Handbuch der Toxikologie, Supplementband: Für Aerzte und Apotheker [Reprint 2019 ed.] 9783111577265, 9783111204833


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German Pages 187 [196] Year 1867

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Handbuch der Toxikologie, Supplementband: Für Aerzte und Apotheker [Reprint 2019 ed.]
 9783111577265, 9783111204833

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Haidbuch der Toxikologie. Im Anschlüsse an die zweite Auflage von

A W. M. van Hasselts Handleiding tot de vergif'tleer für Aerzte und Apotheker bearbeitet

VOD

Dr. med. Th. Husemann, Pri?atdoceot der Pharmakologie und Toxikologie an der UniversitAt Güttingen

und

Dr. phil. A. Husemann, Proiessor der Chemie und Physik im der (.'antooftschule zu Chur.

Supplemcntband.

Berlin. "Vorlag v o n G e o r g Reimer.

1867.

Supplementband zu

Th. und A. Husemann'a

Handbuch der Toxikologie. Bearbeitet von

Dr. med. Th. Husemann,

Privatdoeent der Plmrmnkoloiie und Toxikologie RD der Universität Göttinnen.

Berlin. V e r l a ? von. G e o r g R e i m e r . 1 8 G 7.

Yo r w or t D i e bedeutenden Erweiterungen, welche in den letzten ftlnf Jahren das Gebiet der Toxikologie durch die verschiedenartigsten Arbeiten nach allen Richtungen hin erfahren hat, machten die Ausarbeitung eines Supplementbandes zu dem von mir in Verbindung mit Professor A. Huseman 11 herausgegebenen Handbuche der Toxikologie nothwendig. Die Ausführung desselben geschah nach dem dem Handbuche zu Grunde liegenden Plane. Es war vor Allem meine Absicht dahin gerichtet, ohne überflüssige Casuistik eine geordnete kritische Darstellung der toxikologischen Leistungen der Jahre 1862 — 1 8 6 6 in der Weise zu geben, dass dadurch dem praktischen Bedürfnisse der Aerzte und Apotheker sowohl als auch derjenigen, welche sich mit selbständigen auf Gifte bezüglichen Arbeiten beschäftigen, Genüge geleistet wird. Im Interesse der Letzteren habe ich in dem vorhegenden Supplemente überall genau den Ort angegeben, an welchem sich die einzelnen von mir benutzten Journalartikol citirter Autoren linden, wozu mich besonders zahlreiche Anfragen über die Quelle verschiedener Angaben im Handbuche, in Avelchem der Raumersparniss wegen ein vollständiges Literaturverzeichniss nicht gegeben ist, veranlassten. An wenigen Stellen bin ich auch, um Lücken

im Handbuche auszufallen, auf Arbeiten vor dem Jahre 1862 zurückgegangen. Sehr erfreulich war es mir in verschiedenen Abschnitten die Resultate eigener, noch nicht publicirter grösserer toxikologischer Arbeiten niederlegen zu können, hinsichtlich welcher ich auf die Capitel Euphorbiaceae, Strychnin, Pfeilgifte, Phosphor hier hinzuweisen mir erlaube. Die fremden Arbeiten habe ich, wo es mir möglich war, im Originale benutzt, wozu mich das seit 1863 von mir übernommene Referat über Pharmakologie und Toxikologie in Canstatt's Jahresbericht gewissermassen zwang. Wegen Verhinderung meines früheren Mitarbeiters durch anderweitige Beschäftigungen fiel mir ftir diesen Supplementband auch die Bearbeitung des chemischen Theiles zu, durch deren Uebernahme bei den verhältliissmässig nur geringen Fortschritten in diesem Zweige der Toxikologie mir keine besonderen Schwierigkeiten erwuchsen. Durch die Hinzufugung eines Gesammtregisters über Handbuch und Supplement an Stelle eines gesonderten Inhaltsverzeichnisses des letzteren glaube ich der bequemeren Benutzung des Werkes Vorschub geleistet zu haben. G ü t t i n g e n , den 30. November 1866. Dr. Th.

Husemann.

Allgemeine Toxikologie, I.

Begriflföbestimmung (S. 1).

[Zusatz zu §. 5 . S . Der chen

Pietro

T. XXIV. Gifte

als

6.]

neueste V e r s u c h Ziliotto

Febbr. e marzo sostanze

einer D e f i n i t i o n des Begriffes G i f t ,

(Giorn.

veneto

1864.)

d.

sc.

mediche.

dahin g e m a c h t h a t ,

potenzialmente

mortifere

wel-

Ser.

2.

dass er die

definirt

wissen

will, kann als dem Ziele einer g u t e n B e g r i f f s b e s t i m m u n g n a h e k o m m e n d nicht a n g e s e h e n w e r d e n , da dadurch die a u f mechanische W e i s e

tödt-

lich w i r k e n d e n Schädlichkeiten nicht g e h ö r i g a u s g e s c h l o s s e n werden. Z i l i o t t o stellt zur Begründung seiner Definition neun zum Theil völlig richtige zum Theil aber auch recht sonderbare Grundsätze f ü r eine medico-legale Bestimmung des Giftbegriffs a u f : 1) Die Heimlichkeit der Beibringung, obschon nothwendige Grundbedingung des criminellen Giftmords, darf in eine medico-legale Definition nicht aufgenommen werden. Es harmonirt dies ganz mitunseren Ansichten, nur ist der Zwischensatz schlecht formulirt, indem danach das gewaltthätige Einschütten von Schwefelsäure z. B. nicht als Giftmord anzusehen sein würde. 2) Das Gift, wo es auch applicirt sein mag, wirkt stets auf die Lebenscentra. Hiergegen ist zu erinnern, dass man Gifte kennt, welche ihre directe Wirkung anf die peripherischen Nerven ausüben und indirect Tod, Erstickungstod durch Lähmung der Respirationsmuskeln, bewirken z. B. U r a r i ; bei vielen Vergiftungen kommt es gar nicht zu einer Beintr&chtigang der vitalen Centra, sondern des Magens und Darmcanals, oft nur der Epithelien u. s. w. 3) und 4) beziehen sich auf Dosis des Giftes und Dauer der Vergiftung, welche Z i l i o t t o mit Recht als irrelevant für die Definition bezeichnet. 5) Es leuchtet ein, dass eine Potenz weniger wirkt, als ihre Kräfte gestatten, niemals aber kann sie mehr wirken, oder specieller ausgedrückt, dass eine Potenz, die das Leben vernichten kann, nur Schädigung der Gesundheit bewirkt, nicht aber dass eine bloss gesundheitsschädliche Substanz das Leben vernichtet. Dieser medicinisch-philosophische Jargon soll so viel heissen wie: die tödtliche Wirkung des Giftes setzt als niedrigere Stufe die Schädigung der Gesundheit voraus, folglich braucht nur erstere, nicht aber letzToxikologie (Supplement.) 1

2

Allgemeine Toxikologie.

tere in die Definition aufgenommen su werden, die Aufnahme der letzteren allein genügt aber nicht Wir können darin, dass man die Gifte statt nnter die Noxen unter die Todesursachen subsumirt, keinen besonderen Fortschritt sehen. 6) Das Gift wird niemals Arzneimittel virtute propria, sondern durch Süssere Umstände, indem die Heilkunde seine W i r k u n g corrigirt oder die Krankheit sie modificirt. 7) Die Wirkungsweise des Giftes, wenn auch wissenschaftlich festgestellt, gehört nicht in die Definition. Dsss man ohne diese gar nioht im Stande ist, das siedende Blei oder gar die Bpitzkugel aus dem Gebiete der Giftlehre zu exterminiren, welche auch soBtanze potentialmente mortifère sind, liegt auf der Hand. 8) Das Gesetz fordert vom Gift, dass es Gift sei, wenn es in den Körper gelangt, nicht dass es solches erst im Körper werde. Hier haben wir zu erinnern: Wenn das Gesetz wirklich diese Forderung stellt, so ist eine offenbare Lücke in der Gesetzgebung vorhanden: es würde danach Jemand, der eine Blausäurevergiftung dadurch herbeiführt, dass er E m u l s i n und A m y g d a l i n hinter einander verabreicht, nicht als Vergifter zu bezeichnen sein, denn keine der verabreichten Substanzen ist giftig. Kohlensaurer Baryt ist als unlösliche Substanz vom Unterhautzellgcwebe aus ungiftig, er wird im Magen Gift, indem er sich in ein lösliches Barytsalz umwandelt und derartige Substanzen gibt es in Menge. Wenn endlich 9) Z i l i o t t o fordert, es müsse die Definition von Gift sich streng anschliessen an jede Art Vergiftung, vollendete und versuchte, strafbare und zufällige, so müssen wir dagegen insonderheit hervorheben, dass es nicht Aufgabe des Arztes ist, den Begriff des Giftes nach den juristischen Unterabtheilungen der Vergiftung zu moduliren und dass es dem Toxikologen darauf ankommt, dio als Gifte vom mcdicinischen Standpunkte aus zu bezeichnenden Stoffe durch eine bestimmte Begrenzung zu einem harmonischen Ganzen zu vereinigen, wie das mit der von uns gegebenen Definition (Handbuch der Toxikologie S. 2) recht wohl möglich ist. Es würde sicher vielem unnöthigen Wortgeplänkel ein Ende gemacht sein, wenn man in Criminalgesetzbüchern den Ausdruck „Gift" überall striche und durch „zur Zerstörung der Gesundheit und Vernichtung des Lebens geeignete Stoffe" ersetzte, worunter die mechanisch wirkenden Schädlichkeiten, z. B. siedendes Blei, ferner trichinöse Wurst u. s. w. mit den eigentlichen Giften verstanden werden können, deren Darreichung unseres Erachtens criminell gleich strafbar sein muss wie die von Canthariden u. a. Höchst ungerechtfertigt aber ist es, wenn ein sogenannter KoryphUe der gerichtlicheil Medicin, der bekannte T a r d i e u (Annales d'hygiène. Octbr. 1864.) die Toxikologie als Wissenschaft opfern will, w e i l d i e G i f t e u n d e f i n i r b a r s e i e n !

II.

Beziehungen der allgemeinen Eigenschaften der Gifte zu ilirer Wirkungsweise (S. 14). [Zusatz zu §. 16. S. 21.]

Zu den eiweissartigen S t o f f e n , welche bei der Einwirkung der Gifte auf den thierischen Organismus insbesondere in Betracht kommen, gehören auch das H ä m a t o g l o b u l i n oder H ä m a t o k r y s t a l l i n , insgemein H ä m o g l o b i n genannt, das als hauptsächlicher Bestandteil der rothen Blutkörperchen nicht ohne Wichtigkeit ist und in Bezug auf das Verhalten zu Gasen in neuerer Zeit vorzüglich von H o p p e - S e y l e r untersucht ist, sowie ferner das von O. L i e b r e i c h (Annal. d. Chemie u. Pharm. Bd. 134. pag. 129 18G5) entdeckte, den

Beziehungen der allgemeinen Eigenschaften der Gifte zn ihrer Wirkungsweise.

3

Hauptbestandteil des Nervenmarks sowol in den Centren als in den peripherischen Nerven bildende, ausserdem reichlich in den farblosen Blutkörperchen vor handeue und in den rothen nicht fehlende P r o t a g o n , als dessen weniger reine Zustünde das C e r e b r i n nnd M y e l i n älterer Autoren anzusehen sind. Das Hämoglobin, wclches im Blute als solches und mit Sauerstoff verbunden (sog. O x y h ä m o g l o b i n ) vorkommt, wird aus wässriger Lösung von Alkohol hellroth gefällt, der Niederschlag färbt sich allmälig braun und ist dann in H & m a t i n und einen Albuminstoff gespalten; sehr wässriger Spiritus löst Hämoglobin etwas und conservirt es bei niederer Temperatur. Alkalien und besonders rasch Säuren spalten es ohne vorhergehende Fällung; bei gewöhnlicher Temperatur nur allmälig; der entstehende Albuminstoff bleibt bei Anwendung von Essigsäure, Weinsäure, Kalilauge in Lösung, bei SO 3 , NO 5 schlägt er sich nieder. Schwefelwasserstoff wirkt nur auf Oxyhämoglobin; zunächst wird der locker gebundene Sauerstoff getrennt, dann tritt eine Umwandlung des Hämoglobins in einen von Hämatin oder Methämoglobin verschiedenen Körper ein und bei weiterer Einwirk u n g entsteht unter Abschcidung von Schwefel und Albuminstoffcn eine in dünnen Schichten olivengrüne, in dicken braunrothe Substanz, die denselben Kiscn- und einen 4fach grössren Schwefelgchalt wie das Hämoglobin hat ( I l o p p e S d y l e r , Med.-ehem. Unters. Heft 1. pag. 151 1866). Kohlenoxyd treibt den Sauerstoff aus Oxyhämoglobinlüsungen aus und bildet dann ebenso wie mit dem Hämoglobin Kohlenoxydhämoglobin, das sich in seinem spectroskopisclien und mikroskopischen Verhalten dem Oxyhämoglobin sehr nähert. — Vom P r o t a g o n ist bekannt, dass es sich in Aether kaum löst, dagegen leicht in warmem Weingeist, sehr leicht in Fetten und ätherischen Oelcn. L u d i m a r H e r m a n n (Reichert's Archiv f. Anat. Heft 1. pag. 33 1866.) will die Einwirkung der Anaesthetica auf die Lösung des Protagons zurückführen, wogegen aber H o p p e - S e y l e r (dessen Med.-ehem. Unters. Heft 1 pag. 143) nicht ohne Grund bemerkt, dass Aether und Chloroform weniger Protagon lösen, als C h o l e s t e r i n , das ebenfalls reichlich in der Marksubstanz des Gehirns und aller Nerven und in den Blutkörperchen sich findet und sicher auch als ein f ü r die Wirkungsweise der Gifte nicht unbedeutender Stoff anzusehen ist.

III. Bedingungen der Giftwirkung (S. >23). [ Z u s a t z zn §. 2 2 . S . 2 9 . ] Die I m m u n i t ä t e n bestimmter Thierspecies gegen bestimmte Gifte glaubt Cl. B e r n a r d als auf Täuschungen beruhend bezeichnen zu müssen nnd meint, dass sie aus Beobachtungen an Thieren mit stark gefülltem Magen zu erklären seien. Dass diese Erklärung ungenügend ist, hat A m b r . T a r d i c u (Ann. d'hyg. 85. Octbr. 1864.) richtig dargethan. Indessen ist sie doch für einzelne Angaben in der Literatur bestimmt richtig. Aehnlich erklärt sich die Immunität der Hühner gegen Nuces vomicae, zuerst von D e s p o r t e s behauptet und leicht als richtig zu constatiren, wenn man ihnen grobzerkleinerte Brechnüsse administrirt Bekommen sie dagegen mit Strychninlösung imprägnirte Hafergrütze oder wird ihnen hypodermatisch Strychninlösung oder Upas Tientö applicirt, so sterben sie rasch an Strychninvergiftung. Die grob zerkleinerten Nuces vomicae gehen wieder mit den Excretcn ab, ohne dass das Strychnin ihnen in toxisch wirkender Quantität entzogen ist. Andrerseits muss man aber für manche Immunitä1*

4

Allgemeine Toxikologie.

ten die Organisation der Thierspecies als Erklärung der Immnnit&t oder der besondern Prädispositionen festhalten. So z. B . für die so auffallend starke Wirkung des Strychnins auf Frösche durch die hohe Reizbarkeit des Thieres, dem j a leichte Schnittwunden schon zn tetanischen Anfüllen verhelfen k ö n n e n ; an sich wirkt das Strychnin nicht stärker als auf andere Thiere auf den Frosch ein, denn er kann bei guter Pflege der Haut nach 0 , 0 2 5 Gran salpetersanren Strychnins wieder genesen, was für die Verwerthung antidotarischer Experimente bei mit Strychnin vergifteten Fröschen häufig übersehen ist. Ferner darf wol auf die specielle Organisation des Darmes die viel heftigere Wirkung der drastischen Stoffe bei Hunden und Carnivoren überhaupt, von denen ersterc j a schon nach Magnesia usta Dysenterie bekommen können, zurückgeführt werden, welche in Bezug anf das Helleborein neuerdings vou W. M a r i n e ( H e n l e ' s Ztschr. t r a t . Med. X X V I . 1. pag. 79. 1 8 6 5 ) constatirt wurde. Wie wichtig die Organisation des Thieres für die Wirkungsdifferenzen der Gifte ist, lehren am besten das Wiedergenesen der Frösche nach Curare trotz völlig aufgehobener Xungenth&tigkeit, was nur auf Rechnung der bei Kaltblütern so überaus bedeutenden Hautathmung zu setzen ist, und das eigentümliche, bisweilen über % Stunde lang anhaltende Umherhüpfen derselben Thiere mit stillstehendem Herzen bei Application von Herzgiften. Für verschiedene der im Handbuche genannten Immunitäten fehlt uns jedoch noch immer ein triftiger Erklärungsgrund. puaatz

Nach

zu § . 2 7 .

den

S.

neuem

wirksamen Substanzen

35.]

Untersuchungen

über

die Application von

unter die Haut vermittelst der sog.

subcu-

t a n e n I n j e c t i o n ist diese Applicationsstelle hinsichtlich der Schnelligkeit des Eintrittes der Wirkungen ganz bestimmt in der im HandLuche

angegebenen Reihenfolge

dem Magen

und

wohl

auch dem

Dickdarm vorauszustellen. Besonders massgebend sind in dieser Beziehung die Versuche von A. E u l e n b u r g (die hypodermatische Injection der Arzneimittel. 2 . Aufl. Berlin, 1867. 4 8 — 6 5 ) . Bei Menschen zeigen sich nach % — \ Gr. Morphium häufig fast momentan narkotische Erscheinungen und in wenigen Minuten S c h l a f ; — G r . Atropin subcutan injicirt schon nach 5 — 8 Min. Steigen der Pulsfrequenz uncl nach Jf Std. starke Mydriasis u. s. w. Die raschere, oft sehr rapide toxische Wirkung des A t r o p i n s , C h i n i n s , S t r y c h n i n s bei Kaninchen und Fröschcn vom Unterhautzellgewebe aus wird von E u l e n b u r g sehr betont; es scheinen aber die Mehrzahl der giftigen Alkaloide rascher und in kleinerer Dose toxisch bei subcutaner Injection zu wirken, selbst das S a m a n d a r i n (Zalesky) und es bedarf keiner besondern Tabelle. Deutsches A c o n i t i n z . B . wirkt zehnmal stärker bei subcutaner Injection. Ein Körper, der ähnlich wie Curare vom Magen aus nicht oder doch nur in äusserst grossen Dosen toxisch zu wirken scheint, bei subcutaner Application aber rasch Vergiftung bedingt, ist M c t h y l s t r y c h n i n ( S t a h l s c h m i d t , S c h r o f f ) . Dass andrerseits iu Wasser unlösliche Substanzen, welche erst mit den im Magen vorhandenen Säuren giftige Salze bilden, vom Unterhautzellgewebe aus ungiftig sind, z. B. k o h l e n s a u r e r B a r y t , ist einleuchtend. A u f E u l c n b u r g ' s Versuche über die Beziehungen der Applicationsstellen zur Resorption und Elimination kommen wir weiter unten zurück.

Wirkung der Gifte auf den Organismas.

5

IV. Wirkung der Gifte aar den Organismus (S. 36). [ Z u s a t z z u §. 3 0 . S .

40.]

Gegen die n e r v ö s e T h e o r i e d e s Z u s t a n d e k o m m e n s d e r V e r g i f t u n g und insbesondere gegen die M o r g a n und A d d i s o n ' s o h e Theorie von der Betheiligung der Gefässnerven bei der Giftwirkung ist eine Arbeit vun A l e x . I n g r . S p e n c e (Edinb. med. journ. Juli. pag. 44. 1866) gerichtet, welche auf folgende, leicht als richtig zu constatlrende Experimente hinweist: Bei Fröschen tritt nach Ligatur des Herzens Tetanus nicht ein, wenn man Strychnin innerlich oder in die Bauchhöhle applicirt, wohl aber bei directer Application auf das Hirn. Ebenfalls bleibt der Tetanus aus, wenn man Strychninlösung in die vordere Bauchvene einspritzt, nachdem zuvor die Spitze des Herzventrikels weggeschnitten wurde, wobei die etwaige Leitung durch die Gefässnerven nicht nnterbrochen ist. Es lassen sich übrigens als ein sehr wichtiger Beweis f ü r die Vermittlung der Giftwirkung durch die Circulation die bekannten schönen Versuche K o e l l i k e r ' s mit A m y g d a l i n und E m u l s i n (vgl. Handbuch der Toxikologie S. 83) verwenden. [ Z u s a t z z u §. 3 1 . S .

46.]

lieber den Einfluss der A p p l i c a t i o n s s t e l l e n auf die Resorption der Gifte und ihr Erscheinen im Blute und den Secreten sind die Angaben von E u l e n b u r g (Die hypoderm. Injection pag. 59 und Centralblatt f . d . med. Wissensch. 1865. No. 34) von Interesse, welche sich auf die Verhältnisse der subcutanen Injection beziehen. Im Harn von Kaninchen ist bei hypodcrmatischer Application Blutlaugensalz in 4 — 5 Min., Jodkalium nach 5 resp. 9 Min., bei Einführung in den Magen erst nach 15—17, letzteres noch nicht nach 10 Min., wohl aber nach 18 Min. nachzuweisen. In den Secreten der Mundhöhle beim Menschen ist subcutan injicirtes Jodkalium in der Zeit zwischen 1 und 5 Min. nachweisbar, wobei auf die sich herausstellenden Differenzen die W a h l der In jcctionsstellc influirte (Minimum bei Injection am Halse oder an der Brust, Maximum bei Einspritzung am Unterschenkel). Bei innerer Application von Jodkalium tritt dies niemals vor der 20. Min. in das Parotidensecret. Aehnlichc Verhältnisse bietet Sublimat. Subcutan injicirtes Amygdalin kann im Blute VOD Kaninchen nach 3 \ — 5 , innerlich in derselben Menge gereichtes erst nach 14 Min. nachgewiesen werden. In Bezug auf die Allgemeinwirkung subcutan injieirter Substanzen stellt E u l e n b ü r g den Satz a u f , dass dieselbe ceteris paribus nach der gewählten LocalitSt verschiedene Dauer und Intensität darbiete, und zwar dass im Allgemeinen folgende Reihenfolge stattfindet: Wangen- und Schlafengegend; Regio epigástrica, vordere Thoraxgegend, Fossa supra- und infraclavicularis; innere Seite des Oberarms und Oberschenkels; der Kackcn; äussere Seite des Oberschenkels, Vorderarm, Unterschenkel und Fuss; endlich der Bücken mit Kreuz- und Lumbaigegend, von wo aus die Wirkung sich am trägsten, oft gar nicht geltend macht. — Ueber die Differenzen der Giftresorplion von Magen und Mastdarm hat S a v o r y (Lancet, I. 19. 20. May. 1863) eine experimentelle Studie geliefert und namentlich f ü r S t r y c h n i n und N i c o t i n den Mastdarm als eine gefährlichere Applicationsstelle constatirt, während sich f ü r Cyaiikalium kaum Differenzen herausstellten. Dass beim Strychnin nicht der Magensaft das Hemmniss der Resorption ist, haben weitere Versuche desselben Verfassers ergeben.

6

Allgemeine Toxikologie.

[Zusatz zu §. 3 3 . S. 4 7 . ] Die Bolle, welche nach den neuern Untersuchungen von H o p p e - S e y l e r a. A. das H ä m o g l o b i n bei den Vergiftungen mit Kohlenoxyd, Schwefelwasserstoff, sowie mit Säuren und Alkalien spielt, ist bereits bei der Erörterung dieses Stoffes oben erwähnt. Wenn Formveränderungen der Blutkörperchen nicht fiberall als Folge der Vergiftung bezeichnet werden dürfen, wie z. B. die sternförmigen oder zackigen Corpuscula sanguinis des Kaninchens von H. E u l e n b e r g (Die Lehre von den schädlichen und giftigen Gasen. Braunschweig 1865. pag. 436) irrthftmlich als charakteristisch ffir Phosphorwasserstoffvergiftung gedeutet worden, da solche sich auch im Blute nicht vergifteter Kaninchen finden: so hat doch die neueste Zeit gelehrt, dass bestimmte Giftu ganz eigentümliche morphologische Veränderungen der Blutkörperchen bedingen, wovon das eclatantestc Beispiel die von E r b nachgewiesene Körnchenbildung bei Intoxication mit pikrinsauren Alkalien ist (Die Pikrinsäure. Würzburg 1865. pag. 9). [Zusatz zu §. 3 4 . S. 4 8 . ] Die E i n w i r k u n g v o n G i f t e n auf die G e f ä s s w a n d u n g e n darf nicht unterschätzt werden, da durch die neueren Untersuchungen von H o p p e - S e y l e r (Med.-chem. Untersuchungen. Heft 1. pag. 32) festgestellt zu sein scheint, dass die Oxydation der Albuminstoffe, des Zuckers, der Fette u. s. w. nicht durch das Oxyhämoglobin im Blute ausgeführt werden kann, dass diese Substanz und durch sie das arterielle Blut nur als Sauerstoffträger erscheinen, welche an die Gefässwandungen Sauerstoff abgeben und dass man Oxydationsprocesse in der Haut der Arterien sowie in den Muskeln annehmen muss, welche diese Organe stets frei von O erhalten. In Bezug auf die die Oxydationsprocesse störenden toxischen Substanzen unterscheidet H o p p e - S e y l e r zwei Classcn: 1. solche, welche dem Oxyhämoglobin den O oder die Fähigkeit, sich damit zu verbinden, nehmen (Kohlenoxyd, Schwefelwasserstoff, Phosphorwasserstoff) und 2. solche, welche die Function des Hämoglobins nicht beeinträchtig«n, aber in den Organen selbst die Oxydation hindern (Chloroform, Alkohol, Blausäure); die helle Färbung des venösen Blutes neben erloschener Respiration bei Blausäurevergiftuug lassen eine andere Erklärung nicht zu. — Dass auch solcho Stoffe, welchc das Oxyhämoglobin von O befreien, auf die Gefässwandungen von Einfluss sind, beweist die Erweiterung und Verlängerung der Arterien bei Kohlenoxydvergiftung, auf welche schon von F r . H o f m a n n im vergangenen Jahrhundert gekannte Symptome neuerdings K l e b s das Wesen der Kohlcndunstvergiftung zurückführen zu können glaubt ( V i r c h o w ' s Archiv. XXXII. pag. 516. 1865). Ueber manche Alterationen von Organen in Folge von Vergiftung mit Stoffen, wolchc das Blut nachweisbar alteriren, indem sie das Hämoglobin zerlegen, namentlich die für die Toxikologie so unendlich wichtig gewordenen f e t t i g e n D e g e n e r a t i o n e n (vgl. Phosphor, Schwefelsäure, Arsenik), bestehen noch Differenzen, ob sie als einfache Ernährungsstörungen oder als entzündliche Erscheinungen aufzufassen sind. [Zusatz zu §. 3 8 . S.

55.]

Nicht ohne Einfluss auf den Zeitpunkt der vollendeten

Elimi-

n a t i o n scheinen die Applicationsstellen zu sein, so dass z. B. E u l e n b u r g (Die liypod. Injection. p. 64) den Satz aufstellt, dass die Zeit zwischen

der Einführung

löslichcr Substanzen

und

ihrem

völligen

Wirkung der Gifte auf den Organismus.

7

Verschwinden aas deD Excreten 3—4mal grösser ist per os, als bei subcutaner Injection. Die Grundlage zu diesem Satze bilden Versuche mit Kaliameisencyanür nnd Jod-Jodkaliumlösung; dieselben konnten im Urin nach subcutaner Injection nur in den ersten 24 Stunden, nach innerer Darreichung nach am zweiten und dritten Tage und selbst nach 72 Stunden nachgewiesen werden nnd war die Reaction an der Grenze des zweiten nnd dritten Tages am stärksten. Auch Versnche mit Jodkalium beim Menschen gaben E u l e n b n r g ein analoges Resultat (Centralhl. f. . 493. Febr. 1864) ein Alkaloid, W r i g h t i n genannt, nachgewiesen haben will. Eine genaue Beschreibung der länglich lanzettlichen, einer Yogelzunge nicht unähnlichen, 10—15 Mm. langen, bis 1 Mm. breiten Samen gab F l ü c k i g e r (Schweiz, Wchschr. f. Pharm. 25. 1865). Bei Fröschen und Kröten stellten sich 0,3 — 0,5 als jethale, 0,04 Gmm. als schwächste toxische Dosis bei subcutaner Application, während bei innerer Application 0,3 Gmm. nicht tödtlich wirkte; auch bei Tauben wirkte die subcutan angewendete kleinste lethale Dosis von 2,5 Gmm. alkohol. Extract nicht lethal, wohl aber 3—4 Gmm.; bei Kaninchen betrug die tödtliche Gabe subcutan 4, von Magen aus 6 Gramm. Wässriges Extract wirkte schwächer als alkoholisches. Die Vergiftungserscheinungen sind hauptsächlich Motilitätsstörungen, bei Batrachiern bis zu vollständiger Paralyse sich steigernd; die Reflexthätigkeit bleibt lange Zeit intact; Muskeln und peripherische Nerven sind im paralytischen Stadium^ electrisch reizbar. Es ist somit die Vergiftung aus einem Ergriffensein der Nervencentra und insbesondere zunächst des Gehirns bedingt; der Tod erfolgt durch Respirationslähmung; die bei Tauben und Kaninchen vor dem Tode eintretenden Convulsionen scheinen duroh Kohlensäureanhäufung bedingt. Das Herz pulsirt bei Batrachiern mehrere Stunden p. m. fort. Das Blut ist dunkel (Tod durch Asphyxie). Hiernach reiht sich der Samen von Wrightia antidysenterica an das Coniin und die ähnlieh wirkenden Gifte. Die Kinde von Wrightia antidysenterica, im vorigen Jahrhundert als C o n e s s i - R i n d e im Gebrauch und von B r o c k l e s b y als narkotisch bezeichnet, soll nach H a i n e s (Pharm. Journ. p. 432. Febr. 1865) ebenfalls das von ihm C o n e s s i n genannte Alkaloid enthalten. Ans der Familie der Apocyneen stammt auch ein neues Pfeilgift der Westafricanischen Elephantenjäger, L'Inee oder Onage, wahrscheinlich aus dem Samen einer E c h i t e s - A r t bereitet, in welchem P e l i k a n (Comptes rend. 5. Jun. 1865) ein Herzgift constatirte, das mehrere der bekannten Herzgifte an Intensität der Wirkung übertrifft.

Nerium Oleander L. [Zusatz zu §. 2 9 6 . S. 5 0 3 . ] Die schon von K u r z a k angedeutete exquisite Wirkung des Oleanders auf das Herz . bestätigt P e l i k a n (Comptes rend. Apr. 1866) und stellt denselben gradezu zu den Herzgiften. Als das die Wirkung bedingende Princip betrachtet er nach seinen Versuchen mit Präparaten von Oleander aus Algier ein gelbes scharfes Harz. In den spirituösen Extracten glaubt er Substanzen vorhanden, welche die Wirkung des eigentlichen Herzgiftes hindern. In welcher Beziehung diese zu den von L e u k o w s k y (Journ. de Pharm. 46. 397. 1865) angeblich im Oleander gefundenen beiden Alkaloiden, O l e a n d r i n und P s e u d o c u r a r i n . welches letztere unwirksam sein soll, stehen, muss näherer Untersuchung überlassen bleiben. 10. F a m i l i e : L o g a n i a c e a e E n d l . , S t r y c h n e a e R. Br., (S. 504).

Loganiaceen

[Zusatz zu §§. 2 9 8 — 3 0 5 . S. 5 0 5 — 5 2 2 . ] Von den Intoxicationen durch Venena strychnacea haben in jüngster Zeit 2 zu gerichtlichen Verhandlungen Anlass gegeben, ein Americanischer Fall von Giftmord durch Strychnin, über welchen Geo. F. B a r k e r (Hay's Amer. journ. Oct. 1864) genauere Mittheilung macht, und die Vergiftung des Speditors T r ü m p y in Bern, welche als Selbstvergiftung anzusehen ist; in beiden Fällen war das Alkaloid oder ein Salz desselben benutzt. Weitere Selbstmordfälle betreffen: Ver-

V e r g i f t u n g mit Stoffen aus dem Pflanzenreiche.

57

giftungen d u r c h B a t t l e y ' s v e r m i n k i l l e r u. a., eine in E n g l a n d verbreitete A r t von R a t t e n g i f t ( F a l l e von J a m e s P a r t in Lancet I. 13. 14. Apr. 1861. von W . T r a v e r s in L a n c e t I I . 14. Oct. 1 8 6 1 und R o g e r s in Brii. med. journ. 20. May 1865) u n d V e r g i f t u n g e n d u r c h das Alkaloid oder dessen Salze (Fälle von G. H a r l e y in L a n c . Oct. 16. 1861, O g s t o n in Brit. med. rev. Oct. 1861. M a r t i n s in Memorabil. 267. 1862, W . B u e k in Amer. med. times. Oct. 31. 1863, C a s p e r und F r ä n k e l in V t j h r s c h r . f. ger. Med. N. F . I. 1, B u r o w j u n . in D. Klin. 31. 1864, Königsb. med. J a h r b . Bd. I V . H e f t 2. 325. 1864, J o s . W i l s o n in Amer. j o u r n . 7 0 . J o l . 1 8 6 4 , P e r i n i und T a r c h i n i B o n f a n t i in Gazz. med. L o m b . 50. 1864 und B e r t h o l l e in Ann. d'hyg. Avr. 1865). Medicinale V e r g i f t u n g e n sind mitgetheilt von O g s t o n (a. a. 0 . ) . M. L e a c h (Med. Times. Nov. 1863, V e r g i f t u n g durch cumulative W i r k u n g von l ^ G r . in 11 T a gen), D a n v i n ( A n n . d'hyg. 128. 1861, S t r y c h n . statt Santonin dispensirt), D u r i a a (ibid. 428. 1861), F r u c t e a u ( A n n . d'hyg. 387. 1865, V e r g i f t u n g eines Kindes d u r c h Pillen, welche e i n e r andern Kranken verordnet waren), sämmtlich S t r y c h n i n betreffend. Ein F a l l von Intoxication durch E x t r . nuc. voinic. statt Kxtr. nuc. j u g l . , auf welche leicht mögliche Verwechslung bereits v. H a s s e l t a u f m e r k s a m machte, wird von G a l l a r d nach Gazz. med. Lomb. 30. 1864 mitgetheilt, auch finden sich bei G a l l a r d ( A n n . d'hyg. 3 9 5 . 1865) 2 F ä l l e von mit S i r o p d e S t r y r h n i n e ( S t r y c h n . sulf. 5 Cgm. auf 100 Grammes Syrup) behandelten u n d nach zuvorigem T e t a n n s gestorbenen Kindern, welche an Chorea litten. V o n den hier zusammengestellten F ä l l e n sind somit 8 medicinale und vom F a l l T r ü m p y abgesehen 11 Selbstvergiftungen und 1 Giftmord; es betreffen davon 1 die Schweiz, 3 D e u t s c h l a n d , 2 Italien, 2 die Vereinigten Staaten, 5 F r a n k r e i c h nnd 8 England. Hinsichtlich der D o s i s sind die F ä l l e von D u r i a u (sehr heftige E r k r a n k u n g einer E r w a c h s e n e n durch Gr., nachdem jedoch f r ü h e r Strychn. als Arznei verabreicht war) und F r n c t e a u ( T o d eines Kindes d u r c h % Gran) beachtungswerth. G a l l a r d f ü h r t in einem Memoire ü b e r die Strychninvergiftung (Ann. d'hyg. 368. 1865, 129. 1866) die B e o b a c h t u n g von T r o u s s c a u a n , wonach choreak r a n k e Kinder oft bis 5 u n d selbst 7 ^ C g m . ( % — G r a n ) pro die vertragen, wenn ihnen alle Stunden eine Dosis von Cgm. Strychn. (in T r o u s s e a u ' s S y r u p ) verabreicht wird, dass die Empfindlichkeit der Kranken gegen das Mittel nicht an allen T a g e n dieselbe ist. Nach meinen Versuchen ist die b e k a n n t e T h a t s a c h e , dass H ü h n e r grosse Dosen von Nux vomica ertragen, welche ich selbst constatirte. nicht als eigentliche I m m u n i t ä t zu b e t r a c h t e n ; dieselbe wird u n v e r d a u t wieder exccrnirt. Strychnin in Lösung tödtet H ü h n e r rasch sowol bei innerer als bei subcutaner Application. F r ö s c h e werden zwar, eben weil sie im Allgemeinen sehr sensibel sind, leicht n n d durch sehr kleine D o s e n S t r y c h n i n tetanisch, aber sie sterben nur nach verhältnissmässig grossen Dosen und können z B. l 2 4 Gran überstehen. Zur T h e o r i e d e r S t r y c h n i n w i r k u n g hat A. J . S p e n c e ( E d i n b . med. journ. 44. J u l . 1866) einige interessante Versuche angestellt. Strychnin bewirkt bei Fröschen keinen T e t a n u s bei Application in M a g e n oder Bauchhöhle nach Ligatur des Herzens, wohl aber bei directer Application auf das Gehirn nach zuvoriger U n t e r b i n d u n g des Herzens. A m raschesten w i r k t die Application auf die T h a l a m i optici und auf die N e r v e n p a r t h i e zwischen diesen und der Medulla oblongata. Durch allmäliges V o r d r i n g e n in das R ü c k e n m a r k worden zuerst die vorderen, später die hinteren Extremitäten tetanisch und in den ersten Anfällen nach vorn und oben, in den s p ä t e m nach hinten gelogen; die Hyperästhesie beginnt vorn nnd schreitet nach hinten zu allmälig fort, verschwindet in der näm-

58

Specielle

liehen Ordnung.



Die

Theorie

Toxikologie.

von H a r l e y ,

dass

die tetanischen

Krämpfe

F o l g e von alterirter E r n ä h r u n g der Nervencentra, bedingt durch Entziehung von Sauerstoff des Blutes, sei, ist nach S p e n c e falsch, Aufenthalte in Sauerstoff in g l e i c h e r W e i s e

weil F r ö s c h e nach

tetanisirt

werden.

längerem

Hyperämien des

Rückenmarkes sind nach S p e n c e nicht Ursache des Tetanus, weil die Krämpfe bei directer Application

nach Wegschneidung

S p e n c e h ä l t vielmehr eine directe W i r k u n g

des auf

Herzens

ebenfalls

eintreten.

die Nervencentra,

und

zwar

anfangs Beizung, später Erschöpfung durch Ueberreizung für wahrscheinlich, auch sah er in einzelnen Fällen bei sehr grossen Dosen Frösche an Erschöpfung sterben, ohne dass Tetanus voraufging. Hinsichtlich des A u f t r e t e n s

(1er S y m p t o m e

Chorea - Patienten Muskelsteifigkeit

in Folge

will T r o u s s e a u bei seinen

des Strychninsyrups niemals nach

\ Stunde auftreten gesehen h a b e n ; doch referirt G a l l a r d einen F a l l von M o y n i e r , wo die Convulsionen nach den) Syrup erst in \ \ Stunden sich einstellten. Die D a u e r der I n t o x i c a t i o n ist sehr auffallend in D u r i a n ' s F a l l e ,

indem

die

Patientin 62 Stunden ohne Bewusstsein blieb und mehrere W o c h e n k e i n e festen Nahrungsmittel

zu

sich

nehmen konnte. — Mit R e c h t macht G a l l a r d

aufmerksam, dass zwischen der Intoxication und dem Auftreten gen in einzelnen Fällen noch Handlungen,

darauf

der Erscheinun-

wie E s s e n , T r i n k e n ,

Spazierengehen

vorgenommen werden können und dass dies auch noch nach E i n t r i t t der K r ä m p f e geschehen kann, zeigt das l a n g e Klopfen des Patienten Das g e s c h w u n d e n e

Bewusstsein

in C a s p e r ' s

Falle.

nung der hochgradigen Blutentziehnng gebracht werden zu müssen. — lendilatation wie G a l l a r d

als constantes



in D n r i a u ' s Falle scheint uns auf R e c h -

Symptom

der

Strychninvergiftung

thut, geht nach meiner Ueberzeugung nicht a n ;

während der R e -

missionen ist sie gewiss meist normal ( H a r l e y , F r u c t e a u ) . sieht man trotz der gegentheiligen Behauptung traction, und zwar während der A n f ä l l e ,

und

Pupil-

anzunehmen,

A u c h bei Thieren

von G a l l a r d eine Dilatation

oft

Pupillencon-

tritt erst im M o -

mente des Todes ein, wie ich bei meinen Versuchen mit Upas sehr häufig b e o b achtete. — D u r i a u

eines entzündlich

gastrischen

Z u s t a n d e s als beachtungswerthes Zeichen der Strychninwirkung

hat

die

Erregung

hervorgehoben,

was jedenfalls völlig unstatthaft ist, wenn auch in einzelnen F ä l l e n M a g e n s c h m e r zen und Erbrechen vorkommen und post mortem ( D a n v i n )

Ecchvmosen an der

hintern Magenwand und dendritische Gefässverzweignngen bei normaler Schloimhaut finden. — Die krampfhafte Ejaculation von Samen, Urin u . s. w. bei T h i e ren

habe

ich wie G a l l a r d

oft bei Strychninvergiftung bei denselben

gesehen;

doch bin ich weit davon entfernt, diese Erscheinung als nur einigermassen c o n s t a n t zu bezeichnen. W a s den L e i c h e n b e f u n d

anlangt,

so

hat C a s p e r nach einer

tung sich berechtigt gefunden, das Verhalten der Todtenstarre giftung als irrelevant zu bezeichnen; dies ist es aber,

wenn

Beobach-

bei Strychninverman

die

Casuistik

genauer durchgeht, nicht, da nur in sehr wenigen F ä l l e n starke und sehr rasch eintretende Todtenstarre vermisst wird.

Kleinere

Blutextravasate

im

Hirn

habe

ich einige Male hei Thieren beobachtet; im F a l l e von F r u c t e a u

fand sich eine

kleine Hämorrhagie

Ergiessung

auf

der

Hirnoberfläche.

Rückenmark findet sich bei H a r l e y ,

Reichliche

das B l u t weichselkirscbroth wie bei K o h l e n n x y d ; exceptionell, nieist ist es dunkel. —

seröse

Congestion bei D a n v i n . — C a s p e r dieser Befund

Dass, wie G a l l a r d

ist indess

hervorhebt,

die

in fand sehr

Blase

leer und contrahirt gefunden werde, ist wohl rein zufällig. In Bezug a u f die B e h a n d l u n g

der Strychninvergiftung

zweite Abtheilung der Arbeit von G a l l a r d von Interesse,

ist besonders

die

obschon einzelne An-

Vergiftung mit Stoffen aus dem Pflanzenreiche.

59

gaben nicht als richtig zugestanden weiden können. So ist die Anwendung der Magenpumpe von ihm mit Unrecht verworfen, weil dadurch tetanisehe Krämpfe hervorgerufen werden können; nichtsdestoweniger hat man sie manchmal mit E r folg angewendet. Das T a n n i n muss trotz des Misserfolges in Gallard's Experimente und in Casper - Fränkel's Falle als Antidot festgehalten werden. Ich habe versucht, die ungiftige und mit Strychnin einen im Uebersehusse des Lösungsmittels nicht leicht löslichen Niederschlag gebende W o l f r a m s ä u r e zu substituiren; indessen gelangt nach einem damit angestellten Versuche auch das wolframsaure Strychnin, wenn auch erst später, zur Resorption. Vielleicht empfiehlt sich in gleicher Weise das B r o m k a l i u m , das sowol das Strychnin fällt als die Sensibilität herabsetzt und somit auch als organisches Antidot wirken könnte; es fehlt mir indess zur Zeit noch an Versuchen darüber. Ueber das F e t t als Antidot hat F . R i e n d e r h o f f (Arch. f. d. holl. Beitr. z. Nat. n. Heilk. I I I . 2. 141. 1862 zufolge einer Zusammenstellung neuerer Arbeiten über Strychnin von S c h r a u b e in Schmidt's J a h r b . CXXXI. 8 . 2 3 9 . 1866) Versuche an Hunden und Kaninchen angestellt, welche darthun, dass Fett, Butter oder Oel die Absorption vou Strychnin und Strychninsalzen verlangsame, und zwar am meisten Fett, dass der Verlauf der Symptome durch Butter und Oel eher verkürzt als verlängert werde und dass das Vorhandensein von Fett, Butter oder Oel die Wirkung der Emetica beeinträchtigt, die deshalb in relativ grossen und sogar wiederholten Dosen zu geben sind. Die von G o r r e (Bull, de Ther. 44. 266. 1856) gegen Nux vomica gerühmte M i l c h erwies sich G a l l a r d als Antidot nicht brauchbar. Der durch B o u c h a r d a t ' s Aqua jodata in Strychninlösung gemachte Niederschlag wirkt auf Thierelethal und kann daher dies Antidot nur in Verbindung mit Brechmitteln gegeben werden, von denen Tart. stib. vorzuziehen ist, da Zink- und Kupfervitriol das jodwasserstoffsaure Strychnin lösen ( G a l l a r d ) und, wie wir hinzufügen müssen, die Brechwnrzel wegen Zersetzung des Emetins unwirksam bleibt. G a l l a r d ' s Versuche über die antidotarische Wirkung des M o r p h i u m s fielen negativ aus, sowol bei 4fach als bei 24fach grösserer Gabe des Antidots, ebenso die über C h l o r o f o r m angestellten, welches letztere Mittel inlialirt weder Lösung des Krampfes noch Unempfindlichkeit hervorbrachte. Ebenso wenig fielen antidotarische Versuche mit C o n i i n und N i c o t i n günstig aus, womit auch meine Versuche über erstere Substanz übereinstimmen; die Empfehlung des Nicotins durch H a u g h t o n ist übrigens, w i e S p e n c e (a. o. &. O.) hervorhebt, auf falsch augestellte Versuche basirt, indem die in eine Strychninlösung getauchten Frösche nicht nur in Nicotinlösung, sondern auch in reinem Wasser sich erholen; Injection beider Substanzen wirkt nach G a l l a r d toxisch. Auch den Antagonismus von Strychnin und A c o n i t i n (vgl. Ranunculaceen) konnte G a l l a r d nicht bestätigen. Ueber die in neuerer Zeit viel besprochene Behandlung der S t r y c h n i n v e r g i f t u n g m i t U r a r i , für welche namentlich der Fall von B u r o w jun. citirt wird, welcher aber wegen gleichzeitig angewendeter Emetica und Tannin nicht als reine Beobachtung erscheint, liegen experimentelle Studien von E r c o l e M o r o n i und F e i i c e d e l l ' A c q u a (Ann. univ. di med. Sept. bis Dcb. 1865) und von R. R i c h t e r (Henle's Ztschr. 3. St. XVIII. 76. 1863) vor, welche die Anwendung dieses Antidots als sehr problematisch erscheinen lassen. B u r o w will es zu 10 Tropfen einer Concentration von gr. 1. auf gtt. 10 Aq. destill. —2 stündlich subcutan injicirt angewendet wissen, welche Dosirnng bei der grossen Wirkungsdifferenz verschiedener Urari-Sorten wol nur auf das benutzte Appuhn'sche Curare bezogen werden kann. R. R i c h t e r hat in der C o m b i n a t i o n d e r B e h a n d l u n g m i t U r a r i u n d k ü n s t l i c h e r R e s p i r a t i o n ein

60

Specielle Toxikologie.

V e r f a h r e n wider Strychnismus gefunden, das bei Thieren die überraschendsten Resáltate lieferte, in seiner Anwendung beim Menschen aber viele Schwierigkeiten in der praktischen Ausführbarkeit einschliesst. Künstliche Respiration für sich ist nach R. R i c h t e r bei Thieren, welche man von einer Vene ans mit lethalen Dosen Strychnin vergiftet hat, wonach nicht, wie bei sabcntaner oder innerlicher A n w e n d u n g Tetanus, sondern äusserst heftiger Krampf und sofortiges AafhOren der Respiration die f o l g e ist, im Staude, das Leben einige Zeit zu friBten, doch erfolgt bald ein Zustand der Erschlaffung nnd Tod. Bei der gewohnlichen Strychninvergiftung ist wegen der brettartigen Steifigkeit der Atbcmmuskeln die künstliche Respiration nicht ausführbar. Wendet man Strychnin und Urari zugleich an, so kommt Strychnin stets zuerst zur W i r k u n g und ist dabei die Dosis Urari klein, so tritt von ihrer Action nichts zu T a g e ; ist sie gross, so tritt L ä h m u n g ein, a b e r entweder tödtet das Gift Belbet oder nach Aufhören seiner W i r k u n g tritt die des Strychnins in nngeschw&chter Weise wieder hervor. Selbst wenn man bei Strychninvcrgiftung kleine Dosen Urari direct in die Venen bringt, gelingt die Lebensrettung nioht. W e n n danach weder die künstliche Respiration noch das Urari für sich bei Strychnintetanus günstig wirken, so gelingt die Rettung doch durch combinirte A n w e n d u n g beider; es bedarf dazu indess grosser, vollkommen lahmender und die Sensibilität a u f h e b e n d e r Dosen von Pfeilgift und Ausdauer bei Anwendung der künstlichen Respiration, die in einem Versuche sogar 14 Stunden lang fortgesetzt werden musste. Von £ u l e n b u r g (Reichert's Archiv. 423. 1865) ist das C h i n i n als Antagonist des Strychnins bezeichnet und bei Thieren antidotarisch verwerthet Im Falle von D u r i a u ist, wie G a l l a r d richtig bemerkt, wol nicht der A d e r l a s s , sondern die kleine Dosis des Giftes, a u f w e i c h e die Heilung zurückzuf ü h r e n ist, ersterer aber wohl Schnld an der langsamen Reconvalescenz. Ueber die von E u l e n b u r g und L a n d o i s vorgeschlagene S u b s t i t u t i o n sind weitere Versuche wünschenswerth. Nach neueren Angaben von D r a g e n d o r f f (Pharm. Ztschr. f. Russl. IV. 232. 1865) enthalten die Brechnüsse nicht 0.4, sondern 1,167 % Strychnin und daneben noch 1,121 % B r u c i n , so dass die in §. 299 gemachten B e r e c h n u n g e n über den Strychningehalt toxischer und letaler Dosen des Brechnusspulvers viel zu niedrig erscheinen, z. B. in dem Falle von F. H o f f m a u n nicht = 2 X sondern = 2 X 'io Gr. Strychnin Brucin, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass im Magen nicht so viel Strychnin aus den Brechnüssen entzogen wird, wie nach der Methode von D r a g e n d o r f f , welche ein von früheren abweichendes Resultat auch in so fern liefert, nls sie mehr Strychnin als Brucin in den Brechnüssen nachweist. D r a g e n d o r f f gibt die Löslichkeitsverhältnisse des Strychnins in verschiedenen Lösungsmitteln folgendermaßen a n : 100 Theile A e t h e r lösen 0 , 0 8 0 , Amylalkohol 0,550, Aethylalkohol von 9 5 % 0,936 nnd Benzin 0 , 6 0 7 Theile Strychnin. D a Benzin das Brucin viel leichter löst ( 1 , 6 8 8 Th.), so benutzt D r a g e n d o r f f dasselbe zur Trennung beider Alkaloide. Von B a t t l e y ' s v e r m i n k i l l e r enthält nach M a y e t ein P a q u e t von 1 gr. 30 Gewicht 0,10 Strychnin, 1,00 Kartoffelstärke und 0,20 Berliner B l a u (Ann. d'hyg. 373. 1865). Das in Roger's Falle genommene „wurmtödtende mapische P u l v e r " enthielt bei 2 8 Gran Gewicht 10 % Strychnin. Zur Abscheidung des Strychnins bei gerichtlichen Untersuchungen hat das von E r d m a n n und v. U s l a r angegebene, bereits im Handbuche beim Morphium besprochene Verfahren mittelst A m y l a l k o h o l , welches in dem bekannten Trümpyprocesse zur Anwendung kam, keinerlei Vorzüge vor dem im H a n d b u c h e empfohlenen. S o n n e n s c h e i n (Vierteljhrschr. f. ger. Med. I. 1. 1864) erzielte

Vergiftung mit Stoffen ans dem Pflanzenreiche.

61

mit Amylalkohol bessere Resultate als mit Phosphormolybdänsäure. Die Anwendung der D i a l y s e hat in H a r l e y und J o h n B a r c l a y u. F r ä s e r (Med. Times. Dcb. 12. 1863) Gegner gefunden, weil in das Dialysat stets amorphe Substanzen mit übergehen, welche unreine Reactionen ergeben. Von A l f . C o s s a und C a r p i ñ é (Gazz. med. Lombard. 29. 1863) wird das J o d k a l i u m - J o d q u e c k s i l b e r , schon durch P l a n t a als Reagens für Alkaloide bekannt, nach vorgängiger Dialyse zur Constatirung des Strychnins empfohlen. Es entsteht ein flockiger, weisser, aus kleinen farblosen Nadeln bestehender, sich in 24 Stunden nicht ändernder, in Wasser, Alkohol und Aether unlöslicher Niederschlag. Man soll damit /¿¡ 0 0 0 Strychnin nachweisen können. Die Angabe H o r s l e y ' s , man könne mit N i t r o p r u s s i d n a t r i u m noch 'Xooooo Strychnin nachweisen, bestätigt sich nicht. Nicht ohne Interesse für die gerichtliche Chemie möchte der Umstand sein, dass nach R e e s e (Amer. journ. of Pharm. 212. 1862) die Otto'sche Farbenprobe durch die Gegenwart von M o r p h i n beeinträchtigt wird, und zwar in um so höherem Grade, j e mehr davon dem Strychnin beigemengt ist. R e e s e vermochte nachzuweisen: % 0 0 0 0 Grm. bei gleichen Theilen Strychnin und Morphin, J^jon,, bei 1 Str. -+- 2 M., % 5 0 0 0 bei 1 Str. + 3 M. und nur % m bei 1 Str. -f- 10 M. und ^OQ bei 1 Str. + 2 0 Morph. Zur Trennung beider bedient man sich nach R o d g e r s (Journ. f. prakt. Chemie. 89. 498) am besten des B e n z i n s , welches Strychnin leicht löst, Morphium ungelöst 'Isst. Gegenüber den Behauptungen von C l o é t t a über die Z e r s t ö r u n g d e s S t r y c h n i n s im thierischen Organismus (Virch. Arch. X X X V . H. 3. pag. 369. 1866) müssen wir die von uns gemachten Angaben, welche wir durch verschiedene neue Versuche, die zum Zwecke unsrer genauen Information vor dem Processe Trümpy von Prof. A . Husemann und mir unternommen wurden, constatirten, in voller Kraft aufrecht erhalten. Der Nachweis des Strychnins im Blute und in den Secreten Vergifteter ist von so vielen Chemikern (vgl. unsre Zusätze zu §. 38) geliefert worden und wir haben uns von dem Vorhandensein des Giftes in der Leber bei mit Strychnin vergifteten Kaninchen so deutlich überzeugt, dass wir in allen gerichtlich - chemischen Untersuchungen empfehlen müssen, wenn Verdacht auf Strychninintoxication vorhanden ist, sich nicht allein auf die Analyse der Magencontenta zu beschränken. Namentlich aber in solchen Fällen, wo grössere Dosen genommen sind und das vergiftete Individuum noch verhältnismässig lange Zeit gelebt hat, wird man in der Regel, so weit sich dies aus Thierversuchen schliessen lässt, die geschehene Resorption des Strychnins nachweisen können. Vielleicht sind die Angaben C l o é t t a ' s über die Möglichkeit, mittelst der Reaction von H o r s l e y (vgl. Handbuch p. 4 1 9 ) in thierischen Flüssigkeiten Strychnin zu entdecken, nicht ohne Interesse. Während er in einer reinen Strychninlösung Gran nachwies, gelang es im Harn nur bei nicht bei Gr., in 1 Pfd. Kalbsblut, mit einer Lösung von \ Gr. Str. nitr. geschüttelt, war Strychnin nachzuweisen. I Gran Strychnin, mit Mageninhalt gemischt und vergraben, liess sich nach 11% Monat noch nachweisen. M e t h y l s t r y c h n i n fand S c h r o f f früheren Angaben von S t a h l s c h m i d t gemäss zu 0,05 bis 0,2 Grm. bei Kaninchen und von 0,3 Grm. bei Hundeu innerlich ohne Wirkung, dagegen zu 0,1 Grm. bei Kaninchen in 7 Min. lethal, bei Hunden stark toxisch nach subcutaner Application. Die Vergiftungssymptom« charakterisiren sich als Lähmung nach längerm Fortbestande der Herzthätigkeit und peristaltisehen Bewegung wie bei Curare. In einem Froschversuche (0,004 Grm.) stellte sich zunächst allgemeine Paralyse, Vernichtung der Reflexaction und der Motilität ein, nach und nach kehrte die Receptivität für äussere Reize

Specielle Toxikologie.

62

wieder und steigerte sich allmälig so sehr, dass heftige Krämpfe wie bei Strychnismus resultirten, woraus S c h r o f f auf Umwandlung des Methylstrychnins in Strychnin innerhalb des Organismus schliesst (Wochenbl. d. Ztschr. d. Aerzte z. Wien. 14. 1866). 2.

Pfeilgifte.

[Zusatz zu §. 3 0 6 . S. 5 2 2 — 5 2 9 . ] A s i a t i s c h e P f e i l g i f t e (S. 523). Das Upas-11 a d j a oder T i e u t é hat in Berlin zu einem interessanten Vergiftungsfalle Anlass gegeben, welchen M a n n k o p f (Wien. med. Wochenschr. 30. 31. 1862) beschrieben hat; dieselbe wurde veranlasst durch Prüfung dieses Stoffes von Seiten eines Naturforschers, wobei dieser etwa 3 Gran zu sich nahm. Die Symptome waren im Wesentlichen die der Strychninvergiftung (Tetanus, gesteigerte Keflexerregbarkeit, auch Lichtreiz rief Tetanus hervor) und begannen etwa 1 Std. nach der Vergiftung; bei Behandlung mit Brechmitteln und Opiiuntinctur schwanden die hauptsächlichsten Symptome in ca. 24 Std. und nur eine Spannung der Hals- und Rückenmuskeln persistirte einige Tage. In dem 18 Std. nach der Vergiftung sparsam entleerten Urin wies O. S c h u l t z e (Arch. f. Anat. 1864. H. 4. pag. 198) S t r y c h n i n nach und in dem gebrauchten Upas fand derselbe Forscher 60 %, Strychnin. — loh hatte Gelegenheit, mit einem mir von l'rof. K e f e r s t e i n gütigst überlassenen Upas Tieuté aus der Sammlung von Hlumenbach, welches nach der Etiquette aus dem Jahre 1814 stammte, mehrfach zu experimentiren; dasselbe wich in keiner Weise hinsichtlich seiner Wirkung vom Strychnin ab. Die Dosis entsprach ganz dem Strychningehalte, welcher noch etwas höher als in dem von S c h u l t z e untersuchten Upas war. Durch mehrfache Untersuchungen, zum Theil von Prof. A. Husemann ausgeführt, constatirten wir, dass das Gift keine Spur von B r u c i n enthält, so dass dieses Alkaloid im Stamme von Strychnos Tieuté nicht vorzukommen scheint. In andern Theilen scheint es spurenweise enthalten zu sein; wenigstens spricht dafür eine Notiz (N. Repert. f. Pharm. Bd. XV. pag. 229. 1866), wo nach J. B e r n e l o t M o e n s die Samen von Strychnos Tieuté viel mehr Strychnin als die Nuces vomicae enthalten, nämlich 1,469 %, aber nur Spuren von Brucin. Nach mündlicher Mittheilung von Dr. G r o e l m a n bezeichnet man auf Java nur das in Frage stehende Pfeilgift, nicht das Antjar, als Upas. Neuerdings sind noch einige weitere Asiatische Pfeilgifte einer physiologischen Prüfung unterzogen worden. Es sind dies: 1) das von B r a i d w o o d (Edinb. med. journ. Aug. 123. 1864) untersuchte Pfeilgift der Orangdajas oder Dajakkers auf B o r n e o , von ihm als D a j a k s ch bezeichnet, das sich als ein exquisites Herzgift herausstellte, und im Wesentlichen die Erscheinungen des Antjar macht, von diesem sich aber dadurch unterscheiden soll, dass Dajaksch die Herzparalyse durch Lähmung der Herzganglien des Sympathicus, Antjar durch directe Lähmung der Muskelfasern bewirkt. % Std. nach der Herzparalyse tritt allgemeine Paralyse und Anästhesie ein. Directe Application auf das Auge bewirkt bei niedern Thieren Myosis, jedoch nicht so ausgesprochen wie Calabarbohne. Ich habe bereits in meinem Referate über diese Arbeit in Cannstatt's Jahresbericht die Identität des Dajaksch und Antjar als Vermuthung ausgesprochen und finde eine Bestätigung meiner Ansichten in der Arbeit von P. J. v a n L e e n t über die Pfeilgifte der Eingebornen von B o r n e o (N. Repert. f. Pharm. XV. 263. 1866), wonach die Dajakkers nur 2 Arten Gift besitzen, das S i r e n b o o m , welches dem Antjar von Java entspricht und vorzugsweise den eingedickten Saft von Antiaris toxicaría enthält, dem indessen von

Vergiftung mit Stoffen aus dem Pflanzenreiche.

63

den Dajakkern noch andre Pflanzenextracte zugefügt werden, besonders von Calamus yerus, Cocculus crispus (Wurzel, die auch als Fischköder dient), Landsium domesticum, Tubernaemontana sphaerocarpa (Wurzel), Hydrocotyle asiatica (Blätter), Pangium edule (junge Knospen), Dioscorea hirsuta (Wurzel, oebi ara genannt, welche gekocht essbar ist, roh Gastroenteritis bewirkt), Tabak und span. Pfeffer, und das I p o e h e s t e r , dem Upas Tieute entsprechend, von welchem das M a n t a l l a t g i f t eine Abart ist, welcher die gepulverten Flügeldecken von L y t t a g i g a n t e a hinzugesetzt werden. 2) Mehrere von J . B o s e n t h a l (Reichert's Arcli. f. Anat. H. 5. p. 601. 1865) untersuchte, durch F e d o r J a g o r aus Asien mitgebrachte Pfeilgifte und zwar 3 G i f t p r o b e n d e r Y a t r u n s o d e r M i n t r a s von Malacca, die sieb, obsehon sie eine verschiedene Bereitungsart haben sollen, sämmtlich als Herzgifte und zwar nach Art des Antjar wirkend erwiesen. Aeltere, ebenfalls von F. J a g o r herrührende Giftproben der Mintras hält E o s e n t h a i für ein Gemenge eines Herzgiftes mit einem strychninähnlich wirkenden Gifte. Von zwei später durch J a g o r erhaltenen Baumrinden, aus welchen die Yrigoten am Berge Yriga auf Luzon ein Pfeilgift bereiten, fand K o s e n t h a i die eine wirkungslos, die andere herzlähmend wirkend, aber schwächer als das Gift der Mintras. Americanische Pfeilgifte. Mit curarinhaltigen Pfeilgiften ist in den letzten Jahren ungemein viel experimentirt worden. Dass dasselbe sehr lange Zeit wirksam bleibt, beweisen S c h r o f f ' s Experimente mit einem 100 Jahre alten Pfeilgifte (Wchbl. d. Ztschr. Wien. Aerzte 31. 1862). Es ist dabei indessen die gute Aufbewahrung stets von Gewicht, da Ozon die Wirksamkeit vernichtet, ein ozonisirter Luftstrom entfärbt Urarilösung und macht sie wirkungslos C. R. R i c h t e r in H e n l e ' s Ztschr. 3. R. XVIII. 76. 1863). Dass die Südamericanischen Pfeilgifte nicht alle von gleicher Giftigkeit sind, ist ein Factum, welches Cl. B e r n a r d (Comptes rend. LX. 1324. 1865) auf Gruud vielfacher Versuche mit verschiedenen Sorten betont. Einzelne wirken sogar 6 mal stärker als andere. Im Allgemeinen waren die an Pfeilspitzen oder in irdenen Gefässen enthaltenen stärker als die in Calabassen aufbewahrten, welche letztere auch in gleichen Gewichtsmengen minder gefärbte Lösungen geben. Diese Angabe B e r n a r d ' s ist einigermassen in Widerspruch mit S c h o m b u r g k ' s Mittheilung, dass das Pfeilgift der Otomaken, das Curare im engeren Sinne, welches in irdenen Gelassen aufbewahrt wird, nicht so stark und gesucht ist wie das in Calabassen bewahrte Macusi-Urari, Waterton's Woorara; B e r n a r d kann daher nur das Nordbrasilianische Urari iiva meinen, wenn er von stärkeren Pfeilgiften in irdenen Gefässen spricht. Uebrigeus sind, wie E r c o l e M o r o n i und F e i i c e d e l l ' A c q u a (Annali univ. di Medicina, Sept.—Decbr. 1863) fanden selbst die Wirkungen der Pfeilgifte derselben Völkerschaften so different, dass von der einen Sorte 15, von der andern erst 50 Mgm. als lethale Dosis für Hunde erscheinen. Von Cl. B e r n a r d erhielt auch P r e y e r jun. das Material zur c h e m i s c h e n A n a l y s e des Americanischen Pfeilgiftes, welche uns endlich das wirksame Prineip in einer krystallinischen, Ofreien Base nachwies, welcher P r e y e r und Cl. B e r n a r d den Namen C u r a r i n belassen haben (Comptes rend. LX. 1346. 1865, vgl. auch Berl. klin. Wchschr. 40. 1865). Das Curarin bildet farblose, vierseitige Prismen, schmeckt höchst bitter, zieht Wasser an, ist in Wasser und Alkohol in allen Verhältnissen löslich, wenig in Alkohol und Amylalkohol, gar nicht in Aether, Benzin, Terpenthinöl und Schwefelkohlenstoff. Mit reiner concentrirter Schwefelsäure bildet es eine ziemlich beständige, prächtig blaue Lö-

64

Specielle Toxikologie,

sung; gegen Schwefelsäure und Kalibichromat verhält es sich wie Strychnin. Starke Salpetersäure färbt das Curarin purpurfarben. Es reagirt nur schwach alkalisch und bildet mit Salzsäure, Essigsäure, Salpetersäure und Schwefelsäure krystallinische Salze, deren Lösungen sich sehr leicht beim Verdunsten braun färben. Beim Erhitzen zersetzt sich das Curarin, für welches P r e y e r die wahrscheinliche Formel C'-° H 15 N ermittelte. Der nach Extraction des Curarins bleibende Rückstand ist wirkungslos. Das Curarin wirkt 2 0 mal stärker als Curare und theilt mit diesem die Qualität der toxischen Wirkung und die schwierigere Resorption vom Magen aus. Mgui. salzsaures Curarin subcutan injicirt tödten grosse Kaninchen, 1 Mgm. und weniger Meerschweinchen, Mgm. Frösche. Von der Vena portarum und von den Muskeln aus wirkt noch weniger lethal. F ü r die A b s t a m m u n g des Americanischen Pfeilgiftes ist der Umstand von Interesse, dass P r e y e r in einer Calabasse eine Frucht fand, welche T u l a s n e als diejenige von P a u l l i n i a C u r u r u bezeichnete. Dies gab Anlass zur Darstellung eines Extractes, der den eigenthümlichen Geruch einer sehr wirksamen Curare-Art von Para hatte und auf Frösche genau wie Pfeilgift wirkte. Es ist damit indessen keineswegs erwiesen, dass nicht auch Strychneen (Str. cogens u. s. w.) Curarin produeiren können oder doch einen lähmenden Stoff, der das Herz nicht afficirt, wie das j a ausser dem Curarin noch andere Gifte (Coniin, Wrightia u. s. w.) thun. Uebrigens wird auch die gemischte vegetabilische und animalische Natur neuerdings wieder hervorgehoben, und zwar von M o r o n i und d e l l * A c q u a , auf die Mittheilung eines Botokuden an einen der Verfasser, wonach bei diesen Völkerstämmen das Hauptingrediens der in Masse secernirte Saft von Kröten sei, welche nach vorgängiger Abwaschung und Kitzeln der Unterfiäche mit Blättern von Datura arborea in Thongefässen dem Feuer exponirt weiden; der Saft werde mit grossen Quantitäten der Wurzelrinde von Paullinia pinnala (Timbo geuannt, dem Hauptbestandtheile des Giftes der Neger, Fetisch genannt, zu dem aber auch Schlangenköpfe, Leuchtkäfer, Tabaksschmirgel und bisweilen auch Strammonium gesetzt werden) zur Extractconsistenz eingekocht. Es ist die Frage über die vegetabilische oder gemischte Natur der Pfeilgifte wohl dahin zu entscheiden, dass einzelne, namentlich das eigentliche Curare, das Pfeilgift der Otomaken, nur vegetabilischer, andere, zumal das Urari iiva, gemischter Natur sind. In dem in Deutschland meistverbreiteten Pfeilgifte von Appuhn in Bunzlau habe ich selbst Schlangenzähne gesehen. V e r g i f t u n g s e r s c h e i n u n g e n am M e n s c h e n hat P r e y e r zweimal beobachtet; einmal an sich selbst beim Pulvern einer besonders harzreichen CurareArt aus Venezuela, deren Einathmen starken Blutandrang nach dem Kopfe, ausserordentlich heftige, aber nicht lange vorhaltende Kopfschmerzen, mehrstündige eigenthümliche Mattigkeit und Unlust zur Bewegung, ungewöhnliche Speichel- und Nasenschleimabsonderung hervorrief. Im zweiten Falle zeigten sich nach dem Hineingerathen einiger Tropfen Curarinlösung in eine Schnittwunde die Erscheinungen erst in 5 Stunden, zunächst in einer auffallenden Secretionsvermehrung der Schweissdriisen, Thränen, Nasenschleimhaut, Speicheldrüsen und Nieren, welchen ein ungekanntes Gefühl von Erleichterung und Frische nachfolgte. A . V o i s i n und H. L i o u v i l l e (Gaz. des hop. 109. 111. 114. 1866) fanden bei ihren Versuchen an Kranken, bei denen sie Curare in Dosen bis zu 0,15 Gmm. anwendeten, das zu 25 Mgm. Kaninchen tödtete, stets Vermehrung der Urinsecretion, dann einen Zustand von Frost bei erhöheter Temperatur und mit nachfolgender febriler Excitation, stark beschleunigtem, doppelschlägigem Pulse, Steigen der Kespirationsfrequenz, übermässigen Schweissen, neben Verlust der willktthrlichen Bewegung und geringer Beeinträchtigung der Hirnfunctionen,

65

Vergiftung mit Stoffen ans dem Pflanzenreiche.

welche Erscheinungen 20 Min. bis Stunden nach der subcutanen Injeetion begannen und zum Theil, wie Mattigkeit, Pulibeschleunigang, 3 — 1 0 Tage anhielten. Diiac Vri&':ftuiigä>-r»elieir'aiigeii deuten auf die von B c r c a r d behauptete Affection des Öympathicus durch Urari, welche von andern Forschern auf dem Wege des Experiments nicht bestätigt wurde und welche auch ich bei Thieren nicht ausgeprägt gesehen habe. So namentlich auch nicht von B i d d e r (Reichert's Arch. 3 3 7 . 1S64J, der mit einem Tun P e l i k a n erhaltenen Pfeilgifte experimentirte, das schon in Gaben von Mgm. Frösche in 20 Minuten regungslos machte und zn 3 Mgm. von einer Hautwunde aus in 3 — 5 Minuten Kaninchen vergiftete, somit die höchste Grenze der Wirksamkeit dieses Giftes annähernd erreichte. Hiernach sah er niemals vermehrte Thränen- und Speichelsecretion, keine gesteigerte Diurese; das Aus&iessen des Urins ist nur Folge der verminderten Thtttigkeit des Sphincter vesicae, welcher vom Rückenmark innervirt wird und über welchen der vom Sympathien abhängige Detrusor urinae die Oberhand gewinnt. Auch als vasomotorischer Nerv wird der Sympathicus nicht gelähmt; e* zeigt sich die Einwirkung des Halsstammes auf Gefässe und Temperaturverhältnisse der betreffenden Seite in deutlichster Weise, und auch in andern Körpertheilen konnte B i d d e r Gefässdilatation und davon abhängige locale Hyperämien nicht constatiren, ehe der Herzschlag schwächer und die Blutbewegung langsamer wird. Herz und Darmbewegung sind selbst nach den höchsten Dosen nach 24 Stunden wie bei unvergifteten Thieren. Die Mydriasis, das nächst der Lähmung der Lymphheraen sich 24 Stunden und mehr anhaltend zeigende, mit Prominenz der Bulbi verbundene Symptom, das erst bei erlöschendem Leben schwindet, ist auf Lähmung des Oculomotorius zu beziehen, während der Sympathicus intact bleibt. — In Bezug auf den V a g u s widerspricht B i d d e r nach seinen Versuchen der Angabe B e r n a r d ' s u. A. und schliesst sich B e z o l d , V u l p i a n und M e i s s n e r an, dass der Einfluss des Vagus auf das Herz durch Urari nicht aufgehoben wird, nnr 6"ihr grosse Dosen, z. B . 1 5 — 2 0 Mgm. beim Frosch, lähmen den Vagus wie alle andern Nerven. Eine Alteration der vom Rückenmark ausgehenden Hemmung der Darmperistaltik bewirkt Curare nach B i d d e r nicht (entgegen K ö l l i k e r und P f l ü g e r ) . M o r o n i und d e l l ' A c q u a experimentirten mit verschiedenen Pfeilgiften, welche von dem Lombardischen Ethnographen Osculati stammten und als Pfeilgifte der Ticunas, Yaguas und Oreckones bezeichnet werden, sämmtlich in Thongefässen. Das der Ticunas hatte Wasser angezogen und verwandelte sich, 24 Stunden der Sonne exponirt, in eine feste, glänzend schwarsc Masse, die abgekratzt durchscheinend violettrothe Plättchen, ähnlich dem Eisencitrat, darstellte; auch übertraf es die anderen an Bitterkeit (I'ikrotoxin ?). Ihre auf die Wirkungsweise bezüglichen Schlussfolgcrungen sind: Auf Pflanzen üben die Pfeilgifte keinen delctären Einfluss aus. Es gibt schwäcbcre und stärkere Sorten. 1 6 0 Centigr. der stärker wirkenden tödton Pferde, 4 0 — 1 5 0 Cgm. bedingen Intoxication, wenn sie subcutan injicirt werden; in das Blut direct gebracht todten 3 Dcgm. Vom Magen aus ist die lethale Dosis für Säugethiere weit grösser, für Vögel und Amphibien glcicli. Die Ursache für die relative Unwirksamkeit des Giftes im Magen der Säuger ist weder der Magensaft noch das Pepsin, Speichel oder Galle, noch der Succus pancreaticus oder entericus, auch nicht Lähmung der Magennerven, wie der Eintritt sauren Erbrechens beweist. Die Wirkung des Giftes tritt sowol bei leerem als bei gefülltem Zustande des Magens ein; 2 0 0 Cgm. genügen bei leerem, 2 5 0 bei gefülltem Magen zur Tödtung eines Hundes. Das Gift wird schnell und leicht von der Schleimhaut des ßectums und der Vagina, weniger schnell von Tuiikulogiü (Supplement.)

5

66

Specielle

Toxikologie.

der Blase and Conjanctiva aus resorbirt Dose

tödtlich

yon

der Mncosa

die unverletzte H a u t

and

w i r k t äusserst rasch and in kleiner

der L u f t w e g e

der S ä u g e r

nnd

dem Peritoneum ans.

haut in feuchtem oder trocknem Zustande, mehr j e d o c h i n ersterem. nistration

sehr

dreifach

kleiner

Gaben, allmählig

übertreffenden Gesammtgabe

raschen Elimination zuzuschreiben Dieses F e h l e n stätigt, leitet

es

D i e Admi-

die

Dosis

letalis

ohne W i r k u n g , w a s der hat auch R. R i c h t e r

bevon

dass

beim U r a r i

M i t Recht bestreitet R i c h t e r die A n g a b e

durch das G i f t

zuerst die

Wenn R i c h t e r

Herzcontractionen das von V u l p i a n

nach vollständiger L ä h m u n g

zuerst bemerkte P h ä n o m e n der W i e d e r e r h o l u n g nicht

einer

im allgemeinen T h e i l e angegeben w u r d e ,

vermehrt und die R e f l e x a c t i o n gesteigert sei. Fröschen

zu

Frosch-

ist.

schon

und S c h e l s k e ,

bis

gesteigert, bleibt

einer Destrnction im OrganismHS ab. von W a n d t

selbst

cumulatiTer W i r k u n g

aber, w i e

Auch

ist für dasselbe permeabel, eben so die

auch bei Warmblütern sah, so rührt

bei

dies davon her, dass seine

Versuche sich nicht auf V ö g e l erstreckten; bei Säugethieren führen Dosen, welche überhaupt

Wirkung

bedingen,

in

Folge

der

Lähmung

der

Respirationsmuskeln

fast stets zum T o d e . Lussana Pfeilgift

( v g l . Schmidt'« Jahrb. C X X X I .

v o m Mastdarm

aus

viel

8. 1 6 1 ) fand, dass Americanischea

kräftiger w i r k e als

vom Magen

aus

(lethale

Dosis nach subcutaner Injection bei Katzen und Hunden 0,01 Gmm., bei Kaninchen 0,006, bei kleinen in

den

Vögeln

Vögeln

Mastdarm 15

bei

Mgm.,

Mgm., bei K r ö t e n

Katzen

bei Kröten

Katzen 0,3 G m m . , Hunden

über

15

5 Mgm.,

Mgm., bei

M g m . ; nach Einverleibung bei

Tauben

Hunden 80

\

Mgm.;

Gmm.,

bei

per

bei

os

1,5 Gmm., Kaninchen 0,4 Gmm., kleinen V ö g e l n 0,05,

T a u b e n 0,3 nnd Kröten 0,5 G m m . ) .

Er glaubt, dass die geringere W i r k u n g

vom

M a g e n aus sich dadurch erkläre, dass das Gift allmählig durch die L e b e r mit der Galle

ausgeschieden

w i r d , ohne in den Kreislauf zu gelangen.

in der G a l l e nach nnd fand Einspritzung

von 3 — 5 M g m .

L . wies Curare

in

eine Mesenterial-

vene wirkungslos, während 0,177 Gmm. tödtete. In B e z u g auf die Therapie der Urari-Vergiftung Acqua

nach

ihren Versuchen

salz, Z u c k e r ) 2—3 der

lang

fortgesetzte

dagegen

des A l k o h o l

etwas

Versuche

Waterton

mit E r f o l g

vou

letzteres

indessen

Respiration

durch von 4

R. R i c h t e r

dieselben

befinden, und

so

sich

schon

in

anzusehen

ersteres von 7 mit lethaler einer gerettet wurde. dargethan,

dass

um-

zueret

von

die

man nicht müde

mit Urari vergiftete T h i e r e

einem dem w i r k l i c h e n T o d e ähnlichen

die Pupille

in

Ganz neuerdings haben A . V o i s i n gerichtlich-medicinische

dienten sich eines von E. C n r r e y

zeigen.

und H . L i o u v i l 1 e ( A n n a l . d'hyg.

Studien

über Urari veröffentlicht.

Geruch hatte und zu 3 M g m . ein Kaninchen tödtete. wurden 95

die

Grad

subcutane Injection Eingeweide ausgewaschen

and

das

mit

destillirtem

Product

dieser

erinnernden

V o n 2 Kaninchen,

von 10 resp. 13 Centigr. Urari

wiederholt

155.

Sie be-

von den Ticunas mitgebrachten P f e i l g i f t e s in

Thongefässen, das beim Zerreiben einen starken, an g i f t i g e Solaneen durch

rette,

Zustande

mittlerer W e i t e starr und unbeweglich ist und die

W a n d e n einen ausgesprochenen Fäulnissgeruch

sie

Dosis

Durch

dass sie absolut gegen Reize unempfindlich sind, die Cornea trübe

glanzlos,

Juill. 1 8 6 6 )

als A n t i d o t

künstliche Respiration, wenn

benutzte

wird, dieselbe g e h ö r i g lange fortzusetzen, stets wenn

(Koch-

der A n w e n d u n g des Ammoniaks und von

sei, indem

2 , durch hat

künstliche

mehr

zu hoffen

vergifteten Hunden fassende

und d e 11

der W i l d e n

noch das Strychnin, noch Kaffee, noch Venäsection, noch auch die

Stunden

seien, dass

geben M o r o n i

an, dass weder die A n t i d o t e

Wasser

getödtet

welche hatten,

und A l k o h o l

Behandlung

zu

von

physiolo-

67

Vergiftung mit Stoffen aus dem Pflanzenreiche. gischen Versuchen benutzt. Diese gaben Erscheinungen der Urari-Vergiftung, welche gifteten Thiere hervorbrachte. Im Urin der und L i o u v i l l e , ebenso wie CI. B e r n a r d ,

an Fröschen die charakteristischen auch der eingedickte Urin der ververgifteten Thiere wiesen V o i s i n Zucker nach.

11. F a m i l i e : E r i c a c e a e E i c h . , H e i d e n (S. 530). [Zusatz zu §. 3 0 6 b . S. 5 3 0 . ] Zu den giftigen Pflanzen dieser Familie gehört auch nach F a l k e ' s Bericht über die Thierarzneikunde (Schmidt's Jahrb. CXXVII. 109. 1865, Wchschr. f. Thierhld. 21. 1865) das W i n t e r g r ü n , P y r o l a , indem es bei ausschliesslicher Fütterung Nierenreizung und H ä m a t u r i e veranlasst. P. u m b e l l a t a gilt bekanntlich lange schon als d i u r e t i s c h . Hinsichtlich der Giftigkeit von R h o d o d e n d r o n und L ed um dürfte eine toxische Prüfung des E r i c o l i n s und E r i c i n o l s ( R o c h l e d e r und S c h w a r z , Ann. d. Chemie, CXXXIV. 366) nicht ohne Interesse sein. Das Ericinol wird als blassgelbes Oel von starkem, nicht unangenehmem Gerüche durch Destillation der Blätter von L e d u m p a l u s t r e , R h o d o d e n d r o n f e r r u g i n e e u m , E r i c a h e r b a c e a , Calluna vulgaris und Arctostaphylos uva ursi erhalten, bildet sich ausserdem aber auch bei Behandlung des aus Ledum palustre dargestellten Ericolins und des von K a w a l l i e r in den Nadeln und der Rinde von Pinus sylvestris erhaltenen P i n i p i k r i n s mit verdünnten Säuren in der Wärme neben Zucker. Dem Ei-icolin wird die Formel C 1 0 H , 6 O beigelegt. Nach F r ö h d e (Journ. f. prakt. Chemie, 82. 181. 1861) enthält das ätherische Oel von Ledum palustre eine Säure, L e d u m s ä u r e , einen dem Terpenthinöl isomeren Kohlenwasserstoff und ein wasserstoffhaltiges Oel von der Zusammensetzung des Ericinols. 12. F a m i l i e : C a m p a n u l a c e a e J u s s . , C a m p a n u l a c e e n (S. 530.) [Zusatz zu §. 3 0 7 . S. 5 3 0 . ] Die von B a r r a l l i e r (Bull, de Thér. Janv. 30, Févr. 15. 1864) an sich selbst und verschiedenen Zöglingen der Bildungsanstalt für Marineärzte in Toulon angestellten Versuche mit Gaben von 10—40 Tropfen T i n c t u r a L o b e l i a e i n f l a t a e ergaben Brennen im Schlünde, Aufstossen und Brechreiz gleich nach dem Einnehmen, Mydriasis, Somnolenz, Athembeschwerden, Compression der Brust, bei grösseren Dosen tumultuarischen Herzschlag und später Sinken des Pulses, Colikschmerzen und flüssige Stühle nach einigen Stunden. Alle diese Erscheinungen führt B a r a l l i e r auf das Ergriffensein des Nervus vagus zurück. 13. F a m i l i e :

Synanthereae Rieh., Compositae Juss., Korbblüthler (S. 531). [Zusatz zu §. 308. S. 5 3 1 . ] Cab a s s e (Gaz. des höp. Juillet. 14. 1864) beschreibt die lethale Vergiftung von vier Kabylenkindern durch eine Wurzel, welche als die von C a r l i n a a c a n t h i f o l i a All. angesehen wurde, unter Erscheinungen der Gastroenteritis und Mydriasis. Vielleicht handelt es sich um A t r a c t y l i s g u m m i f e r a Less, deren Giftigkeit C o m a i l l e feststellte. Uebrigens soll auch C a r l i n a a c a u l i s L. für Schweine giftig sein, daher der Name Eberwurz, C a r d u u s s u a r i u s . Aehnlich verhält es sich mit der Bezeichnung S a u d i s t e l , S o n c h u s a r v e n s i s L., welche in Wurzel und Stengel einen sehr bitteren Milchsatz besitzt, übrigens ausser den Schweinen auch Schafen gefährlich ist, wie die von F a b e r (Ztschr. f. Staatsarzneik. N. F. XX. 329. 1862) erwähnte Intoxication von 70 Schafen, wovon 6 starben, erweist. 5*

68

Specielle Toxikologie.

W i l l . S m i t h (Lancet. Dec. 6. 1862) berichtet einen Fall r o n Vergiftung, durch ä t h e r i s c h e s Oel von A r t e m i s i a A b s y n t h i u m L., wo bei eiDem Erwachsenen % Unze in wenigen Minuten die Erecheinangen scharf narkotischer Vergiftung (Anaesthesie, Conrulsionen, Trismos, Schaum ror dem Munde, Brechneigung) hervorbrachte, und der Patient nach der Genesung in 48 Stunden Nichts von dem Vorgefallenen wusste. — Eine Vergiftung durch A r n i k a t i n c t u r berichtet H. B e r t i n (Lancet. II. 21. Nor. 1864), dadurch ausgezeichnet, dass sie nach 1 Unze dersolben erst 8 Stunden nach dem Genüsse nach vorgängigem ruhigem Schlafe eintrat, und zwar als Gaatralgie mit Uebelkeit und Schwäche, Mydriasis, unregelmässigem, schwachem Pulse von 100 Schlägen, kalter und trockener Haut, welche Erscheinungen durch Opiumtinctur in 24 Stunden beseitigt wurden. Die Angabe v o n P e r r e t t i , dass die Arnica ein flüchtiges Alcaloid enthalte, fand O. H e s s e (Ann. des Cbem. und Pharm. C X X I X . 254. 1365) nicht bestätigt; das Deatillat mit Kalihydrat enthielt Trimethylamin.

1. Artemisia Vabliana Hostel. [Zusatz zu §. 308. S. 532.] Dass nicht Artemisia Vahliana, sondern eine bis jetzt noch unbekannte Artemisiaart den Levantiscben Wurmsamen liefert, hat B e r g aus der Gestalt der die Wurmknospen bildenden Schuppen richtig gefolgert; er nennt diese Art Artemisia Cina. K o s e hat über die Wirkung des S a n t o n i n s (Virch. Arch. XXVIII. 1. 2. 1363) weitere Versuche an Menschen gemacht und nach grösseren Gaben in 30 Versucbsfällen stets Gelbsehen, 19mal Violettsehen, 8mal Visionen bei geschlossenen Lidern, niemals Amblyopie, 6mal Geruchs- und 5mal Geschmackshallucinationen, 8mal Cephalalgie, 9 mal Abgeschlagenheit, Blässe und Duseln, nie Geistesstörung oder Gedankenincohärenz, 14 mal Erbrechen beobachtet. H a r d y (Gaz. de Paris, 28. 1863) beobachtete schon nach 15 Minuten den Uebergang des Santonins in den Urin.

2. Lactuca. [Zusatz zu §. 309. S. 5 3 5 . ] Ueber die hypnotische Wirkung der Lactuca hat F r o n m ü l l er sen. (D. Klin. 42—44. 1862) reichhaltige Versuche an Kranken angestellt und ist dabei zu dem Resultate gelangt, dass da« Englische und Deutsche Laetucarium in ihrer Wirkung ziemlich gleichstehen, während das Französische weit zurücksteht. Als Nebensymptome wurden bei der Darreichung grösserer Dosen (bis zu 62 Gran des Englischen und 32 des Deutschen Lactucariums) mehrmals schwere Träume, Ohrensausen, Schwindel, Kopfschmerz während der Nacht und am folgenden Morgen beobachtet; häufig (bei 59%) zeigten sich Pupillenerweiterung und verminderte Diurese, fast immer Scliweiss. Der A u b e r g i e r ' s c h e S y r u p u s L a t t u c a r i i , welcher übrigens nach späterem Zugeständniss des Verfertigers auch Morphium enthält, wirkte zu \ — 1 Unze schwächer als das Laetucarium selbst. L a c t u c i n von Merck, vom Gerüche des Deutschen Lactucariums, bitter, unter dem Mikroskop einzelne hexaedrische Krystalle zeigend, meist amorph, und k r y s t a l l i n i s c h e s L a c t u c i n von K r o m a y e r und L u d w i g , in perlmutterartigen Schuppen, völlig neutral, gleichfalls sehr bitter, repräsentiren nach F r o n m ü l l e r beide nicht die volle hypnotische Kraft der Lactuca; die narkotischen Symptome waren bei Darreichung des ersteren zu \ bis 10, des letzteren vou 1—5 Gr. nicht sehr entwickelt.

Vergiftung mit Stoffen aus dem Pflanzenreiche.

69

14. F a m i l i e : E u b i a c e a e J u s s . , R u b i a c e e n (S. 535).

1. Cinchona L . [Zusatz zu §§. 3 1 0 — 3 3 6 . S. 5 3 6 — 5 4 2 . ] Zu gerichtlicher Untersuchung gab ein F a l l , in welchem 20 Gran Chinin und 6 Gr. Cinchoriin innerhalb ^ Stunde genommen wurde, Veranlassung, da der Tod 3—4 Stunden später nach vorhergehenden Magenschmerzen, Küthe des Gesichts, Ohnmächten und Convulsionen eintrat. F r e r i c h s (Vljhrschr. f. ger. Med. X X X . 1. J a n . 1862) nimmt mit Recht wegen der geringen Dosis, des kurzen Intervalls und der bei der Section vorgefundenen Hirnanämie an, dass keine Chininvergiftung vorlag. S c h l o c k o w (De Chinini vi physiologica. Vratisl. 1860) fand das in angesäuertem Wasser gelöste Chinin für Frösche tödtlich zu 1—15£ Gr. per os, %—% Gr. per anum und \ Gr. subcutan, für Kaninchen zu 4—15 Gran hypodermatiseh. Bei intensiver Einwirkung wird der Puls verlangsamt, das Herz steht bald ganz still und verliert rasch seine Reizbarkeit; die Respiration wird bei Fröschen sehr bald unregelmässig, intermittirend, dann schwach und cessirt bald, bei Kaninchen anfangs wenig beeinflnsst, erst gegen das Ende schwer und keuchend. Die spontanen Bewegungen hören auf, bei Insulten bewegen sie sich unsicher und schwankend, bei Kaninchen werden die Bewegungen unsicher, die hinteren Extremitäten gelähmt, die Empfindlichkeit nimmt ab. Vagusdurchschneidung bedingt nach vorausgehender Verlangsamung des Pulses durch Chinin keine Beschleunigung, grosse Chiningaben führen auch nach Vagusdurchschneidung Pulsverlangsamung herbei. Anaesthesie der Cornea, welches nach S c h l o c k o w eines der ersten Vergiftungssymptome sein soll, ist dies nach neueren Versuchen von A. E u l e n b u r g und T h . S i m o n (Reichert's Arch. f. Anat. H. 4. p. 423. 1864) nicht, nach welchen die Respiration bei grösseren Gaben stetig abnimmt, und bei Fröschen viel eher cessirtals die Herzbewegung. Nach E u l e n b u r g und S i m o n lähmt das Chinin zuerst die Centraiheerde der Reflexaction im Rückenmark und später erst die Centraiorgane der Empfindung und willkürlichen Bewegung im Gehirn; diese Aufhebung der Reflexaction tritt immer ein, mag derselbe vorher normal oder durch Strychnin vorher pathologisch erhöht sein. Auf die Muskelreizbarkeit, die Erregbarkeit der Nervenstämme und die Ursprünge der motorischen Nervenfasern im Rückenmark wirkt es nicht; doch tödtet es bei localer Application den eingetauchten Muskel rascher als das Herz.

2. Cephaëlis. [Zusatz zu §§. 337 u. 3 3 8 . S. 5 4 2 — 5 4 4 . ] H. P é c h o l i e r (Recherches expérimentales sur l'action physiologique de l'Ipécacuanha, Paris und Montpellier, 1862) hat eine Reihe von Versuchen an Kaninchen und Fröschen mit R a d i x I p e c a c u a n h a e und E m e t i n angestellt und gefunden, dass beide nur quantitativ différent wirken. Ein ätherisches E x tract der Brechwurzel, welches die riechende Materie derselben, aber kein Emetin enthält, blieb wirkungslos. Die Action der Ipecacuanha zeigte sich auch, obschon langsamer, vom Rectum aus; eben so wenig fehlte die Wirkung eines Emetinsalzes bei Application auf die Haut. In Bezug auf die Circulation nahm P é c h o l i e r bei Kaninchen nach sehr kurzer Zeit (1 — 3 Minuten) anhaltender Aufregung eine rasche und energische Abnahme der Herzschläge wahr, die sich im Allgemeinen proportional der Gabe verhält und bei Dosen von 5 Mgm. bis 5 Cgm. Emetin und von 20 bis 80 Cgm. Ipecacuanha Schwankungen von minus 40 bis minus 104 zeigte; bei nicht lethalen Gaben kehrte der normale Zustand

70

8peoielle Toxikologie.

in %—1 Stnnde lurück. Mit der FreqaeDZ nahm auch Kraft und Energie des Herzschlages ab, auch trat Unregelmässigkeit und Ungleichmässigkeit desselben ein. Dass die Wirkung des Emetins auf das Herz eine directe sei, erschliesst P é c h o l i e r aus Versuchen an Froschherzen, deren Contraction durch 12 Tropfen einer Lösung salzsauren Emetins in 10 Minuten um 30 Schläge verringert und in 33 Minuten ganz gehemmt wurde. DieZahl der Respirationen fand P é c h o l i e r stets vermindert und zwar proportional der Dose nm 90—140. Die Lungen waren bei der Section stets in anämischem Zustande, welchen er auf Rechnung des trägen Atbems und der Entzündung im Tractus stellt. Hinsichtlich der Körperwärme will P é c h o l i e r eine Abnahme von meistens 1 ° (im Maximum 2°,7) in Mnnd, Achselhöhe und Ohren," dagegen ein Constantbleiben oder Bogar eine Vermehrung (um 0°,4) im Rectum constatirt haben. Was die Wirkung auf die Digestion und den Tractus betrifft, so bemerkte er 1—3 Minuten nach der Application energische Brechanstrengungen, die bei Anwendung weiterer Dosen weniger prononcirt auftraten; mit dieser verband sich Blässe der Mundschleimhaut, die allmählig wieder verschwand. Die Mucosa intestini et ventriculi war stets stark hyperämisch, namentlich an der Curvatura major ventriculi und in der Nähe des Pylorus. In der Leber konnte niemals eine Spur von Zucker nachgewiesen werden. Die Urinsecretion war niemals beeinträchtigt. In allen Fällen folgte bei den Kaninchen auf die oben erwähnte kurze Excitation ein starker Collapsus, von welchem sie sich aber in \ — ^ Stunde vollständig wieder erholten; hei weiteren Gaben verringerte sich die Periode der Excitation, während der Collapsus zunahm. Dem Tode, der bei starken Dosen in 8 —25 Minuten erfolgte, gingen meist Convulsionen voraus, sie fehlten bei Anwendung der höchsten Dosen. Die Nervencentra zeigten bei der Section keine Alterationen. Aus Versuchen an Fröschen schliesst P é c h o l i e r , dass Emetin die sensitiven Nerven lähmt, während es die motorischen Nerven und die Muskelcontractilitit zwar ebenfalls afficirt, aber in einem geringeren Grade. Das Blut fand P é c h o l i e r stets von normaler Beschaffenheit. 15. F a m i l i e : U m b e l l i f e r a e , D o l d e n g e w ä c h s e (S. 547).

[Zusatz zu §. 342. S. 5 4 7 — 5 5 0 . ] Dass H e r a c l e u m S p h o n d y l i u m L. bei Personen, welche die Pflanze ausreissen, Furunkeleruption an den Händen verursache, wird nach Beobachtungen in der Gegend von Namur (Gaz. hebd. 1. Nov. 1861, Ann. d'hyg. 2. sér. XVII. 229. 1862) bestätigt. Ob die ebendaselbst sich findende Angabe, dass P a s t i n a c a s a t i c a L. häufig in Belgien und besonders in I.iittich dieselben Erscheinungen bedinge, welche man dort als m a l du p a n a i s bezeichne, auf Verwechslung mit dem Bärenklau beruhe, bedarf der Aufklärung. A n t h r i s c u s s y l v e s t r i s Hofm. soll nach K o h l i (vgl. F a l k c ' s Bericht über Thkd. Schmidt's Jahrb. CXXIII. 126. 1864) bei Schweinen als Wurzel und Kraut allein verfüttert Lähmung, von den hinteren Extremitäten ausgehend, Unempfindlichkeit der Pupille und bei der Section constatirte starke Entzündung der Schleimhaut des Magens und der Gedärme erzeugt haben (Conium?).

1. Conium maculatum L. [Zusatz zu §§. 3 4 3 — 351. S.

550—560.]

Ueber das C o n i i n hat neuerdings I'. G u t t m a n n (Berl. klin. Wchschr. 5. 6. 1866) eine toxikologische Studie publicirt, welche im Wesentlichen die früheren Angaben von K ö l l i k e r und I h m s e n bestätigt und deren wir hier gedenken, weil anch unsere eigenen Versuche mit den erhaltenen Resultaten am

Vergiftung mit Stoffen aas dem Pflanzenreiche.

71

besten übereinstimmen, G u t t m a n n fand, dass auch von der unverletzten Haut aus das Coniin bei Fröschen (Eintauchen in eine %procentige Lösung) toxisch wirkt und dass Erholung stattfindet, wenn die Frösche nicht über % Tropfen erhalten haben, was übrigens nach meinen Erfahrungen keineswegs constant ist; Rhythmus und Frequenz des Herzschlages werden nicht beeinträchtigt und der Kreislauf dauert wie bei Urari und Wrightia noch lange nach dem Tode fort. Die Lähmung, welche zuerst die Extremitäten und zuletzt die Respirationsmuskeln betrifft, ist nicht directe Mnskellähmung, noch vom Kückenmarke abhängig, es werden vielmehr wie bei Urari zuerst die peripherischen Nerven der Muskeln, später, aber nur bei grösseren Dosen, die Stämme gelähmt. Die sensiblen Nerven werden viel weniger oder gar nicht afficirt; doch wirkt directe Application auf die Hautnerven local anüsthesirend. Sopor und Einwirkung auf das Gehirn will G u t t m a n n nie beobachtet haben und glaubt solche, wo sie vorkommen, vom Präparate abhängig. Die bei Säugethieren eintretenden Convulsionen sind, da sie auch bei unterhaltener künstlicher Respiration auftreten, nicht als Folge gestörter Respiration anzusehen.

2. Oenanthe crocata L. [Znsatz zu §. 353. S. 562—565.] Die Vergiftung von 6 Knaben durch die Wurzel dieser Umbell ifere, von denen einer gleich unter Convulsionen starb, und ein zweiter angeblich durch ein die Grösse des obersten Gliedes des kleinen Fingers nicht übersteigendes Stück mehrere Tage an tetaniseben Convulsionen und Anästhesie abwechselnd, Sprachlosigkeit, Mydriasis u. s. w. litt, beschreibt P o p h a m (Dubl. quart. journ. Nov. 1865) und fügt daran einige Bemerkungen über die Giftpflanze, welche örtlich reizend und daneben auf Hirn und Med. spin. wirkt, die Gerinnungsfähigkeit des Blutes zerstört und entweder asphyktisch durch Tetanus der Brustmuskeln oder comatös wie beim Opium tödtet, von der Wirkung des letztern sich durch die Mydriasis unterscheidend. Die Sprachlosigkeit bezieht P o p h a m auf Lähmung der Zungenmuskeln. Neben Glossoplegia articulata bestand im vorliegenden Falle auch, jedoch kürzere Zeit, Glossoplegia masticatoria, indem Patient zwar zu schlucken vermochte, aber nicht continuirlich, sondern nur stossweise und in Portionen.

3. Cicuta virusa L. [Zusatz zu §. 354. S. 565—567.] Zur Casuistik der Vergiftung durch Wurzeln von Wasserschierling sind zu nennen: L e n d e r in Soldin (Vjhrschr. f. ger. M«d. 129. 1865) und Mittheilungen im Bayr. Intell.-Bl. (24. 27. 1865), letztere deshalb von Interesse, weil man die Intoxication anfangs durch Wurzeln von N y m p h a e a l u t e a bedingt hielt, erstere, weil sie in den drei beobachteten Fällen auch die verschiedenen Grade der Vergiftung darbietet: I. sofortiges Erbrechen, II. Erbrechen nach längerer Zeit, Ohnmacht, Bewusstlosigkeit, III. nach 1 Stunde Erbrechen, Bewusstlosigkeit und allgemeine Convulsionen (die auch in 2 der Bayrischen Fälle in heftigster Weise, als Opisthotonos, auftraten) und Tod (in 4 Stunden nach der Vergiftung), und wegen des Sectionsbefundes (Hyperämie der Hirngefisse, serössanguinolenter Erguss in Brusthöhlen und Pericardium, Hyperämie der Lungen, röthlicher Schaum und hellrothe Gefftssinjection in Trachea und Bronchien, schmutzig-dunkelrothe Färbung, stellenweise starke Injection der Mucosa ventriculi und intest, ten., Hyperämien von Leber, Milz, Nieren und Pankreas).

72

Specielle Toxikologie. 16. F a m i l i e : R a n u n c u l a c e a e L., R a n u n c u l a c e e n (S. 567). 1. Aconitum, Slurmhut (S. 568).

[Znsatz zu §§. 3 5 6 — 3 6 3 . S. 5 6 8 — 5 7 5 . ] »ach S c h r o f f (Wochenbl. d. Gesellsch. d. Aerzte z. Wien, 14. 1866) sind nicht alle am Himalaja vorkommenden Species ron Aconitum dem A. f e r o x in der Wirkung ähnlich; die Wurzel yon A. h e t e r o p h y l l u m Wall., welche von den Eingebornen unter dem Namen A t e e s als kräftiges Tonicum benutzt wird hat s. B. einen schleimigen und rein bitteren Geschmack, ohne jede Andeutung Ton Brennen, und steht vielleicht dem A. Anthora in der Wirkung am nächsten. Hinsichtlich der Bestandteile von A c o n i t u m N a p e l l u s L. ist zn erwähnen, dass T. und H. S m i t h (Pharm. Journ. V. 317. 1864) darin eine von A c o nitin verschiedene organische Base entdeckten, welche sie A c o n e l l i n nannten, die aber nach ihren und den Versuchen von J e l l e t e t (Chem. News. Apr. 1864.) N a r k o t i n zu sein scheint. Die Löslicbkeit stimmt zwar nicht ganz, die elementare Znsammensetzung und das Verhalten gegen polarisirtes Licht sind aber gleich. Aus 100 Pfd. frischer Aconitwurzel wurde etwa 1 Unze Aconellin erhalten. W i g g e r s Vermuthung, dass das Deutsche Aconitin ein Gemenge von wenig Aconitin und viel Narkotin sei (Cannstatts Jahresber. V. 62. 1864), scheint durch H f l b s c h m a n n (Schweiz. Wochensch, f. Pharm. 242. 1865) keine Bestätigung gefunden zu haben. Die Angabe des Letztern, dass A c o n i t u m L y c o c t o n n m L. weder Aconitin noch Napellin, sondern zwei neue Basen, welche er A c o l y c t i n und L y c o c t o n i n nennt, enthalte, von denen letztere viel Aehnlichkeit mit dem Aconellin habe, verdient nähere Prüfung. Nach H a g e r (Pharmae. Centraiballe, IV. 1003. 1863) ist der Gehalt der im Handel vorkommenden T u b e r n A c o n i t i , welche die neueste Preussische Pharmacopoe als officinell eingeführt hat, an Aconitin sehr schwankend; in den bestenSorten beträgt er 1,25 %, in den schlechtesten 0,64 selbst weniger als in Knollen des im Garten gewachsenen A. Stoerkeanum. P r o c t e r (Arch. f. Pharm. 174. Oct. Nov. 1866). welcher in Americanischen Sturmhutknollen 0,42 %, in Europäischen nur 0,20% fand, scheint schlechte Waare untersucht zu haben. H o t t o t (Journ. de l'Anal. 113. 1864) will nach einer neuen Methode Aconitin in einer die im Handel vorkommenden Alkaloide weit übertreffenden Stärke, jedoch nicht krystallinisch, erhalten haben. M o r s o n ' s Aconitine pure, welchem der Fabrikant neuerdings den Namen N a p e l l i n beilegen will, tödtete zu 5 Mgm., Hottot's Alkaloid schon zu 2 Mgm. einen Frosch in 20 Minuten. Die gegen S c h r o f f gerichtete Polemik, dass keine zwei giftige Principien im Sturmhut enthalten seien, fällt nach den neuereu Entdeckungen von T. und H. S m i t h völlig dahin. H o t t o t ' s Aconitin, das im Magen rascher als Strychnin resorbirt werden soll, wird eine Wirkung auf die Nervencentra, und zwar zunächst auf das verlängerte Mark, dann auf Rückenmark und schliesslich auf das Gehirn zugeschrieben; zunächst soll es die Respiration herabsetzen, dann die Sensibilität, Reflexerregung und Motilität. Weiter vindicirt ihm H o t t o t eine directe Wirkung auf die Substanz des Herzens. Die Reizbarkeit erlischt in den peripherischen Nerven früher als in den Nervenstämmen. H o t t o t ' s Aconitin mindert auch bei äusserer Application die Sensibilität; innerlich gegeben bedingt es Reizung der Mundschleimhaut, Ptyalismus, Nausea, Muskelschwäche, Myrmecismus, Schweisse, Schwere im Kopfe, Schmerzen in einzelnen Aesten des Trigeminus, Mydriasis, behinderte Respiration, Abnahme der Pulsfrequenz und der Sensibilität. Die von H o t t o t beim inneren Gebrauche noch zulässig erachtete Dosis von 3 Mgm. hält G u b l e r (Bullet, de Therap. 15. Mai 1864), der mit H o t t o t ' s Aconitin Versuche

73

Vergiftung mit Stoffen aas dem Pflanzenreiche. an Kranken anstellte, für zu hoch, indem schon 1 Mgm.,

3 — 4 mal täglich ge-

geben, toxisch wirken kann. Mit D e u t s c h e m A c o n i t i n von Merck, Trommsdort mentirte

Achscharumov

(Reichert's

Arch.

H.

2.

nnd Schering

p.

experi-

2 5 5 . 1 8 6 6 ) nnd stim-

men seine Resultate im Wesentlichen mit den von S c h r o f f erhaltenen und auch von mir

mehrfach

constatirten,

z. B . Unwirksamkeit bei äusserer

Application,

dem Englischen Aconitine pure gegenüber, viel geringere Giftigkeit, überein. subcutane Injection wirkt zehnmal stärker als die Ingestion per os.

Die

Achscbaru-

mov's Präparate waren übrigens stärker als die von S c h r o f f benutzten, so dass schon 0 . 8 Gramm vom Magen aus Kaninchen Wesentlichen auf:

fasst A c h s c h a r u m o v

Tödtung

in einigen Minuten tödteten.

die Wirkung des Aconitins

in Folge von Herzlähmung,

in F o l g e

Theilen stagnirt und Mangel an Sauerstoff bekommt, vulsionen zu betrachten sind.

B e i kleineren Gaben

des Herzschlages

und Verlangsamung

der

Herzlähmung

abhängig

Paralyse der

ist

von

einer

wie

deren das

Blut

Im

Schroff in

allen

als dessen Folge die Contritt neben

der Schwächung

Respiration Muskelparese motorischen

ein.

Die

Ganglien

des

Herzens selbst, indem das ausgeschnittene Froschherz in 2 Minuten zum Stillstand kommt.

Nach Acbschnrumov

erregt das Deutsche Aconitin zuerst Reizung

Medulla oblungata, die den V a g i s mitgetheilt wird; die Reizung der Vagi zur Ermüdung licber wickelt

E s entwickelt aber

sich Lähmung der motorischen Centren

tritt ein. nicht

und Lähmung desselben.

cerebrospinaler motorischer Nerven; Die Nervenstämme werden endlich

afficirt,

sieb L ä h m u n g

indem sie sich des Herzens

gelähmt;

die Reflexfunctionen des Rückenmarks

der führt

sämmt-

ausbildet,

und

ent-

Herzstillstand

die Muskelsubstanz und

wird

die Leitnngsftthigkeit

sensibler Fasern bleiben intact (Hottot's Aconitin vernichtet die Reflexerregbarkeit). Das Gehirn bleibt ungetrübt. rasch

herabgesetzt.

Temperatur und Blutdruck werden durch Aconitin

Der Zustand

der Pupille

ist veränderlich

und diese V e r -

änderlichkeit dauert auch bei Durchschneidung des Sympathicus an.

Auf Schleim-

häuten bedingt Aconitin Rothe und Extravasation. Zu

erwähnende

neuere F ä l l e

von Aconitvergiftung

W a r d ( B r i t med. journ. 1 8 6 0 . Decbr. 1) beobachtete, hörig

und

durch die so häufige Verwechslung

pellus mit Meerrettig bedingt, und von Flemming's Aconittinctur,

sind

vier

von O g i e r

zu den ökonomischen ge-

der Wurzel von Aconitum

eine Medicinalvergiftung

statt Tokaier genommen;

Na-

(durch 1 Theelöffel

Tod

nach 2 Stunden),

von J . S t r e c k e r (Edinb. med. j o u r n . 1861. Sept. p. 2 5 9 ) mitgetheilt.

Für

Symptomatologie der Aconitvergiftung sind besonders erstcre von Interesse, fern sie zeigen, ptome

die inso-

dass die Wurzel selbst häufiger als deren Präparate lócale Sym-

(gastrische Erscheinungen,

jedoch

nicht immer Erbrechen und

Diarrhoe)

bewirkt und dass diese sogar manchmal isolirt dastehen, dass von entfernten E r scheinungen aber ausser den gewöhnlichen und klonischen Krämpfen auch heftige tetanische Anfalle eintreten kOnnen und dass die Respiration manchmal unbeeinträchtigt bleibt; auch fehlte die Harnentleerung In Constantinopel ist nach S c h r o f f

auf der Höhe

der Anfalle ganz.

eine Vergiftung mit der Wurzel von

Aco-

n i t u m f e r o x durch Substitution derselben für Jalappcwnrzel vorgekommen. Von W o a k e s

(Brit. med. journ. Octbr. 2 6 . 1 8 6 1 )

Hunden ein Antagonismus zwischen A c o n i t i n den

und H a n s o n

will in einem F a l l e

ist nach Versuchen

von Vergiftung

mit Tinct. Aconiti

einem 5jährigen Kinde, charakterisirt durch Muskelerschlaffung, unregelmässige

Respiration,

Mydriasis,

durch

an

und Strychnin angenommen wor-

Darreichung

bei

schwachen

Puls,

von Tinctura

nucis

vomicae (zu 3 Tropfen alle 3 S t d n . ) das Leben gerettet haben ( v g l . Hay's Amer. journ. 2 8 5 . J a n . 1 8 6 2 ) .

74

Bpeeielle Toxikologie.

2. Helleborns, Nieswurz. [Zusatz zu §. 364. S. 575.] Ueber die wirksamen Bestandtheile von H e l l e b o m e n i g e r , H . v i r i d i s und H. f o e t i d u s sind wir in chemischer Hinsicht durch W. M a r m £ und A. H u s e m a n n , in toxikologischer dnrch W . M a r m ä rar Klarheit gekommen. Marml entdeckte 1864 in der schwarten Nieswurz vermittelst des Verfahrens von d e V r y nnd S o n n e n s c h e i n ein in Wasser lösliches Glykosid (Nachr. d. königl. Geselisch. d. Wiss. zu Göttingen, Mai 1864), neben welchem dnrch eine weitere, in Gemeinschaft mit A. H n s e m a n n unternommene Arbeit über die Bestandtheile der grünen und schwarzen Nieswnrz (Ann. d. Chem. u. Pharm, p. 55. Juli 1865) ein zweites in Alkohol und Aether lösliches Glykosid zu Tage gefördert wurde. Später wies W . M a n n l auch in Helleborus foetidns die beiden erwähnten Glykoside nach und gewann ausserdem aus dieser Nieswurzart, jedoch in sehr geringer Menge, einen intensiv riechenden, festen Körper von weisser Farbe (Ztschr. f. rat. Med. 3. Reihe Bd. XXVI. H. 1. p. 1 - 9 8 . 1865). Das in Wasser lösliche Glykosid, nach dem S o n n e n s c h e i n ' s c h e n Verfahren mittelst phosphormolybdänsanren Natrons, welchem man auch phospborwolframsaures Natron oder Metawolframslure oder Tannin mutatis mutandis substituiren kann, hat den Namen H e l l e b o r e i n erhalten und seine Formel ist C 5 5 H 4 4 O 80 . Das Helleborein schmeckt süss bitter, nicht scharf, reizt zum Niesen, ist weiss von Farbe, zieht an der Luft begierig Wasser an und färbt sich dabei donkler, löst sich leicht in Wasser und wasserhaltigem Alkohol, schwer in absolutem Alkohol, etwas in fettem Oel und fast gar nicht in Aether und setzt sich aus der concentrirten Lösung in absolutem Alkohol in Warzen von krystallinischem Gefüge ab. Concentrirte Schwefelsaure löst es mit bräunlich gelber Farbe, welche beim Stehen an der Luft in Violett und endlich unter Verkohlung in Braun übergeht. Setzt man der Lösung in concentrirter SO 9 einen Tropfen concentrirte reine Schwefelsäure hinzu, so bleibt die Lösung Tage hindurch unverändert gelb; ist der Körper nicht ganz rein, so scheiden sich nach einiger Zeit bräunliche Flocken aus. Concentrirte Salpetersäure, Salzsäure und Ammoniak lösen das Helleborein farblos auf. Der Spaltungskörper, den mau dnrch Kochen mit verdünnten Säuren nebst Zucker und Hellebore'in erhält, ist im feuchten Zustande schön veilchenblau, bei 100° getrocknet schmutzig graugrün, in Alkohol löslich, in Wasser nnd Aether unlöslich, neutral reagirend, und hat den Namen H e l l e b o r e t i n erhalten. Das zweite Glykosid der Nieswurzarten ist identisch mit dem früher von B a s t i k in einer Helleborusart (wahrscheinlich H. viridis, nicht H. niger, wie im Originale steht) gefundenen Körper, weshalb der diesem beigelegte Name H e l l e b o r i n beibehalten ist. Der nach B a s t i k ' s Methode erhaltene Körper von der Formel C 7 J H 4 1 0 " , welcher weisse glänzende, gern in concentrischen Gruppen sich zusammenlagernde Nadeln bildet, in Substanz anf die Zunge gebracht so gut wie geschmacklos ist, in Oel oder Alkohol gelöst ein lebhaft brennendes, längere Zeit anhaltendes Gefühl von Abstumpfung hinterlttsst, ist nicht, wie B a s t i k angibt, ein Alkaloid, sondern stickstofffrei, und spaltet sich ziemlich schwierig, am besten durch Kochen mit concentrirter Chlorzinklösung, in Zucker und ein braunes Harz, welches H e l l e b o r e s i n genannt ist. Das Helleborin löst sich schwer in Wasser, leichter in einer concentrirten Lösnng von Helleborein, leicht in Alkohol und Chloroform, schwieriger in Aether, etwas in fetten Oelen. Concentrirte Schwefelsäure färbt die Krystalle sofort hochroth und löst sie mit gleicher F a r b e ; beim Stehen an der Luft scheidet sich in Folge angezogenen Wassers das Helle-

75

Vergiftung mit Stoffen aas dem Pflanzenreiche. borin als weisses Pulver ans und dieLösnngr wird farblos. das Helleboresin. löst sich nicht in Wasser,

Der Spaltungskörper,

wenig in Aether, gut in kochendem

Weingeist. Das fette Oel des Helleborus n n d scharf,

reagirt

ist dunkelgrün,

niemals sauer

widrig

(wie F e n s u l l e

riechend,

nnd C a p r o n

sehr

bitter

behaupteten),

und schliesst Quantitäten der beiden Glykoside ein, welche ihm durch g e e i g n e t e B e h a n d l u n g entzogen werden können, wonach das Oel seine S c h ä r f e nnd B i t t e r keit verliert.

Ein dritter Körper ist in demselben nicht

Die Destillate

des

wässrigen

Auszuges

der

vorhanden.

Rndix

Hcllebori

nigri

liefern

keinen wirksamen B e s t a n d t e i l ; von H . foetidus war schon oben die Rede. Helleboreïn kommt in Wurzel und Wurzclblättern der drei untersuchten Nieswurzarten, am reichlichsten in den grlinen vor. und Blattern von H. nigre nur

Helle W i n

findet sich in Wurzeln

spilrlieh (wahrscheinlich auch in H . foetidus n u r in

geringer M e n g e ) , sehr reichlich in H . viridis, nnd zwar besonders in Alteren und kräftigeren Exemplaren.

An Oel sind H. niger und H. viridis ebenmAssig reich ;

dem Helleborin-Gehalte entsprechend ist das Oel der grünen Nieswurz weit scharfer. A u s H. foetidus h a t M a r m c eine nennenswerthe Quanität Oel nicht erhalten.

Die

von M a r m é angestellten physiologischen Versuche lassen das Helleborin und Helleboreïn als die wirksamen B e s t a n d t e i l e der Nieswurz erscheinen.

D a s fette Oel ist,

wie S c h r o f f fand, auch in grossen Dosen ( 3 0 Gramm) unschädlich.

D a s Hellebo-

retin bringt zu 1 — 2 Gramm bei Kaninchen und Hunden nicht die mindeste Störung hervor.

Das negative Resultat, welches M a r m é mit dem Destillat des wässrigen

Auszuges

der R a d i x Hcllebori foetidi

in zwei Experimenten erhielt,

glaubt

er

nicht ausreichend, um diesen für ungiftig zu erklären, sondern vielleicht durch zu kleine Quantitäten bedingt. Das H e l l e b o r e ï n

der drei Nieswurzarten zeigt ein und dasselbe V e r h a l t e n

gegen chemischc Reagentiin, aber j e nach der Pflanzenspecies, aus der es dargestellt

ist,

niger

und wahrscheinlich auch H. foetidus ist bedeutend schwächer als das

quantitativ sehr verschiedene Wirksamkeit.

grünen Nieswurz.

Das Helleboreïn

ans H . der

Es wird als solches resorbirt und zeigt eine örtliche und ent-

fernte W i r k u n g , erstere besonders bei Application in Substanz.

V o n der äusseren

Haut

Irritation

wird

Am

es nicht resorbirt und bringt daselbst auch

raschesten

wirkt es bei Einspritzung

bindegewebe nnd Hautwunden.

in Gcfässe,

keine

seröse Häute,

hervor.

Unterhaut-

Die Dosis lethalis des in Wasser gelösten

Hellc-

borclns stellt sich für Frösche subcutan auf 0 , 0 6 0 Grm., H. der schwarzen Nieswurz (Tod nach Stunden), auf ( f nach Minuten);

0 , 0 0 5 Grm.

für Tauben subcutan

bis 0 , 0 0 1 H .

der grOnen Nieswurz

auf 0 , 1 2 0 Grm. H.

der schwarzen N.

( t in '4 Std.). in den Kropf auf 0 , 0 3 0 - 0 , 0 6 0 Grm. H. der grünen N. ( f wenigen Min. bis 1 S t d . ) ;

für Kaninchen subcutan

der schwarzen II. ( t nach 2 — 5 Std.). N. ( f nach

nach

auf 0 , 4 0 0 — 0 , 6 0 0 Grm. H.

subcutan auf 0 , 0 3 0 G r m . H . der grünen

Std.), in eine Vene auf 0 , 0 1 2 Grm. H. der grünen N. ( f in 5 Min.),

in den Magen auf 0,1 S O - 0 , 3 0 0 Grm. H. der grünen N. ( f in 3 S t d . ) ; für Katzen subcutan

a u f 0 , 2 0 0 — 0 . 4 0 0 Grrn. H. der schwarzen H. ( f n a c h mehreren Std.),

subcutan

a u f 0 , 0 8 0 — 0 . 1 2 0 Grm. H . der grünen N. ( f nach 2 0 Min.),

Vene

auf 0 , 0 1 2 Grm. II. der

grünen

X. ( f nach 5 Min.),

0 , 2 3 0 — 0 , 3 0 0 Grm. H . der grünen N. ( f nach 2 Std. : ; 0 , 4 0 0 Grm. Ii. der schw. N. ( f der

grünen N. (+ nach '4 Std ),

grünen N.

nach 2 - 6

Std.),

eine auf

für Hunde subcutan a u f

subcutan

auf 0 , 1 2 0

in eine Vene auf 0 , 0 1 0 — 0 , 0 0 6

|f nach '4 Std.) und in den Magen

in

in den Magen

Grm. H.

Grm.

H . der

auf 0 , 0 i 3 6 — 0 , 8 8 6 Grm. H .

der

grünen N. ( f v. 3 Std. bis 3 Tagen). Dus Hellcbor. ïn bewirkt auf der Conjuuctiva RöthuBig, S c h w e l l u n g und stark

76

Specielle Toxikologie.

gesteigerte Schleimsecretion, erzengt Thränenfliessen und indircct Myosis. Auf der Nasenschleimhaut bedingt es Reiz zum Kiesen, doch viel schwächer als Veratrin. Im Munde macht es (in Folge des bitteren Geschmackes) bei Säugethieren Lecken und Zähneknirschen und ausserdem bei Carni- und Omnivoren mehr oder minder vermehrte Speichelsecretion. Im Magen wirken sehr kleine Gaben anscheinend nicht nachtheilig, nach wiederholter Darreichung tritt aber bald cumulative Wirkung ein. die sich durch Verlust des Appetits, Uebelkcit und Erbrechen ankündigt und nach Sistirung des Gebrauchs rasch verschwindet, andernfalls ebenso wie grosse Gaben Schmerzen, vermehrte Secretion und selbst Gastroenteritis zur Folge huben können, welche Wirkung das Helleboreln der schwarzen Nieswurz nicht s» intensiv zu besitzen scheint. Auf die Darmschleimhaut wirkt das Helleboreln der grünen Nieswurz gleichfalls reizend ein und kommt es nach kleinen Gaben zu vermehrter Se- und Excretion und nach wiederholten kleinen, sowie nach grossen Dosen zu dysenterischen Darmentleerungen und selbst zu ulcerativer Enteritis, welche letztere besonders stark ausgeprägt bei Hunden und zwar im Dünn- und Dickdarm, selten im Mastdarm sich findet Die Peristaltik der Darmschlingen und des Magens besteht längere Zeit .nach dem Tode fort und erhalt sich meist 1 5 — 3 0 Min. länger als die Reizbarkeit des Herzmuskels, nnr nach sehr grossen Dosen erlischt sie meist gleich oder sehr rasch post mortem. — Leber und Milz sind nach Hclleborein bald normal, bald von reichlicherem Blutgehalte. Vermehrte Speichelsecretion zeigt sich auch bei nicht localer Application des Giftes. Nicht zu rasch tödtlich wirkende Dosen verursachen meist reichliche Diurese (Helleboreln konnte im Harn nicht nachgewiesen werden), und bisweilen zeigte sich post mortem Hyperämie der Nieren, insbesondere der Corticalsubstanz; Harnleiter und Nicrenbeeken sind unverändert, die Harnblase nach rasch tödtlichen Dosen meist stark gefüllt, nach länger währender Intoxication meist leer, contrahirt und ihre Schleimhaut normal. Bei weiblichen Thieren findet sich post mortem starke Anfüllung der Uterusgefäflse und Schwellung mit mehr oder minder starker Injection der Schleimhaut. D i e Hauptwirkung des Hellcborelns ist auf das Herz gerichtet; sie ist qualitativ der des Digitalins gleich, von welchem aber viel grössere Gaben erforderlich sind. Rasch verlangsamend und tödtlich lähmend auf die Herzaction von Fröschen wirkt M e r c k ' s c h e s Digitalins erst zu 0,072 Grm., Helleboreln dagegen schon zu 0,01 Grm. Bei Säugethieren bewirken ebenfalls viel kleinere Dosen, subcutan oder in die Blutbahn injicirt, fast stets ohne vorgängige Beschleunigung bedeutende Vcrlangsamung der Herzaction, welche (bei tödtlichen Gaben) in enorme Beschleunigung und darauf meist plötzlich in mehr oder minder vollständige Lähmung übergeht; grössere Dosen bewirken meist nur rasch vorübergehende Vcrlangsamung, welcher enorme Beschleunigung und plötzlicher Tod folgt. Während der enormsten Beschleunigung lässt sich durch clectrische Reizung der isolirten Nervi vagi bei Kaninchen bis zuletzt .Stillstand und bei Hunden durch schwache Ströme Verlangsamung der Herzaction herbeiführen. Aehnlich bewirkt nachfolgende wiederholte Injection von Hclleborein eine freilich rasch vorübergehende Verlangsamung. Durchschneidung der Nervi vagi während der künstlich gesetzten Vcrlangsamung bedingt sofort enorme Beschleunigung. — Bei Kaninchen und Katzen mit durchschnittenen Nervi vagi wirken kleine wie grosse Dosen Helleboreln kurze Zeit in geringem Grade verlangsamend; bei Hunden tritt dagegen meist keine Vcrlangsamung, sondern bald plötzliehe Lähmung des Herzens ein. Während der Verlangsamung und Beschleunigung ist, so lange noch nicht Paralyse dicht bevorstand, der Herzschlag verstärkt. Nach dem Tode ist das Hera entweder sofort, oder doch sehr rasch, und zwar zuerst die Ventri-

Vergiftung mit Stoffen aus dem Pflanzenreiche.

77

kel, vollständig gelähmt. In den meisten Fällen findet sich bei Fröschen der Ventrikel contrahirt und leer, bei Säugethieren umgekehrt schlaff und gefüllt. Ebenso sind die grossen Blutgefässe der Brust, des Bauches und Beckens strotzend mit Blut gefüllt. Das Blut zeigt keine constante Farbenveränderung, ist gleich nach dem Tode flüssig, wenige Standen später locker geronnen. Mit der Einwirkung auf das Herz gehen Respirationsanomalien Hand in Hand. Auf die meist bald auftretende Beschleunigung folgen bei allen Tbieren stets sehr stark verlangsamte und beschwerte Athemzüge. Die Respiration überdauert die Herzaction. Post mortem sind die Respirationsorgane wenig afficirt. Das Nervensystem wird durch Helleborein in der Weise beeinträchtigt, dass sich während des Lebens constant lähmungsartige Schwäche, begleitet von Zittern und Herabsinken des Kopfes und Ausgleiten der Extremitäten und ausserdem schwächere oder nach rascher Einwirkung grosser Dosen heftigere Convulsionen einstellen. Der Leichenbefund ist negativ. Pupillenveränderungen sind nach Helleborein nicht constant, beim Eintritt des Todes ist die Pupille meist erweitert und contrahirt sich später wieder. Das H e l l e b o r i n wirkt auf die äussere Haut gar nicht und auf Schleimhäute viel geringer als das Helleborein; auf der Conjunctiva kaum mehr als ein fremder Körper, auf der Mundschleimhaut bei Vögeln und Säugern unangenehme Geschmacksempfindung, bei letzteren ausserdem Lecken, Kauen, Zähneknirschen, daneben bei Katzen und Hunden etwas vermehrte Speichelsecretion; im Magen und Darmcanal bei Vögeln Erbrechen, bei Katzen keine sichtbare Störung der Magenthätigkeit, bei Hunden Würgen und Erbrechen; Schmerzen im Leibe scheinen bei Kaninchen das Zusammenkrümmen und plötzliche Zusammenzucken, bei Hunden das Jammern und Stöhnen zu verrathen. Die Darmthätigkeit ist bei allen Thieren wenig afficirt, nur bei Hunden tritt Drang zur Darmentleerung ein. Post mortem sind die Alterationen im Tractus nicht so bedeutend als nach dem Helleborein. Charakteristisch ist die Wirkung des Helleborins auf das Nervensystem. Nach vorhergehender Aufregung und Unruhe erfolgt sehr bald Parese der hinteren Extremitäten und des unteren Theils des Leibes mit Zittern und Hin- und Herschwanken des ganzen Körpers. Die Parese geht bei starker Einwirkung in tiefste Betäubung mit hochgradigster Unempflndlichkeit, fast absolute Anaestbesie über, aus welcher sich nur Katzen verbältnissmässig rasch erholen, während Kaninchen und Hunde schon bei viel geringeren Dosen zu Grunde gehen. Nach dem Tode findet sich reichliche Blutüberfüllung der Hirnund Rückenmarkshäute, bei Kaninchen Verminderung der Consistenz des Rückenmarkes und Blutextravasate in der Schädelhöhle. Die Functionen aller übrigen Organe verhalten sich während der Helieborinnarkose ziemlich wie unter dem Einflüsse der Narcotica überhaupt. Leber und Milz wie nach Helleborein; die Harnmenge bei Kaninchen und Hunden normal, bei Katzen nach überstandener Intoxication etwas vermehrt; die weiblichen Genitalien normal blutreich; die Respiration in der Narkose verlangsamt, in den Lungen post mortem locale Hyperämien und Hypostase, bei Hunden vielleicht in Folge des heftigen Würgens und Erbrechens subpleurale Blutextravasate; die Herzthätigkeit anfangs wenig afficirt, bei intensiverer Wirkung verlangsamt, besonders bei Fröschen und Hunden und nicht ganz constant bei Kaninchen, das Herz post mortem viel später absterbend als nach Helleborein; die Pupille bei starker Narkose sehr erweitert, auf elektrischen Reiz post mortem sich contrahirend. Was die lethale Dosis anlangt, so wirkt das Helleborin trotz seiner geringen Löslichkeit in Wasser schon in kleinen Dosen sehr energisch. Frösche sterben nach Application von 0,080 Grm. (subcutan), Tauben schon nach 0,040 Grm. (per rostrum), während Raben nach

Bpecielle Toxikologie.

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innerlicher Application von 0,120 Grm. sich erholen können; Kaninchen sterben nach 0,150 bis 0,4 G r m . ; Katzen können sich nach 0,2 bis 0,4 Grm. erholen; Uunde werden schon von 0,070 Grm. schwer afficirt and können nach 0.24 Grm. sterben. Der Tod nach Helleborin ist Folge von Lähmung der Nervencentra, namontlich des Hirns and verlängerten Marks und erklärt sich hinlänglich aas dem anatomischen Befände. M a r m ^ ' s Arbeit liefert eine wesentliche Vervollständigung der bisherigen Untersuchungen Aber die Nieswurz, namentlich derjenigen von S c h r o f f , welchen gegenüber sich besonders folgende bedeutende Differenzen ergeben: Wenn auch der Symptomencomplex der Nieswurzvergiftang, wie S c h r o f f richtig erkannte, auf ein scharfes und ein narkotisches Frincip zurückzuführen ist, so sind die T r i g e r desselben doch nicht einfach ein scharf and ein narkotisch wirkender Stoff, sondern zwei Glykoside, welchen beiden eine irritirende, scharfe Wirkung zukommt; das eine, das Helleboreln, besitzt dieselben in weit höherem Grade neben seiner charakteristischen Hauptwirkung auf das Herz, das andere, das Helleborin, wirkt auch, aber weniger scharf und vorzugsweise narkotisch. Die Nieswurz, und besonders die grüne, kann allerdings Entzündung, selbst ulcerative Gastroenteritis mit dysenterischen Erscheinungen bewirken. Träger der narkotischen W i r k u n g sind nicht, wie S c h r o f f gefunden haben will, gewisse in Wasser sehr leicht lösliche, sondern die in Wasser sehr schwer löslichen Krystalle des Helleborins, und hauptsächlicher Träger der scharfen Wirkung ist nicht ein besonders in Alkohol nud Aether löslicher Körper, sondern das in Aether unlösliche, dagegen in Wasser sehr leicht lösliche Herzgift, das Helleboreln. In Bezog auf die Intoxication beim Menschen ist nicht ohne Interesse die von F i n g e r h u t h (Preuss. Ver.-Ztg. N. F. V. 22. 1862) beschriebene Vergiftung durch ein gegen chronischen Magenkatarrh verordnetes Decoct von 3 Loth Rad. Hellebori nigri auf 5 Schoppen Wein, davon die Hälfte getrunken indem sie narkotische Symptome, welche mit Heftigkeit etwa nach einer Stunde auftraten (Angst, Schwindel, Ohrenklingen und Sausen, Schwere des Kopfes und Uebelkeit, Delirien mit Zuckungen in den Extremitäten, Mydriasis) und fünf Stunden, in gelinderer Weise, insbesondere auch die Mydriasis, mehrere Tage anhielten, neben verminderter Herzth&tigkeit (P. 64), Sinken der Athemfrequcnz und Temperatur und in den ersten drei Stunden mehrmals sich wiederholenden, flBssigen, sehr übelriechenden, mit Erleichterung der vorhandenen Magen- und Leibschmerzen verbundenen Stuhlentleerangen zeigte. 17. F a m i l i e :

M e n i s p e r m e a e J u s s . , M e n i s p e r m e e n (S. 581).

[Zusatz zu §§. 371—378. S. 5 8 1 — 5 8 5 . ] W . S c h m i d t in Petersburg (Journ. f. prakt. Chem. 87. 344. 1862) empfiehlt zum Nachweise von P i k r o t o x i n in mit K o c k e i s k ö r n e r n verfälschtem Biere die Anwendung des A m y l a l k o h o l s als Extractionsmittel, nachdem zuvor Färb- und Extractivstoffe dem Biere durch T h i e r k o h l e entzogen sind, welche vom Pikrotoxin wenig aufnimmt und daher nicht, wie H c r a p a t h vorschlug, zum Nachweise dieses Stoffes benntzt werden kann. Es gelang S c h m i d t der Nachweis in einer Flasche Bier, das mit \ Flasche durch 6—8 6mm. Kockelskömer k a u m bitter gemachtem Wasser versetzt war. Als Reagens auf Pikrotoxin, das damit noch zu % Mgm. nachweisbar sein soll, gibt L a n g l e y (Silliman's Journal, 2. sdr. X X X I V . 100) an, dass, wenn man trocknes Pikrotoxin mit dem 3fachen Gewichte Salpeter verreibt, die Masse mit Schwefelsäure befeuchtet und concentrirte Natronlange darüber giesst, sich Substanz und Lösung vorübergehend ziegelroth färben. Diese Reaction soll von einer, dem Pikrotoxin

Vergiftung mit Stoffen aas dem PfUnaenreiche. anhaftenden stickstoffhaltigen Substanz herrühren, die nnr durch Lösen in Kali and Füllen mit Säuren beseitigt werden kann. 18. F a m i l i e : R u t a c e a e A d r . de J u s s . , R a u t e n g e w ä c h s e

79 wiederholtes (S..585).

[Zusatz zu § . 3 7 8 . S. 5 8 5 . ] Eine grössere Reihe von Versuchen an Tauben und Kaninchen mit E x t r a c t u m S i m a r u b a e und E x t r . Q u a s s i a e Hessen mir diese Stoffe als nicht unbedeutend toxisch erscheinen, indem wenige Gran, und zwar von ersterem weniger als von letzterem, den Tod herbeiführten; bei Tauben stellte sich nach subcutaner Application heftiges, sich in Pausen von 5 zu 10 Minuten wiederholendes Erbrechen, häufig mit flüssigen Stuhlentleerungen verbunden, starker Durst und Tod durch Erschöpfung ein, häufig constatirte ich submueöae Extravasate von bedeutender Ausdehnung im Kropf. Bei Kaninchen waren ntets Krämpfe vorhanden. Die lethale Dosis des alkohol. Extractes der Simarubu für Tauben ist kaum hoher als 3—4 Gran«19. F a m i l i e : E r y t h r o x y l e a e K u n t h , R o t h h ö l z e r (S. 589). [Zusatz zu §. 3 8 5 . S. 5 8 9 . ] Das C o c a i n hat nach neueren Untersuchungen von L o s s e n (Annal. d. Chem. CXXXI1I. 123. 1865) nicht die von N i e m a n n angegebene Formel, sondern C »4 JJ N O " und ist in den Cocablättern nur IU geringen Quantitäten (in den besten Sorten 0,2, welches Verhäliniss auch von M c r c k angegeben wurde, in der Coca des Handels sogar nur 0,016 %) vorhanden. Weitere physiologische Prüfungen des Cocains und der Cocablätter liegen vor von S c h r o f f (Wchbl. der Ztschr. d. Aerzte, 30. 31. 1862) und F r o n m ü l l e r (Prag. Viertjhrschr. H. 3. p. 109. 1863). S c h r o f f stellt das Cocalu zu den narkotischen Giften und glaubt es dem Indischen Hanf am nächsten stehend. Der Geschmack ist etwas, jedoch nicht anhaltend bitter, auf der Zunge hinterlässt es ein eigentümliches Gefühl und stumpft die Geschmacksempfindung ab. Subcutan wirkt es bedeutend stärker als vom Magen aus. Es bewirkt bei Kaninchen zu Dcgm. vom Magen aus geringe Schwankungen der Respiratiun und des Herzschlags nebst vorübergehender Mydriasis, subcutan applicirt Tod binnen 28 Minuten nach epileptiformen Krämpfen und enormer, gleich nach dem Tode weichender Pupillendilatatiou. Auch bei einem Selbstversuche nahm S c h r o f f cerebrale Erscheinungen (Eingenommenheit des Kopfes, Müdigkeit, Verminderung des Gehörs und Gedächtnisses, Unmöglichkeit den Ideengang zu reguliren), sowie anfängliche Vermehrung, später Verminderung der Respiration wahr. Nach dem Tode fand S c h r o f f |bei Thieren das gesammte Venensystem und alle Herzhöhlen von Blut ausgedehnt Auch bei directer Application auf das Auge wirkte Cocain erweiternd auf die Pupille. Die Verrichtungen des Darmcanals werden nicht beeinträchtigt; die Harnentleerung war bei S c h r o f f retardirt, bei den Versuchsthieren nicht; die Speichelsecretion scheint vermehrt zu werden. Kin alkoholisches Extract der Cocablätter wirkt qualitativ gleich wie Cocain, ist aber bedeutend schwächer, so dass 1 Gmm. Extract kaum so giftig wie ^ Dcgm. Cocain ist. F r o n m ü l l e r , welcher die hypnotischen Eigenschaften des Mittels an Kranken zu erforschen suchte, fand es in Dosen von ¡ ^ — G r a n des M e r c k ' s c h e n Präparates ziemlich wirkungslos; nur in drei Fällen trat Sehlaf ein, einige Male narkotische Symptome (Schwindel, Ohrensausen, Delirien), öfterer — im Gegensatze zu S c h r o f f — gastrische Erscheinungen (Aufstossen, Erbrechen), Retardatioh des Stuhles und der Harnentleerung, bisweilen Mydriasis und eine leichte Steigerung der Frequenz von Puls und Athen), die um folgenden Morgen einem Sinken Platz machtc.

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Specielle Toxikologie.

Von Interesse ist ein ron P l o s s (Ztschr. f. Cbir. 222. 1863, S c b m i d t ' s Jahrb. CXX. 181. 1863) berichteter Selbstmordversuch eines Apothekers mit 24 bis 25 Gran Cocain, in ein Glas Bayr. Bier genommen, wo nach einigen Stunden ruhigen Schlafes heftiges Baachgrimmen, Brennen im Ganmen, Trockenheit im Munde, starker Durst, Schwindel, Schwäche, keine Trübung des Bewusstseins noch StCrung der Herzaction, 24 standige Annrie als Symptomencomplex auftraten; die gereichten Flüssigkeiten Warden jedesmal wieder erbrochen. 20. F a m i l i e : P a p a v e r a c e a e A_ B i c h . , P a p a r e r a c e e n (S.[590). Papaver, Mohn. [Zusatz zu §§. 3 8 8 — 3 9 7 . S. 5 9 1 — 6 2 1 . ] Bei der grossen Häufigkeit der Opium- und Morphium Vergiftung ist eine Zusammenstellung der Casuistik unmöglich. Von grösserem Interesse sind die Publicationen von A. D u c h e k (Wchbl. d. Aerzte z. Wien. 43. 1861). W i l l . F. N o r r i s ( H a y ' s Amer. journ. Oct. 1862), J o h n W. O g l e (Med. Times. Oct. 3. 1863), J . de S o y r e (Gaz. des höp. 132. 1864), R i e h . C. E I i i s (lethale Vergiftung eines Kindes durch Unze Laudanum statt Rbeum, Lanc. II. 5. Aug. 1S63), H o e r i n g (Württemb. Corr.-Bl. XXXIII. 24. 1863) und T a y l o r ( G u y ' s Hosp. Eep. 2. s£r. XI. 287. 1865), bis auf zwei Fälle ron Morphiumvergiftung ( H o e r i n g und N o r r i s ) sämmtlich durch Tinctura Opii bewirkte Intoxicationen betreffend. Einen wahrscheinlichen Selbstmord mit Opiumextract theilt H a i d i e n (Wörttemb. Corr.-Bl. XXXIV. 16. 1863) mit. Dass auch im kindlichen Alter grössere Dosen von Opiaceen ertragen werden können, ohne tödtlich zu wirken, beweist der günstige Ausgang der von H o e r i n g beschriebenen Vergiftung eines 1'^jährigen Mädchens durch 1 Gran Morph, acet. und im T a y l o r ' s c h e n Falle Unzen Laud. — 3 1 — 3 2 Gran Opiumextract) bei einem 11jährigen Mädchen. In Bezug auf I d i o s y n k r a s i e n g e g e n O p i u m u n d M o r p h i u m ist der Fall einer alten Dame (Lancet, March 21. 1S63), die nach 2 Tropfen Laudanum einen Frostanfall bekam, Gesicht und Gehör verlor und einen scharlachähnlichen Ausschlag, der später abschuppte, bekam, sowie ein von S t c i n b ö m e r ( S c h u c h a r d t ' i Ztschr. H. 4. p. 367. 1866) mitgetheilter, einen intensiven Bläschenausschlag betreffender hervorzuheben. F ä l l e v o n l a n g j ä h r i g e m V e r b r a n c h e g r o s s e r G a b e n von M o r p h i u m r e s p . O p i u m sind veröffentlicht von J . S a m t e r (Deutsche Klinik. 16. 17. 1864), einen an chronischer Magenkrankheit leidenden Maurer betreffend, der zar Stillung seiner Schmerzen täglich 3 — 4 Gr. Morphium circa 3 Jahre hindurch und in einer genau controlirten Periode von 323 Tagen nicht weniger als 1323 Gr. Morphium verzehrte, und von A l b in E d e r (Oesterr. Ztschr. f. prakt. Heilk. 33. 1864), einen Prediger betreffend, der wegen chronischen Gelenkrheumatismus 11 Jahre lang täglich Opiumpräparate nahm; anfangs kleine Dosen Opiumtinctur, 6 Tropfen, später 10, nach 14 Tagen 15 und nach einigen Monaten 20 Tropfen vor dem Schlafengehen, im Jahre darauf auch bei Tage, und zwar dreimal täglich % Dr., in den folgenden Jahren bis auf eine Unze täglich steigend; 3 Jahre vor seinem Tode Opium in Substanz, anfangs täglich 18, später 120—160 Gr. pro die, 1% Jahr später Morphium, und zwar von Anfang an je 7 Gr. alle 9 Stunden, einige Monate darauf 27 Gr. in 24 Stunden; erst jetzt zeigten sich Intoxicationserscheinungen, charaktcrisirt durch eine öfters am Tage auftretende allgemeine Kälte mit nachfolgendem Schweiss, Schlaflosigkeit, plötzliche Zuckungen, unangenehmes Gefühl im Magen, Unruhe; man versuchte

Vergiftung mit Stoffen aus dem Pflanzenreiche.

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die ungeheure Morphiumquantität heimlich zu mindern, aber Patient konnte es nicht aushalten, und das auf S k o d a ' s Rath genommene Colchicin war wirkungsl o s ; endlich versagte auch Morphium den Dienst und selbst 45 Gr. in 24 Standet) schafften keine Ruhe; Chloroforminbalationcn bekamen anfangs sehr g u t ; a b e r bald erregten auch diese Brechreiz; Chinin konnte den endlichen Tod ex marasmo nicht hindern: die Scction zeigte ausser allgemeiner Anämie eine hypostatische Pneumonie im rcchten unteren Lungenflügel. Endlich theilt J u l . B e e r (Preuss. Ver.-Ztg. 25. 1864) den Fall einer an Metritis und Darmfistel leidenden Dame mit, welche in drei Jahren 12,960 Gr. essigsaures Morphium, oft 2 4 Gr. pro die, consumirte. Zu den drei bekannten T h c o r i e c n d e r 0 p i u r a v e r g i f t u n g kommt eine vierte von O n s u m in Cbristiania (Norsk. mngaz. for laegevidensk. 635. 1864). dass die K o h l e n s ä u r e a n h ä u f u t) g im B l u t e dabei die grösste Rolle spiele. O n s u m fand bei Kaninchen, dass die Zahl der Respirationen bei ihnen von 80—200 oft auf 8 sinke, wobei die Inspiration kurz, die Exspiration bedeutend verlängert erscheint; die ausgcathmctc Kohlensäure sank nach der Intoxication von 1,176 Grm. auf 1.077 — 0,612 und stieg 5 Stunden nach begonnener Abnahme der Symptome auf 1,434. Nach den vorhandenen Thicrversuchen glaubt nun O n s n m , dass Opium zunächst die Mcdulla oblongata und die obersten Theilc der Mcdulla spinalis irritirc, wodurch bei Thieren mit starker Reflexthätigkeit tetanischc Krämpfe erfolgen, später eine Depression veranlasse, wonach Lähmung der Respirationsnerven (Verlangsamung der Respiration und KohlensHurcanhHufung) rcsultirc. Der U c b c r g a n g d e s M o r p h i u m s in d e n I l a r n , welchen in jüngster Zeit C l o i t t a (Virch. Arch. XXXV. 3. 369. 1866) auf Grund von Fehlschlagen bei Kranken, welche starke Morphindosen erhielten, geleugnet hat, ist eine Thatsachc, für welche die Beobachtungen von B o u c h a r d a t (Ball, de tb