‚Wirtschaftssprache‘ als Oberbegriff verwenden lässt. Hier ist z. B. die Wirtschaftssprache der Betriebswirtschaftslehre, der Volkswirtschaftslehre oder des Bankwesens zu nennen.

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Wenn es sich um die vertikale Schichtung innerhalb einer Fachsprache handelt, kommen verschiedene Unterscheidungsmerkmale zum Tragen (vgl. Schmitt 1985, 20). Laut Hoffmann sollten diese allerdings weder auf die soziale Stratifikation der Sprachträger noch auf die Wertungen einzelner Schichten Bezug nehmen (vgl. Hoffmann 1987, 64). Hier unterliegen die fachlichen und wirtschaftlichen Sachverhalte dem Differenzierungsprozess (vgl. z. B. Spiegel 1976, 22; Beier 1980, 25; Schmitt 1985, 20; Möhn/Pelka 1984, 34). Doch bringt dieser Ansatz auch einige Nachteile mit sich. Nach W. von Hahn (1983, 72) ist es bei einer solchen Strukturierung einerseits möglich, die Mannigfaltigkeit der Fachsprache theoretisch zu erfassen, andererseits bestehen zwischen einigen Fächern bestimmte Gemeinsamkeiten, welche die Möglichkeit einer solchen Zuordnung beschränken können. Außerdem ist anzuführen, dass sich die Varianten einer Fachsprache stärker unterscheiden können als nebeneinander stehende Fachsprachen verschiedener Fächer (von Hahn 1983, 72). In einem solchen Fall könnte die vertikale Gliederung ein Mittel sein, zusätzliche Aspekte der Fachsprache präziser zu beschreiben. Die horizontale sowie vertikale Gliederung werden im Zuge der fortschreitenden wissenschaftlich-technischen Entwicklung stetig verbessert und noch detaillierter differenziert. Der sich auf den Kommunikationsprozess im Wirtschaftsbereich stützende Ansatz ist auch in der Dissertation der russischen Linguistin Zjablova (2004) anzutreffen. Bei ihren Überlegungen geht sie von dem Hauptgedanken Hoffmanns (1987) aus und kommt zu der folgenden Differenzierung der Wirtschaftssprache. Sie unterscheidet vier Sparten, in ihrer Arbeit ‚Straten‘ genannt: Fachsprache der theoretischen Wirtschaftswissenschaften, Fachsprache der angewandten Wirtschaftswissenschaften, Fachsprache der gewerblichen praktischen Tätigkeit und Fachsprache der nicht gewerblichen Tätigkeit (Wirtschaftssprache im Alltag) (vgl. Zjablova 2004, 96). Ferner beschreibt Zjablova die Besonderheiten des Kommunikationsprozesses zwischen den Fachleuten, die die oben definierten Fachsprachen verwenden. In der Vielfalt der Ansätze kann auch die Arbeit von Hundt als Orientierung dienen (vgl. Hundt 1995). Diese Arbeit umfasst die wichtigsten Forschungsphasen der Wirtschaftssprache und stellt verschiedene Typologien der Wirtschaftssprache vor. Nach der Analyse der früher erarbeiteten Ansätze unternimmt der Autor den Versuch, eine Mikrotypologie der Wirtschaftssprache vorzuschlagen. Dazu wurden die institutionelle und die wissenschaftlich/theoretische Wirtschaftskommunikation betrachtet. Für die erste übernimmt er als Kriterium das Drei-Sektoren Modell (vgl. Hundt 1995, 64–67). Für den zweiten Typ der Wirtschaftskommunikation scheinen ihm die Fachsprachen der Volks- und Betriebswirtschaftslehre am wichtigsten zu sein. Sie bilden den Kern der Fachsprachen der Wirtschaftswissenschaften. Werden weitere Nachbarwissenschaften einbezogen, können weitere Fachsprachen der Wirtschaftswissenschaften differenziert werden, z. B. Fachsprache der Wirtschaftsmathematik oder Fachsprache der Wirtschaftsinformatik. Die Liste der Wirtschaftssprachen kann man selbstverständlich erweitern (ebd. 67–69).

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Um ein aktuelles Thema im Fachübersetzen (Wirtschaft) für das Sprachenpaar Deutsch-Russisch in dem vorliegenden Beitrag zu definieren, wurde der Bereich Wirtschaft zunächst erheblich eingegrenzt und auf den Bereich Ausländische Direktinvestitionen eingeschränkt. Der entscheidende Grund hierfür war, dass sich die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen schnell entwickeln, wobei dies besonders anhand zahlreicher deutscher Investitionsprojekte zu beobachten ist, die in Russland verwirklicht wurden bzw. werden. Dabei entsteht ein großer Bedarf an qualitativ hochwertigen Übersetzungen der fachbezogenen wissenschaftlichen und praktischen Literatur. Bei der Formierung des Korpus  – der Gesamtheit der für das Fachübersetzen genommenen Texte  – gingen wir „von verschiedenen kommunikativen Bezugswelten“ aus, „in denen auch über Wirtschaft gesprochen wird: Alltag, Institutionen und Theorie/Wissenschaft“ (vgl. Hundt 1995, 8). Aus der in Betracht kommenden Vielfalt der Texte haben wir drei Sparten ausgewählt und Texte daraus in das Korpus übernommen: 1. Texte aus dem theoretisch-wissenschaftlichen Bereich von Investitionen; 2. Texte, die die Institutions- und Vermittlungssprache des Investitionsbereichs darstellen; 3. Texte, die aus der Vermittlungssprache kommen und teilweise im Alltag verwendet werden können. Der Umfang der deutschen analysierten Originaltexte beträgt insgesamt ca. 10800 Textwörter. Der Umfang der nach dem Übersetzen ins Russische resultierten Texte weicht hiervon ab, aber nicht wesentlich, was durch die Unterschiede in den sprachlichen Systemen und die Besonderheiten beim Formulieren des Fachtextes bedingt ist. Im vorliegenden Beitrag werden vornehmlich Beispiele aus dem ersten Bereich exemplarisch analysiert. Für die erste Sparte wurden die den folgenden theoretischen Aspekten gewidmeten Texte herangezogen: Definition der ausländischen Direktinvestitionen, Arten der ausländischen Investitionen (Direktinvestitionen vs. Portfolioinvestitionen), Zweck und Motive der Auslandsinvestitionen, Struktur deutscher Auslandsinvestitionen u. Ä. Das ausgewählte Material über die theoretischen Grundlagen wurde wissenschaftlichen Artikeln, Dissertationen und anderen wissenschaftlichen Arbeiten aus dem wirtschaftlichen Bereich Investitionen entnommen. Als Rezipienten können entweder Wissenschaftler oder auch andere Experten aus demselben Bereich gelten, die sich für die theoretischen Grundlagen interessieren. Für diese Texte sind ihr wissenschaftlicher Stil und ein hoher Grad an Spezialisierung charakteristisch. Beide Merkmale können auf das Kommunikationsziel zurückgeführt werden. Als Ziel können unter anderem folgende Aspekte genannt werden: eine wirtschaftliche Erscheinung zu definieren, die Klassifizierung von Merkmalen darzustellen, die wirtschaftliche Erscheinung zu charakterisieren etc. Dazu wurden von den Verfassern die entsprechenden linguistischen Ressourcen ausgewählt und analysiert. Da die Texte aus dem wissenschaftlichen Bereich besondere Schwierigkeiten hervorrufen, hatte der Korpusteil hierfür die größte Gewichtung. Daher beträgt der Anteil der wissenschaftlichen deutschen Texte ca. 45 % des Gesamtkorpus.

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Neben Texten aus dieser theoretisch-wissenschaftlichen, begrifflich orientierten Sparte wurden weitere Texte aus dem Institutionen- und Vermittlungsbereich in das Korpus aufgenommen. Diese machen ca. 35 % des Korpus aus. Diese Texte spiegeln die praktische Anwendung der theoretischen Grundlagen und die deutsch-russischen Beziehungen im Bereich Investitionen wider: Bestand an Ausländischen Direktinvestitionen, Wirtschaftsstruktur Russlands, Wirtschaftstrends in Russland, Russland als Investitionsstandort, Direktinvestitionen und Wirtschaftskooperation usw. In Betracht kamen auch Texte, in denen die Meinungen von Fachleuten bezüglich der Investitionsprozesse vorgestellt wurden. Die Fachtexte stammen aus fachlichen Berichten, die von Experten als Ergebnis der Analyse dieser oder jener wirtschaftlichen Erscheinung oder eines wirtschaftlichen Prozesses verfasst wurden und das Ziel verfolgen, diese Ergebnisse weiteren Experten oder interessierten Laien vorzustellen. Diese Fachtexte wurden z. B. Berichten von Handelskammern und anderen Organisationen, die sich mit der Einschätzung und Analyse beschäftigen, entnommen. Die gegebene Information kann aber nicht nur für Experten hilfreich sein, sondern auch für Wissenschaftler, die sich über den aktuellen Zustand der Erscheinung informieren möchten. Der Grad der Spezialisierung ist ebenfalls relativ hoch. Dennoch weisen die Texte einige Besonderheiten auf, die sie von den rein wissenschaftlichen unterscheiden. Dieser Sparte wurde im Rahmen des Fachübersetzens ebenfalls viel Aufmerksamkeit gewidmet. Die Texte der dritten Sparte des Korpus (ca. 15 % des Korpus), die für das Fachübersetzen verwendet und analysiert wurden, wurden für ein breiteres Publikum verfasst und hatten das Ziel, über die allgemeinen Tendenzen oder den aktuellen Zustand im Wirtschaftsbereich zu informieren. In diesem Fall fällt es nicht leicht, die Verfasser dieser Texte einzugrenzen. Sie müssen nicht unbedingt von Experten aus dem Investitionsbereich, sondern können auch von Experten aus anderen Bereichen verfasst worden sein, die sich mit dem Thema Investitionen beschäftigen. Infolgedessen ist ein niedrigerer Spezialisierungsgrad für diesen thematischen Block charakteristisch. Außer den Texten, die sich in drei Sparten differenzieren lassen, wurden noch weitere Mikrotexte in das Korpus aufgenommen, die ebenso dem Investitionsbereich gewidmet sind. Diese Mikrotexte wurden von Poprjanik gesammelt und von uns im Grammatikkurs für Fachübersetzen (Wirtschaft) ins Russische übersetzt und analysiert (vgl. Poprjanik 2003). Wegen der Kürze der verwendeten Abschnitte konnten sie nicht den drei Sparten zugeordnet werden. Deswegen wurden diese Texte (ca. 5 % des Korpus) nicht weiter berücksichtigt.

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3 Der kombinierte Ansatz zum Fachübersetzen der Wirtschaftssprache 3.1 Sprachliche Komponenten beim Fachübersetzen Mit dem folgenden Auszug aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Studie wird auf die Überlegungen zu den Merkmalen und zu den Besonderheiten der verwendeten sprachlichen Mittel im analysierten Korpus eingegangen: (1) Es lassen sich zwei Kategorien von Auslandsinvestitionen unterscheiden […]: Direkte Auslandsinvestitionen oder Direktinvestitionen stellen Kapitalanlagen im Ausland dar, die mit der Absicht durchgeführt werden, auf die Geschäftstätigkeit des kapitalnehmenden Unternehmens unmittelbar Einfluss auszuüben […]. Indirekte Auslandsinvestitionen sind Portfolioinvestitionen. Kapitalanlagen im Ausland in Form von Portfolioinvestitionen werden nicht mit der Absicht durchgeführt, durch Anrechte und Besitzanteile (beispielsweise durch Aktien) Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines anderen Unternehmens auszuüben. Bei der Durchführung von Portfolioinvestitionen sind lediglich finanzwirtschaftliche Motive maßgeblich. (Werneck 1998, 5)

Es besteht kein Zweifel daran, dass der angeführte Abschnitt vom Leser als ein hochgradig wissenschaftlicher und spezialisierter Text beurteilt wird. Welche charakteristischen Merkmale waren dabei auffällig? Am auffälligsten ist der Fachwortschatz (kursiv markiert), der für die Benennung von Begriffen der Investitionsarten und auch deren Definition dient. In diesem Text wird dem Prinzip gefolgt ‚eine Sache – ein Wort‘, was erlaubt, jedem Begriff einen möglichst präzisen Terminus zuzuordnen. Es scheint aber, dass selbst der Fachwortschatz nicht homogen ist und sich in verschiedene Kategorien einteilen lässt. Die Kernbegriffe, die mit den Termini Direkte Auslandsinvestitionen, Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen benannt wurden, werden durch die entsprechenden terminologischen Einheiten und Wortverbindungen wie Kapitalanlagen, Geschäftstätigkeit, Besitzanteile, kapitalnehmendes Unternehmen definiert, die, obwohl sie strukturell vorwiegend Komposita sind, ihrerseits für Spezialisten transparenter erscheinen und für die Wahrnehmung weniger kompliziert sind, da sie nicht ausschließlich zu der Wirtschaftssprache des Investitionsbereichs gehören. Vielmehr können diese Termini in verschiedenen Wirtschaftssprachen verwendet werden und benennen allgemein bekannte Wirtschaftsbegriffe. Daher sind sie geeignet, über die Grenzen der verschiedenen Wirtschaftssprachen hinweg Termini einer spezifischen Wirtschaftssprache für die Anwender einer anderen Wirtschaftssprache einzuführen. Als verbindende Elemente zwischen den oben benannten Gruppen von Termini treten weitere lexikalische und grammatische Mittel der Gemeinsprache auf, die hier nicht weiter berücksichtigt werden. Die zahlreichen Komposita in solchen Texten sind eine der auffälligsten Besonderheiten der Texte.

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3.1.1 Komposita Die häufige Verwendung von Komposita in den Texten zeigt deutlich, dass diese Art der Terminibildung den Benennungszwecken der Wirtschaftssprache am meisten entspricht. Birkenmaier gibt folgende Charakteristik der Komposita oder der Mehrworttermini: Sie drücken einen einzigen Begriff gegliedert aus. Durch eine solche sprachliche Gegliedertheit wird die innere Form des Begriffs wiedergegeben, so dass auf dem Wege einer begrifflichen Etymologie die Zusammenhänge und Beziehungen mit anderen Begriffen dargelegt werden. (Birkenmaier 1991, 33)

Im Falle des Kompositums verbindet sich ein schon vorhandener, relativ einfacher Terminus fest mit den verschiedenen Konkretisierungskomponenten, was zu einem höheren Grad der Spezialisierung von Begriffen führt. Die Komposita, die aus mehreren Komponenten zusammengesetzt sind, entstehen als Ergebnis der Präzisierung einer oder mehrerer der terminusbildenden Komponenten. Einerseits ist es zweifellos von Vorteil, dass sich eine große Informationsmenge in einer semantisch geräumigen Struktur konzentriert, was seinerseits erlaubt, den Fachbegriff explizit je nach den Eigenschaften genauer und präziser zu benennen. Anderseits sind gewisse Schwierigkeiten beim Verstehen dieser terminologischen Einheiten vorhanden – denn es ist nicht immer klar und eindeutig, welches Verhältnis zwischen den beiden oder mehreren Komponenten besteht. Diese beiden Perspektiven werden mit Beispielen aus den Texten veranschaulicht. Betrachtet man die in dem angeführten Auszug anzutreffenden Termini Auslandsinvestitionen, Direktinvestitionen und Portfolioinvestitionen, so kann festgestellt werden, dass jeder Terminus aus zwei Komponenten besteht. Diese drei Termini spiegeln eine Begriffshierarchie wider. Der Terminus Auslandsinvestitionen bezeichnet einen Oberbegriff, die zwei anderen Direktinvestitionen vs. Portfolioinvestitionen sind Unterbegriffe, die die Arten der ausländischen Investitionen benennen. Die letzten sind merkmalsreicher im Vergleich zu dem Oberbegriff, verfügen über die kontrastiven Komponenten Direkt- vs. Indirekt- bzw. Portfolio- und werden im Textabschnitt schrittweise definiert. Dazu verwendet man die entsprechenden kontrastiven sprachlichen Ressourcen: Kapitalanlagen, die mit der Absicht vs. nicht mit der Absicht durchgeführt werden, […] auf die Geschäftstätigkeit Einfluss auszuüben. In den Fällen, bei denen Mehrworttermini präzise und eindeutig von den Verfassern verwendet wurden, bereitet deren Übersetzung weniger Schwierigkeiten. Die eventuell auftauchenden Schwierigkeiten sind anhand von fachlichen Wörterbüchern zu lösen. In den Fachwörterbüchern kann auch festgestellt werden, welche strukturellen Modelle im Russischen den deutschen Komposita entsprechen. Bekanntlich können für die deutschen Komposita verschiedene Modelle im Russischen besonders treffend sein; auch russische Komposita sind nicht ausgeschlossen, wie z. B.

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Kapitalanlagen – капиталовложения, Warenumsatz – товарооборот. Es wurden nur wenige deutsche Komposita angeführt, deren Übersetzungen mit den im Russischen produktivsten Typen der Wortverbindungen korrelieren. Das Modell der russischen Wortverbindung Bezugsadjektiv + Substantiv: Direktinvestitionen  – прямые инвестиции; Portfolioinvestitionen – портфельные инвестиции; Wirtschaftswachstum  – экономический рост; Geschäftstätigkeit  – хозяйственная деятельность; Investitionsstrom – инвестиционный поток; Sacheinlage – имущественный вклад; Produktionsunternehmen  – производственное предприятие. Das Modell Substantiv + Substantiv: Beteiligungsanteil  – доля участия; Verkaufsvolumen  – объём продаж; Kapitaltransfer  – перемещение капитала; Investitionszulage  – дотации на капиталовложения; Wirtschaftsstruktur – структура экономики; Investitionsobjekt – объект инвестирования. Leider sind nicht alle Komposita in Wörterbüchern verzeichnet bzw. nicht eindeutig zu übersetzen. Um zu veranschaulichen, wie man eine vorausgehende Analyse anwendet und daraus eine entsprechende Lösung findet, wird das folgende Beispiel angeführt: (2) Die Wissenschaft streitet seit langem heftig darüber, ob Absatzstrategien oder Standortabwägungen bei Standortentscheidungen dominant sind. (Beyfuß 2000, 33)

Der Satz wurde aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Studie entnommen und der wirtschaftliche Kontext ist bei den kursiv markierten Komposita sofort erkennbar. Wenn wir versuchen, die Komposita nur anhand eines zweisprachigen Wörterbuches oder des nur im Satz abgegrenzten Kontextes zu übersetzen, haben wir wieder Schwierigkeiten. Im Wörterbuch wurde für die Übersetzung des Kompositums Standortentscheidung die russische Wortverbindung принятие решения на месте angegeben. Würden wir anhand dieser Lösung das deutsche Kompositum ausschreiben bzw. es in Form einer Wortverbindung wiedergeben, hätten wir Entscheidung an Ort und Stelle. Auf den ersten Blick mag dies eine passende Lösung sein. Der Text, aus dem der angeführte Satz stammt, ist aber den Fragen der direkten Auslandsinvestitionen, ihrer Effekte sowie den Zwecken und Motiven der Auslandsinvestitionen gewidmet. Unter anderem stellt man die Ergebnisse einer Unternehmensbefragung darüber vor, welche Kriterien im Entscheidungsprozess für die Wahl des Investitionsstandortes am wichtigsten sind. Um den Sinn des Satzes nicht wesentlich zu verschieben, bräuchten wir im Russischen eine Wortverbindung, die der deutschen Entscheidung zugunsten eines Standortes entsprechen würde. Somit ist die erste gefundene Lösung offensichtlich nicht angemessen und wurde ausgeschlossen. Die andere Einheit Standortabwägungen ist in den Wörterbüchern nicht als mögliche Lösung zu finden. Der weiter gefasste wirtschaftliche Kontext ist auch hier beim Finden von Äquivalenten nötig und entscheidend. Ausgehend davon wurde für das Beispiel (2) die folgende Lösung vorgeschlagen:

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С дав­них пор ве­дут­ся бур­ные спо­ры сре­ди пред­ста­ви­те­лей нау­ки о том, что яв­ля­ет­ся до­ми­ни­ру­ющ­им при при­ня­тии ре­ше­ния о мес­те раз­ме­ще­ния про­из­вод­ства – стра­те­гия сбы­та про­дук­ции или пре­иму­ще­ства, свя­зан­ные не­по­сред­ствен­но с мес­том рас­по­ло­же­ ния про­из­вод­ства.

In dem Übersetzungsvorschlag werden nicht nur die oben erwähnten Aspekte des Kontextes und das Finden der entsprechenden Äquivalente für die Komposita berücksichtigt, sondern auch der wissenschaftliche Stil der russischen wirtschaftlichen Studien bewahrt. Ein weiterer Aspekt, der hier beim Übersetzen besonders berücksichtigt werden muss, ist, dass die Zahl der Elemente, aus denen das russische Äquivalent besteht, tendenziell größer ist als die Komponentenzahl des deutschen Ausgangskompositums. Das Kompositum Standortabwägung wurde ins Russische als eine Partizipialkonstruktion und das Kompositum Standortentscheidung wurde als eine erweiterte Wortverbindung übersetzt. Bei den ins Russische übersetzten deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Texten sind neben Zweikomponentenkomposita auch Dreikomponentenkomposita vorhanden, die sowohl aus terminologischen als auch aus allgemeinsprachlich verwendeten lexikalischen Einheiten bestehen und nach verschiedenen Modellen gebildet werden: Bruttoanlageinvestitionen, Finanzmittelknappheit, Auslandsinvestitionsstrategie, Investitionsförderinstitut, Direktinvestitionsbestände, Dienstleistungsverkehr, Dienstleistungsströme, Dienstleistungseinnahmen, Wechselkursschwankung u. a. Solche Einheiten stellen normalerweise noch mehr Schwierigkeiten im Übersetzungsprozess dar als beispielsweise die Zweikomponentenkomposita. Die Chancen, eine angemessene Lösung in Wörterbüchern zu finden, sind noch geringer als bei den Zweikomponentenkomposita und die Zusammenhänge sind in der Struktur kaum festzustellen. Hier kann der wirtschaftsbezogene Kontext sehr hilfreich sein, was anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht wird: (3) Dagegen besteht in den Statistiken der Weltbank, der UNCTAD und anderen Ländern ein Direktinvestitionsverhältnis bereits ab einer Eigenkapitalbeteiligung von 10 %. (Gutowski 2002, 31)

In dem Text, aus dem der Satz entnommen wurde, wird eine Definition der Direktinvestitionen gegeben und mit der anderen Art der Investitionen verglichen, nämlich mit den Portfolioinvestitionen. Der Verfasser führt anschließend einige Eigenschaften an, die zu erfüllen sind, damit langfristige Kapitalanlagen den Charakter von Direktinvestitionen besitzen. Eine der wichtigsten davon ist der Beteiligungsanteil an Unternehmen, der seinerseits je nach der Methode oder je nach der Quelle von Angaben auf verschiedene Weise berechnet wird. Für das Beispiel (3) wurde die folgende Lösung vorgeschlagen:

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В про­ти­во­по­лож­ность это­му в ста­ти­сти­че­ских дан­ных Ми­ро­во­го Бан­ка и ЮНКТАД, а так­же в дру­гих стра­нах в ка­че­стве пря­мых ин­вес­ти­ций рас­смат­ри­ва­ет­ся уча­стие в соб­ ствен­ном ка­пи­та­ле пред­прия­тия от 10 %.

Im Beispiel ist außer dem Finden der Lösung für das Kompositum die Übersetzung der im Satz erwähnten Weltorganisationen zu berücksichtigen.

3.1.2 Abkürzungen Neben der Tendenz in der Wirtschaftssprache, Komposita aus einer immer größeren Zahl von Elementen zu schaffen, existiert auch eine Tendenz zur Knappheit und möglichst kurzer Benennung (vgl. Birkenmaier 1991, 44). Die analysierten Texte liefern wenige Beispiele für Abkürzungen. Unter einer Abkürzung (auch Abbreviation) versteht man solche Kurzwörter graphisch und phonisch realisierbarer Lexikoneinheiten, die unter Reduktion der Ausdrucksseite von einer originalen Lexikoneinheit aus gebildet werden und die mit der in der Regel weiter bestehenden Einheit in der Sprachverwendung variieren. (Bellmann 1980 [nach Lewandowski 1994, 18])

Die am häufigsten verwendete Abkürzung ist ADI – ausländische Direktinvestitionen, die im Russischen der Abkürzung ПИИ  – прямые иностранные инвестиции entspricht. Weitere Abkürzungen bezeichnen die internationalen Organisationen und andere Einrichtungen, wie z. B.: UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) – ЮНКТАД (Конференция ООН по торговле и развитию), IAB – Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, ins Russische als Институт исследования рынка труда и профессий übersetzt. Einige Abkürzungen dienen zur Bezeichnung von Unternehmen oder anderen Subjekten, die in dem Investitionsprozess beteiligt werden können: KMU  – kleine und mittlere Unternehmen (малые и средние предприятия), MNU  – multinationale Unternehmen (МНК  – многонациональные компании), MOE – Investoren d. h. Investoren aus Mittel- und Osteuropa (инвесторы из Центральной и Восточной Европы). In diesen Fällen war es nicht problematisch, die Äquivalente zwischen den deutschen und russischen Abkürzungen zu finden, da die Lösungen bereits entweder in Internet-Ressourcen angegeben oder dem Kontext zu entnehmen sind.

3.1.3 Entlehnungen Der Bereich der Investitionen ist zweifellos länderübergreifend. Einige Begriffe und damit verbundene Termini wurden vorwiegend aus dem Englischen entlehnt. Einige der im Werk von Feix angeführten Faktoren, die zur Einführung und Internationali-

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sierung der englischen Begriffe in die Wirtschaftsterminologie von beiden Sprachen geführt haben, sind in diesem Fall auch zu erwähnen. So z. B. der große Einfluss der englischen und amerikanischen Theoretiker sowie die schlechten Übersetzungen (Feix 1982, 84). Beide Faktoren sind besonders für die Veränderung der russischen Wirtschaftsterminologie im Bereich Management und unter anderem im Investitionsbereich relevant. Der Einwirkungsgrad der Spendersprache auf die Terminologie der Empfängersprache ist direkt proportional zum Entwicklungsgrad des entsprechenden Wissensbereiches der Spendersprache. In der englischen Sprache und vor allem in ihrer amerikanischen Variante ist bereits ein formiertes und detailliert durchgearbeitetes System von Wirtschaftstermini vorhanden. In den 1990er-Jahren bestand ein großer Bedarf an Benennungen neuer Begriffe, die in die russische Wirtschaftssprache über das Englische und besonders über das amerikanische Englisch durch zahlreiche Übersetzungen, die nicht immer von guter Qualität waren, eindrangen. Die Geschwindigkeit, mit der sich die sozialen und wirtschaftlichen Prozesse entwickelten, erlaubte es zeitlich nicht, das eigene System von Kenntnissen, von neuen Begriffen und Termini aus den sprachlichen Ressourcen der russischen Sprache zu formen. Es bestand dazu allerdings auch keine Notwendigkeit: Es ging um die Entlehnung einer ganz neuen wirtschaftlichen Philosophie: die des Managements, neuer wirtschaftlicher Erscheinungen, ihrer Begriffe und ihrer Benennungen. Somit war es effizienter und zeitsparender, neben dem Inhalt auch die Form und somit die Ganzheit der Begriffe zu entlehnen. Im Laufe der Zeit konnten sich die Entlehnungen den Gesetzmäßigkeiten der rezipierenden Sprache mehr oder weniger anpassen (vgl. Gómez Capuz 2004). Die auf die deutsche Wirtschaftsterminologie durch diesen Faktor ausgeübte Wirkung ist etwas weniger bemerkbar, da die schon vorhandenen deutschen Termini aus dem Wirtschaftsbereich diese Benennungsnotwendigkeit abdeckten. Ins Russische wurden die vorkommenden Entlehnungen aus dem Englischen genauso mit den Entlehnungen verschiedener Art (Importe, Hybride, Lehnübersetzungen) wiedergegeben: Rating – рейтинг, Humankapital – человеческий капитал, Cluster – кластер, Innovationen – инновации usw. Dies entspricht vollkommen den Traditionen und den Anforderungen der Kommunikation im Investitionsbereich. Besonders zu beachten ist aber, wie die Einheit den orthographischen Normen der rezipierenden Sprachen angepasst wurde. Manchmal sind verschiedene Übersetzungs- und Schreibungsvarianten derselben Einheit zu finden. Bei solchen Stellen, wie z. B. bei der Übersetzung des folgenden Satzes, wäre ein Wörterbuch von Entlehnungen oder Neologismen mit den entsprechenden Erklärungen und Hinweisen zur Benutzung sehr hilfreich: (4) ADI dienen neben dem Kapitaltransfer ebenfalls dem Transfer von Technologie, Kenntnissen, Innovationen sowie Organisations- und Management-Know-How wie auch der Herstellung von internationalen Marketing- und Distributionsnetzwerken. (Gutowski 2002, 33)

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Somit ist eine der möglichen Lösungen für das Beispiel (4): Пря­мые ино­стран­ные ин­вес­ти­ции на­ря­ду с пе­ре­ме­ще­ни­ем ка­пи­та­ла спо­соб­ству­ют как пе­ре­да­че тех­но­ло­гий, зна­ний и ин­но­ва­ций, ноу­хау в об­ла­сти ор­га­ни­за­ции и ме­недж­ мен­та, так и соз­да­нию меж­ду­на­род­ных мар­ке­тин­го­вых и сбы­то­вых се­тей.

In den Texten aus dem Investitionsbereich ist eine besondere Gruppe von Entlehnungen ausgeprägt präsent, nämlich die der übereinzelsprachlichen Metaphern. Eine davon charakterisiert wirtschaftliche Erscheinungen durch die Eigenschaften der Naturkräfte. Denn der Investitionsbereich ist kaum ohne Investitions- und Kapitalströme vorstellbar. Der Bereich ist untrennbar mit den Strömen von finanziellen Mitteln, Waren, Dienstleistungen u. Ä. verbunden, denen die Eigenschaften der Wasserkraft zugeschrieben wurden: (5) Erstens hat sich die internationale Arbeitsteilung in dieser Periode nicht dynamisiert, denn die weltweiten Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalströme sind nicht wesentlich rascher angestiegen als die Weltproduktion. (Beyfuß 2000, 5)

Im Investitionsprozess agieren verschiedene Unternehmen, die einander zugeordnet sind. Die Verhältnisse, die zwischen den Unternehmen entstehen können, werden sehr oft mit Familienverhältnissen verglichen. Somit ist hier noch eine weitere häufig vorkommende internationale Metapher anzutreffen: (6) Der Bestand an ADI entspricht dem Wert der Kapital- und Rücklagenanteile eines Unternehmens im Ausland plus der Verpflichtungen der Tochtergesellschaften gegenüber dem Mutterkonzern. (http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52579/ bestand-an-auslaendischen-direktinvestitionen)

Die Übersetzung von Metaphern scheint normalerweise nicht problematisch zu sein. Ins Russische wurden sie mit den entsprechenden Äquivalenten wiedergegeben. Somit ist für das Beispiel (5) folgende Lösung vorzuschlagen: Во­пер­вых, меж­ду­на­род­ное раз­де­ле­ние тру­да в этот пе­ри­од не уси­ли­ва­лось, так как по­то­ки то­ва­ров, ус­луг и ка­пи­та­лов в ми­ро­вом мас­шта­бе вы­рос­ли в не­зна­чи­тель­ной сте­ пе­ни по срав­не­нию с объ­ем­ами ми­ро­во­го произ­вод­ства.

Und für das Beispiel (6) entsprechend: Объ­ем ПИИ со­от­вет­ству­ет раз­ме­ру до­ли в ка­пи­та­ле и ре­зерв­ных фон­дах ка­ко­го­ли­бо пред­прия­тия плюс обя­за­тель­ствам до­чер­не­го пред­прия­тия пе­ред ма­те­рин­ским.

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3.1.4 Das Finden des entsprechenden Terminus Die Reihe der oben analysierten Schwierigkeiten auf der lexikalischen Ebene, die beim Fachübersetzen aufgetreten sind, kann noch erweitert werden. In der deutschen Sprache besteht die Tendenz, dass bei der Wiedergabe der fachbezogenen Information weniger sprachliche Ressourcen benötigt werden. Die im Deutschen benutzten lexikalischen, syntagmatischen oder syntaktischen Einheiten sehen komprimierter aus, während für die Wiedergabe derselben Information im Russischen mehrere sprachliche Einheiten notwendig sind. Als Beispiel soll die lexikalische Einheit Motiv näher betrachtet werden. Diese wurde in Kombination mit anderen Einheiten sehr häufig bei der Beschreibung der Art oder des Zweckes der Investitionen verwendet. In den meisten Fällen ist eine Übersetzung, bei der eine Einheit im Russischen auch einer Einheit im Deutschen entspricht, oder anders gesagt, bei der man die Struktur des Satzes qualitativ beibehalten kann, ausgeschlossen. Hier muss eine andere Struktur im Russischen erarbeitet werden, die nicht formal, sondern inhaltlich der deutschen entspricht: (7) Im Gegensatz zu Direktinvestitionen spielt das Motiv der direkten Beteiligung und Mitsprache an Unternehmen eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht das Ertragsmotiv. (Gutowski 2002, 32) (8) Bei den Definitionen für Direktinvestitionen steht das Kontrollmotiv als Kriterium im Mittelpunkt. (Werneck 1998, 6)

Das Beispiel (7) wäre wie folgt zu übersetzen: В про­ти­во­по­лож­ность пря­мым ин­вес­ти­ци­ям, на­ме­ре­ние на­пря­мую уча­ство­вать в дея­ тель­но­сти пред­прия­тия, в том чис­ле с пра­вом ре­шаю­ще­го го­ло­са, иг­ра­ет вто­ро­сте­пен­ ную роль. В ос­но­ве ле­жит на­ме­ре­ние по­лу­чать до­ход.

Und das Beispiel (8) entsprechend: При оп­ре­де­ле­нии пря­мых ин­вес­ти­ций в ка­че­стве ос­нов­но­го кри­те­рия вы­сту­па­ет на­ме­ре­ ние кон­тро­ли­ро­вать дея­тель­ность пред­прия­тия.

Das deutsche Motiv und die von ihm gebildeten Komposita Ertrags- und Kontrollmotiv wurden als relativ lange Wortverbindungen ins Russische übersetzt. Neben der Wiedergabe der deutschen Einheiten im Russischen stellt die Berücksichtigung der Besonderheiten des wissenschaftlichen Stils der russischen Wirtschaftssprache eine gewisse Schwierigkeit im Produktionsprozess des Zieltextes dar. Die beiden Fähigkeiten sind anhand der Paralleltexte zu erwerben. Darunter versteht man Originaltexte derselben Textsorte, die von Muttersprachlern verfasst wurden und die demselben Kommunikationszweck dienen. Im analysierten Fall könnten es wissenschaftliche Artikel oder Studien sein, die von russischen Wirtschaftswissenschaftlern verfasst wurden und dem Thema Ausländische Direktinvestitionen gewidmet sind. Ausgehend

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von den Kommunikationszielen sind ein wissenschaftlicher Stil und ein hoher Grad an Spezialisierung in solchen Texten besonders ausgeprägt. Die in den russischen wirtschaftswissenschaftlichen Texten vorkommenden Strukturen unterscheiden sich sehr stark von den deutschen. Der von Übersetzungstexten ausgehende Sprachvergleich auf der syntaktischen, semantischen und stilistischen Ebene bildet eine der Teilaufgaben der linguistisch-sprachenpaarbezogenen Übersetzungswissenschaft und dient der Herausarbeitung von potentiellen Übersetzungsäquivalenten (vgl. Koller 2011, 123). Eine weitere Schwierigkeit im Übersetzen von wirtschaftswissenschaftlichen Texten besteht darin, einen entsprechenden Terminus zu finden, der den im Ausgangstext dargestellten wirtschaftlichen Begriff auch in der Zielsprache angemessen wiedergibt. Äußerst selten haben sich zwei oder auch mehrere Wirtschaftssysteme so entwickelt, dass für die Benennung von wirtschaftlichen Begriffen dieselben sprachlichen Instrumente verwendet wurden. Stets sind verschiedene spezifische Merkmale zu finden und beim Vergleich der Wirtschaftssprachen können sich die Unterschiede auf allen sprachlichen Ebenen manifestieren. Diese Unterschiede sind in den entsprechenden allgemeinsprachlichen und fachlichen Wörterbüchern festgehalten. Im Folgenden werden einige Beispiele aus wirtschaftswissenschaftlichen Texten angeführt, anhand derer diese Unterschiede auf der lexikalischen Ebene aufgezeigt werden können. Besonders wenn Termini verwendet werden, sind diese lexikalischen Differenzen zwischen den beiden Sprachen auffällig. (9) Generell besitzen langfristige Kapitalanlagen dann den Charakter von Direktinvestitionen, wenn sie folgende Eigenschaften erfüllen: […] Bestehen von langfristigen Finanzbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen in Form von Krediten oder sonstigen Zuschüssen. (Gutowski 2002, 31)

Das Wort Zuschuss an sich stellt eine Einheit mit mehreren Bedeutungen dar. Das deutsch-russische Großwörterbuch bietet drei Übersetzungsmöglichkeiten an: субсидия, дотация (Subvention); ссуда (zweckgebundene Finanzierung); пособие (soziale Unterstützung) (vgl. Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch-Russisch 2002, 1139). Von den drei angebotenen Übersetzungen ins Russische scheint ссуда im Sinne von zweckgebundener Finanzierung angemessen zu sein. Der Einheit gibt das Wörterbuch die folgende Definition: заем, предоставляемый какой-нибудь организации или отдельному лицу (vgl. Ožegov 1984, 661). Wäre eine andere Lösung vorgeschlagen worden, z. B. субсидия, дотация, die in einem höheren Maß für die Benennung der Finanzbeziehungen zwischen nicht gleichbedeutenden Subjekten passt (z. B. Staat-Unternehmen, Unternehmen-Mitarbeiter), wären diese Termini von dem wiederzugebenden Sinn abgewichen. Im Satz handelt es sich aber um langfristige Finanzbeziehungen zwischen Unternehmen, d. h. der mit dem Terminus benannte finanzwirtschaftliche Begriff ist durch die Verbindung Unternehmen-Unternehmen auch Unternehmen-Unternehmen im Ausland zu konkretisieren. Die oben gefundene

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Lösung ссуда scheint in diesem Kontext nicht ganz angemessen zu klingen. Somit wird für die Übersetzung des Beispiels (9) eine weitere Lösung vorgeschlagen, die dem Kontext angemessen ist: На­ли­чие дол­го­сроч­ных фи­нан­со­вых от­но­ше­ний меж­ду объ­еди­нен­ны­ми пред­при­яти­ями в ви­де кре­ди­тов и дру­гих ви­дов фи­нан­со­вой под­держ­ки.

In dieser Einheit wurde der Sinn der im Terminus enthaltenen Information über eine weitere mögliche Form der Finanzbeziehungen zwischen Unternehmen wiedergegeben. Einige Schwierigkeiten rief die Übersetzung des scheinbar unzweideutigen Wortes Produktivität hervor, was an folgendem Beispiel veranschaulicht werden soll: (10) Die Expansion der Investitionsströme ist die Basis für eine Steigerung der internationalen Produktivität der transnationalen Unternehmen, die bis zum Jahre 1997 den geschätzten Wert ca. 3,4 Trillionen US-$ in ca. 449.000 Unternehmen weltweit investieren. (Gutowski 2002, 33)

Der deutsche Terminus Produktivität kann im Russischen entweder als продуктивность oder als производительность wiedergegeben werden. Bei der ersten Option ist das quantitative Merkmal der Herstellung herausragend. Die zweite Option fokussiert ein qualitatives Merkmal der Herstellung. In diesem Abschnitt handelt es sich um die Aktivitäten transnationaler Unternehmen, die das Ziel anstreben, über Investitionen ihre Produktivität zu steigern. Für die in Betracht kommenden transnationalen Unternehmen ist sowohl die quantitative als auch die qualitative Komponente von großer Bedeutung. Die Produktionsprozesse können bei transnationalen Unternehmen auf zahlreiche Standorte verlagert sein. Investitionsströme, die in der Produktion in verschiedenen Standorten ihre Expansion weltweit finden, sollen zur effizienten Verwendung aller Ressourcen und zur Steigerung der Produktivität führen. Für die Lösung производительность ist der Verwendungsbereich der Einheit entscheidend: In der russischen Wirtschaftssprache des Investitionsbereichs wird dieses Wort vorgezogen. Der Vorschlag für die Übersetzung des Beispiels (10) klingt folgendermaßen: Рас­про­стра­не­ние ин­ве­сти­ци­он­ных по­то­ков яв­ля­ет­ся ба­зой для рос­та по­ка­за­те­ля меж­ду­ на­род­ной произ­во­ди­тель­но­сти транс­на­цио­наль­ных ком­па­ний, ко­то­рые по оцен­кам до 1997 го­да ин­вес­ти­ро­ва­ли око­ло 3,4 трлн дол­ла­ров США по все­му ми­ру.

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3.2 Außersprachliche Komponenten beim Fachübersetzen 3.2.1 Wirtschaftsprozesse in ihrer Wechselbeziehung und Wechselwirkung In den übersetzten wirtschaftswissenschaftlichen Texten ist die Rede von den wirtschaftlichen Prozessen, die sich in ihren Wechselbeziehungen zeigen. Das ist eine bedeutende Inhaltskomponente, über die man in verschiedenen Formen, die nur Experten aus dem Bereich verständlich sind, informieren kann. Zudem werden viele Schwierigkeiten beim Fachübersetzen der wirtschaftswissenschaftlichen Texte dadurch verursacht, dass der Übersetzer, obwohl er sprachlich einen Satz sehr gut versteht, aufgrund der fehlenden Fachkenntnisse nicht in der Lage ist, die durch die sprachlichen Einheiten widergespiegelten Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Erscheinungen oder Prozessen wahrzunehmen. Die nachfolgend angeführten Abschnitte aus den Texten können ein Beispiel dafür sein, wie man den Zusammenhang der wirtschaftlichen Prozesse im Bereich Investitionen darstellen kann. (11) Je stärker diese Netzwerkstrukturen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften und lokalen Unternehmen ausgeprägt sind und je stärker die Möglichkeiten der lokalen Unternehmen sind, Nutzen durch Spillover Effekte zu ziehen, desto größer ist die Chance, dass der Nutzen von ADI zu Produktivitäts- und Wettbewerbssteigerungen im Gastland beiträgt. (Gutowski 2002, 33–34) (12) Deutsche Unternehmen, und hier vor allem Mittelständler, verlagern Vorleistungsproduktion an kostengünstigere Standorte in MOE und steigern durch Reimport dieser Vorleistungen ihre Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland. (Beyfuß 2000, 35)

Im Beispiel (11) ist der Zusammenhang zwischen zwei Hauptgrößen zu entdecken: der Ausgangsgröße – Effizienz der Netzwerkstrukturen – und der gesuchten Größe – die Produktivitäts- und Wettbewerbssteigerung im Gastland. Allein die Einheit Netzwerkstrukturen trägt an sich die Information, dass sich die Strukturelemente oder die in der Struktur agierenden Subjekte in einer stetigen Wechselwirkung befinden. Die Effizienz der Netzwerkstrukturen kann man sich hier als synergetischen Effekt des Zusammenwirkens der drei Kettenelemente vorstellen, nämlich der Muttergesellschaft, der Tochtergesellschaft und des lokalen Unternehmens. Durch diese Kette fließen die ausländischen Direktinvestitionen in das lokale Unternehmen, das sich im Gastland befindet. Eine Nebenbedingung, damit die ausländischen Direktinvestitionen effizienter werden – Produktivitäts- und Wettbewerbssteigerung im Gastland – ist die Fähigkeit des lokalen Unternehmens – des letzten Kettengliedes –, Nutzen durch Spillover Effekte zu ziehen. Die letzte Komponente ist so abstrakt formuliert, dass daraus verschiedene Bedeutungen abgeleitet werden können. Man ist hier berechtigt, diese Einheit in der Zielsprache genauso abstrakt wiederzugeben, damit der Rezipient anhand seines mit den Fachkenntnissen geformten Weltbildes auf den entsprechenden Sinn kommen kann. Im Beispiel (12) ist eine der Strategien zu entdecken, die von Auslandsinvestoren in Mittel- und Osteuropa relativ oft verwendet wird. Als

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Ziel des Agierens ist wieder die oben erwähnte Wettbewerbsfähigkeit aufgeführt. Ein die Wettbewerbsfähigkeit beeinflussender Faktor sind die Produktionskosten. Da die Produktionskosten in Mittel- und Osteuropa aus verschiedenen, nicht immer rein wirtschaftlichen Gründen günstiger sind, streben Unternehmen danach, die Vorleistungsproduktion an den Standorten herzustellen. Die nächste Phase in der Produktionskette, die mit der vorhergehenden in Zusammenhang steht, ist der Reimport der Vorleistungen. Dank der günstigeren Endproduktpreise kann es gelingen, die Wettbewerbsfähigkeit der Produktion zu steigern. Nimmt der Übersetzer in den Beispielen (11) und (12) die Zusammenhänge zwischen den wirtschaftlichen Prozessen wahr und darüber hinaus das kommunikative Ziel des Verfassers, den Rezipienten den zwischen den Zeilen verpackten Sinn der Transitivität, Wechselbeziehung und der Ganzheit zu vermitteln, steigt die Komplexität seiner Aufgabe. Gelingt die Übersetzung, ist somit das Kommunikationsziel erreicht. Der Vorschlag für das Beispiel (11) ist: Чем силь­нее вы­ра­же­ны эти се­те­вые струк­тур­ные свя­зи меж­ду ма­те­рин­ским, до­чер­ним и мест­ным пред­прия­ти­ем и чем боль­ше у это­го мест­но­го пред­прия­тия име­ет­ся воз­мож­ но­стей из­влечь со­пут­ству­ющие вы­го­ды, тем вы­ше ве­роят­ность то­го, что ис­поль­зо­ва­ние пря­мых ино­стран­ных ин­вес­ти­ций бу­дет спо­соб­ство­вать росту произ­во­ди­тель­ности и кон­ку­рен­то­спо­соб­но­сти в стра­не­по­лу­ча­те­ле ин­вес­ти­ций.

Und für das Beispiel (12): Гер­ман­ские пред­прия­тия, преж­де все­го сред­не­го раз­ме­ра, раз­ме­ща­ют на­чаль­ные ста­дии произ­вод­ства в стра­нах Центр­аль­ной и Вос­точ­ной Ев­ро­пы, где про­из­вод­ство ока­зы­ва­ ет­ся ме­нее за­трат­ным, и да­лее по­сред­ством ре­им­пор­та не­за­вер­шен­ной про­дук­ции по­вы­ ша­ют уро­вень кон­ку­рен­то­спо­соб­но­сти в Гер­ма­нии.

3.2.2 Die Visualisierung der Zahlenangaben Die Beschreibung der wirtschaftlichen Erscheinungen und Prozesse – der Investitionsbereich stellt keine Ausnahme dar – ist kaum ohne Zahlenangaben, Interpretationen von Grafiken und Schemata vorstellbar. Neben den statistischen Angaben, die z. B. in Form einer Tabelle vorgestellt wurden, kommen verbale Kommentare und Beschreibungen in den wirtschaftlichen Texten vor. Um das zu veranschaulichen, werden einige Beispiele angeführt: (13) Werden die Staaten betrachtet, auf die die Direktinvestitionen entfallen, dann stieg der so genannte inward-Bestand an ADI von 530 Milliarden US-Dollar im Jahr 1980 auf 12.415 Milliarden US-Dollar 2006. Das entsprach einem durchschnittlichen Wachstum von 13 Prozent pro Jahr. Von 2006 auf 2007 erhöhte sich der Bestand um überdurchschnittliche 22,5 Prozent auf 15.211 Milliarden US-Dollar. (http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52579/bestand-an-auslaendischen-direktinvestitionen)

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(14) Im Jahr 2006 waren rund 63 Prozent des ADI-Bestandes Investitionen im Dienstleistungsbereich – 15 Prozentpunkte mehr als 1990. Gut 27 Prozent entfielen auf den Bereich der Warenproduktion (1990: 42 Prozent) und knapp 8 Prozent auf den Agrarsektor (1990: 9 Prozent). Der Rest entfiel auf unspezifizierbare Produkte. (http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlenund-fakten/globalisierung/52579/bestand-an-auslaendischen-direktinvestitionen)

Beim Übersetzen des Beispiels (13) konnte man zwei Ausgangstabellen und eine Grafik nutzen: Die im Textabschnitt angeführten absoluten und relativen Zahlen konnte man in der entsprechenden Tabellenzelle oder auf der entsprechenden Grafiksäule finden und hierdurch war es weniger anstrengend, die in Form von Zahlenangaben wiedergegebenen Zusammenfassungen nachzuvollziehen. Beim Übersetzen des Beispiels (14) stand keine Tabelle zur Verfügung, die aber vermisst wurde. In der Tabelle hätte man den Zustand einer wirtschaftlichen Erscheinung zu einem konkreten Zeitpunkt bzw. die Veränderung während einer Zeitspanne angeben können. Die Fähigkeit, die verbalen Beschreibungen von Zuständen und Veränderungen in Form einer Tabelle darstellen zu können, kann den Verstehens- und Produktionsprozess wesentlich erleichtern. Nachdem die im Beispiel (14) angeführten Kennziffern in eine Tabelle eingetragen wurden, sind die Parameter des Vergleichs klarer geworden. Im Textabschnitt analysiert man, zu welchen Veränderungen es am ADI-Bestand in der Zeitspanne von 1990 bis 2006 gekommen ist. Dabei lag der Analysefokus auf der Verteilung des ADI-Bestandes zwischen den Wirtschaftsbereichen. So entfielen ausländische Direktinvestitionen auf den Dienstleistungsbereich, auf den Bereich der Warenproduktion und auf den Agrarsektor. Im Jahr 2006 haben diese drei Bereiche insgesamt 98 % der ADI angezogen. Der Rest der Investitionen (2 %) – unspezifizierbare Produkte  – wurde nicht weiter berücksichtigt. In den auf Russisch verfassten Tabellen findet man ein passendes Äquivalent прочие, das den Sinn der Unspezifizierbarkeit wiedergibt. Diese russische Einheit ist mit anderen Substantiven kombinierbar прочие сектора экономики, прочие области экономики und für das Übersetzen des Satzes völlig angemessen. Die wichtige Rolle von Zahlenangaben in den wirtschaftlichen Texten ist unstrittig. Die in den Tabellen angegebene Zahleninformation gilt als Ausgangspunkt für weitere Kalkulationen der durchschnittlichen, absoluten und Verhältniskennziffern. Die Zahlenangaben spiegeln auf der einen Seite die Ergebnisse der wirtschaftlichen Tätigkeit für einen bestimmten kurz- oder langfristigen Zeitraum wider. Auf der anderen Seite ist diese Information für die Reflexions- und Entscheidungsprozesse von Bedeutung, so dass ein Experte auf die in den Zahlen enthaltenen Veränderungen in den wirtschaftlichen Prozessen reagieren kann. Nicht ohne Grund ist eine der Forderungen an den Experten im Investitionsbereich die Fähigkeit, die Grafiken nicht nur lesen zu können, sondern auch die „Notwendigkeit, an die Grafik in den psychologischen, und nicht in graphischen Termini zu denken“ (Kahn 2008, 31). Möchte der Übersetzer solche Informationsbestände in der Zielsprache angemessen wiedergeben, sind neben den grammatischen, lexikalischen und syntaktischen Kenntnis-

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sen der Ausgangs- und Zielsprache auch die begleitenden Tabellen und Grafiken sehr hilfreich, um die zahlreichen Angaben im Sichtfeld festzuhalten, die Verbindungen dazwischen zu erkennen und somit diese Information angemessen wiederzugeben.

4 Zusammenfassung In diesem Beitrag wurde die Wirtschaftssprache als eine Gesamtheit von sprachlichen Mitteln vorgestellt, die die Verständigung zwischen Fachleuten aus diesem Bereich gewährleisten. Der Analysefokus lag auf den Problemen des fachsprachlichen Übersetzens und damit auf der kommunikativen Funktion von Fachsprachen. Die Wirtschaftssprache spiegelt einerseits die Ergebnisse, die im Laufe der Entwicklung des Anwendungsgebiets der Fachsprache erreicht wurden, wider. Andererseits stellt sie ein Mittel für die erfolgreiche Kommunikation dar. Wie jede Fachsprache kann die Wirtschaftssprache auf verschiedene Weise differenziert werden. Für jede einzelne Teilsprache sind ihre Merkmale charakteristisch, die sich auf den Sprachebenen manifestieren. Für die vorgestellte Analyse wurden Texte aus dem wirtschaftlichen Bereich Investitionen ausgewählt, die im Rahmen des Fachübersetzens übersetzt wurden. Das Thema scheint aufgrund der wachsenden Zahl von deutsch-russischen Investitionsprojekten, die verwirklicht wurden bzw. zu verwirklichen sind, besonders aktuell. Die ins Russische übersetzten Texte lassen sich in drei Bereiche teilen und unterscheiden sich nach dem Spezifizierungsgrad. Die Analyse der Texte hat erlaubt, einige Schwierigkeiten festzustellen, die im Verstehens- und Produktionsprozess auftreten. Die wirtschaftswissenschaftlichen Texte zeichnen sich besonders durch Schwierigkeiten im Übersetzungsprozess aus. Die Analyse des Übersetzungsprozesses dieses Bereichs wurde hier detailliert beschrieben. Einerseits sind diejenigen Schwierigkeiten hervorzuheben, die anhand der sprachlichen Instrumente zu lösen sind. Die auffälligsten von ihnen sind die Übersetzungen von Termini und anderen terminologischen Einheiten, die in Form von Komposita vorkommen. Nur in wenigen Fällen sind deutsche Komposita ins Russische in Form eines Kompositums zu übersetzen. Da es nicht immer klar und eindeutig ist, welches Verhältnis zwischen den beiden Komponenten oder mehreren Komponenten des deutschen Kompositums besteht, bereitet das Finden von Äquivalenten im Russischen Schwierigkeiten. Die Lösungen auf Russisch stellen tendenziell längere Konstruktionen dar: Wortverbindungen, Nebensätze, Partizipialkonstruktionen u. ä. Diese Konstruktionen müssen den kontextuellen und stilistischen Bedingungen der russischen wirtschaftswissenschaftlichen Sprache noch angepasst werden. Die Fertigkeiten, diese Schwierigkeiten anhand der sprachlichen Ressourcen zu lösen, kann man auf die folgende Weise erwerben: Zunächst sind die entsprechenden fachbezogenen Wörterbücher zu erwähnen, in denen eine mögliche Lösung vorge-

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schlagen wird. Das Verwenden des separaten Übungsmaterials, in dem die grammatischen und lexikalischen Erscheinungen gezielt trainiert werden, begünstigt den Erwerb der notwendigen Fertigkeiten in hohem Maße. Die Besonderheiten der Auswahl der lexikalischen Einheiten sowie die des Stils, in dem die Übersetzungen der wirtschaftswissenschaftlichen Texte zu produzieren sind, können anhand der Paralleltexte übernommen werden. Andererseits treten einige Schwierigkeiten auf, die weniger im Zusammenhang mit sprachlichen Kenntnissen zu lösen sind, sondern mit fachlichen Kenntnissen verbunden sind. Solche fachbezogenen Kenntnisse wie das Betrachten der Wirtschaftsprozesse in ihrer Wechselbeziehung und Wechselwirkung sowie die Visualisierung der Zahlenangaben sind für den Verstehens- und Produktionsprozess der wirtschaftswissenschaftlichen Texte grundlegend. Die Fertigkeiten, die dem Übersetzer erleichtern, die durch die außersprachlichen Komponenten verursachten Schwierigkeiten zu lösen, können folgendermaßen erworben werden: Der Übersetzer kann zusätzliche fachbezogene Kurse für Wirtschaft besuchen und die dadurch erworbenen Kenntnisse im Übersetzungsprozess anwenden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, bei gewissen Schwierigkeiten im Verstehens- und Produktionsprozess sich von einem Fachmann aus dem Wirtschaftsbereich beraten zu lassen. Je höher die Ausprägung der oben aufgelisteten Kompetenzen und Fertigkeiten, sowohl der sprachlichen als auch außersprachlichen, desto höher ist die Qualität der Übersetzungen im wirtschaftlichen Bereich.

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IV Medien, Text- und Gesprächsformen der Unternehmenskommunikation

Alexander Lasch

15. Soziale Medien in der externen Unternehmenskommunikation Abstract: Der Artikel setzt sich im Dialog mit der aktuellen Forschung mit der Bedeutung der Sozialen Medien für die Unternehmenskommunikation auseinander. Da sich die interne und die externe Unternehmenskommunikation strukturell nur hinsichtlich weniger Parameter unterscheiden (u. a. in den Fragen der Thematik und der Adressaten), wird in der exemplarischen Analyse das Hauptaugenmerk auf die externe Unternehmenskommunikation gelegt. Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Frage, ob und wie mittels Sozialer Medien kommunikativ anschlussfähiges Wissen durch Sprache an einem spezifischen Ort konstituiert werden kann und wer an diesem Prozess beteiligt ist. Dabei ist zu beachten, dass dieses Forschungsfeld mit dem Fokus auf (Corporate) Blogs aus linguistischer Perspektive noch beinahe unbestellt ist. Der Schwerpunkt der Hinführung wird nach einer Diskussion des Forschungsstandes zum Thema (Kap. 1) auf der interaktiven Grundlegung der Sozialen Medien liegen (Kap. 2). Diese stellt für die Unternehmenskommunikation eine enorme Herausforderung dar. Wissen über und von einem Unternehmen, einer Marke, einem Selbstbild (Kap. 2.2) u. a. kann durch Sprache nicht mehr unter den Bedingungen der Massenkommunikation konstituiert werden, sondern muss gemeinsam mit einem Gegenüber ‚im Dialog‘ etabliert und stabilisiert werden. Das Hauptaugenmerk einer exemplarischen Analyse (Kap. 3) wird auf einem ausgewählten ‚Corporate Blog‘ liegen. 1 Neue Medien und Soziale Medien in der externen und internen UK 2 Markenkommunikation im Web 2.0 3 Exemplarische Analyse 4 Fazit und Ausblick 5 Literatur

1 Neue Medien und Soziale Medien in der externen und internen Unternehmenskommunikation 1.1 Hinführung: Die Begriffe Interaktion, Kommunikation und Marketing in der Forschung zur Unternehmenskommunikation Die externe und interne Unternehmenskommunikation ist ein Teilbereich der Angewandten Linguistik, in dem Forschungsergebnisse aus einzelnen linguistischen

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 Alexander Lasch

Teildisziplinen auf die Anforderungen der Wirtschaft treffen, Unternehmensziele strategisch zu planen und gegenüber Mitarbeitern des Unternehmens (intern) auf der einen und Kunden des Unternehmens (extern) auf der anderen Seite (vgl. Bruhn 2010) zu kommunizieren. Die Idee, Kommunikationsprozesse planen und steuern zu können (vgl. Bruhn 2009, 203), ist nicht nur relevant für das Marketing eines Unternehmens, das „die zielorientierte Gestaltung aller marktgerichteten Unternehmeraktivitäten“ (Esch/Herrman/Sattler 2008, 29) meint, sondern es erfasst auch die Interaktion zwischen Mitarbeitern und Kunden eines Unternehmens, die der externen Unternehmenskommunikation zuzurechnen sind (anders Bruhn 2010, 4, der hier von „interaktive[r] Kommunikation“ spricht). Auf dieser einfachen binären Unterscheidung können weitere Modelle aufruhen, die als weitere Klassifikationsmöglichkeiten die Entitäten Mitarbeiter und Kunden genauer und adäquat den kommunikativen Bedürfnissen eines Unternehmens differenzieren. Salzer (2011, 14) bspw. spricht bei der Unternehmenskommunikation von den Teilbereichen der Public Relations (Öffentlichkeit, Massenmedien), der Internen Kommunikation (Mitarbeiter), der Public Affairs (Meinungsführer, Politik, Behörden), der Finanzkommunikation (Investoren, Analysten, Wirtschaftsmedien) und Marktkommunikation (Vertriebspartner, Kunden, Wettbewerber) (für neuere Tendenzen vgl. Mast in diesem Band). Anders als die Forschung zur Unternehmenskommunikation wird sich dieser Artikel allerdings nicht der weiteren Ausdifferenzierung des Kommunikationsbegriffs widmen (Mast 2010, in diesem Band; Bruhn 2010; 2011; Piwinger/Zerfaß 2007; Salzer 2011). Kommunikation wird hier verstanden als verbale Interaktionsform. Social Media wird in der Unternehmenskommunikation dem Marketing zugerechnet, wobei die Verwendung des Begriffs Marketing in der Forschung einen ähnlich dispersen Eindruck wie der der Kommunikation hinterlässt. Grundsätzlich ist darunter aber mit Salzer (2011), wie oben zitiert, „die zielorientierte Gestaltung aller marktgerichteten Unternehmeraktivitäten“ (Esch/Herrman/Sattler 2008, 29) zu verstehen. Diese ‚zielorientierte Gestaltung‘ kann zwar weiter differenziert werden, was im Rahmen der Unternehmenskommunikation bisher allerdings nicht systematisch erfolgte (vgl. exemplarisch die Mischklassifikation nach Adressat, Medium und Kommunikationssituation der „Kommunikationspolitik“ im „Marketingmix“ bei Aerni/Bruhn 2008, 30).

1.2 Monolog und Dialog: Neue Medien und Soziale Medien Mit dem Begriff der so genannten Neuen Medien greift man gemeinhin auf ein Konzept zurück, um Angebote zu bezeichnen, die sich von den ‚etablierten‘ Medien wie Radiound Fernsehfunk oder Printmedien dadurch unterscheiden, dass es Angebote der Onlinekommunikation sind. Davon abgesehen sind sie kommunikationstypologisch und strukturell den Bedingungen massenmedialer Kommunikation anderer Medien nicht nur ähnlich. Sie adaptieren diese vielmehr und nutzen dabei nur einen anderen

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Übertragungskanal, der einige neue paratextuelle Optionen bietet (Hypertextualität), die allerdings in Bezug auf die Modi der Konstitution von Wissen keine weitreichenden Folgen haben: Diese Angebote begreift man als Angebote des Web 1.0. Soziale Medien hingegen sind Signum des so genannten Web 2.0. Darunter versteht man Kommunikationsangebote, die über die reine Informationsvermittlung unter massenmedialen Bedingungen im Web 1.0 hinausreichen und zur stärkeren Partizipation einladen: Soziale Netzwerke, (Micro-)Blogging-Dienste, (Micro-)Chat-Dienste, NewsDienste, Sharing-Plattformen, Bookmarking-Dienste, Wikis usw. Die unter diesen Bedingungen stattfindende Kommunikation ist vollkommen anders strukturiert als die „Aussendung“ von einem Emittenten zu einem stummen, anonymen Publikum im Web 1.0: Kommunikation im Web 2.0 wird als „Dialog“ konzeptualisiert (vgl. exemplarisch dazu Siever/Schlobinski/Runkehl 2005; Schütz u. a. 2005; Androutsopoulos u. a. 2006; Dürscheid/Ziegler 2002; Moraldo 2009; Marx/Weidacher 2014; aus der Unternehmenskommunikation z. B. Bruhn 2011; Dörfel/Schulz 2011 und vor allem Kreutzer 2012). Wenn im Folgenden von „Dialog“ oder „Gespräch“ die Rede sein wird, dann ist damit der medial schriftsprachliche kommunikative Austausch auf Plattformen des Web 2.0 mitgemeint. Mediale und konzeptionelle Aspekte von Mündlichkeit und Schriftlichkeit werden hier explizit ausgeklammert (vgl. aber dazu Dürscheid/Schneider 2015 und für die prinzipielle Nähe von Text- und Gesprächslinguistik exemplarisch die Arbeiten von Koch/Österreicher 1985 und 1994; Brinker u. a. 2000; Brinker u. a. 2001; sowie schließlich Birkner/Janich im Druck), da das Verhältnis gerade bei Kommunikation in Online-Umgebungen gleichermaßen Bezüge zu konzeptionell und medial schriftlichen wie mündlichen Kommunikationsformen aufweist (vgl. dazu exemplarisch die Konzeptualisierung von Chat-Kommunikation als „getippten Dialog“ bei Dürscheid/Brommer 2009). Ein Dialog ist aus linguistischer Perspektive ein recht voraussetzungsreiches Konzept: Zu den Prämissen einer Linguistik des Dialogs gehört, dass Interaktivität und Pragmatizität (Deppermann 2011, 210–213), neben Zeitlichkeit, die in unserem Kontext in der Adaption auf geschriebene Sprache eine nachgeordnete Rolle spielt, neben anderen Faktoren wesentliche konstitutive Eigenschaften dialogisch organisierter gesprochener Sprache sind. Mit Interaktivität ist dabei aber nicht irgendein partnerorientiertes oder -relevantes (spechakttheoretisches) Handeln gemeint. Vielmehr wird damit im Hinblick auf zwischenmenschliche Kommunikation das Merkmal der Dialogizität aufgerufen. Von einem Dialog (von griech. dia = ‚[hin-]durch‘ und logos = ‚Wort‘) spricht man dann, wenn in einem beobachtbaren sprachlichen Format wie einem Gespräch wenigstens ein Sprecherwechsel (turntaking) vollzogen wurde, was wiederum voraussetzt, dass zwei nicht identische Sprecher jeweils einen Gesprächsschritt (turn) realisiert haben (vgl. Brinker/Sager 2006, 62–77). Nur auf dieser Basis können größere Gesprächseinheiten aufbauen und der ‚Sinn‘ eines Gesprächs konstituiert sich, anders als in unidirektionalen Kommunikationspraxen, schlussendlich interaktiv als kommunikatives Konstrukt (vgl. Müller 2001; Tiittula

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2001; Brinker/Sager 2006, 127–132). Für unseren Zusammenhang heißt das konkret, dass Wissen durch Sprache im Gespräch kollaborativ konstituiert wird. Teilt man also die Hypothese, dass das ‚Web 2.0 Dialog sei‘, muss man diese konstitutiven Merkmale des Dialogs mit in die Überlegungen einbeziehen, da diese damit zugleich konstitutiv sind für die Kommunikation in und mit Sozialen Medien. Das hat unmittelbare Konsequenzen für die Unternehmenskommunikation, die immer zielorientiert daraufhin ausgerichtet ist, ein spezifisches Fremdbild (Image) eines Unternehmens, einer Marke usw. evozieren bzw. stabilisieren und mit einem spezifischen Selbstbild (Identität) (zu dieser spezifischen Terminologie in der Unternehmenskommunikation vgl. Kap. 2.2) in Einklang bringen zu wollen. Anders als unter Bedingungen unidirektionaler Massenkommunikation steht sie im Web 2.0 vor der Herausforderung, dieses Ziel gemeinsam im Dialog mit einem Gegenüber erreichen zu müssen. Unter so genannten Sozialen Netzwerken werden verschiedene Dienste gefasst, von denen die größten strukturell als Microblogging-Dienste verstanden werden können. Zu den bekanntesten dieser Netzwerke gehören heute Facebook und mit geringerer Reichweite bzw. spezieller Ausrichtung Google Plus. Kennzeichen dieser Dienste ist, dass sie zum einen seit mehreren Jahren ihre Angebote inhaltlich massiv ausbauen und alle Formen der Social Media in das eigene Angebot zu integrieren suchen. So kommen Sharing-Plattformen für Videos (YouTube mit einer starken Einbindung in Google Plus), Bilder (Instagram zu Facebook bzw. Picasa integriert in Google Plus) sowie aktuell Chattingdienste (WhatsApp für Facebook und Google Hangouts für Google Plus) dazu. Zum anderen baut man seine Präsenz für unterschiedliche technische Plattformen aus – längst sind nicht mehr stationäre oder transportable Rechner das Ziel, sondern mobile Systeme auf Tablet-, Phablet- oder Smartphone-Basis, für die man auch eigene Betriebssysteme erfolgreich etabliert hat (Android für Google) oder dies zumindest versucht (Facebook Home für Facebook). Neben diesen neuen Netzen, die im Web 2.0 durch die Zusammenführung von Angeboten der Social Media entstehen und wachsen, sind andere Angebote noch weitestgehend unabhängig wie etwa der Microblogging-Dienst Twitter oder die Sharing-Plattform Pinterest oder die Blog-Plattform Wordpress, um einige Beispiele zu nennen. Im Kontext dieses Artikels, in dem so genannte Corporate-Blogs stärker in den Vordergrund rücken, sind diese Netzwerke und ihre Angebote insofern relevant, als (Corporate) Blogs nicht allein in der so genannten ‚Blogosphäre‘ (vgl. Androutsopoulos u. a. 2006; Heidegger 2004; Ainetter 2006; Hess-Lüttich 2007; Porombka 2012 und Zintzen 2012) oder im Verbund mit anderen Online-Angeboten eines Unternehmens stehen (vgl. Kreutzer 2012, 102), sondern sich der Angebote Sozialer Netzwerke bedienen, um kommunikativ im Web 2.0 anschlussfähig zu sein.

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2 Markenkommunikation im Web 2.0 2.1 Dialogizität Als wesentliches Kennzeichen von Social Media wurde die Dialogizität benannt. In diesem Kapitel werden die linguistischen Grundlagen eingehend vorgestellt, die herangezogen werden können, um Dialogizität als grundlegendes Prinzip von Social Media und damit als Herausforderung für die Unternehmenskommunikation zu beschreiben, wenn „Online-Medien in den kommunikativen Auftritt eines Unternehmens“ eingebunden sind (Kreutzer 2012, 102). Häufig ist in Darstellungen zur Unternehmenskommunikation die Rede davon, dass spezifische ‚Instrumente eingesetzt‘ werden, um spezifische ‚Ziele‘ zu erreichen. Konzeptuell liegen diesem Sprachgebrauch Modelle zu Grunde, die die Unternehmenskommunikation als monologisch und unidirektional begreifen. Auch wenn es nach Lakoff (u. a. Lokoff/Wehling 2009) ein Fehler ist, diese hier überhaupt zu nennen, so sei es exemplarisch doch getan: Das „mathematische Modell“ nach Shannon/Weavers (vgl. zusammenfassend z. B. Krallmann/Ziemann 2001) oder das „Vier-Seiten-/Ohren-Modell“ bzw. „Kommunikationsquadrat“ Friedeman Schulz von Thuns (frühe Fassung Schulz von Thun 1981, aktuell Schulz von Thun [o. Datum]) konzeptualisieren den Kommunikationspartner als Empfänger einer Botschaft. Salzer (2011, 9) trat vehement für einen „theoretischen Pluralismus im Feld der Unternehmenskommunikation“ in ebendieser Frage ein und Kreutzer (2012) sucht dies perspektivenreich in Bezug auf sein Thema, die so genannte Online-Kommunikation, einzulösen. Doch selbst bei Kreutzer zeigt sich, dass die Lösung von einem Paradigma des Sender-Empfänger-Modells schwer fällt, obwohl eine differenziertere Beschreibung der verwendeten Übertragungstechniken, d. h. der „Instrumente der Unternehmenskommunikation“ vorliegt (vgl. etwa Dialogkommunikation und Netzwerkkommunikation bei Bruhn 2010, 26 f.), wie kurz gezeigt werden soll. (1) In Bezug auf Online-Kommunikation unterscheidet Kreutzer (2012, 102; Hervorhebung A. L.) etwa zwischen Push- und Pull-Kommunikation: Pushkommunikation spreche Kunden an, „die Informationen ‚aus dem Internet herausziehen‘“ müssen; für Pullkommunikation sei ein „aktiv lesender Nutzer gefordert“. (2) Weiter postuliert Kreutzer, dass Social Media „nicht als weiterer reiner Verkaufs-, Werbe- oder PR-Kanal missverstanden werden“ (Kreutzer 2012, 331; Hervorhebung A. L.) dürfe und dass folgende „Grundprinzipien der Kommunikation in den sozialen Medien“ zu befolgen seien: „Ehrlichkeit/Authentizität, Offenheit/Transparenz, Kommunikation auf Augenhöhe, Relevanz und Kontinuität/Nachhaltigkeit“ (Kreutzer 2012, 335). In Bezug auf die Art und Weise der Kollaboration in den sozialen Netzwerken und Medien nach dem KISS-Prinzip (keep it small/short and simple) (3) unterscheidet Kreutzer (2012, 332 f.) z. B. zwischen kollaborativ und interaktiv wie folgt: Kollaboration bezeichne die Zusammenarbeit von Nutzern im oder gegen das Interesse eines Unternehmens

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oder einer Marke, Interaktion bezeichnet den Austausch von Nutzern untereinander und/oder mit dem Unternehmen. Diese Auswahl an Differenzierungen einer progressiven Darstellung wie der Kreutzers soll exemplarisch zeigen, dass selbst hier noch ein Modell von Kommunikation zu greifen ist, in dem das Unternehmen als Sender und der Mitarbeiter/Kunde/ Shareholder usw. des Unternehmens letztlich als Empfänger konzeptualisiert ist, auch wenn Kreutzer (2012, 332) etwa vom „Prosumenten“ (Kofferwort aus Produzent und Konsument) spricht. Auch die Adaption der Grice’schen Konversationsmaximen kann hier nicht als Gegenargument gelten, da diese sprechakttheoretisch orientiert sind (zur vgl. Einführung Hindelang 2010), d. h. im schlimmsten Falle Sprache verkürzt als Instrument und das Gegenüber einer Sprechhandlung nur als Rezipient betrachten. Anders wird dies in der Gesprächsanalyse gehandhabt (vgl. Rolf/Hagemann 2001; Schwitalla 2001), in der man die Konversationsmaximen um Gesprächsmaximen ergänzt, die konstitutive Merkmale des Gesprächs berücksichtigen (vgl. Kindt 2001): – In der Regel spricht nur ein Dialogteilnehmer, – jeder Teilnehmer am Dialog hat das Recht, den nächsten Gesprächsschritt zu beanspruchen und – dieser Anspruch darf nur dann durchgesetzt werden, wenn der nächste Gesprächsschritt nicht reserviert ist (vgl. Rath 2001; Gruber 2001). Das Missverständnis in konzeptuell unidirektional ausgerichteten Modellen und damit auch unternehmerischen Kommunikationsstrategien ist, dass man in Social Media das Gegenüber nicht nur auf ‚Augenhöhe‘ mit einer ‚Sprechhandlung‘ zur Erreichung eines kommunikativen Ziels konfrontiert, sondern ‚kollaboriert‘, ob gewollt oder ungewollt. Social Media macht das Gegenüber zum Sprecher mit eigenen Zielen. Dass eines der basalen Prinzipien von Social Media Dialogizität sei, heißt dabei aber nicht nur, dass man sich irgendwie ‚austausche‘ und ‚interagiere‘, sondern dass man gemeinsam arbeitet und aushandelt, was Ergebnis eines Gesprächs sein soll (vgl. Müller 2001). Das Wissen, das durch Sprache konstituiert wird, wird hier gemeinsam erarbeitet, da die Gesprächsmaximen Ansprüche auf Teilhabe am Gespräch gewähren. Das schließt auch alle unternehmerisch relevanten Themen ein, die zum Inhalt solcher Gespräche werden, die im Web 2.0, wie Kreutzer (2012, 335) bemerkt, auf „Augenhöhe“ stattzufinden haben. Für die Beschreibung der Dialogizität von Social Media ist allerdings nicht nur die Frage des Verhältnisses der Kommunikationspartner von Bedeutung; aus linguistischer Perspektive werden unterschiedliche Parameter für eine Analyse relevant. Wie weit diese ausgreifen, kann man sich an den „Fragen der Soziolinguistik“ leicht vergegenwärtigen: Wer spricht was und wie mit wem in welcher Sprache und unter welchen sozialen Umständen mit welchen Absichten und Konsequenzen? (vgl. Fishman 1972, 15). Fishmans Fragen rufen zum einen gesprächsinterne Merkmale, die sich auf Inhalt, die Struktur des Gesprächs und die Gesprächssteuerung beziehen (das Was

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und das Wie des Gesprächs), und gesprächsexterne Merkmale, die die kommunikativen Bedingungen und die situative Einbettung des Gesprächs betreffen (wer spricht mit wem unter welchen sozialen Umständen), auf. Das Wie des Gesprächs und die Frage nach den Absichten eines Sprechers zielen, von strukturellen Differenzierungen auf sprachlicher Ebene abgesehen, zum anderen auf die Sprechereinstellungen, Erwartungserwartungen (vgl. einführend Hohm 2006, 136 f.) des Sprechers vom Gegenüber, Sprecherrollen und damit auch auf die so genannten Konversationsmaximen von Grice (die auch Kreutzer 2012, 335 in seinen „Grundprinzipien der Kommunikation in sozialen Medien“ wiederholt). Die Frage nach den Konsequenzen des Gesagten und damit des Gesprächs setzt eine Maxime voraus, die für die hier thematisierte Dialogizität von Social Media höchste Relevanz hat. Sie ist den Adaptionen der vier Konversationsmaximen in der Unternehmenskommunikation beizustellen. So einfach sie klingt, ist sie dennoch kommunikationsstrategisch höchst brisant und hat in der Forschung zur Unternehmenskommunikation bisher eine nachgeordnete Rolle gespielt: „Rechne mit einer Antwort“. Neben diesem sehr groben Raster, das der Kategorisierung von Gesprächen dienen kann, hat sich recht früh in der Gesprächsanalyse ein Set an Variablen etabliert, anhand derer sich Gespräche und Dialoge differenzieren lassen (vgl. nach Brinker/Sager 2006, 115–119): Gesprächsextern: Kommunikationsort, Teilnehmerzahl, Intentionen der Kommunikationspartner, Relation Thema  – Sprecher, Öffentlichkeitsgrad, Situationsvertrautheit, Zeitpunkt und Dauer der Kommunikation, Inszeniertheit/Spontaneität der Kommunikation. Gesprächsintern: Grundaufbau (Einleitung, Begrüßung; Hauptteil; Schlussteil, Verabschiedung), Thematik, Themafixierung, Themenentfaltung (deskriptiv, explikativ, argumentativ; narrativ), Verhältnis von Thema und äußerer Sprechzeit-Welt, Gesprächssteuerung (vgl. unten Abb. 1). Medialität: Technisches Übertragungsmedium, Medialität der Sprache (mündlich/schriftlich).

Anzumerken ist freilich, dass sich unterschiedliche Variablen unmittelbar auch auf andere Merkmale auswirken: Verfolgen bspw. zwei Kommunikationspartner das Ziel, sich gegenseitig von einem Erlebnis zu erzählen, ist die Themenentfaltung meist narrativ. Eine dieser Variablen, die in Anlehnung an Brinker/Sager 2006 gegeben wurde, ist die der möglichen Dialogsteuerungen, auf die auch in der exemplarischen Analyse einzugehen sein wird:

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Dialogsteuerungen

Dialogaufrechterhaltende Steuerungen – Steuerung des Sprecherwechsels – Sprechersignale – Hörersignale

Dialogthematische Steuerungen Dialogakte

initiierend

– responsiv – teilresposiv – nonresponsiv

cc Alexander Lasch

Abb. 1: Begriffsschema zur Dialogsteuerung auf der Basis von Schwitalla 1976, vgl. weiter Müller 2001 und Tiittula 2001.

Betrachten wir Social Media als wesentlich für das Web 2.0 und begreifen wir Dialogizität als Prinzip des Web 2.0 und damit Dialogizität als eines der konstitutiven Merkmale von Social Media, dann ist mit komplexeren Modellen wie den vorgestellten verbale Interaktion, also Kommunikation, zu analysieren und unter Beachtung genannter Faktoren strategisch zu planen.

2.2 Selbstbild und Fremdbild (Corporate Identity und Corporate Image) Die Begriffsverwendung von Image weicht in der Unternehmenskommunikation stark vom Imagebegriff ab, der in der Linguistik über die Soziologie etabliert ist (vgl. etwa Goffmans Arbeiten zur Imagearbeit, exempl. 1996, 10–53). Dieser Artikel wird sich allerdings zunächst am Gebrauch des Imagebegriffes in der Unternehmenskommunikation orientieren. Ein Diktum der Forschung lautet, dass es eine der wesentlichen Aufgaben von Unternehmenskommunikation sei, die Bedingungen der Kommunikation, der Selbstdarstellung, eines bestimmten Selbstbildes (Corporate Identity) zu analysieren (vgl. verschiedene Ausdifferenzierungen bei Gioia u. a. 2000, Birkigt/ Stadler/Funk 2002, Schmid/Lyczek 2008), zu beschreiben und aus den Ergebnissen eine Strategie dieser Kommunikation des Selbstbildes abzuleiten, um ein bestimmtes Fremdbild (Corporate Image) zu evozieren (vgl. Schmid/Lyczek 2008, Mast 2010, 46; der Begriff der Reputation wird hier nicht aufgenommen oder diskutiert; vgl. Burel; Mast beide in diesem Band). Das Identitätskonzept als Selbstbild wird in diesem Beitrag weder in Bezug auf die Genese noch im Hinblick auf Soll- bzw. Ziel-Zustand differenziert und kritisch reflektiert (vgl. Bungarten 2005 und Seidler 1997, Burel in diesem Band). Dies ist der Knappheit der Darstellung und dem ausgewählten Gegenstand geschuldet. In der

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externen Unternehmenskommunikation wird im besten Falle ein (!) angestrebtes Selbstbild kommuniziert, ob dieses von einer (idealisierten) Person (als Unternehmen) oder durch ein Kollektiv getragen wird, ob es Soll- oder Zielzustand darstellt oder durch welche Prozesse es entsteht, ist dementsprechend aus dieser Perspektive von nachgeordnetem Interesse. Weiter ist die Scheidung von Identität (Selbstbild) und Image (Fremdbild) eine analytische, da Elemente des ausgehandelten Images durchaus Eingang in das Selbstbild finden und umgekehrt (vgl. Kastens 2008) – sie bilden die beiden Seiten einer Medaille von dem, was die Soziologie einheitlich Image nennt (vgl. zur Adaption in der Linguistik bspw. Holly 2001 genau in diesem Sinne). Das Selbstbild (CI) wird in der relevanten Literatur noch weiter differenziert in Corporate Design (CD), Corporate Communications (CCom) und Corporate Behavior (CB) (vgl. Salzer 2011, 11 oder allgemeiner Bruhn 2010, 89), darüber hinaus nicht systematisch erweitert um Corporate Culture (CCult; Mast 2010 und in diesem Band mit dem Fokus auf kommunizierte Wertvorstellungen) sowie Corporate Wording (CW; Förster 1994 und in diesem Band). Die Forschung zur Unternehmenskommunikation nahm vor allem Aspekte der CCom in den Blick (vgl. Mast zu CCult und Förster zu CW in diesem Band), während CD und CB eher im Hintergrund zu stehen scheinen, wenn die Etablierung einer CI beschrieben werden soll. Die Vernachlässigung der Kommunikationsumgebung (CD) und des Kommunikationsverhaltens (CB) in der Forschung und in der strategischen Ausrichtung der Unternehmenskommunikation fällt besonders im Hinblick auf die Social Media ins Gewicht, die Kommunikationsumgebungen und -gelegenheiten an spezifischen Orten und unter spezifischen Gesetzmäßigkeiten offeriert (vgl. Kap. 2.3). Zum anderen ist die Planung von unidirektional organisierten Sinnstiftungsprozessen eines Selbstbildes (CI) in ‚Gesprächsumgebungen‘ wie Social Media ergebnisorientiert nur bedingt möglich, da sich diese im ‚Gespräch‘ zu unerwartet entwickeln können, um erfolgreich zu prognostizieren, welche Schritte nötig sind, Selbstbild und Fremdbild in Einklang zu bringen (vgl. zu diesen Aspekten ausführlich Burel in diesem Band). Unternehmen laufen tendenziell Gefahr, mit ihrer Imagearbeit ungewollt ein negatives Image zu erzeugen, wenn sie das Selbstbild eines Unternehmens oder die Identität eines Produktes zum Thema eines ‚Gesprächs‘ auf den Kanälen des Web 2.0 machen. Das hängt mit der Dialogizität von Social Media unmittelbar zusammen: Auf eine zurückweisende Antwort, die sich auf den Versuch der Etablierung eines bestimmten Selbstbildes bezieht, wird dann in den meisten Fällen nicht adäquat reagiert werden, wenn der Kommunikationsstrategie eines Unternehmens ein unidirektionales Kommunikationsmodell wie das der Sprechakttheorie oder das einfache SenderEmpfänger-Modell zu Grunde liegt, wobei es unerheblich ist, wie man das Selbstbild eines Unternehmens konzeptualisiert (vgl. zusammenfassend Burel in diesem Band, Kap. 1.5). Wird das Selbstbild (Identität) zum Thema in den Kanälen von Social Media, dann wird nicht nur diese Inszenierung des Selbstbilds zur Etablierung eines Fremdbildes (Images) beitragen, sondern auch das Gespräch darüber, zu dem alle Gesprächspartner gemeinsam beitragen: Es wird ein Wissen über ein Unternehmen in

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einem Aushandlungsprozess von mehreren Teilnehmern sprachlich konstruiert und prozessiert (vgl. dazu Hundt 2009 und Ebert/Konerding 2008). Dieses Prinzip steht allerdings quer zum unternehmerischen Ziel und zur Vorstellung von Unternehmenskommunikation, mittels „Instrumenten der Unternehmenskommunikation“ (Bruhns) ein einheitliches Fremdbild (Image) eines Produkts, einer Marke oder eines Unternehmens zu etablieren, das möglichst viele Merkmale des inszenierten bzw. ausgehandelten Selbstbildes aufweist.

2.3 Das Corporate Blog als virtueller Kommunikationsraum (Corporate Design) Social Media unterliegt nicht nur dem Prinzip der Dialogizität und stellt damit Kommunikation unter spezifische Bedingungen, sondern Social Media etabliert auch Räume, die diesen Bedingungen und weiteren Gesetzmäßigkeiten Rechnung tragen. Mit diesem Raum ist ein virtueller Ort gemeint, an dem Kommunikation zwischen verschiedenen Teilnehmern als Gespräch stattfindet. Über den Ort und seine Charakteristika kann der Zugang zum Gespräch, die Anzahl der Teilnehmer, die Hierarchisierung und Rollenzuweisung von Gesprächspartnern, Privilegien in Bezug auf die Gesprächssteuerung und damit Hierarchien zwischen Gesprächspartnern sowie die Themenwahl geregelt werden. Der Ort, an dem Kommunikation stattfinden kann, wird zum einen durch die medialen Gegebenheiten und zum anderen durch das Corporate Design (CD) eines Unternehmens vorstrukturiert. Auch wenn es reizvoll wäre, verschiedene Formen von Social Media vor diesem Hintergrund zu analysieren (die Linguistik entdeckt das Themenfeld nur langsam, vgl. aber Androutsopoulos 2007, 2014; Moraldo 2009; Porombka 2012, Dürscheid/ Frick 2014; Dürscheid/Brommer 2013; Barnes 2013; Eisenlauer 2013; Schlobinski/ Siever 2000; Runkehl/Schlobinski/Siever 2013; Burghardt u. a. 2013; Frick 2014) und typologisch im Hinblick auf die Erfordernisse der Unternehmenskommunikation hin zu beschreiben, konzentriert sich dieser Beitrag auf Corporate Blogs und Firmenweblogs als digitale Publikations- und Kommunikationsplattformen. Die Forschungslage zu diesen Corporate Blogs ist noch recht überschaubar; erste Ergebnisse wurden vor allem aus den Bereichen der Kommunikationswissenschaft (Zerfaß 2005; Mast 2010) und Wirtschaftswissenschaft (Bruhns 2010; 2011; Kreutzer 2012) vorgelegt, die Sprachwissenschaft wendet sich eher grundsätzlich dem Thema der ‚computervermittelten Kommunikation‘ (CMC) zu (vgl. exempl. Androutsopolous 2005; 2007; Androutsopoulos/Kasten 2005; Androutsopoulos u. a. 2006; Dürscheid 2006, 2009; Dürscheid/Ziegler 2002, Dürscheid/Brommer 2009, 2013; Puschmann 2010; Anders/ Hundt/Lasch 2011; Herring/Stein/Virtanen 2013; Marx/Weidacher 2014; Siever 2013a und b; 2014a und b). Zur Kommunikation via Blog liegen bisher nur wenige Arbeiten vor (z. B. Fraas/Barczok 2006; Handler 2006), die meisten mit literaturwissenschaft-

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licher Orientierung im Hinblick auf Inszenierung von Autorschaft (u. a. Porombka 2012; Zintzen 2012; Ainetter 2006; Heidegger 2004 oder Schuster 2013). Corporate Blogs gehören zur „(Online-)Visitenkarte eines Unternehmens“ (Kreutzer 2012, 107) und sind den „Kommunikationsmedien“ (sic!, neben „Kooperationsmedien“ und „Content-Sharing-Medien“) von Social Media zuzurechnen (vgl. Kreutzer 2012, 331 f.); Übersichten über verschiedene Blogformate vom Knowlegde-Blog und Collaboration-Blog (interne Kommunikation) über Service-Blogs, Campaigning-, Issues-, Product/Brand-, Customer-Relation- bis hin zu Crisis-Blogs (externe Kommunikation) (Bruhn 2010, 479) mit den aus der Sprechakttheorie übernommenen Funktionen der Information, der Persuasion und der Expression liegen vor. Die Einteilung ist im Übrigen wieder ein Hinweis auf die ‚instrumentelle Orientierung‘ der Unternehmenskommunikation. Corporate Blogs dienen Unternehmen dazu, um „mit unterschiedlichen Stakeholdern in einen Dialog zu treten“ und „dabei zunächst selbst fest[zu]legen, welche Neuigkeiten distribuiert und welche aus Unternehmenssicht wichtigen Themen angestoßen werden sollen.“ (Kreutzer 2012, 346). Weiter „öffnet sich das Unternehmen auch hier den Fragen der Leser, die kompetent und ehrlich [zu ergänzen ist: und auf Augenhöhe] zu beantworten sind.“ (Kreutzer 2012, 349). Allen Bekenntnissen zum Trotz wird jedoch weiter an der Idee festgehalten, Gespräche und Dialoge, Kommunikation im Web 2.0, sprechakttheoretisch modellieren zu können. Auf Corporate Blogs bspw. können, so Kreutzer 2012, 350 (vgl. auch Bruhn mit der Übersicht über die ‚Sphäre der Corporate Blogs‘): Interessierte ‚live‘ miterleben, womit sich das Unternehmen beschäftigt. Diese Offenheit des Unternehmens, seine Kunden und Stakeholder über laufende Aktionen zu informieren, kann idealerweise die Bindung an das Unternehmen fördern und durch eine aktive Teilnahme, zumindest in Grenzen, zu seinen Gunsten beeinflussen. (Hervorhebung A. L.).

Der Unternehmenskommunikation liegt die Vorstellung zu Grunde, dass man mit Corporate Blogs ‚ein Instrument‘ der Unternehmenskommunikation in der Hand habe, um ‚Shareholder‘ zu ‚informieren‘ und mit ihnen in ‚Dialog‘ treten zu können, ohne dabei auf die Mittlerrolle traditioneller (Massen-)Medien angewiesen zu sein. Gesprächspartner auf ‚Augenhöhe‘ werden als ‚interessierte Miterlebende‘ konzeptualisiert, die durch ausgestellte ‚Offenheit‘ so ‚beeinflusst‘ werden können, dass sie eine ‚Bindung‘ zum Unternehmen aufbauen. Dass sich jedoch die Hoffnung erfüllt, dass man durch ‚Information‘ ‚Shareholder‘ besser ‚binden‘ könne, ist ausgehend von den theoretischen Prämissen der Sprechakttheorie und der Interaktionsanalyse schlicht unwahrscheinlich. Aus linguistischer Sicht gelingt dies nicht durch ‚informierende‘, sondern durch ‚expressive‘ Sprechakte, von dialogischen Sinnstiftungsprozessen noch nicht einmal gesprochen (vgl. Müller 2001). Weiter verkennt man mit einer solchen Einschätzung die Kommunikationsordnungen eines Blogs, derer

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man sich besser bewusst sein sollte, wenn man Kommunikationsstrategien für Social Media-Formate entwickelt.

2.4 Kommunikationsstrategien (Corporate Behavior) Die folgenden Beschreibungen bauen darauf auf, dass die Basis für textlinguistisch und gesprächslinguistisch motivierte Studien in der Sprechakttheorie begründet liegt und daher beide pragmatisch ausgerichtete Ansätze meist auf ein gemeinsames Inventar und gemeinsame Kategorisierungen zurückgreifen, um Texte bzw. Gespräche zu analysieren (vgl. Brinker u. a. 2000, Brinker u. a. 2001; Birkner/Janich im Druck; einschlägig zur Gesprächslinguistik Brinker/Sager 2006 und zur Textlinguistik Brinker 2010). Die Charakteristik eines Blogs für die externe Unternehmenskommunikation ist, dass Kommunikation an einem bekannten Ort mit einer offenen und teils anonymen Zahl an mehr oder weniger professionellen Teilnehmern öffentlich stattfindet – dabei kann nicht vorausgesetzt werden, dass alle Teilnehmer mit den Regeln der Kommunikation im Netz und spezieller auf Blogs hinreichend vertraut sind. Den Zugang zum Blog kann der Betreiber steuern; hierfür stehen verschiedene Regelmechanismen zur Wahl, die alle Formen und Arten der Partizipation am Gespräch betreffen: Mittels der Festlegung, ob Nutzer unter Klarnamen statt Pseudonymen am Gespräch teilnehmen dürfen (unter der belastbaren Annahme, dass scheinbare Anonymität bisweilen ausgenutzt wird), der Angabe von E-Mail-Adressen, diversen Optionen für die Freischaltung der Kommentare von Nutzern, der Sperrung von Nutzern, der Einladung zur Moderation von Kommentaren, der Vergabe des Rechts auf die Mitarbeit am Blog (Korrektur, Verfassen von Blogartikeln) bis hin zu umfassenden Administratorrechten steuert und selegiert der Betreiber den Zugang zum virtuellen Kommunikationsraum. Zeitpunkt und Dauer von Mehrpersonengesprächen auf Blogs können nicht vorhergesehen werden, allein der initiierende Gesprächsschritt ist im Idealfall planbar, faktisch bestimmt der Betreiber des Blogs aber auch, wann ein Gespräch endet. Anders als im Gespräch auf einem Blog suggeriert werden soll, sind die Machtverhältnisse klar geregelt: Der Betreiber des Blogs setzt die Regeln und achtet zugleich auf ihre Einhaltung. Er öffnet und schließt den Kommunikationsraum Blog nach Belieben, initiiert Gespräche und gibt die Themen für die Gespräche vor, reguliert die Teilnahme am Gespräch und das Kommunikationsverhalten im Gespräch durch Moderation, setzt Beginn und Ende des Gesprächs. Die strukturellen Voraussetzungen zeigen, dass hier nicht auf ‚Augenhöhe‘ kommuniziert wird, sondern dass wie auf jedem Blog eine starke Asymmetrie zwischen den Gesprächsteilnehmern vorliegt. Die initiierenden Gesprächsschritte sind inszeniert, da sie wenigstens einer bestimmten Intention und auch Funktion (Kommunikationsstrategie) folgen und der CCom bzw. dem CB oder dem CW unterworfen sind; für das disperse Gegenüber können diesbezüglich keine differenzierenden Aussagen gemacht werden. Abgesehen davon kann in Bezug auf

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die Vorbereitetheit und die Spontaneität der Gesprächspartner grundsätzlich gelten: Je konfliktträchtiger das Thema, desto vorbereiteter gehen alle Teilnehmer in ein thematisches Gespräch. Aus diesen ‚gesprächsexternen Faktoren‘ lassen sich Rückschlüsse auf ‚gesprächsinterne Merkmale‘ der Blog-Kommunikation ziehen. Der Grundaufbau bildet die Machtverhältnisse ab: Der Betreiber initiiert ein Gesprächsthema mit einem Blogartikel, er lädt zum Gespräch ein, wenn die Kommentar- und Sharing-Optionen für einen Artikel freigegeben werden. Dieser Artikel ist als initiierender Dialogakt als Teil der dialogthematischen Steuerung aufzufassen. Das eigentliche Gespräch entwickelt sich auf der Basis dieser Themensetzung, der Themenfixierung. Von der Art der Thematik und der Art des initiierenden Gesprächsschrittes durch den Betreiber, der damit eine bestimmte Haltung und Perspektive zum gewählten Thema einnimmt, sind unterschiedliche Themenentfaltungen im sich in den Kommentaren auf dem Blog oder an anderen Kommunikationsorten der Social Media wie Sozialen Netzwerken entwickelnden Gespräch abhängig: Auf die Initiierung eines Dialogs folgen (voll-)responsive (Thema, Gesprächshaltung und Positionierung des Gegenübers zum Thema werden angenommen), teilresponsive (Thema und/oder Gesprächshaltung und/oder Positionierung des Gegenübers zum Thema werden angenommen) oder nonresponsive Dialogakte (weder Thema noch Gesprächshaltung noch Positionierung des Gegenübers zum Thema werden angenommen) (vgl. Schwitalla 1976). In der Hinführung war davon gesprochen worden, dass es ratsam sei, den Imperativ „Rechne mit einer Antwort!“ in kommunikationsstrategischen Planungen zu berücksichtigen. Genau diese Stelle, an der der Sprecherwechsel zu den Besuchern des Blogs gewünscht ist, ist der sensible Punkt in einem Gespräch. Hier kann der Betreiber vor allem in kritischen Gesprächssituationen zeigen, wie und ob er seine strukturell vorgegebene Machtposition einsetzt und ausnutzt, oder ob der Inszenierung von ‚Kommunikation auf Augenhöhe‘ der Vorzug gegeben wird. Das Corporate Blog ist ein stark regulierter virtueller Kommunikationsraum, in dem Gespräche stattfinden können, die durch den Betreiber des Blogs initiiert werden (vgl. Fraas/Barczok 2006; Handler 2006; Porombka 2012): Das Blog folgt dem Prinzip der Dialogizität von Social Media. Vor dem Hintergrund der genaueren Beschreibung der Struktur des virtuellen Kommunikationsraums Blog ist eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln. Diese muss aufzeigen, wie und ob es ratsam sei, die Inszenierung des Selbstbilds zur Etablierung eines Fremdbildes (Images) in Aushandlungsprozessen von Gesprächen zu platzieren. Hier wird die Ansicht vertreten, dass wesentliche Aspekte der Corporate Identity oder des Bildes des Unternehmens von einem Produkt, einer Marke usw. in einem virtuellen Kommunikationsraum wie einem Corporate Blog zwar sichtbar sein sollten (Corporate Design), aber im Interesse des Unternehmens, wie gezeigt, nicht explizit Gegenstand lediglich ‚informierender‘ initiierender Dialogakte werden sollten (Corporate Behavior), um Aushandlungsprozesse in Gesprächen in Bezug auf das Fremdbild (Image), Prozesse der Wissenskonstitution und -stabilisierung, nicht noch

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direkt anzustoßen. Berühren sprachlich ausgehandelte und konstruierte Fremdbilder (Images eines Unternehmens, einer Marke, eines Produktes) das Selbstbild, dann hat der Betreiber eines Blogs zahlreiche Möglichkeiten, um auf diese Aushandlungsprozesse zu reagieren. Exemplarisch sind hier sieben aufgeführt, wobei (1) und (2) das Fremdbild (Image) positiv beeinflussen, (3) positive wie negative Folgen haben kann und (4), (5), (6) sowie (7) das Fremdbild (Image) mit Sicherheit negativ beeinflussen, da sie das Prinzip von Dialogizität von Social Media grundsätzlich in Frage stellen – alle Optionen sollten in einer Richtlinie zum Coporate Behavior (CB) bewusst gemacht werden. Der Betreiber kann (1) einen oder mehrere Gesprächsschritte von kommentierenden Nutzern (auch von anderen Social Media-Präsenzen) in einen neuen Blogartikel (bottom-up) aufnehmen. Dieser Artikel inszeniert die Gesprächsinitiierung als ‚Fortsetzung‘, was unter den Kommunikationsbedingungen des Blogs im Speziellen und Social Media im Allgemeinen positiv bewertet wird. Der Betreiber schiebt damit die Verantwortung für die Behandlung des Themas und die Gesprächseröffnung von sich auf das Gegenüber und zeigt, dass er seine Machtposition bei der Gesprächs­ initiierung nicht ausnutzt. Er zeigt sich als kollegial, auf Augenhöhe stehend. (2) Feedback zu Themen und Fragen einholen (Umfragen, Gewinnspiele usw.), die in Gesprächen auf dem Blog ausgehandelt werden und das Selbstbild des Unternehmens betreffen. Die Darstellung von Ergebnissen von Umfragen lässt sich analog zu (1) als Gesprächsfortsetzung inszenieren. (3) sich in die Aushandlung einmischen und seine Position noch einmal explizieren, dezidiert zu positiv wie negativ evaluierenden Kommentaren Stellung beziehen. Das wird von Nutzern in aller Regel zwar positiv bewertet, ist aber in Bezug auf den Versuch der Korrektur des Fremdbildes nur selten erfolgreich; die strukturell erfolgversprechendere Antwort ist längerfristig ein weiterer Artikel. Zu bedenken ist weiter, dass es in den Diskussionen auch zu Konflikten kommen kann, da der Betreiber meist verschiedene Rollen (Autor, Moderator, Administrator) innehaben kann. Dezidiert sei an dieser Stelle gesagt, dass dieser Artikel nicht auf virales Marketing, dessen Enttarnung und dementsprechende negative Konsequenzen eingeht. (4) Aushandlungsprozesse stoppen, in dem er bspw. Kommentare herausstellt, korrigiert, editiert, löscht oder Nutzer sperrt. (5) Aushandlungsprozesse vermeiden, indem er keine Kommentare zulässt. (6) darauf verzichten, weitere gesprächsinitiierende Artikel anzubieten. (7) das Blog schließen. Wenn nicht die ‚Information‘ über ein Produkt oder eine Marke bzw. die ‚Explikation‘ des Selbstbilds eines Unternehmens aus strukturellen Gründen Thema eines Corporate Blogs sein sollen, was ist dann Inhalt der Gespräche, die die Teilnehmenden ‚binden‘ sollen? Die Antwort ist linguistisch erwartbar und vor dem Hintergrund der Interaktionsanalyse scheinbar banal: ‚Expressive Sprechakte‘ bzw. Gesprächs-

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schritte mit expressiver Funktion haben das Potential, das Gegenüber auf emotionaler Ebene anzusprechen und einzunehmen (CCom), indem sie die Beziehungsebene der Gesprächsteilnehmer in einem Kommunikationsraum, in dem das Selbstbild omnipräsent und damit immer im Blick ist (CD), in den Mittelpunkt stellen (CB) (vgl. Dürscheid/Brommer 2013 zur Adaption des Konzeptes „Freundschaft“ in sozialen Netzwerken). Auf einem Corporate Blog müssen Kommunikationsanlässe geschaffen werden, die Gespräche initiieren, die bestenfalls thematisch ergebnisoffen sind und nur mit geringstem Aufwand gesteuert werden müssen. Dabei muss sich die strategische Ausrichtung der Unternehmenskommunikation an Erwartungserwartungen ausrichten, die der Betreiber vom Gesprächsgegenüber hat, die er selbst mit in die Kommunikation einbringt und auf die er seine gesprächsinitiierenden Akte intentional und funktional ausrichtet.

3 Exemplarische Analyse Für die folgende Analyse können zwei unterschiedliche Szenarien aufgerufen werden, die analytisch gleichermaßen aufschlussreich sind. Typisch für das eine Szenarium wären konfliktträchtige Gespräche, die sich an krisenhafte Vorfälle anschließen und Teil so genannter und gefürchteter Krisenkommunikation sind. Das sind bspw. Ereignisse, in denen energie- und rohstofffördernde Unternehmen Umweltkatastrophen oder Lebensmittelhersteller Lebensmittelskandale verursachen bzw. sich nicht an allgemein geltende ethische Standards halten. Auf dem Spiel steht immer neben objektivierbaren Verlusten auch der ‚des Vertrauens‘ in das Unternehmen. Gemeint ist damit, dass das ganz wesentlich durch Sprache konstituierte Fremdbild (Image) von einem Unternehmen, einem Produkt, einer Marke durch negative Aspekte, die diskursiv ausgehandelt werden, deutlich abgewertet wird. Zu befürchten ist, dass Fremdbild und Selbstbild so weit auseinanderdriften, dass der ‚Shareholder‘ ein Unternehmen, eine Marke, ein Produkt im buchstäblichen Sinne nicht wiedererkennt, oder dass in das Selbstbild (bei einer kollektiven Identität) negative Aspekte des Fremdbildes aufgenommen und zum Thema unternehmensinterner Auseinandersetzungen werden. Trotz dieser Gefahren sind Unternehmen und Organisationen in krisenhaften Situationen auf den Kanälen von Social Media aktiv, da wie bereits kurz dargelegt, die Reglementierung von Kommunikation und die Ausnutzung der strukturellen Hierarchie zwischen den Gesprächspartnern (CB) auf einem (Corporate) Blog noch ernstere Folgen für das Fremdbild (Image) und damit auch für das Selbstbild (Identität) des Unternehmens mit sich brächte. Auf der anderen Seite widmete man sich Kommunikationspraxen, in denen erfolgreich die Beziehungsebene thematisch in den Vordergrund gestellt (als Prinzip der CCom) und so ein Gespräch im Angesicht der Marke (als Prinzip des CD) auf einem Corporate Blog geführt wird. Dieses kann das diskursiv ausgehandelte Fremdbild

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(Image) und damit sekundär das Selbstbild (Identität) eines Unternehmens positiv beeinflussen. Für die Darstellung wählen wir eines der nachfolgenden best-practice-Beispiele aus. Seit Jahren gelten im deutschsprachigen Raum die Corporate Blogs „Das Daimler-Blog“ (http://blog.daimler.de/, Zugriff am 15.07.2014), das „Ritter Sport“-Blog (http://www.ritter-sport.de/blog, Zugriff am 15.07.2014) oder das „Audi Blog“ (http:// blog.audi.de/, Zugriff am 15.07.2014) als sehr gute Beispiele für eine Ergänzung des Online-Portfolios eines Unternehmens durch Corporate Blogs. In den Mittelpunkt der Analyse wird das „Ritter Sport“-Blog gerückt (vgl. Abb. 2), das in Kooperation zwischen der „elbkind GmbH“ und der „Pluspol Interactive GbR“ auf der Basis eines älteren Corporate Blogs entwickelt wird.

Abb. 2: Startseite des „Ritter Sport“-Blogs (http://www.ritter-sport.de/blog/, Zugriff am 15.07.2014)

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Laut „elbkind GmbH“ sollten beim Neustart des Corporate Blogs die Stärken des bisherigen Blogs aufrecht erhalten [sic!], zusätzlich aber auch Einiges [sic!] neu gestaltet werden. Der [sic!] neue Blog ist im Full-Responsive Design gestaltet. (http://elbkind.de/ arbeiten/ritter-sport-3/, Zugriff am 17.12.2014)

Weiter wurde [b]esonderer Wert […] auf den Bereich Sortenvorschläge gelegt  – sie sind nun ein zentrales Element auf Blog und Facebook. Mit den Sortenvorschlägen ist ein permanentes CrowdsourcingFeature integriert. In einer Applikation können neue Sorten eingereicht, Name, Layout und Zutaten bestimmt werden  – und sofort wird angezeigt, wie die Sorte später aussehen könnte. (http://elbkind.de/arbeiten/ritter-sport-3/, Zugriff am 17.12.2014)

Das Unternehmen steht im inszenierten Dauerdialog mit seinen Kunden in Bezug auf das zentrale Produkt des Unternehmens. Das Blog weist eine typische Struktur auf. Es ist neben der Artikelübersicht im Wesentlichen gegliedert in Kopf (Logo, dreischrittiger Slogan, Seitenhinweise), Seitenregister (Startseite, Sortenvorschläge, Autorenteam) und Suchfunktion, Artikelarchiv, Sharing-Optionen sowie Präsenzen in Sozialen Netzwerken – also andere Formen von Social Media – am rechten Rand des Blogauftritts (Facebook, Twitter, Youtube und Pinterest). Der Kopf ist geprägt durch zwei Logos und einen Leitspruch für das Blog, der rhetorisch als dreischrittige Klimax einzustufen ist. In Bezug auf die sprachliche Detailanalyse wäre anzumerken, dass „Mitlesen“ statt „Informieren“ aus verschiedenen Gründen der Vorzug zu geben wäre (vgl. im Detail zur Untersuchung der sprachlichen Qualität von Firmenauftritten im Internet Anders/Hundt/Lasch 2011). Die Logos des Kopfes und die meisten Designelemente (etwa die Angabe des Datums eines Blogeintrags) weisen auf eine Besonderheit hin, die dem Corporate Design geschuldet ist und Hand in Hand mit dem Corporate Wording (CW) des Unternehmens geht, dessen Slogan für seine wichtigste Marke ist: „Quadratisch. Praktisch. Gut.“

Abb. 3: Deutschsprachige Startseite des Unternehmensauftritts von „Ritter Sport“ (http://www.ritter-sport.de/, Zugriff am 15.07.2014)

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Das zweite Logo „Blog“ scheint auf den ersten Blick dysfunktional zu sein (die Verlinkung führt wie die des Firmenlogos zur Startseite des Blogs), nimmt auf den zweiten Blick aber das Corporate Design des Online-Portfolios des Unternehmens auf (Abb. 3). Die farbige Gestaltung des Corporate Blogs (Abb. 2) ist orientiert am CD für das Produkt des Unternehmens, dem auch das Blog gewidmet ist: „Ritter Sport“-Schokolade. Im Folgenden wird ein Artikel des „Ritter Sport“-Blogs im Mittelpunkt des Inter­ esses stehen, um zu zeigen, wie der Kommunikationsraum Blog dazu genutzt wird, Gespräche zu initiieren, die hinsichtlich der Gesprächsfunktion als expressiv einzustufen und ergebnisoffen bei minimaler Steuerung sind. Genauer wenden wir uns dem Artikel „DIY [sc. do it yourself]: RITTER SPORT Hülle für das Smartphone und Co. einfach selbstgemacht“ von „Ben“, einem Mitarbeiter der Agentur „elbkind GmbH“, zu (http://www.ritter-sport.de/blog/2014/06/13/diy-ritter-sport-hulle-fur-das-smartphone-und-co-einfach-selbstgemacht/, Zugriff am 15.07.2014). Informatives Ziel des Artikels ist, zu zeigen, „wie ihr im Handumdrehen eine RITTER SPORT Hülle selber basteln könnt. Das ist wirklich einfach und erfordert eigentlich keine Vorkenntnisse.“ Zunächst erfolgt eine direkte Anrede, die kurze Wiedergabe des Markenslogans und der Hervorhebung des Produktdesigns: Die RITTER SPORT Verpackungen sind quadratisch, praktisch und gut – genau deshalb und weil sie so schön bunt sind, haben wir uns mal wieder kreativ damit ausgetobt. (http://www.rittersport.de/blog/2014/06/13/diy-ritter-sport-hulle-fur-das-smartphone-und-co-einfach-selbstgemacht/, Zugriff am 17.12.2014)

Danach entspricht der Artikel weitestgehend dem Exemplar der Textsorte „Instruktionstext“ (vgl. Möhn 1991; Rolf 1992; Ehlich u. a. 1994; Schwender 1999; Gülich/ Hausendorf 2000; Heinemann 2000, Motsch 2000; Brinker/Hagemann 2001; Brinker 2010): Es wird das notwendige Material angegeben und dann Schritt für Schritt mit Bebilderung erklärt, wie eine Umverpackung recycelt werden kann. Das Endprodukt ist praktisch und gut, da nützlich, ressourcenschonend und damit umweltbewusst. Weiter entspringt das Endprodukt einer eigenständigen und kreativen Tätigkeit, weiß zu überraschen und ist funktional. Es setzt die Marke und das Markenlogo in Szene, ohne dass über die Marke bis auf die einleitende Wiedergabe des Slogans ein einziges Mal gesprochen worden wäre.

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Abb. 4: Das Ergebnis: DIY-Smartphonehülle (http://www.ritter-sport.de/blog/2014/06/13/ diy-ritter-sport-hulle-fur-das-smartphone-und-co-einfach-selbstgemacht/, Zugriff am 15.07.2014)

Der Charakter des „Full-Responsive Designs“ des Blogs ließ sich bisher nur an der Anrede und Einladung zum Mitmachen (gemäß dem Motto des Blogs „Mitgestalten“) ableiten  – der Artikel stiftet einen Kommunikationsanlass. Aber der Verfasser tut noch mehr dafür und steuert damit die zu erwartenden Reaktionen. Zum einen wird nach der Instruktion das Gegenüber adressiert (vgl. Hartung 2001) mit einer Frage: „Habt ihr noch weitere Ideen?“ In der Terminologie der Interaktionalen Linguistik wäre dieser Gesprächsschritt als Aufforderung zum Sprecherwechsel im Gespräch zu bezeichnen. Darüber hinaus wird explizit dazu aufgefordert, die eigenen Ergebnisse in den Sozialen Netzwerken zu streuen: „Wir freuen uns riesig, wenn ihr die Hülle bastelt und uns ein Bild eurer genähten Hülle sendet oder auf unsere Facebook-Fanpage postet!“ Im Abschluss des Artikels wird schließlich ein Gewinnspiel bekanntgegeben: Das Beste kommt zum Schluss: Wir verlosen die drei abgebildeten Hüllen! Da sie handgefertigt sind, ist jede ein Einzelstück, ggf. auch mit kleinen Schönheitsfehlern. Wenn ihr eine Hülle gewinnen möchtet, schreibt uns einen Kommentar: Wieso möchtet ihr die Hülle gewinnen und für was würdet ihr sie benutzen? Bis zum 15.06.2014 um 23:59 Uhr könnt ihr euer Glück versuchen. Unter allen Kommentaren losen wir dann die drei Gewinner aus. Lest bitte auch die Teilnahmebedingungen. Wir drücken euch die Daumen! (http://www.ritter-sport.de/blog/2014/06/13/diy-rittersport-hulle-fur-das-smartphone-und-co-einfach-selbstgemacht/, Zugriff am 15.07.2014)

Wie an dieser kurzen Vorstellung des Artikels deutlich wird, steht die Marke und das Produkt im Hintergrund der Gesprächsinitiierung mittels eines Textes: Es geht um die Umverpackung eines Produktes, die recycelt wird zu einem neuen Produkt, einer Smartphonehülle. Eine ‚Information‘ des ‚Shareholder‘ über ein Produkt oder eine Marke eines Unternehmens lässt sich daraus keinesfalls ablesen. Wohl aber werden Attribute persuasiv explizit kommuniziert (quadratisch, praktisch, gut) oder impliziert (funktional, nützlich, ressourcenschonend, umweltbewusst, eigenständig, kreativ, individuell, überraschend) (zu Präsuppositionen vgl. bspw. Linke/Nussbaumer 2000), die der Leser als Angebot auch mit dem Produkt des Unternehmens assoziieren mag. Auf dieses implizite Angebot, das Fremdbild (Image) in Bezug zu setzen zu den kommunizierten oder vorausgesetzten Attributen, verweist der Text nicht ein einziges Mal (zu den grundlegenden Textfunktionen vgl. Rolf 2000 und Brinker 2010). Auf das dar-

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gestellte Selbstbild, das im Wesentlichen dieselben Attribute aufweist, wird nur ein einziges Mal im wiedergegebenen Slogan am Anfang des Textes metasprachlich verwiesen. In den Bildern ist das Produkt freilich präsent. Wie zu sehen sein wird, wirkt auch die Bildauswahl steuernd auf das sich anschließende Gespräch. Das sich anbahnende Gespräch, zu dem mittels des Gewinnspiels eingeladen wird, hat das Thema der DIY-Hülle. Interessanterweise wird es nicht gekoppelt an die Gestaltung eigener Hüllen, sondern die bloße Antwort auf die gestellten Fragen „Wieso möchtet ihr die Hülle gewinnen und für was würdet ihr sie benutzen?“ Mit dieser Frage ist der Gesprächsverlauf nicht vollkommen offen, er wird auf der Basis von Erwartungserwartungen kanalisiert. Es eröffnet den Leser_innen auch ohne praktisches Nachahmen der Anleitung aktives Mitgestalten und Überraschen. Sie können verbal zeigen, dass sie kreativ und aktiv sind  – und so werden sie in der Anrede „Hey kreative Schoko-Fans!“ des Artikels bereits gelobt und adressiert (vgl. Hartung 2001). Lob gilt als ein expressiver Gesprächsschritt ebenso wie Tadel und Dank oder der Ausdruck von Trauer und Freude: „Wir freuen uns riesig, wenn ihr die Hülle bastelt und uns ein Bild eurer genähten Hülle sendet.“ Das Gespräch hat neben einer informierenden Funktion (Anleitung) auch appellative Funktion (Aufforderung zum Mitmachen) und expressive Funktion (Etablierung und Stützung einer hier positiven Beziehung zwischen den Gesprächspartnern) (vgl. Heinemann 2000, Rolf 2000; Brinker/Sager 2006 und 2010). Der Artikel wird mit insgesamt 134 Beträgen (Stand: 18.06.2014) kommentiert. Diese sollen jetzt hier nicht im Detail, sondern nur in Auswahl vorgestellt werden. Zwei Beiträge wurden beinahe identisch verdoppelt, die aus der Zählung ausgenommen werden. Von den dann 132 Kommentaren entfallen 100 Antworten auf Nutzer_ innen mit weiblichen Namen/Pseudonymen, 26 Antworten auf Nutzer_innen mit männlichen Namen/Pseudonymen und 6 Beiträge, bei denen der Name geschlechtsneutral gewählt wurde. Die Kommentare lassen sich grob in drei Kategorien einordnen, nämlich zum einen in die, die auf die Frage „Wieso möchtet ihr die Hülle gewinnen und für was würdet ihr sie benutzen?“ tatsächlich antworten (responsiv). Sie machen quantitativ den größten Teil aus. Die Verwendungsmöglichkeiten nehmen zunächst die Vorschläge des Artikels auf (Hülle für „Smartphone“ bzw. „Handy“, „[Sonnen-]Brille“ oder „MP3-Player“ inkl. aller Äquivalente), daneben sollen die Hüllen aber auch als „Geschenk“, Aufbewahrungsmöglichkeit für „Schnuller“, „Stifte“, „Textmarker“, „Kugelschreiber“, „Kaugummi“, „Kleingeld“, „Führerschein“, „Perso[nalausweis]“, „Schlüssel“, „Kamera“, „Knabberzeugs“, „Notizzettel“, „Briefmarken“, „Büroklammern“, „Cremedose[n]“ usw., also all den „nervigen Kleinkram in der Handtasche“ als „fertige Tasche“ (Daniela) verwendet werden. Eine andere Gruppe von Kommentaren (insgesamt 19) antwortet nur teilresponsiv, indem die DIY-Idee bewertet wird. Sie folgen also dem impliziten Appell des Instruktionstextes. Sie reichen damit von reiner Akklamation („Das ist ja mal kreativ … sieht toll aus“ [Daniela] bzw. „Coole Idee, und gar nicht so schwer nachzubasteln“

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[Ramona]) bis zur Explikation des Recyclinggedankens („[D]as ist doch mal eine clevere Idee zur Vermeidung von Verpackungsmüll“ [volker]) oder der aus der DIYIdee resultierenden Einzigartigkeit („Damit hebt man sich von der Masse ab und zeigt, worauf man steht. Ein geniales Designprodukt.“ [Frank Krüger]). Eine dritte Gruppe schließlich bezieht sich sowohl auf das Gewinnspiel als auch auf den impliziten Appell des Instruktionstextes bzw. die explizite Frage „Habt ihr noch weitere Ideen?“. Zwei Nutzer_innen wollen bspw. die Hüllen mit „Gurte[n]“ versehen, um sie an der „Seite/Bauch“ (Marco Bellersheim) oder über der „Schulter“ (Sarah) tragen zu können; nonresponsive Antworten sind nicht auszumachen. In unserem Kontext könnte interessieren, wie die Antworten die Marke „Ritter Sport“ aufnehmen und wie diese Aufnahme in den Antworten repräsentiert ist. In insgesamt 27 Nennungen wird der Markenname in unterschiedlichen Varianten realisiert („Ritter Sport“, „Rittersport“, „Ritter-Sport“ oder auch verkürzt in „Ritter-Hülle“), an das Corporate Wording indes hält sich freilich nur der Artikelautor Ben, der auf eine Nachfrage der Nutzerin Maria in Bezug auf die Gestaltung von weiteren Gewinnspielen antwortet („RITTER SPORT“). Daneben finden sich zahlreiche Wiederaufnahmen, die entweder spezielle Sorten erwähnen („Olympia“, „Knusperkeks“, „Marzipan“, „Karamell“, „Pfefferminz“ usw.) bzw. die Adjektive des Slogans zur attributiven Umschreibung aufgreifen („quadratische praktische Schokolade“ [Silke Frühling]) – zwei Mal wird der Markenslogan eingearbeitet, wobei eine Antwort schon fast über das Ziel hinaus schießt: „Das nenn ich mal quadratisch – praktisch – gut! Auch wenn der süße Inhalt schon vernascht ist, bleibt es viereckig – praktisch – gut!“ (Carina). Abschließend muss deutlich gesagt werden, dass sich aus den 132 Kommentaren kein Mehrpersonengespräch entwickelt, genauer sehen wir 129 Einzelgespräche vor uns, die mit dem Minimum von einem Sprecherwechsel und zwei Gesprächsschritten realisiert sind, aber wechselseitig sich gegenseitig anregen können (die Kommentare mit den „Gurten“ bspw. folgen direkt aufeinander, was wohl nicht nur als Koinzidenz aufzufassen ist). Allerdings entwickelt sich auch ein knappes Gespräch über vier Schritte und zwei Sprecherwechsel zwischen Maria und Ben (Blog-Autor) in Bezug auf die Art und Weise, wo und wie Gewinnspiele abgehalten werden können und sollen. Voraussetzung der folgenden Überlegungen ist, dass sich hinter dem (leider nicht sehr seltenen) Namen Maria zwei nicht identische Autor_innen verbergen, da nur eine ‚der beiden‘ ein Nutzerbild verwendet. Maria1 verfasst die erste Antwort auf Bens initiierenden Dialogakt, die vollresponsiv ist (13.06.2014, 14.25): Mein Schatz ist auf Diät und das klappt eigentlich ganz gut – bis auf die Sache mit der Schokolade. Mit dieser Hülle als lustiges und kreatives Geschenk würde ich ihn wahnsinnig gern ein bisschen quälen…Gelb ist übrigens seine Lieblingsfarbe ;). (http://www.ritter-sport.de/ blog/2014/06/13/diy-ritter-sport-hulle-fur-das-smartphone-und-co-einfach-selbstgemacht/comment-page-1/#comments, Zugriff am 17.12.2014)

Maria2 antwortet erstmals am 16.6.2014, 09.48, teilresponsiv auf Bens Eröffnung. Sie nimmt aber lediglich die Idee des Gewinnspiels auf, strukturell antwortet sie nicht mit

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einem Schritt eines erwartbaren Nachbarschaftspaares (wie Maria1), sondern mit einer Gegenfrage, die den Schwerpunkt auf ein anderes Thema legt („Anregung: [W]ieso macht man nicht alle Gewinnspiele von Ritter-Sport als Blog Gewinnspiele?[sic!]“). Sie steuert damit das Gespräch in eine andere Richtung: Trotz aller Steuerungsmechanismen kann man Gesprächsverläufe eben nicht vorhersehen. Der Frage folgt eine kurze Antwort Bens (in der zwei Schritte realisiert werden: Antwort und Verabschiedung) sowie eine kurzes Dankeschön seitens Maria2, was hier aber nicht weiter inter­ essieren soll. Wie sich an diesem kurzen Überblick über die Kommentare zum Artikel deutlich zeigt, arbeiten die Nutzer_innen mit ihren Antworten am Image der Marke und des Produkts mit, ohne dass dieses durch den Artikel selbst angestoßen würde – sie explizieren die im Artikel implizit vorausgesetzten Attribute praktisch, funktional, gut, nützlich, ressourcenschonend, umweltbewusst, eigenständig, kreativ, individuell, überraschend selbst. Sie leisten mit und durch und in Sprache Imagearbeit, sie arbeiten jeder für sich und doch gemeinsam in einem Prozess der Wissenskonstitution, -etablierung und -stabilisierung.

4 Fazit und Ausblick Social Media beruht auf dem Prinzip der Dialogizität. Für eine erfolgreiche Unternehmenskommunikation, d. h. für eine, die die strukturellen Voraussetzungen der Formate des Web 2.0 akzeptiert, heißt das, dass sie sich von der Idee des ‚instrumentellen Einsatzes‘ von ‚unidirektionaler Kommunikation‘ verabschiedet haben muss. Social Media stellt verschiedene Kommunikationsräume zur Verfügung, wie den des Corporate Blogs, die strukturell nicht mehr als Präsentationsbühne oder ‚Kanal‘ für die Darstellung von ‚Informationen‘ durch ein Unternehmen oder gar die Darstellung des unternehmerischen Selbstbildes (Identität) geeignet sind (Kap. 1). Die Corporate Blogs stellen Nutzer vor besondere Herausforderungen. Kennzeichnend für die Gespräche, die sich auf Corporate Blogs idealerweise entwickeln, ist, dass sie grundsätzlich eine starke Asymmetrie zwischen den Gesprächspartnern aufweisen. Diese Asymmetrie darf die Gespräche nicht dominieren, im Gegenteil. Vielmehr soll durch ein kollegiales Kommunikationsverhalten ‚auf Augenhöhe‘ die strukturelle Asymmetrie als lediglich technisch bedingte ausgestellt werden. Da Gesprächsverläufe vor diesem Hintergrund ergebnisoffen und nicht vorhersagbar sind, man diese nur bedingt steuern und lenken kann und man in Gesprächen besser immer mit einer Antwort rechnet, ist man bei Gesprächsinitiierungen in Umgebungen des Web 2.0 dazu angehalten, solche Kommunikationsanlässe zu schaffen, die geeignet sind, Adressaten emotional auf der Beziehungsebene zu involvieren. Alle am Gespräch Beteiligten arbeiten gemeinsam am Gesprächssinn als kommunikativem Konstrukt, konstituieren, etablieren und stabilisieren damit Wissen durch Sprache

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(Kap. 2). Deshalb kann die Platzierung von ‚Informationen‘ oder gar des Selbstbildes in einem initiierenden Beitrag nicht vorhersehbare Konsequenzen für das Fremdbild (Image) eines Produktes, eines Unternehmens usw. haben. Da das Gespräch im Kommunikationsraum Blog im Angesicht der Selbstpräsentation eines Produktes, einer Marke, eines Unternehmens usw. stattfindet, ist dies strukturell überhaupt nicht notwendig. Nimmt man die unterschiedlichen Formen und Bedingungen von Social Media für kommunikationsstrategische Überlegungen ernst, dann kann, gemeinsam mit anderen, erfolgreich am Fremdbild (Image) und damit letztlich auch Selbstbild (Identät) gearbeitet werden, wie die exemplarische Analyse (Kap. 3) oder auch der tendenziell ironische Kommentar von Purr Cat abschließend zeigen: „Wenn ich eine [sc. Hülle] gewinnen würde, würde ich Ritter Sport Minis reinpacken :D :D :D Erscheint mir als passende Aufbewahrung“.

5 Literatur 5.1 Material „Audi Blog“ (http://blog.audi.de/(Zugriff am 04.07.2014). „Das Daimler-Blog“ (http://blog.daimler.de/(Zugriff am 04.07.2014). „Elbkind GmbH“ (http://elbkind.de/(Zugriff am 04.07.2014). „Ritter Sport“ (http://www.ritter-sport.de/(Zugriff am 04.07.2014). „Ritter Sport“-Blog (http://www.ritter-sport.de/blog (Zugriff am 04.07.2014). „DIY [sc. do it yourself]: RITTER SPORT Hülle für das Smartphone und Co. einfach selbstgemacht“ (http://www.ritter-sport.de/blog/2014/06/13/diy-ritter-sport-hulle-fur-das-smartphone-undco-einfach-selbstgemacht/(Zugriff am 04.07.2014).

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Manfred Piwinger

16. Sprache in Geschäftsberichten Abstract: Gestützt auf eine breite empirische Basis wird in diesem Beitrag versucht, Sprache und sprachliche Wirkungspotenziale von Geschäftsberichten zu analysieren und im Weiteren auf Verbesserungsmöglichkeiten hinzuweisen. Sprachgebrauch und Textwirkung sind neben der Informationsfunktion zentrale Ansätze der folgenden pragmatischen Analyse. 1 Der Geschäftsbericht als Textsorte 2 Geschäftsberichte als Instrument der Finanzkommunikation 3 Kommunikative Funktionen und sprachliche Mittel 4 Der Geschäftsbericht als Komplex von funktionsverschiedenen Teiltexten 5 Textqualität und Textwirkung 6 Abschließende Bewertung 7 Literatur

1 Der Geschäftsbericht als Textsorte Organisationale Kommunikation unterliegt einem zweckrationalen Reglement und ist fachsprachlich geprägt. Dabei handelt es sich um Wirtschaftssprache im Allgemeinen und als spezielle Ausprägung um das gesamte Finanzvokabular. Ursächlich geprägt wurde der Sprachstil des Geschäftsberichts durch die von den Vereinigten Staaten ausgehenden Börsen- und Finanzmarktregeln und deren praktischen Gebrauch in der Finanzmarktkommunikation. Deutschland war damit relativ spät dran und hat diese Entwicklung lange Zeit verschlafen. Die eigentliche Entwicklung einer aktiven Finanzmarktkommunikation lässt sich auf das Ende der 90er Jahre mit dem seinerzeit einsetzenden Börsenhype datieren. Sowohl deutsche wie europäische Gesetzgeber orientierten sich vielfach an der englischsprachigen Literatur, die ihrerseits das gängige Vokabular widerspiegelte und die zugrunde liegenden Gesetzestexte. Von daher erklärt sich das Vorkommen der vielen englischsprachigen Ausdrücke in der Wirtschafts- und Finanzkommunikation. Hinzu kommt, dass in großen Gesellschaften Englisch Konzernsprache ist. Dass dies sprachlich abfärbt, ist nur allzu verständlich, aber nicht immer angebracht. Im Grunde ist jede Fachsprache von Insidern und für Insider. Wenn sich Ärzte untereinander unterhalten, muss das nicht jeder verstehen. Aber schon im IT-Bereich betrifft die Sprache große Bevölkerungsgruppen und hat beträchtliche wirtschaftliche Auswirkungen. Erst recht gilt dies für die Wirtschafts- und Finanzkommunikation, der es bisher nicht gelungen ist, sich aus dem Gefängnis einer eher statischen und formalistischen Sprache heraus zu

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arbeiten. Insoweit bleibt die Wirtschafts- und Finanzsprache weitgehend der eigenen Community vorbehalten, und das Tor zu einem breiteren Verständnis größerer Bevölkerungskreise bleibt verschlossen. Im Folgenden wird versucht, eine differenzierte Betrachtung der heutigen Geschäftsberichterstattung zu geben und auf mögliche Verbesserungen hinzuweisen.

2 Geschäftsberichte als Instrument der Finanzkommunikation Der Geschäftsbericht ist das wichtigste Medium, dessen sich Real- und Finanzwirtschaft bedienen, um über das Ergebnis ihres wirtschaftlichen Handelns Rechenschaft abzulegen. Der Jahresabschluss enthält die Vermögensbilanz, eine Gewinn- und Verlustrechnung, den Lagebericht und einen Anhang. Im Lagebericht ist explizit auf bestehende und künftige Chancen und Risiken der Geschäftsentwicklung ein Ausblick zu geben. Der Gesetzgeber definiert den Lagebericht als einen eigenständigen Berichtszweig. Der Lagebericht eignet sich in besonderer Weise, das Unternehmen in seiner Charakteristik und seinem Selbstverständnis darzustellen. Nirgendwo sonst wird so ausführlich über das Unternehmen und seine Leistungen berichtet wie es im Geschäftsbericht der Fall ist. Danach ist die Informationsfunktion des Geschäftsberichts die textliche Primärfunktion. Als Instrument der Rechenschaftslegung wird von den veröffentlichten Unternehmensdaten Verlässlichkeit und Überprüfbarkeit erwartet. Das Handelsgesetzbuch verwendet den Ausdruck Geschäftsbericht nicht, sondern spricht einzig vom Jahresabschluss. Jedoch hat sich der Begriff eingebürgert. „Wie sich ein Unternehmen im Geschäftsbericht darstellt, entscheidet mit über die Wertentwicklung auf den Finanzmärkten“ (Piwinger 2014, 790). Gemäß den handlungsrechtlichen Vorschriften soll der Jahresabschluss „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ vermitteln (§ 322 HGB). Ein Geschäftsbericht überzeugt, wenn er begründet, erklärt und erläutert, warum es gegenwärtig und künftig lohnt, dem Unternehmen sein Geld anzuvertrauen und investiert zu bleiben (vgl. Piwinger 2014, 801). Doch wie sieht es damit aus?

3 Kommunikative Funktionen und sprachliche Mittel Die Sprache in Geschäftsberichten richtet sich an den ‚verständigen Anleger‘, der aber nicht näher definiert ist. In der Wirtschaft hat sich ein eigener Sprachgebrauch mit verborgenen Signalen (zu verstehen nur von Insidern) herausgebildet. Die Fachsprache in Geschäftsberichten ist in besonderer Weise von englischen Ausdrücken

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 Manfred Piwinger

geprägt, was damit zusammenhängt, dass viele der für die Berichterstattung geltenden Regeln ihren Ursprung im angloamerikanischen Kapitalmarktrecht haben. Es handelt sich um eine stark konventionalisierte Form der Lösung einer kommunikativen Aufgabe. Wenn Sprache und deren Verschriftlichung dazu dienen sollen, etwas zu verstehen, dann ließe sich unter diesem Aspekt als Maßstab für die Texte in Geschäftsberichten fordern, dass man das Unternehmen (seine wirtschaftliche Lage, seine künftige Entwicklung, Risiken und Chancen etc.) in Gänze versteht. Die Chancen, die ein Geschäftsbericht dazu bietet, werden fast nie hinreichend genutzt. Selbst in der persönlichen Ansprache des Vorstandsvorsitzenden an die Aktionäre, also die Eigentümer, wird Klischee an Klischee gereiht. Das Unternehmen als Ganzes verstehen und ihm durch die Darstellungen im Geschäftsbericht das Vertrauen der Anleger („Wenn kein Vertrauen da ist, wird nicht investiert.“ Kirchhoff/Piwinger 2014, 1093) zu gewinnen, wäre die grundlegende Anforderung an den Text eines Geschäftsberichts. Wer diese Anforderung nicht erfüllt, handelt fahrlässig. Allgemeinste Voraussetzung ist die Verständlichkeit (einfache Sätze, prägnante Formulierungen und geläufige Wörter). Grundsätzlich geht es auf dem Kapitalmarkt darum, den Wert eines Unternehmens auf Basis der verfügbaren Unternehmensdaten und einer stabilen Prognose angemessen zur Geltung zu bringen. „Dies setzt Verlässlichkeit, Transparenz und Authentizität voraus“ (Kirchhoff/Piwinger 2014, 1089). Keine Kommunikation beginnt schließlich bei null, sondern immer auf Basis einer Kommunikationshistorie. Die Sprache des Geschäftsberichts sollte dazu beitragen, die Marktposition des Unternehmens im Wettbewerb zu stärken und gleichzeitig dem Unternehmen einen Platz im Gedächtnis der Öffentlichkeit zu sichern: Wie bekommt man Aufmerksamkeit? Was macht uns sympathisch? Was macht uns glaubwürdig? Wie (und wodurch) wollen wir wahrgenommen werden? Das sind Kriterien, die als Maßstab bei der Bewertung von Geschäftsberichten mit herangezogen werden müssen.

3.1 Titelseite und Motto Normal ist, „dass ein Geschäftsbericht normalerweise nicht wie ein Roman von der ersten bis zur letzten Seite gelesen (wird). Er wird überflogen, durchgeblättert und im günstigsten Fall einer kursorischen Lektüre unterzogen“ (Keller 2006, 6). Der erste Blick fällt auf die Titelseite. Diese muss ästhetischen Anforderungen genügen, zum Lesen motivieren und über Textsorte und Urheber informieren. Im Allgemeinen enthält die Titelseite die Textsortenbenennung, also Geschäftsbericht oder Finanzbericht, daneben den Firmennamen und häufig das Firmenlogo, gelegentlich in Verbindung mit einem Slogan: Commerzbank: „Die Bank an Ihrer Seite“, Henkel: „Excellence is our Passion“. Seit einigen Jahren hat es sich eingebürgert, ergänzend eine Art Jahresmotto hinzuzufügen, wobei anglo-amerikanische Formen und Formeln (adidas: „Pushing Boundaries“, Munich Re: „We advance as one“ oder Continental: „The Future in Motion“) seltener werden.

Sprache in Geschäftsberichten 

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Es fällt zudem auf, dass die Titelseite im Allgemeinen nicht für berichtsrelevante Aussagen genutzt wird, also etwa Schlagzeilen zu Themen wie Jahresgewinn oder Dividende. Immerhin ergeben die neuerdings zu findenden Jahresmottos durchaus Sinn. Sie haben eine Art Lotsenfunktion (was wichtig ist) und können helfen, den Geschäftsbericht als Text-Bild-Ensemble zu integrieren. Wir erfahren, worum es dem Unternehmen geht. Siemens (2013) will „Langfristig denken. Antworten geben“; die Deutsche Telekom (2012) stellt die Glaubensfrage: „Wir glauben an eine Zukunft voller Möglichkeiten“; Voith (2013) fühlt sich „In der Welt zu Hause“; profaner lautet das Motto bei der Metro (2013): „Hier wird gearbeitet“; Merck (2012) sieht „Wege in Morgen“, wohingegen BASF (2012) auf „Ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Leistung“ verweist; Lanxess (2012) will „Nachhaltig denken, viel bewegen“, und schließlich verspricht die Deutsche Bank (2012) „Stabilität in Zeiten des Wandels“. Mit diesen Wegweisern im Kopf wird der kundige Leser den weiteren Weg durch den Bericht aufmerksam verfolgen und im Idealfall prüfen, inwieweit die im Titel getroffene Aussage tatsächlich zum durchgängigen Leitmotiv des gesamten Berichts geworden ist. Dazu wäre es notwendig, im Inneren immer wieder eine Referenz auf das Jahresmotto zu nehmen. Ist dies nicht der Fall oder finden wir sogar gegenteilige Belege, dann wäre die beabsichtigte Wirkung fehlgeschlagen, und der ganze Aufwand wäre umsonst gewesen.

3.2 Passivform Oft kleidet sich die Sprache in die Form des Passivs und reflexiv verwendeter Verben wie erhöhte sich, reduzierte sich, verbesserte sich, wurde beschlossen, haben sich. Das liest sich so, als geschehe dies alles auf wunderbare Weise beinahe wie von selbst. Wird aus dem Kontext nicht erkennbar, was Grund und Ursache ist, kann schnell der Verdacht aufkommen, es handle sich um Intransparenz – bewusst oder unbewusst. Satzsemantisch handelt es sich um eine Agensverschweigung. Es sind Texte ohne Verfasser (Sennett 1990, 211). „Es wurde beschlossen“ lässt sich keiner bestimmten Person zuordnen, ja nicht einmal einer bestimmten Ebene innerhalb der Organisation. (Sennett 1990, 218)

Passivformen sind nicht grundsätzlich auszuschließen und ergeben in einigen Fällen auch Sinn, nämlich dann, wenn es darauf ankommt, das Objekt hervorzuheben und klar ist, wer der Agens ist. Insgesamt führen aktive Formen jedoch zu mehr Klarheit in den Aussagen, die auf wichtige strategische und politische Entscheidungen verweisen. In jedem Geschäftsbericht steht mehr, als schwarz auf weiß darin geschrieben ist. Man muss also darauf achten, was ausgesagt oder nicht ausgesagt wird, und auch darauf, wovon es aussagt. Einige Modelle der Bilanzanalyse ziehen Sprache mit als

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 Manfred Piwinger

Bewertungskriterium heran und ziehen daraus ihre Schlüsse. Wechselt der Sprachduktus im Periodenvergleich von eindeutigen zu eher vagen Formulierungen, so deutet es für sie auf eine sich ändernde Situation hin, die es weiter aufmerksam zu beobachten gilt.

3.3 Superlativische Ausdrücke und hochwertende Ausdrücke Hochwertende Selbstzuschreibungen zählen zum gängigen Inventar deutscher Geschäftsberichte. Insbesondere dann, wenn das Geschäft gut gelaufen ist, schwingen sich die Geschäftsberichte zu sprachlich-kreativer Höchstform auf und verwenden Metaphern (Branchenprimus), Täterbezeichnungen mit fremdwörtlicher Basis (outperformer), attributive Wortgruppen (die McKinseys der Branche, mächtiger Nischenspieler) sowie hochwertende Beiwörter (wunderbar, zuverlässig) und klassifizierende Einordnungen (zu einer Elite gehören): Zur Inszenierungsperspektive gehört „die Inhaltskategorie des Selbstlobs, das formal u. a. mit Hilfe von selbstbezüglichen superlativischen Beiwörtern und Funktionsvarianten ausgedrückt wird“ (Ebert/ Piwinger 2013, 5). Der Stolz auf das gute Ergebnis lässt vergessen, dass Kommunikation ein Spiel mit riskanten Deutungen und versteckten soziokulturellen Regeln des Vertrauens und der Höflichkeit ist. Explizites Selbstlob signalisiert, dass es auf die Deutung des Lesers gar nicht ankommt. Besser wäre im Sinne der Beziehungspflege, dass Wertungen dem Betrachter überlassen bleiben. Sie sollten sich – das wäre die Anforderung – implizit aus dem Text bzw. aus den berichteten Fakten ergeben und dem Leser ein eigenes Urteil ermöglichen. Dem Leser ein Urteil aufzwingen zu wollen, führt hingegen eher zu einer gegenteiligen Einschätzung: „Die Kunde hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!“ Selbstlob ist kein sozial angesehenes Verhalten. Das vielfach als altmodisch verkannte Understatement kann in vielen Fällen der bessere Weg sein. Durchgängige Attitüde in den Geschäftsberichten ist freilich das Gutschreiben: Ich gehöre diesem wunderbaren Unternehmen seit nunmehr 33 Jahren an. (Joe Kaeser, Vorsitzender des Vorstands 2013, 92) Wir sind, das kann mit Fug und Recht gesagt werden, ein äußerst durchtrainiertes, wettbewerbsstarkes Unternehmen und verfügen zugleich über eine ohne Zweifel nachhaltige Substanz. (Reto Francioni, Vorsitzender des Vorstands, 2011, 4) Die BMW Group ist einer der attraktivsten Arbeitgeber. (Norbert Reithofer, Vorsitzender des Vorstands, 2011, 17) Wir streben an, zu einer Elite zu gehören, ohne dabei arrogant zu sein. (BMW 2012, 165) Roche ist zweifellos ein einzigartiges Unternehmen. (Franz B. Humer, Verwaltungsratspräsident im Aktionärsbrief 2013, 7) Die hohe Attraktivität unseres Unternehmens hat sich auch im Jahr 2013 wieder bestätigt. (Henkel Geschäftsbericht 2013, 66)

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Ich bin überzeugt, dass wir alles Notwendige an der Hand haben, um in neue Höhen aufzusteigen, Rekorde zu brechen und langfristige, nachhaltige Wertschöpfung für unseren Konzern zu generieren. (Herbert Hainer, Vorstandsvorsitzender adidas 2013, 35)

3.4 Plastikwörter (nach Pörksen 2011) Eine der Wirtschaft eigene Form der (sprachlichen) Hochwertung ist die inflationäre Verwendung des Begriffs ‚Management‘: „Performance Management“ (Beiersdorf 2012, 40), „Ideenmanagement“ (TUI 2011/12, 82), „Talentmanagement“ (TUI ebd., 78), „Demografiemanagement“ (Lanxess 2012, 47), „Expatriate-Management“ (Lanxess ebd., 44), „Performance Management“ (Merck 2012, 38), „Diversity Management“ (Daimler 2012, 169), „Gesundheitsmanagement“ (Infineon 2013, 96) oder „People Performance Management“ (TUI 2009/10, 68). Diese Beispiele ließen sich in ihrer Vielfältigkeit beliebig fortsetzen. Was wird damit bewirkt? Im Ergebnis werden simple Tätigkeiten mit dem höherwertigen Begriff ‚Management‘ verbunden. Damit macht man sich wichtig und plustert sich auf. Ob das der Funktion selbst hilft, ist sehr zu bezweifeln. Ein kleineres Maß mehr an Bescheidenheit könnte dem Ansehen im Einzelfall nicht schaden und wäre manchmal sogar der bessere Weg, sich in Szene zu setzen.

3.5 Adjektive Ein auffallender Stilzug ist der häufige Gebrauch von Adjektiven als Ausdruck von Vergleichsurteilen. Es reicht nicht „besser“ zu sein. Nein: Es muss schon „deutlich besser“ sein. Sonst ist man nichts. Das Adjektiv wird oft nur verwendet, um einer Aussage Nachdruck zu verleihen, erweckt in zahlreichen hier zugrunde liegenden Fällen jedoch den Eindruck einer meinungsbeeinflussenden Selbstbewertung bis hin zu Selbstlob. Vor allem die Textsorten Aktionärsbrief und Lagebericht weisen eine hohe Adjektivfrequenz auf. Für andere Textsorten wie für den Finanzbericht mit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang gilt diese Aussage nicht. Hier dominiert der trocken-rationale Stil der Sprache der Buchhalter, was nicht selten zu Lasten der Verständlichkeit geht. Bleiben wir also zunächst bei dem Lagebericht, der sowohl Aussagen zu Chancen und Risiken der Unternehmensentwicklung enthält als auch einen Personalbericht sowie Berichtsteile zu nicht finanziellen Werten, zu Forschung und Entwicklung und einigen weiteren Ressorts sowie vielfach einen Bericht über die Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung. Nach ihrer Häufigkeit gezählt sind Adjektive wie konsequent, strategisch, nachhaltig, global, innovativ, ganzheitlich, herausfordernd und systematisch die bevorzugtesten Vokabeln in Geschäftsberichten. Sie stellen gleichsam den ideologiestilistischen Kern der zeitüblichen Inszenierung von Wirtschaftsakteuren dar.

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Dass ein Unternehmen „nachhaltig wirksame Ergebnisse“ (BMW 2012, 165) erzielen möchte und womöglich erreicht, ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit. Was denn sonst? Gleiches gilt für eine „nachhaltige Wertschaffung“ (Lufthansa 2012, 33). (Die Nachhaltigkeitsdebatte ist hier nicht Gegenstand der Betrachtung. „Nachhaltige Wertschaffung“ kann – wie hier – unabhängig davon als beständig, substanzerhaltend etc. verstanden werden.) Wenn nicht, wäre der Unternehmenszweck verfehlt. Und wenn ein Betrieb etwas ‚weiterentwickelt‘, dann muss es nicht zwangsläufig ‚konsequent‘ sein. Entweder man widmet sich einer Sache voll und ganz, oder man lässt es bleiben. Das Adjektiv konsequent ist allein schon deswegen überflüssig, weil der Anleger implizit davon ausgeht, dass eine Entwicklung systematisch und somit auch konsequent verfolgt wird. Sofern nicht, wäre das Vertrauen schnell aufgebraucht. Weiter ist zu fragen, weshalb eine „Zielsetzung“ unbedingt eine „klare“ (Merck 2012, 38) sein muss. Eine unklare wird ja keiner einem Unternehmen unterstellen wollen. Eine Zielsetzung hat es in sich, klar zu sein. Sonst entblößt die Zielsetzung ihren sprachlichen und sachlichen Wert. Der übertriebene Gebrauch von Adjektiven erweckt den Verdacht, dass hier etwas schöngeredet und Tatkraft demonstriert werden soll, schafft also bei einem kundigen Anleger eher Misstrauen: „Ein entschlossenes Eintreten“ und eine „zukunftsweisende Personalpolitik“ gelten als „zwingende Voraussetzungen“ für einen „nachhaltigen unternehmerischen Erfolg“ (Deutsche Bahn Konzern 2012, 26).

4 Der Geschäftsbericht als Komplex von funktionsverschiedenen Teiltexten Ein Geschäftsbericht ist ein Gemeinschaftswerk. Zahlreiche Textproduzenten aus unterschiedlichen Fachabteilungen sind in unterschiedlichen Rollen an der Produktion beteiligt. Sie sind oft das ganze Jahr über mit den vorbereitenden Arbeiten beschäftigt. Hinzu kommen außerdem die in großen Wirtschaftsunternehmen ebenfalls ganzjährig tätigen Wirtschaftsprüfer; fallweise Juristen und externe Berater. Für den Druck, Layout, Lektorat etc. und die Einstellung auf der Website werden weitere Spezialisten herangezogen. Alle stehen unter dem Druck enger Terminsetzungen. Zu vergegenwärtigen hat man sich des Weiteren auch, dass die Geschäftsberichte börsennotierter Unternehmen ca. 200 bis 300 Seiten Umfang haben. Einige gehen noch deutlich darüber hinaus. Die rechtzeitige Veröffentlichung des Berichts lediglich vier Monate nach Geschäftsjahresabschluss bedingt eine außerordentliche Koordinationsleistung (und einen hohen Zeitdruck), die nicht gering geschätzt werden sollte. Sieht man auf die hier sehr allgemein dargestellten Bedingungen, unter denen ein Bericht entsteht, wächst das Verständnis dafür, dass nicht immer alles perfekt gelingen kann. Aber auch der Respekt vor der jährlich zu erbringenden Leistung der damit befassten Personen.

Sprache in Geschäftsberichten 

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Ohne Kenntnis der unternehmensinternen Abläufe sowie der durch den Gesetzgeber gesetzten äußeren Bedingungen ist eine gründliche Auseinandersetzung mit der Sprache in Geschäftsberichten nicht möglich. Das gilt auch für die Beurteilung der Berichtsteile wie Aktionärsbrief, Lagebericht und Finanzbericht. Charakteristisch für den Aktionärsbrief als Textsorte ist die persönliche Ansprache der Aktionäre. Vom Lagebericht wird erwartet, dass in ihm der Geschäftsverlauf des vergangenen Jahres verständlich erklärt und erläutert wird, sowie dass er einen Ausblick auf künftige Chancen und Risiken gibt. Ganz anders der Finanzbericht, dem eine eigenständige Rolle zukommt. Hier findet sich das ganze Zahlenwerk; die Vermögens- und Finanzsituation wird belegt und außerdem Einnahmen und Ausgaben summiert auf das zurückliegende Geschäftsjahr ausgewiesen. Im Finanzbericht manifestiert sich die informative Funktion eines Geschäftsberichts in eindringlicher Weise. Kommunikationsfähigkeit wird zu einer Sache der Bilanzierung. Im Folgenden wird auf einige dieser Berichtsteile näher eingegangen.

4.1 Finanzbericht Verfasst wird der Finanzbericht i. d. R. vom Bereich Financial Reporting oder ähnlich gelagerten Funktionen. Die konsolidierten Daten kommen aus der Finanzbuchhaltung und werden mittels elektronischer Programme erstellt. Erheblichen Einfluss auf die Darstellung haben Wirtschaftsprüfer, die den Finanzbericht prüfen und testieren, ggf. auch Compliance-Beauftragte. Genauigkeit geht hier vor Sprachästhetik. Trotz der unvermeidlichen Komplexität der Financial Statements bleibt zu fragen, ob Sätze wie die unten aufgeführten wirklich hilfreich sind. Relevant sind derart komplexe Informationen bestenfalls für ein begrenzte Anzahl gut ausgebildeter Nutzer. Natürlich sind Unternehmen in der Wortwahl nicht ganz frei, da sie sich an gesetzgeberische und regulatorische Vorgaben zu halten haben. Erklärend ist hinzuzufügen, dass fast alle Unternehmen nach IFRS (International Financial Reporting Standard) bilanzieren und die dort verwendeten Begriffe einen Standard bilden. Fast alle Geschäftsberichte enthalten ein ausführliches Glossar, in dem Begriffe wie Hedge Accounting, Capital Employed, Fair Value oder Compound Annual Growth Rate etc. erklärt werden. Es ist ein Irrglaube, zu meinen, dass alle Details für jedermann verständlich sind. Die Art, wie Informationen präsentiert und Termini erklärt werden, kann aber helfen, einen klaren Überblick über komplexe Vorgänge zu geben. Gefordert ist: Eine Präsentation und Bekanntgabe von Information so einfach wie möglich zu gestalten, um eine vertrauenswürdige Repräsentation der relevanten Informationen zumindest für den ‚verständigen Anleger‘ zu erreichen. Unter an die 60 ausgewerteten Geschäftsberichten des Jahrgangs 2012/13 war nur ein Unternehmen (Voith 2013) zu finden, welches eine „redaktionelle Betreuung“ des Finanzberichts genannt hat. Üblicherweise ist der Finanzbericht das Stiefkind des Lektorats, was auch die folgenden Beispiele belegen mögen:

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Das Ökonomische Kapital für das handelsbezogene Ausfallrisiko des Korrelationshandelsportfolios wird unter Nutzung des umfassenden Risikoansatzes (Comprehensive Risk Measure) berechnet. (Deutsche Bank 2012, 163) Eine aggregierte Differenz zwischen Transaktionspreis und Modellwert wird für die Level-IIIPosten aller Kategorien ermittelt. (Commerzbank 2012, 281) Den kurzfristigen Bruttofinanzschulden stehen kurzfristige Wertpapiere in Höhe von 8223 Mio. EUR, Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente in Höhe von 1,218 Mrd. EUR sowie eine derzeit ungezogene, syndizierte Kreditfazilität über 2,5 Mrd. EUR mit einer Laufzeit bis 2015 gegenüber. (Linde Finanzbericht 2012, 61) Gegenüber den berichteten erwarteten Erträgen aus Planvermögen von rund 81,3 Mio. € ergäbe sich bei angenommener Verwendung der derzeitigen Diskontierungssätze für die Anwartschaftsbarwerte zur Ermittlung des Ertrages aus dem Planvermögen lediglich ein erwarteter Ertrag von 66,4 Mio. €. (TUI 2012/13, 241) Neben dem EBITA vor Sondereinflüssen wurde 2012 der Business Free Cash Flow als Kennzahl eingeführt. (Merck 2012, 57) Die Firmenwerte (ohne Firmenwerte für nach der Equity-Methode bilanzierte Beteiligung) sind den CGUs der Business Areas zugeordnet. Die Bestimmung des erzielbaren Ertrags einer CGU erfolgt durch Ermittlung des Nutzwerts mit Hilfe der Discounted-Cash-Flow-Methode. (ThyssenKrupp 2012, 142) Das Netto-Zinsergebnis errechnet sich zukünftig auf Basis der Netto-Pensionsverbindlichkeiten/vermögenswerte, die sich aus den bestehenden leistungsorientierten Pensionsplänen ergeben. (E.ON 2012, 121)

Selbstverständlich lässt sich gegen Einzelkritik immer einwenden, dass einzelne Sätze aus dem Zusammenhang heraus nicht besonders aussagekräftig sind. Für die hier genannten Beispiele trifft das aber nicht zu. Das sprachliche Umfeld liest sich nicht viel besser. Fazit: Der Finanzbericht ist stark informationsgetrieben. Auf rhetorische Ausschmückung kann in diesem Berichtsteil verzichtet werden. Die Sprache ist nüchtern und sachbezogen  – redensartlich eben „so trocken wie ein Geschäftsbericht“. Das drückt sich auch darin aus, dass Adjektive kaum vorzufinden sind. Literarische Ansprüche sind fehl am Platz. Jedoch sollten auch Zahlen und Fakten in einer Weise dargeboten werden, dass ihr Informationsgehalt verstanden und behalten wird. Und gleichermaßen wichtig ist es, die Zahlen im Kontext und je nach Anlass im Vergleich (zum Vorjahr, zur Branche etc.) zu präsentieren, damit aus Daten wirklich sprechende Informationen werden. Sprachlosigkeit können sich Unternehmen immer weniger leisten.

4.2 Personalbericht In den Personalberichten, die Bestandteile des Lageberichts sind, erfahren wir viel über die in den Unternehmen vorherrschende Denkweise und Kultur, des Umgangs miteinander – über das Verhältnis von ‚denen da oben‘ mit ‚denen da unten‘. Was die großen Konzerne über ihre Mitarbeiter schreiben, ist durchaus widersprüchlich, z. T. sogar entlarvend hinsichtlich selbst gesetzter Ansprüche.

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Auf der einen Seite steht das Bemühen, als sozial zu gelten, dem Leser eine Vorstellung zu vermitteln, was Personalpolitik und betriebliche Sozialpolitik heute zu leisten vermögen. Auf der anderen Seite werden viele Themen nur angerissen und manche unangenehme Wahrheiten gar nicht erst ausgesprochen. (Schnorbus/Piwinger 2010, 1)

In den Texten der Personalberichte spiegelt sich die heute viel zitierte „Corporate Social Responsibility“ (gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein) allerdings selten wider. Ganz im Gegenteil: Die Unternehmen schaffen es nicht oder tun sich schwer, „den Wert und das Potenzial ihrer Mitarbeiter für diese selbst, für Anleger und Kunden und die Öffentlichkeit angemessen zu umschreiben“ (Piwinger/BiehlMissal 2009, 2). In einigen Passagen werden die Mitarbeiter überschwänglich gelobt: das Gesicht des Konzerns, eine tragende Säule, knappes Gut, wertvollste Ressource, Schlüssel für den Erfolg, Garant für den Unternehmenserfolg oder ein zentraler Erfolgsfaktor, kreativer Leistungsträger u. v. a. m.; an anderer Stelle wenig zimperlich mit sachlicher Rhetorik bedacht: Personalressourcen werden abgebaut, ein- und ausgegliedert, hin und her geschoben, gestrafft, reduziert und verschlankt (vgl. Piwinger/ Biehl-Missal 2009). Allerdings wird der Euphemismus freisetzen heute nicht mehr verwendet. Der Eindruck, der aus dieser Widersprüchlichkeit entsteht, ist oft fragwürdig und kann negative Folgen haben. Selbst die als ‚zahlenfixiert‘ geltenden Finanzanalysten ziehen daraus durchaus ihre Schlüsse. Und nicht zu vergessen: Auch Bewerber für Spitzenpositionen orientieren sich an der Tonalität der Unternehmensaussagen und bei weitem nicht nur an den Unternehmenszahlen. Paradoxerweise wird der Mitarbeitende gern als kreativer Leistungsträger gelobt, dann aber wieder sprachlich wie eine Sache behandelt. „Gerade die Klassifizierung als „Kapital“ reduziert den Menschen auf seinen wirtschaftlichen Wert“ (Piwinger/Biehl-Missal 2009, 10). Im Begriff der Human Ressources (auf Deutsch: Personal) findet diese Haltung beredten Ausdruck und ist der „Ausgangspunkt sprachlicher und kommunikativer Verirrung“ (ebd.). Wie in allen anderen hier besprochenen Fällen wird die Sprache zum ‚Verräter‘: Sie lässt unbequeme Rückschlüsse auf den Zustand des Unternehmens zu. Die Floskel vom Menschen, der im Mittelpunkt steht, wird fragwürdig. Gemeint ist wohl: „Der Mensch ist Mittel. Punkt.“ In welchem Ausmaß besonders die Benennungen für Mitarbeitende bzw. Personal Teil eines ideologischen Bemühens um den Nachweis der Modernität sind, zeigen die nachfolgenden Belege. Sie entlarven den dahinter stehenden Geist der Unternehmer. „Neue Worte zu künsteln, wo Sprache schon so an Ausdrücken für gegebene Begriffe keinen Mangel hat, ist eine kindische Bemühung.“ (Kant 2011, 712). Schauen wir uns unter diesem Gesichtspunkt die folgende Auswahl des im Personalteil verwendeten Sprachvokabulars an. Jedem steht es frei, sich darüber eine Meinung zu bilden. Personalbezogenes Sprachvokabular aus Geschäftsberichten: Kopfzahl, Young Professionals, Frauenquote, Home-Office-Vereinbarungen, Leadership Entry Program, Diversity, Jobsharing, Hochschulstrategie, Arbeitgeberranking, Personalmarkt, Mitar-

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beiterbefragungen, Rekrutierung, Potenzialträger, Human Ressources, Ideengenerierung, GlobalTalent-Management-Prozess, Geschlechtermix, Altersvorsorgestrategie, Krankheitsquote, Aufhebungsvertrag, Beendigungskündigungen, Arbeitgeberattraktivität, People Manager Development Programm, Wunscharbeitgeber, Talentmanagement, Führungskompetenz, Vollzeitäquivalent, Personalkostenanpassung, Personalprozesse, Reisebeschränkungen, Personalsituation, Nachwuchssicherung, kundenorientierte HR-Kommunikationskanäle, Personalrisiken, Personalsteuerung, Personalstrategie, Personalinstrumente, Performance- und Potenzialmanagementsystem, Personalkapazitäten, Leistungsbeurteilung, Personalkapazitäten, Personalmarketing, Leistungsbeurteilung, Personal- und Sozialaufwendungen, Personalanpassung, Potenzialschätzungsverfahren, Freistellungen, Mitarbeiterpotenzial, sozialverträgliche Lösungen, Arbeitskampfmittel, Einstellungsstopp, Vertrauensarbeitszeit, Führungsprozess, Leistungsbeurteilung, Arbeitszeitmodelle, Bewerberzahlen, HR-Strategie, Personalumbau, Personalbestandsentwicklung, Personalrestrukturierung, Personalaufwandsquote, personalpolitische Maßnahmen, Demografieprogramm, Feedbackprozesse, Entwicklungspotenzial, Unternehmenskultur, Qualifizierungsoffensive, Personalentwicklung, Qualität des Personalkörpers, 360-Grad-Feedback, Recruiting, Trainee, Karrierestufenmodell, global Leadership, Integrationsprogramm, E-Learning-Konzepte, War of Talents, Karrierewege, Personalbildungskonzepte, Top-Management, personalwirtschaftliche Richtlinien, Equal Opportunities Employer, Corporate University, Mitarbeiterbedürfnisse, Betreuungsquote, Leadership Supply, Executive Academy, Code of Conduct, Commitment and Behavior, Management Summit, Arbeitgebermarke, People Exzellence, Altersteilzeit, Personalrisiko, Belegschaftsanstieg, Verhaltenskodex, Hochschulmarketing, Einstiegsprogramme, Arbeitskräfte, Grading-System, Employer Branding, restrukturierungsbetroffene Beamte, Personalüberhänge, Transfermitarbeiter, Personalumbauprozess, Wertgerüst, Vollzeitkräfte, Beschäftigungsplus, Integration, Humankapital, Verantwortungsträger, Beschäftigungspakt, Talentpipeline, Feedbackkultur, Beschäftigungsperspektive, Global Rewards Policy, Talent & Succession Management, High-Performance-Unternehmenskultur, Beförderungsprozesse, Altersstrukturanalyse.

Die Unternehmen vermitteln hier ein wenig menschliches Bild vom Mitarbeiter. Besondere Reflexion und kommunikatives Einfühlungsvermögen wird hier nicht deutlich. Es wird zu wenig darüber nachgedacht, was man damit anrichtet. Schließlich kann es auch für das Selbstwertgefühl der Betroffenen nicht egal sein, wenn über sie versachlicht als ‚Personalkapazität‘, ‚Ressource‘ u. Ä. geschrieben wird. (Piwinger/Biehl-Missal 2009, 14)

Textkritik kann – wie hier – auch als Institutionenkritik verstanden werden.

4.3 Der Aktionärsbrief Rubriziert wird der Aktionärsbrief entweder unter der Nennung der Adressaten wie An unsere Aktionäre oder unter Zuhilfenahme der Textsortenbezeichnung: Aktionärsbrief, Brief an die Aktionäre oder Brief des Vorstandssprechers. Es folgt dann oft eine faksimilierte, handschriftliche Anrede und am Ende eine ebenfalls faksimilierte Grußformel, die höchst verschieden gewählt ist: „Für den Vorstand“ (Siemens 2013), „Ihr“ (Beiersdorf 2011), „mit besten Grüßen“ (Munich Re

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2011), „mit freundlichen Grüßen“ (Continental, 2011), oder sogar „mit herzlichen Grüßen“ (Clariant 2011). Üblich sind die Nennung der Position und  – falls vorhanden  – des akademischen Titels: „Dr. Ing. Heinrich Hiesinger Vorsitzender des Vorstands“ (ThyssenKrupp 2011/2012). In einigen wenigen Fällen fehlt eine Grußformel (Deutsche Börse 2012). Der Aktionärsbrief (der gebräuchlichste Begriff) ist nicht prüfungspflichtig, unterliegt also nicht dem Testat der Wirtschaftsprüfer. Ihm kommt aber innerhalb des Berichts eine besondere Rolle zu. Der Aktionärsbrief eröffnet die Berichterstattung und weckt (im Idealfall) sozusagen das Interesse. Oft ist ihm ein ganzseitiges Foto des betreffenden Vorstandsvorsitzenden vorangestellt. Das verschafft die gewünschte Aufmerksamkeit und öffnet die Ohren. Einleitungen und Schlussworten fällt eine wichtige Funktion zu, wenn es um Kontextualisierung und Situierung geht. Dem Aktionärsbrief fällt ein hervorgehobener Status deshalb zu, weil es der einzige Textteil ist, in dem sich der Vorstandsvorsitzende direkt an die Eigner (Aktionäre) wendet. Seine Autorität verleiht dem Aktionärsbrief Gewicht. Gerade die Briefform bietet Gelegenheit, eine positive Beziehung zum Leser aufzubauen, ihn an das Unternehmen zu binden, Wertschätzung und Respekt zu kommunizieren sowie mittels eines individuellen Gesprächstons Nähe herzustellen. (Ebert/Piwinger 2009, 29)

Mit der hier gebotenen Möglichkeit gehen Unternehmen im Allgemeinen recht fahrlässig um und verschenken auf diese Weise Vertrauensgewinne. Zugleich zeigen sie einen Mangel an Textsorten- und Nuancenkompetenz, denn häufig lesen sich die Texte wie ein abgekürzter Lagebericht. Die Briefform wird nicht gewahrt, was sich daran zeigt, dass eine persönliche Ansprache fehlt. Viele ‚Briefe‘ sind rein absenderbezogen. Die Textqualität ist in sehr vielen Fällen unterdurchschnittlich: monotone Sprache, unverbindliche Phrasen und Floskeln. Den meisten Texten fehlt Engagement und Nähe. Selten scheinen die Texte vom Endunterzeichner selbst zu stammen, sondern es sind Gremientexte ohne individuelle Handschrift. Selbstbezug und Selbstlob dominieren. Schlechte Ergebnisse werden schöngeredet oder versteckt. Eigenes Fehlverhalten wird nicht in Betracht gezogen. Das schafft weder Vertrauen noch Glaubwürdigkeit. Es wird selten deutlich, welche Themen nun eigentlich wichtig sind. Die übertriebene Selbstdarstellung des Unternehmenserfolgs geht einher mit dem Versuch, schwache Ergebnisse mit „dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld“, der „Eintrübung der Weltkonjunktur“, einem „plötzlichen und massiven Nachfragerückgang“ zu begründen. Zu viele Aktionärsbriefe verfahren nach einem stereotypen Drehbuch: Darstellung widriger Umstände, Hinweis, dass man das Beste daraus gemacht hat, Beteuerung, dass man die Krise als Herausforderung sieht, Vorstellen eines Aktionsprogramms (restrukturieren, Kosten senken, Personal anpassen etc.), Betonung, dass man sich gut gerüstet fühlt, um im Wettbewerb zu bestehen, Dank an die Aktionäre, Versprechen besserer Ergebnisse, Bitte, dem Unternehmen weiterhin die Treue zu halten, abschließende Versicherung:

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Alles wird gut – nur Geduld! (Beispielhaft zu finden im Aktionärsbrief von ThyssenKrupp (2012). Die Zuverlässigkeit der Aussagen des Managements, gemessen am Erreichen der strategischen Ziele, hat einen hohen Stellenwert. Insgesamt enthalten die Aktionärsbriefe zu wenig Angaben, die für das Anlegerverhalten der Aktionäre und Investoren relevant sein können. Stattdessen dominiert Selbstdarstellung. Die hier folgenden Beispiele stammen aus den Aktionärsbriefen von Daimler (2012) und ThyssenKrupp (2012). Das eine Unternehmen auf der Erfolgsspur, das andere in einer mehr oder weniger kritischen Situation (vgl. Ebert/Piwinger 2013): Rekordabsatz erzielt, das hohe Niveau des Vorjahres fortführen, kamen hervorragend an, unsere erfolgreichste Markteinführung aller Zeiten, besser denn je verkauft, unsere globale Aufstellung, unserem weltweiten Absatz, der positive Absatztrend, deutlich steigern, starke neue Produkte, ein weiteres erfolgreiches Jahr, neue Bestmarken, ein Jahr mit vielen Erfolgen, noch deutlich mehr, dynamisch zulegen, umfassende Produktoffensive, weiter ausbauen, wachsen mit höherem Tempo, auf breiter Front, strategische Wachstumsthemen, gestützt auf Innovationen, nachhaltig profitabel, zentraler Baustein, strukturelle Verbesserungen, Entwicklung hochqualifizierter Frauen, festes ethisches Fundament, verantwortliches Handeln, gegenseitiger Respekt, sind auf dem richtigen Weg. (Daimler 2012) schwieriges Jahr, dramatische wirtschaftliche Fehlentwicklung, eine enorme Belastung, strategische Option, Finanzierung und Liquidität auf einer gesicherten Basis, kein einfaches ‚weiter so‘, bin zuversichtlich, verantwortungsvolle Wahrnehmung, als falsch herausgestellt, enorme finanzielle Belastung, gravierende wirtschaftliche Fehlentwicklungen, deutliche Zeichen für einen Neuanfang, viel schief gelaufen, konsequent aufdecken und durchgreifen, viel Zeit und Kraft in Anspruch nehmen, verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen, bin zuversichtlich, ganzheitliches Konzept, dieses enorme Pensum, zukunftsfähige Lösungen, Verschuldung erheblich reduzieren, Ertragskraft nachhaltig verbessern, deutlich vernetzter arbeiten, künftig noch viel konsequenter, Kräfte künftig besser bündeln, viel Stärke, hohen Wertberichtigungen, mengen- und preisbedingte Rückgänge, nachhaltige Verbesserung, mit hohen Unsicherheiten belastet, entscheidende Belebung, traditionell viel Wert, kein Bilanzgewinn ausgewiesen, einen langen Atem erwarten, für eine Dividende leider kein Spielraum, phantastische Mitarbeiter, Versprechen halten, unseren Ankündigungen konsequent Taten folgen lassen, wieder erfolgreich machen, über enormes Wissen verfügen, Weg in einer erfolgreiche Zukunft, gemeinsam, mutig, bitte ich Sie erneut um ihr Vertrauen. (ThyssenKrupp 2012)

5 Textqualität und Textwirkung Einen allgemein gültigen Maßstab für die Textgestaltung in Geschäftsberichten gibt es nicht. Generell spricht nichts dagegen, wenn im finanziellen Teil auf den in hohem Maße fachsprachlich gefärbten Stil der Finanzmarktteilnehmer Rücksicht genommen wird. Die übrigen Berichtsteile, zu denen der Lagebericht gehört, sollten sich jedoch stärker an der Allgemeinsprache orientieren. Hinweise auf den Gebrauch einer verständlichen Sprache finden sich an verschiedenen Stellen der Rechnungs-

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legungsstandards. Als Mindestanforderung gilt, dass die Textqualität den Verstehensvoraussetzungen des verständigen Anlegers zu entsprechen hat (vgl. Piwinger 2014). Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass Unternehmen für ihre Berichte externe Lektorate heranziehen und dies auch im Impressum angeben. Hingegen scheint die früher vielfach übliche Beauftragung von Journalisten rückläufig zu sein. Eine sprachwissenschaftliche und vor allem eine konzeptionelle Herangehensweise können aber auch die Lektorate nicht leisten und auch nicht ersetzen (vgl. Piwinger 2014). Gemessen an der Textqualität schneiden deutsche Berichte im internationalen Vergleich nicht besonders gut ab. Es besteht in dieser Hinsicht noch ein deutlicher Verbesserungsbedarf. Ein derzeit breit diskutiertes Konzept eines integrierten Geschäftsberichts könnte künftig auch zu einem Überdenken der Textgestaltung und deren Wirkung auf den Leser führen. Doch wie sieht es damit aus? In der Praxis wird bei vielen Unternehmenstexten bis hin zu Stellungnahmen von Aufsichtsräten meist nur darauf geachtet, ob die Texte rechtlich und regulatorisch ohne Fehler sind. Die bislang ausführlichste Arbeit über die Sprache des Geschäftsberichtes stammt von Keller (2006). Sie befasst sich im Wesentlichen mit Fragen der Sprachrichtigkeit und des guten Stils. Lediglich eine sehr kurz gefasste Wirkungsanalyse findet sich im Kapitel Wahrnehmungsmanagement (S. 154–157), das auf der Basis von Studierendenurteilen die Verfasser von Aktionärsbriefen nach Persönlichkeitstypen wie z. B. der fürsorglich-väterliche Typus oder der glatte, berechnende Typus einteilt. Vernachlässigt bleibt, welche Wirkung sich bei den professionellen Nutzern nach der Lektüre einstellt und inwieweit die von dem Unternehmen definierten Ziele tatsächlich verstanden und wahrgenommen worden sind. Hier plädiert die aktuell von Ebert entwickelte qualitative Textwirkungsanalyse dafür, Texte als Datenmengen ernst zu nehmen, „auf deren Grundlage die Leser Schlüsse ziehen“ (Ebert/Piwinger 2013, 3). Texte liefern die Basis für Schlussfolgerungen und den Aufbau von Vorstellungsbildern: Was ist das für ein Unternehmen? Wofür steht es? Womit macht es (auch in Zukunft) Geschäfte? Soll ich die Aktie halten, verkaufen oder kaufen? Welchen Eindruck erwecken Vorstand und Aufsichtsrat? Kann ich ihnen vertrauen? Schließlich geht es bei Textwirkungen auch um Rückwirkungen, d. h. um das Selbstverstehen. Nicht wenige behaupten, es brauche Jahre, um einen Konzern wie z. B. Siemens zu verstehen. Auf der Basis von softwaregestützten quantitativen Analysen werden mit Blick auf die spezifischen Erfordernisse der Analyse von Aktionärsbriefen folgende Parameter analysiert: sprachliche Klarheit der Formulierungen, argumentative Stimmigkeit und Themenstruktur (Textmerkmale); Persönlichkeit, Unternehmensidentität und Kompetenzeindrücke (Sendermerkmale); Vertrauen, Commitment und Verständlichkeit als Leseeindrücke (Adressatenmerkmale); Emotionalität, mentale Modelle der Führenden und ihre Denkmuster (Merkmale der Texttiefenstruktur). Anwendungen dieser Art sind sowohl in der externen als auch in der internen Kommunikation möglich. Dies verlangt, dass die Analysedimensionen textsorten- und situationsspezifisch ausgewählt und gewichtet werden (vgl. Ebert/

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Piwinger 2013, 32). Mit einem solchen Ansatz ist es möglich, Texte sprachanalytisch vor oder nach der jeweiligen Veröffentlichung daraufhin zu prüfen, ob die Textqualität stimmt, ob die Aussagen konsistent und korrekt sind und ob sie erreichen, was der Absender damit bezwecken möchte. Letzteres meint den Grad der Übereinstimmung zwischen Senderabsicht und Lesererwartung (ebd.).

6 Abschließende Bewertung Geschäftsberichte unterliegen einer stark ritualisierten und formalisierten Form und sind an bestimmte Vorgaben gebunden. Hinzu kommt, dass eingespielte Abläufe und die jährliche Wiederholung mit einem eng getakteten Textproduktionsprozess den Unternehmen wenig Spielraum für eigenständige Ausdrucksformen lassen. Aber selbst diese Spielräume werden zu wenig genutzt, und es fehlt offensichtlich sowohl an der Fähigkeit, Normenkonflikte zu reflektieren als auch am Mut für textliche Innovation, obwohl gerade hierin eine Chance läge, die Unverwechselbarkeit eines Unternehmens auch sprachlich-kommunikativ zum Ausdruck zu bringen. Wenn Geschäftsberichte die Jahresringe im Leben eines Unternehmens sind, käme es auch gerade in Deutschland mit seiner langen Industriegeschichte darauf an, an Tradition und Geschichte anzuknüpfen und  – trotz unserer schnelllebigen Zeit – Kontinuität zu vermitteln. Diese Kontinuität ist ja stets auch als kontinuierliche Weitergabe bewährten (Erfahrungs-)Wissens zu verstehen. Die Durchsicht von zahlreichen Geschäftsberichten über die Jahre hinweg vermittelt ein ganz anderes Bild. Es sind meist Familienunternehmen oder familienbestimmte Unternehmen, die zu Recht stolz auf ihre Unternehmensgeschichte sind und oft noch den Gründernamen tragen. Der Rest der Unternehmen ‚erinnert‘ sich seiner Herkunft bestenfalls dann, wenn ein Jubiläum ansteht. Selbst bei einem Konzern wie ThyssenKrupp erfährt der Leser im Geschäftsbericht kein Wort darüber, aus welchen beiden Traditionskonzernen wann und aus welchen Gründen das heutige Unternehmen entstanden ist. Etwas zu erzählen haben, zu erklären, woher man kommt und wohin man will, gibt den Texten über die pflichtgemäßen Mitteilungen hinaus Charakter und offenbart so etwas wie die ihm innewohnende ‚Seele‘. Swatch ist das 2012 beispielhaft gelungen. Noch dazu in einem Bericht, den die Präsidentin des Verwaltungsrates mutig, selbstbewusst und augenzwinkernd im Schweizerdeutschen abgefasst hat. Bei einer mehr erzählerischen Sprache lässt sich der Leser mehr auf das Unternehmen ein, versteht es besser und vertraut womöglich den wirtschaftlichen Daten ohne großes Nachfragen. Allein hierin läge ein Gewinn. Gesetzlich wird zur Zielgruppe nichts gesagt. Allerdings haben neuere Regelungen, z. B. Deutscher Rechnungslegungsstandard DRS 20, durchaus den Aktionär als Anspruchsgruppe genannt. Auch die internationalen Bemühungen zum Integrated Reporting (IRC) sehen Investoren und Aktionäre als wichtigste Anspruchsgruppe. Das

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größte Defizit aus sprachwissenschaftlicher Sicht besteht allerdings gerade in einem mangelnden Adressatenbezug, der mangelnden Ausrichtung an den Aktionärsinteressen und deren Leseerwartungen. Die Frage, die sich hier anschließt, lautet: Für wen machen wir den Geschäftsbericht eigentlich? Die meisten Texte wenden sich erkennbar an niemanden, sprechen niemanden in seiner Interessenlage an, bleiben anonym. Nicht das Anlegerinteresse steht im Mittelpunkt oder die souveräne Selbstreflektion unternehmerischen Entscheidens, sondern Selbstlob und egozentrischer Selbstbezug – nach dem Motto: Wir, die wir gut sind. Es sind immer noch die in einer alten Tradition stehenden Rechenschaftsberichte, die zwar eine Fülle an Informationen enthalten, aber den Aktionären viel zu geringe direkte Orientierungshilfen für ihre Anlageentscheidungen bieten. Allzu häufig vermisst man auch den roten Faden und einen Bezug auf den materiellen, praktischen und sozialen Nutzen der Dienstleistungen und Produkte. „Analysten und Investoren verlangen heute mehr, um ein Unternehmen zu begreifen und nach den gewonnenen Eindrücken zu bewerten“ (Schnorbus/Piwinger 2011, 6 f.). Also: Weshalb sollte es sich lohnen, in das jeweilige Unternehmen zu investieren und Anleger dafür zu begeistern. Vorbildlich ausgedrückt findet man diese Überlegungen in einem Geschäftsprinzip von Berkshire Hathaway von Warren Buffet, wo es heißt: Wir versetzen uns in die Lage des Anlegers und überlegen uns, welche Fakten über unser Unternehmen uns interessieren würden. Genau diese Fakten veröffentlichen wir dann. (Di Piazza/ Eccles 2003, 143)

Andernfalls ist die Berichterstattung defizitär. Die Fähigkeit zu kommunizieren wird für Unternehmen immer mehr zu einer Schlüsselqualifikation. Dieses gilt ganz besonders für die Entscheider auf der Vorstandsebene und immer mehr auch für die Aufsichtsräte.

7 Literatur 7.1 Quellen Soweit Firmennamen als Quelle angegeben sind, betrifft dies die Geschäfts- oder Finanzberichte über das jeweilige Geschäftsjahr. Veröffentlichungszeitpunkt ist immer das darauf folgende Jahr. adidas AG (2013): Geschäftsbericht 2013. Herzogenaurach. In: http://www.adidas-group.com/ media/filer_public/2014/03/05/adidas-group_gb_2013_de.pdf (Zugriff am 16.06.2014). BASF SE (2012): Geschäftsbericht 2012. Ludwigshafen. In: http://www.basf.com/group/corporate/ de_DE/function/conversions:/publishdownload/content/about-basf/facts-reports/ reports/2012/BASF_Bericht_2012.pdf (Zugriff am 16.06.2014).

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Siemens AG (2013): Geschäftsbericht 2013. München. In: http://www.siemens.com/investor/pool/ de/investor_relations/siemens_jb_2013.pdf (Zugriff am 17.06.2014). Swatch AG (2012): Geschäftsbericht 2012. Biel. In: http://www.swatchgroup.com/de/investor_ relations/jahres_und_halbjahresberichte/fruehere_jahres_und_halbjahresberichte (Zugriff am 17.06.2014). TUI AG (2009/2010): Geschäftsbericht 2009/2010. Hannover. In: http://goo.gl/NJZTHK (Zugriff am 07.07.2014). TUI AG (2011/2012): Geschäftsbericht 2011/2012. Hannover. In: http://geschaeftsbericht2011-12. tui-group.com/fileadmin/ONGB12/PDF_DE/TUI_GB12_Deutsch.pdf (Zugriff am 07.07.2014). ThyssenKrupp AG (2011/2012): Geschäftsbericht 2012. Essen. In: http://www.thyssenkrupp.com/ documents/investor/Finanzberichte/ger/ThyssenKrupp_2011_2012_GB.pdf (Zugriff am 07.07.2014).

7.2 Sekundärliteratur Di Piazza, Samuel A./Robert G. Eccles (2003): Vertrauen durch Transparenz. Die Zukunft der Unternehmensberichterstattung. Weinheim. Ebert, Helmut. (2002): Der Geschäftsbericht zwischen Tradition und Innovation. Reflexionen über Textsortenstil und Sprachbewusstheit. In: John A. Bateman/Wolfgang Wildgen (Hg.): Sprachbewußtheit im schulischen und sozialen Kontext. Frankfurt a. M. u. a., 139–150. Ebert, Helmut/Manfred Piwinger (2009): Riskante und kompetente Kommunikation in Aktionärsbriefen. In: Günter Bentele/Manfred Piwinger/Gregor Schönborn (Hg.): Kommunikationsmanagement. Strategien, Wissen, Lösungen. (Loseblattwerke 2001 ff., Art. 3.64). Köln, 1–24. Ebert, Helmut/Manfred Piwinger (2013a): Informationsschichten im Aktionärsbrief. Ein Beitrag zu einer Diagnostik der Stakeholder-Kommunikation. In: Günter Bentele/Manfred Piwinger/Gregor Schönborn (Hg.): Kommunikationsmanagement. Strategien, Wissen, Lösungen. (Loseblattwerk 2001 ff., Nr. 3.97). Köln, 1–34. Ebert, Helmut/Manfred Piwinger (2013b). Kommunikationsdiagnostik. Eine Beispielanalyse von Aktionärsbriefen mit Hilfe des kritisch-dynamischen Modells nach Ebert (TWA). In: Günter Bentele/Manfred Piwinger/Gregor Schönborn (Hg.): Kommunikationsmanagement. Strategien, Wissen, Lösungen. (Loseblattwerke 2001 ff., Nr. 4.43). Köln, 1–34. Kant, Immanuel (2011): Die drei Kritiken. Köln. Keller, Rudi (2006): Der Geschäftsbericht. Überzeugende Unternehmenskommunikation durch klare Sprache und gutes Deutsch. Wiesbaden. Kirchhoff, Klaus Rainer/Manfred Piwinger (2014): Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations. In: Zerfaß/Piwinger, 1079–1098. Piwinger, Manfred (2003) (Hg.): Ausgezeichnete Geschäftsberichte. Von Profis lernen. Fallbeispiele außergewöhnlicher Präsentationen. Frankfurt a. M. Piwinger, Manfred (2014): Geschäftsberichte als Mittel der Information und Beziehungspflege. In: Zerfaß/Piwinger, 787–802. Piwinger, Manfred/Brigitte Biehl-Missal (2009): Der Mensch: Vom kreativen Leistungsträger zum Humankapital. Eine Diskussion der sprachlichen Darstellung von Mitarbeitern in Geschäftsberichten. In: Günter Bentele/Manfred Piwinger/Gregor Schönborn (Hg.): Kommunikationsmanagement. Strategien, Wissen, Lösungen. (Loseblattwerk 2001 ff., Nr. 5.39). Köln, 1–16. Schnorbus, Axel/Manfred Piwinger (2010): Was in Geschäftsberichten über Mitarbeiter steht. Viel Lob und Eigenlob, aber manche Wahrheit wird verschwiegen. In: Günter Bentele/Manfred

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 Manfred Piwinger

Piwinger/Gregor Schönborn (Hg.): Kommunikationsmanagement. Strategien, Wissen, Lösungen. (Loseblattwerk 2001 ff., Nr. 1.43). Köln, 1–21. Sennett, Richard (1990): Autorität. Aus dem Amerikanischen von Reinhard Kaiser. Frankfurt a. M. Zerfaß, Ansgar/Manfred Piwinger (Hg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Strategie – Management – Wertschöpfung. 2., vollst. überarb. Aufl. Wiesbaden.

Elke Ronneberger-Sibold/Sabine Wahl

17. Werbung

Abstract: Der Artikel stellt Werbung anhand von einschlägiger Literatur und eigenen Forschungen zur Werbung in Deutschland und anderen Ländern dar. Dabei beziehen wir auch Werbespots in Kino, Fernsehen und Hörfunk sowie Internetwerbung in ihrem sich wandelnden gesellschaftlichen Kontext ein. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der persuasiven Funktion von Werbung sowie auf dem qualitativen und quantitativen Zusammenspiel der Zeichenmodalitäten Sprache, Bild, Musik und Geräusche. Mehrere Analysemethoden werden kritisch gesichtet. Die Sprachanalyse umfasst alle Ebenen vom Laut bis zum Text in allen Textbausteinen (Schlagzeile, Fließtext, Slogan, Markenname usw.). 1 Einleitung: Definition, Funktionen, Einflussfaktoren von Werbung 2 Die Werbeanzeige 3 Andere Formen der Printwerbung 4 Werbung im Fernsehen 5 Werbung im Hörfunk 6 Werbung im Kino 7 Werbung im Internet 8 Ausblick 9 Literatur

1 Einleitung: Definition, Funktionen, Einfluss­ faktoren von Werbung Werbung ist ein interdisziplinäres Phänomen. Sie vereint sprachliche, graphische, bildliche, eventuell auch filmische und musikalische Aspekte mit wirtschaftlichen, psychologischen, soziologischen, historischen sowie kommunikations- und medienwissenschaftlichen. Entsprechend breit gestreut sind die wissenschaftlichen Zugänge und die entsprechende Literatur. Dieser Artikel konzentriert sich auf die sprachliche Seite und gegebenenfalls ihr Zusammenspiel mit den anderen Zeichenmodalitäten Bild, Musik und Geräusche. Wirtschafts- und gesellschaftswissenschaftliche Aspekte sind nur einbezogen (insbesondere in der Einleitung), soweit sie für das Verständnis der sprachlichen und semiotischen Charakteristika von Werbung hilfreich sind. Die erste und bis heute ‚klassische‘ größere Monographie zur Sprache in der Werbung ist Römer (1980), die derzeit führende wissenschaftliche Einführung Janich (2013), daneben auch Eichler (2009) und Sowinski (1998). Ein umfassendes Hand-

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buch ist Janich (Hg.) (2012), eine aktuelle Bibliographie Janich (2014). Allgemeine geschichtliche Darstellungen sind Buchli (1962–1966) und Reinhardt (1993).

1.1 Definition und Bewertung von Werbung Als Ausgangspunkt einer primär sprachlichen Behandlung des Phänomens Werbung eignet sich die folgende Definition von Hoffmann (1981, 10): Werbung wird die geplante, öffentliche Übermittlung von Nachrichten dann genannt, wenn die Nachricht das Urteilen und/oder Handeln bestimmter Gruppen beeinflussen und damit einer Güter, Leistungen oder Ideen produzierenden oder absetzenden Gruppe oder Institution (vergrößernd, erhaltend oder bei der Verwirklichung ihrer Aufgaben) dienen soll.

Folgende Elemente dieser Definition sind besonders geeignet, Werbung von anderen, verwandten Kommunikationsformen abzugrenzen: Werbung ist extrem persuasiv: Das unterscheidet sie von rein informativen Text­ sorten wie etwa der Nachricht. Selbst wenn zur Erreichung des Persuasionsziels Informationen über den beworbenen Gegenstand wie z. B. ein Produkt oder eine Partei geliefert werden, stehen diese Informationen doch im Dienst der persuasiven Absicht. Dies gilt im Prinzip auch für die so genannten Public Relations (PR/Öffentlichkeitsarbeit), durch die Unternehmen oder Institutionen sich der Öffentlichkeit als Ganze präsentieren, z. B. vermittelt über Pressemitteilungen, Geschäftsberichte und dergleichen (Schweiger/Schrattenecker 2013, 127–129). Da aber hier die Informationsfunktion ungleich prominenter ist als etwa bei der reinen Wirtschaftswerbung für Produkte und Dienstleistungen, beschränken wir uns im Folgenden auf Letztere als den prototypischen Fall. Dadurch wird auch Werbung für Institutionen wie etwa Parteien oder karitative Organisationen ausgeschlossen. Sinngemäß werden in ihnen jedoch die gleichen persuasiven Mittel eingesetzt wie in der Produktwerbung. Werbung in diesem Sinne dient der Durchsetzung der wirtschaftlichen Interessen ihres Senders. Dies unterscheidet sie von anderen Formen der Beeinflussung der öffentlichen Meinung z. B. durch Kommentare in den Massenmedien, Unterricht in Bildungsinstitutionen, Predigten usw. sowie von der schönen Literatur. Häufig werden jedoch verschiedene literarische Formen und Stilmittel in der Werbung benutzt wie z. B. die Erzählung, das Lied usw. sowie rhetorische Figuren (s. u.). Klassische Werbung ist eine öffentliche Form der Nachrichtenübermittlung. Sie richtet sich nicht an einzelne Individuen, sondern an bestimmte gesellschaftliche Zielgruppen. Das unterscheidet sie von der privaten Empfehlung, auch wenn v. a. in der so genannten Testimonial-Werbung (s. u.) genau der Eindruck einer persönlichen Empfehlung „von Mensch zu Mensch“ erzeugt werden soll. Im Allgemeinen wird die Werbebotschaft der Zielgruppe unaufgefordert und einseitig übermittelt: Eine Einleitung der Kommunikation oder auch nur eine unmittelbare verbale Reaktion durch

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einen individuellen Empfänger wie etwa in einem Beratungsgespräch ist nicht intendiert und meistens gar nicht direkt möglich. (Über scheinbare (inszenierte) Kontaktaufnahme und Dialogizität in der Werbung s. Cherubim 1984, Sauer 1998, Wahl demn.). Allerdings kann durch Werbung zu einem solchen (Pseudo-)Gespräch eingeladen werden. Auch bietet das Internet neue Möglichkeiten der direkten individuellen Kontaktaufnahme (Schüler 2013, 77, 106–113). Ein weiteres Kriterium ist die Unverbindlichkeit der Werbebotschaft für ihre Empfänger. Diese können sie einfach ignorieren (und tun das in den meisten Fällen auch). Dies unterscheidet Werbung von öffentlichen Aufforderungen und Anordnungen. Dennoch werden zunehmend auch öffentliche Botschaften, die ihrer Natur nach eigentlich Anordnungen sind, wie z. B. seinerzeit die Einführung der fünfstelligen Postleitzahlen oder der Mülltrennung, der Bevölkerung durch regelrechte Werbekampagnen präsentiert, die sich durchaus mit Produktwerbung vergleichen lassen. Insgesamt stellt die sprachliche Seite der Werbung also zwar eine eigene, funktional definierbare Textsorte bzw. Sprachhandlung dar, diese hat jedoch enge Berührungspunkte mit anderen, mehr oder weniger verwandten Textsorten/Sprachhandlungen. Letztere können entweder in einen Werbetext integriert und damit der werbenden Absicht untergeordnet sein, oder umgekehrt kann eine als zu autoritär empfundene Textsorte/Sprachhandlung wie etwa eine amtliche Anordnung der Öffentlichkeit als Werbung präsentiert werden, um die Akzeptanz zu erleichtern. In beiden Fällen kann man eine ‚Tarnung‘ der eigentlichen kommunikativen Absicht erblicken. Dies hat der Werbung den Vorwurf der Unaufrichtigkeit, ja der Manipulation bis hin zur Verführung der Verbraucher eingetragen. Eine Zusammenstellung der Argumente findet sich in Kollmann (1994), bekanntestes Beispiel ist Packard (1992). Die negative Sicht auf Werbung kommt in den teilsynonymen Begriffen Reklame und Propaganda zum Ausdruck, die im Gegensatz zum neutralen Begriff Werbung zunehmend negative Konnotationen wie Unehrlichkeit, Übertreibung, Marktschreierei entwickelt haben. Dabei bezieht Reklame sich vorwiegend auf Produkte und Dienstleistungen, Propaganda hingegen eher auf Ideen und Meinungen (http://www.duden.de). Gegen den Vorwurf der Manipulation kann argumentiert werden, dass aufgeklärte Verbraucher in einer modernen Konsumgesellschaft der Werbung nicht naiv ausgeliefert sind, weil sie sie als solche erkennen und um ihren Zweck wissen (Wehner 1996, 152). Nach dieser Interpretation nähert sich das Verhältnis zwischen Sendern und Empfängern von Werbung, etwas überspritzt ausgedrückt, eher einer Art subtilem Gesellschaftsspiel um Glaubwürdigkeit, intellektuelle Unterhaltsamkeit und ästhetische Qualität (vgl. Gau 2007, 256 „advertainement [sic]“; auch Stöckl 2008a).

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1.2 Funktionen von Werbung Die grundlegende persuasive Funktion der Werbung hat zwar als Endziel eine Handlung der Adressaten wie den Kauf eines Produktes oder die Wahl einer Partei, aber der Weg dorthin lässt sich in kleinere Teilziele zerlegen, die unterschiedliche Anforderungen an die formale Gestaltung von Werbung stellen. Sehr bekannt ist in diesem Zusammenhang die so genannte AIDA-Formel, ein Akronym aus Attention  – Interest  – Desire  – Action (Schweiger/Schrattenecker 2013, 206): Zunächst müssen die angesprochenen Rezipienten durch aktivierende Reize auf die Werbung aufmerksam werden – angesichts der Überflutung des modernen Publikums durch Werbung keine leichte Aufgabe. Sodann muss das Interesse auf das beworbene Produkt selbst gelenkt werden, sonst besteht die Gefahr, dass die Rezipienten sich zwar an ein auffälliges Bild oder ein gelungenes Wortspiel erinnern, nicht aber an das zugehörige Produkt. Das Interesse soll dann in den Wunsch nach dem Produkt umschlagen, welcher schließlich die vom Werber intendierte Kaufhandlung auslöst. Ein differenzierterer Katalog von persuasiven Teilfunktionen, der zudem die zu Recht kritisierte starre Abfolge der AIDA-Formel und anderer Stufenmodelle (Schweiger/Schrattenecker 2013, 206–208) vermeidet, wurde von Stöckl (1997, 71–77) vorgelegt (s. a. Janich 2013, 129–130). Am Anfang steht auch bei Stöckl die Funktion der Aktivierung von Aufmerksamkeit und Interesse. Dieser Funktion dient im Prinzip alles, was auffällt, entweder weil es starke Reize aussendet wie etwa große Bilder, starke Farben, das Ansprechen elementarer Emotionen z. B. durch das so genannte Kindchenschema (Schweiger/Schrattencker 2013, 263–264) und/oder weil es mit den Lese-, Seh- und Hörgewohnheiten der Rezipienten bricht wie z. B. ungewöhnliche oder unbekannte Wörter, Grammatikverstöße, typographische Besonderheiten usw. Ein ethisch und juristisch bedenkliches Mittel der Aufmerksamkeitsaktivierung ist der bewusste Tabubruch durch sog. Schockwerbung. Die Verständlichkeitsfunktion hat zum Ziel, dass eine Werbebotschaft  – zumindest ihrer Intention nach – schon bei flüchtigem Hinsehen oder -hören verstanden wird. Dazu dienen vor allem die Reduktion von Komplexität und der Rückgriff auf Bekanntes in der sprachlichen und bildlichen Darstellung. Damit steht die Verständlichkeitsfunktion im Konflikt mit der aufmerksamkeitsaktivierenden Funktion und auch mit einigen im Folgenden behandelten Funktionen. So erschweren oder verhindern z. B. (pseudo)fachsprachliche neoklassische Bildungen wie z. B. Oligo-Fructose (Janich 2013, 220) das genaue Verständnis der Inhaltsstoffe eines Lebensmittels, erzeugen dafür aber ein wissenschaftliches Flair, welches durchaus geeignet ist, das Vertrauen in die Gesundheit des Produkts und damit die Akzeptanz der Werbebotschaft zu unterstützen. In solchen Fällen muss ein Kompromiss geschlossen werden, der – vor allem abhängig von der Produktart und der Zielgruppe – durchaus zugunsten einer mehr emotionalen Einstellung zum Produkt auf detaillierte Verständlichkeit verzichten kann.

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Ziel der Akzeptanzfunktion ist, dass die Rezipienten eine Werbebotschaft für glaubwürdig und relevant halten. Bei dieser Bewertung können sie sich entweder auf ihr Gefühl verlassen oder auf das Urteil Anderer oder sich aufgrund von Fakten und Argumenten selbst ein Urteil bilden. Der dritte Weg ist offensichtlich der schwierigste; er wird daher vor allem bei hochpreisigen und langlebigen Produkten wie z. B. Autos beschritten, deren Kauf ein hohes persönliches und finanzielles Engagement, das so genannte Involvement, erfordert. Daher wird Werbung für solche Produkte i. A. informativer gestaltet als für preisgünstige Low-Involvement-Produkte wie z. B. Lebensmittel oder Kosmetika, die meistens eher emotional beworben werden. In beiden Fällen wird die Glaubwürdigkeit gerne durch mehr oder weniger prominente so genannte Testimonials gestützt, d. h. Personen, die das Produkt aufgrund ihrer Expertise oder (angeblich) eigenen Erfahrung scheinbar persönlich empfehlen. Besonders effizient ist es natürlich, wenn ein prominentes Testimonial selbst Experte oder Expertin ist, z. B. ein bekannter Fußballspieler, der für eine Marke von Fußballschuhen wirbt (Wahl 2009). Sehr wichtig für die Akzeptanz ist, dass alle Teile einer komplexen Werbebotschaft einschließlich des Image eines Testimonials nicht nur inhaltlich, sondern auch in ihrem Gesamtstil (der so genannten Tonalität, Schweiger/Schrattenecker 2013, 258) zusammenpassen. Dies gilt auch für verschiedene Werbemaßnahmen desselben Anbieters wie z. B. Anzeigen und Fernsehspots (Schreiboeck 2012 am Beispiel des VW Polo). Im Idealfall sind alle internen und externen Äußerungen eines Unternehmens vom Briefpapier bis zum Messeauftritt in einem sog. Corporate Design aufeinander abgestimmt (Schweiger/Schrattenecker 2013, 125). Die Behaltens- bzw. Retentionsfunktion (bei Janich 2013, 130 treffender Erinnerungsfunktion) sorgt dafür, dass eine Werbung samt dem beworbenen Produkt den Adressaten in Erinnerung bleibt und so das Produkt z. B. im Supermarktregal wiedererkannt wird. Das einfachste Mittel, um dem Gedächtnis etwas einzuprägen, ist die Wiederholung. Daher sind in sprachlicher Hinsicht hier alle sog. Wiederholungsfiguren wie Reim, Anapher, usw. einschlägig (s. u.). Die Attraktivitätsfunktion entspricht dem Delectare der klassischen Rhetorik. Sie umfasst alles, was eine Werbung für ihre Rezipienten sinnlich und/oder intellektuell angenehm macht, also die ästhetischen Qualitäten von Text, Bild und Ton und deren Zusammenspiel, die durchaus den Rang einer Gebrauchskunst erreichen können (Spitzer 1964; Holz 2004; Blumenthal 1983; Meyer 2010) sowie das intellektuelle Vergnügen an Humor, Überraschung und am Lösen kleiner Verrätselungen. Nah verwandt mit der Attraktivitäsfunktion ist die vorstellungsaktivierende Funktion, bei der das Vergnügen der Rezipienten darin besteht, sich gedanklich und emotional in ein Leben mit dem beworbenen Produkt zu versetzen. Zu diesem Zweck wird dieses Leben in der Werbung sprachlich und bildlich ausgemalt. Schließlich lassen das Vergnügen an Werbung sowie die Akzeptanz sich noch erhöhen, indem man vergessen lässt, dass es sich um Werbung handelt. Dies ist das Ziel der Ablenkungs- bzw. Verschleierungsfunktion. Sie wird u. a. erfüllt durch die oben erwähnte Integration anderer Textsorten in den Werbetext. Ein Text, der z. B.

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als kleine Erzählung, als Witz oder auch als wissenschaftlicher Beitrag daherkommt, wirkt weniger aufdringlich als eine klassische Anzeige, und selbst in einer solchen Anzeige kann z. B. eine witzige Schlagzeile vom eigentlichen Werbecharakter ablenken.

1.3 Einflussfaktoren auf Werbung Auch wenn die genannten Funktionen im Prinzip für jede Werbung gelten, hängen ihre relative Gewichtung und die Art ihrer Realisierung doch von verschiedenen äußeren Einflussfaktoren ab. Die wichtigsten sind die Zielgruppe, die Produktart, die Marktsituation und der Werbeträger bzw. das Werbemittel. Die Zielgruppe ist für den Inhalt wie für die sprachliche Gestaltung von Werbebotschaften extrem wichtig, weil ihr Lebensstil, ihre Konsumgewohnheiten, Werte, ihr sprachlicher Horizont usw. berücksichtigt werden müssen. Zur Bestimmung der Zielgruppe einer Werbemaßnahme werden daher außer den klassischen demographischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Beruf, Einkommen usw. zunehmend auch psychologische und soziologische Merkmale wie gruppenspezifische Normen, Werte (auch Vorurteile) sowie Mediennutzungsgewohnheiten berücksichtigt. Diese gehen ein in die von dem Marktforschungsunternehmen Sinus entwickelten so genannten Sinus-Milieus (http://www.sinus-institut.de/loesungen/ sinus-milieus.html) wie z. B. „bürgerliche Mitte“, „konservativ-etabliertes Milieu“, „hedonistisches Milieu“ u. Ä. Ein Sonderfall ist die so genannte Mehrfachadressierung, bei der Adressaten der Werbung und Nutzer eines Produktes nicht identisch sind, z. B. bei Werbung, die sich an Kinder richtet. Diese muss nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern ansprechen (bei sehr kleinen Kindern sogar nur die Eltern, vgl. Polajnar 2005). Die beworbenen Produkte oder Dienstleistungen lassen sich nach verschiedenen Kriterien einteilen: Sehr viel feiner als die oben erwähnte Einteilung nach dem relativen Involvement der Verbraucher ist die direkt an den Produkteigenschaften orientierte so genannte internationale Nizza-Klassifikation (http://www.dpma.de/service/ klassifikationen/nizzaklassifikation/index.html), deren derzeit 45 Klassen bei der Sicherung von Markennamen herangezogen werden. Es leuchtet ein, dass ein Parfüm (Klasse 3) inhaltlich und formal anders zu bewerben ist als ein Schaufelbagger (Klasse 7). Die Marktsituation entscheidet, ob die Werbung ein Produkt neu auf dem Markt einführen (Einführungswerbung), es gegen die Konkurrenz verteidigen (Stabilisierungswerbung), nur an seine Existenz erinnern (Erhaltungs- oder Erinnerungswerbung) oder den Marktanteil erweitern soll (Expansionswerbung) (Janich 2013, 25). Beispielsweise ist in der Erhaltungswerbung die Erinnerungsfunktion besonders favorisiert, bei der Expansionswerbung hingegen die attraktivitäts- und die vorstellungsaktivierende Funktion. Letztere werden auf unseren weitgehend gesättig-

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ten Märkten immer wichtiger, weil sie nicht auf den unmittelbaren Produktnutzen gerichtet sind (der wird auch durch Konkurrenzprodukte erreicht), sondern auf den psychologischen und sozialen sog. Zusatznutzen. Dieser kann z. B. in einer Erhöhung des sozialen Status, der Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen oder der Möglichkeit zu individueller Entfaltung bestehen (Wehner 1996). Von Bedeutung ist auch der angesteuerte Absatzmarkt: Ist er lokal begrenzt, global oder beides („glokal“, Janoschka 2008a)? Diese Unterscheidung ist wichtig, weil die Werbung eventuell an verschiedene Kulturen und rechtliche Rahmenbedingungen angepasst werden muss. Global agierende Unternehmen stehen vor der grundsätzlichen Entscheidung, ob ihre Werbung überall dieselbe, standardisierte Form haben oder an die verschiedenen Kulturen der Absatzländer angepasst werden soll (Schröder 1999; Janich 2002a; Platen 1995; Nielsen 2002; Schmidt 2003; Gau 2007). Eine besondere Spielart des interkulturellen Marketings ist das noch kaum erforschte sog. Ethno-Marketing, das sich an ethnische Minderheiten in einem Land wendet, z. B. an türkische Verbraucher in Deutschland (Wünsche 2009). Die Werbeträger (z. B. Zeitungen und Zeitschriften, Plakatwände und Litfaßsäulen, Rundfunk- und Fernsehanstalten und -kanäle sowie zunehmend das Internet) und die durch sie transportierten Werbemittel (z. B. Anzeigen, Plakate, Rundfunkund Fernsehspots) sind von zentraler Bedeutung für die Gestaltung der Werbung, weil sie die Verfügbarkeit der Zeichenmodalitäten Sprache, Bild, Musik und Geräusche bestimmen. Daher bilden sie das Haupteinteilungskriterium dieses Artikels. Arbeiten, die mehrere Werbeträger bzw. -mittel berücksichtigen, auch „crossmedial“ innerhalb derselben Kampagne (z. B. Reimann 2008a), werden in den entsprechenden Kapiteln behandelt. Insgesamt kann moderne Werbung alle in dieser Einleitung geschilderten Anforderungen nur erfüllen – und das unter starken räumlichen und zeitlichen Beschränkungen –, weil sie ein extrem künstlich konstruiertes Gebilde ist, bei dem kein Detail dem Zufall überlassen bleibt.

2 Die Werbeanzeige Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften sind die älteste und bei weitem am intensivsten wissenschaftlich bearbeitete Form der Printwerbung. Von den Anfängen im 17.  Jahrhundert als einfache Bekanntmachung im Stil einer normalen redaktionellen Nachricht, z. B. über das Eintreffen einer neuen Ware, (Bendel 1998; Gieszinger 2001), entwickelte sich die Anzeige im Laufe der Zeit zu dem modernen komplexen Gebilde, das heute in seiner typischen Form eine ganze Seite einer Zeitschrift füllt (häufig auch weniger, manchmal mehr) und sich gewöhnlich aus mehreren Text- und Bildbausteinen zusammensetzt. Die historische Entwicklung der Textsorte wird dabei i. A. mit Recht im engen Zusammenhang mit der sozialen, kulturellen, wirtschaftli-

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chen und politischen Geschichte gesehen (Wehner 1996; Fährmann 2006; Tschörner 2007; Ronneberger-Sibold 2007; Minucci 2008; Reimann 2008a; Klüver 2009). Besondere Schwerpunkte bilden das Dritte Reich (Westphal 1989; Gries/Ilgen/Schindelbeck 1995; Sennebogen 2004; Wagner 2012) und die unmittelbare Nachkriegszeit (AdamWintjen 1998) sowie die deutsche Teilung und Wiedervereinigung (Schmider 1990; Läzer 1996; Henneke 1999 und 2012; Randhage 2013).

2.1 Text- und Bildbausteine Die Textbausteine von Zeitschriftenanzeigen sind zwar nicht monofunktional, lassen sich aber nach ihrer jeweiligen Hauptfunktion bis zu einem gewissen Grade den in Kap. 1.2 geschilderten persuasiven Teilfunktionen zuordnen. In der Terminologie und Beschreibung folgen wir der klassischen Darstellung von Zielke (1991, s. a. Janich 2013, 55–85). Die Schlagzeile (Headline) dient vor allem der Aktivierung von Aufmerksamkeit und Interesse allein schon durch ihre Größe, häufig auch eine besondere Farbgebung oder andere grafische Effekte und durch ihre Platzierung im oberen bis mittleren Teil der Anzeige. Sprachlich weckt sie als „Aufhänger“ häufig Aufmerksamkeit und Interesse für die ganze Anzeige durch gewisse Regelverstöße (Dittgen 1989), deren Sinn sich erst durch weitere Lektüre oder Betrachtung der Bilder erschließt. So erklärt sich z. B. die – farbig hinterlegte – orthographisch regelwidrige Schreibung des Suffixes -ig als -ich in Wörtern wie erstklassich, riesich in den Schlagzeilen einer Werbekampagne der Postbank durch den Bezug auf den Slogan Unterm Strich zähl ich. Das intellektuelle Vergnügen, dieses kleine „Rätsel“ zu lösen, dient gleichzeitig der Attraktivitätsfunktion. Eine systematische Untersuchung sprachlicher Charakteristika von Schlagzeilen auf allen Ebenen der linguistischen Analyse enthält Hirner (2007). Während die Schlagzeile nur in einer einzigen Anzeige vorkommt, begleitet der Slogan eine Marke oder ein Unternehmen längerfristig, im Fall der Postbank z. B. über die ganze, schon längere Zeit laufende Kampagne mit den Wörtern auf -ich hinweg. Damit dient er vor allem der Wiedererkennung der Marke, d. h. der Erinnerungsfunktion. Gelegentlich wird der Slogan mit der Schlagzeile oder dem Claim (s. u.) verwechselt, was zu vermeiden ist (Schmidt 2003). Ein guter Slogan fasst daher in sehr knapper und gleichzeig einprägsamer Form den Kern der Marken- bzw. Firmenidentität zusammen, bei der Postbank z. B. die Kundennähe (das Ich der Kunden zählt) und die klar durchschaubare finanzielle Effizienz (unterm Strich). Um auf so engem Raum wirkungsvoll und einprägsam zu formulieren, werden in Slogans häufig stark elliptische Konstruktionen und rhetorische Figuren eingesetzt (s. u.), in diesem Fall z. B. die Wiederholung der Sequenz -ich in einer Art Endreim in einem Prosatext. Manche Slogans sind tatsächlich so wirkungsvoll, dass sie geradezu als moderne ‚geflügelte Worte‘ in den Alltagszitatenschatz aufgenommen worden sind (Stöckl 1998a), z. B. […] und läuft und läuft und läuft (VW Käfer), Alles frisch (Tchibo). In der wissenschaft-

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lichen Literatur gehört der Slogan zu den am meisten untersuchten Textbausteinen (Möckelmann/Zander 1975; Baumgart 1992; Bajwa 1995; Strobel/Steiner 2006; Jílková 2007; Sulikan 2012). Manchmal wird sogar fälschlich die Sprache der Anzeigenwerbung insgesamt mit der Sprache des Slogans gleichgesetzt (z. B. Baumgart 1992). Noch enger und längerfristig als der Slogan ist der Markenname mit dem beworbenen Produkt oder Unternehmen verbunden. Der rechtliche und sachliche Unterschied zwischen Produktnamen (z. B. Nivea) und Unternehmensnamen (z. B. BMW) (Nübling/Fahlbusch/Heuser 2012, 266 und 277) ist für deren Funktion in Werbeanzeigen unerheblich; im Folgenden sind daher die Unternehmensnamen mit gemeint, wenn wir von Produktnamen sprechen. Um als Markenname oder einfach als Marke zu gelten, genügt im juristischen Sinne die Unterscheidungskraft von Namen anderer Unternehmen für ähnliche Produkte, während aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht hinzukommt, „dass der Name ein (vom Unternehmen gewolltes/geplantes) Image hervorruft, das geeignet ist […] beim Verbraucher Präferenzen zu schaffen“ (Schweiger/Schrattenecker 2013, 92). Da der Name sowohl das Produkt identifiziert als auch das Image der Marke transportiert, ist er unter allen Textbausteinen der Werbung am wichtigsten für die Erinnerungsfunktion. Daher werden solche Namen nur sehr selten und mit großem Werbeaufwand etwa bei Firmenfusionen oder Globalisierungsstrategien geändert (z. B. Raider in Twix Schweiger/Schrattencker 2013, 115), und sie können nur unter ganz besonderen Bedingungen in einer Werbeanzeige fehlen, z. B. wenn das Logo, das den Namen normalerweise begleitet, so bekannt ist, dass es ihn ersetzen kann (Wahl 2009 über den sog. Swoosh von Nike). Für die Erinnerungsfunktion ist es wichtig, dass ein Produktname nicht zu lang (im Deutschen ca. zwei bis drei Silben, Ronneberger-Sibold 1992) und für seine Zielgruppe leicht zu perzipieren und zu artikulieren ist. Auch sollte die Aussprache möglichst eindeutig aus der Schreibung hervorgehen. Dies ist ein Problem bei international vermarkteten Produkten. Zudem sollte ein guter Markenname auch die Attraktivitäts- und vor allem die vorstellungsaktivierende Funktion erfüllen. Dazu ist es notwendig, dass er in Bezug auf das Produkt in irgendeiner Weise motiviert ist. Es ist zwar möglich, durch geeignete Werbung und andere Marketingmaßnahmen einen an sich völlig unmotivierten Namen wie etwa BMW X1 in den Köpfen der Rezipienten mit bestimmten Assoziationen wie z. B. ‚sportlich‘ , ‚Abenteuer‘ usw. aufzuladen (nach Kastens 2008 sind diese Assoziationen sogar die eigentliche ‚Bedeutung‘ eines Markennamens), aber leichter ist es natürlich, wenn ein Name wie VW Tuareg selbst schon derartige Assoziationen auslöst. Auch in dieser Hinsicht drohen auf dem globalen Markt Gefahren, wenn nämlich ein Wort in einer anderen Sprache etwas anderes bedeutet und negativ konnotiert ist, z. B. im Deutschen der Name Mist Stick, wörtlich ‚Nebelstab‘ der englischen Firma Sunbeam für einen Lockenstab (Platen 1997, 155–158). Nicht immer werden die Assoziationen eines Markennamens wie bei Tuareg von der lexikalischen Bedeutung der onymisierten (d. h. zum Namen gemachten) Wörter getragen. Oft genügen auch bestimmte Wortbildungselemente wie z. B. die aus der Fachsprache der Chemie ent-

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lehnten Suffixe -ol (Darmol), -al (Veronal), -in (Aspirin) usw. oder Konfixe wie therm, dur (Durotherm, Thermodur), um bestimmte Assoziationen (in diesem Fall ‚Wissenschaftlichkeit, Seriosität‘) zu erzeugen (Janich 1998; Ronneberger-Sibold 2009a). Durch Seriosität vertrauensbildend wirken auch sog. Adds wie das hochgestellte ™ (für Trademark). Sogar allein durch die Lautgestalt eines Namens können bestimmte Assoziationen erzeugt werden. Z. B. weisen Namen für ‚wissenschaftliche‘ Produkte häufig die typische Lautgestalt von deutschen Latinismen auf, z. B. Bepanthen (Ronneberger-Sibold 2004). Über die morphologische Struktur und die Lautgestalten von Markennamen s. ausführlich Ronneberger-Sibold (2004; im Druck) sowie Cotticelli Kurras (2007; 2012) und Ronneberger-Sibold/Wahl (2012; 2013). Die dort entwickelte und angewendete morphologische Typologie der Neuprägungen unter den Markennamen (s. u.) ist insbesondere im Bereich der irregulären Wortschöpfung differenzierter als die verbreitete Typologie von Platen (1997). Diese unterscheidet in erster Linie zwischen (1) Übernahmen existierender Wörter (z. B. Tuareg), (2) sog. Konzeptformen, d. h. transparenten Bildungen (z. B. Schauma) und (3) intransparenten Kunstwörtern (z. B. Rowenta < Robert Weintraub). Weitere morphologische Typologien s. in Praninskas (1968), Sialm-Bossard (1975), Voigt (1982), Wehking (1984), Anreiter (2002), Gabriel (2003), Zilg (2006), Muselmann (2010). Eine Typologie nach Benennungsmotiven wie z. B. Herkunft (Bad Reichenhaller Spezialsalz), Verwender (kinderschokolade) Bestandteile (Nuts, Schokolade mit Nüssen) usw. stammt von Herstatt (1985, 38). Einen aktuellen Gesamtüberblick s. in Eckkrammer/Thaler (2013). Soll ein Markenname gesichert werden, darf seine Motivation nicht zu hoch sein: Vollständig deskriptive Markennamen, die ein Produkt mit den normalerweise dafür einschlägigen sprachlichen Mitteln beschreiben, dürfen nicht gesichert werden (Markengesetz § 8), weil diese Beschreibung sonst nicht mehr frei für den allgemeinen Sprachgebrauch (unter anderem durch die Konkurrenz) zur Verfügung stünde. Die Schöpfer von Markennamen müssen also allein schon aus juristischen, aber auch aus verkaufspsychologischen Gründen einen Kompromiss zwischen totaler und gar keiner Motivation finden. Auch dazu dienen die fein abgestuften morphologischen Schöpfungstechniken (Ronneberger-Sibold 2000). Die bevorzugte Lage dieses Kompromisses hängt u. a. von der Sprachstruktur und der Kultur ab und kann sich im Laufe der Zeit verschieben (Ronneberger-Sibold/Wahl 2012). Ähnlich wie die Slogans können auch Markennamen für die Sprachbenutzer so attraktiv sein, dass sie in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen. Sie bezeichnen dann nicht mehr als Eigenname nur das Markenprodukt, sondern als Appellativum die ganze Kategorie, z. B. Tesafilm jeden durchsichtigen Klebestreifen unabhängig von der Marke (zum Verb googeln s. Samland 2010). Der Fließtext (auch Copy oder Text Body genannt) ist in Anzeigen sehr viel weniger obligatorisch als die weniger umfangreichen Bausteine Schlagzeile, Slogan und Markenname. Seine Funktion ist die Ergänzung bzw. Erklärung der Schlagzeile und der Bilder durch weitergehende Informationen. Damit steht er im Dienst der Akzeptanz-

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Funktion. Diese Informationen werden von den Rezipienten jedoch allenfalls bei manchen High-Involvement-Produkten wirklich genutzt. Meistens wird der Fließtext gar nicht gelesen; er erzeugt die Akzeptanz dann einfach nur durch seine Anwesenheit und einen allgemein wissenschaftlichen Eindruck. So suggeriert er, dass es über das Produkt „Wissenswertes auszusagen gibt“ (Janich 2013, 58–59). Z. B. in Anzeigen für pflegende Kosmetik trägt dies zur „Inszenierung von Wissenschaft“ (Janich 1998) bei. Durch einen sog. Claim oder Abbinder kann der Fließtext am Ende noch einmal prägnant zusammengefasst werden (Zielke 1991, 85). Weitere fakultative sprachliche Textbausteine sind sog. Inserts (Einklinker, auch Deranger genannt), die aktuelle Zusatzinformationen z. B. über Sonderaktionen enthalten, und Antwort-Coupons als ein (zumindest scheinbar) dialogisches Element mancher Anzeigen, das der Förderung der Akzeptanz dient. Schließlich sind auch solche Texte zu nennen, die im Zusammenhang mit der Bebilderung einer Anzeige stehen, wie z. B. Bildunterschriften oder eine Wiederholung des Markennamens und eventuell des Slogans auf einer Produktabbildung, durch die natürlich die Erinnerungsfunktion gestärkt wird. Eine Parallelität zwischen der Gliederung von Werbetexten und von Reden in der klassischen Rhetorik konstatiert Schüler (2013, 51–77). Z. B. entspreche die Schlagzeile dem Exordium usw. (Lehn 2011). Ohne Bilder kommt eine moderne Zeitschriftenanzeige praktisch nicht mehr aus. Sie sind auffälliger, multifunktionaler und emotionaler als die Sprachbausteine. Für die Aktivierungsfunktion ist das große sog. Catch-Visual (der Blickfänger) besonders wichtig, z. B. in einer Kosmetikanzeige ein schön geschminktes Gesicht in Großaufnahme, das gleichzeitig der Attraktivitätsfunktion dient. Gehört es einer prominenten Frau, so erhöht diese als sog. Testimonial gleichzeitig die Akzeptanz. Zusätzliche suggestive Elemente wie etwa Schmuck, Details der Kleidung und vor allem ein Hintergrund, der das Testimonial z. B. in einer eleganten, exotischen oder betont natürlichen Umgebung zeigt – je nach Positionierung des Produkts – dienen der vorstellungsaktivierenden Funktion. Das sog. Key-Visual (das Schlüsselbild) ist die Abbildung des eigentlichen Produkts. Sie kann in das Catch Visual integriert oder separat neben ihm platziert sein. In jedem Fall dient sie der Erinnerungsfunktion. Die Akzeptanzfunktion kann schließlich durch kleinere sog. Focus-Visuals wie z. B. (pseudo-) wissenschaftliche Grafiken erhöht werden. Das Verhältnis zwischen Text und Bild in der Anzeigenwerbung ist verschieden gewichtet und typologisiert worden. Ein Primat des Textes behauptet Römer (1980, 24–27), ein Primat des Bildes aus wirtschaftswissenschaftlicher und psychologischer Sicht Kroeber-Riel (1993, 86). Inzwischen geht man eher von einem multimodalen Zusammenwirken innerhalb einer komplexen Anzeige aus (Fritz 1994 und 2011, Rentel 2005). Die Beziehungen zwischen den beiden Modi wie z. B. der Fall, dass beide parallel dasselbe aussagen oder dass der eine den anderen erklärt usw., wurden verschiedentlich klassifiziert (Kalverkämper 1993; Rohen 1981; Geiger/Henn-Memmesheimer 1998), oft unter Zuhilfenahme bestimmter Begriffe der Rhetorik wie z. B. der Meta-

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pher, Metonymie, Synekdoche usw. (sehr detailliert etwa bei Gaede 1992). Die derzeit einflussreichste, gut handhabbare Typologie ist die von Stöckl (2004).

2.2 Sprachliche Besonderheiten In diesem Abschnitt werden sprachliche Besonderheiten von Werbeanzeigen zusammengefasst. Wir vermeiden bewusst den vielfach benutzten Ausdruck Werbesprache, denn über einen eigenen Kode (etwa vergleichbar mit einer Fach-, Gruppen- oder Sondersprache) verfügt die Werbung eigentlich nicht. Ihre Besonderheit liegt vielmehr in der Auswahl und verdichteten Verwendung bestimmter Elemente aus solchen Kodes und aus der normalen Schriftsprache (Sowinski 1998, 42). Solche Züge finden sich auf allen Ebenen der Sprachbeschreibung. In lautlicher Hinsicht fallen besonders die poetischen Techniken von Reim und Metrum auf. Dies gilt auch außerhalb regelrechter Werbegedichte und -lieder, wobei der Prosarhythmus allerdings kaum erforscht ist. Beispielsweise wird der oben zitierte Slogan der Postbank Unterm Strich zähl ich durch den Reim in zwei Hälften geteilt, vergleichbar einer Verszeile mit zwei Halbversen zu je zwei Füßen. Dabei wiederholt der zweite Halbvers aber gerade nicht das rhythmische Muster des ersten, obwohl die Grammatik das nahelegen würde (unterm Strich  – *zähle ich), sondern erzeugt durch die Apokope des -e zwei einsilbige Füße. Damit wird die Silbe zähl automatisch gedehnt wie bei einer Fermate vor dem abschließenden, nun extrem betonten ich. Gleichzeitig wirkt der Satz dadurch umgangssprachlich, was wiederum gut zur Kundennähe passt. Erwähnenswert sind auch verschiedene Formen der Lautikonik, bei der durch das Produkt produzierte Sinneseindrücke lautlich wiedergegeben werden, z. B. ein akustischer Eindruck im Namen Ffft für ein Spray oder ein haptischer (die mühsame Kaubewegung) in Maoam für ein Kaubonbon (Ronneberger-Sibold 2004; im Druck). Graphostilistische Mittel sind Abweichungen von der orthographischen und/oder typographischen Norm, die vor allem in Schlagzeilen, Slogans und Markennamen funktional eingesetzt werden, um Aufmerksamkeit zu erregen, oft aber auch, um bestimmte semantische und stilistische Effekte zu erzielen (Dittgen 1989; Ewald 1997; 2012; Stein 2002; Spitzmüller 2006; Hirner 2007; Stöckl 2008b). So sind z. B. die oben erwähnten Schreibungen der Postbank-Kampagne wie riesich usw. interpretierbar als sog. Einschlusskreuzungen von riesig und ich usw. (s. u.). Eine Typologie derartiger schriftbasierter Wortschöpfungen in Markennamen auch in anderen Sprachen/ Schriftsystemen s. in Ronneberger-Sibold/Kazzazi/Potsch-Ringeisen (im Druck). Häufig verwendete Abweichungen sind die regelwidrige Getrenntschreibung (Quelle Bank Alpen Card, Ronneberger-Sibold 2004) und die Binnengroßschreibung (InterCity, BahnCard). Beides gliedert optisch die Komposita, wobei die Binnengroßschreibung den Vorzug hat, gleichzeitig die Einheit des Wortes durch die Zusammenschreibung zu signalisieren. Auch die inzwischen teilweise amtlich anerkannte Schreibung

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mit Apostroph (Ewald 2012, 5) v. a. bei Namen von Geschäften (Carlo’s Taverne) hat eine Gliederungsfunktion zusätzlich zur Evokation der englischen Orthographie und zur Vermeidung eventueller Missverständnisse (zu Fremdwortschreibungen s. u.). Typographische Ausdrucksmittel sind auch die Schriftart (z. B. gebrochene Schriften zur Evokation von Tradition), die -stärke und -farbe sowie die kreative Ausgestaltung einzelner Elemente wie etwa des I-Punktes auf dem Namen Vileda als Krönchen. Morphologische Besonderheiten in Werbeanzeigen betreffen vor allem die Wortbildung der Substantive und Adjektive. Ihre wichtigsten Ziele sind die Ausdrucksverdichtung v. a. durch Komposition (z. B. Schallzahnbürstenmarke, Putzerlebnis, Eichinger 2012, 27; Krieg 2005), bestimmte stilistische Effekte wie z. B. die Nachahmung eines wissenschaftlichen und/oder hochtechnischen Stils durch Komposition und Ableitung (probiotisch, Megalogic-System, Janich 1998; 2013, 219–220) und die teilweise oder völlige Verdunkelung, v. a. in Markennamen und Schlagzeilen durch irreguläre (besser extragrammatische) Wortbildung, bei Ronneberger-Sibold (2004, 575–592 und im Druck) Wortschöpfung genannt. Die dort entwickelte Typologie von Wortschöpfungstechniken unterscheidet zwischen solchen, durch die eine existierende Ausgangsform gekürzt (z. B. Rei < Reinigungsmittel, BMW < Bayerische Motorenwerke) oder verfremdet wird (z. B. Vileda < wie Leder), und solchen, bei denen zwar nach Inhalt und Form neue Wörter geschaffen werden, aber nicht nach den Regeln/ Modellen der regulären Wortbildung. Dies sind neben extragrammatischen Ableitungen (Veronal, nur scheinbar eine Ableitung von Verona) und Konfixschöpfungen (Blend-a-med) verschiedene Typen der Wortkreuzung, d. h. der extragrammatischen Komposition: Kurlaub < Kur x Urlaub, ComMUNICHation < communication x Munich, Mentholyptus < Menthol x Eukalyptus, Assindia < Assam x India, Persil < Wasserstoffperoxyd x Silikat (über lautikonische Wortschöpfungen s. o.). Nicht als Wortschöpfung im engeren Sinne gelten Übergeneralisierungen von regulären Wortbildungs- oder Flexionsmustern über ihren grammatischen Anwendungsbereich hinaus (unkaputtbar, überallster, Janich 2013, 206). Phraseologismen stehen zwischen der Wortbildung und der Syntax, da sie zwar einerseits wie Syntagmen aus mehreren Wörtern bestehen, andererseits aber wie Komposita nicht oder kaum verändert werden können und eine idiomatisierte Bedeutung haben. In der Anzeigenwerbung geben Phraseologismen vor allem Anlass zu Sprachspielen, in denen ihre wörtliche Bedeutung durch verschiedene sprachliche und/oder semiotische Mittel reaktiviert wird ([…] wie wir auch hoffen, dass Sie nie den Airbag zu Gesicht bekommen werden, Janich 2013, 207; Wie Sie sehen, stellt der neue PEUGEOT 206 alles in den Schatten mit einem Catch Visual, auf dem das Auto tatsächlich einen Schatten wirft, Janich 2013, 210). Typologien der Modifikationen, die die phraseologische Bedeutung in solchen und anderen Fällen erfährt, bieten Sabban (1998) und Pohl (2002); s. auch Hemmi (1994), Balsliemke (2001) und Bass (2006) sowie, auch mit Bezug zu komplexen Wortbildungen, Ewald (1998). Die Syntax von Werbeanzeigen ist vor allem durch den Zwang zur Kürze, insbesondere in Schlagzeilen und Slogans, geprägt. Dies dient im Prinzip der Verständlich-

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keits- und Erinnerungsfunktion; allerdings führt es zu zahlreichen Ellipsen (Römer 1980, 171–172; Bajwa 1995). Die Kunst ist hier, Kürze und Verständlichkeit miteinander zu vereinbaren, und das möglichst so, dass außerdem die Aufmerksamkeit im positiven Sinne aktiviert wird (Schmitz 1999). Aus textlinguistischer und pragmatischer Perspektive (über die Schwierigkeit einer Abgrenzung Adamzik 2012, 123) werden Anzeigentexte in sog. Texthandlungen wie z. B. „über Existenz und Beschaffenheit des Produktes informieren“, „zum Kauf/ zur Nutzung des Produkts bewegen wollen“ zerlegt. Diese können in Teilhandlungen wie „Emotionen ansprechen“ oder „Autoritäten zitieren“ zerfallen (Janich 2012, 218). Einen sehr ausführlichen Katalog solcher Handlungen s. in Bendel (1998). Sehr viel allgemeiner, aber vielleicht gerade deshalb leichter anzuwenden ist eine Einteilung, die häufig als Arbeitsgrundlage für Werbeagenturen im Rahmen des sog. Briefings durch den Auftraggeber verwendet wird (Schweiger/Schrattenecker 2013, 257). Diese Einteilung enthält als grundlegende Elemente das Nennen des Alleinstellungsmerkmals des Produkts (USP, Unique Selling Proposition), des Nutzens für die Verbraucher (Consumer Benefit) und eine Begründung dieses Nutzens (Reason why). Diesen Texthandlungen kann noch die Nennung eines Problems oder einer Gefahr vorgeschaltet sein, die durch das Produkt beseitigt werden. Allerdings ist bei solchen Appellen an die Angst oder gar Scham der Rezipienten (Iakushevich 2009), etwa in Anzeigen für Versicherungen oder Kosmetika, Vorsicht geboten, damit diese negativen Gefühle nicht zur psychologischen Ablehnung der ganzen Anzeige führen. Für die „Beweisführung“ bei der Begründung des Verbrauchernutzens stehen zahlreiche Argumentationsverfahren zur Verfügung (Janich 2013, 131–145), wie etwa der Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere oder die Berufung auf die Empfehlung oder gar Bürgschaft von Autoritäten (Fock 1992 innerhalb einer klassischen textanalytischen Analyse der Themenentfaltung und Textkohärenz sowie in kulturvergleichender Perspektive Fritz 2012). Weitere pragmatische Fragestellungen beziehen sich auf die Inszenierung der Kommunikationssituation (dialogisch oder monologisch, offen oder geschlossen, Sauer 1998) sowie auf den Gebrauch deiktischer Elemente (Meyerer 2002; Bak/ Metzner 2009) und verschiedener Arten der Aufforderung (Wahl 2011a). Die Lexik von Werbeanzeigen ist geprägt durch Hochwertwörter (ideal, echt, vollendet usw., Römer 1980, 101–104) zur Aufwertung des Produkts, sog. Schlüsselwörter wie natürlich, jugendlich, Schutz, Pflege, Technik, Komfort (Römer 1980, 132), die das Produkt darüber hinaus in Zusammenhang mit positiv besetzten Themen des aktuellen gesellschaftlichen Diskurses bringen, sog. Plastikwörter (Pörksen 1992), d. h. Schlüsselwörter mit extrem verblasster Semantik wie z. B. Struktur, System, Fachwörter (s. o. unter Wortbildung) und Fremdwörter bzw. fremdsprachliche Elemente in Wörtern, die das Prestige von fremden Kulturen auf das Produkt übertragen sollen, insbesondere wenn diese Kultur besonders berühmt für die Produktklasse ist (z. B. Französisch für Kosmetika, Mode und feine Küche) (Störiko 1995; Bratschi 2005; Ronneberger-Sibold 2005, 2009b; Rieger 2012). Während Fremdwörter auf diese Weise die Attraktivitätsfunktion fördern sollen, stellen sie gleichzeitig eine Gefahr

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für die Verständlichkeitsfunktion dar. Dies hat zu Kritik insbesondere an den zahlreichen An­glizismen in der Werbung geführt (z. B. Fink 1997), v. a. nachdem mehrere Studien der Agentur Endmark gezeigt hatten, dass viele englischsprachige Slogans von den deutschen Rezipienten falsch oder gar nicht verstanden wurden (Samland 2009; Schlüter 2007). Obwohl eine Zunahme der Anglizismen in der Werbung zweifelsfrei erwiesen ist (wenn auch in Abhängigkeit von Produktart, Textbaustein und Zeitschriftenart unterschiedlich stark, Schütte 1996; Schiemichen 2005; Strobel/ Steiner 2006; Kupper 2007), besteht vielleicht weniger Anlass zur Sorge als befürchtet, denn je häufiger ein Fremdwort gebraucht wird, umso mehr verliert es seinen exotischen „Appeal“ und umso weniger eignet es sich für die Aufwertungsfunktion in der Werbung (Schiemichen 2005). In der Geschichte des Deutschen haben sich schon mehrere Fremdwortwellen auf diese Weise von selbst „totgelaufen“ (Schrodt 2002). Ein spezieller Stil der Anzeigenwerbung ergibt sich aus der Gesamtheit der bisher besprochenen sprachlichen Besonderheiten (welche durchaus verschiedene Register erlauben, Hoffmann 2002), er wird jedoch in seiner Eigenart noch verstärkt durch die reichliche Verwendung spezieller Stilmittel, nämlich der rhetorischen Figuren und (teilweise damit überlappend) der Sprachspiele. Die rhetorischen Figuren werden traditionell eingeteilt in die sog. Tropen, die den Inhalt eines Wortes verändern wie z. B. die Metapher und die Metonymie, die Stellungsfiguren wie den Parallelismus und den Chiasmus, die Wiederholungsfiguren wie den Reim u. a. Eine umfassende Liste findet sich z. B. in Janich (2013, 195–199) mit Bezug auf Spang (1987). Bei den Sprachspielen sind Veränderungen, die ausschließlich den Ausdruck betreffen, seltener (Leckt schmecker, Janich 2013, 205). Meistens verweisen Ausdrucksveränderungen, z. B. in einem Phraseologismus, jedoch auf einen zusätzlich mitgemeinten Inhalt, z. B. Der HELD, was er verspricht als Werbung für den Film Herkules (Janich 2013, 205). Verschiedene Klassifikationsvorschläge für Sprachspiele werden in Forgácz/Göndöcs (1997) und in Sauer (1998) sowie auf Wortebene bei Ronneberger-Sibold (2004 und im Druck) beschrieben. Werden allgemein bekannte Titel, Zitate u. dergl. in dieser Weise verändert oder auch unverändert in einen neuen, meistens witzigen Zusammenhang gestellt, so kann man von Intertextualität sprechen, z. B. in einer Anzeige für ein Mittel gegen Halssschmerzen: Gurgeln oder lutschen, das ist hier die Frage! William Shakespeare. (Janich 2013, 237; s. a. Opiłowski 2006). Auch durch die Nachahmung bzw. die Integration bestimmter Varietäten wie der Dialekte, verschiedener Fachsprachen und der sog. Jugendsprache lassen sich stilistische Effekte erzielen. Dabei sind jugendsprachliche Elemente relativ selten. Auf den ersten Blick mag das angesichts der großen und zukunftsrelevanten Zielgruppe erstaunen. Das Problem ist jedoch, dass sich einerseits ältere Rezipienten (und vermutlich auch einige jugendliche) durch einen Slogan wie das berühmte Geiz ist geil schockiert oder zumindest unangenehm berührt fühlen, während es der eigentlichen Zielgruppe ebenfalls unangenehm ist, wenn sich Nicht-Jugendliche bei ihr „anbiedern“ (Homann 2006, 49). Daher beschränken sich Anleihen an die Jugendsprache, wenn sie überhaupt gemacht werden, meist auf weniger drastische Wörter wie z. B.

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hip und eine jugendtypische phraseologische Verwendung von Wörtern, die selbst nicht anstößig sind, wie z. B. gut drauf sein (Erhard 2007; Anthonsen u. a. 1998). Auch die Adressierung alter Verbraucher als Zielgruppe der Werbung ist problematisch und erfolgt vielfach euphemistisch (Thimm, 1998; Kaunzner/Reimann 2012). Stilistische Unterschiede zwischen an Frauen und an Männer gerichteter Werbung konstatiert Motschenbacher (2006). Über inszenierte Fachlichkeit s. o. und Janich (1998), Dialekte sind unten unter Hörfunk- und Fernsehwerbung behandelt.

3 Andere Mittel der Printwerbung Im Vergleich zur Werbeanzeige sind andere Mittel der Printwerbung nur wenig erforscht worden. Einige werden im Folgenden kurz vorgestellt. Werbeplakate im öffentlichen Raum werden typischerweise im Vorübergehen wahrgenommen. Entsprechend wichtig ist für sie die aufmerksamkeitsaktivierende Funktion. Daher spielt das großflächig gestaltete Catch-Visual in ihnen die wichtigste Rolle. Der Text ist reduziert auf Schlagzeile, Slogan und Produkt- oder Firmenname. Entsprechend gering ist bisher das spezifisch sprachwissenschaftliche Interesse an diesem Werbemittel (Wagner 2003). Prospekte und (etwas umfangreicher) Broschüren sind Werbedrucksachen, die typischerweise auf Messen oder am Point of Sale ausliegen oder mit der Post mehr oder weniger gezielt einer Gruppe von potentiellen Interessenten zugestellt werden. In beiden Fällen unterstellt der Sender ein stärkeres Informationsbedürfnis beim Rezipienten als bei einer klassischen Anzeige. Daher sind die Texte länger und informationshaltiger als bei Anzeigen. Auch haben die Sender mehr individuelle Gestaltungsfreiheit. Mögliche sprachliche Auswirkungen dieses Unterschieds über die reine Quantität hinaus sind unseres Wissens noch nicht systematisch untersucht worden (Koskensalo 2000; Vesalainen 2001). Noch enger ist der Kontakt zum Rezipienten einer Werbebotschaft in Werbebriefen, einem Instrument des sog. Direktmarketings (Nielsen 2003a; 2006; 2008). Die Empfänger werden gezielter ausgewählt als in anderen Werbemitteln und teilweise sogar persönlich angesprochen (sehr geehrter Herr Dr. Klöbner oder hallo Frauke, Nielsen 2003a, 55). Auch ist man bemüht, die Verkaufsabsicht nicht allzu aufdringlich zu formulieren (Jansen 1992), d. h. die Verschleierungsfunktion ist besonders wichtig. Auch Kataloge enthalten selbstverständlich werbesprachliche Elemente, die allerdings noch kaum sprachwissenschaftlich untersucht wurden (Stöckl 2007a).

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4 Werbung im Fernsehen Werbung im Fernsehen ist bisher im Vergleich zur Anzeige deutlich weniger häufig Thema sprachwissenschaftlicher Arbeiten geworden und wird auch in Einführungen weniger ausführlich berücksichtigt (vgl. z. B. Sowinski 1979; Sowinski 1998; Cook 2003; Janich 2012; Janich 2013). Die Darstellung beschränkt sich im Folgenden auf Beiträge zur Sprache in der Fernsehwerbung. Arbeiten, die Werbung im Fernsehen aus anderen Perspektiven wie z. B. der (medien-)politischen, historischen und ästhetischen betrachten, können an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden. Der Überblick ist wie folgt gegliedert: Es werden zunächst Beiträge zur deutschen Fernsehwerbung vorgestellt von Einzelspotanalysen über Monographien bis zu Arbeiten mit einem bestimmten sprachwissenschaftlichen Hauptthema. Danach folgen kon­ trastive Beiträge und Arbeiten zur Fernsehwerbung in anderen Ländern. Ein Schwerpunkt der Forschung zur Fernsehwerbung liegt auf Detailanalysen des Zusammenwirkens der verschiedenen Zeichenmodalitäten Bild, Sprache, Musik und Geräusche in einzelnen Werbespots. In Anlehnung an Arbeiten zur Anzeigenwerbung stehen auch in der Mehrzahl der Werbespotanalysen die verschiedenen Text-Bild-Beziehungen im Zentrum. Solche Detailanalysen zu einzelnen Fernsehwerbespots verschiedener Produktklassen mit unterschiedlichem, auch sprachlichmultimodalem Fokus finden sich bei Stöckl (2003; 2011; 2012), Habscheid/Lehmann/ Gaus (2004), Berger (2008), Wahl (2011b; 2013; 2014) und Wieder/Rosenberger (im Druck). In dieser Hinsicht besonders interessant ist ein von Schneider/Stöckl (2011) herausgegebener Sammelband. Darin wird ein TV-Spot mit Hilfe von sieben methodischen Beschreibungsansätzen analysiert. Die erste Arbeit, die sich u. a. intensiv mit der Sprache der deutschen Fernsehwerbung beschäftigt, ist Brechtel-Schäfer (1972). Anhand eines Korpus von mehreren hundert TV-Spots aus dem Jahr 1970 wertet sie bestimmte sprachliche Besonderheiten in erster Linie quantitativ aus. Dazu gehören die Wortzahl pro Spot, die Wortarten, die Marken-, Produkt- und andere Namen, Interjektionen, Besonderheiten der Syntax sowie rhetorische Figuren, Sprichwörter und Redensarten, Slogans und Verse. Diese Auswertungen beziehen sich auf die gesprochene Sprache. Der geschriebene Text wird nicht thematisiert und auch der gesungene Text wird nicht eingehender analysiert. Nach Bemerkungen zum Einsatz von Musik und Geräuschen ist noch ein Kapitel über die Sprecher und Darsteller angefügt. In weiteren Kapiteln werden das Bild (Schauplätze bzw. Kameratechnik, Schnitte) und die inhaltliche Struktur der Spots näher betrachtet. Seyfarth (1995) analysiert das Bild und die Sprache in der Fernsehwerbung anhand eines Korpus von Auto- und Kaffee-Werbespots aus dem Jahr 1988. Obwohl der Titel der Arbeit nicht darauf schließen lässt, werden in je einem kurzen Kapitel auch die Zeichenmodalitäten Musik und Geräusche kommentiert. Bei der sprachlichen Analyse liegt der Fokus auf den folgenden Bereichen: Textmenge, „sichtbare“ und „unsichtbare“ Sprecher, Hochsprache vs. Umgangssprache, Syntax, Markennamen und Slogans. Anhand von Spotbeispielen werden aber auch grund-

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sätzliche Möglichkeiten der Nutzung von geschriebener Sprache aufgezeigt. Weder die geschriebene Sprache noch die gesungene Sprache im Kapitel zur Musik werden genauer auf Besonderheiten hin untersucht. Grimm (1996) bietet eine Einführung in die Filmnarratologie am Beispiel von Werbespots, bei der auch verschiedene TextBild-Beziehungen besprochen werden. Reimann (2003) untersucht die sprachliche Gestaltung von Fernsehspots der Firma Dallmayr aus fünf Jahrzehnten. Reimann (2008a) fragt nach dem Beitrag von Werbespots innerhalb einzelner Kampagnen im Laufe der Werbegeschichte. Eine umfangreiche Studie zur multimodalen Gestaltung von Werbespots aus verschiedenen Produktklassen (1956–2011) bietet Wahl (demn.). Mittels qualitativer und quantitativer Analysen wird das Zusammenspiel der Zeichenmodalitäten Bild, Sprache, Musik und Geräusche erfasst. Im Bereich der sprachlichen Analyse wird konsequent nach gesprochener, geschriebener und gesungener Sprache unterschieden. Es spielen u. a. der Einsatz verschiedener Sprachen und Dialekte sowie des Imperativs und die Textverteilung auf die verschiedenen SprecherInnen eine wichtige Rolle. Das Zusammenwirken der einzelnen Zeichenmodalitäten wird besonders für den sogenannten Packshot (die Produktpräsentation am Ende des Werbespots), die Präsentation des Produktnamens, klanglich-bildliche Herkunftsangaben und die multimodale Kommunikation mit dem Zuschauer in den Blick genommen. Da das Korpus aus Fernseh- und Hörfunkwerbespots besteht, wird auch gezielt nach Unterschieden bei der multimodalen Gestaltung der Tonspur gefragt. Ein Kapitel der Arbeit bietet einen Überblick über verschiedene, meist an dem Einstellungsprotokoll der Filmwissenschaft orientierte Transkriptionssysteme. Viele dieser Systeme legen den Fokus auf die Auswertung des Bildes. In Wahl (demn.) wird ein Vorschlag zur computergestützten Analyse und Transkription vorgestellt, der durch die stärkere Differenzierung des „Soundtracks“ und das vermehrte Einbeziehen von Transkriptionskonventionen aus der linguistischen Gesprächsanalyse auch für die Auswertung von Hörfunkwerbespots geeignet ist. Mit einzelnen sprachwissenschaftlichen Themen beschäftigen sich SchlinkmannKeppler/Hanke (1973) in ihrem Beitrag zur Syntax der konzipierten gesprochenen Sprache in TV- und Hörfunkspots, Steinbach (1984) in seiner Arbeit zur Verwendung des Englischen in TV-Spots und Grassegger (1989) in seinem Aufsatz über Redensarten. Burger (1993) analysiert Dialogisches in der Radio- und Fernsehwerbung, Störiko (1995) vergleicht den Einsatz von Fremdsprachen in Anzeigen, TV- und Radiospots und Janich (1998) Fachlichkeitskonzepte in Anzeigen und Werbespots. Polajnar (2005) stellt Adressierungsstrategien in Werbespots für die Zielgruppe „Kind“ in den Mittelpunkt. Sie stellt dabei fest, dass häufig die Eltern die eigentliche Zielgruppe sind bzw. Mehrfachadressierungen vorliegen können. Bratschi (2005) fragt nach der Funktion von Xenismen in Anzeigen, Werbespots und Plakaten, und Wagner (2008) thematisiert das Italienische in der deutschen Fernsehwerbung. Redecker (2008) untersucht empirisch die Wahrnehmung prosodischer Merkmale in einem TV-Spot. Schuppener/ Metz (2011) fragen nach der Rolle der schriftlichen Texte in der Fernsehwerbung. Polajnar (2012) skizziert einen gesprächsanalytischen Zugang zu Fernsehwerbespots.

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Wahl (2012) zeigt anhand eines diachronen Korpus von TV- und Hörfunkwerbespots für Bier aus Bayern, welche dialektalen Merkmale des Bairischen im multimodalen Zusammenspiel mit anderen Zeichenmodalitäten dazu eingesetzt werden, um werbewirksam auf Bayern zu verweisen. Mazur (2013) analysiert Werbespots von IKEA kultursemiotisch, und Gehringer (2013) untersucht Doppeldeutigkeiten in der Anzeigen- und Fernsehwerbung. Werbespots aus anderen Ländern, insbesondere aus der Schweiz, sind Gegenstand der folgenden Studien: Christen (1985) untersucht die Verwendung von Mundart und Hochsprache, Hemmi (1994) legt den Schwerpunkt auf Phraseologismen in Anzeigen und Werbespots. Bajwa (1995) hat die bisher ausführlichste Untersuchung zur Sprache in Schweizer Anzeigen und Werbespots (TV und Hörfunk) vorgelegt. Im Zentrum der Studie stehen syntaktische Fragestellungen, der Slogan, die Verwendung von Mundart und Hochsprache sowie das Gespräch in der Werbung und das Verhältnis von Text und Bild. Auch der Einsatz von Musik in der Hörfunk- und Fernsehwerbung wird thematisiert. Wyss (1998) setzt sich in ihrer Arbeit über den „Fernsehtext“ Werbespot mit Formen der Mimikry, Adaptation und kulturellen Variation in Schweizer Werbespots aus den 1990er Jahren auseinander. Dabei spielen Fragen der Werbewirkungsforschung ebenso eine Rolle wie die (sprachliche) Anpassung von Fernsehwerbespots durch unterschiedliche Fassungen an die verschiedenen Sprachregionen der Schweiz. Mit Material aus weiteren Ländern beschäftigen sich die nachfolgenden Arbeiten: Coleman (1982) analysiert TV-Spots, die zwischen 1976 und 1981 in den USA ausgestrahlt wurden, im Hinblick auf phonologische, prosodische, semantische und pragmatische Fragestellungen. Geis (1982) untersucht ein Korpus von US-amerikanischen Werbespots aus den Jahren 1978–1981 u. a. nach pragmatischen und soziolinguistischen Gesichtspunkten, widmet sich dem Slogan, Komparativen sowie Produktnamen und der Wortbildung und berücksichtigt insbesondere auch die Zielgruppe „Kind“. Schmidt/Kess (1986) vergleichen den persuasiven Gebrauch von Sprache in US-amerikanischen Werbespots mit dem im Televangelism. Schöberle (1984) befasst sich mit britischer Fernsehwerbung. Calderón (1993) analysiert den Gebrauch des Imperativs in spanischen Werbespots. Hoffmann (1998) widmet sich dialogischen Strukturen in russischen TV-Spots. Bei Neuendorff (2003) liegt der Schwerpunkt auf dem Geschichtenerzählen in finnischen Werbespots. Fleckenstein (2007) betrachtet aus semiotischer Perspektive die Werbeästhetik und narrative Verfahren anhand von ausgewählten französischen Werbefilmen (Kino und TV 1971–1998). Gau (2007) vergleicht französische und deutsche Fernseh-, Anzeigen- und Internetwerbung unter den Gesichtspunkten der Semiotik und Argumentation. Golonka (2009) untersucht die Versprachlichung von Werten in polnischen und deutschen Werbespots, Anzeigen und christlichen Traktaten. Kulturvergleichend arbeiten außerdem Dashyan (2006), bei der die sprachliche Gestaltung deutscher und armenischer Werbespots im Mittelpunkt steht, sowie Ising (2007) für deutsche und russische Fernseh-Werbeslogans und Fritzmann (2009) für deutsche und brasilianische Werbespots. Hardin (2001) konzentriert sich auf pragmatische Aspekte des persuasiven Diskurses in der

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spanischsprachigen Fernsehwerbung (Spanien, Chile, USA). Pennock-Speck/del Saz Rubio (2009) analysieren die sprachlich-stimmliche Gestaltung der Texte aus dem Off in englischen und spanischen TV-Spots. Der von Pennock-Speck/del Saz Rubio (2013) herausgegebene Sammelband ist der multimodalen Analyse von Fernsehwerbespots gewidmet. Die Schwerpunkte, die die Autoren der einzelnen Beträge setzen, sind dabei genauso vielfältig wie die Sprachen (Dänisch, Deutsch, Englisch, Italienisch, Katalanisch, Spanisch) der untersuchten Einzelspots bzw. Spotkorpora.

5 Werbung im Hörfunk Zur Sprache der Werbung im Hörfunk sind bisher weniger sprachwissenschaftliche Forschungsarbeiten erschienen als zum Fernsehspot. Arbeiten aus anderen Blickwinkeln (z. B. Medienpolitik, Geschichte) werden hier nicht vorgestellt. Zwei frühe Studien liegen mit dem Beitrag von Schlinkmann-Keppler/Hanke (1973) zur Syntax der konzipierten gesprochenen Sprache in TV- und Hörfunkspots sowie mit Hauswaldt-Windmüller (1977) vor, bei der das sprachliche Handeln in der Rundfunkwerbung im Mittelpunkt steht. Dobaj (1980) beschäftigt sich mit Anglizismen in der Rundfunkwerbung, Hakkarainen (1992) mit dem saarländischen Dialekt in der Funkwerbung des Saarländischen Rundfunks, Fock (1992) mit textlinguistischen Aspekten im Vergleich zur Anzeigenwerbung und Burger (1993) mit Dialogischem in der Radiound Fernsehwerbung. Störiko (1995) vergleicht den Einsatz von Fremdsprachen in Anzeigen, TV- und Radiospots. Hörfunkwerbespots erfahren größere Aufmerksamkeit, seit mit dem Historischen Werbefunkarchiv (HWA, http://raw.uni-regensburg.de/hwa.php) an der Universität Regensburg ein umfangreiches Korpus digitalisiert vorliegt. In Reimann (2006) wird u. a. die Entstehung des Archivs genauer beleuchtet. Reimann (2008c) versammelt Beiträge zur interdisziplinären und sprachwissenschaftlichen Erforschung des Hörfunkwerbespots bzw. des Slogans im Hörfunkspot. Der Slogan in der Hörfunkwerbung steht auch im Mittelpunkt der Studie von Greule/Reimann (2007). Außerdem sind die Medialisierung von Marken- und Produktnamen (Reimann 2008b) sowie Fragen der Wortbildung (Greule/Reimann 2011) und der Phraseologie (Reimann/ Šichová 2011 und Greule/Reimann/Šichová 2012) bearbeitet worden. Der Gebrauch des Dialekts in der Hörfunkwerbung ist thematisiert in Reimann (2009) und Wahl (2012). Reimann (2008a) analysiert den Beitrag von Hörfunkspots (und anderen Werbemitteln) innerhalb einzelner Kampagnen im Laufe der Werbegeschichte. Stöckl (2007b) bietet einen Beitrag über Hörfunkwerbung aus semiotischer Perspektive. Wahl (demn.) untersucht ein Korpus von TV- und Hörfunkwerbespots (1956–2011) mit Blick auf die Gestaltung der multimodalen Botschaften. Hörfunkwerbespots aus anderen Ländern untersuchen Sinclair-Knight (1975) für Frankreich, Bender-Berland (2000) für Frankreich im Vergleich mit Deutschland,

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Rupp (2013) für Frankreich mit einem Schwerpunkt auf Phraseologismen, Wojtaszek (2002) für Polen und England mit einem pragmatischen Schwerpunkt und Sergio (2004) für Italien. Hemmi (1994) befasst sich mit Phraseologismen in Anzeigen und Werbespots aus der Schweiz. Bajwa (1995) untersucht verschiedene Aspekte der sprachlichen Gestaltung von Schweizer Anzeigen und Werbespots (TV und Hörfunk).

6 Werbung im Kino Werbung im Kino wird auch in der 6.  Auflage des Studienbuchs zur Werbesprache von Janich (2013) nicht thematisiert. Aus sprachwissenschaftlich-semiotischer Per­ spektive beschäftigt sich Fleckenstein (2007) mit der Entwicklung der Werbeästhetik und narrativer Verfahren im französischen Werbefilm. Die Studie stützt sich dabei auf die exemplarische Analyse weniger Kinowerbefilme aus den Jahren 1948–1956 und einer kleinen Zahl von Fernsehwerbespots aus den Jahren 1971–1998. In der Arbeit von Reimann (2008a) werden in die Analyse der crossmedialen Konzeption von Werbekampagnen in einigen Fällen auch Kinowerbefilme einbezogen. Wahl (im Druck) befasst sich anhand von ausgewählten Beispielen mit der multisensorischen und multimodalen Gestaltung von Kinowerbung in Deutschland von der Stummfilmzeit bis heute. Darin wird sogar der Duft in Experimenten zu bedufteten Kinowerbefilmen besonders in den Blick genommen.

7 Werbung im Internet Unter allen Werbeformen im Internet hat sich die sprachwissenschaftliche Forschung bisher vor allem auf die Bannerwerbung konzentriert. Da es sich beim Werbebanner um eine Art auf einer Internetseite geschaltete Werbeanzeige handelt, die für die Gestaltung die Zeichenmodalitäten Text und Bild nutzt, kann diese Fokussierung kaum verwundern. Ein wichtiger Unterschied zur Anzeige besteht jedoch darin, dass Werbebanner mit dem Internetangebot des Werbetreibenden verlinkt sind (Kollmann/Esch 2014), wodurch sich vielfältige Möglichkeiten der Steuerung des Informationsflusses seitens der Werbetreibenden ergeben. Auch auf der formalen Ebene bestehen Gemeinsamkeiten mit der klassischen Werbeanzeige in Zeitungen und Zeitschriften: Die Banner werden abgegrenzt vom redaktionellen Inhalt in den Webauftritt eingebunden. Dabei haben sich seit der ersten Schaltung von Bannerwerbung im Jahr 1994 (Runkehl 2013, 97) unterschiedliche Positionen, Formen und Größen (in der Einheit Pixel; z. B. Fullsize-Banner, Half-Size-Banner, Skyscraper, Rectangle, Medium Rectangle, integrierter Sponsor-Button) zum Standard entwickelt, um eine optimale Einbindung sowie eine durchsichtige Preispolitik gewährleisten zu können (Runkehl 2013, 98). Eine besondere Stellung nehmen die sogenannten Pop-Ups ein, die nicht

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direkt in die Website eingebunden sind, sondern sich beim Aufrufen der Website öffnen und dann einen Teil der Website mit dem redaktionellen Inhalt verdecken. Dieses sich öffnende Fenster kann einerseits vom Rezipienten geschlossen werden, andererseits besteht inzwischen auch die Möglichkeit, diese Form der Werbung technisch durch spezielle Pop-Up-Blocker zu unterbinden (Runkehl 2013, 100). Bereits wenige Jahre nach der Einführung der Bannerwerbung entstanden die ersten sprachwissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Werbemittel. Zu nennen sind hier Stöckl (1998b) mit hauptsächlich englischen Beispielen und Runkehl/Schlobinski/Siever (1998) mit deutschen Beispielen. Auch bei Skrzypek (2000), Rossbach (2002), Siever/Runkehl (2002), Siever (2005), Runkehl/Janich (2006) liegt der Schwerpunkt auf der Bannerwerbung. Lühken/Winkelmann (2008) analysieren französische Anzeigen- und Internetwerbung für Automobile. Wahl (2011a) vergleicht den Einsatz von Imperativformen in der Anzeigen- und Bannerwerbung. Die bisher umfangreichsten Studien zur Bannerwerbung haben Janoschka (2004) und Runkehl (2011) vorgelegt. Janoschka (2004) untersucht englisches Material und legt den Schwerpunkt auf die sprachliche Persuasion (Fragen, Imperative, Pronomina, Deiktika, Syntax, Lexik, emotionale Ansprache). Runkehl (2011) untersucht für deutsche Bannerwerbung in Anlehnung an sprachwissenschaftliche Fragestellungen zur Anzeigenwerbung u. a. sprachliche Besonderheiten von Schlagzeile, Fließtext und Slogan sowie Schlüsselwörter, Anglizismen, orthographische und typographische Besonderheiten. Darüber hinaus wird die Beziehung von Text und Bild thematisiert. Gab es zu Beginn der Bannerwerbung nur statische Banner, so hat sich im Laufe der Zeit die Zahl der animierten Banner, in die teilweise sogar Videos und Audiosequenzen integriert sind, deutlich erhöht (Runkehl 2013, 98). In diesem Bereich fehlen Studien zur sprachlichen bzw. multimodalen Gestaltung. Mit den Möglichkeiten der Nutzung von Websites für die Unternehmenskommunikation bzw. für die Werbung befassen sich Janich (2002b), Schmitz (2002), Juhl Bang (2004) für Telefongesellschaften und Schlobinski (2004) für ausgewählte Marken der Automobilindustrie. Vogel (2012) untersucht den Corporate Style eines Unternehmens anhand der Website und anhand von Produktverpackungen. Aus kognitionslinguistischer Perspektive kontrastiert Schmidt (2003) den deutschen und finnischen Webauftritt von Nokia hinsichtlich der Persuasionsstrategien und der Umsetzung des Markenslogans. Emmerling (2007) analysiert die Corporate Identity am Beispiel der italienisch-, portugiesisch- und spanischsprachigen Websites von Aventis, Ising (2008) die Websites russischer Versicherungsunternehmen, Koskensalo (2008) Tourismuswebsites und Lühken (2010) die Websites französischer Automobilhersteller. Wrobel (2003) vergleicht Abschwächungsstrategien in der deutschen und amerikanischen Online-Werbung für Tabuprodukte, und Schröder (2013) führt für den Luftverkehr eine kulturkontrastive Analyse für die Länder Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und die USA durch. Mit interkulturellen Fragen befassen sich auch Ylönen (2003) im Bereich des deutschen und finnischen Webvertising, Mattsson (2004) für deutsche, finnische und schwedische Werbeanzeigen für

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Bier (offline und online) und Gau (2007) im Bereich der französischen und deutschen Fernseh-, Anzeigen- und Internetwerbung mit einem Schwerpunkt auf Semiotik und Argumentation. Miškulin Saletović (2012) zeigt Werbestrategien in deutscher und kroatischer Internet-Werbung für Campingplätze auf. Spezifische Microsites für einzelne Produkte könnten sich ebenfalls für eine sprachwissenschaftliche bzw. multimodale Analyse anbieten. Herde (2001) und Handler (2011) beschäftigen sich mit der sprachlichen Gestaltung von Internetadressen, Fahlbusch (2013) mit Unternehmensnamen und ihrer sprachlichen Anpassung für die Nutzbarmachung als Internetadresse.

8 Ausblick Trotz der geschilderten beeindruckenden Fülle von sprachwissenschaftlichen Arbeiten zu bestimmten Aspekten der Werbung gibt es noch weitgehend ununtersuchte Werbeträger und -mittel. So hat man sich aus sprachwissenschaftlicher Sicht noch nicht mit verschiedenen Sonderwerbeformen im Fernsehen, Kino und in Computerspielen wie beispielsweise dem visuellen und verbalen Product Placement, also dem Zeigen bzw. Nennen einer Marke/eines Produkts in Spielfilmen, Serien und Computerspielen (In-Game-Advertising), auseinandergesetzt. Stärker im Fokus steht das Produkt bei verschiedenen Formen des sog. Branded Entertainments, das um eine Marke herum kreiert wird. Zum Teleshopping ist mit Frommert (2012) erst eine Arbeit entstanden, die sich auch mit der Sprache in diesen Werbeprogrammen befasst. Weitere Arbeiten zu Dauerwerbesendungen liegen bisher nicht vor. Die Sprache der Spam-Werbung wurde bislang nur von Schmückle/Chi (2004) und Barron (2006) untersucht. Werbe-Newsletter sind dagegen bislang nicht behandelt worden. Gleiches gilt für das Werbemittel Digital Video, dessen Analyse sich an Arbeiten zum Werbespot im Fernsehen bzw. Werbefilm im Kino anschließen und auch die Verwendung von Sprache, Bild, Musik und Geräuschen thematisieren könnte. Auch die Google Adwords, Formen des mobilen und viralen Marketings, Weblogs/Blogs (Janoschka 2008b) sowie die Werbung in sozialen Netzwerken bieten noch vielfältige Untersuchungsgegenstände. Für neue Arten der Außenwerbung fehlen ebenfalls Arbeiten mit sprachwissenschaftlichem Schwerpunkt. Selbst ein so traditioneller Werbeträger wie die Produktverpackung ist aus sprachwissenschaftlicher und multimodaler Perspektive noch relativ wenig behandelt worden (Hardt-Mautner 1992; Steves 1999; Janik/Böttger 2007; Böttger/Janik 2008; Vogel 2012; Hinweise aus der Praxis in Bellero 2012). Auch der werbende Einsatz von Sprache im Zusammenspiel mit anderen werbenden Elementen am Point of Sale bzw. am Point of Service wurde bislang in der Forschung kaum berücksichtigt. Erste theoretische Überlegungen bietet Steffen (im Druck); zum Vortrag fliegender Händler s. Johannkemper (1999). Dies gilt sogar für ein historisches Medium, die Werbeschall-

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platte. Sie „wurde vor allem in den 1950er und 1960er Jahren als Beilage zu Zeitschriften, als Zugabe zu Produkten oder als Werbegeschenk für besondere Berufsgruppen [kostenlos] verteilt“ (http://raw.uni-regensburg.de/spremberg.php; vgl. auch Reimann im Druck). Werbung bleibt spannend – auch für die Sprachwissenschaft.

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Heike Steinmetz

18. Kundenzeitschriften Spagat zwischen Kundenbindung, Information und Corporate Wording Abstract: Kundenzeitschriften sind aus der Unternehmenskommunikation nicht mehr wegzudenken. Damit sie erfolgreich sind und die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen, müssen sie sich in allen Bereichen mit Kauftiteln messen lassen. Eine besondere Herausforderung ist dabei die Sprache. Sie muss die Erwartungen der Leser und der herausgebenden Unternehmen erfüllen, Botschaften und Identität vermitteln. Zudem hat jede Bevölkerungsgruppe zumindest teilweise einen eigenen Wortschatz – ebenso wie das Unternehmen selbst. Dieser Beitrag zeigt auf, wie sich die verschiedenen Erwartungen erfüllen lassen und Kommunikationsziele erreicht werden, ohne der Kundenzeitschrift den Anstrich eines Werbeblättchens zu geben. 1 Kundenzeitschriften – fester Bestandteil der Unternehmenskommunikation 2 Gefragt ist journalistische Qualität 3 Enger Zusammenhang: Textform und Sprache 4 Corporate Wording – auch in Kundenzeitschriften? 5 Fazit 6 Literatur

1 Kundenzeitschriften – fester Bestandteil der Unternehmenskommunikation Sie begegnen uns überall: In den Apotheken, im Drogeriemarkt oder auch am Kiosk. Sie werden uns von unseren Bausparkassen, den Krankenkassen oder auch dem ADAC nach Hause geschickt. Sie sind Nachschlagemedium für Gesundheits- und Urlaubstipps, für Rezepte und vieles mehr. Über 3.500 Kundenzeitschriften erscheinen allein im deutschsprachigen Raum, 40 % von ihnen im Business-to-BusinessSegment (B2B). 2012 erreichten sie eine Auflage von 42,26 Millionen Exemplaren pro Erscheinungsintervall – in der Regel einmal im Quartal (BDZV 2013, 15). Und obwohl sie in der Regel kostenfrei angeboten werden, haben es etwa 200 Kundenmagazine in den Kiosk geschafft. Sie sind damit – trotz des Absenders – für den Leser so interessant und informativ, dass sie bereit sind, dafür Geld auszugeben. Damit bleiben Kundenmagazine – trotz des Erfolgs der Sozialen Netzwerke und anderer neuer Kommunikationskanäle  – ein wichtiger Bestandteil der Unternehmenskommunikation.

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Dies belegt auch die Tatsache, dass 46 % der Top-500-Unternehmen mindestens eine Kundenzeitschrift herausgeben. Was macht Kundenzeitschriften bei Lesern und Herausgebern so beliebt? Sie eignen sich hervorragend, um über aktuelle Entwicklungen und neue Produkte zu informieren, Hintergrundinformationen zum Marktgeschehen zu vermitteln, Tipps für den Umgang mit Produkten sowie Einblicke hinter die Kulissen eines Unternehmens zu geben und vieles mehr. Mit ihnen lässt sich Lobbyarbeit ebenso realisieren wie Sustainability-Kommunikation aufbauen. Durch den Mix von kurzen und längeren Texten lassen sich sowohl kurze Ankündigungen und Mitteilungen realisieren als auch Hintergründe erläutern. Und dies, ohne dass der Leser gelangweilt oder mit Informationen überfrachtet wird. Welche Inhalte eine Kundenzeitschrift hat, wie sie aufgebaut und wie sie gestaltet ist, hängt dabei eng vom Absender, den Kommunikationszielen und den Empfängern ab. Diese reichen von der Pflege bestehender Kundenbeziehungen über die Imagepflege des Unternehmens oder der Marke bzw. des Produkts bis hin zur Steigerung des Bekanntheitsgrads, Unterstützung einer Produkteinführung oder der Vertriebsunterstützung – beispielsweise bei der Erschließung neuer Märkte. Die Antwort auf die Frage „Was wollen wir mit der Kundenzeitschrift erreichen?” kann aber auch einer oder mehrere der folgenden Punkte sein: – Profilierung gegenüber dem Wettbewerb durch mehr Service – Gezieltere Kundenansprache durch Responsemöglichkeit – Verringerung der Streuverluste gegenüber klassischer Werbung und/oder Direktmarketing – Aufwertung des Produkt- und Unternehmensimages – Zusatzinformationen zur Vor- und Nachbereitung von Verkaufsgesprächen – Gezielte Nutzung positiver Kundenerfahrungen – Aufbau und Stärkung des Images als der kompetente Ansprechpartner für ein bestimmtes Thema oder ein bestimmtes Produkt. Ganz unumstritten sind Kundenzeitschriften trotzdem nicht: Für die Leser sind sie mal eine kostenlose und glaubwürdige Lektüre mit hohem Informationswert, mal ein plumpes Werbeblättchen. Wie sie wahrgenommen werden, hängt dabei sehr von der journalistischen Qualität der Kundenzeitschrift sowie des Themen-Mix ab: Geht es thematisch nur um Produkte und Dienstleistungen, stellt sich schnell Langeweile ein. Werden diese dann durchgehend als toll und einmalig angepriesen, ohne dass ein Bezug zum Leser hergestellt wird, landen die Zeitschriften schnell als reine Werbung im Papierkorb. Anders ist es mit Kundenzeitschriften, die die Informationsbedürfnisse der Leser berücksichtigen. Dies trifft beispielsweise für B2B-Zeitschriften zu, die Markthintergründe vermitteln oder Lösungen für tägliche Herausforderungen bieten. Bei Business-to-Consumer-Zeitschriften (B2C) wird unter anderem gute Unterhaltung erwartet sowie direkt umsetzbare Tipps für Familie, Freunde oder Beruf.

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Konkurrenz durch Kauftitel Ganz gleich, ob B2B oder B2C: Kundenzeitschriften konkurrieren mit den Kauftiteln am Kiosk. Mit Fachzeitschriften, die unabhängig über Märkte und Produkte informieren und dabei Angebote der Wettbewerber gegenüberstellen. Mit Zeitschriften, die von Freunden und Bekannten gelesen werden und über deren Inhalte man diskutiert. Mit Medien, die gut ausgebildete Journalisten bezahlen. Auch wenn Kundenzeitschriften in der Regel kostenlos sind, müssen sie sich an diesen Maßstäben messen lassen und entsprechende Qualität bieten. Sie müssen den Leser neugierig machen, ihn fesseln und inhaltlich wie textlich überzeugen. Genau dies lässt viele kleinere und mittelständische Unternehmen vor der Realisierung einer Kundenzeitschrift zurückschrecken. Sie befürchten hohe Investitionen ohne kontrollieren zu können, ob sich diese positiv auf den Vertrieb oder das Image auswirken. Es gibt aber auch Unternehmen, die Kundenzeitschriften als reines Werbemedium ansehen und sie dementsprechend aufbauen: Werbliche Texte beschreiben Produkte und Dienstleistungen und vernachlässigen die Interessen der Leser. Diese sollen ausschließlich zum Kaufen animiert werden. Da sich ein solcher Erfolg nicht nach ein oder zwei Ausgaben einstellt, werden Kundenzeitschriften mit diesem Konzept in der Regel schnell wieder vom Markt genommen. Dass es sich hierbei nicht um eine Kundenzeitschrift im klassischen Sinn, sondern um reine Werbung handelt, kommt den Verantwortlichen dabei nicht in den Sinn. Deshalb lohnt sich im Vorfeld der weiteren Betrachtungen eine kleine Begriffsbestimmung: Eine Kundenzeitschrift ist ein periodisch erscheinendes Instrument der Unternehmenskommunikation. Layoutet im Zeitschriften- oder Zeitungsdesign transportiert sie redaktionell aufbereitete Inhalte mit oder ohne Unternehmensbezug. Zu den Kommunikationszielen der Unternehmen zählen Imageaufbau, Informationsvermittlung, Verkaufsförderung und Steigerung der Kundenbindung. Dazu erscheinen Kundenzeitschriften in klassischer Printform und/oder werden digital zur Verfügung gestellt.

Wichtig bei dieser Begriffsbestimmung ist das Stichwort redaktionell aufbereitete Inhalte. Wird diese Regel eingehalten, hat eine Kundenzeitschrift gute Chancen auf Erfolg. Dabei bezieht sich der Hinweis auf die Redaktion nicht allein auf die Sprache – auch das Layout und die Haptik sollten ansprechend sein und sich an den Kauftiteln orientieren.

2 Gefragt ist journalistische Qualität Kundenzeitschriften sind kein Selbstzweck. Sie werden herausgegeben, um bestimmte Kommunikationsziele zu erreichen. Aufgrund der Informationsfülle, die in einer Zeitschrift Platz findet, lassen sich dabei gut verschiedene Kommunikationsziele mitein-

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ander kombinieren sowie unterschiedliche Zielgruppen mit einem Medium ansprechen. Ohne aufdringlich oder zu werblich zu wirken, informieren sie über Produkte und Dienstleistungen des Absenders, machen neugierig oder geben Hilfestellungen. Gut und ansprechend gemacht, stärken sie nicht nur das Unternehmensimage des Absenders, sondern unterstützen auch nachweislich den Vertrieb: In einer von TNS Emnid 2011 durchgeführten Studie, bei der 2002 Interviews mit haushaltsführenden Einkaufsentscheidern geführt wurden, gaben 44,3 % der Befragten an, dass sie aufgrund von Berichten in Kundenmagazinen mindestens einmal die Filiale des herausgebenden Unternehmens besucht haben. 41,5 % haben sich die Internetseite angesehen und 18,4 % im Internet nach ergänzenden Informationen recherchiert (SVI/TNS Emnid 2011, 20). Zu den Erfolgsfaktoren der Kundenzeitschriften gehören die unterschiedlichen journalistischen Darstellungsformen. Sie bieten dem Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, die Leser zielgerecht anzusprechen, sie neugierig zu machen und dafür zu sorgen, dass das Lesen der Beiträge, das Blättern im Heft Spaß macht. Zum anderen ist die Nähe zum Journalismus selbst wichtig. Auch wenn bekannt ist, dass es manche Medien mit der Wahrheit nicht ganz genau nehmen, genießen Medien in Deutschland eine hohe Glaubwürdigkeit. Dies wirkt sich auch auf die Kundenzeitschriften aus.

Journalistische Textformen Glaubwürdigkeit, hoher Informationsgehalt, das Wecken von Interesse sowie von Bedarf – all das hängt sehr eng mit der Aufbereitung der Inhalte, mit Sprache zusammen. Dass diese passend zur Zielgruppe, zum Absender und natürlich auch zu den Kommunikationszielen und Inhalten der Texte gewählt werden sollte, versteht sich von selbst. Mindestens ebenso wichtig ist die redaktionelle Form, die zur Vermittlung der Inhalte genutzt wird. Hier stehen den Verantwortlichen verschiedene journalistische Formen zur Verfügung: – Nachricht und Meldung: Hierbei handelt es sich um eine kurze, sachliche Information. Dies kann beispielsweise eine Terminankündigung sein oder eine Personalie. Informationen, die keinen oder nur wenig Bezug zum Sachverhalt haben, werden weggelassen, ebenso eine Bewertung durch den Texter. Damit beschränken sich die Texter auf die Beantwortung der Fragen Was?, Wer?, Wann? und Wo? In Kundenzeitschriften können Meldungen entweder gebündelt auf einer Seite erscheinen, um den Leser knapp über aktuelle Ereignisse zu informieren und so den Einstieg in die Zeitschrift zu erleichtern. Oder aber sie erscheinen über das Magazin verteilt als Ergänzung zu längeren Artikeln. – Bericht: Neben den oben genannten W-Fragen stellt der Bericht auch die Frage nach dem Warum? Berichte sind länger als Nachrichten und Meldungen, sind sachlich geschrieben und geben Stellungnahmen oder Aussagen zu einem Ereignis oder einer Veranstaltung wieder.

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– Kommentar: Wertend und subjektiv – und damit eine Sonderform der journalistischen Darstellungsform – sind Kommentare. Sie haben einen klaren Absender – entweder den Chefredakteur oder einen Redakteur, dessen Kompetenz zu dem Thema anerkannt ist. Auch Experten oder Meinungsführer können – beispielsweise als Gastautoren – Kommentare verfassen. – Kolumne: Ebenfalls zu den Meinungsbeiträgen zählt die Kolumne. Sie ist kurz gehalten und erscheint in den Zeitungen meist an der gleichen Stelle. Inhaltlich widmet sie sich einem von dem Kolumnisten ausgewählten Thema oder einem aktuellen Ereignis. Zu den bekannten Kolumnen gehört das Streiflicht der Süddeutschen Zeitung. – Feature: Nach Schneider ist ein Feature ein „schillerndes Allerweltswort für interessante, lebendige Texte“ (Schneider/Raue 2006, 109). Tatsächlich werden Texte, die nicht in die klassischen Schubladen passen, gerne als Feature bezeichnet. Trotzdem gibt es auch für diese Textform Regeln: Ausgehend von einer aktuellen Situation, die ihren Platz im Vorspann als einleitendes Element findet, wird das Thema immer breiter und aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt. Anders als bei Reportagen werden Hintergrundinformationen in den Text integriert. Damit enthalten Features sowohl die Merkmale einer Reportage als auch Elemente eines Berichts. Die Sprache ist lebendig und bunt. – Essay: Hierbei handelt es sich um eine Abhandlung, die sich um wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene dreht. Ähnlich wie bei dem Kommentar steht beim Essay die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit dem Thema im Mittelpunkt. Sie erheben nicht den Anspruch, sachlich oder wissenschaftlich fundiert zu sein. – Reportage und Porträts: Reportagen nehmen den Leser an die Hand und lassen ihn durch die Sinne des Autors an dem Geschehen teilhaben. Beschrieben werden die Situationen subjektiv. Der Autor hört, riecht, sieht. Er empfindet etwas und beschreibt dies für den Leser. Fakten, Zahlen und andere Hintergrundinformationen haben nichts in der Reportage zu suchen. Da nicht immer darauf verzichtet werden kann, bieten sich hier Info-Kästen an, in denen diese Informationen gesammelt und als kurze Texte oder als Aufzählung wiedergegeben werden. Auch Grafiken bieten sich dafür an. Eng mit der Reportage verwandt ist das Porträt. Hier steht nicht ein Geschehen, sondern ein Mensch im Mittelpunkt. In Kundenzeitschriften sind Porträts beliebt, um beispielsweise einen Mitarbeiter, einen langjährigen Kunden oder auch den Unternehmensgründer vorzustellen. Dank der sehr persönlichen Darstellung kann die Bindung zum Unternehmen stark gefördert werden – schließlich bekommt das Unternehmen Gesichter, besteht aus Menschen statt Telefonnummern. Wird beispielsweise der Leiter des Customer Service vorgestellt, weiß der Kunde beim nächsten Telefonat, mit wem er spricht, welche Vorlieben und Hobbys sein Gesprächspartner hat u. a. – Interview und Round Table: Auch Interviews beleben Kundenzeitschriften. Die Texte im Frage-Antwort-Stil können lustig und belebend sein oder auch unerwar-

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tete Wendungen nehmen. Leider verkommen sie häufig zu Monologen – vor allem dann, wenn sich die Gesprächspartner nicht persönlich ausgetauscht haben, sondern der Befragte Fragen erhalten hat, die er dann schriftlich beantwortet. Der Verlauf eines Interviews hängt zudem entscheidend davon ab, ob offene oder geschlossene Fragen gestellt werden. Letztere lassen den Gesprächsfluss schnell stocken, da sie mit Ja, Nein oder weiß nicht beantwortet werden können. Etwas lebhafter sind Gespräche, an denen zwei oder mehr Gesprächspartner teilnehmen. Sie haben den Vorteil, dass Fragen aus verschiedenen Perspektiven beantwortet werden und sich so neue Aspekte ergeben. Dabei können durchaus Unternehmensvertreter und Kunden an dem Gespräch teilnehmen. Oder aber – je nach Themenstellung – ein Politiker, ein Wissenschaftler oder auch ein Wettbewerber. – Glosse: Zu den Meinungsbeiträgen in den Zeitungen gehört auch die Glosse, die sich durch ihre Satire oder Polemik von den anderen Textformen abhebt. Welche Textform für welches Thema gewählt wird, hängt vom Informationsgehalt sowie den Kommunikationszielen ab. Geht es um komplexe Hintergrundinformationen, bietet sich beispielsweise ein Bericht an. Möchte man zeigen, wie Kunden von einem Produkt oder einer Dienstleistung profitieren, kann eine Anwendergeschichte die optimale Form sein. Dabei steht ein Kunde im Mittelpunkt, der mit seinen Aussagen die Vorteile unterstreicht. Im Bereich der Lobbyarbeit können Gesetzesvorhaben kommentiert werden. Oder der neue CEO wird mit einem lebendigen Porträt vorgestellt, um ihn den Kunden näher zu bringen. Die Kunst besteht darin, die Kommunikationsziele des Unternehmens mit den Lese-Interessen der Kunden in Einklang zu bringen. Dies wird nur dann gelingen, wenn die Kommunikationsverantwortlichen bereit sind, die Perspektive des Lesers einzunehmen. Beantwortet werden müssen dabei folgende Fragen: – Warum ist das Thema für den Kunden interessant? – Welchen Vorteil, welchen Nutzen hat er davon, den Text zu lesen? – Welche Inhalte sind für ihn wirklich relevant? – Hält das Gesagte einer Prüfung durch Dritte stand? – Wie kann es ansprechend und interessant dargestellt werden? Hinzu kommen folgende Fragen aus Unternehmenssicht: – Welche Kommunikationsziele möchte ich mit dem Text erreichen? – Welche Inhalte sind aus Unternehmenssicht relevant? – Welche Textform eignet sich dafür?

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3 Enger Zusammenhang: Textform und Sprache Textform und Sprache hängen eng zusammen. Während Berichte sachlich geschrieben sind, leben Reportagen von Bildern. Daraus ergibt sich eine ganz andere Wortwahl, ein anderer Satzaufbau. Die Textform beeinflusst damit die Sprache. Doch dies ist nicht der einzige Aspekt. Wie die Texte aufgebaut sind, welche Wörter, welche Fachbegriffe genutzt werden, hängt zudem sehr stark von dem Unternehmen und seinem Corporate Wording, aber auch von der Zielgruppe ab. Sie gilt es anzusprechen, neugierig zu machen, in den Text zu ziehen. Findet sich die Zielgruppe in der Sprache nicht wieder, können die Inhalte noch so gut aufbereitet sein – sie werden nicht gelesen. Was bedeutet dies konkret? Eine wichtige Unterscheidung ist das Alter der Zielgruppe. Unterschieden werden Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren. Der Unterschied fängt bereits bei der Ansprache an: Während Kinder und Jugendliche geduzt werden, werden Erwachsene und Senioren gesiezt  – auch in den Medien. Zudem haben die unterschiedlichen Altersgruppen einen anderen Erfahrungs- und Wissensschatz. Das wirkt sich auf die Formulierungen aus. Beispiel Apotheken-Zeitschriften: Sie zählen zu den klassischen Kundenzeitschriften und wenden sich an eine gesundheitsbewusste Leserschaft ohne medizinische Vorbildung. Dementsprechend sind die Texte allgemein verständlich geschrieben und kommen so weit wie möglich ohne Fremdwörter aus bzw. erklären diese. Wie weit sich die Kundenzeitschriften auf ihre unterschiedlichen Zielgruppen einstellen, zeigt ein Vergleich der unterschiedlichen Apotheken-Zeitschriften. So gibt es spezielle Apotheken-Zeitschriften für Kinder. Andere richten sich an junge Familien oder an Senioren. Die Texte sind so unterschiedlich wie die Zielgruppen selbst: Kinder werden mit kurzen Texten angesprochen, die aus kurzen Sätzen bestehen. Die Sprache und die in ihr verwendeten Bilder sind altersgerecht. Ganz anders die Texte für Erwachsene: Hier geht es mehr ins Detail, die Texte sind länger und vermitteln Fachwissen. Auch der verwendete Wortschatz ist ein anderer und orientiert sich an der aktuellen Lebenssituation der Leser. Was für die Apothekenzeitschrift gilt, gilt auch für andere Kundenzeitschriften. Der folgenden Herausforderung müssen die Kundenzeitschriften gerecht werden: Fast jede gesellschaftliche Gruppe hat zumindest teilweise ihren eigenen Wortschatz, den es bei der Leseransprache zu berücksichtigen gilt. Banker, Chemiker oder Lebensmitteltechniker wollen anders angesprochen werden als Bausparer, Fußball-Fans oder ADAC-Mitglieder. Begriffe, die Philatelisten verwenden, sind für Billard-Spieler Fremdworte – und umgekehrt. Zudem soll über die Sprache eine bestimmte Atmosphäre aufgebaut werden. Hier spielen zum einen die Kommunikationsziele eine Rolle, zum anderen die Lebenswelt der Zielgruppen. Während Kundenmagazine von Reiseanbietern oder Fluggesellschaften den Wunsch nach Urlaub in fernen Ländern wecken wollen, sollen Führungskräfte in Unternehmen Informationen zu faktenbasierten Entscheidungen

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an die Hand bekommen. Warme, positiv besetzte Wörter und Sprachbilder auf der einen Seite contra sachlich aufbereitete und auf den Punkt gebrachte Information. Wie wichtig die Sprache zur Erreichung der Kommunikationsziele ist, zeigen folgende fiktiven Formulierungsbeispiele: Die Küste mit ihrem weißen Sand rahmt die malerische Insel ein. Von hier aus blicken Sie auf das blau-grüne Meer, in dessen Wasser sich die Fische tummeln. Auf Fischerboote, die fröhlich auf den Wellen tanzen […].

Für Investoren könnte die gleiche Situation wie folgt beschrieben werden: Die 14 km lange Küste bietet Platz zum Bau von Hotels. Die Wettbewerbssituation auf der Insel ist noch entspannt, so dass die Investitionen innerhalb einer Zeitspanne von […] refinanziert sind. Zudem hat noch keine nennenswerte Industrialisierung stattgefunden. Dies macht die Insel unter den Urlaubern zurzeit zum Geheimtipp. Prognosen sagen einen Anstieg von XY Prozent an Touristen voraus.

Kein Leser würde auf den Gedanken kommen, sich nach der Lektüre des zweiten Textes für einen Urlaub auf der beschriebenen fiktiven Insel zu entscheiden. Umgekehrt würde kein Investor sein Geld in Projekte stecken, nur weil weißer Sand die Insel malerisch einrahmt. Auch andere Zielgruppen haben ihre eigene Sprache, ihre eigenen Begrifflichkeiten. Und möchten sich in den Kundenzeitschriften wiederfinden. Schließlich erwarten sie ja auch, dass der Anbieter etwas von den Produkten und Dienstleistungen versteht, die er anbietet. Und dass er sich mit seinen Kunden, ihren Wünschen und Anforderungen auseinandersetzt. Im Umkehrschluss heißt das: Findet sich die Zielgruppe nicht in den Texten wieder, wirkt sich dies auf das gesamte Image des Anbieters aus. Hat der Redakteur wahllos Begriffe aneinander gereiht, ohne zu wissen, in welchem Kontext sie von der Zielgruppe üblicherweise genutzt werden, kann sich dies zum Bumerang für das Unternehmen entwickeln: Wer nicht weiß, worüber er schreibt oder spricht, kann kaum optimale Produkte für diese Situation anbieten. Schlechte, unverständliche Texte richten mehr Schaden an, als viele Verantwortliche glauben. Und dies über das oben genannte Beispiel hinaus. Textaussagen, die nicht verstanden werden oder sogar missverstanden werden, wirken genauso negativ wie – gewollte oder ungewollte – Belehrungen der Leser. Oder aber, es wird ein Anspruch auf hohe Qualität bei Produkten formuliert, der von den Lesern auf alle Unternehmensbereiche übertragen wird, mit der Folge, dass die Leser von der schlechten Qualität bei den Texten auf die Produktqualität zurückschließen. Nicht ganz so dramatisch, aber immer noch sehr ärgerlich ist es, wenn keine Bilder, keine Emotionen beim Lesen entstehen und wir uns deshalb nicht an die Texte erinnern, sie uns schlicht nichts sagen. Dabei können selbst wissenschaftliche Texte gut und alles andere als trocken oder langweilig aufbereitet werden. Das beweist das Magazin „For-

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schen in Jülich“ des Forschungszentrum Jülich regelmäßig. Die Autoren nutzen gerne Gegenstände des alltäglichen Lebens, um chemische oder physikalische Gesetze zu erklären. Sie schlagen den Bogen zwischen Wissenschaft und Alltag, indem sie beispielsweise erklären, wie Kaffee wirkt. Oder erläutern, wie die Wissenschaft gerade daran arbeitet, den optimalen Reifen möglich zu machen. In dem Beitrag Kartoffeln im Kernspin erläutern sie beispielsweise, warum Jülicher Pflanzenforscher vom Institut für Bio- und Geowissenschaften das Gemüse mit medizintechnischen Methoden untersuchen. Die Einleitung liest sich wie folgt: Lauch, Kartoffeln, Zwiebeln  – das klingt nach Zutaten für einen würzig deftigen Eintopf. Die Jülicher Pflanzenforscher vom Institut für Bio- und Geowissenschaften haben aber anderes im Sinn, als das Gemüse zu würfeln oder in Scheiben zu schneiden. Im Gegenteil: Ohne die Pflanzen zu zerstören, wollen sie verstehen, was in deren Innerem geschieht, und zwar während die Pflanzen wachsen. (Forschungszentrum Jülich 2012, 22)

Die Anspielung auf den Eintopf ruft dabei in der Regel ein wohliges, angenehmes Gefühl hervor. Die Assoziation mit Wärme, dem Gefühl, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und sich sicher zu fühlen, wirkt hier automatisch mit. Dieses Gefühl überträgt sich auf die Aktivitäten des Forschungszentrums. Mit dieser Form der Informationsaufbereitung wird das Magazin auch für interessierte Laien spannend, die von einer rein wissenschaftlichen Lektüre wahrscheinlich eher abgeschreckt wären (vgl. die Downloads der Magazine unter http://www.fz-juelich.de/portal/DE/Presse/Publikationen/forschen-in-juelich/_node.html). Auch die Kundenzeitschrift „Logistik erleben“ des Dortmunder FraunhoferInstituts für Materialfluss und Logistik (IML) versteht es, wissenschaftliche Inhalte ansprechend und mit einem Augenzwinkern aufzubereiten und so auch Laien für die eigene Arbeit zu begeistern. Dabei beschäftigt sich das Magazin durchaus mit ernsten Themen wie der Industrie 4.0, der Cloud oder Stammdatenqualität. So wird in der Ausgabe „Logistik erleben #8“ aus dem Jahr 2009 ein neues Ortungssystem vorgestellt, mit dem Handynutzer auf wenige Zentimeter genau geortet werden können. Den Nutzen dieses neuen Systems bringen die Autoren mit der Überschrift auf den Punkt: „Digitaler Lawinensuchhund“ (Fraunhofer Institut 2009, 18). Tatsächlich ist das System vor allem für die Auffindung von Lawinenopfern gedacht. Allerdings wird sich die Technik auch für andere Bereiche einsetzen lassen.

4 Corporate Wording – auch in Kundenzeitschriften? Manchmal lesen wir einen Text und erkennen sofort den Autor. Bei literarischen Größen wie Thomas Mann ist dies möglich oder bei Ernest Hemingway. Sie hatten ihre ganz eigene Art, Sprache einzusetzen. Mit ausgewählten Wörtern Bilder entstehen zu lassen und Emotionen hervorzurufen. Dieses Ziel verfolgen auch Unternehmen und

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Marken mit ihrem Corporate Wording. Dabei handelt es sich um ein Sprachkonzept, das genau definiert, welche Wörter, Begriffe und Formulierungen einzusetzen und welche zu vermeiden sind. Häufig wird auch festgelegt, in welchem Kontext etwas gesagt oder geschrieben bzw. vermieden wird. Ziel ist es, mit dieser Sprache die Markenbotschaft zu unterstreichen und ein unverwechselbares Profil aufzubauen. Zum Corporate Wording gehören auch Eigennamen und Schreibweisen von Produkten und Marken. Corporate Wording kann damit eine sehr gute Ergänzung zum übrigen Markenauftritt sein. Es kann der Sprache aber auch ihre Spannung nehmen, weil Kunden in allen Publikationen die immer gleichen Begriffe und Formulierungen finden und diese irgendwann hohl klingen. Serviceorientiert und kundenfreundlich sind solche Begriffe, die im Laufe der Jahre an Aussagekraft verloren haben. Gleiches gilt für die Aussage Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt, die man seit vielen Jahren in allen Branchen antrifft. Ein schönes und sehr amüsantes Beispiel dafür, wie nichtssagend solche Formulierungen sein können, bietet das Video „Die Mutter aller Imagefilme –S’Leben is a Freid“. Chief Executive Officer und Sales Manager Bananen-Didi stellt in diesem Video seinen Obststand am Ausgang der U-Bahn-Station Universität in München vor (http:// www.youtube.com/watch?v=DXIsTTH2wzg). Er macht dies allerdings mit Formulierungen, die in jedem zweiten Imagefilm vorkommen – und dies bei Global Playern, bei Banken oder anderen großen Konzernen. Allein in der ersten Minute reihen sich Aussagen wie „Wir sind ein Familienunternehmen mit Tradition“ an „Ein Unternehmen, das für Qualität, Leidenschaft und Nachhaltigkeit steht“ und „Ein Unternehmen für den Kunden.“ Wenn es dann noch heißt „Wir sind als Kompetenz- und Marktführer perfekt positioniert“ sowie „Wir denken und handeln lösungsorientiert“, wird deutlich, wie wenig Aussagekraft diese Worte wirklich haben. Werden diese Aussagen dann noch in Zusammenhang mit einem Ein-Mann-Obststand in der Münchener Innenstadt gebracht, wirken sie entlarvend komisch. Und doch sind das genau die Formulierungen, die sich nicht nur in Imagefilmen, sondern auch in Werbetexten, auf Webseiten und zum Teil auch in Kundenzeitschriften wiederfinden – und damit den Leser abschrecken. Dies bedeutet nun nicht, dass Unternehmen in Kundenzeitschriften komplett auf ihr Corporate Wording verzichten sollten. Im Gegenteil: Der Wiedererkennungswert des Corporate Wording kann dazu beitragen, die Kommunikationsziele zu erreichen, die Textbotschaften mit der Marke, dem Unternehmen zu verknüpfen und so eine höhere Kundenbindung zu erreichen. Gefragt ist deshalb ein gesunder Mix, bei dem der journalistische Anspruch an die Texte im Vordergrund stehen sollte. Marken- und Produktnamen sind deshalb auch in Kundenzeitschriften selbstverständlich. Auch Worte oder Formulierungen, die eine bestimmte Markenwelt betonen, sind nicht tabu. Hier gilt es allerdings, dem Informations- und Nutzwert den Vorzug vor den Formulierungen zu geben. Statt den Begriff kundenfreundlich zu schreiben, steht der Texter vor der Aufgabe, diese Aussage zu beschreiben: Wie äußert sich die Kundenfreundlichkeit? Welche Beispiele gibt es dafür? Passen sie in den Text, in den Zusammenhang?

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Wie kann Kundenfreundlichkeit kommuniziert werden, ohne den Begriff als solchen zu nutzen? Gleiches gilt auch für andere Begriffe wie beispielsweise Marktführer oder einer der führenden Anbieter für … Diese Aussagen lassen sich konkretisieren und mit Fakten untermauern  – mit dem schönen Nebeneffekt, dass der Kunde Argumente für die Wahl des Unternehmens, der Marke oder des Produktes erhält. Information, Nutzwert und journalistische Qualität sollten deshalb immer den Vorrang vor dem eigenen Corporate Wording haben. Gerade dann, wenn es nicht um Marken- oder Produktnamen sondern um Formulierungen geht. Unbedenklich sind hingegen Sprachbilder und Begriffe, die sowohl zum Unternehmen passen und dieses als Absender kennzeichnen als auch die Lebenswelt der Kunden widerspiegelt. Eine solche eigene Sprache hat beispielsweise IKEA geschaffen. Dies zeigt sich zum einen an den Produktnamen, die durchgehend skandinavisch sind. In Radio- und Fernsehspots hat der Sprecher – zumindest im deutschen, englischen und französischen Sprachraum – einen schwedischen Akzent. Eine weitere Besonderheit ist die durchgehende Ansprache der Kunden per Du – in der Werbung, auf den Produktinformationen oder auch im persönlichen Gespräch mit den Mitarbeitern. Unabhängig von Alter und Geschlecht wird geduzt. Kunden empfinden dies als „typisch schwedisch“ und stellen dies nicht in Frage. Würde der Möbelhersteller ein Kundenmagazin mit Informationen zu einer neuen Möbelserie „Alaska“ herausgeben, dem Koch der Kantine bei der Zubereitung eines Hamburgers über die Schulter blicken lassen oder aber ein Interview abdrucken, in dem der Gesprächspartner gesiezt wird, wäre der Absender nicht mehr zweifelsfrei erkennbar (vgl. Vollmeyer 2009). Gerade Unternehmen mit einem eigenen Wording sollten deshalb höchste Ansprüche an die Textqualität stellen. Das Texten sollte Profis überlassen werden, die sowohl das journalistische Handwerk verstehen als auch das Unternehmen, seine Marken und Produkte und die angesprochenen Kunden kennen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Kundenzeitschrift nicht nur  – aber auch  – durch ihre Sprache überzeugen.

5 Fazit Kundenzeitschriften sind ein fester und wichtiger Bestandteil des KommunikationsMix – und dies unabhängig davon, ob sie in Printform oder digital erscheinen. Damit sie ihr Potenzial entfalten können, sollten sich Sprache und Inhalt optimal ergänzen und so aufbereitet sein, dass sie die Zielgruppe ansprechen. So können Kundenzeitschriften, die sich an Fachkräfte einer bestimmten Branche wenden, durchaus entsprechende Fachtermini nutzen – schließlich gehören diese zur Lebenswelt der Leser. Würde jedoch ein Kundenmagazin einer Drogerie die Wirkung von Sonnenschutz anhand des Biosynthesewegs des Melanins erklären, würde dies den Leser verschre-

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cken. Da der Leser sich nicht wiederfindet und die Inhalte nicht oder nur schwer versteht, wird zudem auch kein Vertrauen aufgebaut – und dies, obwohl er die Fakten selbst nicht anzweifeln kann. Corporate Wording spielt hier durchaus eine Rolle, um den Wiedererkennungswert auch in den Texten zu gewährleisten. Da jede Kundenzeitschrift jedoch mit Kauftiteln konkurriert, sollte dieses so behutsam eingesetzt werden, dass nicht der Eindruck von Werbeblättchen entsteht. Zudem sollte dem journalistischen Anspruch der Kundenzeitschrift der Vortritt gelassen werden.

6 Literatur BDZV Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (Hg.) (2013): Die deutschen Zeitungen in Zahlen und Daten. Auszug aus dem Jahrbuch „Zeitungen 2012/13”. Berlin. In: http://www.bdzv. de/fileadmin/bdzv_hauptseite/markttrends_daten/wirtschaftliche_lage/2012/assets/ ZahlenDaten_2012.pdf (Zugriff am 13.01.2015). Forschungszentrum Jülich (2012): Kartoffeln im Kernspin. In: Forschen in Jülich 2/2012, 22–23. http://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Downloads/PORTAL/DE/publikationen/forschen-injuelich/fij_2_2012_zeppelin.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff am 13.01.2015). Fraunhofer-Institut (2009): Digitaler Lawinensuchhund. In: Logistik entdecken. Magazin des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML Dortmund. 8/2009, 18–21. URL: http:// www.iml.fraunhofer.de/content/dam/iml/de/documents/OE%20983/Presse/Logistik%20 entdecken/Logistik_entdecken_08.pdf (Zugriff am 13.01.2015). Schneider, Wolf/Paul-Josef Raue (2006): Das neue Handbuch des Journalismus. Bonn. Steinmetz. Heike (2004): Erfolgsfaktor Kundenzeitschrift. Von der Idee zum Vertrieb. Frankfurt a. M. SVI/TNS Emnid SVI Dialog Research & Consulting/TNS Emnid Mediaforschung (2011): Corporate Publishing 360 Grad – Handel. Bielefeld. In: http://www.cpwissen.de/tl_files/pdf/STUDIEN/ TNS-Emnid_CP-360-Grad.pdf (Zugriff am 13.01.2015). Vollmeyer, Katharina (2009): Konkret werden (4) – Ikea spricht schwedisch. In: http://www. markentechnik-blog.de/markenpositionierung-ikea-spricht-schwedisch/857#sthash. j9FwUo94.19wzqiF0.dpbs (Zugriff am 13.01.2015). URLS: http://www.youtube.com/watch?v=DXIsTTH2wzg (Zugriff am 13.01.2015). http://www.fz-juelich.de/portal/DE/Presse/Publikationen/forschen-in-juelich/_node.html (Zugriff am 13.01.2015).

Matthias Schweizer

19. Mitarbeiterzeitung Abstract: Die Mitarbeiterzeitung (MAZ) steht für die Institutionalisierung der innerbetrieblichen Kommunikation. Sie manifestiert die innerbetriebliche PR und hat die Aufgabe, das Corporate Image bei den Mitarbeitern im Sinne der Corporate Identity zu beeinflussen. Dagegen erscheint sie im Kommunikationsgefüge eines Unternehmens ineffizient zu sein, denn ihre Aussagen sind zur direkten Wirkungserzeugung ungeeignet. Die MAZ ist somit ein Medium, das zwar Kommunikation innerhalb von Organisationen institutionalisiert, die Grundzüge der Organisationskommunikation jedoch unberührt lässt. Sie nimmt hier eine Satellitenfunktion ein, indem sie über alle das Unternehmen betreffenden Faktoren berichtet. Gleichzeitig gilt die MAZ als Medium der Massenkommunikation. Auf dieser Basis sind ihre Ordnungsfaktoren Kommunikator, Aussage und Rezipient einzuordnen und zu beschreiben. Dabei fällt auf, dass die sprachlichen Merkmale der MAZ nicht in bestehende Schemata eingeordnet werden können. Dabei handelt es sich vielmehr um eine Mischung, die sich aus Elementen der Presse- wie auch der Werbesprache zusammensetzt. 1 Die MAZ im Kontext der Unternehmenskommunikation 2 Die MAZ im massenmedialen Kontext 3 Ordnungsfaktoren der Massenkommunikation 4 Die Sprache der MAZ 5 Ausblick 6 Literatur

1 Die MAZ im Kontext der Unternehmenskommunikation Die innerbetriebliche Kommunikation kann in drei Kategorien aufgeteilt werden: erstens die unternehmensinternen Verbreitungskanäle, die durch Personen oder Medien erfüllt werden. Die persönlichen Übertragungen erfolgen über Mitarbeitergespräch, Besprechung, Telefon, Web-Meeting, Informationsveranstaltung, Betriebsversammlung und Vortrag. Die mediale Übertragung geschieht über MAZ, Intranet, E-Mail, internen Informationsdienst, Pressespiegel, Aushänge, Wandzeitungen, Themenausstellungen, Handzettel, Themenbroschüren, Umläufe, Aktennotizen, Protokolle, persönliche Briefe, Werkfunk, Werkfernsehen, Informationsfilme und Präsentationen. Die zweite Kategorie bezeichnet die unternehmensnahen Verbreitungskanäle wie Weihnachtsfeiern, Betriebsfeste, Betriebssportgruppen oder Betriebsausflüge; die dritte sind die unternehmensexternen Verbreitungskanäle, die

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im sozialen Umfeld der Mitarbeiter zu finden sind, beispielsweise die klassischen Medien Tageszeitungen, Hörfunk, Fernsehen oder soziale Netzwerke im Internet. „Die Werkszeitschrift/-zeitung ist das umfassendste und am weitesten verbreitete Medium der innerbetrieblichen Publizistik.“ (Paris 1985, 156) – „Sie kosten viel Geld – ihre Wirkung auf die Mitarbeiter ist kaum meßbar.“ (Stöhlker 1984) Diese beiden Aussagen spiegeln das gespaltene Verhältnis der Geschäftsführer und Vorstände wider. Trotz dieser Polarisierung sind in Deutschland rund 2.000 Mitarbeiterzeitungen mit 30 Millionen Lesern auszumachen (Fieß 2003). In der Europäischen Union stellen die MAZ mit mehr als 90 Millionen Lesern eine Massenmedienmacht dar – Meier (2002, 54) zählt in Westeuropa „ungefähr 5000 Werks- und Mitarbeiterzeitschriften, die 40 Millionen Menschen erreichen.“ Die MAZ ist damit Teil der Alltagsliteratur und beeinflusst die Lesegewohnheiten und Realitätswahrnehmungen ihrer Rezipienten. Dabei sind die Grenzen zwischen MAZ, Nachbarschaftszeitungen, Kundenzeitungen und allgemeinen Firmenzeitungen fließend. MAZ haben als Hauptzielgruppe die Belegschaft von Unternehmen; die Nachbarschaftszeitungen interessieren sich mehr für die Anwohner der Stadtgebiete, in denen ein Unternehmen ansässig ist. Kundenzeitungen gehen werbend auf die Belange der Kunden ein, Firmenzeitungen versuchen, alle diese Ziele zu erfüllen. Die Themen der MAZ ergeben sich aus dem Betriebsalltag, der aktuellen Situation des Unternehmens und dem Informationsbedarf der Beschäftigten. Die MAZ wirkt auf innerbetriebliche Übereinstimmung hin, spiegelt diese idealerweise jedoch nicht vor. Ziel ist auch, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Mitarbeitern der verschiedenen Unternehmensbereiche und Hierarchiestufen herzustellen sowie berufs- und ausbildungsbedingte Informationsunterschiede zu nivellieren. Früher herrschte das radikal-mechanistische Bild vor, dass die MAZ das Ziel hat, die Arbeitsleistung der Belegschaft anzuheben. Seit den 1980er-Jahren hat sich diese Vorstellung gewandelt.

1.1 Public Relations Die MAZ gilt als das wichtigste Medium der innerbetrieblichen Public Relations. Die PR hat die Aufgabe, eine Verbindung zwischen einem Unternehmen und der Öffentlichkeit herzustellen, wobei zur Öffentlichkeit nicht nur die Kunden, Interessenten, Aktionäre, Lieferanten gehören, sondern auch die innerbetriebliche Öffentlichkeit. Die Belegschaft fungiert als Multiplikator und beeinflusst damit das Meinungsbild der externen Öffentlichkeit. Bei den Public Relations sind somit die Beziehungen nach außen und innen zu gestalten. Ziel ist ausdrücklich nicht, die Verkaufszahlen zu steigern, dafür sind Marketing- und Werbeabteilung zuständig, sondern die Gewinnung und der Ausbau von Vertrauen und Verständnis für jede notwendige Form des unternehmerischen Handelns: des Forschens und Investierens, des Produzierens und Verkaufens, der Kapitalbildung wie der Pflege der Arbeitsbeziehungen. (Avenarius 1995, 53 f.)

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Die MAZ ist somit ein nach innen gerichtetes Mittel der Public Relations, das Vertrauen gewinnen und aufbauen, Hierarchien überbrücken und um Verständnis für Ziele und Entscheidungen werben soll. Sie ist eine Form der Auftragskommunikation und verfolgt die Absicht der Vermittlung und des Austauschs von Wertvorstellungen zwischen der die Öffentlichkeitsarbeit betreibenden Organisation und ihren Publikumsgruppen. (Armbrecht 1992, 12)

Merten sieht die Public Relations als Prozess „intentionaler und kontingenter Konstruktion wünschenswerter Wirklichkeiten durch Erzeugung und Befestigung von Images in der Öffentlichkeit.“ (Merten 1992, 44) Diese Definition lässt sich auf die Praxis der MAZ übertragen: Durch das Weglassen, Überbetonen oder Wiederholen von Aussagen werden in den MAZ wünschenswerte Wirklichkeiten wie ‚Heile Welt‘ oder ‚Wir sind eine Familie‘ konstruiert. In diesem Sinne spielt die MAZ eine wichtige Rolle bei der Erschaffung von öffentlicher Meinung im Unternehmen. Die Präsentation von Meinungen in der Öffentlichkeit provoziert eine Auswahl relevanter oder für relevant gehaltener Meinungen, die von einer Mehrheit akzeptiert werden oder akzeptiert zu werden scheinen und dadurch […] Wirkungen entfalten. (Merten 1992, 43)

Allerdings existiert in der Kommunikationssituation der MAZ eine wesentliche Einschränkung: Die Konstruktion von Wünschenswertem kann durch die Wirklichkeitswahrnehmung der Mitarbeiter im Betriebsalltag und der damit einhergehenden Nachprüfbarkeit der Fakten schnell ins Wanken gebracht werden, es sei denn, Wünschenswertes und Wirklichkeit sind in hohem Maße wahrhaftig und deckungsgleich. Das Ideal einer innerbetrieblichen PR ist somit durch ein Wort zu beschreiben: Transparenz. Oder nach Habermas: Verständlichkeit gemäß dem jeweils geltenden grammatischen Regelsystem; Wahrheit  – die Existenz des Kommunikationsgegenstands muss vom Kommunikationspartner anerkannt sein; Wahrhaftigkeit – das Gegenüber soll nicht getäuscht werden; Richtigkeit  – er muss eine Äußerung wählen, die vor dem Hintergrund wechselseitig anerkannter Werte und Normen akzeptabel erscheint.

1.2 Kommunikation Die Sprachwissenschaften verstehen unter Kommunikation zunächst die zwischenmenschliche Verständigung, dann das reflexive sprachliche Handeln und schließlich das intentionale Mitteilen von Zeichen. Hierbei stellt die Sprache die fundamentale Form der Interaktion dar, die das eigene Bewusstsein und das des Kommunikationspartners verändert. Andere Disziplinen wie die Soziologie nähern sich von der nachrichtentechnischen Seite:

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Kybernetisch gesehen erscheint der Mensch als eine hochentwickelte ‚nachrichtenverarbeitende Maschine‘ mit einer erstaunlichen Aufnahmemöglichkeit von Informationen und einer noch erstaunlicheren Verarbeitung des gewaltigen Informationsflusses, Einengung des Informationsgehaltes und als Resultat dieses Selektionsprozesses die Informationsspeicherung. (Reimann 1968/1974, 8)

Dieser Ansatz war lange Zeit grundlegend für die Anwendung des Kommunikationsbegriffs auf wirtschaftlich orientierte Organisationen. Kommunikation ist demnach die allgemeine Voraussetzung fürs Handeln, für die wechselseitige Beeinflussung und für die Verhaltensorientierung von Individuen.

1.3 Unternehmenskultur Unternehmenskultur verkörpert die Menge von Normen, Werten und Haltungen, die ein Unternehmen ausmacht. Sie hat als kognitive Größe entscheidenden Einfluss auf den Charakter des Unternehmens, der in der Corporate Identity (CI) ausgedrückt wird. CI und Unternehmenskultur bedingen sich. Zu den kognitiven Aspekten der CI zählt Gegenständliches wie Imagebroschüre, Kundenmagazin oder MAZ als Träger der Unternehmenskultur. Kaiser (1996) gliedert das Corporate-Identity-Konzept in vier Subsysteme: Mit Corporate Attitude bezeichnet er das Verhalten des Unternehmens und des einzelnen Mitarbeiters gegenüber Wettbewerbern, Lieferanten, Kunden, Investoren und anderen Mitarbeitern. Die Corporate Communication erfüllt die materiellen Aspekte der CI: der systematisch kombinierte Einsatz sämtlicher Facetten von Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit. Corporate Design bezeichnet den “abgestimmten Einsatz sämtlicher Instrumente zur Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes des Unternehmens“ (Kaiser 1996, 115). Die Wahrnehmung der Corporate Identity (Selbstbild) durch Dritte bezeichnet er als Corporate Image (Fremdbild). Corporate Identity deutet er als „Richtschnur des Handelns der Mitarbeiter“ (Kaiser 1996, 117). Die MAZ als Manifestation der Inner PR im Mix der Corporate Communications hat dabei die Aufgabe, im Corporate Design die Corporate Attitude des Unternehmens zu repräsentieren, um so die „Richtschnur“ zu vermitteln und das Corporate Image bei den Mitarbeitern im Sinne der CI zu beeinflussen.

1.4 Kommunikation in der Organisationsform Unternehmen Erwerbswirtschaftliche Organisationen sind offene, soziotechnische Systeme. Sie bestehen aus verschiedenen Einheiten, die durch Kommunikation miteinander verbunden sind. Wesentlicher Bestandteil sind die planmäßige Gestaltung von Abläufen sowie deren Ausführung und Umsetzung. Eine Organisation ist somit in verschiedene zu koordinierende Organisationseinheiten strukturiert. Eine solche Organisa-

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tionseinheit stellt ein Subsystem des Suprasystems Organisation dar und kann bei Unternehmen ebenso die Abteilung sein, die für die Herstellung der MAZ zuständig ist, wie jede andere Abteilung im Unternehmen. Die MAZ ist jedoch als eigenständiges System und nicht als Subsystem der Organisationsform ‚Unternehmen‘ zu sehen. Organisationskommunikation ist interpersonale Kommunikation in schriftlicher oder mündlicher Ausprägung und weist Parallelen zur Massenkommunikation auf; interpersonale Kommunikation ist gleichbedeutend mit Verhalten. Als typische Organisationsstruktur eines Unternehmens ist eine hierarchische Gliederung zu beobachten. Kommunikationskanäle werden als strukturell gegebene Einheiten gesehen, die Hierarchieebenen verbinden und den störungsfreien Informationsfluss ermöglichen. Es herrscht die mechanistische Perspektive vor, dass Kommunikator und Rezipient linear verknüpft sind und der Kommunikator durch Art und Gestaltung der Aussage die Möglichkeit hat, die Rezipientenreaktion zu bestimmen, um somit geplant Wirkung zu erzeugen. Organisationsbezogene Kommunikationsprozesse sind machtgeprägte, asymmetrische Prozesse. „Die Asymmetrie kommt unter anderem in der unterschiedlichen Definitionsmacht der Teilnehmer zum Ausdruck.“ (Theis 1994, 62) In den eher traditionellen Organisationskonzeptionen von Unternehmen, in denen man von der Zentralisierung der Entscheidungskompetenzen ausgeht, dient Kommunikation damit der effektiven Übermittlung von Informationen. Das, was der Kommunikator sagt, hat der Rezipient zu tun. Das Organisationsklima hat dabei wichtige Auswirkungen auf die Organisationskommunikation, unter anderem für die Übermittlung von Aussagen von niedrigeren zu höheren Hierarchiestufen. Die Kommunikationsoffenheit und das Vertrauen gegenüber den Informationsquellen zählen zu den wesentlichen Faktoren, die das Organisationsklima prägen, und fördern die Kommunikationsqualität. Kommunikation nimmt damit in Unternehmen eine Steuerungsfunktion ein. Sie ist zudem der Dynamik unterworfen, die mit der Veränderung der Organisation einhergeht. Dabei ist es müßig zu erörtern, ob die Kommunikation durch die Organisation verändert wird oder die Organisation durch die Kommunikation.

1.5 Die Stellung der MAZ in der Unternehmenskommunikation Die Implementierung einer MAZ passt nicht in diese Kommunikationsvorstellung. In diesem Gefüge ist die MAZ als ineffizient zu betrachten, ihre Aussagen sind zur direkten Wirkungserzeugung ungeeignet. Die MAZ ist als das Medium aufzufassen, das zwar Kommunikation innerhalb von Organisationen institutionalisiert, jedoch eine Sonderposition einnimmt, weil sie die dargestellte Organisationskommunikation nicht abbildet und deren Grundzüge unberührt lässt. Die MAZ ist zwar von der Unternehmensleitung initiiert, dient jedoch nicht mehr der Übermittlung von hierarchisch strukturierten Aussagen. Darauf weist schon die Veränderung der Titelbezeichnungen hin, die über größere Zeiträume zu beobachten ist. Auch an der Verwen-

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dung der Begrifflichkeiten in der Forschung ist dieser Wandel zu beobachten: Bis in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts manifestierte der Begriff Werkszeitung/ -zeitschrift die Bedeutung des Kommunikators. Danach rückte allmählich mit der Bezeichnung Mitarbeiterzeitung/-zeitschrift der Rezipient in den Mittelpunkt. Das Ziel war damit nicht mehr Kommunikation zur Auslösung von Handlungen, sondern die Etablierung eines Wir-Gefühls: Information und Meinungsaustausch, Diskussion, Partnerschaft, alle in einem Boot – statt Anweisung. Die MAZ nimmt in der Organisationskommunikation eine Satellitenfunktion ein, indem sie im Stil einer Lokalzeitung über alle das Unternehmen betreffenden Faktoren berichtet. Sie ist als Mediatisierung „arbeitsmäßig nicht notwendiger organisationsinterner Kommunikationsprozesse“ (Haller 1982, 46) zu begreifen. Daraus ergibt sich folgende Darstellung: Der Kommunikationsweg der übergeordneten Subsysteme zu den hierarchisch untergeordneten ist unidirektional. Durch die vom jeweils höher stehenden Subsystem veranlasste Rückkopplung, zum Beispiel die Berichtspflicht, wird sie pseudo-bidirektional. Die Kommunikation der auf gleicher Hierarchieebene stehenden Subsysteme untereinander erfolgt multidirektional – ohne veranlasste Rückkopplung. Die MAZ ist als eigenständiges, hierarchieübergreifendes System nicht an diesem System beteiligt. Ihre Kommunikation mit den einzelnen Subsystemen erfolgt ebenfalls pseudo-bidirektional, weil auch hier eine Rückkopplung eingefordert wird. Allerdings unterscheidet sich diese Rückkopplung von der hierarchieveranlassten, verpflichtenden Rückkopplung der Organisationskommunikation dadurch, dass sie auf freiwilliger Basis erfolgt und von einem Medium übertragen wird, das unabhängig von diesen Hierarchien agiert. Da jede Ausgabe einer MAZ in der Regel von der Unternehmensleitung genehmigt werden muss, ist die Kommunikationsbeziehung der MAZ mit dem Subsystem Unternehmensleitung anders zu bewerten. Sie ist als für beide Seiten pseudo-bidirektional aufzufassen: Die MAZ muss der Unternehmensleitung zwar in aller Regel zur Genehmigung vorgelegt werden, die Freigabe ist jedoch in den meisten Fällen Formsache. Anschließend wird die MAZ der Unternehmensleitung in ihrer Eigenschaft als Rezipient überlassen, zum selben Zeitpunkt wie allen anderen Rezipienten. In diesem Fall kann man von einer Pseudo-Kommunikationshandlung sprechen. Damit nimmt die MAZ in der Organisationskommunikation als beigeordnete Position eine Satellitenfunktion ein.

2 Die MAZ im massenmedialen Kontext 2.1 Formale und inhaltliche Merkmale der Massenkommunikation Massenkommunikation ist gemeinhin eine Form der Kommunikation mit öffentlicher Aussage und technischer Verbreitung an ein großes und heterogenes Publikum. Ihre

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Merkmale sind damit a) Periodizität, Reproduzität, Publizität (formale Aspekte) und b) Universalität und Aktualität (inhaltliche Aspekte). Massenmedien sind demzufolge uneingeschränkt verfügbar, berichten kritisch über allgemein interessante Themen, haben Millionenauflagen, sind allen bekannt und omnipräsent. Im Zusammenhang mit Printmedien denkt man dabei an Spiegel, Stern, Bunte oder Bild. Im Vergleich dazu haften der MAZ die Attribute an, unkritisch-tendenziös in der Berichterstattung zu sein und sich thematisch sowie verbreitungstechnisch an eine geschlossene Nutzergruppe zu richten, somit fachspezifisch und nicht öffentlich zu sein. Die gleichen Attribute kann man jedoch auch auf Medien beziehen, die ohne weiteres Hinterfragen als Massenmedien anerkannt sind, beispielsweise Fach- und Kundenzeitschriften – etwa die ADAC Motorwelt. Somit dürfen ‚Massenmedien‘ nicht aus einer universalen Perspektive betrachtet werden, sondern sind zu segmentieren. Merten betrachtet verschiedene Öffentlichkeiten. Diese sind als Teil der Gesamtöffentlichkeit zu verstehen, jedoch nicht als Teilöffentlichkeit. Fachzeitschriften, Special-Interest-Titel und Kundenmagazine richten sich an Rezipienten, die als Gemeinsames einen gleichen Interessenschwerpunkt oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisation haben. Es sind jedoch Publikationen, die prinzipiell für alle zugänglich sind oder zugänglich gemacht werden können. Eine Fachzeitschrift für Bauingenieure ist auch für andere Berufsgruppen verfügbar, es stellt sich nur die Frage, ob es für diese sinnvoll ist, einen solchen Titel zu abonnieren. Groth (1998, 54) bestimmt als Anforderungen an Publikationen einen bestimmten geographisch-sozialen Aktionsradius, ein bestimmtes Streugebiet, ihren eigenen journalistischen Raum, innerhalb dessen sie dann auch imstande ist, ihren Abnehmern ein (relativ) universelles Material

zu bieten. Den Teil der Gesamtöffentlichkeit, der als Gemeinsames die Zugehörigkeit zu ein und demselben Unternehmen hat, bezeichnet Haller als „innerbetriebliche Öffentlichkeit“. Universalität setzt Groth gleich mit „Mitteilungen aus allen Lebensbereichen“ (Groth 1998, 29) sowie mit der jeweils augenblicklichen Gegenwart. Das bezieht sich jedoch auf den gedanklichen oder geografischen Lebensraum, in dem sich die Rezipienten bewegen, und in dieser Abhängigkeit ist ihre Aktualität und damit auch Periodizität zu bewerten. Zur Rolle der Kommunikatoren gehört nach der Auffassung Reimanns eine informationelle Ambivalenz. Professionelle Kommunikatoren wie Journalisten oder PR-Spezialisten versuchen oft, ihrem Publikum glaubhaft zu machen, ihre Berichte und Kommentare seien unparteiisch und nicht interessengebunden. […] Tatsächlich sind die meisten Mediatoren Vermittler und nicht bloße Übermittler von Adressen. Die bewusste oder unbewusste Modifikation der Mitteilung ergibt sich zwangsläufig bereits durch den gebrochenen Abgabe- und Aufnahmevorgang. Der in den Vermittlungsprozeß einbezogene, ‚zwischengeschaltete‘ Kommunikator wird einerseits zum Adressaten für den eigentlichen, am Anfang der Kommunikationskette stehenden Ur-Adres-

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santen, der seine Adresse in Richtung auf ihn und seine Empfangskapazitäten, sein Kommunikationsniveau abstimmt, und andererseits zum Direktadressanten für den ‚Endverbraucher‘. (Reimann 1968/1974, 138 f.)

Sämtliche Implikationen der Bedeutungsvermittlung werden somit auf den nachfolgenden Rezipienten übertragen und multipliziert. Das betrifft sowohl die Divergenzen, die kognitiven Dissonanzen, die Selbst- und Fremdbilder, die unterschiedlichen Kommunikationsebenen als auch die Kommunikationsbarrieren. Viele und verschiedene Akte der Primärkommunikation werden zu wenigen Sekundärkommunikationsakten zusammengefasst. Das bedeutet, dass Objektivität kein Alleinstellungsmerkmal für Massenmedien sein kann. Massenmedien sind somit generell in einem mehr oder weniger auffälligen Maß tendenziös und parteiisch. Somit ist als Gegenpol zur Subjektivität der MAZ die Subjektivität der allgemeinen Massenmedien zu sehen. Man kann sogar behaupten, dass MAZ nicht tendenziöser sind als die allgemeinen Massenmedien; bei der MAZ verhält es sich ähnlich wie bei Kundenmagazinen: Die Parteilichkeit wird offensichtlich, weil die herausgebende Institution bekannt und zuzuordnen ist, während bei allgemeinen Massenmedien die herausgebenden Institutionen und deren Interessen häufig verschleiert sind und durch Titelattribute wie überparteilich und unabhängig zunächst Neutralität vorgespiegelt wird. Ein gutes Beispiel dafür ist die Frankfurter Rundschau, die auch nach der Mehrheitsübernahme durch die Medienholding einer politischen Partei weiterhin den Zusatz „Unabhängige Tageszeitung“ im Titel führte.

2.2 Massenmediale Merkmale der MAZ Die formalen und inhaltlichen Merkmale der Massenkommunikation lassen sich ohne Einschränkung auf die MAZ anwenden: Die MAZ erscheint periodisch, wird maschinell reproduziert und ist prinzipiell öffentlich zugänglich. In Abhängigkeit von Publizität gestalten sich Universalität und Aktualität: In Unternehmen mit geringeren Mitarbeiterzahlen sind im Verhältnis zu Anzahl und Varietät weniger berichtenswerte Dinge zu beobachten als in Konzernen. In Groths „Typologie der Zeitschriften“ (Groth 1998, 78–82) ist die MAZ in die Kategorie der „selektiven (spezialisierten)  – beschränkt aktuellen Zeitschriften“ (ebd.) einzuordnen, und zwar in die Untergruppe „institutionell-kollektiv gebundene und abgegrenzte Zeitschriften“ (ebd.). Sinn und Aufgabe des Mediums MAZ sind dieselben wie bei den Medien der allgemeinen Massenkommunikation, nämlich nicht Mitteilung, sondern „vermittelte Mitteilung, Vermittlung von Mitteilungen“.

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3 Ordnungsfaktoren der Massenkommunikation Die Lasswell-Formel „Who says what in which channel to whom with what effect?“ beschreibt auch den gesamten Kommunikationsprozess der MAZ prägnant und gliedert ihn in die fünf Grund- oder Ordnungsfaktoren Kommunikator, Rezipient, Aussage, Medium und Wirkung. Maletzke (1963/1978) begreift die Massenkommunikation als kompliziertes dynamisches System von Dependenzen und Interdependenzen, als Beziehungssystem zwischen diesen Ordnungsfaktoren.

3.1 Kommunikator Als Kommunikator sind grundsätzlich alle Personen und Personengruppen zu betrachten, die an der Produktion von öffentlichen, für die Verbreitung über Massenmedien bestimmten Aussagen beteiligt sind – sei es schöpferisch, selektierend oder kontrollierend. Der Kommunikator der MAZ als Institution ist zunächst in drei Bereiche aufzuteilen: Herausgeber, Verfasser und Gestalter. Dahinter steht als Herausgeber die Unternehmensleitung, als Redaktion ein fester Stab von Mitarbeitern, der oftmals nach den gültigen Gestaltungsrichtlinien auch das Layout übernimmt oder darin von Dienstleistern unterstützt wird. Die Selbstbilder der Kommunikatoren sind ebenso unterschiedlich wie ihre Persönlichkeiten und Aufgaben. Die Unternehmensleitung sieht sich als Initiatorin und Kontrollinstanz. Der verantwortliche Redakteur ordnet sich subjektiv in das System des Kommunikationsfeldes ein. Sein Ziel ist es, im Sinne der Geschäftsführung ein informatives und unterhaltsames Magazin zu produzieren, in dem Bewusstsein, dass die Rezipienten die Informationsquellen sowie die Senderintention kennen. Aus diesem Grund werden heikle Themen ausgeklammert, um nicht in den Verdacht zu geraten, Lautsprecher von Interessengruppen zu sein. Dieses Bild gibt er nach außen ab, es färbt seine Kommunikation. Der Redakteur sieht zudem seine Funktion darin, Wissensunterschiede zwischen einzelnen Abteilungen und Standorten zu nivellieren, Betriebsrentner, Mitarbeiterinnen im Mutterschutz sowie die Mitarbeiter an unterschiedlichen Standorten zu informieren. Sein Ziel ist, die Leser zu Öffentlichkeitsarbeitern zu erziehen. Die Redaktionsmitglieder sehen sich als Mitgestalter, Texter und Ideengeber, jedoch nicht als Sprecher oder Sprachrohr.

3.2 Rezipient Rezipient im Zusammenhang des Kommunikationsvorgangs der MAZ ist jede Person, die eine durch die MAZ vermittelte Aussage so weit entschlüsselt, dass ihr der Sinn der Aussage – zumindest in groben Zügen – zugänglich wird. Der Faktor Mensch als Rezipient ist dabei die bedeutendste aller intervenierenden Variablen im Massen-

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kommunikationsprozess. Er ist derjenige, der eine kalkulierbare Wirkung des geplanten Kommunikationsvorgangs erschwert oder unmöglich macht. Zu vielfältig sind persönliche Variablen wie Intelligenz, Begabungen, Beeinflussbarkeit, Vorbildung, Vorinformation, Grad der Aufklärung, Motivation oder die Bereitschaft, sich auf das Medium, die Situation und den Kommunikator einzulassen. Sobald der Mensch zum Rezipienten wird, übernimmt er eine Rolle. Jede Rolle beinhaltet bestimmte Varianten des Selbstbilds. Beim Rezipienten der MAZ dominiert die Rolle des Mitarbeiters. Er sieht sich als Bestandteil der Einheit Unternehmen und rezipiert die MAZ folglich anders, als es ein Außenstehender, seine Familie, sein Vorgesetzter oder seine Kollegen aus anderen Abteilungen tun. Er sucht bei der Rezeption der MAZ nach Größen, die er wiedererkennt, die sein direktes Arbeitsumfeld betreffen oder die einen Neuigkeitswert für ihn darstellen. Er ordnet das Rezipierte in seinen Kenntnisstand, seine Wahrnehmung der Wirklichkeit und seine Vorbildung ein. Rezipienten interessieren sich weniger für die Dinge, die sie schon kennen, oder die nicht ihren Bereich betreffen. Wenn sie bereits Kenntnis über diese Vorgänge hatten, bilden sie sich deshalb oder wegen vergleichbarer früherer Vorgänge eine Meinung, die sich mit dem durch die MAZ vermittelten Kenntnisstand deckt oder konträr dazu steht. Stimmt der Mitarbeiter aufgrund seines Vorwissens, seiner im Lauf der Zeit gebildeten Meinung und Haltung mit dem Inhalt der MAZ überein, wird er sich in seiner Meinung bestätigt fühlen. Stimmt er darin nicht überein, wird er sich nicht bekehren lassen; er wird den Inhalt nicht weiter wahrnehmen. Oder vereinfacht ausgedrückt: Mitarbeiter lesen das, was sie lesen möchten.

3.3 Aussage Die Aussagen der MAZ werden über Texte, Bilder und Grafiken sowie über deren Kombination und Anordnung vermittelt. Bei den MAZ lassen sich nach Lüger (1992, 77 ff.) die journalistischen Sorten informationsbetonte Texte wie Nachricht/Meldung, Ankündigung, Hintergrundinformation (Bericht/Reportage), Unterhaltung (weiche Nachricht) sowie die meinungsbetonte Textart Editorial identifizieren. Bei den Bildern handelt es sich in den meisten Fällen um Personenaufnahmen, bei den Grafiken um Info-Schaubilder oder Bildschirmdarstellungen. Die Bilder und Grafiken dienen fast ausnahmslos zur Illustration von Text-Informationen und stehen somit selten nur für sich. Als Nachricht zu werten sind kleinere Texte, die in den meisten Fällen ohne Bilder abgedruckt werden und unter dem Wesensmerkmal der Aktualität über abgeschlossene Projekte, neue Aufträge, Betriebsversammlungen oder Aktivitäten der Mitarbeiter in den Tochtergesellschaften informieren. Berichte mit dem Wesensmerkmal der Hintergrundinformationen erläutern Produkte, betriebliche Vorgänge, nennen die Abrufzahlen der Firmenhomepage, stellen neue Mitarbeiter vor, erwähnen Spendenaktionen des Unternehmens oder unterrichten über allgemeine Aktivitäten. Ankündigungen sind kurze, grafisch hervorgehobene Meldungen, in

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denen die Mitarbeiter auf zukünftige Ereignisse hingewiesen werden. Unter ‚weiche Nachrichten‘ mit dem Wesensmerkmal Unterhaltung sind die Aussagen subsumiert, die etwa über betriebliche Freizeitaktivitäten berichten, sowie Gewinnspiele. Im Allgemeinen berichten die MAZ von Großbetrieben nach Haller (1982, 79) mit 33 % am häufigsten über „wirtschaftliche Entwicklung“, „Produkte und Dienstleistungen“ und über „Betriebsexterne Veranstaltungen“, mit 2 % am seltensten über „Kultur“ oder „Konflikte“. Am ausführlichsten berichten die MAZ über die wirtschaftliche Lage, gefolgt von der „Vorstellung von Organisationen“ und der „Vorstellung von Personen“, was Haller zu den „wichtigsten Themenbereichen“ der MAZ zählt. „Eine bedeutende Rolle spielen ferner die gemeinschaftsbetonenden Themenbereiche ‚Betriebsexterne Veranstaltungen‘ und ‚Betriebssport‘“ Haller (1982, 79). Macharzina (1990, 107 ff.) hat die MAZ führender deutscher Großunternehmen entsprechend ihrer Aussagetypen und deren Häufigkeit in sogenannte Cluster eingeteilt. Dabei hat er herausgefunden, dass mit rund 50 % die MAZ am gängigsten sind, die eine Ausgewogenheit zwischen den Aussagetypen Mitarbeiterentwicklung, Personalien, Jubiläen, interne Veranstaltungen, Unterhaltung auf der einen Seite und Technik/ Produkte auf der anderen anstreben. Eine Erhebung des Shell Spiegel (o. V. 1995, 20) hat folgendes herausgefunden: Die Hitliste der besonders gerne gelesenen Artikel führen die Personalnachrichten an. Es folgen das Profil [i.e. Mitarbeiterportrait], Bereichsportraits, das Vorschlagswesen, Interviews und Gespräche mit dem Vorstand, Berichte über Expatriates und ausländische Shell Gesellschaften, Artikel über Shell Produkte, Exploration und Produktion und last not least der Sport. Mißfallen wurde darüber geäußert, daß Mitarbeiter aus dem tariflichen Bereich unterrepräsentiert […] seien.

3.4 Medium Durch das Medium ist die Aussage bestimmten formal-technischen Restriktionen unterworfen. Sie passiert schriftlich, nicht mündlich, das Feedback des Rezipienten erfolgt zeitverzögert, wird zudem mediumsbedingt nicht unmittelbar forciert. Das Medium bietet einen definierten Raum und schränkt somit Zahl und Umfang der Aussagen ein. Aussagen, die zu aktuellen Ereignissen Stellung beziehen, können nicht zeitgerecht erscheinen. Welche Aussagen in welcher Form und in welcher Ausführlichkeit veröffentlicht werden, bestimmt der Kommunikator. Der Faktor Medium nimmt im Kommunikationsfeld eine Sonderstellung ein: Kommunikator, Aussage und Rezipient sind als Variable zu betrachten, die in funktionaler Interdependenz miteinander verbunden sind. Das Medium dagegen stellt eine Konstante dar, denn weder Kommunikator, Rezipient noch Aussage können es als technisches Medium beeinflussen, die Wirkrichtung ist durch die Art des Mediums vorgegeben. Die Beteiligten haben jedoch die Möglichkeit, dieses Medium zu gestalten, die Aussagen zu definieren, zu determinieren, zu selektieren und zu akzeptieren.

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3.5 Wirkung Die Wirkung der Aussagen auf den Rezipienten tritt während und nach dem Vollzug der Kommunikation auf, beschreibt das Ergebnis und spielt für die Interdependenzen der Kommunikationsfaktoren vor allem dann eine Rolle, wenn sich die Wirkung auf den weiteren Kommunikationsprozess der MAZ auswirkt. Als Wirkung wird zunächst eine Veränderung bezeichnet, die beim Rezipienten während oder nach dem Konsum eines Massenmediums auftritt. Die Verhaltensänderung kann bei Massenmedien sowohl durch das Medium selbst hervorgerufen werden als auch durch die Aussagen. Grundsätzlich kann von einer mehrstufigen Wirkungsabfolge bei der MAZ ausgegangen werden: Die Aussagen müssen von den Rezipienten zunächst wahrgenommen werden, dann folgt die Akzeptanz der Aussage innerhalb ihrer kognitiven Strukturen. Stimmt die Aussage nicht mit der vorhandenen kognitiven Struktur überein, wird sie entweder nicht akzeptiert oder so verändert, dass sie übereinstimmen kann. Seltener ist, dass sich ein Wandel in der kognitiven Struktur – sprich dem manifestierten Meinungsbild – ergibt. Schließlich muss der Rezipient das angebotene Meinungsbild als mit seinen Interessen deckend empfinden und akzeptieren. Letztlich soll die Aussage eine Motivation in Gang setzen, die Handlungen oder Verhaltensänderungen tatsächlich durchzuführen. In diesem Zusammenhang ist der erste Schritt der Wirkung am häufigsten, der letzte am seltensten zu beobachten. Ein weiterer Aspekt der Wirkung einer MAZ ist die Erweiterung des Wissens oder des Informationsgrads beim Rezipienten.

3.6 Die Ordnungsfaktoren im Wirkungsprozess Der Kommunikator ist Vermittler, oft auch Initiator, Urheber, Autor und Produzent der MAZ-Aussagen. Die Aussage ist der Faktor, der unmittelbar auf den Rezipienten einwirkt. Der Kommunikator kann allerdings bei der Gestaltung der Aussagen nicht beliebig verfahren, sondern muss sich dem Medium, den Rezipienten und nicht zuletzt der publizierenden Institution gegenüber angemessen verhalten. Zudem hat er, um die Mehrzahl der potenziellen Rezipienten zu erreichen, die Handlungen aus der Summe sämtlicher möglichen Handlungen der Mitarbeiter auszuwählen, die seiner Meinung nach als Aussage der MAZ für eine hohe Zahl der Rezipienten relevant sind. Diese Faktoren bestimmen die durch die Aussagen zu erzeugende Wirkung mit. Die Aussagemerkmale Inhalt und Form sind als Determinanten der Wirkung zu betrachten, die Wirkung im Gegenzug als abhängige Variable der Aussagemerkmale. Wie sind diese Zusammenhänge beschaffen? Welche inhaltlichen und formalen Merkmale führen zu welchen Arten und Graden von Wirkungen? Welche Möglichkeit besteht, durch Variation der inhaltlichen und formalen Charakteristika die Wirkung zu beeinflussen? Die allgemeinen Grundregeln für das komplexe Zusammenspiel der Wirkungszusammenhänge zwischen den Ordnungsfaktoren Aussage und Rezipient findet

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man zunächst in der MAZ-Ratgeber- und -Gebrauchsliteratur: a) Die Aussage muss so gestaltet und übermittelt werden, dass sie die Aufmerksamkeit des Rezipienten weckt; b) die Aussage muss in ihrer Sprache dem Verständnisniveau des Rezipienten angepasst sein; c) die Aussage muss beim Rezipienten Impulse hervorrufen und zeigen, wie diese Impulse erfüllt werden können; d) dies muss so beschaffen sein, dass der Rezipient mit den Gruppenbedürfnissen übereinstimmt, wenn er diesen Impulsen nachgeht. Der Faktor Medium modifiziert den Massenkommunikationsprozess entscheidend. Das gedruckte Wort erlaubt es dem Rezipienten, den Zeitpunkt, die Art und das Tempo des Aufnehmens selbst zu bestimmen und die Aussage beliebig oft zu rezipieren. Gedruckte Medien ermöglichen dem Rezipienten, komplexe Fakten zu behalten und zu replizieren. Sie verlangen vom Rezipienten aber ein höheres Maß an aktiver, schöpferischer Teilnahme, die Vorstellungskraft ist mehr gefordert als beispielsweise bei audiovisuellen Medien, in denen die ‚Bilder im Kopf‘ bereits vorgegeben werden. Daher hat der Kommunikator das Rezipieren der MAZ durch leichte Lesbarkeit, Bilder und eingängige Formulierungen so leicht wie möglich zu machen. Zwar wird das Lesen als beschäftigungs- und konzentrationsfordernde Tätigkeit als besonders wirkungsintensiv betrachtet, es besteht darin jedoch zugleich die Gefahr, dass dies den Rezipienten überfordert und er sich von der MAZ abwendet. Denn der Leser fühlt sich durch das gedruckte Wort weniger persönlich angesprochen als durch Fernsehen oder Rundfunk, wo er den Kommunikator quasi direkt vor sich sieht beziehungsweise unmittelbar hört (vgl. Maletzke 1963/1978, 222 f.). Also ist es eine weitere Aufgabe der MAZ, sich dem Rezipienten direkt zu stellen und ihn persönlicher anzusprechen. Der Faktor Rezipient steht in einer zweifachen Beziehung zum Wirkungsprozess, nämlich in einer direkten und einer indirekten. Bei der direkten hängen die Veränderungen, die beim Rezipienten während oder nach der Rezeption der MAZ auftreten und als Wirkung bezeichnet werden, direkt von ihm als Persönlichkeit in einer bestimmten Situation ab. Die Persönlichkeitsstruktur, die objektive und subjektive Rezeptionssituation sowie die augenblickliche Antriebslage wirken darauf ein, in welchem Ausmaß sich der Rezipient beispielsweise in seinem Freizeitverhalten beeinflussen lässt, wie viel er lernt oder wie viel er auf seinen Arbeitsalltag überträgt, ob er seine Meinung oder Attitüden zu einem bestimmten Sachverhalt im Unternehmen oder zu einem allgemeinen Umstand ändert oder korrigiert. Zum zweiten beeinflusst der Rezipient den Wirkungsprozess indirekt, indem er von sich aus jene Momente variiert, die sich als wirkungsrelevant erwiesen haben. Kommunikator, Aussage und Medium bestimmen mit ihren Eigenarten, Merkmalen und Erscheinungsformen die Wirkung mit. Die Art und Intensität der Wirkung der MAZ hängt bei den Rezipienten zudem von Momenten ab wie Geschlecht, Alter, Bildung, Zugehörigkeit zu Schichten, Stadtoder Landbevölkerung oder Unternehmen, bei dem der Mitarbeiter zuvor beschäftigt war. Ein weiterer Faktor ist der Grad der Beeinflussbarkeit in unentschiedenen Situationen. Weitere Momente sind Frustrationsgrad, Angst, Begehrlichkeit, aktuelle

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Bedürfnisse. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Erziehung sowie die soziale Situation in der Familie, in deren Rahmen die MAZ in der Regel rezipiert wird und die davon abhängende Kommunikationssituation. Ein wesentlicher Faktor der Wirkung beim Rezipienten sind die relationalen Momente, also die Beziehung der Kommunikationsfaktoren untereinander. Die Wirkung wird beispielsweise dadurch beeinflusst, welches Bild der Rezipient vom Kommunikator als Person hat, ob der Kommunikator persönlich bekannt ist, als Leitfigur dient, sympathisch oder unsympathisch ist. Ferner hängt die Wirkung der MAZ auch davon ab, wie die Begegnung des Rezipienten mit der Aussage verläuft, wie er diese sieht und erlebt.

4 Die Sprache der MAZ In der MAZ berichten Mitarbeiter über Mitarbeiter und über deren arbeitstägliches Umfeld. Das bedeutet, dass Kommunikator und Rezipient in einem inter-aktionalen Verhältnis stehen und dass die Inhalte der Aussagen bei unter-schiedlichen Rezipientengruppen wechselweise bekannt sind. Die Tonalität ist integrativ, es wird von wir und uns gesprochen, der Rezipient wird mitunter mit Sie direkt adressiert. Die Sprache, die in der MAZ benutzt wird, besitzt eine zugleich sachliche wie emotionale Überzeugungskraft, Systematik und leichte Fass- und Lesbarkeit durch einen übersichtlichen Satzbau sowie durch den Aufbau der Meldung. Die MAZ-Texte sollen auf bekannte und vertraute Handlungsschemata des Arbeitsalltags beziehbar sein und wecken damit das Interesse der Rezipienten. Ein Merkmal der MAZ-Texte ist die „Fachsprache, die der genaueren und schnelleren Verständigung dienen soll und die sich durch Explizitheit, Standardisierung und Formalisierung auszeichnet.“ (Meier 2002, 22) Die Firma Bosch, die mit dem Bosch-Zünder eine umfangreiche, international erscheinende MAZ im Zeitungsformat herausgibt, hat für die Autoren und Redaktionsmitglieder fünf Regeln aufgestellt, mit deren Hilfe der Sprachstil des Mediums einheitlich gestaltet und das Zeitungssprachliche des Mediums hervorgehoben werden soll. Die erste „Lesehilfe“ bezieht sich auf die Einbindung von Fotos, Grafiken oder Karikaturen und den passenden Bildunterschriften. Die zweite behandelt das Thema Überschriften: „Sie ist die Botschaft, auf die eine Information gebracht werden kann. Das ist […] die eigentliche journalistische Leistung.“ Die dritte Regel gibt Hilfestellung bei der Textgliederung: „das Wichtigste nach vorn […] Jeder Absatz ein Gedanke.“ Die vierte weist auf eine klare Sprache hin: „Die Zeitungssprache ist klar, deutlich und führt direkt zur Information. Fremdwörter sind Fremdkörper. Journalisten sollten Übersetzer sein.“ Die fünfte regelt den Umgang mit Abkürzungen: „immer erklären und ausschreiben […] eine Regel […], die auch in den meisten Tageszeitungen gilt: Abkürzungen, die man wie ein Wort spricht, werden auch wie ein Wort behandelt“ (o. V. o. J.: Ein paar Regeln vom Bosch-Zünder. Unveröffentl. Merkblatt. o. O.).

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Für die MAZ wurde herausgefunden, dass sich ihre Sprache und ihr Sprachstil aus einer Mischung von Presse- und Werbesprache herausbildet, die zur Aufgabe hat, eine positive Atmosphäre zu schaffen (Trees 1996, o. V. 1998). Das Resultat dieser Symbiose, die sogenannte PR-Sprache, ist eine Sprache der Meinungsbildung. Der Kommunikator versucht, durch implizite Aufwertung der Unternehmensposition und indirekte Abwertung von Gegenpositionen sowie durch Beschwichtigung und fertige Meinungen, durch Emotionalisierung und Vorausinterpretation von Sachverhalten, vor allem durch die Selektion der redaktionellen Themen die Urteilsbildung der Leser zu erleichtern. Zeichen der PR-Sprache sind der Gebrauch des einbeziehenden und Gemeinsamkeit herstellenden pluralis auctoris, der Gebrauch von Leerformeln, von Schlagworten mit positivem oder negativem Reizwert, von Euphemismen, um unangenehme Sachverhalte positiv klingen zu lassen oder zu verschleiern. Der PR-Sprache fällt hier die Aufgabe zu, metaphorisch verklausulierte Urteile zu fällen und die dargestellten Ansichten atmosphärisch als Fakten zu kommentieren. Kritische Meinungen sind, wenn überhaupt, kontrolliert und abgeschwächt vorhanden. Eindeutige Aussagen werden vermieden. Das Grundlegende der PR-Sprache ist, dass sie nicht schon durch die Form ihres Erscheinens erkennbar ist und explizit auftritt, wie zum Beispiel die Werbesprache in Anzeigen, Prospekten, Slogans, oder wie die Pressesprache in Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen und Rundfunk. Die PR-Sprache verbirgt sich hinter der Fassade der Pressesprache und ist daher nicht sofort als manipulativ zu identifizieren […]. Obwohl sich Journalisten ans Werk einer MAZ machen, verwenden diese keine reine Pressesprache. Journalistisch ist nur die Form und Aufmachung der Publikation sowie die Anordnung der Artikel. Betrachtet man indes die Sprache der Berichte sowie deren rhetorisches Grundprinzip, so sind sehr häufig neben – wenigen – Elementen der Zeitungssprache Elemente der Werbesprache vorhanden. (Trees 1996, 13)

5 Ausblick Eine moderne MAZ funktioniert prozessorientiert und nicht nach dem linearen ReizReaktions-Schema einer vertikalen, nicht umkehrbaren Kommunikationsdirektion. Die durch die MAZ vermittelte Wirklichkeit ist das Ergebnis von unterschiedlichen interagierenden Kommunikationsprozessen. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit diese Kommunikationsprozesse Wirklichkeit innerhalb von Unternehmen konstruieren und konstituieren. Die MAZ ist auf jeden Fall nicht mehr die Informationsquelle im Unternehmen schlechthin. Das nehmen ihr Intranet, E-Mail und Soziale Medien ab. Sie hat jedoch eine spezifische Aufgabe, die beigeordnet zu den anderen Medien der Organisationskommunikation zu sehen ist. So wie sich im Lauf der Zeit die Abkehr der MAZ vom ‚Sprachrohr der Unternehmensleitung‘ vollzogen hat, so wird in naher Zukunft die Abkehr von der ‚unternehmensinternen Lokalberichterstattung‘ fällig. Diese Aufgabe kommt immer mehr dem

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Intranet, Blogs, Apps und den Sozialen Medien zu. Das Intranet kann zudem die Zusatzfunktion eines Nachschlagewerks erfüllen. Die neue MAZ, die MAZ der dritten Generation, wird sich zum Special-Interest-Magazin wandeln, in dem die gedankliche Auseinandersetzung mit Grundsatzfragen, die das Unternehmen und seine Umwelt betreffen, vollzogen wird  – die immer deutlichere Präsenz der Aussagen mit den Inhalten ‚Hintergrundinformation‘ sind ein Indiz dafür. Dieser neue MAZ-Typ wird bei aufgeklärten Mitarbeitern eine hohe Akzeptanz finden. Eine solche Veränderung vollzieht beispielsweise der Automobilhersteller BMW: Zum einen erstellt das Unternehmen seine MAZ „BMW Group-Zeitung“ nicht mehr im eigenen Haus, sondern hat diesen Prozess an einen externen Dienstleister vergeben – die Kommunikatoren müssen bei der neuen MAZ-Generation nicht mehr wie Lokalredakteure im eigenen Unternehmen agieren. Zum anderen haben die Titelseiten-Aufmacher nicht mehr unmittelbar Mitarbeiter und deren Handlungen zum Thema, sondern zum Beispiel die Markteinführung neuer Modellreihen. Zudem finden sich auf der Titelseite keine aktuellen Nachrichten mehr – diese erscheinen ungleich aktueller auf der gleichnamigen Online-Plattform für Mitarbeiter, die auch als App verfügbar ist. Diese InternetVersionen können zudem multimediale Inhalte wie Videos, animierte Infografiken, Umfragen und Ähnliches integrieren, was den Wirkungsprozess der MAZ-Aussagen weiter vereinfacht.

6 Literatur Armbrecht, Wolfgang (1992): Innerbetriebliche Public Relations. Grundlagen eines situativen Gestaltungskonzepts. Opladen. Avenarius, Horst (1995): Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation. Darmstadt. Bentele, Günter/Horst Steinmann/Ansgar Zerfaß (Hg.) (1996): Dialogorientierte Unternehmenskommunikation. Grundlagen – Praxiserfahrungen – Perspektiven. Berlin. Fieß, Simone (2003): Verlautbarungsheftchen sind nicht mehr gefragt. Unternehmen setzen auf aufwendige Mitarbeiterzeitschriften. In: Stuttgarter Zeitung vom 28.06.2003, 13. Groth, Otto (1998): Vermittelte Mitteilung. Ein journalistisches Modell der Massenkommunikation. Hg. v. Wolfgang R. Langenbucher. München. Haller, Klaus (1982): Werkzeitschriften in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin. Kaiser, Markus (1996): Kulturelle Kommunikationspraxen als Leitbild einer wirtschaftsethisch reflektierten Unternehmenskommunikation. In: Bentele/Steinmann/Zerfaß, 109–145. Lüger, Heinz-Helmut (1995): Pressesprache. 2., neu bearb. Aufl. Tübingen. Macharzina, Klaus (1990): Informationspolitik: Unternehmenskommunikation als Instrument erfolgreicher Führung. Wiesbaden. Maletzke, Gerhard (1963/1978): Psychologie der Massenkommunikation. Hamburg (Nachdruck der 1972 um ein Nachwort erweiterten 2. Auflage). Meier, Philip (2002): Interne Kommunikation im Unternehmen. Von der Hauszeitung bis zum Intranet. Zürich. Merten, Klaus (1992): Begriff und Funktion von Public Relations. In: PR-Magazin 11/1992, 35–46.

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O. V. (1995): Was halten Sie vom „Shell Spiegel?“ In: Shell-Spiegel. Werkzeitschrift der deutschen Shell AG 61/1995, 20–21. O. V. (1998): Mitarbeiterzeitungen. In: Journalist 5/1998, 43–49. O. V. o. J.: Ein paar Regeln vom Bosch-Zünder. Unveröffentl. Merkblatt. o. O. Paris, Hanns-Joachim (1985): Die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Werksredakteure. Ihre Entstehung und ihr Wirken. Kassel. Reimann, Horst (1974): Kommunikations-Systeme. Umrisse einer Soziologie der Vermittlungs- und Mitteilungsprozesse. 2., revid. Aufl. Tübingen. Stöhlker, Klaus J. (1984): Heile Welt – oder was sonst? Hauszeitschriften – ungeliebte Kinder der internen Information. In: Blick durch die Wirtschaft. Zeitung für Finanzen, Steuern, Recht und Management 13.12.1984. Theis, Anna Maria (1994): Organisationskommunikation. Theoretische Grundlagen und empirische Forschungen. Opladen. Trees, Wolfgang (1996): Warum keine Presse-Sprache? In: IBI-Dienst. Informationen, Berichte, Ideen für die innerbetriebliche Kommunikation 9/1996, 13–14.

Walther Kindt

20. Werbung, Verkaufsgespräch und Reklamation Analysen im Rahmen der Linguistischen Rhetorik Abstract: In dem Beitrag werden die drei genannten Kommunikationsgattungen in einen systematischen Zusammenhang gebracht. Gemeinsam ist ihnen i. A. das Ziel, zu erreichen, dass Kunden ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung erwerben und dass sie mit ihrem Kauf ggf. auch aufgrund einer Nachbesserung zufrieden sind. Außerdem basieren die drei Gattungen alle auf dem generellen Aufgabenschema der Problemlösungskommunikation. Sie unterscheiden sich aber darin, welche Aufgaben die Kommunikationsteilnehmer schwerpunktmäßig bearbeiten müssen und welche rhetorischen Strategien sie dabei einsetzen. In dem Beitrag werden theoretische und methodische Grundlagen einer Linguistischen Rhetorik zur Analyse der betreffenden verbalen Aktivitäten dargestellt und jeweils durch empirische Beispiele illustriert. Ein besonderes Gewicht wird dabei auf die Analyse von Argumentationen und auf die Identifizierung argumentativer Topoi inkl. der zugehörigen prototypischen sprachlichen Formulierungen als Toposindikatoren gelegt. Die Untersuchungsergebnisse gehen in verschiedenen Aspekten über die bisherige empirische Erforschung der drei Gattungen hinaus und können insbesondere zu einer Professionalisierung der Anwendung von Argumentationsstrategien beitragen. 1 Einleitung 2 Ein allgemeines Schema für Problemlösungskommunikationen 3 Fünf Arbeitsschritte 4 Zur Argumentation in Werbeanzeigen 5 Argumentationsstrategien in Verkaufsgesprächen 6 Besonderheiten des Reklamationsgesprächs 7 Fazit 8 Literatur

1 Einleitung Dass die drei im Titel genannten Gattungen hier gemeinsam behandelt werden, hat zwei Gründe. Erstens durchlaufen Kunden möglicherweise eine Kommunikation aller drei Gattungen: Sie rezipieren die Werbung für ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung (der Einfachheit halber wird nachfolgend nur von Produkt gesprochen); falls sie das Produkt interessiert, lassen sie sich evtl. später auf ein Verkaufs-

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gespräch ein; sofern sie dann das Produkt kaufen, stellen sie bei seiner Verwendung vielleicht einen Mangel fest und versuchen deshalb, durch eine Reklamation eine Nachbesserung oder Kompensation zu erreichen. Zweitens geht es bei allen drei Gattungen um Kommunikationen zur Lösung von Problemen. Also ist es zweckmäßig, einerseits ihre Gemeinsamkeiten zu erforschen und andererseits ihre Unterschiede. Den drei Gattungen ist insbesondere gemeinsam, dass zur Lösung des jeweiligen Problems bestimmte kommunikative Aufgaben durchzuführen sind und dass dabei spezifische rhetorische Strategien eingesetzt werden, um vorgschlagene Problemlösungen zu rechtfertigen oder zurückzuweisen. Zugleich erklärt das, warum es sinnvoll ist, die drei Gattungen genauer linguistisch zu erforschen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass man durch Anwendung neuerer Methoden der Linguistik Erkenntnisse gewinnen kann, die über die Informationen in Ratgebern hinausgehen und außerdem präziser sind. Das betrifft zum einen die Aussagen über Gliederung und Handlungsstrukturen in den Gattungen sowie zum anderen z. B. die Ergebnisse über Art und Strategien der durchgeführten Argumentationen. Letzterer Punkt hängt damit zusammen, dass Alltagsargumentationen maßgeblich auf einer Anwendung der von Aristoteles (1980, 144–161) zusammengestellten Schlusstopoi basieren, die selbst in Rhetorik-Lehrbüchern i. A. nicht behandelt werden. Die Relevanz dieser Topoi wurde in der Linguistik unabhängig voneinander von Rieser (1985) und Kienpointner (1986) wiederentdeckt. Zwar geht z. B. Schlüter (1981) in seinem Rhetorikbuch explizit auf das Thema „Argumentation in der Werbung“ ein (ebd., 61–67) und analysiert einige Werbetexte logisch korrekt; er bemerkt aber trotz Hinweis auf Aristoteles im Literaturverzeichnis nicht, dass die von ihm beschriebenen Schlüsse großteils auf einer Anwendung des aristotelischen Konsequenztopos (1980, 151) beruhen. Das gilt z. B. für die im Slogan Unsagbar bequem – WK-Möbel behauptete Konsequenz einer besonderen Bequemlichkeit der betreffenden Möbel, die die Schlussfolgerung nahelegt, dass man diese Möbel kaufen solle. Die Kenntnis von Topoi reicht aber oft noch nicht aus, um ihre Anwendung in Texten (im weiten, mündliche Kommunikationen umfassenden Sinne) zuverlässig identifizieren zu können. Vielmehr muss man außerdem wissen, mit welchen sprachlichen Indikatoren sie angezeigt werden. Die besondere Bedeutung solcher Indikatoren wurde in Kindt (1992a, b) empirisch nachgewiesen. Sie beruht darauf, dass Alltagsargumentationen in starkem Maße implizit sind und dass man sie vielfach nur korrekt analysieren kann, wenn in den betreffenden Texten zugehörige Indikatoren vorkommen. Somit ist es eine der Aufgaben der Forschungsrichtung „Linguistische Rhetorik“(vgl. Kindt 2008, 2012, i.Dr.), anhand empirischer Untersuchungen argumentativer Texte systematisch Informationen über Indikatoren für relevante Topoi zu sammeln, um langfristig ein entsprechendes Lexikon erstellen zu können (vgl. Kindt 1999, 29; 2012, 36 f.). Genereller sollten in dieser Forschungsrichtung aber alle gängigen rhetorischen Fragestellungen unter dem zusätzlichen Aspekt untersucht werden, welche typischen sprachlichen Realisierungen man dabei rekurrent unter welchen Kontextbedingungen und in welcher Funktion verwendet. Z. B. fällt bei der Analyse von Verhandlungen auf, dass mit der formelhaften Wendung

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Wenn Sie mir so kommen, dann… ein Verhandlungsabbruch angedroht werden kann, um eine größere Kompromissbereitschaft des Verhandlungspartners zu erreichen. Die so skizzierte umfassende Zielsetzung der Linguistischen Rhetorik kann hier natürlich nur exemplarisch verfolgt werden. Die Relevanz von Toposanalysen für die empirische Untersuchung von Werbung wurde erstmals von Janich (1999) deutlich gemacht. Ihre Darstellung berücksichtigt aber noch nicht, dass man die zu Topoi gehörigen Indikatoren kennen muss, um Toposanwendungen in Texten korrekt und vollständig nachweisen zu können. Beispiele von Werbeanzeigen, bei denen Indikatoren anzeigen, welcher Schlusstopos jeweils angewendet wird, untersuchte Kindt (2003, 151–154), (2007, 114/125) und (2009, 62–64). Z. B. wird in der von Kindt 2009 diskutierten Anzeige, die nach Weihnachten 2002 im SPIEGEL erschien, als fiktives Fallbeispiel das Erlebnis eines jugendliches Pärchens dargestellt (vgl. Abb. 1). Die junge Frau schaut mit Entsetzen auf ein soeben von ihr ausgepacktes Weihnachtsgeschenk, einen Gepard aus Porzellan o. Ä., und sie sagt offensichtlich gerade das, was in der Anzeige in der ersten Schlagzeile Omis Geschenk im Keller verstecken? steht. Diese Äußerung realisiert typischerweise eine argumentationseinleitende Frage (quaestio) und macht zugleich einen Vorschlag, wie das Pärchen mit dem Geschenk umgehen könnte. Die zweite Schlagzeile Da verkaufen wir’s doch besser bei eBay! gibt dagegen den Gegenvorschlag des jungen Mannes wieder. In ihr zeigt der Indikator besser eine Anwendung des zweiseitigen Konsequenztopos an, der dazu dient, die Konsequenzen zweier alternativer Handlungen miteinander zu vergleichen und eine von ihnen als die günstigere einzustufen. Empirische Untersuchungen mit Toposanalysen von Verkaufsgesprächen oder Reklamationen gibt es m. W. bisher nicht. Die Durchführung entsprechender Analysen ist aber genauso sinnvoll wie für Werbekommunikation. Das soll im vorliegenden Beitrag demonstriert werden. Zuvor müssen die theoretischen und methodischen Grundlagen für die kommunikationslinguistische Untersuchung von Texten genauer dargestellt werden. Außerdem wird ein generelles Strukturschema für Kommunikationen zur Lösung von Problemen angegeben.

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Abb. 1: Ebay-Werbeanzeige aus dem Jahr 2002 (aus: Der Spiegel) [Omis Geschenk im Keller verstecken? Da verkaufen wirʼs doch besser bei eBay! Hier machen Sie Überflüssiges zu Geld! Bei e-Bay bekommen ungeliebte Weihnachtsgeschenke eine zweite Chance. Denn auf dem größten Online-Marktplatz der Welt warten mehr als 50 Millionen potentielle Käufer – und suchen vielleicht genau das, von dem Sie sich gerne trennen möchten. Also: Gabentische leeren und Portemonnaie füllen! Bei www.ebay.de. Besser kaufen und verkaufen.].

2 Ein allgemeines Schema für Problemlösungskommunikationen Man könnte leicht eine längere Liste von Kommunikationsgattungen aufschreiben, in denen es um die Lösung von Problemen geht. Neben den drei hier zu diskutierenden Gattungen gehören u. a. auch verbale Konfliktaustragungen, politische Debatten und

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Therapiegespräche zu solchen Kommunikationen. Deshalb stellt sich die Frage, ob sich alle diese Gattungen auf eine gemeinsame Grundform zurückführen lassen. Z. B. behauptet Ottmers (1996, 18), die drei in der Antike unterschiedenen Gattungen der politischen Beratungsrede, der Gerichtsverhandlung und der Lob-/Tadelrede seien ausreichend, um sämtliche Aspekte mündlicher und schriftlicher Beredsamkeit zu erfassen. So einfach sind die Verhältnisse zwar nicht, aber immerhin stellt sich die Beratungsrede als eine Grundform für Problemlösungskommunikationen heraus. Für sie haben Kienpointner und Kindt (1997) nach der Vorgehensweise in der Linguistischen Kommunikationsanalyse (vgl. z. B. Fiehler/Kindt 1994) an einem Korpus von Leserbriefen ein aus fünf Komponenten bestehendes makrostrukturelles Aufgabenschema ermittelt, das die kollektiven Erwartungen über die allgemeinen kommunikativen Aufgaben der zugrundeliegenden Textgattung rekonstruiert. Demzufolge beginnt eine solche Rede mit der üblichen (fakultativen) Einleitung, die u. a. der Herstellung von Aufmerksamkeit und Kommunikationsbereitschaft der Adressaten dient. Im sog. Hauptteil wird zunächst ein Problem (Defizit) dargestellt, das nach Einschätzung des Redners so gravierend ist, dass sich die Notwendigkeit ergibt, geeignete Maßnahmen zur Problemlösung zu ergreifen. Anschließend folgt evtl. eine Klärung der Problemursachen. Danach werden in der Problembearbeitung mögliche Maßnahmen vorgeschlagen und ggf. auf ihre Eignung hin geprüft; außerdem kann schon eine der Maßnahmen empfohlen werden. Der Redeschluss enthält i. A. einen Aufruf zum Handeln oder eine zusammenfassende Formulierung des Diskussionsresultats. Dass das vorgestellte Aufgabenschema weitgehend stabil in entsprechende Strukturen umgesetzt wird, ist sachlogisch und verständigungstheoretisch begründet. Um ein Problem durch eine Maßnahmendiskussion lösen zu können, müssen die Beteiligten zunächst die allgemeinen Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Kommunikation herstellen. Zudem lässt sich ein Problem nicht angemessen lösen, wenn es nicht vorher ausreichend definiert wurde; deshalb führt eine unzureichende Problemdefinition häufig zu Schwierigkeiten. Auch eine vorherige Klärung der Problemursachen kann zweckmäßig sein; wenn man nämlich die Ursache eines Problems kennt, weiß man evtl. auch, wie man es lösen muss. Schließlich ist es sinnvoll, das Ergebnis der Maßnahmendiskussion am Ende der Kommunikation in einem Fazit festzuhalten. Es kommt aber noch ein weiteres Argument hinzu, warum sich die Beteiligten i. A. an das vorgegebene Schema halten. Aus jedem Übergang von einer zu einer anderen Aufgabenkomponente resultiert nämlich ein Kontextwechsel; d. h. dass es für eine korrekte Interpretation einer Äußerung wichtig ist zu wissen, in welcher Komponente sie sich befindet. Falls man also z. B. innerhalb einer Komponente eine Äußerung A machen möchte, die als Nachtrag aufgabenbezogen zu einer früheren Komponente gehört, dann muss das semantisch an A erkennbar sein oder man muss A formal als Nachtrag markieren, um mögliche Missverständnisse beim Gesprächspartner zu vermeiden. Auch die oben angeführte eBay-Anzeige folgt in gewisser Weise dem Problemlösungsschema. Teilweise sind die Komponenten aber visuell realisiert und teilweise

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muss man sie aus der Bild-Text-Interaktion erschließen. Mit dem entsetzten Blick der jungen Frau und mit dem im Vordergrund übergroß dargestellten Gesicht des Mannes, der den Betrachter der Anzeige verschmitzt anzuschauen scheint, wird zunächst versucht, die Aufmerksamkeit von Lesern auf die Anzeige zu lenken. Was das Problem des Pärchens in dem dargestellten Fallbeispiel ist, lässt sich aus Bild und erster Schlagzeile inferieren: Die Oma hat den beiden jungen Leuten den Gepard zu Weihnachten geschenkt (im Hintergrund sieht man einen beleuchteten Tannenbaum) und der jungen Frau ist dieses Geschenk so peinlich, dass sie erwägt, es im Keller zu verstecken, um zu vermeiden, dass künftige Besucher es zu sehen bekommen. Die Verursacherin des Problems ist auch genannt; gemäß Höflichkeitsnormen kann man das Problem aber nicht offenlegen und von ihr eine Problemlösung z. B. durch Umtausch erwarten. Die beiden Schlagzeilen mit Vorschlag und Gegenvorschlag reichen eigentlich schon als Darstellung der Maßnahmendiskussion aus; denn aus der zweiten kann man erschließen, dass der junge Mann es wegen des finanziellen Gewinns für besser hält, den Gepard zu verkaufen als ungenutzt im Keller zu lagern. Ein möglicher Nachteil dieser Problemlösung wird in der Anzeige nicht angesprochen: Wenn die Oma zu Besuch kommt und nach dem Gepard fragt, müsste das Pärchen sie anlügen; dagegen könnte bei der anderen Lösung der Gepard vorher aus dem Keller geholt und irgendwo aufgestellt werden, um den Schein zu wahren. Dagegen ergibt sich das Argument, dass es bei Wahl der Verkaufslösung günstig ist, den Gepard bei eBay anzubieten, schon aus dem Alltagswissen, und zugleich ist das Risiko, dass die Oma im Internet recherchiert und zufällig den Gepard angeboten findet, als gering einzuschätzen. Für welche Lösung sich die jungen Leute entscheiden, wird in der Anzeige zwar nicht berichtet, aber die Leser sollen natürlich annehmen, dass der Verkauf bei eBay gewählt wird. Ohnehin dient die verkürzte Bildgeschichte nur als emotionalisierender induktiver Beleg für die Argumentation, dass es sich lohne, „ungeliebte Weihnachtsgeschenke“ über eBay zu verkaufen. Das wird in dem an die Leser adressierten Fließtext der Anzeige genauer begründet und durch die Schlussfolgerung eines abschließenden Handlungsaufrufs hervorgehoben. Hier machen Sie Überflüssiges zu Geld! Bei eBay bekommen ungeliebte Weihnachtsgeschenke eine zweite Chance. Denn auf dem größten Online-Marktplatz der Welt warten mehr als 50 Millionen potentielle Käufer  – und suchen vielleicht genau das, von dem Sie sich gerne trennen möchten. Also Gabentische leeren und Portemonnaie füllen!

Somit folgt auch die Kommunikation zwischen eBay und Lesern dem Problemlösungsschema, allerdings in prophylaktischer Weise. Sofern nämlich Leser ebenfalls das Problem haben, unliebsame Weihnachtsgeschenke loswerden zu wollen, bzw. falls ein entsprechender Bedarf durch das Fallbeispiel geweckt wurde, empfiehlt eBay ihnen dieselbe Lösung, die der ‚clevere‘ junge Mann seiner Partnerin vorschlägt. Und für die zugehörige Anwendung des Konsequenztopos werden im Fließtext explizit zwei Argumente genannt: der finanzielle Gewinn und die relativ große Wahrscheinlichkeit, bei eBay einen Käufer zu finden. Dabei ist Chance i. A. ein Indikator für eine

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spezielle Version des Konsequenztopos, nämlich für den Gelegenheitstopos, bei dem die empfohlene Handlung H nur unter den Bedingungen der gegenwärtigen Situation mit bestimmten, besonders günstigen Konsequenzen verbunden ist. Mit der Einstufung von H als günstige Gelegenheit wird also zusätzlicher Druck auf den/die Adressaten ausgeübt, H durchzuführen, bevor es dafür zu spät ist. Bei der eBay-Anzeige ist mit zweite Chance allerdings nur gemeint, dass man für das Geschenk eine bessere Verwendungsmöglichkeit findet als bei sich selbst. Dass alle drei hier behandelten Gattungen weitgehend nach dem dargestellten Problemlösungsschema vorgehen, dürfte schon jetzt plausibel sein. Zu untersuchen bleibt aber, inwieweit sich die Gattungen in der internen Aufgabenstruktur der fünf allgemeinen Aufgabenkomponenten unterscheiden und welche besonderen Kommunikationsbedingungen in ihnen gelten. Was nun die Argumentation in diesen Komponenten betrifft, so ergibt sich aus den beiden Werbebeispielen bereits, dass die Anwendung des Konsequenztopos generell eine zentrale Rolle in der Maßnahmendiskussion bei der Rechtfertigung von Handlungen spielt. Analog dazu kann man fragen, ob es auch für die anderen Komponenten typische Toposverwendungen gibt. Nach den Ergebnissen von Kienpointner/Kindt (1997) wird in der Problemdarstellung häufig der Definitionstopos verwendet und bei der Ursachenklärung der allgemeine Ursache-Wirkung-Topos (Aristoteles 1980, 148, 155). Außerdem ist zu klären, inwieweit in den drei Gattungen unterschiedliche Argumentationsstrategien eingesetzt werden. Von besonderer Bedeutung ist schließlich die Frage, ob die jeweils durchgeführten Argumentationen korrekt sind. Diesbezüglich ist schon am eBay-Beispiel zu sehen, dass man von Werbung nicht erwarten darf, dass immer alle Vor- und Nachteile eines Produkts (bzw. einer Dienstleistung) genannt und in ihrer Relevanz eingeschätzt werden.

3 Fünf Arbeitsschritte In der Linguistischen Kommunikationsanalyse hat sich ein aus mindestens fünf Arbeitschritten bestehendes Programm für die empirische Untersuchung von Texten bewährt. Nach der in einem ersten Schritt erfolgenden Erhebung, Auswahl und Aufbereitung von Texten, die für das jeweilige Forschungsziel geeignet sind, werden beim zweiten Schritt (Ermittlung des globalen Kontexts) allgemeine Informationen über die Kommunikationssituation und ihre Vorgeschichte zusammengestellt, die man als Hintergrundwissen für die Interpretation der Äußerungen im betreffenden Text und evtl. zur Erklärung von Besonderheiten der Textstruktur benötigt. Der dritte Arbeitsschritt betrifft die für Problemlösungskommunikationen in Grobgliederung schon vorweggenommene Ermittlung eines Aufgabenschemas. Bei der zugehörigen makrostrukturellen Analyse muss man zwei Analysearten unterscheiden, nämlich die formale und die inhaltliche. Bei der formalen Analyse wird versucht, im Text die

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Verwendung gängiger Gliederungsmittel der Makrostrukturierung zu identifizieren. Bei schriftlichen Texten bestehen solche Mittel insbesondere in der Nummerierung von Textteilen, der Formulierung von Überschriften evtl. unterschiedlicher Schriftgröße und/oder Druckart sowie der Absatzbildung. Mündliche Texte werden dagegen mit Hilfe spezieller Kombinationen sog. Gliederungssignale unterteilt (vgl. Kindt 1993, 160 ff.). Bei der zweiten Art der makrostrukturellen Analyse werden inhaltliche oder funktionale Gemeinsamkeiten vorkommender Äußerungen zur Strukturierung verwendet. Zugleich versucht man die so gefundenen Strukturkomponenten funktional zu charakterisieren. Wenn beide Teilschritte für eine größere Zahl von Texten einer Gattung insoweit erfolgreich durchgeführt wurden, als man ihnen ein gemeinsames Aufgabenschema zuordnen kann, dann darf man gemäß einer induktiven Generalisierung vorerst davon ausgehen, dass dieses Schema i. A. für die ganze Gattung gilt. Dementsprechend wird man versuchen, auch neu zu analysierende Texte im Sinne des Schemas zu strukturieren. Genau das haben wir im Fall der ebay-Anzeige getan. Formal und inhaltlich begründete Makrostrukturen stimmen i. A. weitgehend überein. Es können aber auch Divergenzen vorkommen, die dann zu erklären sind. Beim vierten Arbeitsschritt der sequenziellen Handlungsanalyse wird versucht, für jede eigenständige Teiläußerung im Text die zugehörige Sprechhandlung sowie die Verknüpfung mit anderen Handlungen zu einer Handlungssequenz zu bestimmen. Die Ergebnisse dieser Analyse bilden die Grundlage für den fünften Arbeitsschritt, bei dem je nach Forschungsinteresse Detailuntersuchungen zu speziellen kommunikativen Aufgaben und den dabei verwendeten Strategien durchgeführt werden. Bei diesem Schritt muss man gattungsspezifische und gattungsübergreifende Aufgaben unterscheiden. Es gibt nämlich fünf in jeder Kommunikation zu bearbeitende Aufgaben, die immer untersucht werden sollten, wenn man die Qualität einer Kommunikation beurteilen möchte. Dies sind die partiell auch in der Rhetorik thematisierten Aufgaben der Kommunikationsorganisation (u. a. mit der Rederechtsverteilung), der Verständigungssicherung, der Beziehungskonstitution, der Argumentation und der Emotionsbearbeitung. Die Durchführung der fünf Arbeitsschritte soll am Beispiel des in einem Schuhgeschäft von einer Verkäuferin V und einem Kunden K geführten Verkaufsgesprächs C4-A5 aus Pothmann (1995; Anhang, 54–55) veranschaulicht werden, das nicht in Pothmann (1997) wiedergegeben ist und hier der Einfachheit halber als Wortprotokoll zitiert wird. Stellen mit einem nur vermuteten Wortlaut sind eingeklammert und unverständliche Passagen werden mit ( ) notiert. Außerdem erkennt man kurze, aber markante Pausen an drei Punkten und lange Pausen an der in Doppelklammern gesetzten Sekundenangabe.

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1V: guten Tag                     bitt schön                                                                                                      ja 1K:                    guten Tag                     (kann) ich bei Ihnen auch so eine halbe Sohle kaufen     ja 2V: welche Größe ham se denn 2K:            denn ich hab das Gefühl sechsunddreißig m mir sind die Schuhe vorne so weit es 3V:                       ja ((13 Sek.)) ich hab die einmal in Leder nur die Halbsohle oder in Schaum3K: schlackert 4V: gummi … Leder ist natürlich schöner        schwitzt man nicht so 4K:                                                                        hm                                           hm was kosten die denn 5V: die in Leder kosten                                                              sechs Mark neunzig 5K:                                       mal ausprobieren ob (das geht)                                       hm und die 6V: … die kosten drei Mark fünfzig 6K:                                                           die nehm ich das reicht ich muss das erstmal ausprobieren 7V: ja gut                                  sind Ihnen denn die Schuhe zu groß                    oder 7K:        ob das was nutzt ( )                                                                    ja ich weiß es nicht ich hab 8V:                                                                                                                das ist (Nubuk)leder        ja 8K: das Gefühl sie sind mir n bißchen weit geworden dieses äh                                       jaja 9V:                                   ja versuchen ses mal          ((5 Sek.)) wollen ses sofort reinlegen 9K: ich weiß es nicht                                         eben                                                                      zwanzig 10V:                                                                                                                                                                         ja 10K: ich bin drüben im Geschäft ich versuchs da mal dreißig vierzig na komm schon fünfzig 11V:       schönen Dank geht es so                                                   wiedersehn 11K: ne                                                 ach natürlich danke wiedersehn

C4-A5 wurde in der Zeit von 1992/93 aufgenommen; eine genaue Datierung fehlt. Als Alter der Verkäuferinnen in dem betreffenden Geschäft gibt Pothmann über 50 Jahre an. Außerdem erfährt man, dass das Durchschnittsalter der Kunden in diesem Geschäft etwa 65 Jahre beträgt. Genauere Kontextinformationen benötigt man für die Analyse von C4-A5 nicht. Bestimmte Äußerungen im Text könnte man aber spezifischer interpretieren, wenn man mehr über die kommunikationsexterne Begleitsituation wüsste (s. u.). Die weiteren Arbeitschritte werden der Einfachheit halber nicht nacheinander, sondern parallel durchgeführt. Dabei soll teilweise auch ohne Literaturverweise leicht nachvollziehbares linguistisches Strukturwissen genutzt werden, um relevante Analyseergebnisse zu erhalten. Außerdem werden für die Beschreibung von Teilaufgaben im Verkaufsgespräch Kategorien von Pothmann (1995/97) und von Brons-Albert (1995) übernommen. C4-A5 beginnt in Fläche 1 typischerweise mit einer Einleitung, zu der die beziehungskonstitutiven Handlungen Gruß und Gegengruß gehören. Warum der Gruß von V und der Gegengruß von K stammt, lässt sich ohne Informationen über die externe Situation nicht klären. Die Grußformel guten Tag entspricht den seinerzeit geltenden Höflichkeitsnormen der älteren Generation. Mit der Begrüßung ist gesprächsorganisatorisch zugleich die prinzipielle Bereitschaft verbunden, die Kommunikation fortzusetzen. Weil K mit dem Gegengruß das Rederecht besaß, hätte er z. B. mit einer Anliegensformulierung fortfahren und damit die Problemdarstellung einleiten können. Tatsächlich fordert aber V ihn mit der Äußerung bitt schön auf, sein Anliegen zu formulieren. Eine andere typische Formulierung für eine solche Aufforderung ist

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Kann ich Ihnen helfen/behilflich sein?. Der sog. konditionellen Relevanz der Aufforderung von V kommt K aber nicht direkt nach, weil er zuerst im Rahmen der noch zur Einleitung gehörigen Aufgabe der Zuständigkeitsklärung erfragen will, ob sich sein Kaufwunsch im Geschäft von V erfüllen lässt. Dadurch, dass V dies bejaht und K ebenfalls mit ja eine Bestätigung (Ratifikation) gibt, ist auch der Kaufwunsch indirekt in Kraft gesetzt. Eine wechselseitige Ratifikation fungiert bei der formalen Makrostruktur oft als Abschlusssignal. Folglich liegt in C4-A5 hier schon eine Divergenz zwischen formaler und inhaltlicher Makrostruktur vor: Der erste formale Gesprächsabschnitt umfasst die gesamte Fläche 1, aber die Problemdarstellung beginnt mit der Aufforderung zur Anliegensformulierung und dem indirekt geäußerten Kaufwunsch schon innerhalb des Abschnitts. Dadurch werden Kaufwunsch und die von V in Fläche 2 mit einer Frage nach der Schuhgröße von K eingeleitete Aufgabe einer Präzisierung des Kaufwunsches formal voneinander abgetrennt. Allerdings intendiert K noch eine andere Strukturierung des Gesprächs, weil er in Fläche 2 etwas später einsetzend und teilweise parallel zur Frage von V mit einer Erklärung für seinen Kaufwunsch der Aufgabe der Ursachenklärung nachkommt. Trotzdem beantwortet er die Frage von V umgehend, indem er die Antwort sechsunddreißig an grammatisch passender Stelle in seine Äußerung einschiebt (vermutlich handelt es sich nicht um einen männlichen Kunden mit dieser ungewöhnlichen Schuhgröße, sondern die tiefe Stimme einer Frau wurde missinterpretiert). Möglicherweise verursacht diese Divergenz anschließend ein Formulierungsproblem, das K mit einer completion-Reparatur (vgl. Kindt/Rittgeroth 2009, 63) löst. Eine genaue Rekonstruktion der logischen Zusammenhänge von K’s Erklärung ist schon relativ komplex: Der Eindruck von K, dass seine Schuhe vorne zu weit sind, wofür er als Indiz es schlackert anführt, verursacht bei ihm als primäres Problem 1 offensichtlich ein unangenehmes Gefühl (Ursachentopos); dem glaubt er dadurch abhelfen zu können, dass er die Schuhe durch Einlegesohlen enger macht (Konsequenztopos); weil er aber selbst keine passenden Sohlen besitzt (Nachfolgeproblem 2), möchte er durch den Kauf solcher Sohlen zunächst Problem 2 (Konsequenztopos) und dann Problem 1 lösen. V ratifiziert die Kaufwunschpräzisierung und die in Fläche 3 abgeschlossene Ursachenklärung mit ja. Ob die nachfolgende Pause von 13 Sekunden evtl. dadurch bedingt ist, dass V währenddessen entsprechende Einlagesohlen holt, geht aus dem Transskript von Pothmann nicht hervor. Jedenfalls trennt die Pause die vorausgehende Kommunikation formal von der Durchführung der nächsten Teilaufgabe ab, nämlich von der Vorschlagsformulierung von V, die bei Verkaufsgesprächen Angebotsformulierung und/ oder -präsentation heißt. Mit der Durchführung dieser Aufgabe beginnt auch die Komponente der Maßnahmendiskussion. Dementsprechend macht V in Fläche 3–4 zwei Alternativangebote. Mit der anschließenden kurzen Pause eröffnet sie für K die Möglichkeit, das Rederecht zu übernehmen und V’s Angebote zu kommentieren. Da K von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, gilt der Teilabschnitt der Angebotsfomulierung wegen der Pause auch formal als abgeschlossen und V geht in Fläche 4 zur nächsten Teilaufgabe der entscheidungsvorbereitenden Argumentation über.

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Und zwar folgert sie aus der Materialeigenschaft der Sohlen in zwei von K jeweils mit einem zurückhaltenden hm zur Kenntnis genommenen Schritten einen Vorteil der Leder- gegenüber der Schaumgummisohle. Zunächst stuft sie den ersten Sohlentyp in der Bewertungsdimension schön positiver ein als den zweiten und dann begründet sie diese, zur Emotionsbearbeitung gehörige Bewertung mit einem Verwendungsvorteil der Ledersohlen. Für K ist aber auch der Preis der Sohlen wichtig, und seine entsprechende Frage beantwortet V in Fläche 5–6. Noch bevor sie den Preis für die Ledersohle genannt hat, schiebt K in ihre Antwort eine fragmentarisch bleibende, aber erst in Fläche 6–7 vollständiger formulierte und damit verstehbare Erklärung dafür ein, warum er an einer preiswerten Lösung interessiert ist: Er möchte nämlich ausprobieren, ob sich Problem 1 mit einer Einlegesohle lösen lässt, will aber dabei nicht das Risiko eingehen, eine teure Sohle erworben zu haben, ohne zu wissen, ob sich der gewünschte Erfolg auch einstellt. Auf die Angabe des Preises für die Ledersohle reagiert K wieder mit hm und fragt anschließend mit und die nach dem Preis der anderen Sohle. Semantisch interessant ist hier, dass die Referenz auf die Schaumgummisohle mit dem demonstrativisch verwendeten Artikel die erreicht wird. Das spricht dafür, dass K in Fläche 5 auf eine visuell präsente Sohle zeigt und damit eine eindeutige Interpretation von die gewährleistet war. Das könnte auch die kurze Pause vor V’s Antwort (und das in der Transskription von Pothmann zusätzlich notierte gedehnt gesprochene kosten) erklären: Vermutlich muss V erst den auf der Sohle angegebenen Preis suchen. Unmittelbar nach der Nennung des geringeren Preises für die Schaumgummisohle entscheidet sich K aufgrund seiner Abwägung bei Anwendung des Konsequenztopos für den Kauf dieser Sohle. V ratifiziert die Kaufentscheidung von K in Fläche 7 mit dem als formales Abschlusssignal fungierenden ja gut, noch bevor K seine Entscheidungsbegründung beendet hat; diese Signalisierung erklärt evtl., warum K am Ende seiner Begründung unverständlicher, weil leiser spricht. Anschließend könnten V und K eigentlich schon zu der im weiten Sinne noch der Problembearbeitung angehörenden Aufgabe der Kaufabwicklung übergehen. Erstaunlicherweise greift V aber in Fläche 7–8 mit einer Rückfrage erneut die Aufgabe einer Klärung der Ursache von Problem 1 auf. Möglicherweise dient diese Frage einer indirekten Empathiebekundung und hat dann auch eine beziehungskonstitutive Funktion. In seiner Antwort präzisiert K seine frühere Erklärung für Problem 1 dahingehend, dass seine Schuhe nicht von vornherein zu weit waren, sondern mit der Zeit weit geworden sind, und er will diese Erklärung in Fläche 8 möglicherweise in der mit dieses in Fläche 8 begonnenen Nachtragskonstruktion durch die Vermutung ergänzen, dass die besondere Art des Leders evtl. für die Weitung der Schuhe verantwortlich ist. Dabei hat K allerdings ein Formulierungsproblem, weil ihm der Name dieses Leders nicht einfällt. Deshalb leitet er mit äh selbst eine Reparatur ein, die von V mit das ist (Nubuk-)Leder fremddurchgeführt und anschließend von beiden Gesprächspartnern ratifiziert wird. Ob dieser Erklärungsversuch von K sachlich korrekt ist, thematisiert V nicht, sondern sie geht in Fläche 9 wieder zur Problembearbeitung im engeren Sinne über und schließt diese mit einem Aufruf zum Handeln ab, der nicht

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auf den bereits beschlossenen Kauf, sondern auf die mit dem Produkt geplante Nachfolgehandlung bezogen ist. Dabei dient das einleitende ja im Handlungsaufruf vermutlich seiner formalen Abgrenzung von der vorherigen Ursachendiskussion; jedenfalls hat dieses Signal in der Erstposition häufig die Funktion, den Beginn eines neuen formalen Unterabschnitts anzukündigen. K ratifiziert den Handlungsaufruf mit eben und hebt dadurch hervor, dass er schon dieselbe Auffassung vertreten hat. Ratifikation und nachfolgende längere Pause dienen wieder der formalen Abgrenzung zweier übergeordneter Gesprächsabschnitte. Die anschließende Kaufabwicklung besteht in Fläche 9–11 zunächst in K’s negativer und mit einer anderen Möglichkeit des Ausprobierens begründeten Beantwortung von V’s Frage, ob K die Sohle gleich in seine Schuhe legen will, und danach in K’s teilweise damit verschränkten Handlung des Abzählens und der Übergabe von Geld für die Bezahlung des Kaufpreises. Die übliche Danksagung leitet V wieder mit ja ein. Der zugehörige Unterabschnitt bildet dann den Gesprächsschluss mit den typischen Interaktionen eines wechselseitigen Dankes und der Verabschiedung. Allerdings war K zu Beginn dieses Abschnitts noch mit dem Bezahlvorgang beschäfigt und forderte mit ne von V vergeblich eine Bestätigung für die Korrektheit der ihr übergebenen drei Mark fünfzig. Außerdem enthält der Gesprächsschluss eine noch zur Kaufabwicklung gehörige Nebensequenz. Mit der Äußerung geht es so in Fläche 11 ist nämlich vermutlich die Frage gemeint, ob K die Sohle auch ohne zusätzliche Verpackung mitnehmen möchte, was K mit ach natürlich bejaht. Als ein erstes wichtiges Ergebnis lässt sich aus der Analyse von C4-A5 bzw. durch geeignete Verallgemeinerungen ein auf Verkaufsgespräche spezialisiertes Aufgabenschema ableiten. Danach kann die Einleitung aus einer Begrüßung und einer Zuständigkeitsklärung bestehen. Obligatorisch für die Problemdarstellung ist eine selbst- oder fremdinitiierte Anliegensformulierung mit Äußerung eines Kaufwunsches. Demgegenüber ist die Angabe einer ggf. noch der Problemdarstellung zuzurechnenden Kundenerklärung für diesen Wunsch fakultativ. Er kann unmittelbar anschließend oder im Zusammenhang mit der nachfolgenden Angebotsformulierung und/oder Produktpräsentation noch präzisiert werden. Sofern überhaupt die Formulierung eines oder mehrerer Angebote möglich ist, findet i. A. danach oder kombiniert mit ihnen eine entscheidungsvorbereitende Argumentation statt. Daran können sich alle Anwesenden mit der Nennung von Produktvor- oder -nachteilen inkl. zugehöriger Begründungen oder Zurückweisungen beteiligen; manchmal schalten sich sogar zufällig anwesende Personen, die Erfahrungen mit einem der Produkte gemacht haben, ins Gespräch ein. Auf die Argumentation folgt ggf. eine Entscheidung für oder gegen bestimmte der angebotenen Produkte. Dabei wird die getroffene Entscheidung möglicherweise durch Äußerungen anderer am Gespräch Beteiligter bestärkt. Die Problembearbeitung i. e. S. ist dann abgeschlossen. Auf die zahlreichen Varianten der Kaufabwicklung soll hier nicht eingegangen werden. Jedenfalls enthält der Gesprächsschluss i. A. eine wechselseitige Danksagung und Verabschiedung.

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Was den Themenschwerpunkt der Argumentation betrifft, so hat sich bei der Analyse von C4-A5 einerseits gezeigt, dass neben Handlungsrechtfertigungen auch Erklärungen eine wichtige Rolle in Verkaufsgesprächen spielen. Andererseits werden schon mögliche strategische Aspekte deutlich. Warum hebt die Verkäuferin V als Erstes den Vorteil der Ledersohlen hervor? Und warum nennt sie den Preis der Sohlen nicht von selbst, sondern erst nach Rückfrage des Kunden? Spielt hier schon das Interesse, möglichst teure Produkte zu verkaufen, eine Rolle oder liegt eine entsprechende professionelle Routine vor? Diese Fragen lassen sich nicht am Einzelfall, sondern nur nach Analyse mehrerer Verkaufsgespräche von V entscheiden. Immerhin entspricht V’s Vorgehensweise der in der Ratgeberliteratur dargestellten Strategie der Vorteil einführenden Argumentation, nach der zunächst die Vorteile eines dem Kunden zu empfehlenden Produkts hervorgehoben und erst danach Preisinformationen gegeben und mögliche Einwände behandelt werden sollen. Die Argumentation in Verkaufsgesprächen ist oft vielfältiger als in C4-A5. Deshalb müssten für die nachfolgenden Analysen eigentlich die argumentationstheoretischen Grundlagen genauer dargestellt werden. Das ist aber aus Platzgründen nicht möglich. Deshalb wird auf die Ausführungen z. B. in Kienpointner (1992) und Kindt (2008; 2012; 2014) verwiesen; besonders wichtige Informationen sollen aber im jeweiligen Analysezusammenhang gegeben werden.

4 Zur Argumentation in Werbeanzeigen Werbeanzeigen machen bekanntlich in starkem Maße von stilistischen Mitteln Gebrauch, um Aufmerksamkeit, Interesse und Vergnügen bei Lesern zu erreichen; auf diesen Aspekt wird nachfolgend aber nicht eingegangen. Außerdem besitzen sie eine formale Makrostuktur (vgl. Janich 1999), die aus hier nicht zu diskutierenden Gründen deutlich vom Problemlösungsschema abweicht. Trotzdem behält dieses Schema seine Funktion als Grundlage für sachlogische Analysen. Gegenüber anderen Formen von Werbung haben Werbeanzeigen drei Vorteile für die Untersuchung von Argumentation. Bild und Text sind in ihnen so begrenzt, dass eine vollständige Analyse möglich ist. Sie verwenden i. A. nur wenige Schlussregeln, sodass die logische Rekonstruktion überschaubar bleibt. Und damit ihre Argumentation für Leser auch bei kurzzeitiger Rezeption sofort nachvollziehbar ist, müssen die eingesetzten sprachlichen Mittel problemlos verstehbar sein. Deshalb eignen sich Werbeanzeigen sehr gut dafür, die Relevanz von Topoi für Alltagsargumentationen deutlich zu machen. Das soll nachfolgend exemplarisch gezeigt werden (vgl. auch Janich 2001; Kindt 2003; 2007). Man muss drei Arten von Topoi unterscheiden: Schluss-, Argument- und Aspekttopoi. Schlusstopoi sind logische Regeln, die wie der Konsequenztopos auf spezielle Argumentationsziele hin ausgerichtet sind und auch Wahrscheinlichkeitsurteile beinhalten können. Letzteres wurde schon für eine Prämisse der eBay-Anzeige deutlich

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gemacht, und für die Konklusion ergibt sich das folgendermaßen: Der Verkauf eines Gegenstandes G über eBay ist oft die wahrscheinlich günstigste Lösung; aber das gilt z. B. nicht mehr, wenn man bereits eine Person kennt, die am Kauf von G interessiert ist und deshalb bereit ist, einen höheren Preis für G zu zahlen. Argumenttopoi sind dagegen Argumentformen, die entweder bei bestimmten Schlusstopoi, in speziellen thematischen Zusammenhängen oder als metakommunikative Einlassung eingesetzt werden. Z. B. ist die Durchführbarkeit bzw. Nichtdurchführbarkeit einer Handlung H ein Argument für bzw. gegen die Schlussfolgerung, H sei als Maßnahme zu empfehlen; und mit dem Sprichwort Wo gehobelt wird, fallen Späne kann man begründen, dass nicht jede negative Konsequenz von H ein Argument gegen H sein muss. Demgegenüber wird das Sprichwort Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht z. B. in Diskussionen über die Frage verwendet, ob es zweckmäßig oder moralisch vertretbar ist, in bestimmten Situationen zu lügen. Ein Beispiel für einen häufig eingesetzten metakommunikativen Argumenttopos bildet der in Kindt (1992a, 114 und 1992b, 209) entdeckte Relevanztopos, mit dem darauf hingewiesen wird, dass ein bestimmter Sachverhalt zusätzlich berücksichtigt werden muss, um eine korrekte Schlussfolgerung aus den bisher genannten Prämissen ziehen zu können. Wurde z. B. bei einer Anwendung des Konsequenztopos vergessen, eine gravierende negative Folge der Handlung H zu erwähnen und in die erforderliche Abwägung einzubeziehen, dann ist auch die Berechtigung von H anzuzweifeln. Schließlich machen Aspekttopoi darauf aufmerksam, dass die Beantwortung bestimmter Fragen für das Auffinden von Argumenten wichtig sein kann. Aristoteles führt z. B. den Topos der Zeit (1980, 147) an, der deutlich macht, dass es für Argumentationen wichtig ist, wann bestimmte Sachverhalte gelten. So muss man bei Anwendung des Konsequenztopos bedenken, ob die erhoffte positive Konsequenz einer geplanten Handlung H rechtzeitig eintreten und langfristig erfolgreich sein kann. Genereller sollte man für die Formulierung von Argumenten für oder gegen H immer anhand einer Liste möglicher Bewertungsaspekte prüfen, für wen H wann in welcher Hinsicht Vor- oder Nachteile haben kann. Beispielsweise ist beim Kauf eines PKWs in finanzieller Hinsicht nicht nur der aktuelle Kaufpreis, sondern evtl. auch der spätere Wiederverkaufswert wichtig. Neben dem Konsequenz- und dem Ursache-Wirkung-Topos werden in Werbeanzeigen besonders häufig die Schlusstopoi des Mehr und Minder, der Definition, der Induktion, der Autorität, der Analogie und der Abduktion eingesetzt (Aristoteles 1980, 146, 148, 149, 149–150, 152, 153). Ein bekanntes alltagslogisches Schlussverfahren ist die Methode, Aussagen durch das Zitieren von Autoritäten (als wahrscheinlich zutreffend) zu belegen. Beispielhaft hierfür ist die 1970 eingeführte Werbung für die Zahnpasta blend-a-med, in der es um das Problem der Parodontose geht und die mit der Kombination zweier Autoritätstopoi sehr erfolreich war. Hier fungiert einerseits der Zahnarzt im weißen Kittel mit seiner Empfehlung, blend-a-med zu benutzen, als Autorität (Experte) und seine Glaubwürdigkeit wird durch den Slogan blend-a-med. Das gibt der Zahnarzt seiner Familie untermauert. Andererseits wird als Sonderform eines Autoritätsschlusses das Testimonialverfahren angewendet: Eine Frau beißt in

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einen grünen Apfel, ohne dass sie Zahnfleischbluten bekommt. Das soll belegen, dass blend-a-med ein Auftreten von Parodontose verhindert. Eine häufige Variante der Testimonialwerbung besteht darin, dass eine prominente Person P die Zeugenrolle übernimmt. Obwohl P nicht zwangsläufig eine höhere Glaubwürdigkeit besitzt, wirkt sich P’s Auftreten i. A. persuasiv positiv auf den Werbeeffekt aus. Das lässt sich mit der Theorie einer Vermeidung von kognitiver Dissonanz nach Festinger (1957) erklären. Wenn P von einem Rezipienten R des beworbenen Gegenstands G positiv eingeschätzt wird und G durch P, dann wäre eine negative Bewertung von G durch R dissonant und zur Vermeidung dieser Dissonanz kommt es zu einer positiven Einschätzung von G durch R. Das lässt sich auch beziehungskonstitutiv deuten: Durch den Besitz von G partizipiert R am positiven Image von P und wertet sich dadurch auf und wird ggf. auch von Anderen positiv eingeschätzt. Möglicherweise ist deshalb der Wunsch, G zu besitzen, gar nicht das dem Kauf von G zugrundeliegende primäre Problem, sondern primär ist evtl. der durch die Anzeige geweckte unbewusste Wunsch einer positiven Selbstdefinition. Als Beispiel für eine Testimonialwerbung mit Prominenten sei eine 2004 in Frauenzeitschriften erschienene Anzeige für die Sojamilch alpro soja angeführt, in der die Schauspielerin Iris Berben in der Schlagzeile mit der (angeblichen) Äußerung „Entdecken Sie meinen Vitalitätsvorspung! Neu im Kühlregal“ zitiert wird. Dieser Aufruf zum Handeln präsupponiert eine Anwendung des Konsequenztopos, nach der sich Berbens Genuss von alpro soja aufgrund der gesteigerten Vitalität als zweckmäßig herausgestellt hat. Dass dieser Effekt tatsächlich vorliegt, muss man Berben ungeprüft glauben oder soll es ihrem freudestrahlenden Lächeln auf dem in der Anzeige abgedruckten Foto entnehmen. Erklärt wird dieser Effekt im Fließtext durch die Angabe bestimmter als Vital-Bausteine bezeichneter und gemeinhin als gesund geltender Inhaltsstoffe, ohne dass aber eine entsprechende UrsacheWirkung-Beziehung nachgewiesen wird. Zu erwähnen sind schließlich zwei weitere in der Anzeige genannte Vorteile des Produkts, nämlich seine Neuheit und die ohne Gentechnik erzeugten Sojabohnen. Neuheit ist nicht für sich genommen ein positiver Wert, aber in Verbindung mit einer anderen positiven Eigenschaft wird diese verstärkt, weil man letztere bisher nicht nutzen konnte. In der Toposliste von Aristoteles kommt der Autoritätsschluss in vier Versionen vor, von denen hier die rein quantitative und eine qualitative interessant sind. Nach ersterer Version soll man sich einer Auffassung anschließen, wenn alle oder zumindest die meisten Menschen so urteilen, und nach der zweiten, wenn sie dem Urteil aller oder der meisten bzw. der angesehenen Weisen (Experten) entspricht. Vom quantitativen Autoritätstopos machte z. B. eine 2007 noch vor Ausbruch der Finanzkrise erschienene Zeitungsanzeige der Sparkassen-Finanzgruppe mit der Schlagzeile 50 Millionen Kunden können nicht irren Gebrauch. Damit war die Aussage gemeint, die Sparkassenkunden seien gemäß dem in der Anzeige proklamierten Image der Auffassung, dass Sparkassen u. a. in fairer Weise moderne Finanzdienstleistungen anbieten und dabei statt an schnellen Gewinnen an verlässlichen Geschäftsbeziehungen interessiert sind. Bei einer solchen Imagewerbung besteht das Problem darin,

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dass die Adressaten aus Sicht der Werbenden zu wenig positive Informationen über sie besitzen. Dieses Problem wird aber nicht thematisiert und seine Lösung ist schon dann erreicht, wenn die Adressaten das Informationsangebot der jeweiligen Anzeige wahrnehmen und günstigenfalls als korrekt einstufen. Der Einsatz des quantitativen Autoritätstopos in der Sparkassenanzeige war aber aus zwei Gründen problematisch. Erstens konnte man ohne eine Befragung von Kunden nicht wissen, wieviele unter ihnen eine entsprechend positive Meinung von den Sparkassen haben. Zweitens ist die quantitative Toposversion ohnehin fragwürdig, weil Mehrheitsmeinungen oft nicht korrekt sind. Auch gegenüber Schlüssen mit dem qualitativen Topos, die sich entgegen dem Votum von Aristoteles oft auf nur einen Experten beziehen, sollte man skeptisch bleiben. Vielleicht war das der Grund, warum die blend-a-medWerbung von der o. g. generischen Formulierung des Slogans später zu Die meisten Zahnärzte geben ihrer Familie blend-a-med überging. Außerdem wurde der Apfel-Test zwischenzeitlich durch die Argumentation mit dem Ergebnis einer zahnärztlichen Untersuchung des Zahnfleisches von Patienten abgelöst; in einem solchen Fall ist die Expertenmeinung also zusätzlich durch eine empirische Studie induktiv abgesichert. Umgekehrt wird die mögliche Problematik des qualitativen Topos manchmal auch zu Werbezwecken genutzt. Z. B. zitierte die RHEINISCHE POST 2001 in der Schlagzeile einer Plakat- und Anzeigenserie den bekannten Ausspruch des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton I did not have a sexual relationship with Ms. Lewinsky und äußerte dann im Fließtext u. a. Sie werden bis zu 200-mal täglich angelogen. Aber nicht von uns. Diese problemdefinierende und schon eine Lösung beinhaltende Äußerung bildet eine Regularität, aus der man schließen kann, dass es zweckmäßig ist, nicht alle Aussagen zu glauben, die man täglich hört oder liest; eine Ausnahme seien aber die Meldungen der Rheinischen Post. Diese Regularität wird durch Clintons Ausspruch induktiv gestützt; zugleich belegt er, dass auch Autoritäten lügen können. Die zweite Problematik des qualitativen Autoritätstopos wird in einer anderen Schlagzeile derselben Serie aufgegriffen, nämlich mit der berühmten Äußerung des früheren Arbeitsministers Norbert Blüm Die Renten sind sicher. Hier liegt der Fall vor, dass sich ein Experte in seiner Prognose geirrt hat, weil er nicht vorausahnen konnte, dass sich die zukünftigen politischen Rahmenbedingungen ändern würden. Außer dem als Vorteil dargestellten Argument der Wahrhaftigkeit wurde in der Anzeigenserie auch geltend gemacht, dass die Rheinische Post seinerzeit Deutschlands zweitgrößte Abonnementszeitung war. Das in Werbung und Verkauf häufig verwendete Argument, dass schon viele Kunden ein bestimmtes Produkt gekauft haben, nutzt einen logisch problematischen Abduktionsschluss, bei dem von der großen Käuferzahl auf die hohe Qualität des Produkts oder einen mit ihm verbundenen Modetrend geschlossen und dann der Konsequenztopos angewendet werden soll. Die Problematik dieses Schlusses erkennt man schon am Beispiel der Bild-Zeitung, und im zweiten Fall kann die Verwendung des Trendarguments auch deshalb riskant sein, weil es z. B. nicht jede Frau liebt, mehrfach anderen Frauen zu begegnen, die dasselbe Kleidungsstück wie sie gekauft haben.

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Abduktionsschlüsse werden häufig in der Werbung eingesetzt, so z. B. für die Zigaretten von Lucky Strike und P&S, und damit wird bezweckt, dass bestimmte angebliche oder nicht nachweisbare Vorteile eines Produkts von den Lesern erschlossen werden und deshalb nicht explizit genannt werden müssen; auch die Problematik von Selbstlob lässt sich auf diese Weise vermeiden. Z. B. ist in einer 2002 erschienenen Anzeige von Lucky Strike als Fallbeispiel eine leere Zigarettenschachtel mit geöffnetem Deckel abgebildet und darüber steht die Schlagzeile Das kommt davon, wenn man die Klappe nicht hält. Das Pronomen das bezieht sich auf das für den Raucher bestehende Problem der leeren Schachtel und kommt davon kündigt eine Erklärung an. Also geht es um eine Ursachenklärung durch einen in der Anzeige nicht spezifizierten Sprecher. Der nachfolgende Konditionalsatz ist zwar noch mehrdeutig, reicht aber ohnehin nicht als Erklärung aus. Deshalb müssen Leser die gesuchte Ursache abduktiv erschließen. Bei der zu präferierenden Wahl der übertragenen Bedeutung von Klappe halten ist der wenn-Satz so zu verstehen, dass der Besitzer der noch vollen Schachtel mehreren Personen gesagt hat, wie gut seine Zigaretten schmecken, und dass sie dann auch eine davon probieren durften. Das so im Fallbeispiel entstandene Problem lässt sich nur durch den Kauf einer neuen Schachtel Lucky Strike lösen; aber die Anzeigenleser sollen aus diesem Beispiel den induktiven Schluss ziehen, dass Lucky Strike-Zigaretten für Raucher besonders zu empfehlen sind. Ein sehr interessanter, aber oft zu speziell dargestellter Schlusstopos ist der des Mehr und Minder. Er wird z. B. in einer 2003 in DER SPIEGEL erschienenen Anzeige der spanischen Weinbauregion Rioja verwendet. Aus der Schlagzeile Nichts ist wichtiger in Rioja als der Wein. Nicht einmal Hannibal, der mit seinen Elefanten die Alpen überwand soll man folgern, dass selbst ein historisch so wichtiges Ereignis wie Hannibals von der iberischen Halbinsel ausgehende Alpenüberquerung für die Bewohner von Rioja vergleichsweise unbedeutend ist. Sie haben ihre Aktivitäten nämlich laut Fließtext seit mehr als 2000 Jahren auschließlich auf den Weinanbau konzentriert, der zudem durch Klima und Boden begünstigt war und ist. Hieraus sollen Leser mit dem Ursache-Wirkung-Topos inferieren, dass der Wein aus Rioja eine außergewöhnlich hohe Qualität besitzt. Den Mehr-Minder-Topos kann man u. a. an den Indikatoren nicht einmal und selbst in der syntaktischen Position vor Nominal- und Präpositionalphrasen erkennen. Das logische Problem der Toposanwendung in der Anzeige besteht darin, dass historische und persönliche Relevanz voneinander unabhängig sind und dass sich deshalb aus der geringen persönlichen Relevanz von Hannibal für die Bewohner von Rioja nicht zwangsläufig eine besonders hohe Relevanz des Weinanbaus ergibt. Der Mehr-Minder-Topos bildet übrigens einen deduktiven Schluss, der bei regelgerechter Anwendung auch zu korrekten Ergebnissen führt (vgl. Kindt 1988, 25 f.). Damit kommen wir auf ein Problem der argumentationstheoretischen Literatur zu sprechen. Dort wird nämlich fast durchgängig behauptet, in der Alltagsargumentation würden meistens keine deduktiven Regeln verwendet, weil es dort wegen der Verwendung von Topoi lediglich um plausible oder wahrscheinliche Schlussfolgerungen gehe. Diese Behauptung ist aber nicht korrekt. Z. B. wird in der Werbung

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auch von ‚normalen‘ deduktiven Schlussregeln häufig Gebrauch gemacht und zudem lassen sich auch Schlüsse mit Wahrscheinlichkeitsaussagen vielfach weitgehend auf deduktive Regeln zurückführen (vgl. Kindt i.Dr.).

5 Argumentationsstrategien in Verkaufsgesprächen Alle in der Werbung für den Kauf eines Produkts vorgebrachten Argumente und zugehörigen Topoi lassen sich im Prinzip auch in Verkaufsgesprächen verwenden. Deshalb stellt sich die Frage, wie die in der Literatur diskutierten Argumentationsstrategien topostheoretisch einzuordnen sind. In der Ratgeberliteratur findet man neben der schon erwähnten Vorteil einführenden Argumentation nur wenige plausible Strategien für eine direkte Pro-Argumentation, während das Thema Einwandbehandlung ausführlich diskutiert wird. Die von Pothmann (1995, 126 ff.) ermittelten Pro-Strategien sind demgegenüber empirisch belegt und mit Äußerungsbeispielen konkretisiert. Sie lassen sich folgendermaßen systematisieren. Generell werden von Verkäufern/-innen immer verschiedene, aus den Produkteigenschaften zu folgernde Produktvorteile und positive Nutzungsmöglichkeiten angeführt, die in eine Anwendung des Konsequenztopos eingehen. Aus der Ratgeberliteratur stammt der zusätzliche Hinweis, dass der Produktnutzen ggf. zu quantifizieren und eine zweckmäßige Reihenfolge der Argumente zu wählen ist; insbesondere sollte man danach bei mehreren Argumenten weder das schwächste noch das stärkste an den Anfang setzen. Die Strategie einer Übernahme der Kundenperspektive bedeutet, dass Produkteigenschaften bei der Toposanwendung im Sinne der Kunden bewertet und relevant gesetzt werden. Als Nachweisverfahren für Produkteigenschaften nennt Pothmann persönliche Erfahrungen oder die anderer Kunden, also induktiv gestützte Aussagen, sowie die durch Ausprobieren oder unmittelbare Wahrnehmung zustandekommenden Urteile. Letzteres Verfahren ist auf eine Anwendung des in Kindt (1992a, 110) entdeckten Evidenztopos zurückzuführen; allerdings fehlt bei Pothmann das Verfahren des alltagslogischen Schließens z. B. mit dem Autoritätstopos. Weiterhin kann ein bestimmtes Produkt durch eine oder mehrere besonders positive Eigenschaften gegenüber anderen hervorgehoben werden; damit fällt die Abwägung beim Konsequenztopos oft schon zugunsten dieses Produkts aus. Das Argument, ein Produkt sei häufig verkauft worden oder entspräche einem aktuellen Trend, wurde schon diskutiert. Andere Besonderheiten können in der Qualität, im Preis oder in der besonders günstigen und nur gegenwärtig vorliegenden Kaufmöglichkeit (Gelegenheitstopos) bestehen. Sofern noch mehrere Produkte zur Auswahl stehen, wird der zugehörige Suchraum häufig durch eine Kontrastierungsstrategie eingeschränkt, indem die Eigenschaften der Produkte systematisch miteinander verglichen und dazu evtl. erneut überprüft werden; also wird der zweiseitige Konsequenztopos angewendet. Eine Kaufentscheidung lässt sich auch dadurch forcieren, dass das bisher vom

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Kunden verwendete Produkt gegenüber dem/den präsentierten abgewertet und somit der zweiseitige Konsequenztopos zugunsten eines Neukaufs eingesetzt wird. Schließlich führt Pothman als häufig genutzte Strategien die explizite Empfehlung eines Produkts und die persönliche positive Bewertung durch Verkäufer/-innen an. Ein Einsatz dieser Strategien birgt allerdings die Gefahr, dass sie evtl. nicht mit der Kundeneinschätzung kompatibel sind und dann als Souveränitätseinschränkung interpretiert werden. Zur Veranschaulichung einiger der genannten Pro-Strategien dient nachfolgend der Beginn einer Produktpräsentation mit begleitender Argumentation. Diese Präsentation stammt aus einer 1997 ausgestrahlen QVC-Verkaufssendung und ihr Beginn wird als Wortprotokoll wiedergegeben. Die Verkäuferin sitzt im Studio in einem Sessel und der von ihr angebotene Kerzenhalter steht neben ihr auf einem Tisch. 1: […] Und laden Sie schon mal Gäste ein zum Essen oder veranstalten Sie schon mal ein 2: kleines Fest zu Hause oder decken Sie einfach mal für sich und Ihren Mann und Ihre Kinder 3: Ihre ganze Familie den Tisch so richtig chic? Ich finde da darf Kerzenlicht nicht fehlen. Ich 4: liebe Kerzenlicht über alles weil es einfach das wärmste Licht überhaupt ist. Und wenn dann 5: natürlich noch die Kerze auf diesem Kerzenleuchter steht. Schauen Sie sich das nur mal an. 6: Ein Kerzenhalter versilbert. Der ist 19 cm hoch ohne Kerze. 35 D-Mark ist der Preis. Also 7: da möcht ich mal wissen wo das geboten wird für dieses Geld. 35 D-Mark für einen 8: versilberten Kerzenleuchter. Gleich kommt er noch mal ins Bild. Hochglanzpoliert. Da ist 9: noch mal eine ganze Menge Schimmer von unserem Studiolicht der sich hier widerspiegelt. 10: Diese Versilberung wurde einem Test unterzogen und man hat festgestellt dass sie 11. mindestens 25 Jahre hält. Also da blättert nichts ab. Da kratzt nichts. Dieser Kerzenleuchter 12: der bleibt genauso schön wie er jetzt ist. Und er er ist einfach wahnsinnig elegant. Er sieht 13: sehr reich aus. Er fügt sich aber auch wieder das find ich das Tolle an silbernen an 14: versilbernen versilberten Kerzenleuchtern er fügt sich wunderbar in jede Wohnung ein. 15: Das ist das Tolle hieran auch wieder in eine antike Wohnung genauso wie in eine moderne 16: Wohnung in einer eine Küche beispielsweise in eine Wohnküche genauso wie in ein 17: Esszimmer oder auch mal in einer Diele im Schlafzimmer genauso schön.

In Zeile  1–4 wird ein Problem dargestellt, das in bestimmten Situationen entsteht, in denen Zuschauerinnen so wie die Verkäuferin V durch Kerzenlicht eine festliche Stimmung erzeugen möchten. Dieses Problem lässt sich nach Vorschlag von V in Zeile 4–5 besonders gut dadurch lösen, dass man eine Kerze in den angebotenen Kerzenhalter stellt. Dieser Einschätzung liegt eine implizite Anwendung des bisher noch nicht erwähnten Teil-Ganzes-Topos zugrunde: Eine Kerze, die ohne den Kerzenhalter auf den Tisch gestellt würde, hätte nicht den gewünschten Effekt; d. h. die Schönheit eines Teils bedingt hier die Schönheit des Ganzen und das spricht implizit für einen Kauf des Kerzenhalters. Im Prinzip soll seine positive Wirkung laut Zeile 5 nach dem Evidenztopos schon unmittelbar durch Anschauen seines Fernsehbildes erkennbar sein. Ab Zeile  6 geht V zur Produktbeschreibung und zur Nennung von Vorteilen über. An die Nennung des Preises schließen sich zwei Äußerungen an, aus denen hervorgeht, dass V den Preis für besonders günstig hält. Daraus ergibt sich bereits

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eine implizite und mit dem Gelegenheitstopos gerechtfertigte Empfehlung zum Kauf des Kerzenhalters. Einen möglichen, durch negative Alltagserfahrungen bestimmten Einwand gegen versilberte Produkte weist V in Zeile  10–11 durch Anwendung des testgestützten Autoritätstopos zurück. Außerdem folgert sie in Zeile  11–12 aus dem Testergebnis deduktiv drei weitere konkrete Produktvorteile und fügt in Zeile  12–13 zwei positive subjektive Bewertungen hinzu, die allerdings als objektive Urteile formuliert sind. Schließlich geht es in Zeile 13–17 um die universellen Nutzungsmöglichkeiten des Produkts. Die zugehörige generelle Aussage G formuliert V in Zeile 13–14 als persönliche Bewertung; für ihr Urteil in Zeile 15–17 verwendet sie aber wieder eine objektivierende Formulierung. Im Prinzip weist sie G durch Anwendung des ebenfalls bisher nicht erwähnten deduktiven Genus-Species-Schlusstopos nach. Dazu unterteilt sie zunächst Wohnungen in antike und moderne Wohnungen und diese wiederum jeweils in ihre verschiedenen Räume. Wenn sie – was sie aber nicht tut – nachweisen würde oder wenn es plausibel wäre, dass der Kerzenhalter in jedem Raum von antiken und von modernen Wohnungen schön aussieht, dann wäre insbesondere auch die Eignung von G bewiesen. Von den empirisch rekurrenten Strategien der Einwandbehandlung nennt und belegt Pothmann nur drei. Sie kommen aber auch in den Strategielisten der Ratgeberliteratur vor und deshalb lohnt es sich, auf diese Listen Bezug zu nehmen (vgl. z. B. Goldmann 1965, 98/126 ff.; Wage 1981, 231 ff.; Weis 1989, 187 ff.). Allerdings ist auch bei ihnen eine argumentationstheoretische Systematisierung und Ergänzung erforderlich. Zunächst sind die beiden Fälle zu berücksichtigen, dass man einen z. B. gegenwärtig nicht mehr zutreffenden Einwand E zu Recht zurückweisen kann oder ohne Wenn und Aber als berechtigt einräumen muss. Anderenfalls ist es evtl. nützlich, E selbst vorwegzunehmen und irgendwie auf E zu reagieren. Die in der Ratgeberliteratur formulierte Empfehlung, E evtl. zu übergehen, ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn E für die Argumentation relevant ist. Die Behandlung von E zu verschieben, kann zweckmäßig sein, wenn E auch zur Diskussion eines anderen Sachaspekts gehört. Wird E aber unmittelbar behandelt, dann sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Der Einfachheit halber beschränken wir die Diskussion auf die Fälle, bei denen E einen möglichen Produktnachteil betrifft. Die Geltung von E kann dann in drei Aspekten eingeschränkt sein und dementsprechend bestritten werden; die betreffende Einschränkung muss aber selbst ausreichend begründet werden. Erstens ist es evtl. unwahrscheinlich, dass E unter den vorgesehenen Nutzungsbedingungen eintritt. Diesen Fall berücksichtigen die Ratgeberlisten nicht und für ihn gilt, dass man E bei Anwendung des Konsequenztopos vernachlässigen darf. Dasselbe gilt zweitens, wenn E zwar möglicherweise eintritt, aber für den Kunden relativ irrelevant ist. In diesem Fall kann man die ja-aber-Formulierung verwenden, weil der ja-Teil implizit als irrelevant eingestuft, also der Relevanztopos angewendet wird. Drittens hat der Kunde mit E vielleicht einen denkbaren und relevanten Nachteil zu negativ bewertet, so dass E aus diesem Grund bei einer Abwägung im Rahmen des Konsequenztopos insgesamt gesehen keine so wichtige Rolle spielt wie behauptet. In

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diesem Fall kann man – wenn es z. B. um den finanziellen Aspekt geht – die bekannte Divisions- oder Multiplikationsstrategie anwenden; danach erweisen sich z. B. die Mehrkosten für ein qualitativ hochwertiges Produkt evtl. als relativ unbedeutend, wenn man sie durch die Zahl der mutmaßlichen Verwendungstage dividiert. Weiterhin sollte man einen vollkommen korrekt eingeschätzten Produktnachteil E evtl. mit zusätzlichen Produkteigenschaften erklären, die für den Kunden vorteilhaft sind. In jedem Fall lässt sich E möglicherweise durch bestimmte Vorteile in der Gesamtabwägung kompensieren. In Kombination mit der Kompensationsstrategie kann man auch die sog. Korkenziehertechnik anwenden und den Kunden K fragen, ob E sein einziger Einwand war; wenn K das nämlich bejaht, lässt er sich vielleicht schon zum Kauf des Produkts motivieren. Sofern sich E aber nicht kompensieren lässt, besteht Anlass, den Suchraum für eine Problemlösung zu erweitern und Alternativangebote zu machen. Empirische Beispiele für verschiedene Arten der Einwandbehandlung in Verkaufsgesprächen führt Weber an (2014, 179 ff.), ohne sie aber argumentationstheoretisch zu analysieren.

6 Besonderheiten des Reklamationsgesprächs Reklamationen lassen sich auch in schriftlicher Form vorbringen. Nachfolgend werden aber nur in Gesprächen bearbeitete Reklamationen behandelt. Sie haben nämlich den Vorteil, dass die Beteiligten in ihren Äußerungen unmittelbar aufeinander reagieren. So kann man z. B. besser erkennen, welche Auswirkungen der Vorwurf eines Kunden an die Firma des von ihm bemängelten Produkts hat und wie der zuständige Reklamationsbearbeiter mit dem Vorwurf emotional und argumentativ umgeht. Ein erster wesentlicher Unterschied zwischen Verkaufs- und Reklamationsgesprächen besteht darin, dass in letzteren emotionsbezogene und beziehungskonstitutive Aktivitäten i. A. öfter als in ersteren vorkommen und eine funktional größere Rolle spielen. Diese Aktivitäten lassen sich aber nicht eindeutig an bestimmten Positionen des Aufgabenschemas von Reklamationsgesprächen einordnen und deshalb werden sie in dem von Fiehler und Kindt (1994, 258 f.) ermittelten Schema als frei platzierbar eingestuft. Für den thematischen Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags ist aber noch entscheidender: In Reklamationsgesprächen kommt es aufgrund divergierender Interessen der Beteiligten, differierender Situationseinschätzungen, einer unterschiedlichen Verantwortlichkeit für Problemursache und -lösung sowie differierender Erwartungen an die Problembearbeitung häufiger als in Verkaufsgesprächen zu punktuellen Sachauseinandersetzungen oder sogar Konfliktaustragungen mit zugehörigen kontroversen Argumentationen. Auf diesen Analyseaspekt wird sich die nachfolgende Darstellung konzentrieren. Dazu sollen die Kommunikationsprobleme einiger der in Fiehler, Kindt und Schnieders (1999, 140 ff.) angeführten Beispiele präzisiert und genauer argumentationstheoretisch rekonstruiert werden.

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Zunächst sind zwei in Reklamationen vorkommende Problemfälle zu unterscheiden. Der erste Fall bezieht sich auf die Lieferung eines bestellten Produkts: Die Lieferung ist unterblieben, sie hat sich verzögert oder sie stimmt nicht mit der Bestellung überein. Der zweite Fall bezieht sich auf die Eigenschaften des bereits vorliegenden Produkts: Es kann nicht bestimmungsgemäß verwendet werden, weil es beschädigt ist, oder seine Verwendung entspricht jedenfalls nicht den Kundenerwartungen. Beiden Problemfällen ist gemeinsam, dass der Verkauf eines Produkts durch eine Firma mit bestimmten negativen Konsequenzen für Kunden verbunden ist und deshalb von ihnen beanstandet wird. Anders als in Verkaufsgesprächen kommt es bei Reklamationen im Rahmen der Problemdarstellung und/oder der Ursachenklärung häufig zu Differenzen zwischen Firmenmitarbeiter M und Kunde K. Z. B. kann M bei einem Lieferungsproblem die Aussage von K bezweifeln, das Produkt sei nicht geliefert worden, und stattdessen vermuten, dass K selbst Problemverursacher ist, weil er eine falsche Lieferanschrift angegeben oder wegen Abwesenheit eine ordnungsgemäße Zustellung verhindert hat. In solchen Streitfällen ist es oft sehr schwierig und evtl. nur mit zusätzlichen Recherchen möglich, herauszufinden, wer Recht hat. In jedem Fall resultieren hieraus oft langwierige Pro-Contra-Argumentationen zwischen den Beteiligten. Ein frappierendes Beispiel für das Bestreiten der Kundenaussage bei einem Lieferungsproblem zeigt eine Äußerung einer Mitarbeiterin M aus einem in Fiehler/Kindt (1994, 267–69) teilweise abgedruckten Transkript. Der Kunde K berichtet dort, dass ein Vertreter der Firma vor einiger Zeit feststellte, dass der Staubsauger von K mit einer drei Jahre älteren Bürste ausgestattet ist. Auf K’s Beschwerde hin teilt ihm die Firma mit, er werde in dieser Angelegenheit demnächst einen Bescheid bekommen. An dieser Stelle seines Berichts wird K von M unterbrochen und sie erklärt ihm, dass der zuständige Außendienst mit einer nochmaligen Überprüfung beauftragt wurde, und behauptet denn es kann nicht sein, dass wir Ihnen […] ein komplettes Gerät liefern wo das eine Teil aus diesem Jahr is und das andere aus’n paar Jahren davor. Hier wird der typische Bestreitensindikator es kann nicht sein verwendet. Auch K’s verzweifeltes Bemühen nachzuweisen, dass eine Verwechslung der zum neuen Staubsauger gehörigen Bürste mit der Bürste seines alten Saugers auszuschließen ist, nützt nichts: M bleibt bei ihrer Behauptung und begründet sie mit der Regularität wir liefern grundsätzlich aus der letzten Serienanfertigung. Deshalb mündet die Kommunikation zwischen M und K in eine längere Konfliktaustragung mit mehrfacher Wiederholung der ausgetauschten Argumente sowie der Ankündigung von K, er werde von der Firma nichts mehr kaufen. Das Beharren von M auf ihrer Position war also kontraproduktiv, weil sich K nicht ernst genommen und ‚über’s Ohr gehauen‘ fühlte. Ein Beispiel für das Bestreiten eines Produktproblems: Eine Kundin K beanstandet, dass ein von ihr gekauftes Produkt bestimmte problematische Farb- und Konservierungsstoffe enthält. Daraufhin versichert ihr die Mitarbeiterin M, dass alle von ihrer Firma eingesetzten Stoffe dem deutschen Lebensmittelgesetz entsprechen. Deshalb seien sie wirklich harmlos da passiert Ihnen gar nichts. Dem widerspricht K mit dem Bestreitensindikator und durch Anwendung des Autoritätstopos mit der

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Äußerung das kann so nich sein ich hab’s also gelesen in Natur und sie verweist darauf, in dem betreffenden Zeitschriftenartikel habe gestanden, dass gerade die Stoffe in dem von ihr gekauften Produkt Allergien hervorrufen können. Trotzdem versucht M weiterhin, K’s Befürchtungen ‚herunterzuspielen‘ und übernimmt an keiner Stelle die Perspektive von Kunden, die ungeachtet aller Unschädlichkeitsbeteuerungen Angst um ihre Gesundheit haben. Letztlich macht sie sogar die Verbraucher für den Einsatz bestimmter Farbstoffe verantwortlich, weil nur optisch gut aussehende Produkte gekauft würden. Häufig werden Probleme von Sachbearbeitern zwar nicht bestritten, aber als nicht besonders gravierend oder als noch zu tolerieren dargestellt. Dann verwenden sie typischerweise z. B. die Formulierung Das kann mal passieren. Mit dieser Formulierung gesteht selbst die Kundin in dem von Fiehler u. a. (1999, 122–126) vollständig abgedruckten Transkript der betreffenden Firma zu, dass statt des bestellten einmalig ein anderes Produkt geliefert wird. Aber die sich dreimal hintereinander als falsch herausstellende Lieferung ist für sie nicht akzeptabel. Und wenn Kunden ein bestelltes und fehlerfreies Produkt dringend benötigen, um für sich selbst negative Konsequenzen zu vermeiden, dann werden sie auf entsprechende Problemverharmlosungen zu Recht mit Verärgerung reagieren. Je weniger gravierend das von einer Firma verursachte Problem aber ist, desto geringer ist auch das Ausmaß der ihr vorzuwerfenden Schuld. Schon deshalb haben Sachbearbeiter ein Interesse daran, solche Probleme als nicht besonders gravierend anerkannt zu bekommen. In Reklamationen ist die Ursachenklärung eine obligatorische Aufgabe und zu ihr gehört auch eine Beantwortung der Frage, wer in welchem Grad für das jeweilige Problem verantwortlich ist. Diese Frage wird oft kontrovers diskutiert, weil von ihrer Klärung abhängt, ob und wie Kunden zu entschädigen sind. Als nicht verantwortlich für das Problem eines Kunden K stellt sich z. B. die Angestellte R eines Reisebüros dar, als er moniert, dass sie ihm nicht – wie es durchaus möglich wäre – eine für Personen unter 26 Jahren verbilligte Fahrkarte verkaufte. R entgegnet ihm, er habe ihr nicht gesagt, dass er noch unter 26 sei und sie könne nicht jeden Kunden nach seinem Alter fragen. Zur Angabe seines Alters hatte K aber keinen Anlass, weil er seinerzeit noch nichts von der Möglichkeit der preiswerteren Fahrkarte wusste. Umgekehrt argumentiert R, K sehe nicht unbedingt so wie jemand unter 26 aus und deshalb habe sie die sonst übliche Frage nach dem Alter nicht gestellt. Eine etwas andere Konstellation liegt bei dem in Fiehler/Kindt (1994, 265–267) teilweise abgedruckten Transkript vor. Nach Darstellung eines bestimmten Produktproblems durch die Kundin K folgert die Mitarbeiterin M abduktiv und für K nicht nachvollziehbar, dass vermutlich ein Antauschaden das Problem verursacht habe. Aufgrund dieser Diagnose schließt M nun mit einer typischen 100 %-Formulierung ein Verschulden ihrer Firma an diesem Schaden aus: mit 100 %-iger Sicherheit würden solche Produkte nämlich in einwandfreiem Zustand die Firma verlassen und zu 99 % sei garantiert, dass sie auch so im Einzelhandel ankämen; dort würden die Paletten mit Tiefkühlkost allerdings teilweise stundenlang stehen bleiben und die Waren erst verspätet eingeräumt werden; darauf

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habe ihre Firma aber leider keinen Einfluss. Trotzdem erklärt sich M aus Kulanzgründen bereit, K für den bedauerlichen Vorfall zu entschädigen und ihr insbesondere den Preis von 10 Mark 90 zurückzuzahlen. Auch wenn von Firmenmitarbeitern die Verantwortung für ein Produkt- oder Lieferproblem übernommen wird, versuchen sie oft, das Ausmaß der Schuld zurückzustufen. Im o. g. Fall einer dreimaligen falschen Ersatzteil-Lieferung verwendet der Mitarbeiter den Argumenttopos einer quasi zwangsläufigen Problemhäufung mit der bekannten Formulierung Wenn einmal der Wurm drin is dann is er richtig drin. Und nicht selten bekommen Kunden die lakonische, Normalität unterstellende Ursachenerklärung Wir haben eben zur Zeit Lieferprobleme zu hören. Solche Äußerungen sind für Kunden nicht hilfreich, aber das können sie ‚verschmerzen‘, wenn sie merken, dass der zuständige Mitarbeiter gleichwohl um eine schnelle Problemlösung bemüht ist. Auch davon kann man nicht immer ausgehen, wie das in Fiehler u. a. (1999, 146) dargestellte Beispiel zeigt, in dem ein Mitarbeiter dem ungeduldig auf ein Ersatzteil wartenden Kunden angesichts fortdauernder Lieferprobleme vorschlägt, der Firma eine Nachfrist zu setzen, um ggf. aus seinem Kaufvertrag aussteigen zu können. Natürlich sind bei der auf Problemdarstellung und Ursachenklärung folgenden Maßnahmendiskussion von Reklamationen teilweise ähnliche Aufgaben zu bewältigen wie in Verkaufsgesprächen und dazu werden dann vergleichbare Argumentationsstrategien eingesetzt. Darauf kann hier aber nicht mehr eingegangen werden. Eine noch zu erwähnende und von Kunden i. A. nicht erwartete Besonderheit von Reklamationen besteht aber darin, dass sie sich evtl. aktiv an der Problemdokumentation beteiligen müssen, wenn sie eine Entschädigung erhalten wollen. Z. B. soll die Kundin des Produkts mit dem vermuteten Antauschaden die noch vorhandene Produktverpackung an die Firma schicken, damit die dortige Qualitätskontrollstelle eine Überprüfung vornehmen kann; die Kundin muss also die Verpackung in einen geeigneten Umschlag stecken und zur Post bringen. Nicht immer können Kunden aber die Berechtigung des ihnen abverlangten Arbeitsaufwands nachvollziehen und er macht sie manchmal misstrauisch (vgl. Fiehler u. a. 1999, 150).

7 Fazit Die Linguistische Rhetorik ist eine empirische Disziplin. Deshalb gelangt man mit ihren Methoden auch zu entsprechend abgesicherten Analyseergebnissen. Dabei spielt der Umstand eine wesentliche Rolle, dass die Interpretation von Äußerungen begründet werden kann durch Informationen über die Position der Äußerungen im zugehörigen Aufgabenschema und über die Verwendung einschlägiger sprachlicher Indikatoren. Dieser methodische Vorteil wurde in den vorausgehenden Abschnitten an zahlreichen Beispielen demonstriert. Für die Analyse und Bewertung von Werbung, Verkaufsgesprächen und Reklamationen sind insbesondere die dort vorkommenden

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Argumentationen wichtig, weil der kurz- und langfristige Kommunikationserfolg in diesen Gattungen oft maßgeblich davon abhängt, ob überzeugend argumentiert wird. Daher lag der Schwerpunkt des Beitrags auf einer Darstellung der erst seit kurzem in der Linguistik erforschten alltagslogischen Topoi und der Möglichkeiten ihrer Identifikation in Äußerungen. Man kann davon ausgehen, dass die Vermittlung von Kenntnissen über diese Topoi in Zukunft zu den Standardaufgaben eines gezielten Erwerbs von rhetorischer Kompetenz gehören wird.

8 Literatur Aristoteles (1980): Rhetorik (übers. v. F. G. Sieveke). München. Brons-Albert, Ruth (1995): Verkaufsgespräche und Verkaufstrainings. Opladen. Festinger, Leon (1957): A Theory of Cognitive Dissonance. Stanford. Fiehler, Reinhard/Walther Kindt (1994): Reklamationsgespräche. In: Elmar Bartsch (Hg.): Sprechen, Führen, Kooperieren in Betrieb und Verwaltung. Kommunikation in Unternehmen. München, 255–269. Fiehler, Reinhard/Walther Kindt/Guido Schnieders (1999): Kommunikationsprobleme in Reklamationsgesprächen. In: Gisela Brünner/Reinhard Fiehler/Walther Kindt (Hg.): Angewandte Diskursforschung. Bd. 1: Grundlagen und Beispielanalysen. Opladen, 120–154. http://www.verlag-gespraechsforschung.de/2002/diskursforschung/1-120-154.pdf (Zugriff am 15.01.2015). Goldmann, Heinz M. (1965): Wie man Kunden gewinnt. 4., erw. Aufl. Essen. Janich, Nina (1999): Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. Tübingen. Janich, Nina (2001): Werbesprache. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. Tübingen. Kienpointner, Manfred (1986): Topische Sequenzen in argumentativen Dialogen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 14/3, 321–355. Kienpointner, Manfred (1992): Alltagslogik: Struktur und Funktion von Argumentationsmustern. Stuttgart-Bad Cannstatt. Kienpointner, Manfred/Walther Kindt (1997): On the problem of bias in political argumentation. An investigation into discussion about political asylum in Germany and Austria. In: Journal of Pragmatics 27, 555–585. Kindt, Walther (1988): Zur Logik von Alltagsargumentationen. In: Fachberichte Informatik. 3/88. Universität Koblenz. Kindt, Walther (1992a): Organisationsformen des Argumentierens in natürlicher Sprache. In: Harm Paschen/Lothar Wigger (Hg.): Pädagogisches Argumentieren. Weinheim, 95–120. Kindt, Walther (1992b): Argumentation und Konfliktaustragung in Äußerungen über den Golf-Krieg. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 11/2, 189–215. Kindt, Walther (1993): Struktur, Funktion und Dynamik von Erzählungen. In: Johannes Janota (Hg.): Kultureller Wandel und die Germanistik in der Bundesrepublik. Bd. 1: Vielfalt der kulturellen Systeme und Stile. Tübingen, 151–166. Kindt, Walther (1999): Was sollte man in der Schule über Argumentation lernen? In: Der Deutschunterricht. 5/99, 26–36. Kindt, Walther (2003): Werbung, Argumentation und logische Analyse. Fortsetzung eines Dialogs. In: Jörg Hagemann/Sven F. Sager (Hg.): Schriftliche und mündliche Kommunikation. Begriffe – Methoden – Analysen. Festschrift zum 65. Geburtstag von Klaus Brinker. Tübingen, 145–154.

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Kindt, Walther (2007): Muster der Alltagsargumentation als Grundlage für Inferenzen. In: Günther Kreuzbauer/Norbert Gratzl/Ewald Hiebl (Hg.): Persuasion und Wissenschaft. Aktuelle Fragestellungen von Rhetorik und Argumentationstheorie. Wien, 111–128. Kindt, Walther (2008): Die Rolle sprachlicher Indikatoren für Argumentionsanalysen. In: Günther Kreuzbauer/Norbert Gratzl/Ewald Hiebl (Hg.): Rhetorische Wissenschaft. Rede und Argumentation in Theorie und Praxis. Wien, 147–162. Kindt, Walther (2009): Rhetorik zwischen Logik, Linguistik und Psychologie. Plädoyer für eine integrative Rhetorikkonzeption. In: Joachim Knape (Hg.): Rhetorik im Gespäch. Berlin, 61–94. Kindt, Walther (2012): Linguistische Rhetorik. In: Forum Artis Rhetoricae. 3/2012, 31–46. Kindt, Walther (i.Dr.): Grundlagen der Argumentationsanalyse und Illustrationsbeispiele. Erscheint in: Jörg Kilian/Thomas Niehr/Martin Wengeler (Hg.): Handbuch Politolinguistik. Bremen. Kindt, Walther/Yvonne Rittgeroth (2009): Strategien der Verständigungssicherung. Wiesbaden. Ottmers, Clemens (1996): Rhetorik. Stuttgart. Pothmann, Achim (1995): Diskursanalyse von Verkaufsgesprächen. Universität Bielefeld. Als Buch erschienen (1997): Opladen. Ohne Anhang: http://www.verkaufsgespraech.net/ Diskursanalyse_von_Verkaufsgespraechen.pdf (Zugriff am 15.01.2015). Rieser, Hannes (1985): Dialektik und Rhetorik in der Alltagsrede. In: Karl-Heinz Bausch/Siegfried Grosse (Hg.): Praktische Rhetorik. Beiträge zu ihrer Funktion in der Aus- und Fortbildung. Mannheim, 74–81. Schlüter, Hermann (1981): Grundkurs der Rhetorik. 7. Aufl. München. Wage, Jan L. (1981): Psychologie und Technik des Verkaufsgesprächs. 7. Aufl. München. Weber, Peter (2014): Verkaufsgespräche führen lernen in der Schule. Eine linguistische Untersuchung. Mannheim. http://www.verlag-gespraechsforschung.de/2014/pdf/verkaufen. pdf (Zugriff am 15.01.2015). Weis, Hans Christian (1989): Verkauf. 2., überarb. und erw. Aufl. Ludwigshafen.

V Übergreifende Handlungskonzepte der Unternehmenskommunikation

Simone Burel

21. Corporate Identity Abstract: Der Begriff Corporate Identity (CI) gehört in der Domäne der Wirtschaft zum Standardrepertoire des strategischen Managements und ist daher durch die Betriebswirtschaftslehre umfassend untersucht worden (vgl. Bleuß 2010, 1). Dennoch offenbaren sich aus sprachwissenschaftlicher Perspektive diverse Inkohärenzen und unreflektierte Grundannahmen der vorgelegten Konzepte, welchen häufig nur instrumentelle Funktion zur Erreichung übergeordneter ökonomischer Ziele der Gewinnund Produktivitätssteigerung zukommt. Die sprachlich-kommunikative Dimension des CI-Konzepts gerät dabei in den Hintergrund. Der folgende Beitrag zeigt, dass Corporate Identity durchaus als sprachliches Konzept gelten kann, da Sprache primäres Medium der Selbstherstellung eines Unternehmens und damit Grundlage für seine CI ist. Erst durch sprachliche Zeichen werden abstrakte Sachverhalte wie CI in der Welt konstituiert und für andere vermittelbar. So wird die CI von Unternehmen sprachlichkonzeptuell durch Themen und Konzepte sowie sprachstrukturell auf verschiedenen Ebenen (Wort-, Syntagmen-, Satz-, Text- und Text-Bild-Ebene) linguistisch manifest. Zudem vollziehen Unternehmen verschiedene sprachliche Handlungen der Positionierung (z. B. Autoritätsverweise, Bewertungen, metaphorische Bezugnahmen), um ihre CI bei Rezipienten als gültig und salient durchzusetzen. 1 Der Corporate Identity-Begriff 2 Corporate Identity als sprachliches Konstrukt 3 Empirische linguistische Fassbarmachung von Corporate Identity 4 Fazit 5 Literatur

1 Der Corporate Identity-Begriff 1.1 Konzepte der Bezugswissenschaft Betriebswirtschaftslehre (BWL) Corporate Identity ist als Begriff ursprünglich auf dem Terrain der Betriebswirtschaft verankert, welche die Organisation Unternehmen und die ihr zugesprochene Identität als Bezugswissenschaft untersucht. CI gilt dabei begrifflich laut Herbst (2006, 49) als „Identität einer Körperschaft“ oder „Corporative Identität“. In seiner englischen Realisierung kann Corporate Identity (CI) als fachsprachliche Fixierung des deutschen Substantivs Unternehmensidentität angesehen werden und daher als Synonym gelten. Interessant ist dabei, dass corporate nicht nur als englisches Äquivalent für

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 Simone Burel

Unternehmen, Gruppe, Zusammenschluss dient, sondern als Adjektiv gleichsam Eigenschaften wie ,vereint‘ oder ,gemeinsam‘ aufruft. Verschiedene Elemente und Erscheinungsformen eines Unternehmens (corporate culture, corporate wording etc.) werden somit unter dem Begriff Corporate Identity zu einem großen Ganzen vereint. Identity wird dabei als Identität, aber auch als Gleichheit oder Übereinstimmung bzw. Konsistenz des Selbst (vgl. Erikson 1974) verstanden. Bereits seit den 1980er Jahren wird CI vor allem im Bereich des Managements sowie in Marketing und Design vielfach diskutiert (vgl. Bleuß 2010, 1). Der Terminus bezeichnet dabei nach einer vielrezipierten Definition von Birkigt/Stadler/Funck (2002, 18) die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie, einer langfristigen Unternehmenszielsetzung und eines definierten (Soll-)Images  – mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente des Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen zur Darstellung zu bringen.

Diese Definition betont vor allem den strategisch-teleologischen Aspekt von CI und folglich dessen Verankerung innerhalb der gesamten Unternehmensstrategie. CI wird dabei operativ durch folgende Instrumente umgesetzt, welche die sogenannten strategischen Ansätze fokussieren (vgl. Birkigt/Stadler/Funck 2002, 18 f.; Herbst 2006, 22 ff., 61 ff.; Esch 2008; Regenthal 2009, 31): – Corporate Behaviour (CB) bezieht sich auf das konstante Auftreten und Verhalten eines Unternehmens nach innen (Mitarbeiter) und außen (Kunden, Öffentlichkeit, Umwelt oder Politik). Dies wird sichtbar in (Beratungs-) Gesprächen, Reklamationen, Verhalten zu Mitarbeitern, Marktpartnern oder Konkurrenten. Das CB basiert idealerweise auf gemeinsamen Werten und Prinzipien von Unternehmensleitung und Mitarbeitern. Dies zeigt sich im allgemeinen Umgang miteinander und etwa auch im Führungsverhalten, in Kritikgesprächen oder Kündigungen sowie in Diskussionen; – Corporate Communication (CC) bezeichnet die ganzheitliche Kommunikationsstrategie, welche durch nach innen (Unternehmen) und außen (Umwelt) gerichtete einheitliche kommunikative Aktivitäten ein klar strukturiertes Vorstellungsbild des Unternehmens zeichnet, z. B. durch Kommunikationsinstrumente wie Produktwerbung, Personalwerbung oder Öffentlichkeitsarbeit. CC ,übersetzt‘ Identitätsinformationen in Sprache und bildet idealerweise das Dach für alle Kommunikationsaktivitäten des Unternehmens; – Corporate Design (CD) zielt auf ein stimmiges visuelles Erscheinungsbild des Unternehmens nach innen und außen ab, welches das Unternehmen als Einheit präsentiert, z. B. durch formale Gestaltungskonstanten wie Firmenzeichen, Typografie, Hausfarbe, Gestaltung von Messeständen etc. Das CD transformiert Identitätsinformationen somit ins Visuelle und dient der optischen Profilierung des Unternehmens (vgl. Esch 2008).

Corporate Identity 

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Die drei strategischen Instrumente CB, CC und CD bilden folglich in ihrem Zusammenspiel die CI und werden im Modell von Birkigt/Stadler/Funck (2002, 18 f.) um eine „hypostasierte Unternehmenspersönlichkeit“ gruppiert, die sie auch unter den Begriff Corporate Personality fassen:

Corporate Image

Corporate Behaviour

e at or n rp ig Co Des

Co Co m rp m or un a ic te at io n

Corporate Personality

Corporate Identity

Abb. 1: Corporate-Identity-Modell nach Birkigt/Stadler/Funck (2002, 24)

Die Metaphern Corporate Personality oder Corporate Persona (vgl. Schmid/Lyczek 2008, 104) zeigen die metaphorische Übertragung des Konzepts der personalen Identität auf Unternehmen als Identitätsträger an, d. h. die Identität bezieht sich damit ausdrücklich auf eine (menschliche) Person, nicht auf kollektive Gleichheiten. Die strategischen Ansätze beruhen damit auf den Erkenntnissen der nordamerikanischen Soziologie und Psychologie seit den 1940er Jahren (vgl. Erikson 1974). Das Unternehmen ist als eigenständige Einheit gedacht, dem hier, im Sinne eines zwar abstrakten, doch handelnden und zielgerichteten Akteurs, personale Identität zugesprochen wird. Zudem, da das Unternehmen aus diversen Mitgliedern besteht, gilt es als einziges (soziales) System (vgl. Schmid/Lyczek 2008, 26). In Teilen der Organisationstheorie wird dagegen vom Konzept der kollektiven Identität bei Unternehmen ausgegangen, d. h. ein geteiltes, kollektives Verständnis seiner Mitglieder als ‚wahrgenommene Identität‘ (vgl. Gioia u. a. 2000). Laut Weber (2009, 19) ist dabei die Schnittmenge der Wissensbestände der Mitglieder das Kollektiv, die auf die Fragen Wer sind wir? und Welche Tätigkeiten führen wir aus? zentriert werden. Die strategischen Ansätze gehen dagegen beim CI-Begriff von einem strategisch geplanten Selbstbild aus der Innensicht des Unternehmens aus, als schlüssiger Zusammenhang von Erscheinung, Worten und Taten mit dem ‚Wesen‘ der Unternehmung (Corporate Personality, vgl. Birkigt/Stadler/Funck 2002, 23). Idealerweise findet man darin Werte, Einstellun-

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gen, Normen, Unternehmenszweck, Geschichte sowie Vision des Unternehmens (vgl. Kiessling/Spannagl 1996, 14) als ein Set charakteristischer Merkmale, das ein Unternehmen von anderen einzigartig und unterscheidbar macht. Dass die Identität dabei nur aus dem Selbstbild des Unternehmens erschaffen wird, zeigt auch der Begriff Selbstdarstellung in der Definition von Birkigt/Stadler/Funck (2002, 18).

1.2 Identität und Image Das oben abgebildete Modell von Birkigt/Stadler/Funck (2002, 24) enthält einen zweiten Pol, das (Corporate) Image als Fremdbild aus der Außensicht. Dieses ist mit der CI verbunden, d. h. die beiden Komponenten werden als reziprok und sich permanent gegenseitig beeinflussend beschrieben, z. B. wird das Selbstbild bei einer äußerst negativen Außensicht von dieser modifiziert, indem es sich ggf. verschlechtert  – umgekehrt nimmt die Öffentlichkeit die Präsentation und das Verhalten des Unternehmens in Krisensituation besonders scharf wahr – das Fremdbild verändert sich eventuell. Letztlich ist es erklärtes Ziel, Corporate Identity und Corporate Image als möglichst übereinstimmend (= Fit) vorzufinden (vgl. Esch 2008). Zu terminologischen Verwirrungen führt dabei jedoch immer wieder die fast synonyme Benutzung der Begriffe Corporate Identity und (Corporate) Image im Fachdiskurs der Betriebswirtschaft (vgl. Schmid/Lyczek 2008, 82). Weiterhin zeigen sich auch konzeptionell Ähnlichkeiten zu den Begriffen Selbstbild, Selbstverständnis, Selbstdefinition, Unternehmensleitbild, Unternehmensverfassung und Unternehmensphilosophie, die häufig synonym und nicht klar abgegrenzt genutzt werden (vgl. Burel 2012, 9 ff.). Das Image ist in jedem Fall für Unternehmen ein wichtiger Faktor, denn das Bild, welches die Austauschpartner vom Unternehmen haben, beeinflusst die Rollenerwartungen, die in das Unternehmen gesetzt werden, da es Konstanz in Bezug auf das Verhalten des Unternehmens suggeriert. Neben den Termini Fremdbild und Image wird in der Forschung, teilweise ebenfalls synonym, Reputation gebraucht. Ein eigener Zweig des Marketings beschäftigt sich mit der sogenannten Corporate Reputation oder dem Reputation Management. Eisenegger/Imhoff (2004) beispielsweise werten die ,öffentliche Meinung‘ mittels Umfragen zu wichtigen Themen des Unternehmens aus. Entgegen dieser Auslegung trennen Niederhäuser/Rosenberger (2011, 104) nochmals Image und Reputation. Das Unternehmensimage wird nach ihnen durch die Wahrnehmung von außen gebildet, sich auf bestimmte Merkmalszuschreibungen des Unternehmens beziehend, während Reputation durch Kommunikation mit den Stakeholdern geformt werde und eine „Bewertung von Eigenschaften und Handlungen und damit der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens“ (ebd.) darstelle. Niederhäuser/Rosenberger (2011, 104) sehen dabei als interne Anspruchsgruppen u. a. Unternehmensleitung, Mitarbeiter, Shareholder, Konkurrenten, Großhandel, Einzelhandel, Versandhandel, Direktver-

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trieb; als externe Anspruchsgruppen die Kunden, Lieferanten, Investoren, Verbraucherverbände, Stakeholder und die Öffentlichkeit. In der Organisationstheorie wird ebenfalls von der Beziehung zwischen Identität und Image als wechselseitigem Prozess gesprochen. Allerdings wird hier der ImageBegriff wesentlich differenzierter behandelt und die Komplexität des Gesamtprozesses offenbart, z. B. die vielfältigen Einwirkungen auf das Image, die Unternehmen nicht kontrollieren können oder die Existenz interner Imageformen (vgl. Schmid/ Lyczek 2008, 82).

1.3 Begriffsstadien und Modelle Nach Birkigt/Stadler/Funck (2002, 37 ff.) durchlief der Corporate Identity-Begriff vier Stadien, die heute noch in Variation anzutreffen sind: Während der traditionellen Periode, die bis zum Ersten Weltkrieg reichte, wurden Unternehmen stark durch die hierarchisch-patriarchalische Führungsstruktur des Gründers bestimmt. Zwischen den beiden Weltkriegen sah man in der markentechnischen Periode die CI als Identität einer gestalteten Marke an. Hersteller und Marke wurden dadurch zum Synonym. Auch während der Design-Periode in den fünfziger Jahren standen das Produkt und dessen Eigenschaften im Fokus, woraus sich Erscheinung und Identität des Unternehmens ableiteten. Gestaltende Elemente wurden aufeinander abgestimmt und das Corporate Design geschaffen. Die strategische Periode seit den siebziger Jahren fasst CI als Identitäts-Mix auf, bestehend aus diversen Komponenten (s. Abb. 1). Zudem wurde der Begriff Image eingeführt. In der CI-Theorie der Betriebswirtschaft gibt es, neben den klassischen strategischen Modellen (s. Abb. 1), auch individuellere Ideen hinsichtlich der Benennung und Anordnung von (Teil-)Elementen der CI. In ihrer Dissertation wählt Keller (1990, 65) etwa mit dem bekannten „Mannheimer Corporate-Identity-Modell“ ebenfalls eine Darstellung ohne die Komponente Image; dagegen werden die Komponenten Corporate Communications und Corporate Design verknüpft, was aus semiotischer Sicht interessant ist, da beide die zeichenhafte Kommunikation des Unternehmens darstellen. Ähnlich Birkigt/Stadler/Funck (2002) wird die CI im Modell Wiedmanns (1992, 21) mittels der Komponenten Unternehmenspersönlichkeit, CC, CD und CB dargestellt. Auch hier ist das Ziel die Übereinstimmung von Identität und Image. In diesem Modell handelt es sich jedoch nicht um ein zirkuläres Modell, sondern um ein prozessuales „Konzept der Identitätsvermittlung“ (ebd.). Diesem werden zwei funktionale Komponenten („Wir-Bewußtsein“ und „Identifikation“) hinzugefügt, deren genauere Bedeutung für das Modell jedoch unspezifiziert bleibt. Pflaum/Pieper (1993, 132 ff.) bieten (wie Wiedmann) kein zirkuläres, sondern ein prozessuales Modell, das von CI als „Basis“ ausgeht. Es führt unter Einsatz derselben Instrumente („Mittel“), die Birkigt (2002) und Wiedmann (1992) ansetzen, zum Corporate Image als „Ergebnis“. Der Schwerpunkt wird demnach auf letzteres als Ziel gelegt; ein Zusammenhang von

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CI und Image wird nicht erwähnt, wohingegen als Mittel das betriebliche Leistungsangebot hinzugezogen wird. CI wird nach ihnen zudem in der „Unternehmensphilosophie“ textuell fixiert. Die diskutierten Modelle zeigen somit individuelle Variationen, die auch aus sprachwissenschaftlicher Sicht interessant sind. Relativ homogen sind in allen Ansätzen jedoch die Ziele der Identifikation mit dem Unternehmen sowie die Distinktion durch Einzigartigkeit (Salienz) gegenüber Wettbewerbern. Motivationspotenziale, Integrations- und Kooperationsbereitschaft sind weitere interne Ziele (vgl. Birkigt/ Stadler/Funck 2002, 65 ff.; Herbst 2006, 55 ff.). Folgende Funktionen werden letztlich insgesamt aus Sicht der BWL aus der CI abgeleitet (vgl. Wache/Brammer 1993, 30 f.; Kastens 2008, 79 ff.; Bleuß 2010, 4): Tab. 1: Zielfunktionen der CI ökonomisch

sozialpsycho­ logisch

psychographisch

kommunikativ

Wertsteigerung, Umsatzexpansion, Kostenersparnis, Stabilisation von Austauschbeziehungen, Steigerung von Produkt-/Dienstleistungsabsatz, Durchsetzung von Unternehmensinteressen, Steigerung von Marktanteilen Identifikation mit dem Unternehmen (Commitment, Vertrauen, Wir-Bewusstsein/ Einheit von Mitarbeitern/Kunden), Motivation (zur Arbeitsleistung), Koordinationsund Steuerungsfunktion (durch Informations- und Leistungsaustausch, gemeinsame Zielorientierung), Orientierungs-/Stabilisationshilfe affektiv-orientierter Identitätsaufbau, Erhöhung der Bekanntheit, Differenzierung, Individualisierung, Eigenständigkeit, Wiedererkennbarkeit und Abgrenzung; Erhöhung der Kaufabsicht, Erzeugung von Sympathie und Glaubwürdigkeit bei externen Zielgruppen Repräsentation, Information, Positionierung, kommunikative Profilierung, Kanal zur Vermittlung der „Unternehmenspersönlichkeit“ gegenüber dem gesamten sozialen Feld (intern und extern), Filterfunktion und Interpretationshilfe

Diese Zielfunktionen können – laut der CI-Theorie der BWL – intern überprüft werden durch die Messung der Arbeitsleistung der Mitarbeiter, deren öffentliches Bekennen zum Unternehmen (Identifikation mit Zielen oder Produkten) sowie die Beobachtung ihres Verhaltens (Krankheitsausfälle, Fluktuation). Extern können die Zielfunktionen durch die Analyse des Textechos (Mitarbeiterzeitung, interne/externe Stellenanzeigen, Repräsentationstexte) sowie durch Image-Messungen mittels FokusgruppenSurveys, Presseecho, Bewerbungseingang, Werksbesichtigungen, Kunden-Hotline sowie Reklamationen überprüft werden (vgl. Bruhn 2009, 515 ff.).

1.4 Identität und Kultur Entgegen der aufgeführten Modelle existiert ein kleiner Teilbereich der CI-Theorie innerhalb der BWL, der sich nicht auf CI als strategisch-funktionale Selbstpositionie-

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rung (Selbstdarstellung) bezieht. Vielmehr wird in diesen vermittlungsorientierten und soziokulturell inspirierten Ansätzen davon ausgegangen, dass CI auf einer internen Realität/Unternehmenskultur (geteilte Werte/Normen etc.) basiert, ungeachtet dessen, ob diese explizit formuliert wurde. Diese gilt dann als ontologische Basis für die zu vermittelnde CI. Unternehmenskultur wird dabei verstanden als gemeinsames Orientierungsmuster der Unternehmensmitglieder mit normativer Verhaltenssteuerung: Sie ist das implizite Bewusstsein einer Organisation, das sich aus dem Verhalten seiner Mitglieder ergibt und das selbst als kollektive Programmierung das Verhalten der Organisationsmitglieder beeinflusst (vgl. Kiessling/Spannagl 1996, 37 f.). Die Kultur umfasst die (unbewussten) Wertannahmen, Glaubensüberzeugungen und impliziten Regeln in der Tiefenstruktur der Organisation (vgl. Schein 2003). Dieser Ansatz erinnert an das organisationstheoretische Verständnis von organisationaler Identität (vgl. Hatch/Schultz 2002; Schein 2003), wenn von einem geteilten, kollektiven Verständnis, einer ‚wahrgenommenen Unternehmensidentität‘ die Rede ist, die als Konsensprodukt der Individuen entsteht. Identität ist dabei die „selbstreflexive Entäußerung in Eigenschaften der Organisation“ (Vogel/Hansen 2010, 9), die von ihren Mitgliedern als konstitutiv für diese wahrgenommen werden. Solche Ansätze verorten daher auch gern die Unternehmenskultur als Ist-Zustand der internen Realität und die CI als zu vermittelnder Soll-Zustand (vgl. Klaßen 1999, 24). CI wird bei diesen Ansätzen daher auch zahlreich als projected image oder desired future image bezeichnet, da sie sozusagen das zu kommunizierende Bild, das jedoch nicht mit der internen Realität übereinstimmen muss, sondern eher die „autorisierte und meist explizit kommunizierte Vorstellung der idealen Realisierung der Unternehmenspolitik“ (Niederhäuser/Rosenberger 2011, 24) ist. Van Raay/Korzilius (2008, 54 f.) sehen dagegen beide Konzepte – CI und Kultur – in unmittelbarer Nähe, wobei die Kultur jedoch schwer wahrnehmbar und beeinflussbar sei, die CI bewusst ausgedrückt werden könne. Diese Diskussion zeigt damit, dass divergierende CI-Konzepte nicht nur interfachlich (BWL vs. Organisationstheorie), sondern auch innerfachlich innerhalb der BWL gegeben sind. Dahingehend ist vor allem die unterschiedliche Akzentsetzung von CI als Ist- bzw. Soll-Zustand zu nennen sowie die Zuweisung einer Funktion an CI (Ziel vs. Maßnahme zur Erreichung eines Ziels). Problematisch ist, dass Definitionen teilweise in sich widersprüchlich sind, wenn CI Maßnahme (gezielte Cl-relevante Maßnahmen wie Verhalten, Erscheinungsbild und Kommunikation als Instrumente) sowie Ziel (abgeleitete Wirkung der Gesamtheit aller unternehmenspolitischen Maßnahmen) gleichermaßen ist. Corporate Identity erzeugt dann wiederum Corporate Identity im Zirkelschluss. Zur terminologischen Schärfung soll hier auf Wiedmanns (1992, 10) Vorschlag zur klareren Ausdifferenzierung der Begriffskonzepte von Corporate Identity verwiesen werden, in a) strategisch orientiert („spezifisches Orientierungskonzept für die Planung und Realisation unternehmerischer Kommunikationspolitik“) und b) soziokulturell orientiert („Unternehmensidentität, die […] in Analogie zur Identität von Individuen oder Gruppe erfaßt werden kann.“). Diese Diskussion weist letztlich vor allem aber auch darauf hin, dass Corporate Iden-

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tity nicht nur als gesonderter Begriff betrachtet werden kann, sondern in einen größeren Zusammenhang gebracht werden muss, der vor allem Sprache als strukturierendes bzw. originär menschliches Kommunikationsmittel mitberücksichtigt.

1.5 Linguistische Kritik an Corporate Identity-Konzepten der Betriebswirtschaft Damit das CI-Konzept auch sprachwissenschaftlich genutzt werden kann, muss es an einigen Stellen problematisiert bzw. spezifiziert werden (vgl. Emmerling 2008, 82 ff.). Bereits angesprochene Kritikpunkte sollen daher unter einer linguistischen Perspektive beleuchtet werden. Beginnen soll die Reflexion bei der unklaren Sendermarkierung der CI, die zwischen abstraktem Gesamtkonzern sowie einzelnen Unternehmensmitgliedern/gruppen schwankt. Es wurde bereits angeführt, dass die strategischen Ansätze der BWL das Unternehmen als eigenständige Einheit ansehen, die als Persona zum Identitätsträger wird. Hierbei muss jedoch die ,kommunikative Speisung‘ dieser Persona geklärt werden, d. h. ob es sich um den abstrakten Sender Unternehmen handelt, auf den das Konzept der personalen Identität metaphorisch übertragen wird (top-down als präskriptiv verordnete Identitätsfolie) oder ob es um die kollektive Formatierung einer Identität geht, die als Wir-Identität im Sinne einer Schnittmenge geteilter Wissensbestände der Kollektiv-Mitglieder verstanden wird (natürliche Aushandlung) (vgl. Burel 2015). Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive wird im zweiten Fall oft kritisiert, dass sich das Wissen einzelner Unternehmensmitglieder mit normierten Kommunikationsvorgaben vermische (vgl. Ebert 2004, 2 f.). CI bezieht sich jedoch im ersten Fall auf eine im Vorhinein als ontologisch proklamierte Tatsache und beschreibt nicht die sprachlich-diskursive Aushandlung zwischen Unternehmensmitgliedern im Zeit- und Raumverlauf (als bottom-up-Prozess). Unternehmen nehmen sich allerdings zunehmend dieses Problems an und beziehen auch ihre Mitglieder in die Generierung von CI mit ein, etwa durch Workshops, in denen kollektiv eine CI ausgehandelt wird (vgl. Ebert/Konerding 2008, 71 ff.). Zweitens muss bei einer Terminologieschärfung geklärt werden, inwieweit Identität im Sinne eines Selbstbildes verstanden wird, als Autostereotyp, bei dem sich eine Einheit selbst typische Merkmale zuweist (vgl. Herzog 2006, 328 ff.) und inwieweit fremde Anteile von außen (Fremdbild; Heterostereotyp) für die CI als konstitutiv gesehen werden. Drittens: Schreibt man CI einen kommunikativen Wert zu, was alle Modelle der BWL etwa durch die Komponente ‚Corporate Communications (CC)‘ erkennen lassen, wird diese häufig jedoch bloß als instrumentell angesehen, da durch die strategische Kommunikation eines Eigenschaftssets das Unterscheidungsmerkmal des Unternehmens offenbart werden soll. Kommunikation wird dadurch zielgerichtetes Mittel des Transports von CI, ‚gebrandet‘ und trägt durch die Akzentsetzung auf starke Außen-

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wirkung zum „Identitätsmarketing“ (Jernej 2008, 146) bei. Die USP (Unique Selling Proposition) weicht daher in vielen Marktbereichen immer mehr der Unique Communication Proposition (Alleinstellung im Kommunikationsauftritt gegenüber Wettbewerbern). Hierdurch wird bei potenziellen Kunden Aufmerksamkeit erzeugt und eine differenzierte Wahrnehmung kommunikativ anvisiert, um Präferenzen für potenziell austauschbare Produkte zu erzeugen (vgl. Bruhn 2009, 14). Viertens: Als Zielfunktionen, die durchaus semantischen Charakter annehmen können, wurden in den Modellen die Kriterien der ,Alleinstellung‘ (Einzigartigkeit, Abgrenzung), ,Einheit‘ sowie ,Stabilität‘ genannt. Diese sind jedoch praktisch kaum umsetzbar: Die verschiedenen CI-Umsetzungen in der Praxis sind zu homogen, als dass sie alleinstellend wirken können (vgl. Burel 2015). Das Einheits-Merkmal kann kaum erfüllt werden, wenn es verschiedene Anspruchsgruppen innerhalb und außerhalb des Unternehmens gibt. Identitäten von Unternehmen können somit (nicht nur im postmodernen Verständnis) kaum stabil und konsistent sein. Dennoch wird dies in der CI-Theorie postuliert und Unternehmen sehen sich vor der Herausforderung, eine CI uniformiert und widerspruchsfrei zu modellieren, die Zuspruch bei diversen Anspruchsgruppen hervorruft (die ihrerseits unterschiedliches Vorwissen und spezifische Erwartungen besitzen)  – über unterschiedliche Kommunikationskanäle hinweg. Fünftens: Selbst wenn die CI Zuspruch findet, bedeutet dies nicht automatisch, dass die CI in der angelegten Bedeutungskonstruktion vom Unternehmen innen deckungsgleich mit dem Image als Bedeutungskonstitution von außen ist (Dekodierung = Enkodierung; vgl. Kastens 2008, 16). Ein (Soll-)Bild der rezipierten CI wird zwar ,vorgedacht‘, welches bei Adressaten evoziert werden soll, um den individuellen sowie gesellschaftlichen Rezeptionsprozess zu beeinflussen. Doch lassen sich Bedeutungen nicht festlegen (vgl. Bungarten 2005, 236 f.), bzw. es werden Inhalte mitkommuniziert, die nicht gewünscht waren. Eine Überlappung von CI und Image ist in der Realität daher unwahrscheinlich, auch wenn das Image, das beim Adressaten evoziert werden soll, bereits sprachlich-kommunikativ ,angelegt‘ wird. Sechstens: Dies schließt eine grundsätzliche Überlegung an, die sich in den betriebswirtschaftlichen Modellen spiegelt: Inwieweit wird CI als ontisch gegeben bzw. explizit (sprachlich) formuliert/konstruiert wahrgenommen, was sich in der begrifflichen Dichotomie wahrgenommene Identität/interne Realität/Ist-Identität vs. zu vermittelnde Identität/projected image/desired future image/Soll-Identität ausdrückt. Problematisch ist dabei, dass diese Ebenen häufig gleichgesetzt werden, wodurch Inkongruenzen bzw. Inkohärenzen entstehen. Durch die synonyme Verwendung kann dies auch für Rezipienten zu erheblichen Verwirrungen führen.

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2 Corporate Identity als sprachliches Konstrukt 2.1 Linguistische Annäherungen an das Corporate Identity-Konzept Um die oben aufgestellte These aufzugreifen, CI sei ein sprachliches Konstrukt aus Zeichen, sollen die folgenden Ausführungen den sprachlich-kommunikativen Stellenwert von CI zeigen (vgl. Burel 2015): Aus linguistisch-konstruktivistischer Sicht können CI folgende Dispositionen zugesprochen werden: Sprache ist konstitutiv für die Identitätsbildung „in ihrem Selbstverständnis und in der Außenwahrnehmung“ (Thim-Mabrey 2003, 2), d. h. auch eine Unternehmensidentität kann erst „durch Sprache geschaffen werden, also auf Grund sprachlicher Zeichen zum mentalen Bezugsobjekt (thematischen Gegenstand) […] avancieren“ (Felder 2013, 171). Durch Sprechen oder Schreiben bekommt CI also erst ihre Struktur. Vor allem die Verschriftlichung regt Denk- und Erkenntnisprozesse an und konstituiert die Zusammenhänge des Was? (Begriffe, Themen), Wie? (Handlungen, Funktionen) sowie des Warum? (Motive, Diskussionen): Das Unternehmen reflektiert somit durch Sprache, was es ist, macht und wie dies vonstatten geht. Dadurch wird es erst. Die Entwürfe von Identitäten sind somit fundamental an das Medium der Sprache gebunden: Erst und vorzüglich mittels Sprache kann das Konzept vom Selbst in eine hinreichend kohärente Geschichte eingeschrieben werden (vgl. Müller/Kluwe 2012a, 6 ff.). Durch die Sprachfolie wird CI sichtbar und für andere vermittelbar. Dies bedeutet zweitens auch, dass sie in ihrer aktuellen Form textlich ,eingefangen‘ und fixiert werden kann. Dies geschieht etwa in programmisch-funktionalen Texten wie Leitbildern, Mission Statements, Visionen oder Profilen (vgl. Burel 2012). Hundt (2009) spricht dabei von sprachlicher Identitätsstiftung durch „Unternehmensverfassungen“. So kann CI nach innen und außen vermittelt werden, auch über verschiedene Zeit-, Personen- und Raumkonstellationen hinweg. Drittens ist CI in seiner Konstruktion ein sprachlich-diskursives Konstrukt, denn es bildet ein reziprokes System für Bedeutungskonstruktion sowie -konstitution zwischen dem Unternehmensinnen (Selbst-) und -außen (Fremdbild) aus, was häufig ignoriert wird. CI ist daher diskurssensitiv und enthält nicht nur vom Unternehmen konstruierte Wissensinhalte (in Bezug auf das eigene Unternehmen), sondern reagiert auch auf Erwartungen der Rezipienten sowie auf Regeln des (organisationalen und gesellschaftlichen) Diskurses. Diese Bedeutungsgehalte werden diskursiv ausgehandelt durch ein Bündel von Kommunikationsmaßnahmen (z. B. durch Interviews, in denen sprachliche Operationen wie Vergleiche oder Bewertungen vorgenommen werden). CI bleibt damit ein dynamisches Konstrukt. CI ist viertens in seiner sprachlich-diskursiven Konstruktion auch ein sprachlicher Wissensspeicher, da in dieser (v. a. textuell) Sprachgebrauchsformen (des

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Wissens) als sprachliche Daten gespeichert sind, die letztlich die soziale Wirklichkeit des Unternehmens zum Zeitpunkt x im Raum y und in der Gesellschaft z widerspiegeln. Es verfestigen sich sprachliche Inhalte (Weltwissen des Unternehmens wie Fakten oder Zahlen, Fachwissen, Handlungswissen, sowie Erfahrungswissen). Eventuell geht es auch um kollektives, gemeinsam erarbeitetes Wissen, etwa aus Gesprächen oder Diskussionen. Ebenso schließt CI Sprachwissen ein, das sich in ihr materialisiert (Ausdrucksmuster wie Hochwertwörter sowie das Wissen um spezifische sprachliche Zeichen des Unternehmens (Corporate Wording) und Symbole, Logos sowie Bilderwelten). Eine besondere Stellung haben dabei Namen (vgl. Hundt 2011), denen durch Konvention oder Tradition eine besondere Bedeutung zugekommen ist (vgl. Brudler 1993, 99 ff.). Denn diese stehen als Symbol für dahinterstehende Ereignisse, Erfindungen, Wertegerüste etc., die unmittelbar mit der CI verknüpft sind. Beispielsweise verwenden alteingesessene Mitarbeiter heute noch immer den Namen Benz als Antwort auf die Frage nach ihrem Arbeitgeber (= Daimler), als Verweis auf den Erfinder und Gründer Carl Benz, der in der Nähe von Mannheim gewohnt hatte. So kommt CI zugespitzt ein Status als sprachliches ‚Gedächtnis‘ (vgl. Fraas 2005) oder ‚Archiv‘ zu. Liegen sprachliche Daten in diesem Archiv vor, kann sich das Unternehmen in spatio-temporale Bezüge einordnen. Diese Erinnerung schafft einen Zeit- und Sinnhorizont, den die Erinnernden sprachlich formen und füllen. Ähnlich dem sprachlichen Wissensspeicher besitzt CI auch die Funktion des narrativen Akts, was ebenfalls innerhalb der Organisationsforschung betont wird (vgl. Vogel/Hansen 2010, 13). In der Gesprächsforschung beschreiben Lucius-Hoene/Deppermann (2004, 167) Identität als „narratives Element“, da diese erst im Medium des Erzählens herund dargestellt werde. Die identitätsstiftende Form des Erzählens besteht vor allem in der Herstellung von Kohärenz und Kontinuität, beispielsweise Verweise auf erlebte Erfolge, Krisen, große Persönlichkeiten oder die Unternehmensgeschichte (Corporate History). Aus der Rekonstruktion bedeutsamer Episoden wird ein Bild gestaltet, welches zeigt, wie ein Unternehmen zu dem wurde, was es heute ist. Der Textproduzent muss dabei zwei narrative Aktivitäten vollbringen: Er muss das Unternehmen selbst als Handlungsträger der Geschichte präsentieren, als gegenwärtig Erlebender, aber auch als durch Erfahrungen geprägter Akteur. Er konstruiert damit nicht nur das vergangene Selbst, sondern auch das gegenwärtige Selbst, das im Dialog mit dem Adressaten steht. Dabei werden Strategien der „Identitätsarbeit in Aktion“ (LuciusHoene/Deppermann 2004, 168) offengelegt, denn es geht gleichzeitig um Selbstherstellung und auch Selbstdarstellung, da situationsrelevante Geltungsrahmen des Individuums abgesteckt werden müssen und dieses sich permanent legitimieren muss. Deshalb ist das storytelling ein vielfach eingesetztes Instrument innerhalb von CI, z. B. die Corporate Story der Commerzbank. Auch werden oft Gründungsmythen oder Unternehmensanekdoten mit dem aktuellen Anliegen der Unternehmung geknüpft, um Verhaltensweisen oder Aktionen samt Konsequenzen zu legitimieren (vgl. Brudler 1993, 100). Vor allem durch diese narrativen Elemente wird eine gemeinschaftsstiftende und kontrollierende Wirkung geschaffen.

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Letztlich kann CI auch als poetischer Akt angesehen werden. Denn CI ist eigentlich eine Metapher (nicht nur wegen der Übertragung des Identitätskonzeptes auf das Unternehmen), die als Sinnformel zum Verstehen abstrakter Zusammenhänge und zur Legitimation der Unternehmensexistenzberechtigung kreiert wird (z. B. Wir haben das Automobil erfunden von Daimler). Laut Liebert (2003, 83 ff.) stehen Unternehmen vor ähnlichen existenziellen Sinnfragen wie Individuen: Fragen zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft: Wer sind wir? Wohin gehen wir? Was erwartet uns? Was müssen wir tun? Was dürfen wir hoffen? Weitere existenzielle Grundfragen, die beispielsweise das identitätsbezogene Produktwissen eines Unternehmens darstellen, sind: Welche Produkte könnten wir herstellen? Was ist das Wesen unserer Produkte? Wer sind unsere Kunden? Was wollen sie? Wie können wir uns von der Konkurrenz unterscheiden? Wie können wir besser als diese auf Kundenbedürfnisse eingehen? Unternehmen müssen also Verfahren besitzen, wie sie diese beantworten. Die Verwendung von Metaphern im Bereich der Wissenskonstruktion und des Wissensmanagements als „poetische Dimension des Wissens“ findet Liebert (2003, 83) deswegen häufig im Unternehmensbereich. Auch Ebert/Konerding (2008, 68) messen der Metaphernanalyse diese Rolle bei der Entwicklung und Neugestaltung von CI bei. Gleiches gilt für Organisationstheoretiker (und Managementtheoretiker), welche sich immer wieder Bilder von Unternehmen gemacht haben. Metaphern dienen dabei nach Morgan (2000) als bewusstseinserweiternde Maßnahmen und zur Entdeckung systemischer Weisheit. Diese Ausführungen zeigen, dass Sprache die Identität eines Unternehmens einerseits ausbildet, andererseits aber zugleich auch ein Faktor prozessualer Identitätsbildung ist, da Identität nicht etwa sprachunabhängig bzw. außersprachlich schon gegeben ist (vgl. Felder 2013, 1), sondern erst durch gezielte sprachlich-kommunikative Akte diskursiv konstruiert wird. CI ist somit ein Konstrukt gedeuteter Realität. Dyllik (1983, 5 f.) spricht Unternehmen in diesem Zusammenhang wichtige Sinnvermittlungspotentiale zu: Sie definieren Wirklichkeit, sie bezeichnen und deuten sie. Gleichzeitig bewerten und legitimieren sie dadurch ihr Handeln. Mit diesen SinnSystemen wird die Realität effektiv sprachlich kodifiziert. So erschafft ein Unternehmen sich sprachlich selbst.

2.2 Linguistische Operationalisierung des Corporate Identity-Konzepts Die sprachwissenschaftliche Fundierung von CI ist nur rudimentär vorhanden. Einen Überblick über derzeitige linguistische Zugänge zum Sachverhalt Identität bietet Fix (2012, 81). Sie arbeitet anschaulich heraus, dass es einen Zusammenhang von Identität und Sprachgebrauch gibt. Gleichzeitig betont sie auch die Vorstellung der diskursiven Konstruktion von Identität mit deutlich sprachbezogener Auffassung, die sich auch in der Soziologie durchsetzt. Die wenigen linguistischen Ansätze zur Fass-

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barmachung von CI reihen sich in ein immer populärer werdendes Forschungsgebiet ein, welches aufgrund seiner Thematik auch Teile der interdisziplinären (Sozial)-Forschung miteinander verbindet. Bungarten begann als einer der ersten, den Themenkomplex ‚Sprache und Wirtschaft‘ in den achtziger Jahren aufzugreifen. In seinem programmatischen Essay Quo Vadis CI? plädiert er dafür, das CI-Konzept als ernsthaftes Sprach- und Dialoginstrument zu nutzen und nicht als bloßes Werbemittel verkommen zu lassen (vgl. Bungarten 1993, 113 f.). Neben seinen basalen theoretischen Vorarbeiten entwickelt er allerdings keinen empirischen Zugang zur Erschließung von CI. Janich (2005) widmet sich in ihrem Sammelband dem Thema Unternehmenskultur und Unternehmensidentität sowie jüngst Niederhäuser/Rosenberger (2011), die vor allem Begriff und Konzept Corporate Identity aufbereiten, sowie Burel (2015). Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass das Konzept CI die diskutierten Unschärfen aufweist und in der Literatur immer wieder gestritten wird, aus welchen Faktoren ein solches Konstrukt zu modellieren sei (vgl. Schmid/Lyczek 2008, 105). Es kann also auch in der Linguistik nur eine modellhafte heuristische Definition für die theoretische Profilierung des Begriffs entwickelt werden, welcher einerseits sprachtheoretische Grundlagen der Linguistik, aber auch Ideen aus den zuvor behandelten Bezugswissenschaften integriert. Beispielsweise könnten duale Modelle entstehen, die nach der binären Opposition innen-außen/Sender-Empfänger (Selbst- und Fremdbild) differenzieren. Bei der Aufnahme dieser Ideen bereitet es jedoch Probleme, analytisch die Komponenten Selbstbild als selbst eingeschätztes und bewertetes Selbstkonzept des Unternehmens von dessen Fremdbild (Image) als soziale Wahrnehmung zu trennen, denn diese Ebenen verschmelzen im CI-Konzept: Die Identität des Unternehmens ist gleichsam das wahrgenommene Fremdbild/Image in der Gesellschaft, besitzt aber immer noch einen Rückbezug zum Sender, zum konstruierten Selbstbild. Dieses „Oszillieren“ zwischen Sender/Empfänger zeigt auch das Markenkonstrukt (vgl. Kastens 2008). Jedoch ist diese Trennung für eine analytische Aufgliederung maßgeblich, auch wenn sie in der Praxis oft aufgehoben wird. Die Commerzbank reflektiert dies offen: „Wie wir uns sehen und sehen lassen“ (Commerzbank). Interessant ist hierbei die Formulierung sehen lassen, was erstens auf eine intendierte Rezeption hindeutet sowie eine ,Schaufensteridentität‘ suggeriert, d. h. innen und außen wird dasselbe Bild gesehen. Dass dies teilweise jedoch nicht den realen Zuständen entspricht, präsupponiert etwa die Glaubwürdigkeits-Forderung von Beiersdorf im Geschäftsbericht 2010: Im Konzernlagebericht sind Geschäftsverlauf und die Lage des Konzerns so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird.

Thyssen (2003, 166) reflektiert diese Realitäts-Problematik ausführlich:

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[…], the organisation cannot avoid hypocrisy because it has to present an idealized picture of itself, an image that can motivate internally as well as externally. […] Although it has to speak of itself, it also has to keep silent. In short, it has to address truth in a strategic manner and master the art of rhetoric.

Das heißt, das Unternehmen ist gezwungen, ein idealisiertes Bild von sich zu vermitteln, um bestimmte Funktionen und Ziele zu erreichen (z. B. Motivation). So könnte in einem linguistischen Modell auch nach Wahrheitsanspruch des Senders (Realität/ erlebtes Selbstild – Irrealität/vermitteltes Selbstbild) unterschieden werden. Bungarten (2005) und Seidler (1997, 99) nutzen daran anknüpfend die Dichotomie Ist-Identität und Soll-Identität, ähnlich wie auch die Organisationstheorie (s. o.). Ein Problem bei diesen dualen Modellen ist, dass sie jeweils eine zentrale konstitutive Komponente nicht miteinbeziehen. Entweder verknappen sie die Senderperspektive, indem das Selbstbild nur eindimensional konzeptualisiert wird (keine Unterscheidung zwischen Ist vs. Soll) oder das Fremdbild/Image wird komplett ausgespart. In diesem Beitrag wird davon ausgegangen, dass das Unternehmen auf der symbolischen Ebene versucht, mit seinen organisationalen Merkmalen eine Synthese aus Ist-Selbstbild, Soll-Selbstbild und Fremdbild(ern) zu schaffen. Dies geschieht mittels äußerst abstrakter Sinnangebote, bei gleichzeitiger Differenzierung und Erfüllung der Identifizierungsfunktion. Die CI-Konstruktion geschieht so als Zuschreibung in reflexiver Weise, denn das Unternehmen integriert in sein Ist- und Soll-Selbstbild interne und externe Erwartungshaltungen, d. h. es muss verschiedene Wertschöpfungsprozesse bewusst in der Bedeutungskonstruktion ‚mitdenken‘, um die wichtige Bedingung der sozialen Integration zu erfüllen (vgl. Schmid/Lyczek 2008, 104). Daher wird, um der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes gerecht zu werden, ein triadisches Modell bevorzugt, in dem beide Perspektiven (Ist-Selbstbild vs. Soll-Selbstbild + Selbstbild vs. Fremdbild) aufeinandergelegt werden (vgl. Burel 2015). Dies funktioniert, indem das Unternehmen systemtheoretisch als ein System und damit als abstrakter Sender modelliert wird, der sich aus seiner Autoperspektive explizit ein Selbstkonzept durch Sprache zuschreibt. Dieses Selbstkonzept ist demnach ein zeichenhafter Repräsentant seiner konstruierten Wirklichkeit (vgl. Kastens 2008, 54) und materialisiert sich gleichsam in und mittels Kommunikation, die wiederum in Texten fixiert wird. Diese intern vom Sender Unternehmen zeichenhaft projizierte CI durch die Textfolie wird damit auf einer hypothetischen Produzentenseite verortet (= zeichenhaft projizierte CI). Gleichsam besitzt das Unternehmen jedoch auch eine Rezipientenseite der intern erlebten CI, die durch die Rezeption der Sprach- und Textfolie sowie der extralinguistisch individuell im Kollektiv wahrgenommenen internen Realität entsteht (= extralinguistisch wahrgenommene Identität). Beide wiederum bilden gemeinsam das Selbstbild des Unternehmens, reagieren jedoch auch auf Fremdbilder, (= Image). Zwischen diesen drei Polen bestehen reziproke Austauschbeziehungen, die teilweise von der Produzentenseite gelenkt werden (= kommunikative Identitätsarbeit), z. B. mittels Mitarbeiterveranstaltungen oder Imagebroschü-

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ren. Im Zusammenspiel dieser drei Pole ergibt sich letztlich das komplexe Konstrukt CI. Dessen Konstituierung kann insgesamt als Diskurs angesehen werden, in dessen Verlauf die Bedeutung von CI ausgehandelt wird. So ist das Unternehmen letztlich in der Dialektik gefangen, eine möglichst große Übereinstimmung zwischen diesen Polen zu finden. CI ist damit Produkt des Diskurses und als Prozess Bindeglied mehrerer Reproduktionsschleifen der Bedeutungsbildung. Sie wird zwar als Momentaufnahme im Text hypothetisch fixiert modelliert, ist aber tatsächlich in situ immer wieder den beschriebenen reziproken Beziehungen unterworfen.

3 Empirische linguistische Fassbarmachung von Corporate Identity Die Linguistik fragt somit nach den sprachlich konstruierten Repräsentationen von Corporate Identity im Prozess seiner sprachlich-diskursiven Bedeutungsherstellung. Im Gegensatz zu rein inhaltlich orientierten Wissenschaften interessiert sie sich deshalb auch für die sprachlichen Objektivierungsformen, die sie zu Inhalten transzendiert (vgl. Felder 2010, 570). Im Folgenden sollen verschiedene linguistische Ansätze zur Fassbarmachung von CI vorgestellt werden – begonnen beim Diskurs bis hin zur Wortebene: Burel (2015) geht empirisch mit diskurslinguistischen Methoden vor, indem Repräsentationstexte (wie Leitbilder, Mission Statements oder Unternehmensprofile) von Unternehmen als basale Handlungseinheiten des CI-Diskurses angesehen werden, mit denen zeichenhafte Adressierungen an direkte/indirekte Adressaten vorgenommen werden (vgl. auch Felder 2013, 171 ff.). Dieser Diskurs wird methodisch auf vier Ebenen untersucht: auf Inhaltsebene, Ausdrucksebene, Sprachhandlungsebene sowie Ebene der Situationskonstellation, die analytisch getrennt werden, aber immer wieder in der Sachverhaltskonstituierung von Corporate Identity zusammengeführt werden. Für die Ausdrucksebene interessiert dabei: Welche sprachlichen Zeichen rekurrieren auf das Referenzobjekt CI? In welchem Kontext findet dies statt (z. B. als Schlüsselwort oder Überschrift)? Wie wird das Lexem Corporate Identity textuell genutzt? Wie wird die lexikalische Bedeutung dessen geprägt? Auf welchen weiteren sprachstrukturellen Ebenen (Syntagmen, Satz, Text, Text-Bild) lassen sich Bezüge erkennen? Auf der Inhaltsebene gilt: Wie fächert sich der Sachverhalt Corporate Identity inhaltlich auf, d. h. aus welchen Komponenten wird eine Unternehmensidentität konstruiert? Hierbei werden Wissensrahmen im Diskurs bzw. in Einzeltexten erschlossen und diese Episteme systematisch in ihren Ausdifferenzierungen beschrieben, z. B. in Form von Themen, Subthemen und Konzepten. Beispielsweise kann nach Eigenschaften, Handlungen, (personalen) Objekten oder Orten der CI gesucht werden. Auf der Sprachhandlungsebene ist von Interesse, wie sprachpragmatisch Identitäten indiziert werden (vgl. Gardt 2012, 62). Unternehmen zielen darauf

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ab, ihre CI zu legitimieren bzw. Zustimmung bei Anspruchsgruppen zu suchen. Sprachhandlungen werden dabei mittels Handlungstypen und sprachlichen Strategien der Positionierung (Verweis auf Zahlen, Autoritäten wie Testimonials oder positive Bewertungen) beschrieben. Letztlich wird die empirische Analyse eingebettet in situationale Konstellationen, d. h. welche Akteure/Textproduzenten bestimmen das sprachliche Handeln? Wie manifestieren sich die Akteure selbstreflexiv im Diskurs bzw. Text? Welche Adressaten/Zielgruppen von CI werden konstituiert? Gibt es Unterschiede nach Branchen/Zielgruppen? Wie prägt der Handlungsbereich ‚Wirtschaft‘ den Diskurs? Welche Textsorten vermitteln CI medial? Eine weitere diskurslinguistische Herangehensweise, die eine empirische Untersuchung mit deduktiv festgelegten Untersuchungsparametern bietet, die sich auf CI anwenden lassen, liefern Anders/Hundt/Lasch (2011). Die Autoren entwickeln dafür ein differenziertes Analyseinstrument, das „Kieler Modell zur Analyse von Texten auf Karrierewebseiten“ (KIMATEK 2010). Dieses berücksichtigt makro-, meso- und mikrostrukturelle Aspekte (u. a. Text-Bild-Relationen) sowie pragmatische Gesichtspunkte (z. B. Adressierung der Zielgruppen) und bietet ein valides Bewertungsmodell an. In der Wissensdomäne ‚Bildung und Verwaltung‘ sucht auch Bal (2009) die Universitäre Corporate-Identity- und Markenbildung der TU Darmstadt diskursanalytisch zu skizzieren und diese gewinnbringend für die Erforschung universitärer CI- und Markenbildungsprozesse anzuwenden. Nicht zu vernachlässigen sind im Bereich der Diskursanalyse auch Studien der Critical Discourse Analysis zum Organisational Discourse, die etwa mittels Metaphernanalysen arbeiten (vgl. Koller 2010; Mautner 2011). Es sei hier letztlich noch auf die angewandte Diskursforschung verwiesen, die sich in den letzten 25 Jahren als Teildisziplin der Linguistik meist konversationsanalytisch etabliert hat (vgl. Brünner 2009, 171 f.) und sich ebenfalls mit dem Gegenstand der CI beschäftigt. Des Weiteren wurden empirische Zugänge, die sich für die Eruierung von CI nutzen lassen, von der Textlinguistik erarbeitet. Gohr (2002) stellt einen umfassenden Theorieteil zum Problem der Erfassung von CI durch die Textsorte Aktionärsbrief mittels genormter Kategorien voran und entwickelt ein Mehrebenenmodell, das sie in einer dezidierten Analyse (Situation, Funktion, Textsorte, Produzenten-AdressatenBeziehung) abarbeitet. Gohr (2002, 184) spricht dem Pronomen wir eine wichtige Selbstdarstellungsfunktion des Unternehmens zu. Auch Ebert (2001) entwirft ein textlinguistisches Modell zur Differenzierung und Typisierung von „Imagetexten” (z. B. Leitbilder, Strategien) und reflektiert das Problem hybrider Textsorten bei der Selbstdarstellung von Unternehmen, die der CI-Konstruktion dient. In dieser Tradition steht auch Schuster (2000), die versucht, den Begriff Image als Beschreibungskategorie für Texte („Imagebroschüren“) zu operationalisieren, indem sie ein textlinguistisches Parametermodell entwickelt, welches auch Bewertungen zulässt. Mit besonderem Fokus auf den pragmatischen Aspekt der Textlinguistik reiht sich hier Frauenholz (2009) ein, die verschiedene sprachliche Strategien der Selbstdarstellung in Mitarbeiterzeitschriften von Unternehmen aufzeigt.

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Stilistische Analysen, die der Eruierung von CI dienen, finden sich in Vogels (2012) deskriptivem Ansatz zu Corporate Style. Dazu entwirft sie ein stiltheoretisches Beschreibungsmodell auf Makrotextebene. Auch Emmerling (2008, 252) versucht, verschiedene stilistische Ebenen der Unternehmenskultur und -identität online zu definieren: Prämissen (vorbewusste und selbstverständliche Anschauungen, Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle) sieht sie als pragmatische Dimension; Werte (Ziele, Philosophien, Strategien) als Semantik und Konnotation; Ausdruck in Syntax, Lexik und Stil verortet sie in Style sheets und corporate wording (sichtbare Strukturen und Prozesse, z. B. Design, Angebote). Topische Analysen, die sich vor allem mit den Themen der CI beschäftigen, findet man bei Stockinger (1998), der Unternehmensleitbilder analysiert. Darüber hinaus liefert er auch Ideen zur thematischen Entfaltung mittels spezifischer narrativer Strategien. Klaßen (1999) liefert ebenso eine konzeptuelle Untersuchung von CI sowie deren Einbettung in die Domäne der Gesellschaft. Isaksson/Jørgensen (2010) analysieren besonders ausführlich die Themen des Corporate Ethos, das sie als „Unternehmens-Selbst“ verstehen. Sie gelangen zu 15 topischen Ethos-Qualities in den thematischen Feldern Expertise, Trustworthiness und Empathy. Ebert/Konerding (2008) greifen auf (Anti-)Programmwörter in Interviews bei der Leitbilderarbeitung zurück. Im Bereich der lexikalisch-semantischen Analysen beschreibt Crijns (2011) ebenso die eingesetzten Wort-Qualitäten und semantischen Verdichtungen in Unternehmensleitbildern, die der Bildung von Corporate Identity dienen. Kastens (2008) nutzt die Auswertung von Autosemantika (auf der Suche nach Isotopielinien und lexikalischen Feldern) zur Analyse der Markenidentität von BMW. In der der populärwissenschaftlichen und praxisbezogenen Arbeit widmet sich Förster dem Corporate Wording (1994) auf der Suche nach einem unternehmensspezifischen, einzigartigen (lexikalischen) Stil, der Corporate Identity abbildet; Reins (2006) fokussiert dies mit seinem Konzept der Corporate Language, wobei seine These einer einheitlichen Unternehmenssprache linguistisch nicht haltbar ist. Van Raay/Korzilius (2008, 59) dagegen suchen einen Zugang über die „creative method“, die Mitarbeiter die Metapher Haus in Gesprächen sowie zeichnerisch auf ihr Unternehmen anwenden lässt, um daraus Identität abzuleiten.

4 Fazit Der Beitrag veranschaulichte mögliche Konzeptualisierungen fachfremder Disziplinen sowie linguistische Zugänge zum Gegenstand Corporate Identity unter Einbezug empirischer sprachwissenschaftlicher Herangehensweisen. Wie sich zeigte, wird CI erst mit und durch Sprache konstruiert und bietet daher als sprachlich-diskursives Konstrukt erhebliches Potential für linguistische Analysen. Weiter untersucht werden sollten (im Bereich Linguistik und der Unternehmenskommunikation) die Fragen, mit

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welchen sprachlichen Mitteln (ausdrucksseitig) und mit welchen Themen (inhaltsseitig) verschiedene Identitäten von Unternehmen überhaupt erst konstituiert und legitimiert werden, wie Unternehmen mit sprachlichen Strategien versuchen, ihr ,Wesen‘ mit Alleinstellungsmerkmalen zu profilieren. Inwieweit spielen hier auch Unternehmensgröße, -nationalität oder -branche dabei eine Rolle? (vgl. Burel 2015). Ebenfalls sind Untersuchungen zu Identitäten aus anderen Wissensbereichen, wie ‚Bildung und Verwaltung‘, sowie deren Vergleich zu unternehmerischen Identitäten von großem Interesse. Diesen Herausforderungen müssen sich weitere linguistische Studien stellen, um dem Trend der interdisziplinären Schnittstellenforschung zwischen Linguistik und Wirtschaft weiter zu folgen (vgl. Anders/Hundt/Lasch 2011, 6 f.; Burel 2015). Die Linguistik darf sich dabei als anwendungsorientiert verstehen, in dem Sinne, dass sie sich von ihrer deskriptiven Ausrichtung zwar nicht löst, aber dennoch praxisnahe Beratungskonzepte anbietet. Denn die formelhaften Geschäftsdefinitionen, die als CI angeboten werden, sind häufig nicht tragfähig. Sie verweisen auf Branche, Kunde und/oder Produkt: Wir bieten Produkt/Dienstleistung X; Wir erfüllen Bedürfnis Y von/des Kunden Z. Laut Liebert (2003, 86) gibt zwar (fast ausschließlich) die Gewinnorientierung eines Unternehmens den Rahmen für alle existenziellen Grundfragen vor, was auch Nicht-Ökonomen anerkennen müssen, dennoch können diese sprachlich individueller gefasst werden. Dies umfasst auch die Reflexion metasprachlicher Fragen, die in Unternehmen gestellt werden müssen: Welche Rolle spielen Sprache und (interne sowie externe) Kommunikation für Unternehmen in Bezug auf die Identitätskonstruktion? Wie wird das Potential der Sprache bei der Konstruktion von CI eingesetzt und reflektiert? Sind die konstruierten Identitäten kohärent und semantisch nachvollziehbar? Welche unternehmenstypischen sprachlichen Zeichen (corporate wording) sowie Inhalte sind in spezifischen Wissensbereichen erwartbar? Natürlich sind auch, neben sprachlich-kommunikativen Kriterien, soziale, kulturelle und politische Dimensionen dabei von Bedeutung, da Unternehmen, neben ihrer betriebswirtschaftlichen und organisationalen Rolle, auch in den gesellschaftlichen, politischen und volkswirtschaftlichen Diskurs eingebettet sind. Da jedoch erst durch sprachliche Zeichen abstrakte Sachverhalte wie Corporate Identity in der Welt hergestellt werden können, hat die linguistische Betrachtung eine fundamentale Wichtigkeit für CI-Konzepte.

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22. Corporate Wording® – Darstellung eines strategischen und operativen Konzepts aus der Praxis Abstract: Im Mittelpunkt der Corporate Wording-Strategie steht das Sprachklima, das durch Wortlaut und Sprachstil geprägt wird. Die im Leitbild kommunizierten Markenwerte bilden den Maßstab. Das CW-Manual liefert Vorgaben zu vier Dimensionen für Textqualität: Lesbarkeit, Konsistenz, Wortvielfalt und Emotionsgehalt. SoftwareTools messen das Sprachklima, optimieren Schwachstellen, prüfen den Wortlaut und bieten Alternativen. Die wesentlichen Ziele des Corporate Wordings lauten: Identität stärken, Image positiv beeinflussen, Schreibprozesse vereinfachen, Kommunikation individualisieren und Content reduzieren. Die Strategie ist mit der 4-Farben-Sprachmethode verknüpft. Farb-Codes bilden eine Brücke zwischen Grundfunktionen der Sprache und der menschlichen Wahrnehmung. Mitarbeiter lernen markenkonformes Texten – relevant für Zielgruppen unterschiedlichster Lebenswelten. Corporate Wording hat sich seit 20 Jahren bewährt und kontinuierlich weiterentwickelt auf dem Weg von der unternehmerischen Schreibkultur hin zum Corporate Wording-Engineering. Heute wollen Unternehmen Lösungen, welche das Schreiben und Lesen vereinfachen, die Kommunikation durch Standards individualisieren und die Zeit vom Erstellen der Texte bis zur Veröffentlichung deutlich verkürzen. 1 Identität durch Corporate Wording 2 Sprache als Produktivfaktor nutzen 3 Sprachliche Identität schaffen 4 Die Methode der 4-Farben-Sprache 5 Kommunikation industrialisieren 6 Literatur

1 Identität durch Corporate Wording Corporate Wording – das sprachliche Element der Corporate Identity – ist sowohl in der strategischen als auch in der operativen Kommunikation angesiedelt. Im Englischen steht corporate für vereinigt, körperschaftlich, korporativ und wording für Fassung, Formulierung, Wortlaut. Die erlebbar gemachte Unternehmensstrategie (Identity) wird mit Design-Konstanten wie Firmenzeichen, Typografie, Farbe etc. und Verhaltenskonstanten (Beha-

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vior) wie Führungsstil, Arbeitsklima, Kundenkontakt, Problemlösung etc. unterstützt, während Corporate Wording mit sprachlichen Konstanten die Identität prägt. Gemeinsam halten die Design-, Behavior- und Wording-Konstanten alle Teile einer Unternehmung in einem klar erkennbaren Kontext zusammen. Die drei Konstanten vermitteln die Gesamthaltung und bringen die Unternehmung durch Differenzierung in die angestrebte Marktposition. Corporate Wording greift in Design und Behavior ein, da beide Konstanten auch sprachlich zu definieren sind. Jeder weiß um die Macht der Worte und dennoch ist zu erkennen, dass sich Firmen mehrheitlich mit einem Corporate Design-Programm und Verhaltensregeln begnügen. Selbst einzelne Großunternehmen verfügen weder über ein sprachliches Regelwerk noch pflegen sie ihre Terminologie. So geschah es in einem Fall, dass für ein und dasselbe Produkt sechs verschiedene Bezeichnungen im Unternehmen kursierten. Auch Konzernen mangelt es meist an einem ‚Kompetenzzentrum Sprache‘. Eine der Ursachen: Unternehmen sind sich bis heute im Unklaren darüber, wie sie sich über CW strategisch beraten lassen sollen und wer dafür im Haus zuständig ist: das obere Management, ein Teilbereich des Marketings bzw. der Werbung, die interne oder externe Unternehmenskommunikation oder gehört CW in den Bereich Design? Vielfach wird im Top-Management angenommen, es ginge bei CW um ‚weiche‘, also nicht messbare Faktoren. Führungskräfte aus Marketing und Kommunikation, die um die Bedeutung der Sprache wissen und Schwachstellen erkennen, stehen vor einem anderen Problem: Sie müssen bei Etat-Anträgen für CW-Projekte hieb- und stichfeste argumentative Fakten liefern, damit der Vorstand das Problem, die Priorität und den Nutzen in eine Projekt-Investition erkennt. Sonst besteht die Gefahr, dass CW unter Luxus oder ‚nice to have‘ eingestuft wird, wofür kein Budget bereitgestellt wird. Vorurteile, es handle sich bei CW um Zensur oder um ein Sprachkorsett und man stieße bei Mitarbeitern auf Widerstand, stellen weitere Hürden dar. Das Optimieren von Texten in kundenfreundliche Sprache wird vielfach als Kostenfaktor ohne Return on Investment gesehen. Kundenbefragungen nach einem CWProjekt bestätigen aber, dass durch die Investition in kundenfreundliche Sprache das Image positiv beeinflusst wurde (z. B. durch einen Posttest mit 300 Versicherungsentscheidern zwischen 18 und 59 Jahren durch das Marktforschungsinstitut YouGov im Auftrag einer Rechtsschutzversicherung). Weitere Daten ergeben sich aus praktischen Anwendungen des hier vorgestellten CW-Modells: – Content-Optimierung in Standard-Dokumenten reduziert redundante Inhalte um 25 % und mehr. Dies wurde in Projekten dadurch nachgewiesen, dass Textdokumente zu verschiedenen Themen und aus unterschiedlichen Bereichen zusammengeführt, in Sätze zerlegt und dann ein Dublettenabgleich durchgeführt wurde. Auch mit Hilfe eines Translation-Memorys einer CAT-Software (CAT steht für Computer-aided Translation) kann dies ermittelt und der Zeitaufwand für künftige Aktualisierungen reduziert werden. – CAT-Software ermittelt die Zeitersparnis beim Optimieren von Texten durch Wiederverwenden von identischen oder nahezu identischen Textmodulen

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(Fuzzy-Match). Die Zeitersparnis durch diese Funktion wird vom Programm statistisch erfasst. 15 % ermittelte Zeitersparnis durch Einsatz der beschriebenen Softwaretechnologie bedeuten zum Beispiel bei 1.000 Mitarbeitern, die an 220 Arbeitstagen pro Jahr täglich nur 100 Minuten Texte optimieren oder neu erstellen, 55.000 Stunden Ressourcen-Gewinn in einem Jahr. – 30 bis 40 % Kostenersparnis beim Bereitstellen lokaler Informationen in einer Fremdsprache durch intelligente Software-Unterstützung (Beispiel: ProjektResultat „Sprache & Kommunikation“ in einem Unternehmen für Umwelt- und Energietechnik). Hinzu kommen höhere Konsistenz in der Terminologie, leserfreundliche Textqualität und in der Folge weniger Rückfragen seitens der Mitarbeiter oder Kunden, weil die Inhalte nun verstanden werden (Beispiel: Interne Auftragsstudie „DocCheck“, Bildkom, Zürich; 150 Kundenbefragungen über Verständnis und Klarheit von Rechnungen im Auftrag einer Schweizer Versicherung im Rahmen eines CW-Projekts). Die strategische Identitätskommunikation setzt voraus, dass das Unternehmen vom Wert der Unternehmenssprache von vornherein überzeugt ist. Dieses Selbstverständnis bringen Unternehmen mit, die bereits erfolgreich sind. Die Ravensburger AG, ein Spiele- und Buchverlag, setzte als erstes deutsches Unternehmen Corporate Wording in die Tat um. Die damalige Vorstandsvorsitzende, Dorothee Hess-Maier, begründete das so (Förster 1994, Umschlag-Rückseite): Wir geben vielfältige Botschaften – schriftlich wie mündlich – an die Außenwelt und richten sie auch nach innen. Wenn unverständliche Texte an den Kunden gehen, wenn wir Mitteilungen an unsere Mitarbeiter verfassen, wenn wir hochachtungsvoll grüßen oder Tschüss an einen Autor schreiben, dann hat das mit Kommunikation und noch präziser mit Wording zu tun – mit der Formulierung, dem gewählten Wortlaut, mit dem persönlichen Stil und dem Geist des Hauses. Corporate Wording zeigt den Weg zu einer homogenen Unternehmenssprache.

Die Vorstandsvorsitzende wusste schon damals: Corporate Wording ist ein Produktivfaktor wie Arbeit, Boden und Kapital. Sprachbewussten Unternehmen, die tiefgründig CW implementiert haben, liegen bedeutende, messbare Auswirkungen vor. Mit der Folge, dass in weitere CW-Teilprojekte investiert wird. Erst wenn Schwachstellen offensichtlich und Imageprobleme bekannt sind, entsteht Handlungsbedarf. Typische Auslöser für ein CW-Projekt: zunehmende Kundenbeschwerden, schwerfälliger sprachlicher Auftritt im Vergleich zu den Wettbewerbern, zu viele Rückfragen durch Missverständnisse bis hin zur Personalabteilung, die wahrgenommen hat, dass sich mögliche Bewerberkandidaten mehr für die Konkurrenz interessieren. Lebenswichtig für ein CW-Projekt sind erstens die Ressourcen, die seitens der Unternehmensleitung dafür freigegeben werden müssen, zweitens Sprachsensibilität sowie Offenheit für konstruktive Sprachgestaltung und drittens eine solide finanzielle Basis. Dies schafft den erforderlichen Freiraum, in dem der CW-Berater

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mit seinem Kunden das Projekt in einem überschaubaren Zeitrahmen durchführen kann. Vorausgesetzt werden Erfahrung und Sachkenntnis, um die ganzheitlich gestellten CW-Aufgaben für integrierte Kommunikation lösen zu können. Bei aller Unterschiedlichkeit der Definitionen des Begriffs Corporate Identity (CI) kann doch als übergreifende Gemeinsamkeit festgehalten werden, dass sich CI aus dem Zusammenspiel dreier Faktoren ergibt: Es geht um den abgestimmten Einsatz von Verhalten, Kommunikation und Erscheinungsbild nach innen und außen. Daraus ergibt sich, dass sich strategische Identitätsführung aus drei Disziplinen zusammensetzt. Doch als CI und Corporate Design in den 1980er-Jahren in Unternehmen Einzug fanden, hatte man die Sprache übersehen. So entstanden seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts verschiedene Zugänge zu diesem dritten Faktor der CI, der Kommunikation. Ein wegbereitendes Konzept ist das des Corporate Wording (Förster 1994), dem später weitere Ansätze wie Corporate Language, Tonality, Verbale Identity oder Wording folgten. Im Folgenden wird ausschließlich auf das erstgenannte Konzept Bezug genommen und seine Praxistauglichkeit beschrieben. Von Beginn an steht in diesem Konzept das Sprachklima im Mittelpunkt, welches Corporate Design und Corporate Behavior unterstützt: – Sprachklima: Werte und Leitbild werden mit Hilfe der 4-Farben-Sprachmethode definiert und in der gesamten Organisation ‚übersetzt‘. Das Sprachklima, die Atmosphäre, der Eindruck, den der Leser gewinnt, wird durch den Wortlaut und Sprachstil in seiner Gesamtheit geprägt. – Wortlaut: Eindeutige Terminologie, firmentypische Bezeichnungen und durchgängige Schreibweisen schaffen Klarheit. – Sprachstil: Konstruktiv-kreativ in Szene gesetzte Inhalte vermitteln markenkonforme und zielgruppenrelevante Botschaften. Stärker differenzieren, Dialoge individualisieren und gleichzeitig durch Standards Zeit sparen sowie Kosten reduzieren – das sind unternehmerische Ziele, die mit Corporate Wording zu erreichen sind. Manche Agenturen, Berater und Texter verbinden Unternehmenssprache mit ‚einheitlicher Sprache‘. Damit beschränken sie sich auf einen Teilbereich des Corporate Wordings, nämlich auf den Wortlaut, in dem es um das Benennen von Produkten und Leistungen und um das Regeln der Schreibweisen geht, kurz: Terminologie. Auch Corporate Language beschränkt sich auf eine einheitliche unternehmensspezifische Sprache (vgl. Gabler 2014). Bereits bei der ersten CW-Generation stand der Anspruch an eine ‚unternehmerische Schreibkultur‘ im Vordergrund. Dies ist zugleich verknüpft mit dem Fokus auf Kunden. Als Hilfsmittel für Mitarbeiter stand ein CW-Manual mit individuellen Richtlinien und Empfehlungen bereit, ergänzt durch eine nach typologischen Kriterien erstellte Adjektiv-Sammlung. In der zweiten Generation zur Jahrtausendwende kamen Software-Lösungen hinzu, die das Analysieren und Optimieren von Texten vereinfachten (Floskelscanner, F. A. Z.-Institut).

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Seit dem Jahr 2014 werden mit Corporate Wording 3.0 strategische und operative Wege gezeigt (Förster/Förster 2014), wie sich Kundenkommunikation durch industrielle Ansätze individualisieren lässt. Das Wiederverwenden strukturierter Inhalte per CW-Engineering bildet dazu die Basis. In allen drei Entwicklungsstufen orientiert sich CW stets an der grundlegenden Identitätspolitik nach Olins (1990, 152): Zugehörigkeit, Persönlichkeit und Positionierung. Ebenso ist sie darauf gerichtet, mit Sprache Geistiges in Physisches zu verwandeln, damit Identität sinnlich wahrgenommen werden kann. Thiermeyer hat die erwähnte Definition wie folgt präzisiert: „Identitätsharmonie definiert sich über Konzeption, Konsistenz und Kompetenz“ (Förster/Rost/Thiermeyer 2009, 72). Nachhaltige Identitätspolitik sollte den roten Faden in einem CW-Manual bilden – die Richtschnur für Mitarbeiter und Externe mit Redaktionsleitfaden, Regeln, einer Anleitung zum Umgang mit Standards sowie Empfehlungen, bestehend aus zwei Teilen: 1. Handbuch in gedruckter und/oder elektronischer Form, idealerweise im Intranet zum einfachen Transfer von Know-how. 2. Software, welche Textdateien auf das Einhalten der CW-Vorgaben prüft, auf Abweichungen hinweist und alternative Vorschläge liefert. Mitarbeiter lernen auf diese Weise markenkonformes Texten – relevant für Zielgruppen unterschiedlichster Lebenswelten. CW-Tools verbessern die Textqualität durch die Bewertung per CW-Index. Der Mitarbeiter sieht auf einen Blick die Optimierungspotenziale. Dies fördert inhaltliche Konsistenz – konzernweit und multilingual. Das Wiederverwenden optimierter Inhalte wird durch ein ‚Memory‘ ermöglicht. Sobald das Programm identische oder nahezu ähnlich optimierte Texte findet, erhält der Anwender Vorschläge, die er sofort übernehmen kann.

1.1 Die Marke Corporate Wording Corporate Wording ist seit 1994 als Wortbildmarke und seit 1995 als Wortmarke in Deutschland, Österreich und in der Schweiz registriert. Die Marke deckt folgende Bereiche ab: Unternehmensberatung, Veranstaltung von Seminaren, Lehr-, Übungsund Seminarmittel, Druckschriften, Bücher, Datenträger sowie seit 2005 wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen, Forschungsarbeiten, ebenso den Entwurf und die Entwicklung von Computerhardware/-software. Seit 2008 wird Corporate Wording an der OTH, Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden (vormals HAW), gelehrt; ebenso über viele Jahre am Schweizer Zentrum für Unternehmensführung (ZfU)/International Business School.

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1.2 CW-Engineering Da Sprache dem Wandel unterliegt, hat sich auch Corporate Wording in den letzten 20 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Die Informationsflut nimmt immer größere Ausmaße an, weil Produkte und Leistungen komplexer geworden sind. Kürzere Lebenszyklen erfordern häufigere Content-Updates. Das hat zur Folge, dass Mitarbeiter – besonders im Vertrieb – immer mehr Zeit für das Lesen von Informationen aufwenden müssen. Bei einem Finanzdienstleister ergab eine interne Analyse, dass die Vertriebsmitarbeiter pro Woche zwei Tage für das Lesen von Vertriebsinformationen benötigen. Hochgerechnet auf angenommene 10.000 Mitarbeiter (tatsächlich sind es in einem Beispielfall sogar mehr), werden hier enorme Vertriebsressourcen für Akquisition und Beratung verschlungen. Dies wurde abgeleitet aus Daten einer internen Studie zu einem Finanzdienstleister (vgl. auch Förster 2014a). Ziel ist es daher, 1. redundante Informationen zu vermeiden, 2. standardisierte Textmodule in individualisierte Zielgruppen-Vorlagen umzusetzen und 3. durch wiederverwendbare Textmodule den Zeitraum vom Erstellen der Information bis zur Veröffentlichung deutlich zu verkürzen. Dies erfordert eine hohe Textgüte mit Hilfe von intelligentem CW-Engineering: Software optimiert und reduziert Content, ermöglicht medienübergreifendes Wiederverwenden von Inhalten, reduziert Prozesszeiten beim Erstellen der Texte und garantiert durchgängige Textqualität. Die wichtigsten unternehmerischen Kommunikationsziele in CW-Projekten lauten heute: Kundenkommunikation optimieren, schriftliche Dialoge standardisieren, Unternehmenssprache stärker differenzieren sowie Zeit-/Personalressourcen sparen und Kosten reduzieren. Die neue Disziplin CW-Engineering, deren Inhalte diesen Zielen entgegenkommt, hielt 2013 erstmals an der OTH Amberg-Weiden Einzug (Förster/Förster 2014 sowie Förster 2014b).

2 Sprache als Produktivfaktor nutzen Sich untereinander verständigen ist die Voraussetzung eines jeden Miteinanders. Die richtige Wortwahl ist der Schlüssel für den unternehmerischen Erfolg. Ein Unternehmen muss kurz und deutlich sagen können, worum es geht, was es kann und verdeutlichen, wem dies nützt. Diffuse Ad-hoc-Botschaften stehen auf der Tagesordnung, von einer Koordination der Inhalte ist selten die Rede. Kooperation der einzelnen Abteilungen untereinander hat nach wie vor Seltenheitswert. Vielerorts steht das klassische Abteilungsdenken (auch Silodenken genannt) im Vordergrund. Das Kernproblem ist, dass identische oder sehr ähnliche Informationen meist in Silos

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unterschiedlichster Organisationen mehrfach für verschiedene Zielgruppen erzeugt wurden und werden: Tab. 1: Ersteller von identischen oder ähnlichen Informationen für verschiedene Zielgruppen Art der Information

Zielgruppe

Erstellt von…

Verkaufsunterlagen mit ­Spezifikationen

Interessenten allgemein

Marketing bzw. Produkt­ marketing

Design-Information

für Mitarbeiter der Produkt­ entwicklung zum internen Gebrauch

Ingenieuren, Produktmanagern

Gebrauchsanleitung

Kunden, die das Produkt kaufen

Technischen Redakteuren

Schulungsunterlagen

Vertriebsmitarbeiter, ­Verkaufstrainer

Aus- und Weiterbildung

Anleitung über Konfiguration, Installation

interner professioneller Service

Außendienstmitarbeitern

externe Support-Informationen

Kunden, die Hilfe brauchen

Mitarbeitern des Supports

Jede organisatorische Einheit bildet ein Silo. Es gibt keine koordinierende Stelle, die Inhalte an andere Silos weiterleitet. Verschiedene Gruppen erstellen ihre Texte mit unterschiedlichsten Werkzeugen. Obwohl Teile daraus für andere Abteilungen nützlich wären, sind diese oft unzugänglich. Sei es, weil die Abteilungen durch falsches Konkurrenzdenken nicht ineinandergreifen und/oder der Austausch aufgrund inkompatibler Datenformate unmöglich ist. In Großunternehmen mit mehreren Geschäftseinheiten ist es Alltag, dass mehrere Abteilungen wie Entwicklung, Support oder technische Redaktion parallel an einem Thema arbeiten, ohne sich abzustimmen. Diese Scheuklappen-Mentalität lähmt das Unternehmen und erzeugt unnötige Kosten. Ein weiteres Problem: Vielfach wird sich auf die Streuung von Informationen konzentriert und dabei die Resonanz vernachlässigt. Viel Aufwand mit unbekannter Wirkung. Worte, die ihr Ziel verfehlen, ziehen Mehraufwand nach sich: Statt zu erklären, wiederholen sich Unternehmen; statt verständlicher werden sie lauter. Das Gegenmittel: diese Defizite dem Management nachweisen, ihm den Handlungsbedarf bewusst machen und ein professionelles CI-Programm, unterstützt durch CD und CW, aufzeigen. Häufigstes Symptom ist die ‚Hau-Ruck-Kommunikation‘ mit unkontrolliertem werbeorientierten Handeln. Ein Zickzack spontaner Einfälle. Die Ursache: der Reiz der modischen Neuheit, das Bevorzugen vermeintlich kreativer Ausdrucksweisen durch Normabweichungen wie groß, größer, großartig oder das König der Biere. Ein

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weiteres Beispiel lieferte 2013 der kommunikative Wandel der Volksbank Österreich, von Vertrauen verbindet hin zu Volksbank mit V wie Flügel. Das ist weder korrekt noch für Kinder vorbildlich und schon gar nicht identitätsstiftend (Red Bull aus Österreich verleiht bereits Flügel  – eine gewollte Persiflage?). Unternehmen, die auf diese Art von Kreativität setzen, berauben sich der Chance, von vielen Menschen verstanden zu werden. Diese ungesteuerte Kreativität lässt weder einen roten Faden erkennen noch finden sich feste Punkte. Alles Konstante, alles Bindende wird bereits in der nächsten Kampagne als unbequem empfunden, denn es könnte ja der Verdacht entstehen, die eigene oder extern eingekaufte Kreativität sei ausgelaugt. Alles, was auf Konstanz zielt, wird bereits deshalb verdächtigt, kritisch beobachtet und möglichst schnell bekämpft oder vehement abgelehnt. Stattdessen gilt das Auffallende, der Gag, das Clevere, das Überraschende als Wertmesser für kreative Unternehmenssprache. Doch Kreativität selbst erfordert einen Wertemaßstab: die Unternehmenskompetenz. Unternehmen sind Kommunikationsgebilde und das Verhalten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber Außenstehenden ist ein Resultat ihres internen Kommunikationsverhältnisses  – im Positiven wie im Negativen. Umgekehrt bedeutet das: Kundenorientierung ist ebenso eine Forderung an das Denken und Handeln nach außen wie die Maxime im Innenverhältnis. Eine Strategie, die man beherrschen muss: die Reaktion des Kommunikationspartners vorausschauend wahrzunehmen, um seine Fragen zu beantworten, bevor er sie überhaupt stellt. Das Ziel: den Dialog als Prinzip und Einstellung zu einem Kennzeichen der Unternehmenskultur zu machen (vgl. Förster 1994, 19). Je vergleichbarer Leistungen oder Produkte sind, desto wichtiger sind Alleinstellungsmerkmale in der Kommunikation. Mit einem Leitbild, der Definition von Markenwerten und einer Terminologieliste sind die Hausaufgaben lange nicht erledigt. Corporate Wording setzt tiefgreifender an: – Beim Text: Qualität steigern (Lesbarkeit, Konsistenz, Wortvielfalt und Emotionsgehalt). – Bei den Mitarbeitern: Teams zum CW-Change anleiten und zu CW-Textern befähigen. – Beim Kunden: Kundenkommunikation auf Zielgruppen und Bedarfsgruppen zuschneiden. – Beim Inhalt: Dokumente, Prozesse und Kampagnen vereinfachen, Inhalte klar strukturieren und wiederverwenden.

3 Sprachliche Identität schaffen CW ist eine breit angelegte Disziplin. Wo beginnt CW? Und wer ist dafür zuständig? Auch wenn, wie zuvor erwähnt, die wenigsten Unternehmen über ein eigenes Kompetenzzentrum Sprache verfügen: Das Schnittstellenproblem lässt sich dennoch

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lösen, da man mit einem Projekt in unterschiedlichen Abteilungen ansetzen kann. Am besten ist es, wenn Mitarbeiter den Handlungsbedarf erkennen und die Unternehmensleitung hinter dem Projekt steht. Eine mit Kompetenz ausgestattete Spitzenführungskraft sollte die Projektverantwortung übernehmen und lenken. Wichtig ist ein Projektteam, welches das CW-Programm durch die gesamte Organisation trägt.

3.1 Sprachklima definieren Mit Hilfe von Markenwerten kann ein Unternehmen eine markenkonforme Sprache entwickeln und sich damit positionieren. Die Herausforderung liegt darin, dieses Sprachklima durchgängig anzuwenden und in der gesamten Organisation zu ‚übersetzen‘. Dazu ein Beispiel: Ein Unternehmen hat die Markenwerte sportlich, flexibel und servicestark vorgegeben. Diese Markenwerte finden sich wörtlich und indirekt in Textbausteinen der Kundenreklamation wieder: „Wir nehmen Ihre Reklamation sportlich und entschuldigen uns. Flexibilität wird bei uns groß geschrieben, daher haben wir sofort veranlasst, dass Ihnen Ihre servicestarke Vertragswerkstatt ein kostenloses Ersatzteil einbaut.“ Mit der Seefahrt vergleichbar gibt es für CW ein Instrument, mit dem ein Unternehmen strategisch navigieren und auf sprachlichen Kurs gehen kann. Per Fragebogen, der ein semantisches Differenzial nutzt, wird ermittelt, wie das Unternehmen wahrgenommen werden soll. Das Management bekommt dazu eine Reihe gesellschaftlicher Wertebegriffe in Form gegensätzlicher Eigenschaftspaare vorgelegt, die zu bewerten sind. Die Punkte-Auswertung wird auf einem Plan visuell als CW-Kompass in Scheckkartengröße dargestellt. Dieser Plan zeigt vier Felder, deren Flächen unterschiedlich groß sind. Sie geben visuell vor, welcher Mix aus vier möglichen Funktionen der Sprache anzuwenden ist: Information, Garantie, Erlebnis und Kontakt. Auf den Flächen sind die Markenwerte und die per Analyse ermittelten Wertebegriffe verortet, je nach Gewichtung in unterschiedlicher Punktgröße. Mit dieser kompakten Darstellung sehen die Mitarbeiter und externen Agenturen auf einen Blick das angestrebte Sprachklima. Die hier genannten Sprachfunktionen wurden Anfang der 1990er-Jahre als Modell für das hier vorgestellte Konzept definiert und theoretisch begründet (vgl. Förster 1994, 1995, 2001, 2009, 2014b).

3.2 Wortlaut regeln Hier geht es um das Festlegen von Benennungen und Schreibweisen. Durchgängiger Wortlaut garantiert produktive Kommunikation mit verständlichen Inhalten, die im Kontext stimmig sind.

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Überall, wo Fachwissen erarbeitet, dargestellt, vermittelt und umgesetzt wird, ist Terminologie notwendig. Wer darauf verzichtet, verursacht Kosten durch Missverständnisse, Rückfragen, Verwechslung, falsche Produktbedienung und ähnliche Folgen. Die Terminologiearbeit besteht aus dem Erfassen, Beschreiben und dem Zugänglichmachen von Fach-/Firmenwortschätzen in Wörterverzeichnissen, Datenbanken und Textanalyse-Tools. Terminologie spart Ressourcen, fördert Verständnis und stärkt die Identität. Typische identifizierte Schwachstellen in Unternehmen sind inkonsistente Schreibweisen von Komposita im Umgang mit Bindestrichen sowie abweichende Benennungen von Produkten und Leistungen innerhalb einer Unternehmung. Beispiele: Abweichende Produktbenennungen durch Nutzung von Synonymen: Instrumententafel/Armaturenbrett Abweichende Schreibweisen eines Produkts bzw. einer Leistung: 7G-tronic/7G-TRONIK Rechts-Service/Rechtsschutz Abweichende Rechtschreibung in einem Dokument: so dass/sodass Potential/Potenzial Abweichung von Duden-Empfehlungen: 80-er Jahre statt 80er-Jahre Joint Venture statt Joint-Venture

Die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtschreibung ist in den meisten Unternehmen angekommen – gefolgt von der Terminologie. Seltener wird der Umgang mit Variantenwörtern und Dialekten geregelt. Dies hat Folgen und führt zu bemerkenswerten Phänomenen: So verordnet beispielsweise eine US-Hotelkette in der Schweiz ihren Mitarbeitern, grundsätzlich Grüezi als Anrede in allen Geschäftsbriefen zu nutzen. Damit will man Vertrauen wecken und die Nähe zu Schweizern schaffen. Dem stehen Schweizer Traditionsfirmen gegenüber, bei denen Helvetismen unerwünscht sind. ‚English only‘ kommuniziert zum Beispiel die 1939 gegründete Pilatus Flugzeugwerke AG, die auf der Homepage mit Welcome Pilatus Aircraft grüßt. Lediglich die Überschriften und das Bedienermenü können auf Deutsch umgeschaltet werden. Einerseits ‚Crafted in Switzerland‘ und andererseits eine unternehmerische Entscheidung gegen die regionale Sprachidentität: ein Widerspruch? Dabei zeigt das Variantenwörterbuch des Deutschen (Ammon 2004), welche Möglichkeiten sich bieten. Das Gemeinschaftswerk einer Arbeitsgruppe der Universitäten Basel, Innsbruck und Duisburg enthält rund 12.000 Wörter und Wendungen, die nationale oder regionale Besonderheiten aufweisen, und  – wenn vorhanden  – ihre allgemeinen Entsprechungen. Auf fachsprachliches, veraltetes Wortgut und Dialekte wurde bewusst verzichtet. Ergänzt sind die Einträge durch Angaben zu Stilschicht, Normebene, Alter, Frequenz und Verwendungsbereich. Nützlich für Corporate Wording sind die Variantenangaben. Bei mehreren Entsprechungen innerhalb

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einer Nation werden zuerst spezifische, dann unspezifische Varianten aufgelistet. Beispiele: Bürli CH, Laibchen A, Semmel A, D-nordwest/südost, Weckerl A, D-südost, Brötli CH, Mutschli CH, Weggen CH, Brötchen D-nord/mittel, Rundstück D-nordwest, Schrippe D-nordost (bes. Berlin), Wecken D-südwest. Sprachbewusste Unternehmen, die ihre regionale Identität fördern wollen, können mit Hilfe dieses Wörterbuches ihren Wortschatz bereichern. Der professionelle Umgang mit der Vielsprachigkeit lässt sich als Identitätsmerkmal sehr gut nutzen, denn es kann das Image eines Unternehmens durch seine regionalsprachliche Note positiv beeinflussen. Dem Schweizer Uhrenhersteller Swatch gelang es in den 1990erJahren, nach eigenen Angaben mit dem einzigartigen Image verknüpft zu sein, die „fünfte Nationalsprache der Schweiz“ zu sprechen  – neben Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch die unverkennbare Sprache „Swatch“: Die Texte lesen sich, wie die Uhren aussehen, individuell, spritzig – eine semantische Visualisierung des Produktdesigns (Quelle: Förster, 1994, 21). 19 Jahre später gab die Swatch Group zu deren dreißigjährigem Bestehen ihren Geschäftsbericht 2012 – neben Englisch und Französisch – in Schweizerdeutsch heraus. Dabei handelte es sich – so der Hinweis auf der Titelseite  – um eine ‚Einmaligi Dialäkt-Usgaab‘ (Swatch Group 2012). Dazu erhielt der Verfasser dieses Beitrags folgendes identitätsbildendes Begleitschreiben: Sehr geehrti Dame und Herre, Mir freuet eus sehr, Ihne euseri Schwiizerdütschi Fassig vom Swatch Group Geschäftsbericht überreiche z’chöne. Mir wünsched Ihne e interessanti Lektüre! Mit fründliche Grüess THE SWATCH GROUP LTD. Naya Hayek Präsidentin des Verwaltungsrates

Im Geleitwort des Geschäftsberichts nennt die Swatch-Verwaltungsratspräsidentin Nayla Hayek den Grund der schweizerdeutschen Fassung: Die Sprachwahl soll die starke Identifikation des Konzerns mit der Schweiz und deren Werten belegen. Kein Marketing-Gag: „Das isch wahri Swissness“, schreibt Hayek auf Seite 3 ihres Geleitwortes. Den in Schweizerdeutsch gehaltenen Geschäftsbericht will man als positive Provokation verstanden wissen. Strategisch bieten sich jenseits des Dialekts innerhalb des Variantenwortschatzes mehrere Möglichkeiten an: entweder individuelles, lokales, regionales und nationales Sprachklima in einem vielseitig geprägten Europa bewahren oder sämtliche Texte nach der deutschen Standardsprache auszurichten – in jedem Fall aber konsequent und durchgängig. Es ist möglich, mit Hilfe von CW-Softwaretools Texte nach Variantenwörtern zu durchsuchen und zu ersetzen. Zum Beispiel von Standard-Deutsch (Aufkleber, Taschentuch) in die regionale Variante der Schweiz (Vignette, Nastuch)

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oder in die regionale Variante Österreichs (Pickerl, Sacktuch) und auch umgekehrt – je nach Imageziel.

3.3 Sprachstil gestalten Bei CW geht es um konstruktive Kreativität mit standardisierten Stilmitteln, die Mitarbeitern helfen, ein Thema im vorgegebenen Sprachklima in Szene zu setzen. Konstruktive Kreativität entsteht durch systematisches Handwerk. Zunächst ist die Frage zu stellen, in welchem Stil das Unternehmen den Empfänger ansprechen will: betont sachlich, konservativ, erlebnisreich oder emotional? Welcher Stil passt zum Anliegen und zur Zielgruppe? Bei der Entwicklung der CW-Strategie wurden Dokumenttypen/Textgattungen im Gesamtkontext definiert: Objekt-, Sach-, Vertrags- und Reiztexte. Objekttexte beinhalten elementare Informationen über Material, Form, Farbe, Zeichen etc. oder enthalten komplexere Beschreibungen über Konstruktion, Funktion, Bestandteile etc. Sachtexte beschreiben die Wirkung, Bedienung und Ökonomie einer Sache. Vertragstexte liefern Informationen über Kaufmodalitäten wie Service, Präsenz, Entgelt oder Kontakt. Das Vermitteln von Informationen über die Anmutung eines Produkts oder die damit verknüpften Erlebnisse und Empfindungen  – die Reiztexte  – bilden den Gegenpol zu den vorgenannten Sachinhalten. Das Intuitive, Unbewusste steht hier im Vordergrund: Ästhetik, sinnliche Wahrnehmungen ebenso wie der Antrieb, sich für eine Sache zu entscheiden wie Selbstbestätigung, Besitzwunsch, Geborgenheit, Geselligkeit oder Freude. Im nächsten Schritt wurde der Fokus auf Funktion und Wirkung einzelner Wörter – unabhängig vom Kontext – gelegt. Erfolg oder Misserfolg von geschriebenen Botschaften werden in erheblichem Maße von der Wortwahl bestimmt. Worte erzeugen Wirkungen und können emotionale Impulse und/oder Kopfbilder auslösen. Die Klangfärbung kann positive oder negative Assoziationen auslösen. Im Rahmen der CW-Strategieentwicklung wurden vier Grundfunktionen der Sprache identifiziert und definiert:

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Tab. 2: Vier Grundfunktionen der Sprache Sprachfunktion

Information

Garantie

Erlebnis

Kontakt

Inhalte

Zahlen Daten Fakten

Sicherheit Tradition Ordnung

Vision Idee Begeisterung

Emotion Herz ­Sympathie

Anwendung

Techniken begreiflich machen und mit Fakten belegen

Zuverlässigkeit und Qualität dokumentieren

Vielseitigkeit, Innovation und Kreativität darstellen

Partnerschaft und Gemeinsamkeit erlebbar machen

Rhetorik

rational begründen, faktisch argumen-tieren, logisch erklären

empfehlend argumentieren, historisch erläutern, qualitativ überzeugen

pfiffig erklären, bildhaft skizzieren, erlebnisreich umschreiben

persönlich ansprechen, gefühlsbetont argumentieren, moralisch begründen

Nutzen

Leistung

Stabilität

Freiheit

Behagen

Über 250.000 deutsche Wortformen wurden nach dieser Klassifizierung in einer Datenbank erfasst. Damit steht ein umfangreicher Fundus für Textkonzeptionen und -analysen bereit, inzwischen auch in US-Englisch. Mit Hilfe sekundärstatistischer Daten wurde die Datenbank im Laufe der Jahre um Metadaten und Synonyme erweitert. Beispiele: Tab. 3: Auszug aus der Datenbank Sprachfunktion

Information

Garantie

Erlebnis

Kontakt

Adjektive

einhundertprozentig, exakt, zweifellos, gezielt, gewinnorientiert

anerkannt, beständig, erfahren, ­geordnet, korrekt

aktiv, bunt, frech, impulsiv, quirlig

abgerundet, angenehm, gemütlich, hilfsbereit, nah

Adjektive mit hohem Bildgehalt

hoch, groß, quadratisch, spitz, lang

alt, ruhig, schweigsam, still, einsam

sonnig, nackt, bunt, farbig, blond

rund, bergig, warm, oval, weich

Verben mit hohem Bild­ gehalt

fliegen, brennen, trinken, backen, braten

essen, heiraten, wandern, basteln, niesen

lachen, malen, sehen, leuchten, freuen

küssen, lieben, umarmen, weinen, schwimmen

Substantive mit hohem Bild­ gehalt

Hammer, Kreis, Sportplatz, Gabel, Quadrat

Erdbeere, Frosch, Kartoffel, Pferd, Wald

Pfeil, Sonnen­ aufgang, Gewitter, Junge, Maler

Mutter, Busen, Blut, Feuer, Blüte

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Emotionale Assoziationen, die Wörter auslösen, lassen sich mit den grundlegenden und interkulturell gültigen Gefühlsdimensionen Valenz, Potenz und Erregung messen. Im Rahmen eines Dissertationsprojekts von Tobias Schröder an der Humboldt-Universität entstand das Gefühlslexikon der deutschen Sprache (Schröder 2009). Dieses ist wiederum ein Teil des internationalen Forschungsprojektes Magellan zur Messung sprachlich ausgelöster Emotionen. In Deutschland haben über 2.000 Personen den emotionalen Gehalt von 373 Identitäts- und 393 Handlungswörtern sowie 331 Wörtern, die emotionale Zustände oder Eigenschaften bezeichnen, bewertet. Diese Daten konnten 2011 als Grundlage für ein Nachschlagewerk (Förster 2011b) verwendet werden. Diese Wörter wurden nach den vier Grundfunktionen der Sprache sowie nach Themen unterteilt und innerhalb dieser nach den Rangfolgen der Bewertungen sortiert. Auch Stilmittel lassen sich nach den vier Grundfunktionen der Sprache unterteilen (Förster 2011a): Sachlich texten (Informationsfunktion) Sachliche Konzepte: Alleinstellung, Fakten, Preis/Leistung, Technik, Prestige Inszenierungen/bevorzugte Stilmittel: Alliteration, Alternative, Analogie, Anapher, Ankündigung, Appell, Aufforderung, Behauptung, Frage/Antwort, Konsequenz, Lexem etc. Konservativ texten (Garantiefunktion) Konservative Konzepte: Experte, Lehrer/Schüler, Test, Vorher/Nachher, Vergleich Inszenierungen/bevorzugte Stilmittel: Analogie, Anlehnung, Anrede, Defätismus, Name-Dropping, Nostalgie, Tradition, Problemlösung, Ratschlag, Sprichwort/Redensart/Zitat etc. Erlebnisbetont texten (Erlebnisfunktion) Erlebnisbetonte Konzepte: Humor, Glamour, Lifestyle, Textbilder, Exklusivität Inszenierungen/bevorzugte Stilmittel: Analogie, Anglizismus, Antithese, Barbarismus, Ironie, Klimax, Konfrontation, Lexem, Metapher, Neologismus, Neuheit, Popularisierung, Widerspruch, bildhafte Story etc. Emotional texten (Kontaktfunktion) Emotionale Konzepte: Besonderheit, Erotik, Schuldgefühl, Sinnlichkeit, Umwelt Inszenierungen/bevorzugte Stilmittel: Ästhetik, Appell, Human Touch Story, Mutlosigkeit, Projektion, Suggestion, Sympathie, Temperatur etc.

Ergänzend zu diesen Konzepten und Stilmitteln gibt es eine Anleitung zur Ideenfindung, die sich aus Fragen und Synonymen zusammensetzt (Förster 2011a). Ein Auszug daraus:

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Landschaften Mit welchen typischen Landschaften können Sie Ihr Produkt/Ihre Leistung in Verbindung bringen? (Bergland, Wattenmeer, Wüste…) Mit welchen typischen Teilen einer typischen Landschaft können Sie Ihr Produkt/Ihre Leistung in Verbindung bringen? (Berge: ewiges Eis, Meer: Muscheln, Wüste: Oase…)

Dieser Fragen- und Synonymkatalog führt durch Bereiche wie Naturphänomene, Ortschaften, Menschen/Persönlichkeiten, Merkmale/Körperteile des Menschen, Berufe/ Berufsstand, Tiere, Pflanzen/Blumen, Nahrungs-/Genussmittel, Objekte/Gegenstände, Materialien, Ereignisse, Erlebnisse/Situationen, Sinne/Wahrnehmungen und Farben. Über diese gestützte Assoziationstechnik entstehen Ideen-Favoriten. In einer zweiten Brainstorming-Phase werden die Ergebnisse mit Hilfe folgender Fragen vertieft: Höhenflug: Wer sind die ‚Eltern und Großeltern‘ der Favoriten? Beispiel: Nahrungsmittel = Apfelkern, Eltern = Apfel, Großeltern = Obst Tieftauchen: Wer sind die ‚Kinder und Enkel‘ der Favoriten? Beispiel = Auto, Kinder = PKW, Enkel = Armaturenbrett

Bei der CW-Strategie spielt es keine Rolle, ob und welche Idee einem als Textverfasser gefällt. Gefordert ist das Talent, sich in die Erwartungen, Bedürfnisse und Ziele des Empfängers hineinzuversetzen und gleichzeitig die Ziele des Unternehmens im Auge zu behalten. Entscheidend ist weniger der Einfallsreichtum als vielmehr, für wie relevant die angesprochene Zielgruppe den Inhalt hält: – Decken sich die individuellen Ziele des Adressaten mit der Botschaft? – Passt das Produkt bzw. die Leistung in deren Lebenswelt? – Bietet das Angebot bzw. die Leistung eine neue Idee oder Lösung für die Situationen, in der sich der Adressat gerade befindet? – Deckt sich dessen Image-Vorstellung über das Unternehmen oder über die Marke mit den Zielen der Unternehmensidentität? Vier CW-Faktoren können die Aufmerksamkeit beeinflussen und das Relevanz-Empfinden des Adressaten verstärken: Nutzen, Vertrauen, Erlebniswert und Attraktivität. Das funktioniert, indem der Texter der Zielgruppe ein vertrautes Alltagsthema, ein Problem oder ein Bedürfnis thematisiert – entweder in gewohnter oder in neuartiger Weise. Unbewusst schenkt der Empfänger der Botschaft eine besonders hohe Aufmerksamkeit, wenn sie ihm neuartig erscheint. Je ungewöhnlicher eine Botschaft wirkt, desto mehr steigt die Aufmerksamkeit.

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Tab. 4: Beispiel, wie der Grad einer Neuigkeit die Aufmerksamkeitsintensität beeinflussen kann (Quelle: Förster/Rost/Thiermeyer 2009, 66) Intensität der ­Aufmerksamkeit

Grad der ­Neuigkeit

Inhalt

sehr gering

gewöhnlich

Der Inhalt gleicht einer bereits gemachten Erfahrung, ist glaubwürdig aber kaum begehrenswert.

gering

relativ ­gewöhnlich

Der Inhalt entspricht im Wesentlichen der Situationserwartung der Zielgruppe (im Alltag vertraut und bewährt thematisiert).

hoch

relativ neu

Der Inhalt weicht in einigen wichtigen Betrachtungsweisen von der Erwartung einer typischen Situation ab (vertrautes Thema wird aufgegriffen und neuartig inszeniert).

sehr hoch

völlig neu

Der Inhalt weicht stark von den gewohnten Erwartungen an die Situation ab (z. B. etwas Unerwartetes, Raum-/Zeit-Verschiebung, ungewöhnliche Form oder Gestalt). Vorsicht: Übertreibungen können unglaubwürdig wirken, dadurch sinkende Relevanz.

Hohe Aufmerksamkeit allein ist keine Garantie dafür, den Empfänger zu überzeugen. Wer ihn allein durch originelle, überraschende, unkonventionelle, freche oder provokative Ad-hoc-Aktionen gewinnen will, verliert auf lange Sicht. Dem Neuartigen, Ungewöhnlichen wird nur dann auf Dauer eine besonders hohe Aufmerksamkeit zuteil, wenn der Nutzen erkannt wird. Erst dann ist es für den Adressaten relevant. Das Problem: Je nach Typus wird der Nutzen unterschiedlich oder im schlimmsten Fall überhaupt nicht wahrgenommen. Zum Beispiel sehen Rationalisten einen Nutzen, wenn das Neuartige günstig ist und einem logischen Zweck dient. Dagegen erkennen Emotionale den Nutzen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie mit dem Angebot attraktiver wirken (z. B. extrovertierte Wirkung mit einem raffinierten ModeAccessoire). Kommunikation ist dann wirkungsvoll, wenn sie sprachlich effizient auf kommunikative Ziele ausgerichtet ist. Menschen haben Ziele und brauchen sie. Dafür stehen ergänzend zu den Sprachfunktionen vier typische Ziele und Typen (Archetypen) bereit, die sich mit den vier Sprachfunktionen verzahnen lassen. Diese Korrelationen sind in verschiedenen CW-Lehrgängen (Förster 2006, 2007, 2014a) dargestellt worden. Das daraus abgeleitete Zielartenkonzept dient als Grundlage ebenso in CW-Projekten. Im CW-Buch 2014 wurden die CW-Archetypen um CW-Prototypen erweitert, in Clustern zusammengefasst und definiert. Geprüft wurde, ob möglichst viele Profilmerkmale sich ähnlich oder unähnlich sind. Möglich ist das mit Hilfe von Textanalysen nach der 4-Farben-Sprachmethode, in denen z. B. Profilbeschreibungen oder Kundenbriefe und Kundendialoge aus dem Internet analysiert werden. Daraus wurden folgende Relevanz-Maßstäbe skizziert:

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Relevanz-Maßstab für Perfektionisten: Nutzen (überzeugend oder unnütz?) Wörter mit Informationsfunktion für den CW-Typus Perfektionist: Zahlen, Daten, Fakten für perfektionistische Archetypen. Cluster: vom Schrittmacher der Leistungselite bis zu Menschen mit Handicaps in prekärer sozialer Lage. Ziele (Nomen/Verb/Adjektiv): Stärke, besinnen, willensstark. Relevanz-Maßstab für Konservative: Vertrauen (glaubwürdig oder unglaubwürdig?) Wörter mit Garantiefunktion für den CW-Typus Konservativer: Tradition, Nachweis, Ordnung für konservative Archetypen. Cluster: von der kleinbürgerlichen Kriegs-/Nachkriegsgeneration über den Mainstream bis hin zur gehoben Schicht der Besitzbürgerlichen. Ziele (Nomen/Verb/Adjektiv): Stetigkeit, festhalten, beständig. Relevanz-Maßstab für Intuitive: Erlebnis (ideenreich oder phantasielos?) Wörter mit Erlebnisfunktion für den CW-Typus Intuitiver: Vision, Idee, Begeisterung für intuitive Archetypen. Cluster: von Spaßorientierten der unteren Mittelschicht bis zum visionären Unkonventionellen und wohlhabenden Abenteurer. Ziele (Nomen/Verb/Adjektiv): Veränderung, erweitern, neu. Relevanz-Maßstab für Emotionale: Attraktivität (begehrenswert oder unattraktiv?) Wörter mit Kontaktfunktion für den CW-Typus Emotionaler: Sympathie, Emotion, Herz für emotionale Archetypen. Cluster: vom familienliebenden Mainstream bis zu sozial und ökologisch Engagierten. Ziele (Nomen/Verb/Adjektiv): Stimulans, anregen, reizvoll.

Damit wurde eine Brücke zwischen typischen Wörtern und typischen Adressaten gebaut. Für Sprachstil oder Wortwahl gilt: Der Idealfall tritt ein, wenn die Botschaft im gesamten Kontext zu dem Ziel, der Lebenswelt, der momentanen Situation und der Markenerwartung des Adressaten passt. Ein nach wie vor nützliches Hilfsmittel, um mit treffender Wortwahl in unterschiedlichste Lebenswelten von Zielgruppen einzutauchen, ist das onomasiologisch ausgerichtete Wörterbuch von Dornseiff (2004). Darin ist der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen geordnet. Der Schreibende findet darin bedeutungsverwandte Wörter, mit denen er seine Texte präziser und typgerechter formulieren kann. Stimmt der Inhalt mit der Lebenswelt des Adressaten überein, herrscht eine Art Gleichklang in Lebensauffassungen, Lebensweisen und im Konsumverhalten. Sender und Empfänger liegen auf ein und derselben Wellenlänge.

4 Die Methode der 4-Farben-Sprache Die CW-Strategie ist eng mit der 4-Farben-Sprachmethode verknüpft. Während der Entwicklung von Corporate Wording wurde ein praktikables und wirkungsvolles Instrument zur Textanalyse gesucht. Mit ihm sollten sich Texte so markieren lassen, dass auf einen Blick sichtbar wird, wie sich der Sprachklima-Mix gestaltet und welcher Typus überwiegend damit angesprochen wird. Die Lösung (Förster 1994): ein blauer,

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grüner, roter und gelber Farbstift. Als Hilfe wurden die Stifte mit Hinweisen auf die jeweilige Funktion bedruckt. Blau Grün Gelb Rot

Informationsfunktion: Zahlen, Daten, Fakten Garantiefunktion: Nachweis, Tradition, Ordnung Erlebnisfunktion: Visionen, Ideen, Begeisterung Kontaktfunktion: Sympathie, Emotion, Herz

Teilnehmer lernen in Seminaren Wort für Wort subjektiv zu beurteilen und die Wörter farbig zu markieren. Sie erhalten dazu folgende Übungsanweisungen: Nehmen Sie bitte einen x-beliebigen Anzeigentext. Lesen Sie ihn Wort für Wort und unterstreichen Sie die Wörter, die eine der folgenden Bedingungen erfüllen: 1. Blau unterstreichen, wenn… …ein Wort nüchterne Informationen, Zahlen, Daten und Fakten vermittelt. Achten Sie darauf, ob das Wort hart klingt oder in irgendeiner Form sehr technisch auf Sie wirkt. 2. Grün unterstreichen, wenn… …ein Wort irgendwelche Sachverhalte belegt, traditionelle Werte oder Ordnungsprinzipien vermittelt, dem Leser Sicherheiten garantiert oder wenn es konservativ klingt. 3. Gelb unterstreichen, wenn… …ein Wort Ideen und Visionen auslöst, Spaß, Unterhaltung und Witz liefert oder es sehr bildhaft ist und Sie es förmlich ‚sehen‘ können. 4. Rot unterstreichen, wenn… …ein Wort sympathisch klingt, die Emotionen anspricht, die Seele des Lesers streichelt oder Gemüter erhitzt.

Zu welchem Farbstift haben Sie beim Unterstreichen am meisten gegriffen? Welcher Stift blieb ungenutzt? Was sagt Ihnen diese kurze Analyse? Das überzeugende Erlebnis für Seminar-Teilnehmer: Bei der subjektiven kontext­ unabhängigen Beurteilung einzelner Wörter herrscht überwiegend große Übereinstimmung. Die Forschung über Farbassoziationen, unter anderem statistische Erhebungen (Heller 1989) oder Prinzipien der Farbpsychologie (Lüscher 1989), und die Farbenlehre bildeten den Hintergrund und lösten die Idee mit den Farbstiften aus. Menschen verfügen bekanntlich über eine große Palette symbolischer Farbassoziationen. So steht Blau zum Beispiel für Kälte und Rot für Wärme. Seit Generationen basieren solche Farbzuordnungen auf Erfahrungen und Überlieferungen  – im Ergebnis sind dies Verallgemeinerungen. Nicht Newtons Lehre vom Vorhandensein aller Farben im weißen Licht, die erst durch Brechung (Refraktion) des Lichtstrahls sichtbar werden, sondern Goethes Werk Zur Farbenlehre über die ästhetischen Wirkungen auf Auge und Gemüt des Menschen und zum nachbarlichen Verhältnis zur Sprache (Pawlik 1992, 113 f.) führte zur Idee der 4-Farben-Sprachmethode. Jede Farbe ist charakteristisch und stellt Gegensätze her. So setzte Goethe zum Beispiel zu Gelb das Licht und die Wärme und zu Blau den

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Schatten und die Kälte. Solche parallelen Gegensätze findet man wiederum in den psychologischen Funktionen des menschlichen Verhaltens: aktiv zu passiv, liebenswürdig zu kalt, offen zu verschlossen oder intuitiv zu planerisch. In der Temperamentenrose von Goethe/Schiller (zit. nach Förster 2011a, 25) wird sehr anschaulich dargestellt, wie Typologien den Grundfarben und Gegensatzpaaren zugeordnet werden können (Förster 2011a, 24). Mit Hilfe der CW-Farbcodes wurden die bereits erwähnten Wortformen in einer Datenbank klassifiziert. ‚Blaue Wörter‘ nehmen etwas mehr als die Hälfte anteilig ein, ‚grüne Wörter‘ rund ein Drittel. Emotionale ‚rote Wörter‘ haben nur einen Anteil von sieben Prozent und ‚gelbe Wörter‘ bilden mit fünf Prozent das Schlusslicht. Seit der Jahrtausendwende ist es mit Hilfe von Software, zum Beispiel mit einem Add-in für Microsoft Word, möglich, das Sprachklima sichtbar zu machen. Die Wörter werden im Word-Dokument nach ihrer Grundfunktion farbig gekennzeichnet und eine Statistik ermittelt die Farbanteile. Dieses Ergebnis kann mit den Soll-Vorgaben des CW-Kompasses verglichen werden. Bei Bedarf werden mit Hilfe eines farbcodierten Thesaurus einzelne Wörter ausgetauscht – ohne den Sinn und Kontext zu ändern – so, dass die Ist- und Soll-Werte für das Sprachklima weitgehend übereinstimmen.

5 Kommunikation industrialisieren Corporate Wording befasst sich mit dem Mitteilungsinhalt der Sprache. Wie drückt das Unternehmen Sachverhalte aus (= Sender) und welche Botschaften deutet zum Beispiel der Kunde (= Empfänger) aus den sprachlichen Zeichen heraus? Ausgangsbasis ist Karl Bühlers Organonmodell, welches Sprache in die drei Funktionen Darstellung, Ausdruck und Appell unterteilt. Berücksichtigt wurden weitere Modelle, in denen ein Sprechereignis zwischen Sender und Empfänger in weitere Klassen unterteilt wurde, analog zu Friedemann Schulz von Thun und Paul Watzlawick. Ähnliche praktikable Ansätze finden sich in der Sprechakttheorie nach John Langshaw Austin und John R. Searles. Im ersten Corporate Wording-Buch (Förster 1994) wurde das einfache SenderEmpfänger-Modell auf Schriftsprache projiziert: die vereinfachte grafische Darstellung des komplexen schriftlichen Schreib-Lese-Ereignisses zwischen Texter und Leser bzw. Sender und Empfänger. Der Sender überträgt seine Gedanken in Buchstaben und der Leser entschlüsselt diese auf seine individuelle Weise. Wer ‚A‘ denkt, schreibt und sendet, weiß noch lange nicht, ob der Empfänger beim Lesen der Botschaft das ‚A‘ ebenso wahrnimmt und genauso darüber denkt.

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5.1 CW-Kommunikationsmodell 1.0 Identität mit Sprache prägen: Das bedeutet, der Sender ‚übersetzt‘ herkömmliche Texte in eine markenkonforme Sprache und wendet das vom CW-Kompass vorgegebene Sprachklima an.

5.2 CW-Kommunikationsmodell 2.0 Die Sprache des Kunden nutzen: Dazu sei hier das Luther-Zitat aus dem Sendbrief vom Dolmetschen (1530) angeführt: denn man mus nicht die buchstaben jnn der Lateinischen sprachen fragen  / wie man sol Deudsch reden / wie diese Esel thun / Sondern man mus die mutter jhm hause / die kinder auff der gassen / den gemeinen man auff dem marckt drFmb fragen / vnd den selbigen auff das maul sehen / wie sie reden / vnd darnach dolmetschen / so verstehen sie es denn / vnd mercken / das man Deudsch mit jhn redet. (Luther 1530 [1965], 17)

Diese fast 500 Jahre alte Luther-Strategie, die sich zwar auf das Problem des angemessenen Übersetzens aus dem Griechischen und Lateinischen bezieht, ist jedoch aus meiner Sicht auch auf die Unternehmenskommunikation sinnvoll übertragbar (Förster 2011a, 25 und Förster/Lehmann 2013/2014). Für CW bedeutet das: den Empfänger beobachten, ihm zuhören, ihn verstehen lernen und seine Worte nutzen. Dies wurde im Rahmen eines Kundenbeziehungsmanagement-Projekts für das Beantworten von Kundenreklamationen zum Beispiel im Jahr 2004 in einem Automobilkonzern eingeführt. Das Sprachklima eines jeden Kundenbriefes wurde zunächst analysiert und dem Kunden wurde in seiner Sprache mit Hilfe von typgerechten Textbausteinen geantwortet. Vorteil: Der Kunde gewinnt das Gefühl, dass das Unternehmen ihn versteht und ‚seine Sprache spricht‘.

5.3 CW-Kommunikationsmodell 3.0 Markenstarke, kundenrelevante Sprache situativ nutzen, Reaktionen erfassen, daraus lernen und Inhalte individualisieren: Heute nutzen Interessenten und Kunden wie selbstverständlich unterschiedlichste Informationskanäle. Und das Gleiche erwarten sie von Firmen, mit denen sie in Verbindung treten. Kunden erwarten Informationen, die exakt auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind – variable Informationen auf verschiedensten Plattformen. Das Unternehmen sendet künftig auf die Situation zugeschnittene Texte und registriert die Reaktion des Empfängers. Beim Folgedialog oder in der nächsten Kampagne fließt dieses Wissen über Kundenverhalten bereits ein. Dadurch wird der Inhalt für den Empfänger noch stimmiger. Je öfter sich dieser Prozess wiederholt, als desto relevanter empfindet der Empfänger die Inhalte.

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Traditionelle Methoden und Werkzeuge für das Erstellen und Verwalten von Produktinformationen und Leistungsbeschreibungen müssen zugunsten einer neuen Methodik aufgeben werden. Textmodule müssen so erstellt und verwaltet werden, dass diese zur Situation und Zielgruppe passend kombiniert und in mehreren Kommunikationskanälen wiederverwendet werden können. Auf diese Weise standardisierter Inhalt ermöglicht das Individualisieren der Kundenkommunikation. Seit geraumer Zeit existiert die dafür notwendige Technologie für technische Dokumente. Die Sprechakttheorie und der XML-Standard standen Pate. Die Rede ist von Structured Content, Topic-based Authoring, Darwin Information Typing Architecture, Smart Content oder Intelligent Content. Diese Grundlagen wurden 2014 für die dritte Corporate Wording-Generation genutzt und damit die Strategie der industrialisierten Kommunikation entwickelt, publiziert und angewendet. Entsprechend wurde das CW-Kommunikationsmodell der dritten Generation weiterentwickelt. Grundsätzlich erfordert die industrialisierte Kommunikation bei Textern ein Umdenken. Schreibprozesse werden in kleine Portionen zerlegt, die ganz nach Bedarf des Kunden per Bauplan in größere Einheiten zusammengefasst und als individueller Live-Content gesendet werden – sei es als Homepage, als PDF-File, E-Mail oder als klassischer Brief mit Flyer per Post. Dieser strukturierte Ansatz hat etliche Vorteile: – Das Wiederverwenden kleiner Text-Einheiten in verschiedenen Dokumenten und Medien ist einfacher. – Der Inhalt befindet sich frei vom Kontext in einer Datenbank und kann jederzeit für andere Dokumente ‚umfunktioniert‘ oder ‚umgeschichtet‘ werden. – Mehrere Produkte können sich ein und denselben Inhalt teilen. – Identische Textmodule können in mehreren Publikationen wiederverwendet werden. – Die Formatierung wird vom Text getrennt. Dadurch passen sich Inhalte unterschiedlichsten Formatvorlagen an (Multi-Channel-Publishing). – Das Trennen von Text und Format ermöglicht es, Inhalte viel einfacher zu lokalisieren und zielgruppenorientiert zu codieren. Personalisierte Informationen bestehen aus Modulen, die entsprechend der Bedürfnisse und Präferenzen eines jeden Kunden zusammengestellt und gestaltet werden können. Die Text- und Bildbausteine sind mit der industriellen Mass Customization vergleichbar. Das Anpassen von Informationen und Kampagnen an die Bedürfnisse eines einzelnen Kunden ist per Live-Content und Digitalprint möglich. Am Prinzip hat sich nichts geändert: Wer seine Kunden versteht, erkennt deren Bedürfnisse und kann gezielt kommunikativ darauf eingehen. Eine noch heute zutreffende Empfehlung, die aus dem ersten CW-Buch stammt: Man wird um die psychologische Auseinandersetzung zwischen Konsument, Produkt, Unternehmen und Mitarbeiter nicht herumkommen. Ein längst überfälliger Übergang von sach-, marken- und technikorientierten Texten zu einer Schreibkultur, die sich mit Leidenschaft um das Reaktionsverhalten seiner Leser sorgt. (Förster 1994, 88)

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6 Literatur Ammon, Ulrich (2004): Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. Berlin/ New York. Dornseiff, Franz (2004): Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen. Mit einer lexikographischhistorischen Einführung und einer ausgew. Bibliographie zur Lexikographie und Onomasiologie von Herbert Ernst Wiegand. 8., völlig neu bearb. und mit einem vollst. alph. Zugriffsreg. vers. Aufl. von Uwe Quasthoff. Berlin/New York. Förster, Andreas (2014a): Kundenkommunikation. E-Mails, Briefe und Kampagnen – Multi-ChannelMethoden für Print und Digital. Frankfurt a. M. Förster, Hans-Peter (1994): Corporate Wording. Konzepte für eine unternehmerische Schreibkultur. Frankfurt a. M./New York. Förster, Hans-Peter (1995): Neue Briefkultur mit Corporate Wording. Vom Geschäftsbrief zum persönlichen Schreiben. Frankfurt a. M./New York. Förster, Hans-Peter (2001): Corporate Wording. Das Strategiebuch. Für Entscheider und Verantwortliche in der Unternehmenskommunikation. Frankfurt a. M. Förster, Hans-Peter (2006): Texten wie ein Profi mit Corporate Wording. Schriftlicher ManagementLehrgang. Düsseldorf. Förster, Hans-Peter (2007): Texten wie ein Profi mit Corporate Wording. Zertifizierter ManagementFernlehrgang. Thalwil. Förster, Hans-Peter (2009): Mit dem CW-Kompass auf Identitätskurs. In: Klaus Rainer Kirchhoff/ Herbert A. Henzler/Bernd Ziesemer (Hg.): Jahrbuch der Unternehmenskommunikation. Band 3. Berlin, 14–19. Förster, Hans-Peter (2011a): Texten wie ein Profi. Ob 5-Minuten-Text oder überzeugende Kommunikationsstrategie – ein Buch für Einsteiger und Profis. Mit über 5000 Wort-Ideen zum Nachschlagen. 12. Aufl. Frankfurt a. M. Förster, Hans-Peter (2011b): Texten wie ein Profi – kompakt. Das Handbuch. Über 10.000 Wörter, mit denen Sie überall überzeugen und gut ankommen. Frankfurt a. M. Förster, Hans-Peter (2014b): Texten wie ein Profi mit Corporate Wording. Zertifizierter ManagementLehrgang (Blended learning) für OTH Amberg-Weiden und ZfU International Business School. Herrischried/Amberg/Thalwil. Förster, Andreas/Hans-Peter Förster (2014): Corporate Wording® 3.0. Kommunikation industrialisieren. Strukturiert texten, Inhalt wiederverwenden. Frankfurt a. M. Förster, Hans-Peter/Klaus Lehmann (2013/2014): 4-Farben-Sprache. Luthers Strategie neu entdecken. Mit treffenden Worten MEHR erreichen: präzise + vertraut + lebendig + emotional. Herrischried. Förster, Hans-Peter/Gerhard Rost/Michael Thiermeyer (2009): Corporate Wording®. Die vier Erfolgsfaktoren für professionelle Kommunikation. 2., vollst. überarb. Aufl. Frankfurt a. M. Gabler (Hg.) (2014): Gablers Wirtschaftslexikon online. Stichwort: Corporate Language. In: URL: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/corporate-language.html (Zugriff am 19.04.2014). Heller, Eva (1989): Wie Farben wirken: Farbpsychologie, Farbsymbolik, kreative Farbgestaltung. Reinbek bei Hamburg. Lüscher, Max (1989): Die Lüscher-Farben. Zur Persönlichkeitsbeurteilung und Konfliktlösung. München. Luther, Martin (1530): Sendbrief vom Dolmetschen. Hg. von Karl Bischoff. 2., unveränd. Aufl. Tübingen 1965. Olins, Wally (1990): Corporate Identity. Strategie und Gestaltung. Frankfurt a. M./New York.

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Pawlik, Johannes (Hg.) (1992): Johann Wolfgang von Goethe: Farbenlehre. Didaktischer Teil. Textauswahl mit einer Einführung und neuen Farbtafeln von Johannes Pawlik. 8. Aufl. Köln. Schröder, Tobias (2009): Die Theorie der Affektsteuerung als allgemeine Theorie der sozialen Interaktion. Diss., Humboldt-Univ. zu Berlin. URL: http://www.tschroeder.eu/publikationen/ schroeder_diss.pdf (Zugriff am 07.05.2014). Swatch Group (2012): Jahresrächnig 2012. Konzernrächnig. Jahresrächnig vo dä Holding. In: http:// www.swatchgroup.com/de/investor_relations/jahres_und_halbjahresberichte/fruehere_ jahres_und_halbjahresberichte (Zugriff am 23.03.2015).

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23. Vertrauen in der Unternehmens­ kommunikation Abstract: Vertrauen ist ein zentraler Garant für den Erfolg eines Unternehmens sowie ein höchst fragiles Produkt soziokultureller Interaktionsprozesse. Der Beitrag beleuchtet kritisch die Vorstellung, wonach das Management Vertrauen durch instrumentelle Akte erzeugen könne, und fokussiert daneben auf Vertrauen als komplexe (symbolische) Praxis und als etwas, das sich nicht herstellen lässt, sondern das sich als Folge von organisationalen und interaktionalen Veränderungen einstellt. 1 Zielsetzung 2 Vertrauensbegriff, Forschungsrichtungen und Vertrauenstypen 3 Kommunikative und sprachliche Vertrauensquellen 4 Vertrauen und Sprache im Web 2.0 5 Vertrauen und suspekte Redeweisen 6 Fazit 7 Literatur

1 Zielsetzung Vertrauen gilt als Garant für den Erfolg eines Unternehmens und wird in der PR als zentrale Zielgröße neben Akzeptanz, Commitment, Reputation, Image und Identität angesehen (vgl. Röttger/Preusse/Schmitt 2011, 149 u. Stahl/Menz 2014, 65–80). Auch der „Authentizität, verstanden als (eingelöste) Kontinuitätserwartung, kommt […] eine Schlüsselrolle für die Pflege organisationaler Beziehungen zu“ (Raaz 2014, 2), so wie Szyszka (2012a, 282) sie in seinem „Modell organisationalen Beziehungskapitals“ reflektiert hat und wie sie von Huck-Sandhu (2012), Pleil/Rehn (2012) und Hoffjann (2012) im Zusammenhang mit Vertrauen diskutiert wird. Kommunikation bildet in mehrfacher Hinsicht die Grundlage für alle Management- und Organisationsprozesse in einem Unternehmen. Hinzu kommt, dass sich der Wettbewerb von der Produktauf die Kommunikationsebene und damit Reputationsebene verlagert (vgl. Buss 2009, 248) und dass die Neuen Medien die „Spielregeln“ der PR oder Stakeholderkommunikation verändern. Was die Sprache betrifft, so ist auch in den Wirtschaftswissenschaften ein linguistic turn, d. h. eine „zunehmende Hinwendung zur Sprache als entscheidender Ressource zu vermerken“ (Stahl/Menz 2014, 2 f.). Auch wenn der sprachliche Anteil am Erreichen von Unternehmenszielen noch kaum systematisch ausgelotet ist, so kann doch die Sprache als das wichtigste Symbolsystem angesehen werden, dessen sich ein Unternehmen bedient, um die Beziehungen zu seinen

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Stakeholdern (Mitarbeiter, Kunden, Kapitalgeber, Öffentlichkeit u. a.) im Sinne der Unternehmensziele zu gestalten. Grundlegende kommunikationswissenschaftliche Beiträge zum Thema Vertrauen stammen von Günter Bentele (1992, 1994, öffentliches Vertrauen), Matthias Kohring (2004, Vertrauen im Journalismus) und Ulrike Röttger und Sarah Zielmann (2009, Vertrauen als Element von Beratungssystemen) (vgl. Röttger/Preusse/Schmitt 2011, 150 f.). Es existieren – je nach theoretischer Verortung – unterschiedliche Vorstellungen sowohl hinsichtlich der Abgrenzung dieser Begriffe als auch hinsichtlich der vermuteten Wirkungszusammenhänge. Die Vertrauensforschung insgesamt ist mittlerweile „derart ausdifferenziert, dass es zunehmend schwieriger geworden ist, überhaupt noch einen Überblick über die vielfältigen Forschungsrichtungen zu halten“ (Hubig 2014, 351 f., vgl. auch Matějková 2009). Der folgende Beitrag behandelt schwerpunktmäßig das Verhältnis zwischen Vertrauen, Kommunikation und Sprache. Letzteres geschieht mit Blick auf die (schriftliche) Stakeholder-Kommunikation und mit Blick auf aktuelle Bemühungen, die Kategorie Vertrauen auch für die linguistische Beschreibung und Theoriebildung fruchtbar zu machen, ein Vorhaben, das bisher sowohl durch die Komplexität als auch durch die Fragilität und Flüchtigkeit des Gegenstandes begrenzt wurde. Aus linguistischer Sicht ergeben sich besondere Herausforderungen bei dem Versuch, vertrauensgenerierende Signale in Texten zu identifizieren und Vertrauenswirkungen in personalen, öffentlichen und medial vermittelten Kommunikationssituationen empirisch zu beschreiben und zu erklären.

2 Vertrauensbegriff, Forschungsrichtungen und Vertrauenstypen 2.1 Vertrauensbegriff „Kann ich ihm dabei vertrauen?“. Diese Frage enthält die wesentlichen Komponenten zur Charakterisierung des personalen Vertrauensbegriffs. „Zum einen gibt es […] etwas, das die Vertrauensfrage aufgeworfen hat bzw. auf das sich die Vertrauensfrage bezieht“ (Hubig 2014, 354). Ferner gibt es einen Vertrauensgeber und einen Vertrauensnehmer, die in gewissem Umfang frei und zum wechselseitigen Vor- oder Nachteil handeln können. Die Vertrauensfrage wird dann aufgeworfen, wenn sich die Beteiligten nicht sicher sind, wie der jeweils andere handeln wird. Luhmann (2014, 27) hat Vertrauen aus diesem Grund eine „riskante Vorleistung“ genannt. Hubig definiert Vertrauen und den für uns besonders wichtigen Begriff der (Zuschreibung von) Vertrauenswürdigkeit wie folgt:

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Vertrauen beruht auf riskanten Vorentscheidungen, zugunsten eines erwarteten Nutzens (Kooperationsgewinn) im Enttäuschungsfall einen Schaden in Kauf zu nehmen, ohne dass diese Entscheidungen selbst kalkulierbar sind. Sie sollen bei fehlender Kalkulationsbasis eine Risikokalkulation erübrigen. Vertrauenswürdigkeit ist die im Rahmen von Informations-, Konsultations- und Kooperationsprozessen den Vertrauensnehmern durch die Vertrauensgeber zugeschriebene Haltung, einseitige Vorteile, die aus mangelnder Informationslage, Kompetenz und Macht der Vertrauensgeber resultieren, nicht zu nutzen. Vertrauenswürdigkeit stabilisiert sich im Zuge erfolgreicher Vertrauenszuweisungen bis hin zur Reputation, die dann selber eine Kalkulationsbasis abgibt und die Vorentscheidungen der Vertrauenszuweisung erübrigt bzw. durch kalkulierbare Erwartungen ersetzt. Es ist rational, Vertrauensbeziehungen im Enttäuschungsfall sofort zu kündigen. Vertrauenswürdigkeit stellt für die Beteiligten ein hohes Kapital dar, um Aufwand und Transaktionskosten zu mindern, und sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden. (Hubig 2014, 335)

Luhmann weist darauf hin, dass bestehendes Vertrauen einen Schwellencharakter hat. Der Schwellenbegriff bezeichnet eine künstliche Diskontinuität, die den Erlebnisbereich vor und nach der Schwelle egalisiert und dadurch vereinfacht. […] Nicht jede Unstimmigkeit weckt Zweifel an den vertrauten Zügen der Umwelt, nicht jede Enttäuschung zerstört das Vertrauen. Eben deshalb muß es aber eine Grenze geben, wo diese Absorptionskraft endet, wo Vertrautheit oder Vertrauen abrupt in Mißtrauen umschlagen. (Luhmann 2014, 96 f.)

2.2 Außerlinguistische Forschungsrichtungen Auch die Wirtschaftswissenschaften haben in den letzten Jahren unter dem Stichwort „weiche Faktoren“, „goodwill“ oder „intangible assets“ das Thema Vertrauen für sich entdeckt, nicht zuletzt auch unter dem Einfluss zunehmender Verluste von Vertrauen in die Technik, in die Wirtschaft, in die Politik und nicht zuletzt auch in die Wissenschaft. Bereits die Arbeiten zur Spieltheorie in den 1950er Jahren lassen mit den Überlegungen zum sog. Gefangenendilemma den Zusammenhang von Kommunikation und Vertrauen in den Blick kommen und zeigen, wie verkürzt und der Realität unangemessen das Menschenbild des homo oeconomicus in Bezug auf Vertrauen ist, denn wer würde jemandem trauen, der nur auf den eigenen Vorteil aus ist? (vgl. Oltmanns/ Kleinaltenkamp/Ehret 2009, VIII). Die sog. Rational-Choice-Theorie erkennt im Vertrauen den einzigen angemessenen Weg für den postmodernen Umgang mit Risiken dort, wo jede Kalkülbasis fehlt (vgl. Hubig 2014, 352; daneben Bamberg/Coenenberg 1996, Beck 1996 u. Simmel 1983, 393). Eine Aufweichung der homo-oeconomicus-Prämissen brachte dann die Neue Institutionen-Ökonomie in den 70er und 80er Jahren. Vor allem im Rahmen der Agency-Theorie und der Property-RightsTheorien werden Phänomene der unvollständigen Information bzw. der asymmetrischen Informationsverteilung thematisiert („hidden information“, „hidden action“ und „moral hazard“). (Hubig 2014, 353)

Vertrauen in der Unternehmenskommunikation 

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Aktuell rückt das Thema Vertrauen im Rahmen des sog. Social-Capital-Ansatzes erneut in den Vordergrund: „Soziales Kapital bezieht sich, im Gegensatz zum Humankapital, nicht auf die Individuen selbst, sondern auf die Qualität und Beschaffenheit ihres Beziehungsgeflechts als Kapitalträger“ (ebd.), was auf betriebswirtschaftlicher Ebene in die Forderung mündet, Unternehmen müssten, um erfolgreich zu wirtschaften, „Vertrauen als Organisationsprinzip“ (Schweer/Thies 2003) verwirklichen.

2.3 Vertrauenstypen Hubig (2014, 357 f.) unterscheidet Vertrauensbezüge nach den Gesichtspunkten „intra“, „inter“ und „extra“ einerseits und Personen-, Institutions-, Organisationsund Systemvertrauen andererseits (s. u. zum medial konstruierten öffentlichen Vertrauen, das bei Hubig fehlt): Tab. 1: Vertrauenstypen (nach Hubig 2014, 357) Vertrauensbezüge

„intra“-Bezug

„inter“-Bezug

„extra“-Bezug

Personales Vertrauen (-personal/-personell)

Selbstvertrauen („fiducia“)

Kooperations-/Koordinationsvertrauen („fides“)



Institutionenvertrauen a. Institutionelles Vertrauen ist Vertrauen in die Einhaltung von Regeln. b. Institutionen geben Möglichkeiten individueller Zwecksetzung vor und strukturieren diese über Sanktionen.

Selbstachtung (Treue zu ihren Ideen und Identifizierung mit Leitbild als Corporate Identity)

wechselseitige Anerkennung der jeweiligen Institution als Institution

Vertrauen von Personen in die Wertintegrität von Institutionen als nicht erzwingbares Grundvertrauen

Organisationsvertrauen a. Organisationsvertrauen ist Vertrauen in das Erbringen von Leistungen. b. Organisationen stellen die Mittel zur Zweckrealisierung bereit

Vertrauen auf die praktische Loyalität und die Stabilität der Strukturen

Kooperations-/ Koordinationsvertrauen (analog zum interpersonellen Vertrauen)

Wenn z. B. Kunden auf die Kompetenz und Leistung im konkreten Fall setzen

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Tab. 1: (fortgesetzt) Systemvertrauen a. Systeme stellen den Rahmen vor, innerhalb dessen Regeln entwickelt und Leistungen erbracht werden b. Systeme können kein Verhältnis zu sich selbst entwickeln





Systeme produzieren „vertrauensäquivalente systemische Sicherheit“ (ebd., 358) und bieten Möglichkeiten zur „Kompensation enttäuschten Vertrauens“ (ebd., 358) an (z. B. Gegendarstellung – Informationssystem; Schadenersatz – Rechtssystem; Versicherungen – ökonomisches System)

3. Kommunikative und sprachliche Vertrauensquellen 3.1 Kommunikative Vertrauensquellen Paradigma der Unternehmenskommunikation: Mit Blick auf das Thema Vertrauen ist es sinnvoll, nicht nur die Kommunikationsgeschichte in den Blick zu nehmen, sondern auch die Handlungs- und Interaktionsperspektive, da Worte und Taten übereinstimmen müssen und da in komplexen Situationen bereits kleine Zeichen (Stil) zum Anlass genommen werden, um Vertrauen zu geben oder zu entziehen. Hubig definiert daher Kommunikation als all das wechselseitig beobachtbare Handeln und Verhalten, das als Voraussetzung einer reziproken Handlungsorientierung dient und es dem Vertrauenssubjekt ermöglicht, Rückschlüsse auf die innere Verfasstheit und Dynamik des Vertrauensobjekts zu ziehen, sei es nun ein Mensch, eine Maschine, eine Organisation oder ein System. (Hubig 2014, 358).

Kommunikation dient also der Beobachtung und Erkundung des anderen und dem Aufbau einer gemeinsamen Basis für eine potentielle Vertrauensbeziehung: der Etablierung von Themen und gemeinsamen Interessen, der Schaffung einer gewissen Beziehungskultur, bestehend aus Routinen, Ritualen, Gewohnheiten, gemeinsamen Symbolen. (Hubig 2014, 358)

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Wichtig ist, dass der Aufbau von Vertrauen eine langfristige und kontinuierliche Kommunikation mit den relevanten Zielgruppen erfordert. Vertrauen wird schrittweise aufgebaut und ist sowohl Resultat einer gelungenen Interaktionsgeschichte als auch Basis für weitere gelingende Interaktionen. Mit jeder Erwartung, die nicht enttäuscht wird, wächst das Vertrauen. Vertrauen und Kommunikation bedingen sich wechselseitig: Ohne Vertrauen keine echte Kommunikation (‚Vertrauen als konstitutives Element der Unternehmenskommunikation‘), ohne Kommunikation kein Vertrauen (‚Kommunikation als konstituierendes Element von Vertrauen‘). Vertrauen ist damit nicht nur Voraussetzung persönlicher Interaktion, sondern zugleich Interaktionsprodukt: Es entsteht erst im Kommunikationsprozess und bestimmt diesen zugleich maßgeblich, es ist Ergebnis einer gelungenen Interaktion und Basis für weitere gelingende Interaktionen. (Hubig 2014, 359)

Defizite direkten personalen Vertrauens im Zusammenhang mit der Kommunikation von Organisationen erfordern „höherstufige Vertrauenstypen“, wie derjenige eines reflexiven Vertrauens auf der Ebene der Parallelkommunikation und derjenige eines abstrakten Systemvertrauens […]. Während jedoch das parallelkommunikative Vertrauen direkt einem defizitären personalen Vertrauen entgegenwirkt, reagiert ein abstraktes Systemvertrauen auf die Nichteinholbarkeit von Verlusten personalen Vertrauens. (Hubig 2014, 363)

In der Praxis fördern folgende Faktoren Vertrauen (vgl. ebd., 364): eine Maßnahmen-begleitende parallele Kommunikation und direkte Dialoge zwecks Wahrnehmung wechselseitiger Bedürfnisse und Erwartungen, eine glaubwürdige Darstellung eigenen Denkens und Handelns sowie die Übermittlung von Sicherheitssignalen, Offenheit und Transparenz und proaktives Informationsverhalten, korrekte Informationen mit der Möglichkeit zur Überprüfung, Ermöglichen von Primärerfahrungen z. B. der Kunden mit einem Unternehmen, Reputation mittels neutralen Kontrollinstanzen (Internetforen, Gütesiegel, Zertifizierungen etc.), Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung. Paradigma der Stakeholder-Kommunikation: Stahl/Menz (2014, 64–79) haben sich für den Stakeholder-Ansatz der Kommunikation entschieden, um dem Interessenpluralismus gerecht zu werden, dem sich Unternehmen heute stellen müssen. Während es im monologisch ausgerichteten Unternehmenskommunikationsansatz meist darum geht, strategisch geplant und widerspruchsfrei den Zielgruppen zu zeigen, wer man ist und was man kann, geht die Stakeholder-Kommunikation nicht von den Maßnahmen und Instrumenten aus, sondern von den Interessen- und Anspruchsgruppen, mit denen ein Unternehmen koalieren, kooperieren, streiten oder von denen es einfach nichts wissen will. Auch letzteres ist ‚Kommunikation‘, die gleichermaßen subtil wie auch unvorsichtig oder schlichtweg töricht sein kann. (Stahl/Menz 2014, 66)

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Es lassen sich fünf soziale Normen identifizieren, die über den Abgleich von Erfahrungen und Erwartungen und daraus resultierenden Schlussfolgerungen Vertrauen oder Misstrauen generieren: Offenheit („Bereitschaft des Unternehmens, bestimmten Stakeholdern Einblick in die eigene Organisation zu gewähren“; ebd., 69), Ehrlichkeit („bedeutet, dass Mitteilungen nicht verfälscht werden, um gegenüber den Stakeholdern eigene Ziele durchzusetzen“; ebd.), Toleranz (als eine „über die bloße Duldung hinausgehende einfühlsame Akzeptanz von ‚Anderssein‘“; ebd., 69), Reziprozität (meint, „dass man sich durch die Vorleistung des anderen zur eigenen, wenn auch späteren ‚Rückzahlung‘ verpflichtet fühlt“; ebd., 70) und Fairness („bezieht sich vor allem auf die Art und Weise, wie Leistung und Gegenleistung zustande gekommen sind“; ebd., 70). Für die Leistung von Kommunikation bedeutet dies, Offenheit und Ehrlichkeit einzuüben und mithilfe von Vorbildern zu erlernen. Es bedeutet, die Dinge nicht bewusst zu verschleiern, zu verkürzen, zu beschönigen, zu unterdrücken oder zu dramatisieren. Toleranz im Sinne einer bewussten „toleration“ kann nur kommunikativ werden, wenn man sich als Führungskraft seiner selbst sicher ist. Reziprozität kann durch „Kommunikation unterstützt werden, wenn man sie mit Aufmerksamkeit gestaltet“, und die Norm der Fairness wird im Rahmen von Kommunikation dann erfüllt, „wenn alle Beteiligten auf ‚ihre Weise‘ zu Wort kommen können“ (Stahl/Menz 2014, 71). Paradigma der sozialpsychologischen Unternehmenskulturforschung: Bergler geht im Rahmen seiner sozialpsychologischen Annäherung an die Unternehmenskultur als Führungsaufgabe davon aus, dass sich das „Selbstverständnis eines Unternehmens unter ethischen Aspekten  – die Wertorientierung“ auch mit Begriffen wie „Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit, ‚einfache Sittlichkeit‘“ umschreiben lässt (Bergler 1993, 20). Freilich genügt es nicht, Glaubwürdigkeit zu proklamieren, sondern man muss auch um die Tragweite einer solchen Wertorientierung wissen, denn – Glaubwürdigkeit muß in subjektiv nachprüfbaren Leistungen und Innovationen begründet sein. – Glaubwürdigkeit ist an Verständlichkeit gebunden: Unverständlichkeit führt zu Entfremdung, Distanzierung, Demotivation und Destruktion. – Glaubwürdigkeit ist an Überschaubarkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit gebunden. – Glaubwürdigkeit ist an ein aktives, offenes und konkretes Informationsverhalten gebunden. – Glaubwürdigkeit ist an Konstanz gebunden. – Glaubwürdigkeit eines Unternehmens ist an die Geschlossenheit seines Handelns und Verhaltens gebunden: Stil. (Bergler 1993, 20 f.).

Paradigma der (managementsoziologischen) integrativen Imagekommunikation: Buss/ Fink-Heuberger (2000, 92) nennen fünf Erfolgsfaktoren des Image-Managements: Leistungsbild, Traditionsbild, Kommunikation (Darstellungsstil/Darstellungsinhalt), emotionale Kompetenz und Organisationswerte (Akzeptanz/Integration gesellschaft-

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licher Werte). Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind in diesem Ansatz Teil der emotionalen Kompetenz eines Unternehmens. Image ist bildlich gesprochen das Gesicht einer Organisation. Über Image können gesichtslose Beziehungen in gesichtsabhängige Bindungen transformiert werden. Image-Management ist demnach die Kraft, Unternehmensprozesse bildhaft zu führen. (ebd., 42)

Neben der wirtschaftlichen Nutzenleistung, der Ordnungsleistung und der Orientierungsleistung bietet Image Bindungsleistungen, denn es schafft Vertrauensbindungen zur Öffentlichkeit, ist Medium von Loyalitäten, schafft Bindungen zu einer unternehmens- oder organisationseigenen Klientel, erleichtert die Verständigung mit den öffentlichen Adressaten. (ebd., 37)

Während in der instrumentellen Image-Kommunikation die Berichtsebene dominiert und Sachinteressen im Vordergrund stehen, dominiert in der integrativen ImageKommunikation die Stil- und Vertrauensebene, und es stehen Vertrauenswerte im Vordergrund (ebd., 132). Entsprechend fordern Buss/Fink-Heuberger, dass die Unternehmenskommunikation sich in Zukunft „generell mehr mit der Art der gewählten Sprache sowie mit den in ihr enthaltenen symbolischen Gesten“ beschäftigen muss (ebd., 136). Bezogen auf Vertrauen ist z. B. folgenden Phänomenen verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen: Entschuldigungen und Rechtfertigungen, Widersprüchlichkeiten, Sprachstil (Schrift-, Rechts-, Werbe-, Amtssprache), stillschweigende Übereinkünfte und Vertrauensregeln wie z. B. das Einräumen kritischer Aspekte. Unmittelbar vertrauensrelevant ist es, wenn die Unternehmenskommunikation nicht gewollte Deutungen zulässt, wenn Kommunikationsstil und Markenbild nicht zusammenpassen, wenn Selbstverständlichkeitsregeln (Offenheit, Stil, Schnelligkeit) in unternehmerischen Stellungnahmen nicht beachtet werden, wenn ein impliziter Wertekonsens in der Kommunikation außer Kraft gesetzt wird, wenn die Deutung von Organisation und Öffentlichkeit gegenüber einem Ereignis auseinanderdriftet, wenn Leitbildideal und Praxis nicht mehr übereinstimmen, wenn Struktur- und Wertemuster nicht mehr verstanden werden (z. B. Ökologieanspruch einerseits und Geschäftsbericht auf Hochglanzpapier andererseits), wenn der Darstellungsstil zusammenbricht (widersprüchliche Äußerungen, mangelnde Souveränität), und wenn es zu einem der folgenden Widersprüche kommt: performance gap (Globalität wird verkündet, das Auftreten bleibt provinziell), credibility gap (Kundennähe wird kommuniziert, aber nicht praktiziert), identity gap (nach außen wird Mitbestimmung propagiert, nach innen dominieren alte Hierarchien) (vgl. Buss/Fink-Heuberger 2000, 139 f.). Vertrauen als eine Praxis hat mehr mit der Wie-Ebene der Kommunikation als mit der Was-Ebene zu tun. Buss (2009, 248) zählt u. a. die Stilebene (Darstellungsstil), die Beziehungsebene, die Bedeutungsebene (Bedeutsamkeit) und die indirekte Mitteilungsebene zur Wie-Kommunikation. Er unterscheidet in Anlehnung an Garfinkel (1967) und Cicourel (1973) vier Basisregeln der Kommunikation, die auf dem „Wechselspiel zwischen Stil-

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und Sachebene der Kommunikation beruhen: der accounting lag, die Form-Regel, die Et-Cetera-Regel, die Reziprozitätsregel“ (ebd., 253). Ein „accounting lag“ liegt vor, wenn „Was-Ebene (Realebene) und Wie-Ebene (Stilebene) der Kommunikation auseinanderfallen“ (ebd., 254), wenn also Unternehmen z. B. Gleichberechtigung propagieren, aber in ihren Stellenausschreibungen und anderen Textsorten einen auf Männer zielenden Sprachstil beibehalten. Bei der Form-Regel  – auch Regel der kulturellen Etikette genannt – geht es im Dialog mit der Öffentlichkeit „um den Respekt gegenüber kulturellen Angemessenheitsstandards“ (ebd.). Buss nennt als Beispiel für die Verletzung der Form-Regel die „peanuts“-Floskel eines Vorstandssprechers der Deutschen Bank, der im Zuge eines Insolvenzverfahrens offene Handwerkerrechnungen in Millionenhöhe als „peanuts“ (für seine Bank) bezeichnete, obwohl er wissen musste, dass die offenen Rechnungen für die meisten der betroffenen Betriebe existenzgefährdend waren. Die Et-Cetera-Regel bedeutet, „dass sich die Kommunikation in Stil und Inhalt stets an ein bei Mitarbeitern oder in der Öffentlichkeit verankertes Muster hält“ (Buss 2009, 254), was „mit einer Art Vertrauensvorschuss seitens der Öffentlichkeit belohnt“ wird (ebd., 255). Die Reziprozitätsregel betrifft die „Austauschbarkeit der Standpunkte zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit“ (ebd.). Unternehmen, die diese Regel einhalten, signalisieren der Öffentlichkeit, dass „beide Seiten denselben oder zumindest ähnlichen Blickwinkel auf ein bestimmtes Ereignis, auf eine bestimmte Situation oder auf ein bestimmtes Produkt haben“ (ebd.). Neben der Darstellungskompetenz von Unternehmen ist noch auf die Bedeutung transparenten Verhaltens sowie auf die Rolle der Unternehmenskultur für die Vertrauensgenese hinzuweisen. Ohne ernsthafte und freiwillige Transparenz kann kein Vertrauen entstehen. Zu den „Treibern“ von Transparenz gehören kritische Stakeholder wie Kunden, Lieferanten, Analysten, Staatsanwälte, Medien, NGOs und Mitarbeiter. Transparenz darf sich allerdings nicht im Kommunikativen erschöpfen. Der Impuls sollte ausgehen von den Kommunikationsverantwortlichen, die mahnen, moderieren und Leitlinien umsetzen müssen. Mit Blick auf die interne Kommunikation unterscheiden Goffee/ Jones (1998, zit. n. Buss 2009, 202) entlang der Achsen Soziabilität und Solidarität vier Unternehmenskultur-Typen: vernetzte, fragmentierte, gemeinsinnige und instrumentelle Kultur. Sowohl in der vernetzten Kultur (hohe Soziabilität, niedrige Solidarität) als auch in der gemeinsinnigen Kultur (hohe Soziabilität, hohe Solidarität) spielt Vertrauen eine zentrale Rolle. Folgende kommunikativ-interaktiven Indikatoren kommen auf der Ebene der Soziabilität hinzu: uneigennützige Beziehungen ohne ‚Hintergedanken‘; gutes Miteinander, Streit und Konflikte sind eher die Ausnahme […]; Austausch auch über private Themen und Probleme […]; Akzeptanz von unkonventionellen Meinungen. (Buss 2009, 203)

Auf der Ebene der Solidarität spielen vor allem klare gemeinsame Ziele eine Rolle. Aber auch die sofortige und unmissverständliche Reaktion auf schlechte Leistungen

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einzelner Mitglieder dürfte einen großen verbalen Anteil haben (vgl. ebd.) und entsprechend das Vertrauen in die Geltung von Leistungswerten stützen.

3.2 Sprachliche Vertrauensquellen 3.2.1 Source Credibility und die Formulierung eines Standpunktes Wer seine Zielgruppe erreichen will, muss deren bisherige Meinung zum Thema oder zu dem Verhalten, von dem sie überzeugt werden soll, kennenlernen und richtig einschätzen. Für die Auswahl des Standpunkts geben Hornik und Woolf (1999, zit. n. Hoeken/Hornikx/Hustinx 2009, 94) folgende Empfehlungen: Am besten bezieht man sich auf Standpunkte, die eng mit dem gewünschten Verhalten zusammenhängen, die von einem Großteil der Zielgruppe für wichtig gehalten werden und für die es starke Argumente gibt. Es ist wichtig, die bereits bestehenden Standpunkte der Zielgruppe zu berücksichtigen, denn das Verhältnis von altem zu neuem Standpunkt ist entscheidend für den Erfolg der Intervention. Der Standpunkt muss dabei von der bestehenden Ansicht der Zielgruppe abweichen, denn wenn er mit ihr zusammenfällt, würde keine Verhaltensänderung bewirkt werden können. Er darf aber auch nicht zu stark abweichen, denn dann ist die Gefahr groß, dass die Zielgruppe ihn ablehnt, ohne sich überhaupt näher mit diesem Standpunkt auseinanderzusetzen. Die Frage ist also, wie stark der Standpunkt abweichen kann, ohne verworfen zu werden. Die Formulierung des Standpunkts muss also an die bereits bestehenden Standpunkte in der Zielgruppe angepasst werden: Formuliert man ihn zu vorsichtig, bringt er nichts Neues. Formuliert man ihn zu extrem, wird er nicht akzeptiert. Davon abgesehen spielen aber auch noch einige andere Überlegungen eine Rolle dafür, wie drastisch man den Standpunkt formulieren kann. Die Glaubwürdigkeit des Senders: Je glaubwürdiger der Sender von der Zielgruppe eingeschätzt wird, desto abweichendere Standpunkte kann er aussprechen, ohne das Wohlwollen der Zielgruppe zu verlieren. Außerdem die persönliche Betroffenheit: Ist dem Empfänger der Botschaft das Thema wichtig, ist er weniger bereit, Abweichungen von seiner Meinung anzuerkennen. Und schließlich hängt die Überzeugungskraft eines Standpunkts auch von seiner Ausrichtung ab. Der neue Standpunkt, der in der Botschaft kommuniziert werden soll, kann entweder eine Erweiterung des Standpunkts sein, den die Zielgruppe schon hat, oder er kann sich gegen deren Meinung richten. Wenn der neue Standpunkt in die gleiche Richtung geht  – z. B. wenn die Zielgruppe glaubt, dass gesunde Ernährung eine Rolle für die Gesundheit spielt und man sie davon überzeugen möchte, dass gesunde Ernährung eine sehr wichtige Rolle für die Gesundheit spielt – kann man einen extremeren Standpunkt einnehmen, als wenn man einen Standpunkt einnimmt, der der Meinung der Zielgruppe widerspricht. Z. B., wenn die Zielgruppe glaubt, dass die Ernährung keine Rolle für die Gesundheit spielt, aber die Botschaft ein Bewusstsein für die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung für die Gesundheit schaffen soll.

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Schließlich muss man sich noch entscheiden, wie deutlich, d. h. wie explizit und wie spezifisch, man den Standpunkt formulieren möchte. Die Vorteile der expliziten Formulierung bestehen darin, dass Missverständnisse vermieden werden können, ein Nachteil könnte darin bestehen, dass das Publikum sich dann unterschätzt fühlen könnte und sich vielleicht auch besser an den Standpunkt erinnern kann, wenn es die Schlussfolgerungen selber zieht. Allerdings hat eine Metaanalyse von Cruz (1998) und O’Keefe (2002) (zit. n. Hoeken/Hornikx/Hustinx 2009, 96) gezeigt, dass explizite Standpunkte bessere Resultate erzielen, es sei denn, dass sowieso klar ist, was gemeint ist. Wenn eine Anzeige ein Produkt bewirbt, ist es unnötig, dabei zu sagen, dass man dieses Produkt kaufen soll. Bessere Ergebnisse werden auch durch spezifische Formulierungen und genaue Empfehlungen erzielt. Spezifischere Standpunkte wirken überzeugender, detaillierte Empfehlungen geben eher einen Anreiz und auch konkrete Hilfe dabei, das Verhalten zu ändern. Ein vager Standpunkt hingegen lässt zu viel Interpretationsspielraum zu. Die Leser könnten dann glauben, dass der Standpunkt ohnehin schon ihrer Meinung entspricht und sie übersehen die Punkte, in denen dieser von ihrer Meinung abweicht, oder das Gegenteil trifft ein und sie glauben, dass der Standpunkt stärker von ihrer Meinung abweicht, und verwerfen ihn deswegen, obwohl er eigentlich mehr mit ihrer ursprünglichen Ansicht zu tun hatte als sie dachten.

3.2.2 Sprachliche Vertrauensquellen in der schriftlichen Stakeholder-Kommunikation Matějková versteht die „Untersuchung der Beziehung zwischen Sprache und Vertrauen […] als eine Herausforderung für die angewandte Linguistik“ (2011, 173). Der Prozess der Vertrauensförderung „ist von der Gestaltung der Kommunikation durch den Produzenten und von der Wahrnehmung und Interpretation dieser Kommunikation durch den Rezipienten abhängig“ (ebd.). Matějková orientiert sich am handlungsorientierten Stilbegriff der pragmatischen Stilistik, wonach der Stil eines Textes Auskunft gibt über die Situation, in welcher der Text entstanden ist, die Selbstdarstellung des Produzenten, die Beziehungsgestaltung zwischen dem Produzenten und Rezipienten, die Art und Weise, wie ein Text gelesen werden soll (als welche Textsorte) und über die Einstellung des Produzenten zu der von ihm benutzten Sprache. (Matĕjková 2011, 167)

Die Dynamik einer personalen Vertrauensbeziehung lässt vier Phasen erkennen: (i) Kontaktaufnahme und Beziehungsinitiierung, (ii) Aufbau einer Vertrauensbasis, (iii) Pflegen und Aufrechterhalten der Vertrauensbeziehung, (iv) Vertrauensbruch, Vertrauenskrise, Ende der Vertrauensbeziehung (vgl. Matĕjková 2009, 50). Die Sprache spielt im gesamten Prozess eine Rolle, „allerdings kann diese Rolle je nach Stadium

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der Vertrauensbeziehung unterschiedlich sein“ (ebd. 2009, 50). Auf korpuslinguistischer Grundlage – hier Textsorten der Öffentlichkeitsarbeit einer Stiftung – werden die ausgearbeiteten Stilmittel den übergeordneten thematischen Kategorien „Interesse“, „koordiniertes Handeln“, „Kompetenz“ und „Konsistenz“ (als Komponenten der Glaubwürdigkeit) zugeordnet. (Matějková 2011, 168)

So soll gezeigt werden, „welche funktionalen Mittel zur konkreten Ausformulierung von welchen thematischen Kontexten verwendet werden“ (ebd.). Als Ergebnis verspricht sich Matějková „eine Übersicht über die verwendeten potenziell vertrauensfördernden sprachlichen Mittel auf unterschiedlichen Ebenen der Betrachtung […] und eine Darstellung der komplexen Beziehungen zwischen ihnen“ (ebd.). Die folgende Übersicht zeigt, welche sprachlichen Mittel Matějková (2009, 50–55) den unterschiedlichen Phasen der Vertrauensgenese zuordnet: Tab. 2: Sprachliche Mittel zur Förderung von Vertrauen (nach Matějková 2009) Sprachliche Mittel zur Förderung von Vertrauen I. Kontaktaufnahme und ­Initiieren einer Beziehung

– verbale und nonverbale Mittel zur Förderung eines positiven ersten Eindrucks (vgl. Bergler 1997) – bedeutende Rolle der (richtigen) Ansprache (vor dem Körperkontakt z. B. mittels Handreichung, Umarmung) – sprachliche Mittel, die die Selbstsicherheit unterstützen

II. Aufbau einer Vertrauensbasis

– Hinweise auf gemeinsam geteilte Werte und Erfahrungen – positive verbale Selbstdarstellung – Aufmerksamkeit dem anderen gegenüber – Bitte um Feedback, Hilfe u. a. – Wichtig in dieser Phase: Risikoeindrücke vermeiden

III. Pflegen und Aufrechter­ halten der Vertrauens­ beziehung

– funktionierendes Vertrauen ist „innerhalb der jeweiligen Vertrauensbeziehung inkommunikabel“ (ebd., 52) – Zuversicht und Vertrauen lassen sich schwer einfordern – sprachliche Kommunikation liefert in dieser Phase „vor allem Impulse für einen Gedankenaustausch, für gemeinsame Pläne u. Ä.“ (ebd., 53)

IV. Vertrauensbruch, ­Vertrauenskrise, Ende der Vertrauensbeziehung

– Handlungen, die Vertrauen gefährden, ziehen Entschuldigungen, Rechtfertigungen und Erklärungen nach sich (vgl. Scott/ Lyman 1977) – Sprache ist in dieser Phase als Mittel der Problemlösungskommunikation von großer Bedeutung – beim Versuch, Vertrauen neu aufzubauen, helfen sprachliche Mittel, die die Kommunikation effektiv und angenehm machen

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Tab. 2: (fortgesetzt) Sprachliche Mittel zur Förderung von Vertrauen Phasenübergreifend

– die Sprache der Metakommunikation hilft, „dass man mit sprachlichen Mitteln das Tempo und den Verlauf der Kommunikation steuern kann, wodurch sie für beide Seiten angenehmer gestaltet werden kann“ (ebd., 54) – „aufmerksames Eingehen auf die (kommunikativen) Bedürfnisse des Kommunikationspartners wird geschätzt und als vertrauenswürdig empfunden“ (ebd.)

Reinmuth geht hinsichtlich der Arbeit eines Kommunikationsmanagers von einer „Kausalverbindung“ aus: Dessen Ziel sei es, „durch Glaubwürdigkeit in der Kommunikation Vertrauen bei den Rezipienten dieser Kommunikation aufzubauen“ (2009, 132). Reinmuth schlägt vor, die Qualität von PR-Texten anhand von „sprachliche[n] Glaubwürdigkeitsindikatoren“ (ebd. 134) zu beurteilen, die er in Anlehnung an Köhnken (1990) auf der Grundlage von drei Ansätzen der Glaubwürdigkeitsbeurteilung entwickelt: Die verhaltensorientierte Glaubwürdigkeitsbeurteilung versucht im Verhalten des Kommunikators Indikatoren festzumachen, die auf wahre oder falsche Aussagen hinweisen. Die inhaltsorientierte Glaubwürdigkeitsbeurteilung wird als Teilbereich der forensischen Aussagepsychologie betrachtet. In deren Zentrum steht die Betrachtung von auffälligen Details in der Aussage eines Kommunikators. In der Forschung zur quellen- und kontextorientierten Glaubwürdigkeitsbeurteilung geht es darum, aufgrund welcher Mechanismen Rezipienten einem Kommunikator oder dessen Aussagen Vertrauenswürdigkeit zuschreiben. (Reinmuth 2009, 134)

Auch wenn es unmöglich scheint, den einzelnen Indikatoren ein festes Glaubwürdigkeitspotenzial zuzuschreiben, lassen sich doch Schlüsselindikatoren in Texten bestimmen, die als Basis für das Zuschreiben bzw. Inferieren von Vertrauenswürdigkeit in Frage kommen. Diese „Glaubwürdigkeitsfaktoren“ (ebd., 135) sind „Verständlichkeit/Rezeptionsfreundlichkeit, Kompetenz, Objektivität/Aufrichtigkeit, Sympathie/(Text-)Attraktivität“ (ebd.). Die nachfolgende Tabelle zeigt auf, welche sprachlichen Indikatoren laut Reinmuth (2009, 135–142) für die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit eine Rolle spielen:

Vertrauen in der Unternehmenskommunikation 

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Tab. 3: Sprachliche Glaubwürdigkeitsindikatoren nach Reinmuth (2009) Glaubwürdigkeitsfaktoren

Sprachliche Indikatoren

Verständlichkeit/Rezeptionsfreundlichkeit (des Textes)

– Länge der Mitteilung – Satzzeichen und Satzbau – Fachterminologie – Metaphorik (bildhafte Sprache) – Narrativität (Kohärenz, Kohäsion)

Kompetenz (des Kommuni­ kators)

– sprachliche Korrektheit – Detailgrad der Aussagen (Vertrautheit mit Fakten) – Wortschatz (Fähigkeit zum treffenden Ausdruck)

Objektivität/Aufrichtigkeit

– Detailgrad (Relevanz) – Widerspruchsfreiheit – Übergeneralisierungen, Übertreibungen, Euphemismen – Floskeln – Explizieren der eigenen Glaubwürdigkeit

Sympathie/(Text-)Attraktivität

– Ähnlichkeit (zwischen Kommunikator und Rezipienten auf der Ebene von Werten, Normen und Meinungen) – Personalisierung (der Kommunikation und Sichtbarmachung von Verantwortungsübernahme) – Duktus (bürokratischer Duktus, narrativer Duktus) – Humor (Kompetenzzuschreibung, Herstellung von Ähnlichkeit zwischen Kommunikator und Rezipient; Risiko des Vertrauensverlustes bei unpassender Anwendung)

Keller (2009, 19–44) geht – auf der Basis von Geschäftsberichtsanalysen – vom persönlichen Stil eines Textes aus, der für die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit zu einem Autor (CEO) symptomischen Wert hat. Vertrauenswürdigkeit wird dabei über Persönlichkeitsmerkmale erfasst. Wichtig ist nicht, ob ein symptomischer Schluss richtig oder falsch ist, wichtig allein ist, ob er gezogen wird […]. Es sind nicht die Wörter oder syntaktische Konstruktionen, die sympathisch oder unsympathisch sind [, sondern es sind die] menschlichen Eigenschaften, die aus dem Gebrauch der Wörter und syntaktischen Konstruktionen erschlossen werden. (ebd., 31)

Entsprechend versteht Keller Stil als „eine wilde Gemengelage all der symptomischen Schlüsse, die wir aus der Art und Weise, wie der Text geschrieben ist, ziehen können“ (ebd.). Mit Blick auf die Vertrauenskommunikation von Unternehmen sollte jeder kommunikative Akt, der nach außen gerichtet ist, getragen sein von „Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit“ (ebd., 32). Vertrauen haben heißt, dass der

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Vertrauensgeber A dem Vertrauensnehmer B in den für die Vertrauenssituation relevanten Bereichen gemeinsame Werte unterstellt. Bisweilen genügt ein Lächeln oder ein treuer Blick  – vor allem dann, wenn das Risiko relativ gering ist. Meist aber benötigen wir komplexere Informationen. (ebd., 35)

Diese Werteerwartung braucht eine gemeinsame Grundlage bzw. eine Basis, die zulässt auf gemeinsame Werte zu schließen. Im Falle der Unternehmenskommunikation besteht eine solche Basis „aus Eigenschaften des Textes“ (ebd., 35). Am Beispiel von Geschäftsberichten zeigt Keller, welche Texteigenschaften symptomischen Wert für die Zuschreibung bzw. Aberkennung von vier Persönlichkeitsmerkmalen haben, die „wiederum Symptome für Vertrauenswürdigkeit sind“ (ebd., 39): Kompetenz, Intelligenz, Ehrlichkeit und Sympathie. Von diesen Persönlichkeitsmerkmalen schließen Leser auf Vertrauenswürdigkeit, wobei ein Mangel an Kompetenz oft auch auf intellektuelle Defizite schließen lässt (vgl. ebd., 39 f.). Die nachfolgende Tabelle zeigt Textmerkmale, die symptomisch sind für die Aberkennung von Kompetenz, Intelligenz, Ehrlichkeit und Sympathie: Tab. 4: Symptomische Textmerkmale für die Aberkennung von Vertrauenswürdigkeit (nach Keller 2009) Symptomische Textmerkmale (Textbasis: Geschäftsberichte) Kompetenz

mangelndes Wissen über basale Zusammenhänge der Unternehmensführung (Strategie, Ziel, Umsetzung etc.). Beispiel: „Unsere Strategie ist es, weiterhin profitabel zu wachsen“ (Problem: Verwechslung von Strategie und Ziel in Verbindung mit einem vollkommen nichtssagenden, da für Unternehmen konstitutiven Ziel).

Intelligenz

unbeholfene Wortwahl und fehlerhafte Argumentation sind starke Indizien intellektueller Schwächen. Beispiel: „Das Neugeschäftswachstum schwankte zwischen 68 Prozent in Deutschland, 25 Prozent in Italien und 15 Prozent in Frankreich“ (Problem: Der Autor kennt die Bedeutung von „schwanken“ nicht).

Ehrlichkeit

Gelogen wird in Geschäftsberichten selten, verschwiegen oft. Daneben haben Ebert/ Piwinger (2005) weitere vertrauensgefährdende Strategien identifiziert: (i) Verantwortung abstreiten („Die Umstände sind schuld“), (ii) Framing („Gemessen an den Umständen waren wir gar nicht schlecht“), (iii) Ablenken, (iv) Andeuten, (v) Selbstverständlichkeiten zum Ausdruck bringen („Sagen, was keiner bestreitet“). Verblüffend sind nach Keller zudem triviale Feststellungen, die der „Spekulation Tür und Tor öffnen“ (Keller 2009, 41; Beispiel: „Neue gesetzliche Vorgaben haben auch für unsere Gruppe einen entscheidenden Einfluss auf die rechtlichen Rahmenbedingungen“).

Sympathie

Schwerverständlichkeit lässt Texte und Autoren unsympathisch erscheinen, weil sie den Eindruck wecken, den Leser zu überfordern (vgl. auch Bergler 1997). Problematischer noch als Schwerverständlichkeit schätzt Keller (2009, 42) sprachliches Imponiergehabe ein (Beispiel: „Hintergrund der nur geringen Risikoposition ist das Schwergewicht der Leistungserbringung im Euroraum und damit die weitestgehende Fakturierung der durch die XY AG erbrachten Leistungen in Euro“ im Vergleich mit der sympathischen Version: „Wir haben nur ein sehr geringes Währungsrisiko, weil wir den größten Teil unserer Geschäfte im Euroraum tätigen und somit in Euro fakturieren“.

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Unabhängig von den Persönlichkeitsmerkmalen sieht Keller (2009, 43) das „wirksamste Indiz für Vertrauenswürdigkeit“ im „konstruktive[n] Umgang mit bad news“. Die Zahl der Negativbeispiele für einen hilflosen und überforderten Umgang von Unternehmen mit schlechten Nachrichten ist Legion. Mit schlechten Nachrichten konstruktiv und damit vertrauenerweckend umgehen heißt, sie offen anzusprechen, sie kompetent zu analysieren, die Schwächen zu diagnostizieren und daraus Schritte für die Zukunft abzuleiten. So zeigt sich strategische Kompetenz, ein wesentliches Merkmal der Vertrauenswürdigkeit. (Keller 2009, 43)

Ebert hat in Ebert/Piwinger (2013) auf der Basis von Aktionärsbriefen ein erweitertes Textanalyseverfahren vorgeschlagen, das auch tiefenstrukturelle Merkmale wie mentale Modelle, Grundüberzeugungen und Commitments in ihren Effekten auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit erfasst. Die zentralen Kategorien beziehen sich auf Merkmale der Textoberfläche, auf tiefere Sinnschichten in Texten, auf sprachliche Mittel, welche die Persönlichkeit des CEO und die Unternehmensidentität zum Ausdruck bringen, sowie auf die Gestaltung der Beziehung zwischen CEO und Unternehmen, CEO und Rezipienten sowie Unternehmen und Stakeholdern. Vertrauenswürdigkeit wird textsortenspezifisch festgemacht an unternehmenspolitischen Aussagen über Werte, Ziele, Normen, Grundüberzeugungen und Wirklichkeitsvorstellungen (mentale Modelle). Schafft es ein Unternehmen bzw. ein CEO nicht, die Frage nach der Wir-Geschichte, der Wir-Identität und der Wir-Zukunft zu beantworten, entsteht entweder Irritation oder ein negatives Bild, das genauso schnell weitererzählt wird wie eine gute Geschichte. Neben diesen identitätsrelevanten und strategisch bedeutsamen Zusammenhängen gibt es Verbindungen zwischen Vertrauen und Konsistenz (Widersprüche), Vertrauen und Korrektheit (von Fakten), sowie Vertrauen und Relevanz („Verschweige nichts, was für deinen Partner relevant ist“, vgl. Grice 1979). In Ebert/Piwinger (2013) wird das Analyseverfahren auf sieben Aktionärsbriefe aus den Jahresberichten 2012 angewandt: Daimler AG, Deutsche Bank AG, E.ON AG, SAP AG, Siemens AG, Swatch Group AG, ThyssenKrupp AG. Selbstlob als Misstrauensindikator in Aktionärsbriefen? Am Beispiel des Selbstlobes sollen hier lediglich einige allgemeine Überlegungen zur symptomischen Deutung sprachlicher Mittel angestellt werden. Attributive Beiwörter tragen als syntaktisch eingebettete Urteile bzw. implizite Prädikationen zur Reliefbildung in Sätzen bei (vgl. Köller 1988, 368). Man vergleiche den Unterschied zwischen: „Unser Unternehmen […] hat ein weiteres erfolgreiches Jahr hinter sich“ und „Auch das Jahr 2012 war für unser Unternehmen erfolgreich“. Neben dem Beitrag zur Reliefbildung fällt auf, dass implizite Prädikationen den Urteilscharakter des Selbstlobes abschwächen und die Aufmerksamkeit der Rezipienten von den Kriterien für Erfolg auf die Qualifizierung des Jahres als Erfolgsjahr lenken. Da implizite Prädikationen eingebettete Urteile sind, präsentieren sie den Rezipienten eine aus der Autorperspektive bereits beurteilte Welt. Explizite und implizite Prädikationen im Dienste des Selbstlobes zeugen

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in Aktionärsbriefen von einem werblichen Stil. Implizite Prädikationen präsentieren das Lob gleichsam als Hintergrundinformation, so dass sowohl die Deutung des Lobs als Normverletzung (Selbstlobverbot) als auch die Frage nach seiner faktischen Berechtigung eher unterdrückt wird. Auf diese Weise entsteht ein werblicher Stil, der eine Rezeptionshaltung erzeugt, die sich von Stimmungen leiten lässt. Zu vermuten ist, dass finanziell stark engagierte bzw. involvierte Rezipienten (Investoren und Analysten) einen solchen Stil eher als Misstrauenssignal deuten oder dem Aktionärsbrief wenig Gewicht als Quelle ihrer Urteilsbildung beimessen. Entsprechend ist zu vermuten, dass Vorstandsvorsitzende, die einen werblichen Stil bevorzugen oder zulassen, dies tun, weil sie entweder andere Vorstellungen von der Funktion eines Aktionärsbriefes haben oder diesem kein Gewicht beimessen. Tab. 5: Beiwortgebrauch und Selbstlob in Aktionärsbriefen (Ebert/Piwinger 2013) Beiwörter

Beiwörter absolut

Beiwörter je Satz

selbstlobend

superlativisch

je Satz

absolut

je Satz

absolut

Daimler

66

1,37

0,27

13

0,12

6

Deutsche Bank

117

1,46

0,12

10

0,06

5

E.ON

103

1.74

0,25

15

0,10

6

SAP

71

1,22

0,17

10

0,06

4

Siemens

118

1,55

0,28

22

0,06

5

Swatch

83

1,43

0,12

7

0,03

2

ThyssenKrupp

141

1,63

0,10

9

0,03

3

Beispielanalyse: Beim Aktionärsbrief der Siemens AG (Siemens 2012, 91–96) handelt es sich über weite Strecken um einen Imagetext, der Elemente des Beicht- oder Bekenntnisstils enthält, und der sowohl wiederholt an Vertrauen appelliert als auch darum bittet: „dabei ist für mich […] das Vertrauen, das Sie in unser Unternehmen setzen, ganz besonders wichtig und ein stabiler Rückhalt“, „Ihr Engagement schafft […] Vertrauen, und Vertrauen verbindet uns alle“, „Ein Zeichen des Vertrauens […] ist auch die Dividende von erneut 3,00 €“, „Wir möchten, dass Sie […] uns weiterhin mit Vertrauen begleiten“. Das Eingeständnis „dass wir uns […] nicht immer agil genug auf Veränderungen […] eingestellt haben“ konfligiert mit dem propositionalen Gehalt des Wunsches „wir möchten, dass Sie von der guten Entwicklung unseres Unternehmens profitieren“. Insgesamt gelingt es dem Aktionärsbrief nicht, eine plausible Argumentationslinie aufzubauen. Vertrauen wird beschworen, nicht begründet. Die Gründe dafür liegen in der Weitschweifigkeit, der Zusammenhanglosigkeit und der Beliebigkeit vieler Aussagen, die einer kritischen Situationseinschätzung wenig entgegenstellen. Trotz des deutlichen Bemühens um eine gute Beziehung zu den Rezipienten

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bleibt die Betonung von Vertrauen daher rein rhetorisch  – nicht zuletzt auch, weil Formulierungen vorkommen, die unlogisch oder missverständlich sind: „Ich möchte Sie einladen, im Geschäftsbericht diese Reportagen zu lesen. Denn so können Sie uns bei unserer täglichen Arbeit beobachten […]“ [sic! H. E.]. Die Werbung um Vertrauen verkehrt sich sogar ins Gegenteil, wenn eine Aussage zu falschen Schlüssen verleitet: „Wir haben unsere Ergebnisse deutlich gesteigert. Im Jahr 2002 lag unser Ergebnis pro Aktie noch bei 2,92 €, während es heute über 5 € beträgt.“ Hier muss man wissen, dass das Ergebnis in 2011 bei 8,23 € lag. Die Aussage ist somit zwar nicht falsch, aber es wird eine stetige Entwicklung nahegelegt, die nicht den Tatsachen entspricht.

4 Vertrauen und Sprache im Web 2.0 Das heutige Vertrauen zwischen Unternehmen und Stakeholdern wie zwischen der Wirtschaft und der Öffentlichkeit ist in wesentlichen Teilen medial konstruiert und unterschieden von interpersonalen Vertrauensprozessen (vgl. Hubig 2014, 360). Mit dem Internet ist ein neuer Bedarf an Vertrauen entstanden, da sich der Raum der öffentlichen Kommunikation erweitert hat: In dem Maße, in dem Bedingungen geschaffen werden, die es uns erlauben, mit entfernten Akteuren zu kommunizieren oder Handel zu treiben, erhöht sich der Bedarf an Vertrauen, der damit auf gewachsene Kompetenzen oder auf gesteigerte Erwartungen reagiert. (Hartmann 2011, 59)

Gleichzeitig gilt, dass Internet und Social Media nur den Aufbau von schwachen Beziehungen zulassen. Es ist ein Paradox, dass genau darin die Stärke der sozialen Medien liegt. Da man einander nicht wirklich kennt, treten Informationen und Fakten in den Vordergrund – und es bleibt ein kreativer Spielraum, um starke Beziehungen mittels symbolischer Kommunikation auf dem Wege der Parallelkommunikation mit „alten“ Medien zu gestalten. Während Vertrauenswürdigkeit die Risikokalkulation i. e. S. erübrigen soll, soll Reputation eine erforderliche Risikokalkulation sichern; während Vertrauen Unsicherheit bewusst zulässt und eingesteht, soll Reputation diese kompensieren und die Kalkulation (des Misstrauischen) anderwärtig absichern. Eine gute Reputation kann als Kapital für weitere potenzielle Vertrauensbeziehungen fungieren – nicht verwunderlich, dass Unternehmen in letzter Zeit besonders ihr Augenmerk auf die Vermeidung von Image- und Rufschäden legen, die im Rahmen von Social Media leicht verstärkt werden können und – unabhängig von der Qualität von Produkt- oder Infrastrukturinnovationen – die Akzeptanzlagen wesentlich beeinflussen. (Hubig 2014, 355).

Durch Social Media rücken zugleich Eigentum und Besitz am Markenimage auseinander. Es ist zu vermuten, dass in einer solchen Situation, in der dem Management die Kontrolle über das Image zumindest teilweise entgleitet, eine Vertrauensbeziehung

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zwischen Unternehmen und seinen Stakeholdern umso wichtiger wird (vgl. Häusler 2014, 399 f.). Kanäle und Instrumente der internen Kommunikation im Web 2.0: Es geht um den Wechsel von der Einwegkommunikation („one-to-many“) zum vernetzten Dialog („many-to-many“), der dafür sorgt, dass die Mitarbeiter für die interne Meinungsbildung denselben Zugang zur Nutzung von Medien haben wie die Unternehmensleitung. Damit sind die Mitarbeiter in der Meinungsbildung „nicht mehr auf den Flurfunk und andere informelle Kommunikationsprozesse angewiesen“ (Pfannenberg/ Tesch 2013, 6), eine Entwicklung, die viele Unternehmen fürchten (vgl. ebd.). Mit Blick auf das Veränderungsmanagement erhalten folgende Funktionen des Web 2.0 mehr Bedeutung: Erkundung von Meinungen („listening“), Informieren (über Ziele), Selbstorganisation („empowerment“), Unterstützung (bei der Projektarbeit; „supporting“), Beteiligung und Gemeinschaftsbildung („embracing“, „commitment“). Die Kanäle und Instrumente der internen Kommunikation sind vielfältig: Microsites dienen zur projektbezogenen Information für Führungskräfte. Media Center erlauben einen schnellen Zugriff auf Bewegtbilder, Fotos, Podcasts und andere Medien. Podcasts und Vodcasts sind Medien, die emotionalisieren und Nähe erzeugen. Instant Messaging ermöglicht den Informationsaustausch in Echtzeit. Microblogs, Team- und Projektblogs (Wissensmanagement) unterstützen eine schnelle, transparente, informell-pragmatische Kommunikation mittels Kurznachrichten (Vorbild: Twitter), die die Entscheidungsfindung nachvollziehbar machen. Corporate Blogs (intern) fungieren als Mittel persönlicher Kommunikation der Geschäftsführung. Diese müssen die Bereitschaft mitbringen, andere Meinungen zuzulassen. Sie müssen sich auch zu heiklen Themen äußern und abschätzen lernen, wann man sich äußern sollte und wann nicht. Teamrooms sichern alle Unterlagen eines Projektes und halten sie verfügbar. In Foren tauschen sich Mitarbeiter und Führungskräfte aus. Corporate Wikis werden als sich selbst steuernde Wissenspools zu Unternehmens- und Projektthemen genutzt. Interne soziale Netzwerke verbinden Kollegen untereinander. Frage-Antwort-Gemeinschaften bieten Mitarbeitern niedrigschwellige Angebote, um mit dem Top-Management in Kontakt zu treten. Prognosebörsen bilden Meinungen im Vorfeld strategischer Entscheidungen ab. Jams als Online-Events dienen der Entwicklung, Bewertung und Diskussion neuer Ideen. Hinzu kommen weitere Kommunikationskanäle, vor allem komprimierte Formate für Smartphones und andere mobile Geräte (vgl. Pfannenbert/Tesch 2013). CEO-Kommunikation und Web 2.0: Hajnal hat am Beispiel der CEO-Kommunikation die These aufgestellt, dass das Web 2.0 die Logik des „objektiven Nachrichtenjournalismus“ auf eine veränderte Grundlage stelle, deren Regeln sich „momentan am deutlichsten in Weblogs, der wohl populärsten Anwendung der Online-Kommunikation“ (2009, 64) manifestierten. Pressemitteilungen im Stil des objektiven Nachrichtenjournalismus würden oberflächlich, uniform und distanziert wirken (ebd., 63). Oberflächlich bedeutet: Die konsequente Trennung von Nachricht und Meinung „nivelliert Meinungsdifferenzen und behindert eine vertiefte Auseinandersetzung

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bzw. Meinungsbildung“ (ebd., 63). Uniform bedeutet: Insofern die Themen konsequent nach den journalistischen Nachrichtenfaktoren „ausgewählt und inszeniert“ (ebd., 63) werden, sind sie „vorhersehbar“ (ebd., 63). Distanziert bedeutet: Die „hierarchische Anordnung von Fakten [nach dem Prinzip der umgekehrten Pyramide; H. E.] lässt dem Rezipienten wenig Raum, an der Entwicklung der Geschehnisse teilzunehmen“ (ebd., 63). Mit dem Web 2.0 gehen nun folgende Entwicklungen einher: Die klassischen Milieus werden durch Communities ersetzt, die Lifestyle-Kultur hat ausgedient, die Mediennutzer suchen sich ihre Inhalte aktiv zusammen, und dementsprechend verwandeln sie sich von „passiven Konsumenten in mündige und meinungsautonome Multiplikatoren“ (Hajnal 2009, 63). Pressemitteilungen im Stil des objektiven Nachrichtenjournalismus laufen vor diesem Hintergrund Gefahr, als „oberflächlich“, „uniform“ und „distanziert“ gedeutet zu werden (ebd., 64). Unternehmens-Weblogs hingegen seien profiliert, da sie auf die konsequente Trennung von Nachricht und Meldung verzichten würden (vgl. Hajnal 2009, 65). Dadurch erwecken sie „den Eindruck, ihren Nutzern exklusive Informationen und Einschätzungen abseits der normierten Informationsströme zu vermitteln“ (ebd., 65). Weblog-Nachrichten würden zudem authentischer wirken, da die Nachrichtenthemen „den individuellen Beobachtungsmustern der Verfasser“ entsprechen (ebd., 66). Ferner kämen Stilmittel wie die „Ich-Person oder expressive[.], umgangssprachliche[.] Formulierungen“ (ebd.) zum Einsatz. Die Unternehmens-Weblogs seien schließlich engagiert, denn sie verzichten auf journalistische Distanz. Vielmehr bemühen sie sich, den Rezipienten klare Vorteile zu verschaffen – ihnen z. B. Einblick ins Unternehmen oder Insider-Tipps zu geben. Gleichzeitig reagieren ihre Verfasser unmittelbar auf Nutzer-Feedback (Postings). Weblog-Beiträge wirken deshalb glaubwürdig. (ebd., 66)

Mitteilungen auf Unternehmens-Weblogs entsprechen daher nach Hajnal mehr der Logik des Kommunikationsmodells von H. P. Grice (1979). Das bedeutet, dass Unternehmens-Weblogs für viele Nutzer verständlicher und sinnträchtiger seien als klassische Unternehmensnachrichten. Jedenfalls sei es einfacher, auf der Basis der bekannten Konversationsmaximen der Quantität, Qualität, Relevanz und Modalität das Gemeinte zu erschließen. Der Rezipient einer Botschaft setzt die Gültigkeit dieser Maximen voraus. Sofern die sprachstilistische Gestaltung einer dieser Maximen widerspricht, deutet er die sprachlichen Äußerungen so um, dass die Maximen wieder erfüllt sind. Die Kommunikationsregeln des Web 2.0 fordern nach Hajnal vom Rezipienten keine oder doch zumindest weniger Interpretationsleistung als klassische Unternehmensnachrichten: Aufgrund ihrer Charakteristik  – profiliert, authentisch, engagiert  – kooperieren sie mit dem Rezipienten im Grice’schen Sinne. Daraus ergibt sich folgender Umkehrschluss: Die Sprache der Unternehmens- und erst recht der CEO-Kommunikation hat sich künftig vermehrt nach den Konversationsmaximen zu richten (Hajnal 2009, 68 f.),

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die zu „neuen Stilprinzipien der CEO-Kommunikation werden“ (ebd., 71). Für die Kommunikation des Wandels („Change-Kommunikation“) gilt ebenfalls: „Die Unternehmensführung hat heute mehr denn je ihre Change-Projekte in der Öffentlichkeit zu vermarkten“ (ebd., 71), will sie verstanden werden und vertrauenswürdig erscheinen. Die Blogosphäre und andere Medien im Web 2.0 setzen jedenfalls Unternehmen „immer stärker unter Druck, ihre Pläne und Absichten vorschnell an eine breite Öffentlichkeit zu tragen“ (ebd., 70). Damit aus einer vorschnellen Information keine unbedachte Information wird, müssen die Unternehmen lernen, offener, tiefgründiger und kontextsensibler zu kommunizieren.

5 Vertrauen und suspekte Redeweisen Vertrauen als sprachliche und nichtsprachliche Praxis ist eine komplexe Angelegenheit, die erlernt und eingeübt werden muss. Aus sprachlicher Sicht ist auf jeden Fall erforderlich, was Harald Weinrich „Nuancenkompetenz“ (1993, 844) genannt hat. Man muss beispielsweise wissen, dass Routineformeln wie „Ich bitte um Ihr Vertrauen“ oder „Sie haben mein vollstes Vertrauen“ ein normatives Element in die Kommunikation einbringen und die Beziehung verändern, weil Einstellungen des Vertrauens das Vertrauen selbst „überschreiben“ und zum Thema werden. Gerade in kritischen Situationen zeigt sich, ob man die Sprache des Vertrauens beherrscht. In einem Kontext des Misstrauens führt mehr Information nicht zwangsläufig zu mehr Vertrauen, sondern kann geradezu Misstrauen wecken (vgl. zur Misstrauensspirale Termeer u. a. 2010, 105). Auch Mitgemeintes kann zum Signal für Misstrauen werden, wie das folgende Beispiel zeigt: „Nachgefragt bei A.//B. Warum haben Sie die Verkaufsgerüchte so lange und energisch dementiert?//A. Wir haben uns schützend vor das Unternehmen gestellt […]//B. Wird es durch die XYZ-Übernahme zu einem Stellenabbau in der Unternehmenszentrale […] kommen?//A. Die Leitung von abc bleibt in F-Stadt. Wir gehen jetzt in eine neue Phase der Entwicklung, dafür brauchen wir jeden Einzelnen unserer guten Mitarbeitenden.“ Vor allem die Doppeldeutigkeit des letzten Satzes wird in der Zentrale Panik auslösen, da man befürchten muss, dass nur die „Guten“ gebraucht werden. Auf die Lesart, dass alle gebraucht würden, da alle gut seien, wird im Kontext dieses Interviews wohl kaum jemand verfallen. Ausgehend von einem Konzept des wahrheitsgemäßen und wahrhaftigen Redens (Schreibens) hat Hundsnurscher (2004) einen Katalog des sog. „abweichenden“ Redens erstellt. Der Überblick zeigt, dass es mehr als nur die beiden Pole „wahr“ und „unwahr“ gibt, und er verhilft zu mehr Klarheit bei der Suche nach der eigenen strategisch angemessenen und moralisch vertretbaren Einstellung zur Wahrheit. Dies gilt gerade auch für PR, die mit „Aufgaben in der Unternehmenskommunikation befasst [wird], die neue Denk- und Stilkategorien erfordern“ (Rosumek 2005, 26). PR wirbt zwar um Ver-

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trauen, muss jedoch theoretisch und praktisch auf der Hut sein, will sie nicht „intellektuell in das Niemandsland der Werbewirtschaft“ (ebd.) verfallen. Tab. 6: Formen „abweichenden Redens“ nach Hundsnurscher (2004) „abweichendes“ Reden wahrheitsgemäßes und wahrhaftiges Reden

böswilliges Reden (Verleumden)

irrtümliches (unreflektiertes) Reden

unaufrichtiges Reden (Heucheln)

ironisches Reden

glatte, dreiste Lüge

ambiges Reden

„edle“ Lüge

überziehendes Reden (Übertreiben)

defensives Reden (Notlüge)

parteiliches (einseitiges) Reden (Propaganda)

schützendes Reden (Vorwand)

vorläufiges Reden (Aushandeln)

beruhigendes Reden (Trost)

vorspiegelndes Reden (Laborlüge)

beschönigendes Reden (Euphemismus)

simplifizierendes Reden

höflich-obligates Reden (Kompliment)

verschleierndes Reden

scherzhaftes Reden

simulierendes Reden

metaphorisches Reden

überlistendes Reden

fiktionales Reden

Leugnen

hypothetisches Reden

6 Fazit In den Wirtschaftswissenschaften wurde lange Zeit die Bedeutung der Sprache für ökonomisches Entscheiden und Handeln ausgeblendet. Dies änderte sich erst allmählich im Zuge des linguistic turn, als man begann, in der Sprache eine für den Unternehmenserfolg entscheidende Ressource zu entdecken. Das Thema Vertrauen wiederum galt in der Linguistik lange Zeit ebenso wie die Lüge als ein primär außerlinguistisches Thema, weil zumindest auf der Ebene des Sprachsystems anders als etwa im Falle der Höflichkeit keine sprachlichen Mittel zur Verfügung stehen, um Vertrauen oder Glaubwürdigkeit auszudrücken. Ganz im Gegenteil scheint eine Beziehung gerade dann gefährdet, wenn es nötig wird, Vertrauenseinstellungen explizit zu thematisieren. Die Lücke in der linguistischen Vertrauensforschung ist nicht zuletzt deshalb so groß, weil das notwendige Programm zur Schließung derselben zwar einen Namen hat, aber nicht umgesetzt worden ist: Gemeint ist die von der Sprechakttheorie postulierte Ebene der Perlokution.

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Die zurzeit vorliegenden (kommunikations-)linguistischen Ansätze sind heterogener Art. Die hier vorgestellten lassen sich wie folgt zu- und einordnen: Matějková (2009, 2011) versteht die Vertrauensförderung als semiotischen Prozess, bei dem es darauf ankommt, dass vertrauensfördernde Signale in Texten von Rezipienten auch wahrgenommen werden. Sie identifiziert solche Signale mit „Mitteln der pragmatischen Stilistik“ (Matějková 2011, 166), die „Stil als Handlung“ (ebd., 167) auffasst. Ein Problem dieses Zugangs ist die „starke Subjektivität der Wahrnehmung“ (Matějková 2009, 60), was die Frage nach der „Verallgemeinerung der erreichten Ergebnisse“ (ebd.) aufwirft. Auch Reinmuth (2009) geht davon aus, dass Wirtschaftskommunikation nur dann wirksam ist, „wenn sie beim Rezipienten als zutreffend wahrgenommen wird“ (ebd., 129). In diesem Fall spricht er von glaubwürdiger Kommunikation, die Vertrauen schaffe, und geht der Frage nach, „welche sprachlichen Besonderheiten diese Kommunikation aufweisen muss, um als glaubwürdig wahrgenommen zu werden“ (ebd., 130). Dabei betont er die Rolle der Zielgruppe (ebd., 142) und stützt sich bei seinen Überlegungen zu sprachlichen „Glaubwürdigkeitsindikatoren“ (ebd., 135) auf sog. „Schlüsselindikatoren“ (ebd.), die „in der bisherigen Glaubwürdigkeitsforschung“ (ebd., 134) immer wieder hervorgehoben worden seien: Verständlichkeit/ Rezeptionsfreundlichkeit, Kompetenz, Objektivität/Aufrichtigkeit und Sympathie/ (Text-)Attraktivität) (ebd., 135). Diese Indikatoren sind heterogen und reichen von Strategien der Personalisierung bis hin zu sprachlichen Mitteln der Textoberfläche, denen eine bestimmte Wirkung zugeschrieben wird. So sei der Gebrauch von Floskeln „besonders verhängnisvoll für die Zuschreibung von Glaubwürdigkeit […] dort, wo der Rezipient aussagekräftige Informationen erwartet“ (ebd., 140). Neben der Wahrnehmung kommt mit der Kategorie der Erwartung eine weitere Kategorie der Textrezeption ins Spiel. Ob und inwiefern sprachliche Mittel wie z. B. Floskeln selbst die Rezeptionshaltung beeinflussen, wird nicht gefragt. Keller (2009) gründet seine Überlegungen am Beispiel der Sprache der Geschäftsberichte implizit auf die Ausdrucksfunktion des Bühlerschen Organonmodells aus dem Jahr 1934, wenn er Textmerkmale gleichsam aus einer individualpsychologischen Perspektive als Quelle für „symptomische Schlüsse“ (Keller 2009, 39) auf Eigenschaften des Autors (CEO) wie Kompetenz, Ehrlichkeit, Intelligenz und Sympathie deutet. Die Heterogenität funktionsverschiedener Aussagen bzw. Teiltexte eines Geschäftsberichtes kommt dabei ebenso wenig in den Blick wie die Interessen, Rezeptionsmuster und Muster der sozialen Kategorisierung durch unterschiedliche Leser/Zielgruppen. In methodischer Hinsicht ist der wirkungsanalytische Beitrag von Fanelli/Misangyi/Tosi (2009) wegweisend. Diese Studie fragt, wie Analysten reagieren, wenn CEOs im Geschäftsbericht (Aktionärsbrief) Unternehmensvisionen in charismatischer Sprache formulieren. Zum einen  – so die Ergebnisse  – fallen die Empfehlungen zum Aktienkauf günstiger aus (ebd., 1022). Zum anderen sind die Empfehlungen der Analysten umso ähnlicher, je charismatischer die Visionen formuliert sind (ebd., 1025). Schließlich sprechen einige Indizien dafür, dass eine charismatische CEO-Sprache sich negativ auf die Vorhersagegüte der Analystenurteile auswirkt (ebd.). Ebert in Ebert/Piwinger

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(2013) untersucht ebenfalls die Sprache des Geschäftsberichtes bzw. der Aktionärsbriefe. Er plädiert in Anlehnung an Köller (1988) dafür, den Werkaspekt von Texten (Instruktionspotenzial) stärker in Zusammenhang mit dem Handlungsaspekt des Verstehens zu sehen und deutet sprachliche Mittel wie z. B. implizite Prädikationen des Selbstlobs nicht absolut als Misstrauenssignale, sondern auch als institutionell verfestigte Versuche, Rezeptionshaltungen zu beeinflussen. Aus allen vorgestellten Beiträgen folgt für die künftige Forschung, die perlokutive Ebene der Kommunikation in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Dies erfordert eine Entscheidung für ein konsistentes Kommunikations- und Wirkungsmodell, das gleichermaßen Wahrnehmungen, Wissen, Erwartungen, Normen und Textproduktions- und Rezeptionskompetenzen in den Blick nimmt. Die im Rahmen eines solchen Modells zu testenden Variablen dürfen nicht zufällig oder wertend sein, und sie müssen vor allem voneinander unabhängig sein, „wie dies die Wissenschaftstheorie für theoretische Kriterien (Faktoren) fordert“ (Merten 2014, 4). Vor allem sind für die Erforschung des Zusammenhangs von Sprache und Vertrauen in der Wirtschaftskommunikation die situativen und medialen Einbettungen von Kommunikationsaufgaben sowie die institutionellen Rahmenbedingungen und kollektiven Strukturen wesentlich genauer zu beschreiben, als dies bisher geschehen ist. Konkret geht es z. B. um Fragen von Offenheit, Geheimhaltung, Wahrheit, moralischer Haltung, Objektivität und Lobbying. Möglich wird eine solche tiefer gegründete soziolinguistische Vertrauensforschung nur durch eine konsequente Stärkung empirischer Forschung.

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24. Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation Abstract: Der Beitrag behandelt soziologische, kommunikative und pragmatische Aspekte von Höflichkeit als zweckrationale soziale Interaktion im Kontext externer und interner Unternehmenskommunikation. Unterschieden wird zwischen konventionell erwartbarer Höflichkeit und individueller Wertschätzung (Respekt). In den Blick kommen: Führung und Zusammenarbeit, Kultur und Klima, Kommunikation mit Bezugsgruppen (Öffentlichkeit, Kunden, Investoren), Social Media sowie Arbeitsbesprechungen, Verkaufs- und Reklamationsgespräche. Ein besonderes Augenmerk gilt Normenkonflikten und Normenkodifizierungen (Leitbildern). 1 Grundbegriffe 2 Anwendungsbereiche 3 Normenkonflikte und Normenkodifizierung 4 Fazit 5 Literatur

1 Grundbegriffe 1.1 Soziale Ordnung Held (1995, 20) beschreibt Höflichkeit aus soziologischer Perspektive und lokalisiert das „soziale System der Höflichkeit“ auf vier Ebenen: Werte (konstitutive Ebene), Normen (regulative Ebene), Verhaltensstandards wie Sitten, Bräuche, Rituale, Routinen, soziale Gewohnheiten (effektive Ebene) und die Ebene der individuellen Anwendung (Ebene der Auswahl sprachlicher Mittel). Die dem Ausdruck von Höflichkeit zugrundeliegenden Wertstrukturen kreisen um den Selbstwert als eine „relative und nicht absolute Größe. Sie ist nicht in sich gegeben, sondern entsteht erst in Konfrontation mit dem anderen“ (ebd., 22), welcher sie bestätigt oder gefährdet. Höflichkeit ist nicht einfach eine Tugend oder Etikette, sondern zweckorientiertes soziales Verhalten. Es liegt in der Regel „im Interesse des Sprechers, eine soziale und emotionale Harmonie zu schaffen bzw. zu bewahren, und zu einer solchen Harmonie gehört, dass auf das Selbstwertgefühl des Hörers Rücksicht genommen wird“ (Schwarz-Friesel 2007, 26). Im Kontext „zweckrational kooperierender sozialer Interaktion“ (Held 1995, 22) sind Schutzmechanismen und Pflegeformen des Selbstwertes omnipräsent, und es ist u. a. Aufgabe der Unternehmenskultur, zwischen der kognitiven Autono-

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mie des Einzelnen und dem Anspruch des Unternehmens auf soziale Kontrolle auch mit Hilfe von Höflichkeitsstandards zu vermitteln (vgl. Schmidt 2004, 111). Höflichkeit unterliegt der Beurteilung nach der Wahrhaftigkeit (vgl. Heringer 1990, 15). Auf der Ebene der Interaktion kann Höflichkeit als Mechanismus verstanden werden, der folgende Funktionen hat: Reduzierung der wechselseitigen Unberechenbarkeit (Kontingenz), Sicherung von Reziprozität (Balance zwischen Geben und Nehmen), Koordinierung des kommunikativen Handelns (z. B. Gesprächssteuerung), Anerkennung der jeweiligen Identitäten (Selbstwert), Beitrag zur Gemeinschaftsbildung (wechselseitige Achtung, wechselseitiges Interesse am Wohlergehen, Vertrauen, Fürsorge) (vgl. Haferland 1996, 66; Moravcsik 2003, 96).

1.2 Theoretische Aspekte Soziologische Höflichkeitskonzepte betonen den Zusammenhang von Höflichkeit und Macht, Autorität und Status (vgl. Haase 1998, 89 f.). Entsprechend wird z. B. das Phänomen der sprachlichen Selbstverkleinerung als Strategie gedeutet, mit der ein Sprecher die Macht des Hörers bestätigen will. Das Einbeziehen des Hörers dient entsprechend als Signal des Sprechers an den Hörer, dass er dessen Kontrolle nicht untergraben will. Welche sprachlichen Mittel konkret zum Einsatz kommen, hängt u. a. auch vom Grad der jeweiligen Machtdistanz ab, was in kulturellen Überschneidungssituationen relevant ist (vgl. Neubauer 2003, 36). Ein sozialpsychologischer Aspekt wird im Höflichkeitskonzept von Brown/Levinson (1987) betont. Mit der Kategorie des face wird die abstrakte Kategorie des Selbstwertes als Bedürfnisstruktur konkretisiert (vgl. Haase 1998, 91). Menschen streben danach, ihr Gesicht zu wahren. Brown/Levinson (1987, 70) unterscheiden ein positives Gesicht (Bedürfnis nach Wertschätzung) und ein negatives Gesicht (Bedürfnis nach Freiraum). Das positive Gesicht entspricht dem Bedürfnis des Menschen, anerkannt, respektiert und unterstützt zu werden. Das negative Gesicht entspricht dem Bedürfnis des Menschen, sich den persönlichen Handlungsspielraum so wenig wie möglich einschränken zu lassen. Positives und negatives Gesicht von Sprecher und Hörer gehen nicht als fest stehende Größen in die Interaktion ein, sondern werden erst im gemeinsamen Handeln aufgebaut. Das eigene wie auch das fremde Gesicht ist prinzipiell in jeder Interaktion gefährdet und bedarf zur Wahrung entsprechender Aufmerksamkeit. Gefährdungen für das positive Gesicht des Sprechers können sich ergeben aus Selbstkritik, Entschuldigungen, Schuldeingeständnissen usw. Gefährdungen für das negative Gesicht des Sprechers können sich aus Versprechen und anderen Selbstverpflichtungen ergeben, wenn der Sprecher nicht zu seinen Worten steht. Gefährdungen für das positive Gesicht des Hörers können sich ergeben aus Kritik, Zurückweisungen oder Beleidigungen usw. Gefährdungen für das negative Gesicht des Hörers können sich ergeben aus Einschränkungen des Handlungsspielraums durch Verbote, Aufforderungen, Drangsalierung usw. (vgl. Lüger 2001, 6 f.). Selbstverständlich gibt es auch gesichtswahrende

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und gesichtsstärkende sprachliche Handlungen wie Komplimente, Schmeicheleien, Ehrungen und andere Sympathiebekundungen. Ein kommunikativer Aspekt von Höflichkeit bezieht sich auf Bühlers „Organonmodell“ (1934) des sprachlichen Zeichens, dessen drei Grundfunktionen Appell (an den Hörer), Ausdruck (der Innerlichkeit des Sprechers) und Darstellung (der Dinge) von Jakobson (1985) um eine phatische (Kontakt-)Funktion ergänzt wurde. „Respekt spielt im Rahmen der Appellfunktion eine wichtige Rolle: Höflichkeit und Familiarität dienen dazu, den Gesprächspartner in seinem Denken und Handeln zu beeinflussen und ihn vor allem erst einmal dem Sprecher und seinen Wünschen geneigt zu machen […] Darüber hinaus haben die Respektformen phatische Funktion: Sie dienen dazu, den Sprecher-Hörer-Kontakt zu etablieren und aufrechtzuhalten. Letzteres geschieht durch den ständigen Verweis auf die Sprecher-Hörer-Beziehung“ (Haase 1998, 97). Zu dem pragmatischen Aspekt höflicher und familiärer Bezugnahme rechnet Haase (1998, 99) die Beziehung „zwischen dem erzählten Ereignis bzw. seinen Partizipanten und dem Sprechakt bzw. dessen Teilnehmern“. Für die Wahl der richtigen Respektformen ist „das Verhältnis der Gesprächspartner zueinander determinierend“ (ebd., 100). Haase unterscheidet „Adressatenhonorifikation“ und „Referentenhonorifikation“: „Bei der Adressatenhonorifikation wird das gesamte Sprechereignis in Beziehung zum Sprecher-Hörer-Verhältnis gesetzt“ (ebd., 101). Diese Art der Respekterweisung kann „daher ereignisorientiert genannt werden“ (ebd.). Bei der Referentenhonorifikation „spielt die Beziehung einzelner Partizipianten des erzählten Ereignisses zum Sprecher-Hörer-Verhältnis eine Rolle“ (ebd., 101). Diese Art der Respekterweisung kann „also aktantenorientiert genannt werden. Aktant ist hier im Sinne von Partizipiant des erzählten Ereignisses begrifflich weit zu fassen“ (ebd.). Mit Hilfe dieser Begrifflichkeit kann auch das Phänomen der Anrede beschrieben werden, denn „bei der Anrede [fallen] zwar Referenten- und Adressatenhonorifikation zusammen […], nicht jedoch ereignis- und aktantenorientierter Respekt. Die Anrede ist immer aktantenorientiert“ (Haase 1998, 102).

1.3 Sprachliche Ausdrucksmittel Sprachlich wird Höflichkeit fassbar in Gesprächen oder in Texten. Zum einen gibt es die konventionell erwartbare Höflichkeit, zum anderen die darüber hinausgehende individuelle Wertschätzung (vgl. Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, 934). Ferner sind Höflichkeitsformen im engeren Sinne und solche im weiteren Sinne zu unterscheiden. Erstere sind Ausdrucksformen, „die relativ autonom, abgelöst von ihrer situativen Verwendung, in ihrer Funktion verstanden werden können“ (ebd., 935), letztere sind Formen, die „nur im größeren situativen Rahmen in ihrer Funktion verstehbar sind“ (ebd.). Dabei sind sich nicht alle Sprachteilhaber einig in Bezug auf das, was jeweils als höfliches Verhalten zu gelten hat, und es kommen neue Situationen auf, für die noch keine Standards existieren wie z. B. das mobile Telefonieren in der Öffent-

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

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lichkeit. Höflichkeit ist offenbar „kein eindeutiges, für alle Mitglieder einer Gesellschaft klar festlegbares Phänomen. Gruppenspezifische Erwartungen, bestimmte normative Einstellungen geben vor, was als höflich gilt und was nicht“ (Lüger 2001, 4). An der Erzeugung von Höflichkeit sind alle Kommunikationspartner beteiligt. Ob die Kommunikation höflich ist, das entscheidet sich auf drei Ebenen (vgl. ebd., 8): a. die Formulierung von Äußerungen: Hier stellt sich die Frage nach der angemessenen Wortwahl. Wie muss z. B. eine Anrede in der E-Mail-Kommunikation formuliert werden, um als angemessen zu gelten: „Sehr geehrter Herr N.“, „Sehr geehrter, lieber Herr N.“, „Guten Tag Herr N.“, „Guten Tag Norbert“, „Grüezi“, „Salut“, „Hallo“? b. die Auswahl einer Sprechhandlung: Hier stellt sich die Frage, welche Sprachhandlung im gegebenen Kontext den Höflichkeitsanforderungen angemessen ist: eine Erklärung, eine Rechtfertigung, eine Entschuldigung, ein Protest? c. die Verknüpfung von Sprachhandlungen zu Sequenzen: Wie muss ich einen Text, eine Rede, ein Gespräch planen und aufbauen, um die gewünschte Hörerreaktion wahrscheinlich zu machen und um meine Identität (als Respektsperson/-organisation) zu unterstreichen? Ein Text sollte als Sinnganzes auch eine prägnante und in sich stimmige und souveräne Höflichkeitsgestalt präsentieren. Höflich sind dabei „Formen sprachlichen Handelns, in denen Belange des Adressaten (Selbstbild, Bedürfnisse usw.) qua Ausdruckswahl in einer Weise berücksichtigt sind, die das Erreichen des Handlungszwecks besonders befördert“ (Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, 934). Bezogen auf konkrete Kommunikationsaufgaben besteht die Pflicht im Finden des handlungslogischen Minimums und die Kür in der nuancierten Ausformulierung der Textbausteine. Wer als CEO die Textsorte „Aktionärsbrief“ wählt, um die Anteilseigner vom Wert der Aktie zu überzeugen, respektiert seine Leser nicht, wenn er unter dem Etikett „Brief“ einen verkürzten Lagebericht abliefert und mit den Lesererwartungen unverantwortlich umgeht (vgl. Ebert/Piwinger 2003). Höflichkeit durch konventionalisierte Indirektheit entspricht im wesentlichen der von Brown/ Levinson 1987 beschriebenen Globalstrategie „off record“: Man sagt Allgemeineres als das, was man zu erreichen beabsichtigt, oder man sagt etwas, das auf den ersten Blick keinen Zusammenhang mit der Redeintention zu haben scheint. Der Hörer muß erst erschließen, worauf der Sprecher aus ist. Sinn dieses Vorgehens ist, eine Imagebedrohung des Hörers zu vermeiden. (Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, 937)

Vor allem Aufforderungen werden in der Kommunikation als indirekte Sprechakte realisiert, weil sie sich am Face-Prinzip der Höflichkeit orientieren und den Hörer „kommunikativ nicht in die Enge treiben, sondern ihm (scheinbar) Optionen lassen und damit sein Gesicht wahren“ (Schwarz-Friesel 2007, 25). Daneben können indirekte Sprechakte auch als eine Vorsichtsmaßnahme begriffen werden, zu der ein Sprecher greift, um sich nicht direkt angreifbar zu machen (vgl. ebd.), was auch für den Fall gilt, dass er andere kritisieren, beleidigen oder diffamieren will. Indirektheit geht jedoch „weit über die schonende Rücksicht der traditionellen Umgangslehre hinaus“ (Held 1995, 83) und kann kommunikationstheoretisch wesentlich tiefer begründet werden,

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und zwar mit dem Verweis auf die interaktiven Eigenschaften des Kontextualisierens, Aushandelns und der Erzeugung von Kontinuität (vgl. ebd.), kurz: „Distanzierung [ist] die Voraussetzung für jede dialogartige Auseinandersetzung“ (Eibl-Eibesfeldt 1978, 336; zit. n. Held 1995, 83). Neben den Formen der Indirektheit gibt es eine weitere „elementare Form der Höflichkeit, die auf Distanz beruht („negative Höflichkeit“)“ (Weinrich 1993, 102). Sie kann bereits mit Pronomina zum Ausdruck gebracht werden, wie die Vertrautheitsformen du/ihr und die Distanzform Sie zeigen. Der Sprecher-Plural zeigt unter dem Gesichtspunkt der Höflichkeit eine „verwirrende Fülle von Nuancen, daneben gibt es eine „höfliche Ich-Scheu“, die allerdings heute nicht mehr so auffällig ist wie bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts hinein (vgl. ebd., 107). Die Fülle der Stolpersteine in der Alltagskommunikation ist enorm, sie reicht vom bevormundenden wir des Vorgesetzten über Normunsicherheiten in der on- und offline-Kommunikation bis hinein in interkulturelle Kommunikationssituationen, in denen z. B. deutsche Geschäftsleute ihre niederländischen Kollegen siezen, die ihrerseits die Deutschen duzen. Hinzu kommt, dass Deutsche das niederländische Duzen irrtümlicherweise als Symptom dafür auffassen, dass niederländische Unternehmen und andere Organisationsformen weniger hierarchisch seien als deutsche. Auch in Aktionärsbriefen findet sich ein relativ breites Spektrum an Distanz- und Vertrautheitsformen, die es wert wären, genauer untersucht zu werden: „Sehr geehrte Damen und Herren“, „Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre“, „Liebe Leserinnen und Leser“, „Liebe Mitaktionärinnen und Mitaktionäre“. Höflichkeit hat mit einem „sprachspezifischen Formen- und Formelinventar zu tun“ (Held 1995, 91), das über Routineformeln („danke“, „bitte“, „Guten Tag“ etc.) und idiomatische Formeln („Darf es sonst noch etwas sein?“) bis hin zu Höflichkeitsritualen reicht. Biologisch stellen Rituale eine Regelungsform für Herrschafts-, Macht- und Territorialkonflikte dar (vgl. ebd., 92), sie dienen dazu, Situationen symbolisch zu bewältigen und können aufgrund ihres „zeremoniösen Repräsentationscharakters“ (ebd.) erstarren und haben dann nur noch „expressiv-pragmatische Funktion“ (ebd., 93). Der Wert der Rituale liegt in der „Regelung sozialer Begegnungen, in der Anpassungs- und Angleichungsfunktion des Individuums an die Bezugsgemeinschaft und in der Bewältigung der Komplexität realer Sachverhalte durch die Reduktion auf habitualisierte Teilstrukturen“ (ebd.). Held warnt davor, Höflichkeit auf rituelle Höflichkeit zu verkürzen, denn „im Gegensatz zum Ritual ist Höflichkeit vielmehr durch ständige subjektive Variation gekennzeichnet. Es besteht sogar vielfach die Möglichkeit zum Durchbrechen der präfigurierten Bahnen, ohne die Normen zu verletzen und den Sinn zu sprengen“ (ebd.). Letzteres ist vor allem im Zusammenhang mit der sog. Change-Kommunikation bedeutsam, weil es hier zum einen darum geht, mit alten Denk- und Verhaltensgewohnheiten zu brechen, und zum anderen erstarrte Rituale entweder mit neuem Sinn zu füllen oder durch innovative Rituale zu ersetzen. Das Feld der Rituale in der Unternehmenskommunikation ist so relevant wie in soziolinguistischer und pragmatischer Sicht unerforscht.

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

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2 Anwendungsbereiche Die Beschäftigung mit Kategorien wie Höflichkeit, Respekt (und Vertrauen) führt hin zu dem Problem, das Kühl (2011, 161) „unterhalb der Oberfläche“ lokalisiert hat: Dieses Sprachbild bringt zum Ausdruck, dass man sich sehr wohl dessen bewusst ist, dass neben der Welt der bunten Organisationsleitbilder (mit ihren Bekenntnissen zu Kundenzufriedenheit, Integrität und Kollegialität) und jenseits der Verfahrens- und Prozesshandbücher noch eine ‚weitere Realität‘ der Organisation existiert. (Kühl 2011, 161)

Das Bild von der Organisationskultur als Eisberg, dessen größter Teil unsichtbar unter der Wasseroberfläche liegt, verleitet „Manager, Berater und Wissenschaftler häufig dazu […] sich gerade nicht im Detail mit dem zu beschäftigen, was unterhalb der Wasseroberfläche liegt“ (ebd., 161). Mit Blick auf die Erforschung von Höflichkeit (und Vertrauen) darf vermutet werden, dass der größte Teil dessen, was beschreibungs-, erklärungs- und verbesserungsbedürftig ist, bislang überhaupt noch nicht erforscht ist, zumal sich im Zuge vieler neuerer Entwicklungen wie u. a. diejenige der Mediatisierung die Spielregeln rasant verändern.

2.1 Interne Kommunikation „Generell gilt, dass die interne Kommunikation aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht ein weitgehend theorieloses Feld ist“ (Voß/Röttger 2014, 1149). Diese Erkenntnis ist ohne weiteres auch auf die sozio- und pragmalinguistische Erforschung des Höflichkeitsverhaltens zu übertragen. Die Frage „Wozu keine Wertschätzung?“ (Zwack/Muraitis/Schweitzer-Rothers 2011) muss auch im Zusammenhang damit gesehen werden, dass Hierarchien es „überflüssig machen, dass Führungskräfte sich auf die ‚persönliche Achtung‘ ihrer Mitarbeiter stützen“ (Kühl 2011, 74). Dadurch hat das Management die Möglichkeit, „unpopuläre, bisherige Erwartungen verletzende Entscheidungen zu treffen“ (ebd.). Andererseits ist festzuhalten, dass angstgesteuerte Mitarbeiter keine engagierten Mitarbeiter sind, d. h. ein Klima des Respektes wechselwirkt mit Mitarbeiterzufriedenheit, Engagement und niedriger Fluktuation.

2.1.1 Führung und Zusammenarbeit Unternehmen müssen heute aus vielfältigen Gründen mehr Wert darauf legen, auch als Arbeitgeber sich zu einer starken Marke zu entwickeln (employer branding). Ein Unternehmen präsentiert sich mit jedem Brief, jeder Pressemitteilung, jeder Stellen-

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anzeige und vor allem auch mit dem Stil von Absagen. Stil meint die Art und Weise des Umgangs nach innen und außen, den Ton und die Form der Kommunikation. You must treat employees with dignity at every level of the organization and you must work to give them voice. Getting every mind in the game is a critical skill level. Always be there […]. Everybody has to gain the respect of their organizations. Everyone has to demonstrate human decency. That hasn’t changed. (Welch 2013, 30)

Führungskräfte müssen über die Arbeitsergebnisse ihrer Mitarbeiter Rückmeldungen geben, aktiv informieren, die Gelegenheit zum persönlichen Gespräch suchen, offen und ehrlich sowie respektvoll Mitarbeiter im Gespräch beurteilen (respektvoll kritisieren) und bereit sein, dass eigene Führungsschwächen angesprochen werden. Diesen Anforderungen steht oftmals eine ganz andere Wirklichkeit gegenüber, die nicht selten sogar destruktiv-aggressive Züge annimmt. Auf der Ebene der Mikropolitik hat Müller (1997) innerbetriebliche Arbeitsbesprechungen untersucht, um herauszufinden, wie Sprecher auf die Beiträge anderer reagieren, um ihre eigenen Ziele durchzusetzen. Unter den identifizierten Verfahren befinden sich auch potenziell gesichtsbedrohende Verfahren. Hierbei handelt es sich um das Abwerten der Partneraktivität (als unpassend, negativ, Ausrede), interaktionelles Ausgrenzen (z. B. durch Sprechen über den Partner: „jetzt redet er genauso wie vor einem Jahr“), Diskreditieren (z. B. durch Unterstellen moralischer Falschheit), Degradieren (z. B. durch Bloßstellen defizienter Arbeitsleistung), Deklassieren (z. B. durch für dumm erklären) und scherzhaftes Überspielen (z. B. durch überzogenes Ironisieren oder polemisierende Konter als Abwehr-Reaktion) (vgl. Müller 1997, 277–289).

2.1.2 Kultur und Klima Unternehmenskultur wird heute bewusstseinspflichtig. Hierzu gehören (kulturelle) Artefakte, die Wahrnehmung und Verhalten steuern, kollektive mentale Deutungsund Orientierungsstrukturen (Werte, Grundüberzeugungen, mentale Modelle) und kollektive Verhaltens- und Handlungsmuster („action patterns“). Zu den (sichtbaren) Manifestationen dieser „unsichtbaren“ Strukturierung dessen, was für ein Kollektiv relevant ist, gehören u. a. symbolische Artefakte (Helden, Logos, Marken, Design etc.), Texte (Legenden, Storys, Leitbilder, Visionen etc.) und spezifische Interaktionsformen wie Rituale, Routinen, Zeremonien etc. (vgl. Ebert 2014, 435). Während der Kulturbegriff aus der Anthropologie stammt, wurde der Klimabegriff in der Psychologie entwickelt (vgl. Neubauer 2003, 23). Die Auffassungen über das, was ein Organisationsklima ausmacht, gehen weit auseinander. Die meisten Ansätze jedoch folgen sechs Kernkomplexen: individuelle Autonomie, strukturierte Ziele und Methoden, Qualität des Be- und Entlohnungssystems, Unterstützung durch den Vorgesetzten, die Organisation, Kooperation und Konfliktlösungskompetenz, Flexibilität und Inno-

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vation (ebd., 26 f.). Beim Faktor der Unterstützung durch den Vorgesetzten bzw. die Organisation geht es um Aufmerksamkeit, Interesse, Vertrauen und die sachliche wie sozio-emotionale Unterstützung sowie die Fürsorge für die Mitarbeiter (vgl. 27). Beim Faktor der Kooperation und Konfliktlösungskompetenz zählt vor allem die „Qualität der sozialen Beziehungen zwischen den Kollegen innerhalb des Unternehmens, der Abteilung oder der Arbeitsgruppe sowie der Umgang mit Konflikten“ (ebd., 27). Ein wesentlicher klimatischer Faktor ist darin zu sehen, wie in Unternehmen einschließlich der Personalabteilung über Menschen gesprochen wird und in welchem Stil dies geschieht. Nicht selten trifft man auf Mitarbeiter, die bereits von sich selbst schlecht sprechen. Ein respektloser Gossenstil  – breitet er sich erst einmal in einem Team, einer Abteilung oder einem Unternehmen aus – zerstört schnell das Klima und damit sowohl die Arbeitsatmosphäre als auch die soziale Atmosphäre. Respektlosigkeit kann als unethisches Kalkül bewusst zum Einsatz kommen, beispielsweise als Mittel, Mitarbeiter zur freiwilligen Kündigung zu bewegen (Mobbing).

2.2 Externe Kommunikation Die externe Kommunikation zielt strategisch auf die Wahrnehmung des Unternehmens („corporate perception“ im Sinne von Image und Reputation), auf die Effizienz der Kommunikationsprozesse und auf Kundenzufriedenheit und Kundenservice.

2.2.1 Image-Kommunikation Öffentliche Beziehungen folgen immer weniger einer sich selbst genügenden Ethik, sondern sie werden zum Gegenstand von Aushandlungsprozessen. Entsprechend greift ein Denken in Kategorien instrumenteller Image-Kommunikation immer weniger. Buss/Fink-Heuberger (2000, 132) verdeutlichen die Unterschiede zwischen dem alten Paradigma der instrumentellen Image-Kommunikation und dem neuen Paradigma der integrativen Image-Kommunikation:

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Tab. 1: Stile der Management-Kommunikation (Buss/Fink-Heuberger 2000, 132) Instrumentelle Management-Kommunikation

Integrative Management-Kommunikation

Berichts-Informationsebene dominiert

Stil- und Vertrauensebene dominiert

Positionierung im Markt steht im Vordergrund

Atmosphärische Nähe zur Öffentlichkeit steht im Vordergrund

Kommunikation stellt auf Leistungsergebnisse ab

Kommunikation stellt auf Verständigung ab

Sachinteressen stehen im Vordergrund

Vertrauenswerte stehen im Vordergrund

Messbare Resonanzwerte dominieren

Respektkategorien dominieren

Denken in Ansehens-, Status- und ­Reputationsnormen

Denken in Kooperationskategorien

Kommunikation setzt auf Erfolgskategorien

Kommunikation betont Bindung mit der ­Öffentlichkeit

Kommunikation zielt auf Autonomie

Kommunikation zielt auf Wert-Konsens

Kommunikation zielt auf aktuelle, eher ­vergängliche Bilder

Kommunikation betont historisch-zeitlose Bilder, setzt auf Dauerhaftigkeit

Kommunikation zielt auf Nutzenebene

Kommunikation zielt auf emotionale Ebene

Kommunikation ist auf kommerzielle, bzw. monetäre Fragen orientiert

Kommunikation zielt auf Bedeutungsebene (Bedeutung der Beziehung zur Öffentlichkeit)

2.2.2 Stakeholder-Kommunikation Ziel der Stakeholder-Kommunikation ist ein langfristiger Beziehungsaufbau zu als relevant erachteten Stakeholdern (Bezugsgruppen) eines Unternehmens. Dabei muss ein Unternehmen sich auf drei „fragile Größen“ einlassen: Vertrauen, Reputation und Commitment. Höflichkeit spielt hier insofern eine Rolle, als ein höfliches Verhalten Schlüsselsignal für die Zuschreibung von Sympathie ist, und Sympathie ist eines von mehreren Signalen für die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit. Höfliches Verhalten korrespondiert – zumindest in der subjektiven Wahrnehmung einer Höflichkeit des Herzens  – mit Offenheit, Ehrlichkeit, Toleranz, Reziprozität und Fairness (vgl. Stahl/Menz 2014, 70). Reputation, Identität und Image sind untrennbar verbunden. Reputation (wie uns andere tatsächlich sehen) ist das stets „vorläufige Ergebnis eines ständigen Abgleichs zwischen Erwartungen an das Unternehmen und Erfahrungen mit dem Unternehmen“ (ebd., 74). Identität meint in diesem Zusammenhang die Art und Weise, wie ein Unternehmen sich selbst sieht. Image meint, wie andere das Unternehmen sehen sollen (vgl. ebd.). Ein noch weitgehend linguistisch unerforschtes Phänomen besteht darin, dass viele Unternehmen massiv in ihr Image investieren, aber weder genügend geistige noch genügend materielle Ressourcen investieren, um ihre Identität zu strukturieren. Solche Unternehmen agieren weitgehend, ohne

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

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ein Bewusstsein ihrer selbst zu haben, und lassen sich entweder von Situationen treiben oder sie imitieren Mitbewerber (Benchmarking, Best Practice etc.). „Commitment ist mehr als Identifikation und auch mehr als Bindung“ (Stahl/Menz 2014, 76) und bezeichnet die „Bereitschaft, zu einer eingegangenen Beziehung auch dann zu stehen, wenn es, rational gesehen, günstigere Optionen zu dieser Beziehung gibt. Commitment bringt extrarationale Mechanismen ins Spiel, welche die Bedeutung der Zukunft aufwerten und so als Wechselbarriere wirken“ (ebd.). Für das Reputationsmanagement kommt es darauf an zu erkunden: Werden Gesten des Unternehmens als Zeichen von Geringschätzung oder Achtung gedeutet? Welches Maß an Selbstachtung hat ein Unternehmen? Kommuniziert ein Unternehmen auf Augenhöhe? (vgl. Ebert 2014, 438). Wichtig ist festzuhalten, dass die strategische Stakeholder-Kommunikation (oder PR) auch nach innen eine wichtige Beraterfunktion hat, wenn es um die Verantwortung für den Aufbau von Vertrauen, Reputation und Commitment geht. Zentrale Werte müssen dann auch vom Vorstand und den jeweiligen Abteilungen (z. B. Marketing, Personal, Recht) anerkannt werden. Für Analysten und Investoren ist es sehr wichtig, Investor-Relations-Teams und CEOs als verlässliche Ansprechpartner zu haben, die genau wissen, welche Informationen der Kapitalmarkt benötigt und wie man in der Argumentation auf die Bedürfnisse des Kapitalmarktes Rücksicht nimmt. „Zuverlässige und respektierte IR-Teams können dabei die Unternehmensführung von zahlreichen Anfragen und Anliegen aus dem Kapitalmarkt entlasten“ (DIRK e. V. 2007, 16). Das Gebiet der Kundenkommunikation dürfte zu den wissenschaftlich am gründlichsten untersuchten Gebieten der schriftlichen Stakeholder-Kommunikation zählen. Höfliches und respektvolles Schreiben gehört zu den Kernprinzipien der Kundenkorrespondenz, was erst recht gilt, wenn unangenehme Botschaften zu überbringen sind (vgl. Stahl/Menz 2014, 195–197). Das Hauptproblem der Kundenkorrespondenz liegt vor allem darin, dass die tägliche Routine dazu verführt, schematisch und floskelhaft zu schreiben. Darüber hinaus fehlen oft Stilvorgaben, die z. B. darüber orientieren, wie man wahrgenommen werden will, und Information über Lesererwartungen und Normen(-konflikte). Zu den Kernkriterien der klassischen Kundenkorrespondenz gehören neben Verständlichkeit, Selbstdarstellung und Appell der Beziehungsaufbau, und hier insbesondere die Wertschätzung des Kunden als gleichberechtigte Person, wozu u. a. der Verzicht auf Bevormundung gehört, der Aufbau von Vertrauen und eine wünschenswerte Distanz gemäß den Regeln des jeweiligen Kulturkreises. Die Bandbreite der Kundenansprache ist durch das Internet größer geworden. Sie reicht vom formell-höflichen Stil des klassischen Geschäftsbriefes bis zum informellhöflichen Stil der inszenierten Nähe, wie das folgende Beispiel zeigt: Hallo Helmut,// vielen Dank! Unser System hat heute den Geldeingang zu Deiner Bestellung 11020526 verbucht.// Dein Kaffeeglück wird so schnell wie möglich für Dich verpackt und dann versendet.// Röstfrische Grüße von// Annika und der Green Cup Coffee Crew (12.10.2014, Antwort auf die Bestellung einer Porzellankanne mit Metallfilter).

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Medien- und informationstechnische Neuerungen ermöglichen eine zunehmende Inszenierung von individueller Kundenansprache (vgl. Mast/Huck/Güller 2005, 365). Zwar höflich, doch respektlos ist das von Stahl/Menz zitierte selbstherrliche Schreiben eines Quasi-Monopolisten: Ankündigung einer Preiserhöhung// Sehr geehrter Herr …// als Ihr Energiedienstleister in GELAND beliefern wir Sie in gewohnter Qualität mit Strom.// Heute möchten wir Sie darüber informieren, dass wir zum 1. Juli 1977 eine Preisanpassung vornehmen werden. Wie sich diese auswirkt, können Sie der Übersicht auf der Rückseite dieses Schreibens entnehmen.// Gleichzeitig ändern wir den Produktnamen: Ihr Produkt S Klassik heißt künftig S Basis Privatstrom […]// Mit freundlichen Grüßen […] (Stahl/Menz 2014, 198).

Die Botschaft dieses Schreibens wird nicht plausibel gemacht. „Ganz im Gegenteil, sie wird euphemistisch verschleiert als (neutrale) ‚Änderung‘ in der Überschrift und als ‚Anpassung‘ im Text“ (ebd. 199). Ferner wird dem Kunden zugemutet, sich den neuen Preis selbst auszurechnen. Mit der Namensänderung wird zudem „in das Eigentum anderer eingegriffen“ (ebd.). Der letzte Absatz hat „nach den vorangegangenen beiden einen zynischen Beigeschmack“ (ebd.). Sieht man ein Verkaufsgespräch als einen Überzeugungsprozess an, der eine Perspektivenübernahme und einen langfristigen Erfolg anvisiert, dann ist Kooperation notwendig. „Denn wer Kunden manipuliert und bekämpft, schafft kein Vertrauensverhältnis und verspielt die Zufriedenheit. Das kann sich kein Unternehmen auf Dauer leisten […]“ (Pabst-Weinschenk 1999, 162). Der Verlauf und das Ergebnis von Gesprächen werden durch Gesprächshaltungen und Einstellungen bestimmt, wie sie Pabst-Weinschenk (ebd.) idealtypisch gegenübergestellt hat: Kooperation Gespräch Transparenz Perspektive-Übernahme partnerschaftlich selbstsicher

versus versus versus versus versus versus

Konkurrenz Sieg-Niederlagen-Kampf Manipulation Egozentrik autoritär/dominant unsicher

Kooperation und Kundenorientierung müssen glaubhaft kommuniziert werden. Auch wenn im Verkaufsgespräch die Rollen festgelegt […] sind, sollte der Gesprächsprozeß möglichst offen und die Interaktion nicht stereotyp sein […] Verschiedene Gesprächsverhaltensweisen haben verschiedene Wirkungen auf den Partner. Aber diese Wirkung ist nicht immer gleich. Es macht einen großen Unterschied, ob ein Gesprächsverhalten vereinzelt gebraucht wird oder ob es gehäuft auftritt […]. Grundsätzlich wirkt gehäufter Gebrauch einzelner Gesprächsmittel negativ. (Pabst-Weinschenk 1999, 162 f.)

Das Ideal des kooperativen Verkaufsgesprächs ist die Ausgeglichenheit in den sozialen Austauschprozessen. Die ausgeglichene Beziehung kann als

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

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Waage symbolisiert werden. Einzelne Gesprächsverhaltensweisen bringen die Beziehung zwischen den Gesprächsteilnehmern aus dem Gleichgewicht. Für einen kurzen Moment ist das oft nicht schlimm, wenn sich die Waage wieder einpendelt. Werden aber einzelne Verhaltensweisen gehäuft eingesetzt, gerät die Beziehung aus dem Gleichgewicht, und das Gespräch kippt um: Der Kunde wird unzufrieden, und es entstehen Beziehungsrangeleien und Machtkämpfe […]. Das eigentliche Ziel, die Passungsüberprüfung von Angebot und Nachfrage, tritt in den Hintergrund. (Pabst-Weinschenk 1999, 163 f.)

Die folgende Übersicht veranschaulicht, welche Wirkung die Dosierung von sprachlichen Mitteln auf den Gesprächsverlauf hat: Tab. 2: Wirkung sprachlicher Mittel auf den Verlauf eines Verkaufsgesprächs (Pabst-Weinschenk 1999, 164) Mittel

Wirkung bei dosiertem Gebrauch

Wirkung bei gehäuftem Gebrauch

Partner fühlt sich

Partner fühlt sich

Frage

zur Antwort motiviert

dominiert; verweigert Antwort

Information

informiert, ernstgenommen

erdrückt durch Überangebot

Minimal-Antwort

prägnant informiert

verunsichert; vermutet Unlust

Appell

zum Handeln angeregt

fremdbestimmt; weckt Widerstand

Bewertung

wichtig, wenn um Meinung gefragt

herabgesetzt; provoziert Gegen­ bewertung

Ich-Botschaft

offen, persönlich angesprochen

wie ein Therapeut

Zuhörzeichen

zum Weitersprechen motiviert

verunsichert (wirken stereotyp!)

Prozess-Äußerung, ­metakommunikativ

einbezogen in den Prozess

abgelenkt vom Inhalt, gestört

Reklamationsgespräche haben das Ziel, die Beanstandungen zu prüfen und bei Fehlern, die das Unternehmen zu verantworten hat, Ansprüche der Kunden, die sich rechtlich aus dem Kaufvertrag ergeben, zu befriedigen. Das kann bedeuten, eine Nachbesserung oder einen Umtausch vorzunehmen, den Kaufpreis zurückzuerstatten oder einen Preisnachlass anzubieten. Reklamationsgespräche sind potenziell konfliktträchtig, und zwar in emotionaler wie in sachlicher Hinsicht. Der Kunde kann verärgert oder aggressiv reagieren. Als Verkäufer steht der Reklamationsbearbeiter möglicherweise unter dem Druck, Kundenansprüche abzuwehren. Andererseits sind Reklamationen für ein Unternehmen aber auch eine Chance zum Lernen und ein Schutz, der verhindert, dass sich Kunden enttäuscht vom Unternehmen abwenden. Ein gutes Reklamationsgespräch erfordert wie ein Verkaufsgespräch professionelle Höflichkeit und Beziehungsarbeit. In gemeinsamer Anstrengung kommt es für den Mitarbeiter und den Kunden darauf an, die Beziehung aufrecht zu halten und

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Übereinstimmung in der Situationseinschätzung zu erzielen (Ratifizierung), um die Folgen daraus abzuleiten (Lösung des Problems und Realisierung der Lösung). Die Herausforderung für den Bearbeiter besteht darin, dass er sprachliche Handlungen wie z. B. Danken an der richtigen Stelle mit den richtigen Worten im richtigen Tonfall umsetzt. Ist das nicht der Fall, kann ein Dank im Rahmen eines Reklamationsgespräches leicht ironisch oder als eine Beruhigungstaktik wirken. Deshalb müssen schematische Empfehlungen immer wieder in der konkreten Situation hinterfragt werden. Tab. 3: Handlungsschema und Aufgabenstruktur von Reklamationsgesprächen (vgl. Brünner 2000, 107) Emotions- und Beziehungsmanagement (frei platzierbar) – Emotionsmanagement Ausdruck von Gefühlen (Enttäuschung, Ärger etc.) – Vorwürfe Reaktion auf Gefühle – Anteilnahme – Bearbeitung des Vorwurfs – Beziehungsmanagement Imagepflege beider Seiten Beziehungspflege Bearbeitung des Sachproblems – Problemerläuterung und Erklärung der Voraussetzungen Klärung der personellen Zuständigkeit Problemdarstellung – Problemformulierung – Entstehung des Problems (z. B. Erzählung, Bericht) – Bewertung des Problems Problemformulierung – detailliertes Nachfragen – Prüfung der Problemdarstellung Gemeinsame Problemdefinition und -ratifizierung (Übereinkunft) Klärung der Problemursachen – Erklärungen für die Problementstehung – Klärung der Schuldfrage – Problemlösung Vorschlag für eine Problemlösung – Verständigung über die Dringlichkeit – Vorschlag für die Lösung des Sachproblems – Bewertung des Lösungsvorschlages – Entschädigung/Wiedergutmachung Annahme/Ablehnung des Lösungsvorschlages Ratifizierung der Problemlösungsfindung Erörterung der folgenden Schritte zu Verwirklichung der Problemlösung – Überprüfung der Voraussetzungen und Verwirklichung der Problemlösung – Lösungszusicherung

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

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Das folgende Beispiel stammt aus Brünner (2000, 303–307) und zeigt den scharfen Gegensatz zwischen der emotional aufgeladenen Vorwurfshaltung der Kundin (K) und der rein formalen Abwicklung der Reklamation durch die Mitarbeiterin (M). Die Aktivitäten der Mitarbeiterin und ihre Ankündigung der Erstattung bewirken keine Zustimmung der Kundin, sondern im Gegenteil eine Eskalation des Konfliktes. Die Mitarbeiterin wirkt auch deshalb unbeteiligt, weil sie während des Gespräches im Wesentlichen nur ihre Such- und Klärungsaufgaben am Computer erfüllt und die Ergebnisse mitteilt. Die Äußerung „Sie können weitersprechen“ ist gleichsam ein Höhepunkt an ungewollter Respektlosigkeit gegenüber der Kundin. Die Mitarbeiterin „funktioniert“ lediglich, bleibt gesichtslos und zeigt keine Bereitschaft zur individuellen Verantwortungsübernahme gegenüber der Kundin. Ihre „Loyalität“ gilt scheinbar allein der Firma, die sie gegen die Vorwürfe in Schutz nimmt („aber“). Die Kundin reagiert ganz anders und gibt sich empört und persönlich betroffen durch die Situation („sonst wird mein Gespräch zu lang … und zu teuer“). Ohnmachtsgefühle kommen auf, sie fühlt sich dem Unternehmen ausgeliefert (vgl. Brünner 2000, 110 f.). Telefonisches Reklamationsgespräch Vereinfachte Wiedergabe eines Transkriptes (Brünner 2000: 303–307; Aufnahme G. Antos) Situation: Anruf in der Reklamationsabteilung einer Firma K = Kundin M = Mitarbeiterin nicht = besonders emphatisch gesprochen K Also wir haben auf m Mai-Markt in Neuestadt bei einem Ihrer Vertreter eine Hausmaschine bestellt            Und haben die auch zugeschickt beM                                                    hmhm K kommen          Aber die falsche. Wir haben den XT-dreihundertvierzig, was M          hm K wir dem Vertreter ausdrücklich gesagt haben.                  Und jetzt M                                                                             hmhm hm hm K wurde die Hausmaschine von uns schon drei Wochen, morgen drei Wochen an Ihr Werk zurückgeschickt, weder noch eine Antwort, noch Geld, noch irgendetwas zurück. M                     Klei                            Äh klei/äh, Frau Meier, ham Sie die RechK                                 Noi, die han i jetzet nicht zur Hand. M      nung zur Hand?                                                                Sie ham Sie nicht K M

                                                                                                         Das is a furchtzur Hand. Dann muss ich mal es. was ermitteln, . denn äh

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K bare Schlamperei, und ich verlange, dass der Vertreter das Gesamt bezahlen muss. Des verlang ich! . Und wenn nit, dann geh ich zu meinem Rechtsanwalt.            Ich bin schon seit sechzig Jahr/äh seit neunzehnhun- M                                                   (.............Tippen am Computer ...............................                                    Äh Frau/ K dertsechzig, solange sind Sie noch nicht bei Schulze, Kunde, und habe M ................................................................................................................... K alles von Schulze, darf sowas nicht passieren! Bin solange Kunde. M ........................................................................) Äh, Frau Meier, könnten Sie K M

Des isch/ öch, ja jetzt mir mal die Postleitzahl sagen, von Neustadt?

K M

schnell, null, sechzig, acht Och! Einundsechzig, achtNein, das ist die Vorwahl!

K M

undzwanzig.

Ja Sie, äh Sie können weitersprechen, Frau Meier, selbstver-

Des is/ isch a Mordsschlamperei. Morgen werdets drei Woche

K M

ständlich.

K M

Genau. Genau. Wulenbergerstraße fünfundsechzig [ (leiser:) Äh, dann hab ich jetzt erstmal die Auftragsnummer. Ich schau mal da/ ] der Kollege hat aber da

K

Aber gar nix! I hab kei Hausmaschine, und ich hab kein gar nix! . Mir hen au a Gschäft, i woiß, wie des vor sich geht, und den / den kann i an Kragen gange. [ (schimpft:)

K M

Blöder Heini da, der blöde also ] (7 sec) Ja, äh Sie haben dem Fachbera-

K M

Jater, dem Herrn Müller gesagt, dass Sie den XT-dreihundertvierzig haben?

K M

wohl! Den große Wage. Und dann sagte er noch, hm hm Ja, ja äh, wir haben/ wir haben veranlasst, ... äh, vor drei Tagen, dass unsere Finanzabteilung

K M

(Wasch das is) weder noch. Ihnen das Geld zurückschickt.

K K

Morgen werdets drei Woche. Ich hab kei Hausmaschine, noch hab ich mein Geld net.

(Auslassung)

Weder noch ähm

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

K M

Ja, aber morgen sinds drei Wochen. Und jetzt muss ich Schluss machen, hm

K M

sonst wird mein Gespräch zu lang ... und zu teuer. Ja

K M

Endeffekt überhaupt nix. Sie bekommen aber das Geld zurück. Das ist

K M

Ja. Und ansonsten kriege Sie dann ein Schreiben hier alles veranlasst. Ja.

K M

von mir oder von meinem Rechtsanwalt, was mit dem Herrn geschieht, Ja

K

weil ich lass mir des net biete, dass ma so was äh . überhaupt verkaufen lässt.

 523

Das bringt mir im

Tab. 4: Perspektivenunterschiede bei Kunden und Reklamationssachbearbeitern (vgl. Brünner 2000, 111) Kunden

Reklamationsbearbeiter

handeln als individuelle Personen

handeln als Agenten der Institution

Unkenntnis der institutionellen Abläufe

Kenntnis der institutionellen Abläufe

agieren aus einer Position der Schwäche

agieren aus einer Position der Stärke

Sicht auf die Reklamation: Einzelfall

Sicht auf Reklamation: Standardfall

persönliche Problembetroffenheit

keine persönliche Problembetroffenheit

Abwicklung ist eine Störung des Alltags

Abwicklung ist Bestandteil von Routine

Problemlösung ist für K relevant

Problemlösung ist für M wenig relevant

erwarten individuelle Behandlung

wenden allgemeine Regeln an

(negative) Emotionen

emotionale Neutralität/Unbeteiligtsein

524 

 Helmut Ebert

Tab. 5: Typische Fehler in Reklamationsgesprächen (vgl. Fiehler/Kindt 1994, 260) Typische Fehler in Reklamationsgesprächen – unzureichende Problemdefinition – vorschnelle Schuldzuweisung durch das Unternehmen – zu ausführliche Erklärungen für die Problementstehung – unangemessene Beziehungsfestlegung – vage Aussagen über Entschädigung oder Wiedergutmachung – unzureichende Darlegung unterschiedlicher Wissenshintergründe und ­Relevanzsetzungen – mangelnde Perspektivenübernahme – Typisierungen und Vorurteile – unfaire Argumentation – unzureichende Redekooperation und Gesprächsstrukturierung. – Fehlende Reaktion auf Emotionalität – vorschnelle Problemtypisierung

2.2.3 Impression-Management und CEO-Kommunikation Sprach- und Stilkompetenz erhöht kognitiv wie kommunikativ Situationsmacht und Ansehen. Personen, die über einen differenzierten Wortschatz verfügen und über eine sozial angesehene Aussprache, werden als Personen eingeschätzt, die über ein höheres Maß an sozialer Kontrolle verfügen. Weltweit haben Studien gezeigt, dass z. B. eine korrekte Aussprache – im Sinne der Hochlautung – nicht nur den Eindruck von sozialem Status und wahrgenommener Kompetenz vermittelt, sondern dass sie auch großen Einfluss auf die Bereitschaft anderer hat, mit solchen Sprechern zu kooperieren (Stroebe/Hewstone/Stephenson 1996, 341 f.). Die Frage stellt sich, ob der in Deutschland beobachtete Mangel an Ausdrucksvermögen auch ein Mangel an Urbanität und selbstbewusstem Bürgersinn ist. In der deutschen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft herrsche – so Bohrer (2002, 1057) – ein grundsätzlicher Mangel an Ausdrucksvermögen, ein Mangel, über die eigene private Situation hinauszuwachsen und seine Authentizität sozusagen zu stilisieren und in Haltung und Sprache Autorität zu verbreiten, eine Autorität jenseits von Kenntnissen des Faches, der Banken, des Geldes. (ebd., 1057)

Eine typische Szene, welche die „Grundstruktur von deutscher Ausdruckslosigkeit“ (ebd., 1058) belege: Der Chef einer süddeutschen Landesbank in London hatte zur Eröffnung seiner Repräsentanz Vertreter britischer Privatbanken und Kollegen aus der deutschen Zentrale eingeladen:

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

 525

Das Mißliche am Umgang mit den englischen Partnern, die Hilflosigkeit der deutschen Bankleute lag nicht in einem Fauxpas, nicht darin, daß man etwas Unpassendes gesagt hätte. Das Mißliche war, daß sie gar nichts sagten. (ebd., 1057)

Die „einfallslose Nichtanwesenheit der Deutschen“ (ebd.) stand im schärfsten Gegensatz zu der Aura der Briten, in der sich „Timbre des Charakters und Originalität des Selbstbewußtseins mischten“ (ebd.). Was Bohrer bei den Deutschen vermisst, ist nicht die Fähigkeit zur subjektiven Selbstdarstellung. Er vermisst in der Selbstdarstellung der Deutschen ein Zeichen von „transzendierender Intensität“ (ebd., 1058) bzw. die Fähigkeit, etwas so zu repräsentieren, dass es zugleich individuell ist und über das Individuelle hinaus auf eine allgemeine Idee von sich selbst und der Welt verweist. Es fehlt das Bewusstsein davon, dass Stil oder symbolische Form Ausdruck einer höheren Notwendigkeit ist. Das persönliche Auftreten und die Kommunikationsfähigkeit des Managements sind ein wichtiger Faktor für die Wahrnehmung des Unternehmens durch den Kapitalmarkt. Der persönliche Eindruck eines Managers, wie er etwa bei einem Gespräch oder einer Präsentation gebildet wird, beruht unweigerlich auch auf der kommunikativen Fähigkeit, der Eloquenz, der Ausstrahlung und dem Auftreten dieses Managers. Selbstbewusstsein und Charisma der Unternehmensführung können die Wahrnehmung eines Unternehmens und seiner Entwicklung positiv beeinflussen. (DIRK e. V. 2007, 20)

Moralische Integrität ist eine Forderung der Öffentlichkeit an Prominenz, insbesondere an die Prominenz leitender Manager. Vertrauenswürdigkeit, Glaubwürdigkeit und Wertautorität bilden konstitutive Elemente öffentlichen Ansehens. Wer mit der Öffentlichkeit kommuniziert, muss sich vorbildhaft verhalten. (Buss 1999, 171)

Strouhal (2002, 208) hat gezeigt, wie sich das Gentleman-Konzept im englischen Bürgertum zu einem unauffälligen gesellschaftlichen Statusgewinn gegenüber dem Adel entwickelte. Es beruhte auf den Tugenden des Mutes, der Ehre, der Sanftmut und des „Respektes (gegenüber Wahrheit, Bescheidenheit und Frömmigkeit)“ (ebd.). In der Gegenwart erscheint das Geschäft entpathetisiert, der homo oeconomicus ist Spieler, nicht Ritter […]. Ethische Wertmaßstäbe oder nationale Bindungen zwecks Identitätsgewinn benötigt der Händler nicht […]. Die adäquate Verhaltenslehre für den Tradesman der Gegenwart hat der Spekulant Nick Leason verfaßt. Sie ist kurz. Nachdem er an der Börse von Singapur mehrere Milliarden Pfund verspielt und die Barings Bank an den Rand des Abgrundes gebracht hatte, schickte er eine höhnische Postkarte mit zwei Worten: „Sorry Nick“, für Börsianer heute ein Sammelobjekt ersten Ranges. (Strouhal 2002, 217 f.)

526 

 Helmut Ebert

2.3 Interkulturelle Kommunikation Cho (2005) nennt folgende kulturspezifische Höflichkeitsprinzipien: Distanzwahrung, Ehrerbietung/Bescheidenheit, Konfliktvermeidung, Solidarität, Relativierung, Floskel, Effektivität. Die Anlässe zum Missverstehen sind in interkultureller Kommunikation vielfältige. So stört die „artificial friendliness“ der US-Amerikaner die Deutschen wie die meisten Europäer (vgl. Mooij 2010; über indirekte und direkte Werbestile vgl. ebd., 172). In kollektiven Kulturen kommt es darauf an, Anspielungen richtig zu interpretieren, wohingegen in individualistischen Kulturen die Kommunikation direkter und (scheinbar) klarer ist. Entsprechend ist in kollektivistischen Kulturen Vagheit eine Höflichkeitsstrategie: Bei der internationalen Garten-Expo 1999 in Kumming hatten die chinesischen Experten den ersten schweizerischen Projektentwurf als „sehr interessant und sehr europäisch“ kommentiert, was der schweizerische Projektverantwortliche als höfliche Formulierung für ‚langweilig‘ interpretierte und nach einer zusätzlichen Attraktion suchte, die dann ein großartiger Erfolg wurde. (Lin-Huber 2001, 82)

Mit Blick auf die Konversationsmaximen von Grice (1975) hat Heringer (2004, 80) die These aufgestellt, dass die Unterschiede „zwischen Kulturen und Personen oft groß [sind], aber im Licht der Grundprinzipien nur vordergründig. Sie betreffen nicht Maximen […], sondern nur Ausführungsnormen.“ Kulturelle Kompetenz ist ein Erfolgsfaktor des öffentlichen Ansehens. Ihre Bedeutung wird erst immer dann erkennbar, wenn ein Unternehmen […] sich als kulturell inkompetent erweist. Am deutlichsten zeigt sich diese Inkompetenz im interkulturellen Austausch, selbst bei Unternehmen, die global agieren, sich als globale Unternehmen definieren. (Buss/Fink-Heuberger 2000, 179)

Der Autohersteller Mercedes Benz beispielsweise wurde im Jahr 1998 von der französischen Verkehrswacht verklagt, weil er auf ungewöhnlich aggressive Weise für seine Fahrzeuge geworben hatte. In einer Anzeige ist eine Rassetafel mit Pitbullhunden zu sehen, an deren Ende ein Mercedes steht. Darunter steht der Slogan „Die MercedesE-Klasse verfügt über einen besonders aggressiven Motor“. Unter Verweis auf die vielen Verkehrstoten, bedingt durch „aggressives Fahren“ forderte die französische Verkehrswacht nicht nur die Rücknahme der Anzeige, sondern auch eine Entschuldigung. Eine Geste, die zu verstehen gibt, daß kulturelle Standards stärker zu berücksichtigen sind. Und eine Geste, die für ein erfolgreiches Reputationsmanagement Voraussetzung ist. (Buss/Fink-Heuberger 2000, 179)

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

 527

2.3.1 Internationales Management Gegenseitiger Respekt in der Teamkooperation ist eine wichtige Bedingung dafür, dass multikulturelle Gruppen effektiv und kreativ sind. Ethnozentrisches Denken begünstigt das Aufkommen von Vorurteilen gegenüber Angehörigen anderer Kulturen. Es erleichtert die Zusammenarbeit in Teams, wenn die Zusammensetzung der Mitglieder möglichst wenig Anlass für Vorurteile bietet. Gleicher Status, internationale Reputation, enger Kontakt und erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Realisierung gemeinsamer Ziele sind daher gute Voraussetzungen für den Aufbau gegenseitigen Respekts. (Neubauer 2003, 46)

Neubauer (ebd., 38) präsentiert ein Beispiel für Probleme in der Zusammenarbeit zwischen einem amerikanischen Vorgesetzten und einem griechischen Mitarbeiter. Der Amerikaner versteht seine Frage „Wie lange brauchst du, um diesen Bericht zu beenden?“ als Bitte an den Griechen, sich zu beteiligen. Für den Griechen macht die Frage des Vorgesetzten keinen Sinn, denn er erwartet klare Vorgaben von seinem Vorgesetzten. Dementsprechend antwortet er „Ich weiß nicht. Wie lange soll ich brauchen?“ Diese Gegenfrage wiederum wird vom Vorgesetzten fälschlicherweise als Weigerung, Verantwortung zu übernehmen, gedeutet.

2.3.2 Internationales Marketing Hoeken/Hornikx/Hustinx (2009, 215–220) haben den Zusammenhang zwischen Kulturunterschieden und Kommunikationsstil anhand von Werbetexten untersucht. Neben den äußerst heterogenen und wenig eindeutigen Ergebnissen der kulturvergleichenden Persuasionsforschung zeichnet sich ab, dass vor allem unterschiedliche Wertordnungen für die Überzeugungskraft von Werbetexten von Belang sind (vgl. ebd., 220). Aus der Studie von Mooij (2010, 95) ist für die Höflichkeitsforschung vor allem das Selbstkonzept relevant. Mitglieder kollektivistischer Kulturen (z. B. China, Japan) definieren sich nicht als Individuum, sondern über die Gruppe, der sie angehören: In Japan, „respecting yourself“ means always showing yourself to be the careful player; it does not mean, as in English usage, consciously conforming to a worthy standard of conduct. In India, self-regard means that feelings of inner regard or esteem are experienced not only around oneself but equally around the “we” of the extended family, particular community (jati), and other groups to which one belongs. (Mooij 2010, 95)

Hierzu passt, dass die universelle Geltung des Face-Konzepts von Brown/Levinson (1987) inzwischen als widerlegt gelten darf (vgl. Foley 2002, 274). Für das Konzept „Markenpersönlichkeit“ bedeutet dies, dass es weniger relevant für Mitglieder kol-

528 

 Helmut Ebert

lektivistischer Kulturen ist als für Mitglieder individualistischer Kulturen. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht sind zugleich Zweifel daran erlaubt, ob es „global communities“ oder „global tribes“ im Sinne homogener Konsumentengruppen überhaupt gibt (vgl. Mooij 2010, 12): „global homogenous markets […] exist mainly in the minds of Western marketing managers and advertising people“ (ebd., 13). Neben dem Selbstkonzept spielt auch der Grad der Direktheit eine wichtige Rolle. So dürfte die IkeaAnzeige „Das solltest Du nicht verschlafen. Jetzt gibts viele Kommoden besonders günstig!“ (www.ikdea.de Abruf v. 10.6.2014) aufgrund ihrer Direktheit zwar in sog. „low-context“-Kulturen (Edward T. Hall) wie Deutschland funktionieren, jedoch nicht in „high-context“-Kulturen wie z. B. Indien, Japan und China.

2.4 Sprache und Kommunikation im Web 2.0 2.4.1 E-Mail-Kommunikation E-Mails haben die innerbetriebliche Kommunikation und die Projektkommunikation stark verändert. Sie erfordern sowohl ein neues Vertrauen als auch ein sinnvolles Maß an Misstrauen. Ihre Verfügbarkeit und Schnelligkeit „birgt auch Gefahren für die Verantwortung und die Transparenz der Kommunikation“ (Kleinberger 2013, 189). Mittlerweile haben sich gewisse Standards und Normen für die Höflichkeit, für Konflikte und Direktiven ausgebildet. Dennoch müssen angemessene Formen immer wieder neu ausgehandelt werden (vgl. ebd.), denn es gilt sowohl die inhaltliche als auch die funktionale Prägnanz zu beachten. Humor und Ironie verbieten sich für die geschäftliche E-Mail-Kommunikation, weil die symbolischen Möglichkeiten nicht ausreichen, um Eindeutigkeit herzustellen. Auch bleibt es vom Grundsatz her eine Frage des Respektes, wenn nicht gar der Ethik, ob und wenn ja, welcher Gebrauch von dem Instrument der „blind copy“ gemacht wird. Es genügt hier nicht, mit Kleinberger festzustellen, dass „jeweils mit einer BCC, einer „blind copy“ der E-Mail gerechnet werden“ sollte (ebd., 188). Man kann nicht umhin zu konstatieren, dass die Diskussion sowohl um die Höflichkeit in E-Mails im Besonderen als auch um den Nutzen von E-Mails im Allgemeinen erst am Anfang steht. Auf jeden Fall bedarf die E-Mail-Kommunikation in jedem einzelnen Unternehmen sowohl einer klaren Definition der Zwecke und Verwendungsbedingungen als auch einer sie kommunikativ stützenden und die Beziehungen schützenden Begleitkommunikation. Eine weitere Aufgabe besteht darin, zu erkunden, unter welchen Bedingungen Bitten, Anregungen, Kritik, Aufträge und Weisungen überhaupt als solche wahr- und ernstgenommen werden, und welche Strategien Mitarbeiter entwickeln, um sich der Flut an E-Mails zu entledigen.

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

 529

2.4.2 Social Media Das Internet erlaubt direkte und ungefilterte Beziehungen zu unterschiedlichen Stakeholdern und wird von vielen als „sozialer Raum wahrgenommen“ (Pleil/Zerfaß 2014, 742), für den teilweise eigene Regeln gelten. Mit dem Wechsel vom „massenmedialen zu einem sozialmedialen Paradigma“ (Rau 2014, 809) geht der Wechsel von der zentralen Größe „Aufmerksamkeit“ zur Größe „Anerkennung“ vonstatten. Der anerkennungsökonomische Kontext – ablesbar an der neuen „Währung“ der „Likes“ – folgt anderen Regeln als die „Währung“ Aufmerksamkeit (vgl. ebd.). Unternehmen erfahren im Web 2.0 ungefilterte Reaktionen, z. B. wenn sie gegen die kulturelle Etikette verstoßen. So richtete sich ein sog. „Shit-Storm“ gegen den Versandhändler OTTO, der ein Mädchen-Shirt mit dem Aufdruck „In Mathe bin ich Deko“ zum Kauf angeboten hatte. Der Sportartikelhersteller Adidas zog eine in den USA angebotene T-ShirtKollektion zur Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien zurück, nachdem sich die brasilianische Tourismusbehörde öffentlich über T-Shirts mit sexistischen Motiven (Herz in Po-Form) und zweideutigen Aussagen („Lookin‘ to score“, umgangssprachlich für ‚auf der Suche nach Sex‘) beschwert hatte (zur Ethik in der Werbung vgl. Femers 2011, 326–333). Auch wenn das Motto „Kommunikation auf Augenhöhe“ omnipräsent zu sein scheint, gelangt das Modell der Dialogkommunikation unter Glaubwürdigkeitsverdacht. Denn nach wie vor handelt es sich um interessegeleitete Kommunikation […]. Damit einher geht eine unausweichliche Symmetrie. Wirtschaftliche Macht trifft auf die Stimmen der Bürger. Die eine Seite vergibt Aufträge. Die andere darf sich darüber aufregen […]. Das Modell, so die Skeptiker, vertritt einen So-tun-als-obDialog. (Boelter/Hütt 2012, 397)

Am Beispiel der CEO-Kommunikation im Web 2.0 verweist Hajnal (2009) darauf, dass inzwischen die Regeln des objektiven Nachrichtenjournalismus auf dem Prüfstand stehen. Da die sozialen Medien des Web 2.0 ein höheres Maß an Individualisierung und Profilierung der Manager als Kommunikatoren erfordern und die Rezipienten Signale von Authentizität und (persönlichem) Engagement erwarten, scheinen seiner Meinung nach in sprachstilistischer Hinsicht […] die Konversationsmaximen nach Grice [1975] diesen Forderungen am besten zu entsprechen. Sie könnten – zumindest für die Online-Kommunikation von Unternehmen – zu neuen Stilprinzipien der CEO-Kommunikation werden (Hajnal 2009, 71),

da ein alltagsnaher und persönlicher Stil Sinnbildungsprozesse stärker fördere als der Stil des objektiven Nachrichtenjournalismus.

530 

 Helmut Ebert

2.4.3 Netiquette Die neuen „Öffentlichkeiten“ unterscheiden sich beispielsweise durch eigene Kommunikationsstile, die unterschiedlichen Spielregeln folgen. Klassische Gatekeeper wie Journalisten und (traditionelle) Meinungsführer spielen dabei eine wesentlich geringere Rolle als in den klassischen Öffentlichkeiten (vgl. Pleil/Zerfaß 2014, 742). Aber auch innerhalb der neuen Öffentlichkeiten im Web 2.0 kommt es in kurzer Zeit dazu, dass sich Meinungsführer und Bezugsgruppen herausbilden. Die treibende Kraft dahinter ist deren Expertenstatus und weniger Alter, beruflicher Hintergrund oder gesellschaftlicher Status (vgl. ebd.). Für das Kommunikationsmanagement von Unternehmen bieten sich hier neue Ansatzpunkte. Es gilt, die neuen Meinungsführer zu erkennen und in die Kommunikation einzubeziehen (vgl. ebd.). Dabei ist es für Unternehmen in vielen Situationen heikel, nicht-journalistische Meinungsführer direkt anzusprechen, denn dies verbietet die „Netiquette“, d. h. die Summe der ungeschriebenen Verhaltensregeln im Netz. Unternehmen, die die Netiquette missachten, riskieren den Verlust ihrer digitalen Reputation. Das Web 2.0 bzw. seine Interaktivität führt dazu, dass Bezugsgruppen nicht nur passiv Informationen konsumieren, sondern sie können sich selbst zu sog. „Cyber-Initiativen“ zusammenschließen und wieder auflösen. Ein solcher Zusammenschluss kann dem Erfahrungsaustausch dienen. Er kann aber auch zu Protestaktionen, „Shit-Storms“ oder Boykotten führen (vgl. ebd.). Wenn sich Unternehmensmitarbeiter als Experten für ein bestimmtes Thema positionieren, ist dies ebenfalls nicht ohne Risiko. Es kommt darauf an, ob die betreffende Unternehmenskultur für die damit verbundene Transparenz und Redlichkeit sorgt. Jedenfalls – so behaupten Pleil/Zerfaß (2014, 750) – sei die bisherige Abgrenzung zwischen Online-Marketing und Online-PR weder problemlos möglich noch zielführend. Ein solcher Standpunkt verdient eine ernsthafte theoretische Auseinandersetzung. Auch wenn es in der Praxis stets Übergangszonen gibt, steht doch zu befürchten, dass eine Kategorienvermischung nicht ohne Risiko für die Unternehmensethik ist.

3 Normenkonflikte und Normenkodifizierung Unter Norm werden in diesem Zusammenhang die (nicht immer explizierten) Repräsentationen fundamentaler sprachlicher Zusammenhänge verstanden, die das Handeln von Individuen determinieren („interne Normen“). So unerforscht noch die Mediatisierung von Sprachnormen der Höflichkeit ist, so deutlich ist das infolge der „Kommunikationsexplosion“ gewachsene Bedürfnis nach normativer Orientierung, wovon nicht zuletzt die Ratgeberliteratur Zeugnis gibt. Aus pragmalinguistischer, textlinguistischer und funktionalstilistischer Sicht existieren keine Studien zur Online-Kritik mit Blick auf die Mediatisierung von Sprach- und Textnormen. Sind

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

 531

textbezogene Kommunikationsprinzipien (vgl. Fritz 2013, 378–395) durch die Mediatisierung betroffen, und werden sie gegebenenfalls in ihrer Wertigkeit neu arrangiert? Welche Rolle spielen Prinzipien wie Klarheit, Aufrichtigkeit, Informativität, Nähe/Distanz, Autorität/Macht etc.? Beeinflusst die Mediatisierung die Bewertung von Erfahrungen und Wahrnehmungen sowie die Beziehung zwischen Unternehmen und Stakeholdern? Naheliegend ist, dass auf vielen Gebieten die bisher asymmetrische Kommunikation zwischen Experten und Laien ersetzt wird durch eine Vernetzung von „Experten“. Wie schätzen Stakeholder (Studierende, Patienten, Kunden) das „Risiko“ Emotionalität im Netz ein? Lassen sich Organisationen bewusst oder unbewusst von einer Kommunikationskultur leiten, und wenn ja, welche Normen der Nähe und Distanz, Formalität und Informalität, Grad an Wertschätzung und Verbindlichkeit etc. haben sie festgelegt? Wie erfassen Organisationen die per E-Mail, Internet oder Social Media vermittelten Informationen, und werten sie auch Stilinformationen wie Befindlichkeit, Vertrauen, Respekt, Indirektheit, Schüchternheit, Aggressivität etc. aus? Aggressivität kann auch von der Organisation ausgehen, so wenn etwa die ARD auf ihrem Twitter-Kanal im Kommandoton für den Tatort wirbt: Schon gespannt, „Wer das Schweigen bricht“? Hinsetzen und einschalten  – #Tatort JETZT im Ersten. Livestream: http://www.live.DasErste.de @Tatort (https://twitter.com/DasErste/ status/470629120268046336 – Abruf vom 26.05.2014).

3.1 Normenkonflikte Seit einigen Jahren werden neuere Kommunikationsformen wie Internetforen, E-Mail, SMS, Twitter usw. linguistisch untersucht. Während man sich zunächst darauf konzentriert hat, die spezifischen sprachlichen Merkmale und Kommunikationsstrategien zu beschreiben, gilt das Interesse in jüngster Zeit auch den mit diesen Kommunikationsformen einhergehenden Normproblemen. So konnten in der E-Mail-Kommunikation im Bereich der Hochschule Verstöße gegen Angemessenheitsvorstellungen beschrieben werden, die geeignet sind, Normkonflikte zu evozieren (vgl. Kiesendahl 2012). Die in Rede stehenden sprachlichen Mittel lassen sich mit dem Nähe-Distanz-Modell beschreiben (Seifert 2012); beobachtet wurde in E-Mails einerseits der unangemessene Gebrauch nähesprachlicher Mittel, andererseits eine uneinheitliche und unsichere Verwendung distanzsprachlicher Formen. Dass daraus Normkonflikte resultieren, ist nicht zwangsläufig die Folge von Ignoranz oder fehlender Bereitschaft, sich auf ‚offizielle‘ Kommunikationssituationen einzustellen; vielmehr ist synchron mit einem Nebeneinander von (beispielsweise generationsspezifischen) Sprachnormsystemen zu rechnen. Wie bestimmte Wortgebräuche, Anredeformeln, Formulierungsmuster, sprachliche Inszenierung von Attitüden usw. in welcher Situation von wem wie bewertet werden, was also überhaupt in der Kommunikation zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit als angemessen zu gelten hat, ist empirisch noch weitge-

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hend unerforscht. Unklar ist bislang insbesondere das Verhältnis des angedeuteten (Sprach)Normenwandels und dem Prozess der Mediatisierung. Wie Elias (1989, 41 f.) aus soziologischer Perspektive beobachtet, hat das „synchronische Gefälle von Formalität und Informalität“ insgesamt abgenommen (vgl. Linke 2000); das dürfte sich auch sprachlich in einem Abbau solcher Merkmale niederschlagen, die als Distanzmarker gelten. Aus der Vielzahl von Konflikten und Veränderungen, zu denen auch der Respekt gegenüber Frauen in Führungspositionen gehört (Ebert/Harlinghausen 2012) und die allesamt Unternehmen betreffen, seien hier nur solche genannt, die die neue öffentliche Emotionalität sowie den neuen Leitwert individueller Unabhängigkeit berühren. Die Medien täuschen eine emotionale Ordnung vor und prägen neue Ausdrucksformen für Gefühle, die im Alltag für normal gehalten werden (vgl. Buss 1999, 64). Der freie Ausdruck von Gefühlen und Empfindungen wird öffentlichkeitsfähig. Es ist möglich, dass sich dies auch in aktuellen Slogans wie „Ich bin doch nicht blöd“ (Media Markt) oder „Du willst es. Du kriegst es.“ (Congstar) spiegelt. Jedenfalls verlieren formale Umgangsregeln, zu denen die Disziplinierung von Emotionen gehört, an Bindungskraft und das Gespür für Takt geht verloren. Für Unternehmen gilt, dass ein (freier) emotionaler Stil immer mehr über Kundenbindungen entscheidet (vgl. Buss 1999, 36 f.). In der Öffentlichkeit hat sich ein großes Unmutspotential gegenüber Politik und Unternehmen aufgebaut, was eine „latente Protesthaltung in Deutschland“ (Buss 1999, 127) signalisiert, die besonders dann in Verhalten umschlägt, wenn Politiker oder Unternehmen Stilfragen verletzen (vgl. ebd., 126). Ferner verstärken sich die Hinweise darauf, dass Aggressionen gegen Unternehmen vermehrt akzeptiert werden und dass das Vertrauen der Deutschen gegenüber Unternehmen nachhaltig gestört ist (vgl. ebd., 145 u. 154). Mit der Zunahme der Gegenwartsorientierung geht die Bereitschaft zu warten verloren. Entsprechend zieht es Unmut nach sich, wenn Unternehmen längere Zeit benötigen, um beispielsweise auf eine E-Mail zu antworten. Die Kommunikation zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit ist insgesamt risikoreicher und anfälliger für Missverständnisse geworden. Der neue Individualismus ist zum „Leitbild der modernen europäisch geprägten Zivilisation geworden“ (Buss 2009, 293). Mit der Hinwendung zum Ich gewinnt die Vorstellung von persönlicher Unabhängigkeit an Bedeutung. Die Folge ist eine „bewusste Dosierung von Verpflichtungen“ (ebd., 294), die der moderne Mensch eingeht. Diese Haltung wendet sich gegen jene Normen, die den Zusammenhalt einer Gruppe oder den Respekt vor einer Bindung prinzipiell über das wie auch immer verstandene Interesse des Einzelnen stellen. Was sich im Verhältnis zu Ehe, Familie, Freunden, Kollegen, aber auch zu Institutionen, Unternehmen und Marken exemplarisch ausdrückt, ist […] eine neue Art von ‚dosierter Bindungshaltung‘. Das hat […] Folgen für das Management: Bindungen avancieren gleichsam zu einer Ware, deren mangelnde Güte reklamationsfähig wird. Damit können Manager immer weniger die Beständigkeit ihrer Kunden- oder Stakeholderbeziehungen voraussetzen. […] Das heißt, dass heute im Prinzip

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

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jede Kaufentscheidung der Tendenz nach entkoppelt ist von Treue- und Pflichtmomenten […]. Folgen hat die dosierte Bindungshaltung auch für das Verhältnis zwischen Management und Mitarbeitern. (Buss 2009, 295)

Manager müssen sich demnach fragen, welche Effekte der Individualismus auf Teambildungsprozesse hat, was das für den Erfolg und die Effizienz von Projektgruppen bedeutet, ob die Kooperation durch Egoismen unterlaufen wird, welche Rolle die Vertragskomponente in Personalentwicklungsprogrammen spielt, wie hohe Ausbildungsinvestitionen mit der zu erwartenden Mitarbeitertreue ausbalanciert werden können und welche Rolle Wertschätzung und Respekt generell für die Mitarbeitertreue haben (vgl. ebd.).

3.2 Normenkodifizierung Dillard u. a. (2000) haben Daten von Unternehmen analysiert, die besonders bekannt geworden sind für erfolgreich umgesetzte Qualitätsstrategien. Es wurden Tiefeninterviews mit Mitarbeitern durchgeführt, Geschichten rund um den Service-Gedanken sowie unternehmensphilosophische Texte analysiert. Ihre Wahl fiel auf das Hotelunternehmen Ritz-Carlton. Zum einen, weil Ritz-Carlton für seine Servicequalität mehrfach ausgezeichnet wurde, und zum anderen, weil das Ritz-Carlton als Hotel in besonderer Weise von der wahrgenommenen Qualität der Mitarbeiter-Kunden-Interaktion abhängig ist. Das Unternehmensleitbild von Ritz-Carlton umfasst die Teiltexte Motto, Credo, oberste Dienstleistungsgrundsätze und Basics (Leitlinien). Das Motto lautet wie folgt: „Wir sind Damen und Herren im Dienste für Damen und Herren“. Das Credo: „In einem Ritz-Carlton-Hotel ist das aufrichtige Bemühen um das Wohlergehen unserer Gäste unser oberstes Gebot. Wir sichern unseren Gästen ein Höchstmaß an persönlichem Service und Annehmlichkeiten zu. Stets genießen unsere Gäste ein herzliches, entspanntes und dennoch gepflegtes Ambiente. Das Erlebnis Ritz-Carlton belebt die Sinne, vermittelt Wohlbehagen und erfüllt selbst die unausgesprochenen Wünsche und Bedürfnisse unserer Gäste.“ Die drei Stufen der Dienstleistung: „(a) Eine herzliche und aufrichtige Begrüßung. Sprechen Sie den Kunden, wenn angebracht und möglich, mit seinem Namen an. (b) Vorwegnahme und Erfüllung der Gästewünsche, (c) Ein liebenswürdiger Abschied. Verabschieden Sie sich mit einem herzlichen „Auf Wiedersehen!“ und sprechen Sie den Gast, wenn angebracht und möglich, mit seinem Namen an“ (top hotel 2002 Nr. 2, S. 14).

Die „Basics“ spezifizieren 20 weitere Verhaltensstandards. Während alle Dienstleistungsunternehmen bestrebt sind, ganz allgemein einen günstigen Eindruck zu wecken, kommt es Ritz-Carlton vor allem darauf an, sich genauer auf das einzustellen, was die Gäste wertschätzen. Vier Eindrücke sind Ritz-Carlton besonders wichtig: (a) dem Gast zeigen, dass man ihn als individuelle Person kennt und schätzt, (b) dem Gast zeigen, dass man um ihn als individuelle Person bemüht und um sein Wohler-

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 Helmut Ebert

gehen besorgt ist, (c) dem Gast Servicequalität aus einem Guss („seamless service“) bieten, und (d) den Gast beruhigen und zufriedenstellen, wenn Probleme auftreten. Kein System ist frei von Problemen. Ritz-Carlton berücksichtigt dies an zentraler Stelle. Die sogenannten „Basics“ enthalten Strategien für den Umgang mit Problemen. Zwei Punkte sind hierbei zentral: (a) Jeder Mitarbeiter ist angehalten, kontinuierlich Schwachstellen im Interaktions- und Servicebereich zu identifizieren, (b) jeder Mitarbeiter, bei dem sich ein Gast über ein Problem beschwert, ist der für die Problemlösung Verantwortliche („owns the complaint“). Gleichzeitig werden die Mitarbeiter durch ein Berichtssystem dabei unterstützt, die notwendigen Informationen an die jeweils zuständige Person zu übermitteln, damit die Schwachstellen umgehend beseitigt werden. Die Interviews zeigten, dass alle Mitarbeiter die kodifizierten Ritz-Carlton-Grundsätze kannten, was ihnen ein hohes Maß an Verhaltenskontrolle und Verhaltensoptimierung unter Abstimmung auf die grundlegenden Ziele und Werte der Unternehmensphilosophie ermöglichte. Dies half speziell, in jeder Situation zurückhaltend, freundlich, kunden- und sachorientiert zu sprechen. Darüber hinaus vermittelte die Umsetzung der Verhaltensmuster  – z. B. das namentliche Begrüßen der Gäste und die Erinnerung und Berücksichtigung von individuellen Wünschen und Präferenzen („Involvement“) – den Mitarbeitern den wesentlichen Wert für eine erfolgreiche Interaktion. Es wird deutlich, dass definierte Verfahren („procedures“) als explizit reflektierte und kodifizierte Handlungsmuster in der Mitarbeiter-Kunden-Interaktion sicherstellen, dass die Mitarbeiter in der Kunden-Interaktion „would enact disciplined performances, creating good impressions“. Eine andere Frage ist, wie das Einhalten entsprechender Handlungsmuster durch die Mitarbeiter ermöglicht und garantiert wird. Das explizite Kodifizieren von Verhaltens- und Handlungsmustern bringt in einem strikt hierarchisch organisierten Unternehmen die Gefahr eines rigiden Systems von Überwachung und Bestrafung mit sich. Die Pflege einer konstruktivappellativen, partizipativen und kooperativen Ausrichtung der internen Unternehmenskultur, die unter Berücksichtigung des geforderten Moments der Selbstähnlichkeit Prinzipien des Umgangs mit Kunden auf den Umgang mit Mitarbeitern zu übertragen bemüht ist (Corporate-Value-Identity), wird einer unmittelbaren Kontrolle durch hierarchische und wechselseitige Überwachung sowie automatische Sanktion in jedem Fall vorzuziehen sein. Letzteres würde einen unerwünschten Bruch in der anzustrebenden Unternehmensidentität darstellen, mit allen negativen Konsequenzen aggressiv-defensiver oder passiv-defensiver Verhaltensstile in der MitarbeiterInteraktion. Ein konstruktiver Verhaltensstil, der die ethischen Unternehmenswerte in allen Bereichen gleichermaßen respektiert, appelliert an die Verantwortung der Mitarbeiter für sich und für die Kollegen, trägt zur kooperativen und effektiven Bewältigung von Problemen bei. Er dient darüber hinaus der fortgesetzten Optimierung im Service- und Produktbereich. Entsprechend automotivierte und engagierte Mitarbeiter sind die wesentlichen Voraussetzungen für eine klare Unternehmensidentität und ein prosperierendes Unternehmen.

Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation 

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4 Fazit Konventionelle Höflichkeit ist von individuellem Respekt zu unterscheiden. Höflichkeit und Respekt haben mit Selbstwert zu tun. Sich selbst zu achten ist Voraussetzung dafür, andere zu achten. Den anderen zu achten, ist Voraussetzung für gelingende Kooperation. Alle nachhaltigen Gewinne sind Kooperationsgewinne. Höflichkeit ist kein eindeutiges oder absolutes Phänomen. Gruppenspezifische Erwartungen und normative Einstellungen bestimmen, was als höflich gilt. Hierarchien befreien Vorgesetzte von dem Bestreben, geachtet zu werden, was unpopuläre Entscheidungen ermöglicht. Dem Wunsch eines Unternehmens, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, steht oft eine ganz andere Wirklichkeit gegenüber, sobald man die Ebene der sprachlichen „Mikropolitik“ bis hinauf zur Vorstandsebene in den Blick nimmt. Was dann böse Absicht oder sprachliche Inkompetenz ist, ist nicht einfach zu entscheiden. Sicher aber ist, dass ein respektloser Kommunikationsstil das Arbeitsklima vergiftet und dass ein Unternehmen, das die Werte seiner Bezugsgruppen nicht mit den eigenen Wertvorstellungen ausbalanciert, auf Dauer seine Existenz gefährdet. So wie Kultur bewusstseinspflichtig wird, muss Sprache bewusstseinspflichtig werden. Menschen streben nach Wohlbefinden. Das gilt für die Beziehungen im Inneren eines Unternehmens wie für die Beziehungen zu Kunden und anderen Bezugsgruppen. Besonders in den Wirtschaftswissenschaften herrschte und herrscht immer noch die Vorstellung, dass Sprache für ökonomische Prozesse keine Rolle spiele (vgl. Männel 2002, 16). Hier können die diskurslinguistischen Studien zu Kunden- und Reklamationsgesprächen helfen, den Wert von sprachlichen und kommunikativen Mustern zu erkennen, vorausgesetzt, das Management ist an einer Einsicht in eigene wie fremde Verhaltenshintergründe interessiert. Für das immer wichtiger werdende Feld des internationalen Marketings gibt es starke Gründe daran zu zweifeln, dass es „global communities“ oder „global tribes“ im Sinne homogener Konsumentengruppen gibt. Mit dem Social Web verändern sich die Spielregeln der bisherigen Unternehmenskommunikation. Unternehmen, die der klassischen Entweder-Oder-Logik folgen, sind nicht in der Lage zu verstehen, was Kommunikation auf Augenhöhe bedeutet. Anders gesagt: Der homo oeconomicus gilt als höflich, solange seine Respektlosigkeit nicht bemerkt wird. Stichworte wie Beziehungsmarketing, Customer Relationship Management, Reputation Management sind Ausdruck einer kundenorientierten Haltung bzw. dass das Problem als solches erkannt wurde. Phänomene wie etwa das Overengineering oder das Verschweigen von Risiken neuer Technologien disqualifizieren hingegen die Kundenorientierung (vgl. Hubig 2014, 361). Höflichkeitsphänomene in der Wirtschaftskommunikation sind vielleicht noch am besten aus diskurslinguistischer und interkultureller Perspektive erforscht. In direkter Weise gilt dies für besonders höflichkeitssensible Text- und Gesprächssorten (z. B. Kundenkorrespondenz, Verkaufsgespräch, Reklamationsgespräch), indirekt gilt dies für den Zusammenhang von Höflichkeit und Kulturstandards (z. B. Macht-

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distanz), Höflichkeit und Interaktionsrituale (z. B. Begrüßung, Abschied) sowie für Höflichkeit und Kommunikationstypen (z. B. interkulturelles Verhandeln). Respektphänomene wie Aufmerksamkeit, Achtung und Beachtung sind aus der linguistischen Forschung weitgehend ausgeklammert, nicht zuletzt weil die Sprechakttheorie Sprachhandeln behavoristisch-mechanistisch missverstanden hat. Die Forschungslücken werden umso größer, je mehr man über das exakte „Wie“ des Sprachhandelns und Sprachverstehens in der betrieblichen Praxis erfahren will. Die Forschungslücken werden nicht kleiner, wenn man sich für Phänomene „unterhalb der Oberfläche“ (Kühl 2011, 61) interessiert: Was genau geschieht eigentlich auf der Ebene der Sprachhandlungen, wenn beurteilt, gelobt, geschmeichelt, gerechtfertigt, erklärt, entschuldigt, befragt, ausgewählt, eingestellt, gekündigt, versetzt, abgelehnt, befördert, verleumdet, hintergangen, beleidigt, gemobbt, erniedrigt, ausgebootet oder an niedere Instinkte appelliert wird? Verhindert Höflichkeit Innovation oder treibt Höflichkeit Innovation an? Was bedeutet es für den sozialen Umgang, wenn sog. „Kompetenzen“ an die Stelle von Fachlichkeit und Beruflichkeit treten? Warum gehen häufig Höflichkeit der Kundenkorrespondenz und Respektlosigkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Hand in Hand? Verstehen jugendliche und erwachsene Konsumenten, dass sie selbst andere beleidigen oder dass sie beleidigt werden? Unter welchen Bedingungen treten Aggressionen an die Stelle von Sprachhandlungen? Wie schaffen es diverse Banken und Versicherungen, mit Hilfe falscher Höflichkeit und falscher Freundlichkeit sich als „Berater“ zu inszenieren, obwohl sie Verkäufer sind? Warum gibt es unzählige Management-Ratgeber zum Einsatz von Macht und Ellenbogen, nicht jedoch zum Einsatz von Respekt? Vollends unerforscht ist der Einfluss der Mediatisierung auf Sprachnormen. Die konstatierte Informalisierung und Emotionalisierung des Umgangs dürfte sich auch sprachlich in einem Abbau solcher Merkmale niederschlagen, die als Distanzmarker gelten. Aus pragmalinguistischer, textlinguistischer und funktionalstilistischer Sicht existieren keine Studien zur Online-Kritik mit Blick auf die Mediatisierung von Sprach- und Textnormen. Auch die Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich nicht prominent mit den Fragen der Mediatisierung von Sprach- und Textsortennormen der Online-Kritik. Fragen des Online-Monitorings werden aktuell mit Blick auf Online-Textanalysen stark in der Informatik (semantische Datenanalyse) und auch in der Marketingforschung bearbeitet. Wie schätzen Unternehmen das „Risiko“ Emotionalität im Netz ein? Lassen sie sich bewusst oder unbewusst von einer Kommunikationskultur leiten, und wenn ja, welche Normen der Nähe und Distanz, Formalität und Informalität, welchen Grad an Wertschätzung und Verbindlichkeit etc. haben sie festlegt? Wie erfassen Unternehmen die per E-Mail, Internet oder Social Media vermittelten Informationen, und wie werten sie quantitativ und qualitativ Stilinformationen wie Befindlichkeit, Vertrauen, Respekt, Indirektheit, Schüchternheit, Unmut, Aggressivität, resignative Ignoranz etc. aus? So gut wie unerforscht ist linguistisch auch das Feld der Online-Kritik. Online-Kritik kann per E-Mail und über organisationseigene Plattformen für den Kundendialog direkt an die Organisation adressiert werden, sie kann aber auch in den sozialen Medien (Face-

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book, Twitter, YouTube, Empfehlungsseiten, Verbrauchercommunities, Weblogs, „Hatesites“ etc.) zum Gegenstand thematischer Öffentlichkeiten werden.

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Sachregister A Ad-hoc-Mitteilung 157 Anrede 314–316, 334, 468, 472, 510 f. Asymmetrie 29–31, 265, 308, 318, 395 Aufgabenschema XXII, 408, 412, 415, 419, 431 Aushandlung XXI, 143, 233, 240, 248, 250, 266 f., 310, 444 Autorität 75, 335, 421, 509, 524, 531

Eintrittswahrscheinlichkeit 204, 206 Emotionalisierung 147, 405, 536 Energiewende 16, 201 f. Erzählungen XIII, 20, 88, 92–94, 103 Expertenberatung 256 externe Kommunikation 13, 307 externe Unternehmenskommunikation XXIII, 297

B B2B 379–381 B2C 380 f. Bedeutung XII, XIV–XVI, XVIII, XX, 5 f., 10, 15 f., 20 f., 30, 47, 53 f., 59, 78, 87, 91–93, 97, 102, 109 f., 113, 120, 132 f., 135, 137, 141, 143, 151, 160, 166, 181, 183, 185, 188, 190, 193, 197, 201, 208 f., 234 f., 237, 239 f., 262, 272 f., 288, 291, 293, 297, 302, 349, 351, 355, 396, 409, 414, 424, 441, 447, 451, 454, 460, 490 f., 493, 496, 500, 503, 516 f., 526, 532 Bezugsgruppen 87, 89, 99, 113, 115, 136 f., 508, 516, 530, 535

F Fachberatung 260 Fachliche Texte 46 Fachsprache 166, 173 f., 272–276, 292, 324 f., 351, 404 Fairness 488, 516 Fernsehwerbung 358–362 Finanzkommunikation XXII, 152, 173, 298, 324 Framing 17, 173, 183, 196, 496 Fremdbild 300, 304–306, 309, 311, 315, 319, 394, 440, 444, 446, 449 f. Führung 194, 204, 212, 258, 508

C Change-Kommunikation XVII, 177, 182 f., 188, 191, 195, 198, 502 Coaching XIV, XVII, XXI, 256, 258–260, 262 Corporate Blog 297, 309, 311 Corporate Identity XIV f., XVIII, XXII f., 7, 11, 174, 236, 240, 304, 309, 364, 391, 394, 437, 440 f., 443, 449, 451, 453, 459, 462, 485 Corporate Messages 142 Corporate Wording XVIII, XXII, 20 f., 385, 388, 459–461 CW-Engineering 463 f. CW-Manual 459, 462 f. CW-Strategie 470, 473, 475 D DAX-30-Unternehmen 201 Differenzierung der Fachsprache 273 Diskurs XI, XV, 26, 196, 206, 245, 266, 451, 454 E Ehrlichkeit 301, 488, 496, 504, 516

G Geld XIV, XVI, XVIII, 25–38, 41 f., 51, 54 f., 59 f., 73, 76, 206, 325, 379, 386, 392, 413, 419, 426, 522 f. Geschäftsbericht XII, XIV, XX f., 154 f., 158, 162, 171, 325–328, 330, 332, 338 f., 449, 469, 489, 499, 504 Glaubwürdigkeit XIII, XX, XXII f., 9, 13, 139 f., 151–154, 161 f., 172–174, 176, 185–188, 190–193, 195, 198, 208, 213, 221, 250, 335, 345, 347, 382, 421, 442, 488 f., 491, 493–495, 503 f., 525 Globalisierung XVII, XIX, 107–109, 112, 124, 258 H Handelsblatt.com 63–65, 69, 78 Hauptversammlungen 63–66, 71 Höflichkeit XVIII, XXIII, 328, 503, 508–513, 516, 519, 528, 530, 535 Hörfunkwerbung 362 I Identitätskommunikation 461

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 Sachregister

Image XIII, XV, XVIII, XX, 6–8, 10, 13, 18 f., 89, 113, 124, 131 f., 137, 139 f., 154, 161, 168–170, 204, 208 f., 213, 220, 300, 304–306, 309, 311 f., 315, 318 f., 347, 351, 381, 386, 391, 394, 422, 440–442, 445, 449 f., 452, 459 f., 469, 473, 482, 488 f., 499, 515 f. Indikator 51, 147, 192 f., 250, 410, 413 individuelle Hypothesen XIX, 46, 55 Industrialisierung 235, 386 Informalisierung 536 Informationsverarbeitung 96 Interaktion XXI, 184, 191, 236, 240, 248, 258 f., 265, 268, 298, 302, 304, 393, 413, 487, 508 f., 518, 533 f. Internet XXII, 108, 114, 133, 141, 146, 176, 218, 225 f., 228, 283, 301, 313, 345, 349, 363, 365, 375, 382, 392, 406, 413, 474, 499, 517, 529, 531, 536 Internetwerbung 343, 361, 364 f. Investor Relations XIII, XVII f., XX, 151–153, 156, 158 f., 161 f., 173, 175 J Journalismus XXII, 90, 143, 147, 167, 224, 227, 382, 483 K Kinowerbung 363 Kohärenztypen 46, 52–54 Kommunikation XIV, XVI–XXI, XXIII, 3–6, 9–18, 20, 22 f., 25, 27, 29, 42, 50, 63, 78, 87, 92, 99, 107 f., 110, 113–115, 119, 125, 131, 133, 135–143, 146 f., 151–154, 158, 160 f., 165–167, 169, 173–175, 177 f., 180–186, 188 f., 191–198, 200, 204, 207 f., 212 f., 215, 217 f., 220, 222, 227, 233 f., 236 f., 243, 250–252, 256, 258, 262 f., 273 f., 284, 292, 298 f., 301–304, 306–309, 311, 318, 324, 326, 328, 337, 344, 360, 380, 391, 393–396, 399, 402, 408, 412 f., 415 f., 429, 440 f., 443 f., 450, 454, 459–462, 465–467, 474, 479, 482–484, 486–489, 492–495, 499–502, 504, 508, 511–517, 526, 528–532, 535 Kommunikationsinstrument XIV, 107 Kommunikationsmanagement 3, 6, 8 f., 11–14, 18, 136, 236, 251, 530 Kommunikationsmodell 21, 274, 305, 479

Kommunikationsmodus 17, 20 Kommunikationsraum 308 f., 311, 314, 319 Kommunikationsstil 21, 489, 527, 535 Kommunikationsstrategie 141, 305, 308 f., 438 Kommunikationsziele 131 f., 141, 379, 381, 384 f., 388, 464 kommunikative Funktion der Fachsprache 272 Konstanz 115, 193, 440, 466, 488 Konstruktion 29, 196, 198, 240, 254, 266, 393, 446, 448, 450, 452, 454, 470 konstruktive Kreativität 470 Konvergenz 108, 269 Konversationsmaximen 302 f., 501, 526, 529 Konzept XII f., XIX, XXIII, 6, 9, 15, 17, 42, 87, 99, 112, 145, 154, 203, 263, 298 f., 336 f., 381, 394, 437, 439, 441, 444, 446, 449, 453, 462, 467, 502, 525, 527 Kredit 26 f., 31, 35 f., 209 Krisen-Faktoren 207 Krisen-Typologie 210 Kultur XIX, 4, 107, 109 f., 112 f., 123, 140, 160, 196, 203, 257, 332, 352, 356, 401, 443, 490, 501, 508, 535 Kundenkommunikation XVII, XX, 19, 131, 139 f., 142–147, 463 f., 466, 479, 517 Kundenmagazin 379, 382, 389, 394 Kunden-PR 136 Kundenzeitschrift XIII, XVII, XXII, 131, 145, 379–381, 387, 389 f. ––Definition 381 ––Inhalte 380 ––Journalistische Formen 382 ––journalistischer Anspruch 388 ––Kommunikationsziele 380–382 L Leseransprache 145 Leseransprache 385 Leserorientierung 384 Linguistische Epistemologie 239, 241 Linguistische Rhetorik 409, 431 M Macht XVI, 54, 59, 75, 111, 119, 170, 181, 185, 209, 460, 484, 509, 512, 529, 531, 536 Management XXIII, 4–6, 8 f., 17, 20, 77, 88, 151–153, 172, 175, 178 f., 189 f., 195, 197 f., 201, 215, 218, 233, 237, 239 f., 246, 251,

Sachregister 

260, 284, 329, 334, 440, 460, 465, 467, 482, 489, 499 f., 507, 513, 516, 532, 535 f. Marke XIII, XX f., 6 f., 20, 91, 93–95, 131 f., 139–141, 146, 168 f., 173, 175 f., 209, 219, 233–246, 249, 251 f., 297, 300, 302, 306, 309–311, 313–315, 317–319, 347, 350–352, 365, 380, 388, 441, 463, 473, 513 Markendiskursraum XXI, 233, 245–248, 251 f. Markenkommunikation XII–XIV, 148, 234, 238, 240, 246 f., 251 Marketing XXIII, 14 f., 31, 88, 105, 131–136, 141, 152, 164, 167, 175 f., 233–235, 284, 298, 310, 349, 392, 438, 460, 465, 469, 517, 530 Marketingkommunikation XX, 131–133, 137, 143 f., 147 Massenkommunikation 22, 194, 297, 300, 391, 395 f., 398 f. Maßnahmendiskussion 412–414, 417, 431 Medien XIV f., XVII, XIX, XXI, 4, 10, 13, 16, 38, 90, 131–135, 140 f., 144–147, 164, 167, 169–175, 194, 200 f., 207–209, 211, 213 f., 216, 223–227, 263, 297 f., 300 f., 303, 307, 381 f., 385, 391, 397 f., 403, 405 f., 479, 482, 490, 499 f., 502, 518, 529, 532, 536 Metapher 64, 77, 196, 236, 285, 354, 357, 448, 453, 472 Metaphern XII, XVI, XIX, 40, 63–66, 70–72, 74, 78, 196, 220, 247, 268, 285, 328, 439, 448 Mitarbeiterzeitung 391, 396, 442 Moral 17, 102 N Netiquette 530 O Offenheit XVIII, 208, 261, 301, 307, 461, 487–489, 505, 516 Öffentlichkeit XVII, XX, 3, 7, 16, 37, 135, 152, 156, 164 f., 168–171, 200, 209, 214 f., 217 f., 222 f., 298, 326, 333, 344 f., 392 f., 397, 438, 440 f., 483, 489, 499, 502, 508, 511, 516, 525, 531 f. Öffentlichkeitsarbeit XX, 134, 164–168, 172, 344, 393 f., 438, 493 Online-Kommunikation 148, 500 Organisation 6, 134, 136 f., 142, 146, 165, 167 f., 174 f., 178, 196, 204, 207, 221, 223, 257–261, 263, 327, 393–395, 397, 437, 443, 462, 467, 486, 488 f., 513 f., 531, 536

 543

Organisationsberatung 257, 259 Organisationskommunikation 4, 391, 395 f., 405 P Persuasion XIII, 268, 307, 364 Perzeptions-Management 203 PR XX, 4 f., 63, 101, 131–137, 139, 143–147, 158, 164–176, 225, 234, 301, 344, 391–394, 397, 405, 482, 494, 502, 517, 530 Pressearbeit XX, 166 f., 175 Pressemitteilung XIX f., 137, 147, 157–159, 513 Pressesprache 405 Problemdarstellung 414, 416, 419, 429, 431, 520 Problemlösung 264, 412 f., 428, 431, 460, 472, 520, 523, 534 Produkt-PR 134 Professionalisierung XXI, 201, 408 Prozessberatung 261 PR-Sprache 173, 405 Public Relations XVII, XX, 3–5, 7, 131, 134, 136, 153, 164–171, 173, 298, 344, 392 f. R Rede XIX, 65, 67, 71, 75, 134, 139 f., 144, 147, 156, 211, 240, 289, 299, 301, 412, 443, 464, 479, 511, 531 Reichtum 25, 36 f. Reklamation XXII, 409, 467, 521, 523 Reputation XIII, XVIII, XX, 3, 6 f., 9 f., 13, 113, 131 f., 137, 139 f., 207, 209, 304, 440, 482, 484, 487, 499, 515 f., 527, 530, 535 Respekt XXIII, 173, 330, 335 f., 490, 508, 510, 513, 527, 531–533, 535 f. Risikomündigkeit XX, 200, 206 Rituale 508, 512, 514 Roboterjournalismus 227 Routineformeln 502, 512 S Schadensbegrenzung 200, 206 f., 223 Selbstbild 297, 300, 304 f., 310–312, 316, 319, 394, 439 f., 449 f., 511 Selbstdarstellung XXII, 304, 335 f., 438, 440, 443, 447, 452, 492 f., 517, 525 Selbstkonzept 449 f., 527 f. Selbstwert 508, 535 Semiosphäre 29 f. Semiotik 361, 365

544 

 Sachregister

skandalisierende Berichterstattung 223 Social Media XXIII, 12, 133, 135, 141, 167, 171, 225, 228 f., 234, 298, 300–302, 304–311, 313, 318 f., 499, 508, 531, 536 soziale Ordnung 257 soziale Systeme 238 Sprache IX–XI, XIII–XV, XX f., XXIII–XXV, 4, 12, 20 f., 36, 39–41, 50, 63, 101, 115 f., 131, 147, 151 f., 154–162, 166 f., 169, 171, 173, 175, 177 f., 183–188, 191–193, 198, 202 f., 207–210, 219, 222 f., 226, 229, 234, 239, 241, 244, 250, 252, 256, 258, 263, 284, 286, 292, 297, 299, 302 f., 311, 318, 324–327, 329, 331–333, 335–338, 343, 349, 351, 359–362, 365, 379, 381–383, 385–387, 389, 393, 403–405, 437 f., 444, 446, 448–450, 453, 459–464, 466 f., 469 f., 472, 476–478, 482 f., 489, 492–495, 501–505, 524, 535 Sprachklima 459, 462, 467, 469 f., 475, 477 f. Sprachstil 173, 324, 404 f., 459, 462, 475, 489 Standardleseverhalten 51 Status 36, 119, 177, 181, 186, 190, 194, 335, 349, 447, 509, 516, 524, 527, 530 Storytelling XIV, XVII, XIX, 17, 19 f., 87–92, 94 f., 97–101, 103, 148, 186 Supervision XVII, XXI, 256, 260 T Tiefensemantik 241 Transaktion 26–30, 42 Transparenz 115, 135, 178, 182, 189, 204, 208, 266, 301, 326, 393, 487 f., 490, 518, 528, 530 trust 28, 31, 34 Twitter XIV f., XVII, 107, 115 f., 119, 123–125, 167 f., 170, 228, 300, 313, 500, 531, 537 U Übersetzungsprozess 272 f., 275, 282, 292 f. Unternehmen XV, XVII, XIX–XXI, XXIII, XXV, 3–8, 10–23, 36, 63, 65–78, 87–91, 93 f., 97, 99 f., 107–109, 112–116, 118, 120–123, 125, 133–141, 143, 145–147, 151–156, 158 f., 161, 164–168, 171 f., 176 f., 186, 189 f., 193, 195 f., 201, 209, 213, 215–217, 219–221, 223, 233–236, 238, 240, 242–252, 256, 262 f., 279, 282 f., 285–289, 297, 302, 305, 307, 311, 313, 318, 325–328, 330–339, 344,

349–351, 379–383, 385–389, 391–398, 400, 403, 405 f., 437–442, 444–448, 450–454, 459–462, 464–470, 473, 477–479, 482, 485, 487, 490, 495–502, 512 f., 515 f., 518 f., 521, 524, 526, 528–536 Unternehmensidentität 174, 337, 437, 443, 446, 449, 451, 455–457, 473, 497, 534 Unternehmenskommunikation IX f., XII, XIV–XVIII, XX–XXV, 3–9, 11, 13–23, 112, 131, 136 f., 139, 142–144, 146, 155, 161 f., 164–168, 174, 188, 234, 240, 297–301, 303–308, 311, 318, 364, 379, 381, 453, 460, 478, 486 f., 489, 496, 502, 508, 512, 535 Unternehmenskultur 9, 20, 125, 174, 204, 334, 394, 443, 449, 453, 466, 488, 490, 508, 514, 530, 534 Ursachenklärung 414, 417, 424, 429–431 V Veränderung 7, 142, 177, 181 f., 184–186, 189 f., 192–194, 197, 201 f., 215, 244, 258, 261, 268, 284, 291, 395, 402, 406, 475 Verkauf XIII, XVIII, 26, 30, 133, 136, 139, 146, 413, 421, 423, 429 Verständlichkeit 87, 191, 208, 326, 329, 337, 346, 356, 393, 488, 494 f., 504, 517 Vertrauen XIII, XVIII, XX–XXIII, 3, 6, 9, 14, 28, 32, 35, 76, 89, 141, 151–154, 158 f., 161, 181, 186, 195, 197, 208, 213, 220, 222, 250, 266, 326, 330, 335–337, 346, 390, 392 f., 395, 442, 466, 468, 473, 475, 482–489, 491–495, 497–499, 502–505, 509, 513, 515–517, 528, 531 f., 536 Vertrauensbeziehung 486, 492 f., 499 Vertrauenstypen XXIII, 487 Vorstandsvorsitzende 69, 335, 461, 498 W Wahrnehmung 8, 15, 17, 19, 97, 99, 103, 181, 184, 203, 211, 213, 223, 264, 273, 279, 329, 336, 360, 394, 400, 425, 440, 445, 449, 459, 487, 492, 504, 514–516, 525 Web 2.0 XXIII, 146, 299 f., 302, 304 f., 307, 318, 500–502, 529 f. Werbeanzeige 174, 351, 358, 363 Werbespot 172, 361, 365 Werbesprache 174, 176, 354, 363, 391, 405

Sachregister 

Werbung XIII, XVII, XXII, 3, 91, 95, 99, 101, 133, 135, 137, 143 f., 146 f., 158, 164, 167, 171, 173 f., 220, 234 f., 243, 259, 343–349, 351, 354, 357–359, 361–366, 380 f., 389, 394, 408, 410, 414, 420 f., 423–425, 431, 460, 499, 529 Werte 4, 8–14, 20, 35, 110, 140, 174, 192 f., 211, 220, 261, 348, 393, 439, 443, 453, 462, 476 f., 489, 493, 496 f., 508, 514, 517, 534 f. Widerstand 12, 179–182, 185, 194, 460, 519 Wirkungsprozess 403, 406 Wirtschaft IX–XI, XIII–XVI, XVIII, XXV, 14, 16, 25 f., 28 f., 31, 33, 39 f., 63, 74 f., 78, 87, 90 f., 93, 98 f., 101, 103, 109, 166, 168, 200 f., 207 f., 220 f., 256, 272, 277 f., 293, 298, 325, 329, 437, 449, 452, 454, 484, 499, 524 wirtschaftliche Texte 272 Wirtschaftsberichterstattung XIX, 72, 78 Wirtschaftsfachsprache XIX

 545

Wirtschaftsjournalisten 63 Wirtschaftskommunikation XI, XV, XIX, XXIII, 25, 64–66, 71, 77 f., 107 f., 112–116, 124 f., 276, 504 f., 535 Wirtschaftssprache XVII, XIX, XXI, 272 f., 275 f., 279 f., 283 f., 286, 288, 292, 324 Wissenskonstitution IX, XI–XIII, XXV, 309, 318 Wording XV, XVIII, XXII f., 20, 305, 313, 317, 388–390, 447, 453, 459–464, 466, 468, 475, 477, 479 Z Zeichen 27 f., 30, 32, 35, 37, 115, 168, 244, 259, 336, 393, 405, 437, 446 f., 451, 454, 470, 477, 486, 498, 517, 525 Zielgruppen XVII–XX, 3, 7 f., 10–16, 18, 20–22, 131 f., 138, 142, 146, 169, 172, 175, 192, 216, 221, 238, 263, 344, 382, 385 f., 442, 452, 459, 463–466, 475, 487, 504