Handbuch der speciellen Anatomie des Menschen in topographischer Behandlung: Mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der ärtzlichen Thätigkeit [Reprint 2019 ed.] 9783486728071, 9783486728064


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Handbuch der speciellen Anatomie des Menschen in topographischer Behandlung: Mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der ärtzlichen Thätigkeit [Reprint 2019 ed.]
 9783486728071, 9783486728064

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HANDBUCH DEE SPECIELLEF

IN TOPOGRAPHISCHER BEHANDLUNG.

MIT BESONDERER RÜCKSICHT AUF DIE BEDÜRFNISSE DER ÄRZTLICHEN THÄTIGKEIT VON

GEHEIMRATH DR-

JOSEPH

Y.

GERLACH

PROFESSOR DER ANATOMIE ZU ERLANGEN.

MIT ZAHLREICHEN IN DEN TEXT GEDRUCKTEN ABBILDUNGEN.

MÜNCHEN UND LEIPZIG. D R U C K U N D V E R L A G V O N R.

1891.

OLDENBOURG.

Vorwort. Jedem Kenner der anatomischen Studien ist es bekannt, dass jenem Theile der'Anatomie, welcher-diese Wissenschaft dem praktischen Arzte besonders werthvoll macht, in Deutschland nicht, jene Berücksichtigung zu Theil wird, welche derselbe in Frankreich und England erfährt. Es soll damit durchaus nicht gesagt sein, dass wir in Deutschland nicht vortreffliche Werke über topographische Anatomie besitzen; allein dieselben sind entweder in grossem Style angelegt und daher dem Einzelnen weniger zugänglich, wie das vierbändige Werk von H. Luschka", dessen grosse Verdienste um die anatomische Wissenschaft gar nicht hoch genug gewerthet werden können, oder dieselben erscheinen in so langen Intervallen, wie die trefflichen Werke von G. J o e s s e l und F. M e r k e l , dass dadurch dem momentanen Bedürfniss nicht abgeholfen wird. Dieses ist der Grund, wesshalb ich mich zur Herausgabe eines kürzer gefassten Handbuchs der topographischen Anatomie entschloss, dessen Grundlage die Vorlesungen bilden, welche ich seit zwanzig Jahren über diesen Theil der Anatomie gehalten habe. Vor Allem möchte ich die nicht ganz seltenen Wiederholungen entschuldigen, die bei der topographischen Behandlung der Anatomie kaum zu vermeiden sind. Ein Punkt, welcher die Abfassung eines Handbuchs der topographischen Anatomie besonders erschwert, ist die Schwierigkeit rücksichtlich der Bestimmung der Grenze, bis zu welcher den Anforderungen der praktischen Heilkunde Rechnung zu tragen ist. Ich glaube, in dieser Beziehung in einer günstigeren Lage zu sein, als die Mehrzahl meiner anatomischen Fachcollegen. Während meiner neunjährigen medizinischen Studien dachte ich auch nie entfernt daran, mich speciell der Anatomie zu widmen. Meine Ziele waren niedriger gesteckt. Mein einziges Bestreben war dahin gerichtet, ein

IV

Vorwort.

tüchtiger Arzt zu werden, und so waren die vier ersten Jahre, nachdem ich meine Studien vollendet, der Ausübung der Heilkunde gewidmet. Dabei lernte ich die hohe Bedeutung anatomischen Wissens für den Arzt kennen, aber zugleich auch diejenigen Theile der Anatomie, deren Kenntniss dem Arzt in seinem Berufe unbedingt nothwendig ist, von den minder wichtigen unterscheiden. Zu diesen durchaus nöthigen Kenntnissen zähle ich in erster Linie das Vertrautsein mit den äusseren Form- und Gestaltverhältnissen des menschlichen Körpers, insoweit dieselben durch den Gesichts- und den Tastsinn festgestellt werden können. Besonders die Cultur des letzteren Sinnes halte ich für eine der wichtigsten Aufgaben des anatomischen Lehrers in dem Secirsaal und werde darin bestärkt durch die Aeusserung eines unserer ersten klinischen Lehrer, der mir sagte, dass er seinen Ruf als Diagnostiker hauptsächlich der hohen Entwicklung seines Tastsinns verdanke. Es ist daher bei jeder Körpergegend genau darauf hingewiesen, was man äusserlich an derselben sehen und fühlen kann. Histologische Angaben gehören eigentlich nicht in den Bereich der topographischen Anatomie; allein es gibt gewisse Körpertheile, bei welchen das Topographische in so naher Beziehung zu dem Histologischen steht, -dass durch das Eingehen auf die Structur das topographische Verständniss wesentlich gewinnt. Dieses ist der Fall bei den höheren Sinnesorganen, dem Auge und dem Ohr, wesshalb ich es für nützlich hielt, hier auch die Structurverhältnisse zu berücksichtigen. Literarische Nachweise habe ich, der praktischen Tendenz des Buches entsprechend, nicht beigefügt. Die Zeichnung der beigegebenen Abbildungen verdanke ich der kunstfertigen Hand von Herrn Professor Dr. F. H e r m a n n , meines früheren Assistenten. Dieselben stellen der Mehrzahl nach Durchschnitte dar, welche der Erlanger anatomischen Sammlung gehören. So übergebe ich die folgenden Blätter der Oeffentlichkeit mit dem Wunsche, dass dieselben meinen früheren Zuhörern eine liebe Erinnerung an die schönen Stunden sein mögen, welche wir zusammen in dem Erlanger Secirsaal verlebten. E r l a n g e n , Ende October 1891.

J. v« Gerlach.

Inhaltsverzeichniss. Seite

Einleitung Der Der Gehirntheil des Kopfes oder Seite der Schädel 7 Regio occipito-frontalis . . . . 9 Regio temporalis 18 ßegio mastoidea24 Knöcherne Schädelkapsel . . . 27 Schädelgewölbe 27 35 Schädelbasis Schädelinhalt 42 Die harte Hirnhaut 42 Die weichen Hirnhäute . . . . 49 Gehirn 54 Medulla oblongata 54 Brücke und Vierhügel . . . . 57 Kleinhirn 60 Der vierte Ventrikel 63 Grosshirn 64 Die Hemisphäre des Grosshirns . 65 Die Balken und die medialen Bodengebilde des Grosshirns . 78 Die Seitenventrikel des Grosshims 82 Das Gewölbe und der dritte Ventrikel 85 Grosshimschenkel und Grosshirnganglien 88 Die Hirnnerven in der Schädelhöhle 95 Die Hiraarterien und der arterielle Kreislauf in dem Gehirn . . 99

1 6 Das Gesicht Ohrgegend Aeusseres Ohr Mittleres Ohr Inneres Ohr Augengegend Knöcherne Grundlage der Augengegend Augenlider Thränenorgane . . . : . . . Augapfel . . . . . . . . Aeussere Augenhaut Mittlere Augenhaut Innere Augenhaut Der Augenkern Inhalt des hinteren Theiles der Augenhöhle Nasengegend Aeussere Nase Innere Nase Nebenhöhlen der Nase . . . . Nasenöffnungen Schleimhaut der Nasenhöhle . . Der Nasenrachenraum . . . . Regio oralis Lippengegend Kinngegend Backengegend Mundhöhle

102 104 107 117 131 152 154 158 167 177 180 188 205 217 226 235 235 239 244 248 248 252 256 258 261 265 270

VI

Inhal tsverzeichniss. Seite

Seite

Zähne Mundrachenraum Die Zunge

286 296 299

Regio parotideo-masseterica Fossa zygomatica Kiefergelenk

. . 305 314 332

Der Hala Vordere Halsgegend Regio mediana colli Trigonum submaxillare . . . . Trigonum caroticum Kehlkopf Kehlkopfrachenraum Schilddrüse Luftröhre Oesophagus

334 334 336 343 351 366 368 371 374

326

Regio sternocleidomastoidea Seitliche Halsgegend Trigonum omo-claviculare . Trigonum colli laterale . . Hintere Halsgegend Fascie des Halses Lymphdrüsen des Halses . Wirbelsäule Rückenmark

. . 382 400 . . 402 . . 406 407 416 . . 422 424 435

Die Brust Allgemeine-Betrachtung der Brust Topographische . Eintheilung der Brust Topographie der. Brustwand . . Regio stemalis Regio clavicularis Regio mammalis Regio axillaris Regio. cQstalia Regio, sçapularis Regio, spinalia s. mterscapularis .

450 456 457 457 459 465 470 480 489 494

Obere Extremität Schultergegend Der Oberarm Der Ellbogen Der Vorderarm

. . ' . . . . . . .

. . . .

541 552 560 575

Die Handwurzelgegend Die Mittelhandgegend Die Finger . . .

Der. Bauch. Die Rauchwand,. . . . . . Vordere. Bauchwand. . . Nabel und .Nabelbruch . Bruchgegend Brüche, Hernien •, . . Leistenbrüche. Schenkelbrüche " Seitlich^ Bauchwaqd .. . Fossa. iliaca .. .. .. . . Lendengegend

. . . 627 . . . 628 . . . 636 , . 640 . . : 65§ . . 660 . . . 663 . . : 667 . . . 667

450

Der ganze Brustkorb Das Zwerchfell Der Brustraum Die Pleuraräume Der Mediastinalraum Lage der Lungen Lage des Herzens Inhalt der oberen Abtheilung des -vorderen Mediastinums . . . Inhalt des hinteren Mediastinums

Lage der Nieren

496 503 508 509 514 516 523 531 537

540 . . . . 581 . . . . 593 . . . . 612

622 679 683

Der Bauchraum und das Peritoneum 689 Die Eingeweide der Bauchhöhle . 694 Eingeweide der Oberbauchgegend 694 694 Lage des Magens Lage der Leber 698 Lage der Milz 700 702 Lage de? Pancreas

Inhal t8verzeichniss. Lage des Duodenums . . . . Eingeweide der Mittelbauchgegend Lage des grossen Netzes . . . Lage des mobilen Dünndarms

VII

Bette

Seite

703 704 704 705

Lage der drei Colonstücke . . . 705 Eingeweide der Unterbauchgegend 707 Lage des Blinddarms und des Wurmfortsatzes 707

Das Becken Das knöcherne kleine Becken . . 710 Inhalt der männlichen Beckenhöhle Topographische Eintheilung des Harnblase Beckens 716 Mastdarm Regio uro-genitalis des Mannes . 717 Inhalt der weiblichen Beckenhöhle Penis mobilia 718 Harnblase Scrotum und Hode 723 Uterus Perineum 734 Scheide Männliche Harnröhre 744 Eileiter Regio uro-genitalia der Frau . . 754 Ovarium Weibliche Harnröhre 764 Mastdarm der Frau Regio analis 766 Verschlussmittel der AusgangsRegio sacro-coccygea 773 öffnung des kleinen Beckens . Eingeweide der Beckenhöhle . . 778

710 778 778 786 792 792 795 807 813 815 817

Untere Extremität Hüfte 825 Hintere Gegend des UnterschenHüftgelenk 836 kels Oberschenkel 845 Knochen des Unterschenkels . Vordere Gegend des Oberschenkels 847 Fussbeuge Hintere Gegend des Oberschenkels 858 Vordere Gegend der Fussbeuge . Knie 860 Mediale Gegend der FusBbeuge . Vordere Kniegegend (Regio patelLaterale Gegend der Fussbeuge . laris) 860 Hintere Gegend der Fussbeuge . Gelenke der Fussbeuge . . . . Hintere Kniegegend (FosBa poplitea) 866 Fuss Kniegelenk 872 Fussrücken Unterschenkel 880 Fusssohle Knochen des Fusses und deren Oberflächliche, den Unterschenkel Verbindung umfassende Schichten . . . 881 Zehen Vordere Gegend des Unterschenkels 883

824

818

885 887 889 890 892 894 895 896 900 903 906 911 917

Einleitung. Die menschliche Anatomie, Jenes Glied der beschreibenden Naturwissenschaften , welches seine Aufgabe in der Erforschung und Beschreibung der Form- und Gestaltverhältnisse menschlicher Körper findet, zerfällt in einen allgemeinen und einen speciellen Theil. Der allgemeine Theil beschäftigt sich mit der Beobachtung der Structur und des feineren Baues der Gewebe, welche den menschlichen Körper zusammensetzen. Derselbe wird daher Gewebelehre oder auch mit Rücksicht auf dasjenige Instrument, durch welches allein die Möglichkeit gegeben ist, Structurverhältnisse zu ergründen, die mikroskopische Anatomie des Menschen genannt. Der specielle Theil, d. h. die specielle menschliche Anatomie kann in der Methode der Darstellung von zwei verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen. Entweder werden die in dem menschlichen Körper sich wiederholenden und schon bei oberflächlicher Betrachtung sich scharf von einander unterscheidenden Massen, wie Knochen, Muskeln, Gefässe und Nerven zu dem Ausgangspunkte der Betrachtung gemacht, oder es ist die Körpergegend, welche in ihrer äusseren Configuration und in ihrem Bestände von dem äusseren Hautüberzuge an bis zu den innersten Theilen das Object der anatomischen Untersuchung bildet. Die erstere Beobachtungsweise, welche die sich wiederholenden Massen oder Systeme des menschlichen Körpers in bestimmter Reihenfolge behandelt, wird als s y s t e m a t i s c h e , die zweite, welche, von einer bestimmten Körpergegend ausgehend, die in dieser Gegend vorhandenen Massen und die örtlichen Verhältnisse ihres Nebeneinanderliegens schildert, wird als topog r a p h i s c h e Anatomie bezeichnet. Die systematische Behandlung der Anatomie ist für den ersten Unterricht die allein zulässige; denn dieselbe bildet die nothwendige G e r l a c h , Anatomie des Menschen

1

2

Einleitung.

Unterlage für die Erwerbung topographisch anatomischer Kenntnisse. Dagegen steht die topographische Anatomie in näherer Beziehung zu den Bedürfnissen der practischen Heilkunde, und die genaue Kenntniss derselben ist eine absolut nothwendige Vorbedingung für die Ausübung jeder rationellen ärztlichen Thätigkeit, von welcher Art dieselbe auch immer sein mag; denn die topographische Anatomie bildet nicht nur die Grundlage der operativen Chirurgie, wesshalb man früher topographische und chirurgische Anatomie als synonym betrachtete, sondern auch die innere Heilkunde in ihren verschiedenen Abzweigungen sowie die gerichtliche Medizin haben in ihrer jetzigen Entwicklung gleichfalls die genaueste topographische Kenntniss des menschlichen Körpers zur Voraussetzung. Der Körper des Menschen besteht aus einem symmetrisch gebauten Mittelstück, welches wir den Stamm, und zwei Paar Anhängen, welche wir die Gliedmassen oder Extremitäten nennen. Die beiden oberen Extremitäten sind in der Nähe der Grenze des oberen und mittleren Drittheils dem Stamme eingefügt, während die beiden unteren Extremitäten von dem unteren Ende des Stammes abgehen. Der Stamm zerfällt zunächst in drei Theile, in ein oberes kurzes Aufsatzstück, den Kopf, und in ein unteres langes Endstück den Rumpf, welche beide durch ein dünnes kurzes Mittelstück, den Hals, verbunden sind. Der Kopf besteht aus einem grösseren oberen hinteren Abschnitt, den wir wegen seines Inhaltes den Gehirntheil, und aus einem vorderen unteren, welcher die vier höheren Sinnesorgane einschliesst, den wir den Gesichtstheil des Kopfes nennen. Der Hals zerfällt in eine vordere vor der Wirbelsäule gelegene Hälfte, den Vorderhals, und in eine hintere, die Halswirbelsäule und die dieselbe deckenden Weichgebilde umfassend, den Nacken. Der Rumpf gliedert sich in die drei als Brust, Unterleib und Nacken bekannten Abtheilungen. Der Brusttheil des Rumpfes ist. vorn von dem Brustbein, seitlich von den Rippen umschlossen, während der Unterleib nur hinten in dem Lendentheile der Wirbelsäule eine knöcherne Wand besitzt und der Beckentheil des Rumpfes wieder mehr oder weniger ganz von knöchernen Gebilden umschlossen wird. Die hintere Rumpfwand mit dem Brust- und Lendentheile der Wirbelsäule als knöcherner Grundlage wird für den Brust- und Unterleibstheil gemeinsam als Rücken bezeichnet, während die hintere nach unten sich verlängernde Wand des Beckentheils des Rumpfes den Namen »Gesässe« führt.

Einleitung.

3

Die Extremitäten sind Verlängerungen des Stammes, welche aus mehreren unter sich beweglichen Stücken zusammengesetzt sind; daher der Name gegliederte Theile, Gliedmassen. Während bei den Säugethieren die vier Extremitäten zum Tragen und Fortbewegen des Rumpfes bestimmt sind, erfüllen diesen Zweck bei dem Menschen nur die unteren, die oberen dagegen haben die Aufgabe, andere Gegenstände zu ergreifen, zu halten und fortzubewegen. Beide Extremitätenpaare besitzen jedoch dieselbe Art der Gliederung und zeigen auch in der Anordnung ihrer Bestandtheile eine sehr grosse Analogie. Dieselben setzen sich aus einem oberen grösseren, einem mittleren und unteren kleineren Stücke zusammen. Das obere grössere Stück, der Oberarm für die obere, der Oberschenkel für die untere Extremität enthält nur einen, aber starken Röhrenknochen, welchen die Weichtheile umlagern. Der Oberarm artikulirt mit dem oberen Theile der Brust vermittelst der Scapula, welche mit dem andern Gürtelknochen der oberen Extremität, der Clavicula, seitlich und oben den Thorax überragt, wodurch es zur Bildung der Schulter kommt. Für den mit dem unteren Rumpfende artikulirenden Oberschenkel bildet das sich seitlich stärker ausdehnende Becken den Gürtelknochen der unteren Extremität, und zwar' führt hier die durch die Knochen gegebene seitliche Ausdehnung des unteren Rumpfendes den Namen Hüfte. Das mittlere Stück, der Vorderarm der oberen, der Unterschenkel der unteren Extremität, schliesst zwei Röhrenknochen ein und ist durch Gelenke sowohl mit dem oberen, wie mit dem unteren Endstück der Hand oder dem Fusse verbunden. Hand und Fuss setzen sich wieder aus drei gelenkartig verbundenen Abtheilungen zusammen, von welchen die vorderste in je fünf getrennte Theilstücke zerfällt, die Finger der Hand, die Zehen des Fusses. Das Mittelstück von Hand und Fuss, die Mittelhand und der Mittelfuss, besitzen nahezu die gleiche Entwicklung. Dagegen ist das hintere Ende des Fusses, die Fusswurzel, viel stärker ausgebildet, als das hintere Ende der Hand, die Handwurzel, während andererseits die Finger der Hand länger und stärker sind als die Zehen des Fusses. Für den Arzt hat es ein gewisses Interesse, einige Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Grösse des menschlichen Körpers, namentlich auch rücksichtlich des Verhältnisses der Grösse einzelner Körpertheile zu einander zu besitzen. Abgesehen von den so zahlreichen individuellen Verschiedenheiten ist die Körperlänge abhängig von Alter und Geschlecht. Als mittlere Körperlänge des erwachsenen 1*

4

Einleitung.

Menschen kann 175 cm angenommen werden. Den Einfluss des Alters auf die Körperlänge ergibt unter Voraussetzung einer normalen Entwicklung folgende Zusammenstellung: Körperlänge des Neugeborenen 50 cm » am Ende des zweiten Lebensjahres . . . 91 » » » » » sechsten » . . . 125 » » » » » zehnten » . . . . 145 » » » » » sechszehnten » . . . . 165 » » » » » fünfundzwanzigsten Lebensjahres 175 » Den Einfluss des Geschlechtes auf die Körperlänge kann man im Allgemeinen in der Art festsetzen, dass man, den verschiedenen Altersgrenzen entsprechend, den zwölften Theil der Länge des menschlichen Körpers bei dem weiblichen in Abzug bringt. Die Breite des menschlichen Körpers, worunter ich die Entfernung derSpifzen der Mittelfinger der rechten und linken Hand bei vollkommen ausgestreckten Armen verstehe, entspricht unter allen Verhältnissen ziemlich genau der Körperlänge. Die Tiefendimension des Körpers wechselt in den verschiedenen Abtheilungen des Stammes so bedeutend, dass davon erst bei der speciellen Beschreibung dieser Abtheilungen die Rede sein kann. Dagegen scheint hier der Ort zu sein, noch einiges über die Mitte der Körperlänge, über das Verhältniss der Kopflänge zur Körperlänge, sowie über die Längenverhältnisse beider Extremitäten zu einander anzuführen. Bei dem Neugeborenen fällt die Mitte der Körperlänge zusammen mit dem Nabel oder liegt ein wenig über dem Nabel. Mit der fortschreitenden Entwicklung und dem stärkeren Wachsthum der unteren Extremitäten senkt sich der Halbirungspunkt der Körperlänge immer mehr, so dass er nach vollendetem siebenten Lebensjahre bereits an dem oberen Rande der Schoossfuge angekommen ist und bei dem Erwachsenen sich einige Centimeter unter letzterem Punkte befindet. Was das Verhältniss der Kopflänge, d. h. des Abstandes des Kinnes von der Scheitelhöhe betrifft, so giebt darüber für mittlere normale Verhältnisse folgende Tabelle Aufschluss: Bei dem Neugeborenen ist die Körperlänge gleich 4 Kopflängen » » zweijährigen Kinde ist die Körperlänge gleich 5 » » » siebenjährigen » » » » » 6 » » » vierzehnjährigen» » » » » 7 » » » Erwachsenen » » » » » 7 '/* »

Einleitung.

5

Die Lauge der Extremitäten bestimmt man am Lebenden in der Art, dass man als Ausgangspunkt für die obere Extremität den Stand des immer durch die Haut leicht fühlbaren Acromions und für die untere die Spitze des Trochanter major wählt. Der Endpunkt ist für die obere Extremität in der Spitze des Mittelfingers und für die untere in der Fersensohle gegeben. Bei mehreren vollkommen normal gebildeten jungen Männern mittlerer Grösse fand ich übereinstimmend für die Länge der oberen Extremität 73 und für die der unteren 98 cm, so dass es wohl erlaubt ist, das Verhältniss der Länge der oberen Extremität zu jener der unteren als das von drei zu vier zu bezeichnen.

Der Kopf. Allgemeines.

Der Kopf des Menschen hat die Gestalt eines unregelmässigen, vorn und unten comprimirten Ovals, dessen längster Durchmesser leicht schräg von hinten nach vorn von dem hervorragendsten Theile des Hinterhauptes nach der Spitze des Kinns verlauft. Dieser längste Durchmesser fällt aber nicht in die Mitte des Ovals, sondern liegt der unteren Fläche desselben beträchtlich näher. Die Gelenkverbindung des Kopfes mit dem Halstheil der Wirbelsäule entspricht nicht dem Halbirungspunkte dieses längsten Durchmessers, sondern fällt in die Nähe der Grenze des hinteren und mittleren Drittheils desselben, hegt also beträchtlich hinter dem Schwerpunkte des Kopfes, welcher sich. in der Mitte des dritten Gehirn Ventrikels befindet. Aus diesem Verhältniss folgt, dass die Muskelkräfte, welche von hinten auf den Kopf wirken, viel mächtiger sein müssen, um den Kopf in dem Gleichgewicht zu erhalten, als jene, welche von vorn wirken, und dass der Kopf nach vorn sinkt, wenn diese Muskelkräfte, welche in dem starken Fleische des Nackens gegeben sind, in ihrer Wirksamkeit nachlassen, wie dieses z. B. während des Schlafens im Sitzen der Fall ist, wo sich das Kinn dem oberen Theile der Brustwand nähert. Während des Wachens compensirt aber die Kraft der Nackenmuskulatür nicht nur dieses auf mechanischen Verhältnissen beruhende Ueberfallen des Kopfes nach vorn mit Leichtigkeit, sondern der Mensch kann auch sein Gesicht in die horizontale Ebene bringen, den Blick nach dem Himmel gerichtet, eine Kopf Stellung, welche keinem andern Säugethier möglich und selbst bei den anthropomorphen Affen beschränkt ist.

Gewicht de»

Was das Verhältniss der Masse des Kopfes zu der übrigen Körpermasse betrifft, so lässt sich dieses durch das Gewicht bestimmen. Für den erwachsenen Menschen hat sich ergeben, dass im Mittel

Kopfes.

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

7

das Kopfgewicht den vierzehnten Theil des ganzen Körpergewichts beträgt. Nehmen wir als letzteres 70 kg an, so wird bei einem mittelgrossen Individuum der Kopf 5 kg schwer sein. Dieses mittlere Verhältniss unterliegt aber zahlreichen individuellen Verschiedenheiten, von welchen die wichtigste die von dem Alter abhängende ist. In dieser Beziehung gilt das Gesetz, dass bis zur vollständigen Entwicklung des Körpers das Kopfgewicht in dem Verhältniss zu dem Körpergewicht in dem Maasse abnimmt, als das Individuum älter wird. Daher haben Neugeborene in dem Verhältniss zu dem Körpergewicht die schwersten Köpfe. Die äusserlich wahrnehmbare Grenze zwischen Kopf und Hals Grenze beginnt an dem Kinn und lauft längs des unteren Randes des Unterkiefers bis zu dem Kieferwinkel. Von dem Kieferwinkel an bis zu dem Process. mastoid. bildet eine gebrochene Linie die Grenze zwischen Hals und Kopf in der Art, dass der eine Schenkel derselben horizontal von dem Kieferwinkel bis zu dem vorderen Rande des Muse, sternocleidomastoid. verlauft, während der andere sich längs des vorderen Randes dieses Muskels bis zu dem Proc. mastoid. hinzieht. Von hier an folgt die Grenze einer geraden Linie, welche von dem Proc. mastoid. nach der Protuberantia occipital. extern, gezogen wird und die an dem Knochen in der Linea nuchae super, gegeben ist. Bei der gewöhnlichen KopfStellung steht demnach das vordere Kopfende, das Kinn, beträchtlich tiefer als das hintere, die Protuberant. oeeipit. ext., und nur bei stärkster Contraction der Nackenmuskeln liegen beide in einer horizontalen Ebene. Rücksichtlich der Eintheilung des Kopfes folgt die topographische Topographische Anatomie der systematischen und trennt denselben in den Gehirn- des'^opfef theil oder Schädel und in den Gesichtstheil oder Gesicht. Diejenige Linie, welche äusserlich den Schädel von dem Gesichte scheidet, geht von der Glabella aus, folgt den Augenbrauen und dem oberen Rande des durch die Haut fühlbaren Jochbogens, schreitet dann über dem äusseren Gehörgang zu dem Process. mastoid und wendet sich von da längs der Linea nuchae super, zu der Protuberantia oeeipit. ext.

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel. Der Schädel ist mehr oder weniger stark gewölbt, bei verschiedenen Menschen aber sehr verschieden gestaltet. Diese wechselnden äusseren Gestaltverhältnisse hängen allein von der knöchernen

Allgemeine»,

8

Der Kopf.

Unterlage, den Schädelkuochen, ab, an welchen sich ausserordentlich zahlreiche Racen- und individuelle Verschiedenheiten geltend machen. An dem Schädel werden drei Durchmesser unterschieden: 1. der sagittale gerade, von vorn nach hinten gehend, erstreckt sich von der Glabella bis zu der Protub. occipit. ext. 2. Der frontale quere, geht von dem oberen Ende der Schuppe eines Schläfenbeins, welches 4 bis 4,5 cm direct über dem Kiefergelenk liegt, zu derselben Stelle der andern Schläfenbeinschuppe. 3. Der verticale, senkrechte, beginnt in der Medianlinie an dem vorderen Umfang des For. magn. und lauft lothrecht aufwärts zur Pfeilnaht. Bei der sogenannten mesocephalen Schädelbildung, von der die Mehrzahl der Schädel der meisten Culturvölker nur wenig abweicht, kann man folgende Verhältnisszahlen annehmen. Wird der sagittale Durchmesser gleich 100 gesetzt, so beträgt der frontale 90 und der verticale 87. In dem Maasse, als der eine oder der andere Durchmesser sich von diesen Verhältnisszahlen entfernt, ändert sich die mittlere mesocephale Schädelform. Man unterscheidet demnach: 1. Langköpfe, Dolichocephale, bei dem Überwiegen des sagittalen Durchmessers, 2. Breitköpfe, Brachycephale, bei zu langem frontalen Durchmesser, und 3. Spitzköpfe, Oxycephale, bei übermässiger Verlängerung des verticalen Durchmessers. Diese individuellen Ungleichheiten des Schädelumfangs sind die Ursache, wesshalb Kopfbedeckungen mit unnachgiebigen Wandungen, wie Helme, welche entsprechend der ovoiden Gestalt des mesocephalen Schädels angefertigt sind, durch örtlichen Druck um so mehr Unbequemlichkeiten verursachen, je mehr die Kopfbildung des betreffenden Individuums von der mesocephalen Schädelform abweicht. Die räumlich so ausgedehnte Schädelgegend gliedert sich in drei Unterabtheilungen, entsprechend den gleichartigen Gebilden, welche jeder Abtheilung eigenthümlich sind. Demnach zerfällt der Schädel: 1. in die Regio occipito-frontalis; 2. in die Regio temporalis; 3. in die Regio, mastoidea.

Der Gehirntlieil des Kopfes oder der Schädel.

Regio occipito-frontalis.

9

Regio occipito-frontalis. Die Regio occipito-frontalis hat eine unregelmässige rechteckige Gestalt mit längstem sagittalen Durchmesser. In dem Stirntheile der Gegend machen sich 7 bis 8 cm über der Mitte der Augenbrauen

Fig. 1. Seitenansicht des tiehirnschädels mit Arterien und Nerven. 1 Art. frontal. V Nerv. auriculo-temporalis. 2 Art. supraorbital. VI Nerv. auricul. post, profund. 3 Art. temporalis superficialis, sich über der VII Nerv. auricul. magnus. Ohrmuschel in den vorderen und hinteren VIII Nerv. occipital, minor, Ast theilend. IX Nerv. occipital, major, I Art zygomatico-orbltalis. a M U B C . frontalis, 5 Art. auricularis posterior. b Muse. occipitalis, 6 Art. occipitalis. c Muse. attollens auriculae, 7 Arterlelles Gefässnetz in der tiefen Lage d Muse. retrahent. auriculae, deB subcutanen Bindegewebes. e Muse. attrahens auriculae, I Nerv, infratrochlearis f Muse. trapezius. II Nerv, supratrochlearis. g Muse. sternocleidomastoid. III Nerv, supraorbital. h Muse. orbicularis oculi. IV Nerv, facialis.

die Stirnhöcker bemerklich, welche dem Kopfe, wenn sie in höherem Grade ausgebildet sind, einen ernsten denkenden Ausdruck geben. Weiter rückwärts auf der Höhe des Schädels, 6 bis 7 cm von der Pfeilnaht entfernt, prominiren mehr oder weniger stark die beiden

Aeussere configurfttlon

'

10

Grenzen.

schichten.

Haut

Der K o p f .

Scheitelhöcker, und an der hinteren Grenze der Gegend befindet sich in der Medianlinie der durch die Weichtheile fühlbare Hinterhauptshöcker, die Protuber. occipit. ext. Die Begrenzung der Reg. occipito-frontalis fällt vorn und hinten mit der bereits angegebenen Grenze des Schädels gegen Gesicht und Nacken zusammen, seitlich dagegen stösst sie an die Reg. temporalis und mastoidea. Die Linie, welche die Gegend von der Reg. temporal, trennt, ist an dem Knochen scharf durch die Linea semicircul. temporum gegeben und kann auch äusserlich bei vielen Individuen dann wahrgenommen werden, wenn der Muse, temporal, sich in dem Zustande starker Contraction befindet. Diese Begrenzungslinie ist natürlich gebogen und der Scheitel der Curve befindet sich 7 bis 8 cm über dem Kiefergelenk. Die Trennung von. der Reg. mastoid. bezeichnet eine horizontale Linie, welche, über dem äusseren Gehörgang beginnend, nach dem vorderen Ende der Linea nuchae sup. verlängert wird. Die anatomische Zusammensetzung der Reg. occipito-frontal. ist nahezu in ihrer ganzen Ausdehnung die gleiche, und zwar unterscheidet man an derselben folgende Schichten: 1. Die Haut. 2. Das fetthaltige subcutane Bindegewebe. 3. Den Muse, occipito-frontal. mit seiner breiten aponeurotischen Zwischensehne, der Galea aponeurotica. 4. Das fettlose nachgiebige Bindegewebe unter der Galea aponeurot. 5. Das äussere Periost der Schädelknochen. 6. Die Schädelknochen. 7. Die Dura mater. 8. Die weichen Hirnhäute. 9. Der Inhalt der Schädelhöhle, das Gehirn. In dem Folgenden werden wir zunächst nur die fünf oberen Schichten rein topographisch, die knöcherne Schädelkapsel und deren Inhalt dagegen als Ganzes betrachten. 1. Die H a u t (Fig. 1. u. 2) ist unter normalen Verhältnissen nur. in dem Stirntheil der Gegend unbehaart und hier bei älteren Personen leicht gefaltet. Mit der Entfernung von der vorderen Grenze der Gegend nimmt die Haut an Dicke zu und wird in der Höhe der Kranznaht, wo die Behaarung bei den meisten Menschen beginnt, so dick, dass sie an Stärke die Haut fast aller anderen Körpergegenden übertrifft. Die Haare (Fig. 2. 3) sind schräg in die

Der Gehirntheil des Kopfea oder der Schädel.

Regio occipito-frontalis.

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Haut eingepflanzt und die Bälge erstrecken sich tief in das fetthaltige subcutane Bindegewebe. Dagegen liegen die zahlreichen kleinen Talgdrüsen, von denen jeder Haarbalg mindestens zwei hat, noch in der Cutis und sind schon dem unbewaffneten Auge als äusserst feine weissliche Punkte kenntlich; in practischer Beziehung sind diese Drüsen als Ausgangspunkte der auf dem Kopfe nicht seltenen Balggeschwülste von einer gewissen Bedeutung. 2 . D a s s u b c u t a n e f e t t h a l t i g e B i n d e g e w e b e (Fig. 2 . 4) bildet eine 4 mm starke Lage, welche ebenso innig mit der darüber

Fig. 2. Frontalschnitt durch die Weichtheile und Knochen der Sch&deldecke eines 24 jährigen Mädchens in der Scheitelhöhe. Zweimalige Vergrösserung. 1 2 3 4 5

Epidermis. CutlB. Haarbälge mit Haaren. Subcutanes Bindegewebe mit Fettpropfen. Durchschnitte von Blutgefässen, Arterien und Venen 6 Oalea aponeurotica. 7 Subepicraniales Bindegewebe.

8 Periost. 9 Osteogene Periostealschicht.' 10 Aeuaaere compacte Substanz der knöchernen Schädeldecke. 11 Diploö. 12 Innere compacte Substanz der knöchernen Schädeldecke. 13 Pfeilnaht.

Hegenden Cutis, als mit der darunter hegenden Galea aponeurotica verwachsen ist. Im Gegensatz mit dem Fett führenden Bindegewebe anderer Körperstellen ist das subcutane Bindegewebe der Kopfhaut ungemein fest, unnachgiebig und die Fettpropfen sind in die Maschen des straffen Bindegewebes gleichsam eingepresst. Bei der Ablösung der Kopfhaut werden meist wegen der innigen Verbindung des subcutanen Bindegewebes mit der Galea die drei oberen Lagen gemeinsam entfernt (Scalpiren) und aus demselben Grunde ist die reinliche Präparation der Galea ungemein schwierig; selbst bei der sorgfältigsten Behandlung werden immer Reste des fetthaltigen

unterhautbinde£ewebe

'

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Der Kopf.

subcutanen Bindegewebes an derselben haften bleiben. Eine weitere Eigentümlichkeit des subcutanen Bindegewebes, auf welche wir später ausführlicher zurückkommen werden, ist die, dass in demselben zahlreiche grössere arterielle und venöse Gefässe (Fig. 2. 5) verlaufen. Musculus epi3. Die d r i t t e L a g e der Reg. occipito-frontal. (Fig. 2. 6) ist von cranius. niuskulös sehniger Beschaffenheit und wird, je nachdem mehr auf den muskulösen, oder auf den sehnigen Bestandtheil derselben Nachdruck gelegt wird, als Muse, epicranius, oder als epicraniale Aponeurose, Galea aponeurotica beschrieben. Dieselbe setzt sich aus zwei paarigen Muskeln, von welchen der vordere der Stirne, der hintere dem Hinterhaupt angehört, und einer zwischen beiden Muskelpaaren ausgespannten häutigen Sehne zusammen, welche jedoch seitlich weit die Gegend überragt und sich noch über die ganze Reg.' temporal, ausdehnt. Der fächerförmige dünne Stirnmuskel (Fig. 1. a) entspringt von dem Margo supraorbital, des Stirnbeins, steht jedoch nur wenig direct mit dem Knochen in Verbindung, sondern seine Fasern kommen hauptsächlich von dem fibrösen Wulst der. Augenbrauen, fiiessen aber auch vielfach gegen die Medianlinie mit den Bündeln des Muse, corrugator supercilii und des Muse, orbicularis palpebr. zusammen. In einer Entfernung von beiläufig 6 cm von dem Supraorbitalrand gehen die leicht divergirenden und sich im Aufsteigen verdünnenden Stirnmuskeln etwas abgerundet in die Aponeurose über. In den Divergenzwinkel der beiderseitigen Frontalmuskeln schiebt sich zwickelartig die Galea ein. Der um die Hälfte kleinere und noch dünnere Muse, occipital. (Fig. 1. b) besitzt eine nahezu viereckige Gestalt und entspringt von der medialen Hälfte der Linea nuchae sup. Die Muskeln beider Seiten divergiren beim Aufsteigen gleichfalls, sind aber hinten durch die Protuberant. oeeipit. ext., an welcher die Galea direct befestigt ist, von einander getrennt. Die der Pars tendinea des Zwergfells ähnliche dünne, die Muse, frontal, und occipital. verbindende Zwischensehne ist membranartig über den muskelfreien Theil der Gegend ausgebreitet, und zwar besteht dieselbe, wie man an der unteren glatten Fläche leicht beobachten kann, vorwaltend aus sagittalen Faserzügen. Die meisten Menschen können nur den Muse, frontal, in Verbindung mit dem Muse, corrugat. supercil. contrahiren, wodurch die Stirnhaut in Querfalten gelegt wird. Einzelne haben aber auch den Muse, oeeipit. in der Gewalt. Wird nun altemirend der Muse, frontal, und oeeipit. contrahirt, so wird die Kopfhaut mit den

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Regio occipito-frontalis.

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Haaren vor- und rückwärts geschoben, was davon herrührt, dass die Galea mit der Kopfhaut sehr stramm, mit dem unterliegenden Periost aber nur sehr nachgiebig verbunden ist. 4. Das s u b e p i c r a n i a l e B i n d e g e w e b e (Fig. 2. 7) ist im subepicraniaies Gegensatz zu dem subcutanen sehr weitmaschig, daher lax, nach- Bindeeewebe " giebig und ganz frei von Fetteinlagerung. Die Resistenz desselben ist so gering, dass die Galea mit der Haut sich fast ohne Messerhülfe von dem Periost abziehen lässt. Nach Einstichsinjectionen zur Darstellung der Lymphgefässe der Kopfhaut füllen sich auch zahlreiche Lücken dieses Bindegewebes und durch die Silbermethode gelingt es, einen endothelialen Beleg an den Wandungen dieser Lücken nachzuweisen. 5. Das P e r i o s t , auch Pericranium genannt (Fig. 2. 8), unter- Periost, scheidet sich durch zwei Punkte von dem Periost anderer Gegenden, einmal durch die schwache Adhärenz an dem unterliegenden Knochen und dann durch den geringen Reichthum an Gefässen. Was die erstere betrifft, so kann man ohne grosse Mühe das Periost auf lange Strecken von den Schädelknochen des Erwachsenen ablösen und nur an den Nähten ist dieses unmöglich, da sehnige Fortsätze des Periosts in die Nahtfugen eindringen. Der geringe Gefässreichthum des Periosts der knöchernen Schädeldecke erklärt gewisse Erscheinungen, von denen die Nekrose und Reproduction von Knochensubstanz dieses Skelettheils begleitet ist. Uebrigens kommen an vielen Stellen Blut- und Lymphgefässverbindungen zwischen dem äusseren und inneren Periost des Schädeldaches, der Dura mater vor, welche durch den dazwischen liegenden Knochen gehen, im höheren Alter aber vielfach obliteriren. Die A r t e r i e n der Reg. occipito-frontal. sind mit Ausnahme Arterien, jener des Stirntheils, welche vermittelst der Art. ophthalm. aus der Art. carotis int. kommen, Aeste der Art. carot. ext. Aus der Art. ophthalm. stammen die Art. frontal, und supraorbital. Die erstere, der mediale Endast der Art. ophthalm. (Fig. 1. 1), welcher mit der Art. angular. anastomosirt, steigt neben der Nasenwurzel, 1 cm von der Medianlinie entfernt, zunächst durch das Fleisch des Stirnmuskels in die Höhe, und zwar nur wenig divergirend. Die genaue Bestimmung der Entfernung der Arterie von der Medianlinie erhält für die Nasenbildung aus der Stirnhaut eine practische Bedeutung, insofern es für den Erfolg der Operation nicht vortheilhaft ist, wenn zu viele Arterien in den von der Stirn genommenen Hautlappen einbezogen werden. Die zweite, in der Regel schwächere, Art. supra-

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Der Kopf.

orbital. (Fig. 1. 2) biegt durch das Foramen oder die Incisura supraorbit., welche 2,5 cm von der der Medianlinie entfernt liegt, nach oben um und theilt sich alsbald in einen schwächeren, tieferen, zu dem Periost gehenden, und in einen stärkeren Zweig, der iii dem subcutanen Bindegewebe zwischen Haut und Stirnmuskel ziemlich gerade aufsteigt. Die Art. temporal, superfic. (Fig. 1. 3) theilt sich bereits in der Reg. tempor. in einen vorderen und hinteren Ast; der erstere gelangt in einer Entfernung von 2 cm rückwärts von dem Proc. zygomat. des Stirnbeins, der letzere über der Ohrmuschel in die Reg. occipito-frontal., worauf sich beide in zahlreiche Zweige auflösen. Hinter der Ohrmuschel erstrecken sich noch vereinzelte Endzweige der Art. auricul. post. (Fig. 1. 5) in unsere Gegend. Etwas mehr als das hintere Drittheil der Gegend wird von der stärksten der hierher gehörigen Arterien, der Art. occipital. (Fig. 1. 6) versorgt. Unmittelbar unter der Linea nuchae sup. wird die Arterie in einer Entfernung von 3 cm von der Medianlinie oberflächlich und verlauft, in mediale und laterale Aeste getheilt, zur Schädelhöhe. Ausser der spiral gewundenen Verlaufsweise, welche särnmtlichen Arterien der Schädeldecke und deren Verästelungen eigenthümlich ist, sind es zwei weitere Punkte, wodurch sich die Arterien unserer Gegend auszeichnen, nämlich durch ihre Neigung zur Bildung von Anastomosen und ihre rein subcutane Lage. Was die erstere betrifft, so finden sich nicht nur zahlreiche Anastomosen zwischen den Seitenästen der Arterien, sondern auf dem Hochplateau des Schädels existirt ein reiches Netz von Arterien (Fig. 1. 7), die in dem injicirten Zustand über 1 mm stark sind. Die Wurzeln dieses Netzes sind vorn in den Stirnarterien, seitlich in den beiden Aesten der oberflächlichen Schläfenarterie und hinten in der Art. occipital. gegeben. In dem Netze selbst ist es aber unmöglich, zu bestimmen, ob eine der in dasselbe eingetretenen Arterien von dieser oder jener Wurzel stammt. Da der Durchmesser der Maschen dieses Netzes kaum 1 cm beträgt, so ist auf der Schädeldecke ein Reichthum arteriellen Blutes in flächenartiger Ausbreitung vorhanden, wie dieses in gleicher Weise kaum in einer andern Körpergegend der Fall sein dürfte. Dieser grosse Blutreichthum erklärt auch die starken Blutungen, von welchen bis zur Galea eindringende Kopfwunden gewöhnlich begleitet sind, und ist der Grund für jene practische Vorschrift, nach der Hautstücke, welche nur durch eine schmale Brücke mit der Kopfhaut in Verbindung stehen, nicht entfernt werden dürfen, und zwar um so weniger, als wegen des straffen

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Regio occipito-frontalis.

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subcutanen Bindegewebes die Wundränder bei Substanzverlust sich nicht gut zusammenziehen lassen und daher zur Eiterung Veranlassung geben. Rücksichtlich der Lage unterscheiden sich die Arterien der Schädeldecke gleichfalls von jenen anderer Körpertheile; denn in der Regel liegen alle stärkeren Arterien unter den Aponeurosen, und nur schwache Aestchen, welche alsbald in Capillaren übergehen, durchsetzen die letzteren; in unserer Gegend sind aber alle Arterien über der Aponeurose, d. h. der Galea in den tieferen Schichten des subcutanen Bindegewebes gelagert. Da dieses Gewebe besonders straff und unnachgiebig ist, so setzt es, als mit der äusseren Arterienhaut verwachsen, der Retraction und der Zusammenziehung einen Widerstand entgegen und wird so zu einer neuen Ursache von profusen Blutungen der Kopfwunden. Auch sind aus diesem letzteren Grunde die Arterien der Gegend der Ligatur und Torsion nicht gut zugänglich, lassen sich aber wegen der festen knöchernen Unterlage leicht comprimiren. Aus dem arteriellen Netze der Kopfhaut gehen nur wenige kleinere Gefässe zu dem Periost, welches nicht sehr blutreich ist. Einzelne Arterien treten aber auch durch den Knochen zur Dura mater, grössere als Art. meningeae durch das For. mastoid. und parietale. In den bindegewebigen Wandungen dieser Arterien sowie der ihnen homologen Venae emissareae kriechen, den perivasculären Lymphbahnen folgend, die phlegmonösen Entzündungen der Schädeldecke, mögen sie nun subcutan oder subepicranial sein, weiter nach den Hirnhäuten. In dieser Fortpflanzung der Entzündung auf den Inhalt des Schädels haben die bei Kopfverletzungen und Erysipelen so gefürchteten Hirnerscheinungen ihren Grund. Die V enen des Schädeldaches sind theils subcutan, theils ge- venen. hören sie dem Knochen an, bekannt unter dem Namen der Venae diploeticae, theils vermitteln sie als sogenannte Venae emissariae eine Verbindung des intracranialen Venensystems der Sinus mit den subcutanen Venen. Die letzteren begleiten die Arterien, und wie ein arterielles, so existirt auf der Schädelhöhe auch ein venöses Netz. Jede Arterie ist übrigens hier nicht wie an anderen Orten von zwei, sondern nur von einer Vene begleitet; zugleich liegen die Venen unter den Arterien unmittelbar auf der Galea auf, welche bisweilen sogar Eindrücke von denselben erhält. Das Blut dieses venösen Netzes wird nach vorn abgeführt durch die Ven. frontal, und supraorbital., seitlich durch die Ven. temp. superficial, und hinten durch die Ven. occipital.

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Der Kopf.

Die Ven. front., auch Vena praeparata oder iracundiae genannt, verlauft unmittelbar unter der Haut und hängt mit der gleichen Vene der andern Seite, deren Abstand in der Regel nur 1,5 cm beträgt, durch Queranastomosen mehrfach zusammen. Bisweilen ist nur eine mittlere unpaare Stirnvene vorhanden, welche sich erst in der Nähe der Nasenwurzel gabelig theilt, womit die Anfänge der Ven. facial. ant. gegeben sind. Die Ven. front, steht in constanter Verbindung mit der Vena ophthalm., welche bekanntlich in den Sin. cavernos. mündet; daher existirt auch hier eine Communication der extracranialen Venen der Schädeldecke mit dem intracranialen Venensystem. Die Ven. supraorbital, tritt medial von der gleichnamigen Arterie durch die Incisura supraorbit. aus, nimmt Ven. diploeticae frontal, auf, ist übrigens schwächer, als die Ven. frontal., mit der sie regelmässig anastomosirt. Die Ven. tempor. ant. und post. vereinigen sich in Begleitung der gleichnamigen Arterien zu der Ven. temp. superficial., deren Blut theils in die Ven. fac. post., theils in die Ven. jugul. ext. fliesst. Die bisweilen auch doppelt vorhandene Ven. occipital. begleitet die Arterie bis an die obere Grenze der Nackengegend, dann aber trennt sie sich von derselben und mündet nicht in eine der Jugularvenen, sondern in eine Nackenvene, Lymphgedsse. Die L y m p h g e f ä s s e der Reg. occipito-frontal. nehmen ihren nächsten Ursprung aus einem feinen Netze, welches der Cutis, angehört. Dieses Netz steht sowohl mit den Lymphbahnen des subepicranialen Bindegewebes wie mit den intracranialen Lymphgefässen durch Verbindungsäste, welche die auch für Blutgefässe bestimmten Löcher der knöchernen Schädeldecke durchsetzen, in directer Communication. Die abführenden grösseren Lymphstämme werden in vordere, seitliche und hintere geschieden. Die vorderen stehen mit den Gesichtsnetzen in unmittelbarer Verbindung und führen grossentheils zu den Lymphdrüsen der Parotidengegend. Reichlicher sind die seitlichen und am reichlichsten sind die hinteren Lymphgefässe des Schädels; erstere stehen mit den Lymphdrüsen, die auf und unter dem oberen Ende des Muse, sternocleidomastoid. sich finden, in Verbindung, letztere dagegen mit den Nackendrüsen. Nerven. Die N e r v e n , welche die vorderen und seitlichen Bezirke der Reg. occipito-frontal. versehen, sind Hirnnerven, und daher tritt an denselben eine Sonderung der sensiblen und motorischen Elemente hervor; der hintere Bezirk dagegen wird mit Ausnahme des Muse.

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Regio occipito-frontalis.

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occipital., der einen Zweig des Nerv, auricul. post. von dem motorischen Gesichtsnerven erhält, von Rückenmarksnerven versorgt. Die sensiblen Nerven der Stirne sind Zweige des dem ersten Quintusaste angehörigen Frontalnerven und werden als Nerv, supraorbitalis und Nerv, supratrochlearis angeführt. Der Nerv, supraorbital. (Fig. 1. III) tritt mit der gleichnamigen Arterie und Vene durch das Foram. oder die Incisura supraorbital, aus der Augenhöhle zur Stirne, und zwar ist hier das Lageverhältniss der drei Theile zu einander so, dass die Arterie lateral, die Vene medial und in der oberen Furche zwischen beiden Gefässen der Nerv gelegen ist. Da die Stirnnerven zur Beseitigung hartnäckiger Neuralgien bisweilen durchschnitten werden, ist es für den Praktiker wichtig, genau die Austrittsstellen derselben aus der Orbita zu kennen. Ist, wie in der Mehrzahl der Fälle, kein Foramen, sondern eine Incisura supraorbit. vorhanden, so ist dieselbe an dem oberen Orbitrairande zu fühlen. Kann aber eine Incisura nicht gefühlt werden, so ist die laterale Grenze des medialen Dritttheils des Oberaugenhöhlenrandes, von dem medialen bis zu dem lateralen Augenwinkel gerechnet, als Austrittsstelle des Nerv, supraorbitalis anzunehmen. Der Nerv, supratrochlearis (Fig. 1. II) verlässt die Augenhöhle über der Rolle des Muse, obliq. sup. Die Mitte einer Linie, welche von der eben bestimmten Austrittsstelle des Nerv, supraorbitalis nach der Medianebene der Nasenwurzel gezogen wird, entspricht ziemlich genau dem Punkte, an welchem der Nerv, supratrochlear. zur Stirn umbiegt. Die Muse, frontal, und corrugator supercilii erhalten ihre Nerven von den obersten Fäden des Pes anserinus maj. des Nerv, facial. (Fig. 1. IV), wesshalb bei Lähmungen dieses Nerven die Stirnhaut nicht mehr in Falten gelegt werden kann. Die seitliche Partie unserer Gegend erhält vor den Ohren ihre sensiblen Nerven von der Endausbreitung des Nerv, auriculo-temporal. (Fig, 1. V), einem Zweige des dritten Quintusastes. Weiter rückwärts hinter dem Ohre breitet sich der längs des hinteren Randes des Muse, sternocleidomast. aufsteigende Nerv, occipital. min. (Fig. 1. VIII) ein Zweig des Plexus cervical., und ganz hinten der viel stärkere Nerv, occipital. maj. (Fig. 1. IX), der hintere Ast des zweiten Halsverven aus. Der letztere Nerv durchbricht 1,5 cm abwärts von der Protuberant. occipital. ext. und 2 cm von der Medianebene entfernt die Insertion des Muse, cucullaris und steigt dann unter Abgabe zahlreicher Aeste, welche, wie alle diese Nerven, in dem subcutanen Bindegewebe verlaufen, aufwärts zur Schädelhöhe unter Eingehung reichlicher Anastamosen mit den von den anderen Seiten kommendenNerven. G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

2

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Der Kopf.

Regio temporalis.

grenzen und

Die topographische Anatomie begreift unter dem Namen Schläfenr

figuration.

gegend einen grösseren Bezirk des seitlichen Schädelgewölbes, als man sonst darunter versteht, da gewöhnlich nur die seitlich von der Stirn gelegene unbehaarte Kopfpartie mit dem Namen »Schläfe« bezeichnet wird. Die Regio temporal, erstreckt sich nämlich über jene ganze Abtheilung des Muse, temporal., welche oberhalb des Jochbogens liegt. Dieselbe hat eine fächerförmige Gestalt und wird oben durch eine halbkreisförmige Linie begrenzt, welche oberhalb' des vorderen Endes des Jochbogens an dem hinteren Rande des Jochbeins beginnt, zu dem Process. zygomat des Stirnbeins aufsteigt und sich von da, der Linea semicircul. temporum folgend, bis zu der Wurzel des Process. mastoid. erstreckt. Die Sehne dieses mehr als halben Kreises bildet eine horizontale Linie, welche, in dem oberen Rande des Jochbogens gegeben, sich über den äusseren knöchernen Gehörgang hinzieht und an dem hinteren Rande der Wurzel des Process. mastoid. ihr Ende erreicht. Da der obere Rand des Jochbogens, der äussere Gehörgang, sowie der Process. mastoid. auch an dem nicht skelettirten Kopfe leicht zu fühlen sind, so hat an dem Lebenden die Bestimmung der unteren Grenze der Gegend keine besondere Schwierigkeit; zur Auffindung der oberen muss man die Contraction des Muse, temporal, zu Hülfe nehmen, und wenn diese nicht ausreichen sollte, kann man zu dem Scheitel der Linea semicircul. tempor., welcher sich 7 bis 8 cm über dem Kiefergelenk befindet, zwei Curven ziehen, von denen die eine von dem Process. zygomat. des Stirnbeins, die andere von dem hinteren Rande der Wurzel des Process. mastoid. ausgeht. Was die äussere Configuration der Gegend betrifft,' so wird der grössere Theil ihres hinteren Umfanges von den beiden oberen Drittheilen der Ohrmuschel überragt. Die ganze Gegend aber erscheint mehr oder weniger stark gewölbt, was von der Entwicklung des Muse, temporal., hauptsächlich aber von der Menge des denselben deckenden Fettes abhängt. Mit dem Schwunde des letzteren wird der obere Jochbogenrand auch für das Auge kenntlich und bei hochgradiger Abmagerung wird über dem Jochbogen eine flache Grube bemerkbar.

Äussere Con-

°

') Unter Wurzel des Process. mastoid. verstehe ich jenen Theil dieses Fort• satzes, welcher durch eine horizontale Linie, die eine nach hinten gehende Verlängerung des oberen Jochbogenrandes darstellt, geschnitten wird.

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Regio temporalis.

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Die richtigste Vorstellung von den in der Temporalgegend über r o ö

DIe dnrch dle

Fascia tempo-

einander liegenden Theilen und ihres Verhältnisses zur knöchernen raus gegebene Schädelwand giebt die Untersuchung eines frontalen Kopfschnittes, ^obei^ächdessen vertikale Ebene etwa durch die Mitte des Jochbogens gelegt Iichei„"te1®und ist (Fig. 3). An einem solchen Schnitt fällt vor allem ein derbes fibröses Temporairaum. Blatt in die Augen, welches, an der Linea semicircular. temporum beginnend, sich an dem Jochbogen straff inserirt. Dieses Blatt, Fascia temporal, genannt (Fig. 3. 6), scheidet die Bestandteile der Schläfengegend in die oberflächlichen Lagen, welche, wenn auch etwas modificirt, die gleichen sind, wie jene der Reg. occipito-frontal. und in die tiefen, welche der Reg. temporal, allein angehören. Dadurch, dass die Fascia temporal, ihren Ursprung an der halbkreisförmigen Linie des Schädels nimmt, welche die Grenze zwischen Reg. occipito-frontal. und Reg. temporal, bildet, sich dagegen an dem Jochbogen ansetzt, entsteht zwischen der Fascie und den Schädelknochen ein eigener, von den tiefen Schichten der Schläfengegend ausgefüllter Raum, den wir den Temporalraum nennen wollen. Dieser für die Beurtheilung pathologischer Zustände der Schläfengegend wichtige Raum ist oben und hinten eng, erweitert sich aber in dem Maasse, als er sich dem Process. zygomat. des Stirnbeins und dem Jochbogen nähert, wo derselbe eine Tiefe von beiläufig 2 cm besitzt. Ein weiter praktisch wichtiges Verhältniss des Temporalraums ist das, dass er oben und rückwärts in Folge der Verwachsung der Fascia temporal, mit der Linea semicircularis temporum hermetisch geschlossen ist, während er nach abwärts in offener Communication mit der Fossa zygomat. steht, und die in demselben gelegenen Theile unter dem Jochbogen in die Fossa zygomat. eintreten. Daher pflanzen sich Geschwülste mit der grössten Leichtigkeit aus einer Oertlichkeit in die andere fort, und es senkt sich der Eiter von den allerdings sehr seltenen Abscessen innerhalb des Temporalraums in die Fossa zygomat., während Abscesse, welche ihren Sitz über der Fascia temporal, haben, nach aussen aufbrechen. Betrachten wir nun zuerst die über und dann die in dem Temporalraum gelegenen Theile. Ueber dem Temporalraum liegen in der Richtung von aussen oberflächlichen schichten der , . nach innen: 1. Die Haut. 2. Das fetthaltige Unterhautbindegewebe. 3. Die Fortsetzung der Galea aponeurotica. 4. Das subepicraniale Bindegewebe.

Partie.

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Der Kopf.

Fig. s. Frontalschnitt durch die Temporalgegend in der Mitte des Jochbogens. 13 Muse, masteter, 1 Haut. 14 Unterkiefer. 2 Unterhautbindegewebe leicht mit Fett in15 Fetthaltiges Bindegewebe. flitrirt. 16 Muse, pterygoideus ezternus. 3 Galea aponeurotlca sich fortsetzend in 17 Muse, pterygoideus Internus. 4 die Fascia parotideo-masteterica. I Art. temporalis media. 5 Subepicraniales fettloses Bindegewebe 6 Fascia temporalis an den Jochbogen geII Art. temporalis profunda. heftet. III Art. maxlüarla Interna. 7 Frontal schnitt des Jochbogens. IV Art. menlngea media ausserhalb des 8 Fettlage unter der Fascia temporalis. Schädels. 9 Muse, temporalis. V Art. menlngea media innerh. d. Schädels 10 Schädelwand. VI Art. ophthalmica. 11 Mittlere Schadelgrube von derDuramater VII Zweiter Qulntusast In dem Foram. roaus gekleidet. tundum. 12 Vorderster Teil der Parotis.

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Regio temporalis.

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Im Allgemeinen kann man sagen, dass diese vier Lagen um so mehr die gleiche Beschaffenheit wie in der Regio occipito-frontalis haben, je weiter sie nach oben und hinten Hegen, während sie in der Nähe des Jochbogens wesentlich modificirt erscheinen. Die H a u t (Fig. 3, 1) ist in der vorderen unteren kleineren Abtheilung der Gegend unbehaart, dagegen in der hinteren grösseren mit Haaren versehen, welche unter allen Kopfhaaren in der Regel zuerst ergrauen. Der unbehaarte Theil der Haut ist zarter, dünner, nachgiebiger und leichter verschiebbar, während der behaarte alle Eigenschaften der übrigen behaarten Kopfhaut besitzt. Auch das s u b c u t a n e B i n d e g e w e b e (Fig. 3. 2) ist unter dem nicht behaarten Theil der Haut laxer, nachgiebiger und weniger fetthaltig, als unter dem behaarten, wo dasselbe die gleichen Eigenschaften hat, wie in der Reg. occipito-frontalis. Die G a l e a a p o n e u r o t i c a (Fig. 3. 3) wird in dem Maasse, als sie tiefer in der Schläfengegend herabsteigt, dünner, setzt sich jedoch nicht an den Jochbogcn an, sondern geht über denselben hinweg und verschmilzt schliesslich als äusserst dünne Lamelle mit der Fascia parotideo-masseterica. Von der äusseren Fläche des Schläfentheiles der Galea entspringen zwei in praktischer Beziehung ziemlich unwichtige, für die Bewegung des äusseren Ohres bestimmte Muskeln, die aber von den meisten Menschen nicht in Thätigkeit gesetzt werden können, der Muse, attollens auriculae (Fig. 1. c), eine dünne, ausgedehnte, fächerförmig gestaltete Fleischlage, deren unteres verschmälertes Ende sich über dem äusseren Gehörgang an die mediale Fläche der Ohrmuschel inserirt, und der Muse, attrahens auriculae (Fig. 1. e), der gleichfalls dünn, aber bandförmig von vorn und oben schräg nach unten und abwärts verlaufend, sich an der medialen Fläche der Crista helicis ansetzt. Das s u b e p i c r a n i a l e B i n d e g e w e b e (Fig. 3. 5), zwischen der Galea und der Fascia temporalis gelegen, ist lax, grossmaschig und wie auf der Scheitelhöhe frei von Fett. Die Hauptarterie der über dem Temporalraum gelegenen Schichten 6 »

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ist die Art. temporal, superficialis (Fig. 1. 3), deren Durchmesser nahebei 3 mm beträgt. Dieselbe wird in der Höhe des Jochbogens, über den sie hinweggeht, oberfläclilich und steigt 1 cm vor der Ohrmuschel, häufig geschlängelt verlaufend, aufwärts, um sich jedoch bald etwas nach vorn zu wenden. Die Arterie, in der tiefsten Schicht des subcutanen Bindegewebes gelagert, geht unter dem Muse, attollens auriculae durch und theilt sich 3 bis 5 cm oberhalb

Gcfä38e der

oberflächlichen

partie.

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Der Kopf.

des Jochbogens in den vorderen und hinteren Ast. Die Arterie gibt in der Temporalgegend zwei Zweige ab, einmal in der nächsten Nähe des Jochbogens die Art. temporal, media, welche alsbald die Fascia temporal, durchbricht, und dann die Art. zygomatico-orbital. (Fig. 1. 4), welche, oberflächlich bleibend, rein horizontal in der Höhe des lateralen Augenwinkels nach vorn verläuft und in der Regel von dem Stamme, seltener von dem vorderen Aste der Art. temporal. superfic. abgeht. Hinter der Arterie liegt die nur einfach vorhandene Vena temporal. superficial., welche aus den der Arterie homologen Aesten entsteht. Die ziemlich zahlreichen, dem subcutanen Bindegewebe angehörenden Lymphgefässe gehen über den Jochbogen weg, um sich in die um die Parotis gelegenen Lymphdrüsen einzusenken. Nerven der Die oberflächlichen Nerven der Schläfengegend sind theils sen0bCT 1Chen partie sibel, theils motorisch. Unter den ersteren ist der bedeutendere der Nerv, auriculo-temporalis oder temporal, superficial. (Fig. 1. V) von dem dritten Quintusaste, ein dünner Nerv, welcher dicht hinter dem Kiefergelenk um die hintere Wurzel des Jochbogens sich nach aufwärts schlägt und, über dem Jochbogen in den höheren Lagen des subcutanen Bindegewebes zwischen Art. und Ven. temporal, superficial. gelegen, die Haut der beiden hinteren Drittheile der Reg. temporal, versieht, aber noch weiter nach oben auch in der Reg. occipito-frontal. sich ausbreitet. Das vordere Drittheil der Haut der Schläfengegend wird von dem ganz feinen Schläfenzweig des Nerv, zygomaticus von dem zweiten Quintusaste betheiligt. Dieser Nerv gelangt durch den Canalis zygomatico-temporalis in die Fossa zygomatica, geht um den vorderen Rand des Schläfenmuskels herum nach aufwärts, durchbricht die Fascia temporalis und verbreitet sich alsdann in deT Haut der vorderen Schläfengegend. Die oberflächlichen motorischen Nerven der Reg. tempor. sind Glieder des Pes anserinus major des Nerv, facialis. Dieselben gehen, in dem Unterhautbindegewebe gelegen, über die beiden vorderen Drittheile des Jochbogens hinweg in die Schläfengegend und versehen als Rami frontales und orbitales des genannten Plexus die Muse, frontal, und orbicular. palpebr., aber auch den Muse, attollens und attrahens auriculae. schichten des An dem Temporalraum unterscheiden wir: T p 1 ™™ 1- Die Fascia temporalis, welche denselben als laterale Wand von den oberflächlichen Lagen der Schläfengegend abschliesst.

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Regio temporalis.

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2. Den Inhalt des Temporalraums, welcher aus einer oberflächlichen Fett- und einer mächtigeren tiefen Fleischlage besteht. 3. Die mediale Wand, welche in dem PeriosJ. desjenigen Theiles des Schädelgewölbes gegeben ist, welches die knöcherne Unterlage der Schläfengegend bildet. Die Fascia temporal. (Fig. 3. 6) ist eine sehr feste sehnenartig glänzende Membran, welche genau die Gestalt der Schläfengegend wiederholt, d. h. sie entspringt von der Linea semicircul. tempor. in inniger Verbindung mit "dem Periost und setzt sich an den Jochbogen an. Etwa 3 cm unterhalb der Ursprungsstelle theilt sich die Fascie in zwei durch fetthaltiges Bindegewebe geschiedene Lamellen, von welchen die eine mit der lateralen, die andere mit ,der medialen Fläche des Jochbogens oder eigentlich dessen Periost verwachsen ist. Von oben riach abwärts nimmt die Stärke der Fascia temporal, und damit ihre Widerstandsfähigkeit zu. Der Schläfenmuskel (Fig. 3. 9) bildet den Hauptinhalt des Schläfenraumes. Derselbe, wie die ihn deckende Fascie fächerförmig gestaltet, entspringt von der Linea semicircular. tempor. an, von dem Periost, d. h. von der medialen Wand des Temporalraums und von der oberen Hälfte der Fascia temporal. Die hintersten Faserbündel des Muskels halten eine fast horizontale Richtung ein, welche bei den vordersten zu der rein verticalen wird. An dem Ursprung, der Lin. semicircul. temp. ist der Muskel dünn und breit, verschmälert sich aber in demMaasse, als er sich dem Jochbogen nähert, wobei er aber in der Tiefendimension gewinnt, so dass er unmittelbar über dem Jochbogen mehr als 1 cm dick, durch seine Stärke zu einem Schutzmittel für die hier dünne Schädelwand wird. Beiläufig 4 cm über dem Jochbogen liegt der Muskel nicht mehr der Fascia temporal, an, sondern wird von derselben durch eine nach abwärts an Masse zunehmende Fettlage (Fig. 3. 8) geschieden, welche auch in die Fossa zygomatica eintritt. Dieses Fett ist die Ursache, dass bei den meisten Menschen die Conturen des Jochbogens nicht sichtbar sind, welche aber deutlich hervortreten, wenn eine beträchtliche Abmagerung und damit Schwund dieses Fettes eintritt, wobei dann über dem Jochbogen eine seichte Vertiefung bemerklich wird. Das Periost oder die mediale Wand des Temporalraums ist viel dünner und hängt inniger mit der knöchernen Schädelkapsel zusammen, als dieses bei dem Periost der Reg. occipito-frontal. der Fall ist. Von der äusseren Fläche des Periosts entspringt die Hauptmasse der Bündel des Temporalmuskels.

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Der Kopf.

Geßsse des Di e Arterien des Temporalraumes sind die Art. temporal, media ^aJims?1" (Fig. 3. I) und die Arteriae temporal, profundae (Fig. 3. II). Die erstere durchbricht, ganz kurz nach ihrem Abgang von der Art. temporal, superfic. die Fascia tempor. und breitet sich hauptsächlich in dem Fett des Temporalraums aus, während die beiden Art. temporal, profundae, welche von der Art. maxillaris interna stammen, sich um die Schädelwand in der Art nach aufwärts schlagen, dass die vordere auf dem grossen Keilbeinflügel, die hintere auf dem vorderen Drittheil der Schläfenbeinschuppe in die Höhe geht. Der Eintritt beider Arterien in den Muskel geschieht von dessen medialer Fläche aus. In der Schädelhöhle liegt der knöchernen Unterlage der Temporalgegend hart an die ziemlich starke Art. meningea media (Fig. 3. V), ein Umstand, der bei mit Knochenbruch verbundenen Verletzungen der Temporalgegend deshalb zu berücksichtigen ist, weil die die Verletzung etwa begleitende arterielle Blutung aus drei ziemlich nahe aneinander liegenden Arterien herrühren kann. Vgl. Fig. 3. I. II und V. Die Venen des Temporalraumes begleiten die Arterien. Die Lymphgefässe gehen unter dem Jochbogen in die Fossa zygomatica und stehen mit den oberen seitlichen Lymphdrüsen des Pharynx in Verbindung. Nerven des Die zwei oder drei Nerven des Muse, temporal., Nerv, temporal. ^aum™1 profundi, zweigen sich von dem dritten Quintusaste, ganz kurz nachdem er durch das Foramen ovale getreten ist, lateral ab, schlagen sich um die Schädelwand nach aufwärts herum und treten, wie die Arterien von der medialen Fläche aus in den Muskel.

Regio mastoidea. Allgemeines.

Diese weitaus kleinste der drei Schädelgegenden hat als knöcherne Unterlage den Processus mastoideus, der sich durch die Haut viel besser fühlen als sehen lässt. Dieser Fortsatz ist bei verschiedenen Personen verschieden stark entwickelt, wesshalb die Reg. mastoid. in dem einen Falle mehr hervortritt und ausgedehnter erscheint, als in dem andern. Nach ihrer äusseren Configuration lässt sich die Gegend im Allgemeinen als ein mehr oder weniger prominirendes Dreieck bezeichnen, dessen Basis nach oben und dessen abgestumpfte Spitze nach unten gerichtet ist. Die Begrenzung der Gegend nach oben gegen die Reg. temporal, und occipito-frontal. ist in der horizontalen Linie gegeben, welche

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Regio mastoidea.

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als Fortsetzung des Jochbogens nach hinten die bereits oben erwähnte Wurzel des Process. mastoid. schneidet, nach unten gegen die seitliche Halsgegend in dem mehr dem Tast- als dem Gesichtssinn zugänglichen abgestumpften Ende des Process. mastoid. Als vordere Grenze gegen das Ohr kann man die Furche, welche die Ohrmuschel mit dem Process. mastoid. bildet, oder eigentlich richtiger den vorderen durch die Haut fühlbaren Rand dieses Fortsatzes betrachten, vor welchem nach oben sich der knorpelige äussere Gehörgang und nach unten die weiche Masse der Parotis durch die Haut fühlen lässt, während als hintere Grenze gegen den Nacken der durch die Haut gleichfalls fühlbare hintere Rand des Fortsatzes erscheint. Der auf einander folgenden Gewebelagen gibt es in der Reg. Schichtcn.j mastoid. folgende sechs: 1. Die Haut. 2. Das Unterhautbindegewebe. 3. Die Musculi retrahentes auriculae. 4. Die sehnigen Insertionen der an dem Process. mastoid. sich ansetzenden Muskeln. 5. Periost. 6. Knochen. Die unbehaarte Haut der Gegend ist glatt, dünn und nur ganz wenig verschiebbar, was von dem straffen, fettlosen subcutanen Bindegewebe herrührt. In diesem straffen Gewebe verliert sich die Galea aponeurotica und es deckt dasselbe ein oder zwei dünne bandartige Muskeln, welche in der Nähe der oberen Grenze der Gegend von dem Process. mastoid. abgehen und, horizontal nach vorn verlaufend, sich in der Mitte der medialen Fläche der Ohrmuschel inseriren. Zwischen und unter diesen Muse, retrahentes auriculae (Fig 1. d.) in der Furche zwischen Ohrmuschel und Knoehen findet sich gleichfalls unnachgiebiges straffes Bindegewebe, das eine unmittelbare Fortsetzung des subcutanen ist. Das an sich schon dicke Periost, welches ungemein fest mit dem Knochen zusammenhängt, verdickt sich noch mehr durch die sehnigen Ansätze von drei Muskeln, von welchen der Muse, sternocleidomastoid. lateral, und hinten der Muse, splenius capitis und unter diesem der Muse, trachelomastoid. nur von hinten zu dem Knochen tritt, während die grosse vordere Partie des Proc. mastoid. frei von Sehnenansatz bleibt. Das Process. mastoid selbst ist hohl, enthält das Antrum mastoid., welches durch zahlreiche Septula in die sogenannten Cellulae

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Def Kopf.

mastoideae getrennt ist. Von diesen und ihrer topographischen Beziehung zur Trommelhöhle und zu einem Theile des Sinus transversus wird später bei dem Ohre die Rede sein. Hart medial an dein Process. mastoid. liegt der Ursprung des hinteren Kopfes, des Muse, biventer, der aus der Incisura mastoid. kommt. Dicht medial von diesem Muskelursprung verläuft, in einer Furche des Knochens gelegen, die Art. occipitalis in der Richtung von vorn nach hinten. Diese Arterie ist aber hier von aussen in Folge der tiefen Lage und des Schutzes, welchen ihr der Knochen und die sich an letzteren inserirenden Muskeln gewähren, schwer zugänglich. Die Hauptarterie der Gegend ist die Art. anricularis post. (Fig. 1. 5), welche an der vorderen Grenze in der Furche zwischen Process. mastoid. und Auricula aufsteigt; in der Höhe der Wurzel des Process. mastoid. giebt dieselbe einen nach rückwärts mehr oder weniger horizontal verlaufenden schwachen Ast ab, der nur in seltenen Fällen stärker wird und dann die Art. occipital. in ihren Nackenzweigen vertritt. An dem Winkel, an welchem die hintere und obere Grenze der Gegend aneinanderstossen, giebt die hier wieder oberflächlicher gewordene Art. occipital. die Art. meningea postica ab, welche unter dem Ansatz des Muse, sternocleidomastoid. durch das Foramen mastoid. zur Diploe geht. Die Hautvenen der Gegend stehen mit der Vena occipitalis in Verbindung, in die auch jene kleine Vene mündet, welche, von dem Sinus transversus abgehend, durch das For. mastoid. aus der Schädelhöhle tritt. Die Lymphgefässe ergiessen ihren Inhalt in kleine, hinter dem Ohrläppchen gelegene Lymphdrüsen (Glandulae subauriculares). Die sensitiven Nerven der Gegend stammen von den Zweigen des Nerv, auricul. magn. (Fig. 1. VII) und des Nerv, occipital. min. (Fig. 1. VIII), welche in mehr oder weniger vertikaler Richtung durch die Reg. mastoid. treten. Die motorischen Nerven sind Zweige des Nerv, auricul. post. (Fig. 1. VI), welcher von dem Nerv, facialis, kurz nach dessen Austritt aus dem For. stylomastoid. sich abzweigend, nach rückwärts geht. Dieser Nerv liegt tiefer, als die sensiblen Zweige und kreuzt dieselben in seinem Verlaufe nach hinten, wobei er leicht ansteigt. Der Nerv versieht die Muse, retrahentes auriculae, sowie den Muse, occipitalis.

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel. Knöcherne Schädelkapsel.

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Knöcherne Sehädelkapsel. Die knöcherne Kapsel, welche das Gehirn einschliesst, besteht aus einem oberen gewölbten Theile, dem Schädelgewölbe und einem unteren, wenn auch nicht ebenen, so doch jedenfalls nicht gewölbten Theile, der Schädelbasis. Die beste Vorstellung von dem Verhältniss des Schädelgewölbes zur Schädelbasis giebt der sagittale Medianschnitt des mesocephalen Schädels. Ein solcher Schnitt lehrt, dass das Schädelgewölbe einen Bogen bildet, welcher beiläufig drei Viertheile eines Kreises umfasst. Die Sehne dieses Bogens ist in der Schädelbasis gegeben, welche jedoch nicht horizontal, sondern so gestellt ist, dass das vordere Ende beträchtlich höher steht, als das hintere. Den Winkel, welchen diese Sehne, d.h. die Schädelbasis mit der Horizontalebene, bildet, nennt man den Neigungswinkel des Schädels. Die Grösse dieses Winkels hängt von der Entwicklung der Gesichtsknochen ab. Sind diese, wie bei dem Neugeborenen in dem Verhältniss zur Schädelkapsel noch schwach entwickelt, so ist der Winkel klein, während derselbe bei dem Erwachsenen nach voller Ausbildung der Gesichtsknochen beträchtlich grösser wird. Der Umstand, dass der hintere Theil des Schädelgewölbes beträchtlich tiefer steht, als der vordere, erklärt auch die sonderbare Erscheinung, dass in der topographischen Anatomie, welche genöthigt ist, die äusserlich wahrnehmbaren Knochenvorsprünge für die Eintheilung in Körpergegenden zu verwerthen, ein Theil der hinteren ¡üjchädelgrube, also ein Bestandtheil der knöchernen Schädelkapsel noch in den Bereich des Halses resp. Nackens fällt; denn die topographische Abgrenzung zwischen Hals und Kopf folgt, wie wir oben sahen, einer geraden Linie, welche von dem Process. mastoid. nach der Protuberant. occipital. externa gezogen wird. Ein Theil der hinteren Schädelgrube fällt aber unterhalb diese Linie. Schädelgewölbe.

Die platten Knochen, welche das Schädelgewölbe constituiren, haben, wie die Bausteine jedes Gewölbes, das Gemeinsame, dass sie Abschnitte von Kugelschalen darstellen, deren äussere Flächen nach einem längeren Radius gekrümmt sind, als die inneren. Die für den Praktiker wichtigsten Eigenschaften derselben sind ihre Dicke, ihr Bau, die Verbindungen derselben unter einander, ihre Elasticität, ihre Ernährung und Entwicklung.

Allgemeines,

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Der Kopf.

Die Dicke dieser Knochen beträgt durchschnittlich 4 bis 5 mm; doch ist dieselbe durchaus nicht gleich an allen Stellen desselben Schädels, und dann gibt es rücksichtlich der Stärke des ganzen Schädelgewölbes Erwachsener sehr beträchtliche individuelle Verschiedenheiten. Was die letzteren betrifft, so finden sich Schädeldecken von kaum 2 mm Dicke, welche unter dem Namen der Papierschädel bekannt sind, neben anderen, welche eine Dicke von 1 cm und selbst etwas darüber haben können; doch gehören diese extremen Fälle zu den Seltenheiten. An den Schädeln gewöhnlicher Stärke findet sich die dünnste, meist durchscheinende taubeneigrosse Stelle in der Schuppe des Schläfenbeines; dieselbe fällt also in die Schläfengegend und beginnt 2,5 bis 3 cm über dem Kiefergelenk. Sehr dünn und bisweilen auch durchscheinend ist die tiefste Stelle der hinteren Schädelgruben, welche nicht mehr der Schädelbasis, sondern dem Schädelgewölbe angehören, von aussen aber vollkommen unzugänglich sind. Auch zu beiden Seiten der Pfeilnaht kommen in Folge stärkerer Entwicklung der Arachnoidealzotten oft recht dünne Stellen vor. Strichweise ist ferner verdünnt das Schädelgewölbe in jenen Bezirken, die -Eindrücke von den Sinus der dura mater oder den grösseren Aesten der Art. mening med. erhalten. Die dickste Stelle des Schädelgewölbes entspricht in der Regel der auch äusserlich fühlbaren Protuberans occipit. ext., wie überhaupt der Theil des Hinterhauptbeins, der über dieser Protuberanz liegt, zu den stärkeren Partien der Schädeldecke gehört. Ferner ist ziemlich dick der über der Wurzel des Process. mastoid. gelegene Theil, der Pars mastoid. des Schläfenbeines, sowie . der untere Theil des Stirnbeines. Die Stirn- und Scheitelhöcker sind bei dem Erwachsenen meist nur massig verdickt. Auch in den übrigen Bezirken des Schädelgewölbes ist die Wandung überall nicht gleich stark, da sich die durch die Juga cerebralia und Impressiones digitatae bedingten Differenzen geltend machen. Bau des ßchaBeide Knochensubstanzen, die compacte wie die spongiöse, sind deigewöibes. Schädelgewölbe vertreten, und zwar in der Art, dass zwei Lagen compacter Substanz durch spongiöses Knochengewebe geschieden sind. Die äussere compacte Lage, Tabula externa, ist durchschnittlich 1,5 mm dick und zeigt auf ihrer äusseren glatten Fläche eine grössere Anzahl feinster Oeffnungen, welche den Mündungen von Gefässkanälchen entsprechen, durch welche feinste Zweige des Periosts aus- und eingehen, um nach einem kurzen Verlaufe in den Gefässkanälchen der Tabula externa in die spongiöse Substanz einzutreten. Dicke.

Der Gehimtheil des Kopfes oder der Schädel.

Schädelgewölbe.

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Mit unbewaffnetem Auge wahrnehmbare Oeffnungen grösserer, das Schädelgewölbe durchbrechender Kanäle finden sich nur zwei, nämlich das constante For. mastoid., dessen Lage bei der Reg. mastoid. bereits erörtert wurde, und das For. parietale, welchem man häufig auf der Scheitelhöhe seitlich von der Pfeilnaht begegnet. Die innere Tafel, Tabula interna, auch vitrea genannt, ist in der Regel dünner, als die äussere und hat durchschnittlich nur eine Dicke von 1 bis 0,5 mm. Dieselbe ist wegen der Impressiones digitat. nicht glatt, sondern leicht wellig, und zeigt eine geringere Anzahl von zu Gefässkanälchen führenden Poren, als die äussere. Dadurch, dass die Menge dieser Kanälchen bedeutend geringer ist, wird in der Tabula interna die Knochensubstanz noch compacter und damit spröder, als in der externa. Die zwischen beide Tafeln eingefügte spongiöse Substanz, welche den Namen Diploe führt, besteht in dem macerirten Knochen aus einem feinen Fachwerk netzförmig verbundener Knochenbälkchen, welches in frischem Zustande das sogenannte rothe Knochenmark enthält. In demselben spielen Gefässe und deren Inhalt die Hauptrolle. Die stärksten Gefässe der Diploe sind die Venae diploeticae, oder die B r e sehet'sehen Knochenvenen des Schädels, welche, in verhältnissmässig weiten knöchernen Kanälen der Diploe gelagert, nach aussen und innen nur mit engen Oeffnungen münden und aussen mit einer nahe gelegenen Vene, innen mit einem benachbarten Sinus in Verbindung treten. Von der Mächtigkeit der Diploe wird hauptsächlich die Dicke des Schädelgewölbes beeinflusst, da die beiden Tafehi weniger in ihrer Stärke differiren. An den ganz dünnen Stellen, wie an jener des Schuppentheils des Schläfenbeins und in dem tiefsten Theile der hinteren Schädelgrube fehlt die Diploe; hier stossen beide Tafeln an einander. In dem Stirntfieil des Schädels rechts und links von der Glabella unmittelbar über den Augenbrauen stehen beide Tafeln weit von einander ab, sind aber nicht durch Diploe, sondern durch einen lufthaltigen, von der Nasenschleimhaut aus gekleideten Raum geschieden, den Sinus frontalis. Dieser Sinus kann sich ziemlich weit lateral und auch aufwärts erstrecken und ist an der Peripherie nicht selten durch einzelne Scheidewände in mit der Haupthöhle in Verbindung stehende Zellen geschieden. Der Sinus oder dessen Zellen grenzen an die Diploe, stehen aber mit den Hohlräumen derselben ebensowenig wie die lufthaltenden Zellen des Process. mastoid. in Communication. Die Verbindung der einzelnen Knochen des Schädelgewölbes ist durch Nähte vermittelt, und zwar kommt hier neben den Zacken-

Nahte,

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Der Kopf.

nähten auch eine Schuppennaht zwischen der Schläfenbeinschuppe •und dem Seitenwandbein vor. In jeder Sutur liegt zwischen den .Knochenrändern eine bindegewebige Zwischensubstanz in minimaler Menge, welche in Continuität mit dem Periost der äusseren, wie der inneren Schädelfläche steht. Die wichtigsten Nähte der Schädeldecke sind: Die Kranznaht » Pfeilnaht » Lambdanaht » Schuppennaht. Zur beiläufigen topographischen Bestimmung dieser Nähte an dem Lebenden mögen folgende Linien dienen: 1. Die Linie a, welche unmittelbar vor dem Kiefergelenk der einen Seite in gerader Richtung über den Schädel zu derselben Stelle der anderen Seite gezogen wird. 2. Die Linie b, welche über dem höchsten Punkte der Augenbrauen horizontal um den ganzen Schädel gezogen wird. 3. Die Linie c erstreckt sich von dem Punkte, an welchem Linie b die Medianebene hinten schneidet, nach dem hinteren Rande des Process. mastoideus. Die Linie a deutet die Lage der Kranznaht an, und zwar beginnt die letztere da, wo die Linien a und b sich rechtwinklig schneiden. Die Linie b tangirt oder überschreitet nur wenig den höchsten Punkt der halbkreisförmigen Schuppennaht und entspricht in der Medianebene hinten dem Winkel der Lambdanaht. Wird von letzterem Punkte eine gerade Linie nach vorn gezogen und bis zu dem Punkte, an welchem sie die Linie a schneidet, verlängert, so ist damit die Pfeilnaht gegeben, während man die Richtung der beiden Schenkel der Lambdanaht dadurch erhält, dass man auf beiden Seiten die Linie c zieht. In der Lambdanaht sind kleine oder grössere Schaltknochen (Ossa W o r m i a n a ) so häufig, dass man dieselben in dieser Naht fast für normale Gebilde halten muss. Diese an den Rändern immer gezähnelten Knochen sind jedoch rücksichtlich ihrer Lage und Grösse ausserordentlich verschieden. Viel seltener sind dieselben in der Pfeilnaht und nur ganz ausnahmsweise kommen sie in der Kranznaht vor. Auch die übrigens sehr seltenen Fontanellenknochen gehören hierher. Der grosse Fontanellenknochen ist rhombisch gestaltet ; die beiden seitlichen stumpfen Winkel stehen in Verbindung mit der durch den Schaltknochen unterbrochenen Kranznaht, der

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Schädelgewölbe.

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hintere spitze Winkel mit der Pfeilnaht, während der vordere spitze Winkel mit keiner Naht zusammenhängt. Der kleine Fontanellenknochen bildet gewöhnlich ein Viereck, dessen beide Seitenwinkel mit den beiden Schenkeln der Lambdanaht und dessen vorderer Winkel mit der Pfeilnaht in Verbindung ist, während der hintere mit keiner Naht in Verbindung tritt. Die Verwachsung der Nähte, Synostose, welche von innen nach aussen unter Verlust der bindegewebigen Zwischensubstanz erfolgt, muss zu den normalen Lebensvorgängen gerechnet werden. So ist das Stirnbein bei dem Neugeborenen in zwei symmetrische Hälften getrennt, welche sich später durch eine Naht, die Stirnnaht, vereinigen, die gewöhnlich schon gegen das Ende des zweiten Lebensjahres verschwindet und nur noch ausnahmsweise bei dem Erwachsenen gefunden wird. Die grossen Suturen der Schädeldecke, die .Kranz-, Pfeil- und Lambdanaht persistiren meistens bis gegen das fünfzigste Lebensjahr, in welchem Lebensabschnitt die Synostose beginnt und sich zwischen dem achtzigsten bis fünfundneunzigsten Jahre vollendet. Die Reihenfolge, in welcher die Synostose sich vollzieht, ist die, dass zuerst die Pfeilnaht, dann die Lambdanaht und zuletzt die Kranznaht der Synostose verfällt. Die Anthropologie hat die interessanten Beziehungen, welche zwischen Synostosen und dem Hirngewicht bestehen, entschleiert, was auch Einfluss auf die Höhe der geistigen Fähigkeiten in den späteren Lebensperioden zu haben scheint. Das Hirngewicht erreicht nämlich gegen das vierzigste Jahr sein Maximum und von dem fünfzigsten, also mit dem Beginn der Synostose tritt eine allmähliche Verminderung desselben ein. In den selteneren Fällen, in denen die Synostose sehr spät auftritt, scheinen auch die geistigen Fähigkeiten keine wesentliche Abnahme zu erleiden. So hatte ich Gelegenheit, die Section eines achtzigjährigen Mannes zu machen, welcher noch in vollem Besitze seiner Intelligenz war und dessen Schädeldecke noch vollkommen deutlich die drei Nähte erkennen liess. Bei niederen Menschenracen vollendet sich die Synostose der Nähte theils schon beträchtlich früher, wie bei dem Australneger kurz nach dem vierzigsten Jahre, theils erfolgt sie in einer anderen Ordnung; so verknöchert bei dem Neger die Kranznaht früher, als die Lambdanaht. Die anormal vorzeitige Synostose hat nicht nur einen grossen Einfluss auf die Gestalt und Deformation des Schädels, sondern sie ist auch die wesentliche Ursache der Microcephalie. Für den Praktiker besitzen die Synostosen der Nähte insofern-, ein gewisses Interesse, als die Suturen durch ihre

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Eiasticitat.

Der Kopf.

Zwischensubstanz die Fähigkeit haben, die Heftigkeit der Einwirkung mechanischer Gewalten auf den Schädel herabzusetzen, so dass ein Schädel mit Suturen weniger reicht Fracturen unterliegt, als ein solcher, bei welchem die Synostose bedeutende Fortschritte gemacht hat. Der menscliliche Schädel besitzt einen gewissen Grad von Elasticität, was man auf verschiedene Weise constatiren kann; einmal in der Art, dass man einen frischen enthäuteten und entleerten Schädel von einer Höhe von etwa 1 m auf eine feste Unterlage herabfallen lässt, von der er je nach dem Grade seiner Elasticität verschieden hoch zurückspringt, oder dadurch, dass man sich des Schraubstockes bedient, durch welchen es möglich ist, den frischen Schädel, ohne dass ein Bruch erfolgt, in einer Richtung bis zu einem gewissen Grade zu comprimiren, wobei dann Vergrösserung nach den übrigen Richtungen sich einstellt. Der Elasticitätsgrad des. Schädels ist jedoch individuell sehr verschieden. In dem Maasse als die Knochen reicher an anorganischen Bestandtheilen werden, mindert sich ihre Elasticität; daher hat der Schädel in dem höheren Alter einen ausserordentlich geringen Elasticitätsgrad und bricht desshalb viel leichter. In jungen Jahren scheinen dagegen Altersdifferenzen wenig Einfluss auf den Grad der Elasticität des Schädels zu haben; demi B r u n s berichtet von zwei Schraubstockversuchen zur Prüfung der Elasticitätsgrenze, welche an dem Schädel eines Erwachsenen und an dem eines zwöljährigen Knaben vorgenommen wurden. Der Querdurchmesser des Schädels des ersteren konnte, ohne zu brechen, um 15 mm herabgesetzt werden, während bei dem zweiten schon nach Verminderung des Querdurchmessers um 5 mm ein Bruch der Schädelbasis eintrat. In diesem Falle scheint die Stärke der Schädelknochen, welche sehr beträchtliche Differenzen bei einem Erwachsenen und einem zwölfjährigen Knaben zeigt, mit eine Rolle zu spielen. Man hat auch der Tabula interna einen viel geringeren Elasticitätsgrad zugeschrieben, als den übrigen Bestandtheilen der Schädeldecke, und dieses als Erklärungsgrund für die so häufigen Beobachtungen der ärztlich eil Praxis verwerthet, dass die Einwirkung einer äusseren Gewalt Brüche und weitgehende Zusammenhangstrennung der Tabula interna bewirken kann, während die Tabula externa und die Diploe unverletzt bleiben. Da die chemische Analyse rücksichtlich des Gehaltes an anorganischen Bestandtheilen einen Unterschied zwischen Tabula ext. und int. desselben Schädels nicht nachweisen

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Schädelgewölbe.

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konnte, so können auch wohl kaum verschiedene Elasticitätsgrade für die Tabula ext. und int. angenommen werden. Die Gründe für die leichtere Brüchigkeit der Tabula int. dürften vielmehr in folgenden Punkten zu suchen sein. 1. Die Tabula int. ist in der Regel beträchtlich dünner, als die externa. 2. Die Zahl der zu Gefässkanälchen führenden Poren ist in der Tabula int. viel geringer, als in der ext., demnach ist die interna weniger reichlich von Gefässkanälchen durchzogen und daher unnachgiebiger, spröder, als die externa. 3. Ist die Tabula int. stärker gekrümmt und wegen dieses kürzeren Krümmungsradius bei unverletztem Schädel mehr gespannt, als die Tabula ext., ein Umstand, auf dessen mechanische Bedeutung für die Erklärung der so häufigen Brüche der Tabula int. bei vollständiger Integrität der ext. zuerst H. M e y e r hingewiesen hat. Die Ernährung der Schädeldecke wird hauptsächlich durch die Ernährung. Arterien vermittelt, welche aus dem äusseren Periost in den Knochen eintreten, während die Gefässverbindung mit der Dura mater untergeordneter Art ist und .nur während der Entwicklung der Schädeldecke eine grössere Rolle spielt; denn nur in den ersten Lebensjahren allein existirt zwischen innerer Schädelfläche und Dura mater eine innige mit durch Gefässe vermittelte Verbindung; bei dem Erwachsenen aber lässt sich bekanntlich das Schädeldach von der Dura mater mit Leichtigkeit ablösen. Aber auch der Zusammenhang des äusseren Periosts mit der Schädeldecke ist weniger innig, als dieses bei anderen Knochen der Fall ist; das Periost lässt sich nämlich hier viel leichter und in grösseren Stücken als anderwärts abziehen. Es werden daher auch in die Knochen der Schädeldecke weniger Gefässe als in anderen Knochen eintreten, und damit in Zusammenhang steht der geringere Gehalt an Gefäss- oder H ä v e r s ' s e h e n Kanälchen, welcher den beiden compacten Lagen der Schädeldecke eigenthümlich ist. Auf der andern Seite ist durch die Breschet'sehen Venen der Diploe die Abfuhr des Blutes erleichtert. Aus diesen anatomischen Prämissen scheint der Rückschluss auf einen weniger intensiven und langsameren Ernährungsvorgang der Knochen der Schädeldecke wohl erlaubt. Gestützt wird derselbe durch folgende Erfahrungen der Chirurgen. 1. Die Zeit, welche Frakturen der Schädelknochen zu ihrer Consolidation nöthig haben, ist viel grösser, als bei anderen Knochen. O e r l a c h , Anatomie des Menschen.

3

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Entwicklung.

Der Kopf.

2. Substanzverluste der Schädelknochen wie die nach Trepanation ersetzen sich langsam und nur ganz ausnahmsweise vollständig. 3. Auch der ausgedehnten Ablösung des Periosts von der Schädeldecke folgt überhaupt nicht oder doch nur ausnahmsweise Necrose. Im Gegensatz zu der knorpelig präformirten Schädelbasis ist die Schädeldecke bei dem Embryo bis in den dritten Monat nur häutig vorgebildet. Die ersten Ossificationspunkte des ganzen Schädels treten zwar in der Schädeldecke auf, allein bei dem Neugebornen ist die Ossification der Schädelbasis beträchtlich weiter vorgeschritten, als die der Decke. Diejenigen Stellen, an welchen die Verknöcherung der embryonalen Schädelhaut beginnt, sind als Tubera parietalia und frontalia auch bei dem Erwachseneu noch kenntlich. Von diesen Ossificatiouspunkten wächst der Knochen gleichsam strahlenartig in die häutige Schädeldecke hinein, aber so langsam, dass zur Zeit der Geburt das Gehirn zwar von einer knöchernen Kapsel grossentheils umschlossen ist, die Ränder der einzelnen Knochen der Schädeldecke aber durch nur häutig geschlossene Spalten und au den Stellen, wo mehr als zwei Knochen zusammentreten, durch nur häutig geschlossene grössere Lücken, die Fontanellen, geschieden sind. Auch sind die Knochen der Schädeldecke des Neugebornen noch ungemein dünn, am stärksten durchschnittlich 1 mm an den Ossificationspunkten, wo auch zuerst der Unterschied zwischen der spongiösen Diploe und den compacten Tafeln auftritt. Der Fontanellen gibt es sechs, von welchen zwei paarige lateral und zwei unpaarige in der Medianlinie der Schädeldecke angebracht sind. Die vordere und hintere Seitenfontanelle, erstere an dem Confluenzpunkte des Stirn- und Scheitelbeines mit dem grossen Keilbeinflügel, letztere zwischen Parietal-, Occipital- und dem Zitzentheil des Schläfenbeins gelegen, sind entweder schon vor der Geburt verknöchert oder schliessen sich ganz kurz nachher. Die unpaaren Fontanellen der Medianlinie werden als vordere grosse oder Stirnfontanelle und hintere kleine oder Hinterhauptsfontanelle unterschieden. Die letztere ist bei dem Neugebornen als kleines Dreieck gegeben, welches, an dem Zusammenfluss von Pfeil- und Lambdanaht gelegen, sich vertieft anfühlt und schon in den ersten Monaten sich schliesst. Beträchtlich grösser ist die Stirnfontanelle, welche die Gestalt einer Raute hat, deren vorderer Winkel stark ausgezogen ist. Diese Fontanelle wird in den ersten Monaten nach der Geburt sogar etwas grösser und schliesst sich gegen Ende

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Schädelbasis.

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des ersten oder in der ersten Hälfte des zweiten Lebensjahres und nur bei Hydrocephalen persistirt sie über das zweite Lebensjahr. Für den Geburtshelfer ist die Stirnfontanelle als Orientirungspunkt für die Kopfstellung des Kindes zum Becken von besonderer Wichtigkeit. Schädelbasis.

Die Schädelbasis unterscheidet sich wesentlich von der Schädel- Allgemeines, decke durch folgende drei Punkte. 1. Ist die Schädelbasis an ihrer Innenseite nicht wie die Decke gleichmässig ausgerundet, sondern in drei Abtheilungen gesondert, welche man als vordere, mittlere und hintere Schädelgrube bezeichnet (Fig. 4. I. II u. III). 2. Zeigt die Knochensubstanz der Basis nicht das annähernd gleichmässige Gefüge der Schädeldecke, sondern in buntem Wechsel sind in dem Aufbau der basalen Schädel wand dünne und dicke, spongiöse und compacte Knochen vertreten. 3. Besitzt die Schädelbasis ausser den zahlreichen für den Durchtritt der Medulla oblongata, der Nerven und Gefässe bestimmten grossen und kleinen Oeffnungen auch wirkliche Lücken der Knochensubstanz, welche nur durch verdichtete Bindegewebemassen ausgefüllt sind. Diese Verschiedenheit in der Architektonik von Decke und Basis des Schädels erklärt die bekannte Thatsache, dass die Basis den von aussen einwirkenden Gewalten einen viel geringeren Widerstand entgegensetzt, als die Decke. Denn nicht nur pflanzen sich Schädelfrakturen von der Decke leicht zur Basis, namentlich in die mittlere Schädelgrube, welche die meisten Aperturen enthält, fort, sondern es sind, wenn auch selten, doch Fälle constatirt, in welchen eine auf die Schädeldecke einwirkende Gewalt einen Bruch der Schädelbasis ohne Bruch der Decke verursachte. Auch liegen Beobachtungen von basalen Frakturen vor, welche nicht durch eine direct auf den Kopf, sondern consecutiv durch eine auf den Rumpf wirkende Gewalt bedingt waren. Die drei Schädelgruben liegen terrassenförmig übereinander, die vordere am höchsten, die hintere am tiefsten. Der Höhenabstand der drei Gruben wächst mit dem Neigungswinkel des Schädels, ist daher bei dem Neugebornen beträchtlich kleiner, als bei dem Erwachsenen. Jede dieser Gruben besteht aus einem medialen, 3*

Der Kopf.

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symmetrisch unpaaren und zwei paarigen Seitentheilen. Mit Ausnahme des Foramen magnum der hinteren und den feinen Oeffnungen der Lamina cribrosa der vorderen Schädelgrube fallen sämmtliche Aperturen der Schädelbasis in das Grenzgebiet zwischen dem medialen und den paarigen Seitentheilen.

Flg. 4. Innere Fläche der Basis des mcsocephalen Schädels in der Hälfte der natürlichen Grösse. I Vordere, II mittlere, III hintere Schädelgrube. 1 Foramen coecum. 2 Crista galli. 3 Lamina cribrosa des Siebbeins. 4 Partes orbitales des Stirnbeins. 5 Spina ethmoldales. 6 Jugum sphenoidale. 7 Llmbus sphenoid alia 8 Sulcus opticus. 6 Foramen opticum. 10 Kleiner Kellbeinhügel. 11 Process, clinoidel anteriores. 12 Fissura orbitalis superior. 13 Türkensattel. 14 Sattellehne. IS Process, clinoidel posteriores. IG Sulcus caroticus. 17 Foramen lacerum. 18 For. rotundum

19 For. ovale. 20 For. spinosum. 21 Grosser Keilbeinflügel. 22 Pars squamosa defe Schläfenbeins. 23 Vordere Fläche der SchläfenbeinPyramide. 24 Hiatus c&nalis facialis. 25 Tegmen tympani. 26 Obere Kante d. Schläfenbeinpyramide. 27 Cllvus. 28 Porus acustlcus internus. 29 Foramen jugulare. 30 Sulcus transversus. 31 Canalls nervi hypoglossl. 32 For. magnum. 33 Hinterhauptsschuppe. 34 Crista occipitalis Interna. 35 Protnberantia occipitalis interna.

Der Gehirntheil des Kopfes oder der Schädel.

Schädelbasis.

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Die vordere höchstgelegene und am wenigsten umfangreiche Schädelgrube (Fig. 4. I) entspricht einem Kreisabschnitt, dessen in den vordersten Theilen des Keilbeins gegebene und leicht gebogene Sehne die Grenze zwischen dieser und der mittleren Schädelgrube bildet. Sie stellt in ihrer medialen Abtheilung das knöcherne Septum zwischen Schädel- und Nasenhöhlen und in ihren beiden seitlichen z\eL nur einen dünnen Beleg von compacter Knochenmasse hat, und den

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verschiedenBeugewirbel,

Wirbel6äule.

nach hinten gerichteten Bogen, welcher vorn durch den Körper zu einem Ringe geschlossen ist, dessen Höhlung das Wirbelloch darstellt. Das letztere bildet den jedem Wirbel zukommenden Antheil des Wirbelcanals. An den Grenzen von Körper und Bogen findet sich ein oberer flacher und ein unterer tiefer Ausschnitt. In Folge der Verbindung von zwei Wirbeln unter einander bilden diese Ausschnitte, der untere des einen mit dem oberen des andern Wirbels einen kurzen Canal, durch welchen die Rückenmarksnerven austreten und der Foramen intervertebrale genannt wird. Durch diese beiden Ausschnitte wird die Verbindung des Wirbelbogens mit dem Körper zur schwächsten Stelle des Wirbelringes und daher passend als Wurzel des Bogens bezeichnet. Von den Fortsätzen der Wirbel sind drei paarig und einer unpaar. Die paarigen gehören dem vorderen Bogenabschnitt an, gehen da, wo derselbe in Verbindung mit dem Wirbelkörper tritt, ab, und werden als die lateralwärts gerichteten, queren und in die oberen und unteren Gelenkfortsätze unterschieden. Der unpaare, für die Topographie wichtigste Fortsatz, der Processus spinosus, ist nach hinten gerichtet und geht von dem Scheitel, des Wirbelbogens ab. Die Verschiedenheiten der drei Gruppen von Beugewirbeiii lassen sich kurz in folgenden Punkten zusammenfassen: 1. Die Körper der Beugewirbel nehmen ziemlich gleichmässig von oben nach unten in allen Dimensionen zu. Die Körper der Brustwirbel unterscheiden sich dadurch von denen der übrigen Beugewirbel, dass seitlich an ihrem oberen und unteren Rande halbe Gelenkflächen vorkommen, welche zusammen die Pfanne darstellen, in welcher das Köpfchen je einer Rippe artikulirt. Die Höhe der Wirbelbögen, d. h. die Entfernung des oberen von dem unteren Rande des Bogens nimmt von oben nach unten constant zu, dagegen nimmt die Länge des zwischen beiden Querfortsätzen gelegenen Bogenstücks von oben bis zu dem zweiten Lendenwirbel stetig ab, und von da bis zu dem letzten wahren Wirbel um ein Geringes zu. 3. Die Querfortsätze sind am kürzesten an den Halswirbeln, und mit Ausnahme des siebenten an ihren Enden in einen vorderen und hinteren Höcker getheilt. Von diesen Höckern springt der vordere des sechsten Halswirbels am meisten nach vorn vor und stellt das für die Topographie des Halses so wichtige Tuberculum scaleni superius dar. Die Querfortsätze der sechs oberen Halswirbel sind an ihrer Wurzel durchlöchert, und in dem durch die Gesammtheit

Wirbelsäule.

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dieser Löcher gegebenen Canal verlauft die Art. vertebralis. Die längeren und breiteren Querfortsätze der Brustwirbel sind etwas nach rückwärts gewandt und tragen an der vorderen Fläche, nahe ihrem Ende, eine vertiefte Gelenkfläche, welche mit dem Höcker der betreffenden Rippe articulirt. Die Querfortsätze der Lendenwirbel sind die stärksten und längsten. Dieselben sind ziemlich gerade nach aussen gerichtet. Die zugewandten Gelenkflächen der Processus articulares stehen bei den Halswirbeln so, dass ihr oberes Ende vorn oben und lateral beginnt und nach hinten unten und medial abfällt. Bei den Brustwirbeln wird dieser Abfall in dem Maasse immer stärker, als sie sich den Lendenwirbeln nähern, und bei den letzteren ist die Gelenkfläche des unteren Gelenkfortsatzes gerade lateralwärts, und die Gelenkfläche des oberen Gelenkfortsatzes des nächst folgenden Wirbels gerade medialwärts gerichtet. Die Dornfortsätze sind von dem 2. bis 6. Halswirbel kurz und an ihren Enden gespalten. Der Dornfortsatz des 7. Halswirbels ist beträchtlich länger, am freien Ende verdickt, aber nicht gespalten, ragt unter der Haut vor und ist als Vertebra prominens gut zu fühlen, wodurch derselbe zu einem wichtigen Orientirungspunkt für den Rücken wird, Die Brustwirbel haben die längsten Processus spinosi, welche, schräg gestellt, dachziegelförmig über einander liegen. Von dem 7. Brustwirbel an nähert sich die Stellung der Dornfortsätze allmählig der horizontalen. Die Process. spinosi der Lendenwirbel sind die stärksten, aber kürzer als jene der Brustwirbel und fast horizontal nach hinten gerichtet. Das Hauptmittel, welches die einzelnen Wirbel zu einer soliden, Verbindung der tragfähigen Säule vereint, sind die zwischen den Wirbelkörpern vor- W e '^ d u e nter handenen Bandscheiben, die Ligamenta intervertebralia. Es gibt deren 23, von welchen die erste zwischen den Körper des Epistropheus und des dritten Halswirbels, die letzte zwischen den Körper des letzten Lendenwirbels und den des ersten Kreuzbeinwirbels zu liegen kommt. Diese Bandscheiben sind verhältnissmässig ziemlich dick, da sie beiläufig den fünften Theil der Länge der Wirbelsäule bilden. Die Bandscheiben liegen zwischen zwei sehr dünnen Lagen hyalinen Knorpels, welche die Wirbelkörper oben und unten decken. Der verticale Durchmesser derselben ist am längsten in dem Lendentheil, vermindert sich allmählig in dem Brusttheil der Wirbelsäule und nimmt von hier an bis zu den oberen Halswirbeln wieder etwas zu. Die Dicke der Bandscheiben ist bei den Lenden- und Halswirbeln

428

Wirbelsäule.

vorn und hinten nicht die gleiche, • sondern vorn beträchtlicher als hinten, was mit den Krümmungen des Lenden- und Halstheiles der Wirbelsäule in Beziehung steht. Die Bandscheiben bestehen aus einem äusseren, sehr festen elastischen Faserring und einer centralen halbweichen Masse, dem Gallertkern. Der Faserring enthält eine äussere, schwächere Zone, deren Bestandteile mächtige, concentrisch angeordnete Bündel sehr stark verdichteten Bindegewebes bilden, und einer inneren stärkeren Zone, in der vorwiegend elastische Fasern vertreten sind. Beide Zonen erhalten durch eingestreute kleine Zellen den Charakter von Bindegewebeknorpeln und sind in unmittelbarer Continuität mit dem dünnen, hyalinen Knorpelbelege der Wirbelkörper. Der Cohäsionscoefficient der Bandscheiben ist ein so bedeutender, dass bei Brüchen der Wirbelsäule der Knochen der Zusammenhangstrennung. eher nnterliegt, als die Bandscheibe. Der Gallertkern, welcher nicht genau in der Mitte der Bandscheibe, sondern etwas weiter nach hinten liegt, besteht aus einer sulzigen, dem Schleimgewebe ähnlichen Substanz, die, an der Peripherie fester werdend, allmählig in den Faserring übergeht. Derselbe, ein Rest der Chorda dorsalis, enthält mittelgrosse Zellen in einer schleimähnlichen, leicht fibrillirten Intercellularsubstanz. Während des Lebens scheint der Gallertkern unter einem ziemlichen Drucke zu stehen, da derselbe bei der sagittalen Durchschneidung der Wirbelsäule an der Schnittfläche stark hervorquillt. Die Ligamenta intercruralia, auch flava genannt, verbinden die Wirbelbögen untereinander, liegen mehr nach vorn, wodurch die hintere Wand der Wirbelsäule eine plane Oberfläche gewinnt. Dieselben bestehen, wie schon die gelbe Farbe andeutet, aus elastischem Gewebe, was für die Beugung der Wirbelsäule nach vorn, wobei diese Bänder gedehnt werden, von einer gewissen Bedeutung ist. Zur Verbindung der Wirbelkörper ist ferner bestimmt das Ligament, commune vertebrale anterius und posterius. Das vordere Band lauft von dem Epistropheus bis zu dem letzten Lendenwirbel und ist an die Bandscheiben fest, an die Wirbelkörper nur locker angeheftet. Das hintere, nach dem Wirbelcanal sehende Band beginnt an dem unteren Rande des Epistropheus und erstreckt sich bis zu dem Kreuzbein. Dasselbe ist gleichfalls mit den Bandscheiben fest verbunden und geht über die leicht concaven Flächen der Wirbelkörper brückenartig weg. An jeder Bandscheibe ist es etwas verbreitert, nimmt aber im Ganzen von oben nach unten an Breite ab. Obgleich beide Bänder nicht besonders stark sind, vermögen

Wirbelsäule.

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sie doch bei gewissen Arten von Wirbelbrüchen die Bruchstücke der Knochen zusammenzuhalten, so dass nach Eröffnung der Brust- oder Unterleibshöhle der Wirbelbruch nicht sogleich zu Tage tritt. Die zwischen den Dornfortsätzen vorhandenen Haftbänder, die Ligamenta interspinalia, welche in dem Halstheil der Wirbelsäule zu dem mächtigen, bis zur Nackenfascie sich, erstreckenden, elastischen Lig. nuchae zusammentreten, sowie die zwischen den Querfortsätzen 'der Lendenwirbel sich befindlichen Lig. intertransversaria sind in praktischer Beziehung bedeutungslos. Die Verbindung der Gelenkfortsätze, deren Gelenkflächen überknorpelt sind, ist durch Kapseln vermittelt, welche an den Lenden und Brustwirbeln straff gespannt, dagegen bei den Halswirbeln schlaffer sind, wodurch die allerdings beschränkte Drehung des Halses um die verticale Achse ermöglicht wird. Auch die Köpfchen der Rippen sind mit den seitlichen Gelenkflächen der Wirbelkörper und die Rippenhöcker mit den an der vorderen Seite der Querfortsätze vorhandenen Gelenkflächen durch ziemlich straff gespannte Kapseln verbunden, welche durch Haftbänder verstärkt sind. Der Zusammenhang von Kreuz- und Steissbein ist gleichfalls in einer Bandscheibe gegeben, zü welcher noch ein vorderes und hinteres Haftband treten. Die Länge der nicht skelettirten Wirbelsäule beträgt, insoweit Länge der dieselbe aus den wahren Wirbeln besteht, bei mittlerem proportio- Wirbelsäulenirten Wüchse 60—61 cm, also etwas mehr als den dritten Theil der Körpergrösse. Diese Länge wechselt, zwar etwas, aber nicht beträchtlich mit der Körpergrösse, da die letztere wesentlich von der Länge der unteren Extremitäten abhängt. Von diesen 61 cm kommen 15 cm auf den Halstheil, 30 cm auf den Brusttheil und 16 cm auf den Lendentheil der Wirbelsäule. Die Wirbelsäule zeigt Abweichungen von der Lothlinie, sowohl Krümmungen in der sagittalen, wie in der frontalen Ebene, welche unter der derWIrbelsaule Form von Krümmungen auftreten. Der ersteren gibt es in dem Bereiche der wahren Wirbel drei, während in der frontalen Ebene nur eine Krümmung vorkommt. Die Krümmungen in der sagittalen Ebene werden als Hals-, Rücken- und Lendenkrümmung unterschieden. Die dorsale Krümmung ist nach vorn concav, nach hinten convex, während die beiden anderen Krümmungen nach hinten concav und nach vorn convex sind. Die Endpunkte der cervicalen Krümmung sind oben die

430

Wirbelsäule.

Spitze des Zahnfortsatzes, unten die Mitte des Körpers des 2. Brustwirbels. An letzterem Punkte beginnt die dorsale Krümmung und erstreckt sich bis zur Mitte des Körpers des 12. Brustwirbels, dem Anfange der Lendenkrümmung, deren Endpunkt in die Grenze zwischen dem vorderen und mittleren Drittheil der unteren Fläche des 5. Lendenwirbels fällt. Der Scheitel der Halskrümmung entspricht der Mitte der vorderen Fläche des 5. Halswirbelkörpers. Der Scheitel der dorsalen Krümmung fällt in die Mitte des 8. Brustwirbels und ist äusserlich angedeutet durch die Spitze des Dornfortsatzes des 7. Brustwirbels. Dem Scheitel der Lendenkrümmung entspricht äusserlich die Spitze des Dornfortsatzes des 3. Lendenwirbels. Vereinigt man die Sehnen der Bögen, welche Krümmungen der Wirbelsäule darstellen, so erhält man bei aufrechter militärischer Körperstellung eine gerade Linie, welche rein vertical verlauft und mit der Schwerlinie des Kopfes zusammenfällt. Diese Krümmungen sind zum Theil durch die Gestaltverhältnisse der Wirbelkörper, zum in Theil durch die der Bandscheiben bedingt. Das Letztere ist bei der Nacken- und Lendenkrümmung der Fall, während die Rückenkrümmung die Folge der Gestalt der Wirbelkörper ist. Immer noch bestritten ist die Frage, ob schon die Wirbelsäule des Neugeborenen diese drei Krümmungen besitzt, oder ob dieselben erst nach der Geburt sich allmählig ausbilden. Nach meinen Erfahrungen ist die HalsFlg. 82. krümmung bei dem Neugeborenen kaum Die Wirbelsäule mit den normalen nachweisbar, die Rückenkrümmung aber Krümmungsverh<niBscn '/* der natürl. Grösse. schon kenntlich, und die Lendenkrümmung I Halswirbel. II Brustwirbel. III Lendenwirbel. deutlich ausgesprochen. Ist die Dorsalkrümmung stärker, als es den normalen Verhältnissen entspricht, so bezeichnet man sie als Kyphose. Dieselbe kann die Folge eines

ä

Wirbelsäule.

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Berufes sein, der den Betreffenden nöthigt, anhaltend mit stark gekrümmtem Rücken zu arbeiten, oder von andauernder Muskel" schwäche, wie sie bisweilen in der Reconvalescenz von schweren Infectionskrankheiten vorkommt, herrühren. Abgesehen von Erkrankungen der Wirbelknochen können auch Lähmungen der Rückenmuskeln oder Contracturen der Bauchmuskeln die Ursache einer Kyphose sein. Jede verstärkte Krümmung der Wirbelsäule hat sowohl über, als unter ber betreffenden Stelle compensatorisch vermehrte Krümmung in entgegengesetzter Richtung zur Folge. Viel seltener als die Kyphose ist die vermehrte Krümmung der Wirbelsäule in dem entgegengesetzten Sinne, also mit nach vorn gerichteter Convexität, welche Lordose genannt wird. Dieselbe ist kenntlich durch eine starke Einsenkung der Wirbelsäule in dem Bereiche der Lenden- und der unteren Hälfte der Dorsalwirbel. Die Lordose findet sich hauptsächlich bei solchen Personen, deren Beschäftigung es mit sich bringt, den Schwerpunkt des Körpers nach hinten zu verlegen Die Abweichung der Wirbelsäule von der Lothlinie in der frontalen Ebene nennt man die laterale Krümmung. Dieselbe ist unter normalen Verhältnissen ausserordentlich gering, auf den Dorsaltheil der Wirbelsäule beschränkt und wendet fast immer die Convexität nach rechts. Die laterale Krümmung wird erst nach vollendetem Zahnwechsel beobachtet und hat ihren Grund darin, dass die rechte, obere Extremität viel intensiver in Gebrauch gezogen wird, als die linke. Ist dieselbe stärker ausgebildet, so ist das schon pathologisch und wird Scoliose genannt, aber in der Regel erst dann bemerkt, wenn die eine Schulter höher als die andere steht. Die idiopathische Scoliose kommt hauptsächlich bei jungen, der besseren Classe angehörigen Mädchen während der Pubertätsentwicklung vor und ist in ihren ursächlichen Verhältnissen noch ziemlich unklar. Eine eigenthümliche, mit den Krümmungsverhältnissen der Wirbelsäule in Beziehung stehende Erscheinung ist die, dass die Körpergrösse bis zu 1,5 cm abnehmen kann, wenn Jemand gezwungen ist, sehr lange in aufrechter Stellung zu verharren. Auch das Kleinerwerden in höherem Alter gehört hierher. Vermehrung der Krümmungen der Wirbelsäule in der sagittalen Ebene trägt sicher zu dem Zustandekommen dieser Erscheinungen mehr bei, als die Verminderung des Höhendurchmessers der intervertebralen Bandscheiben. Die Wirbelsäule ist der Untersuchung mit dem tastenden Finger Untersuchung nicht sehr zugänglich, da die grosse Mehrzahl der Körper der wahren der Wirbelsäule.

432

Wirbelsäule.

Wirbel die hintere Wand der Brust- und Bauchhöhle bildet und die Wirbelbogen, sowie die seitlichen Fortsätze durch die mächtige Muskulatur der Rückenstrecker, welche den Raum zwischen Dornund Querfortsätzen ausfüllen, verdeckt sind. Nur die Spitze der meisten Dornfortsätze ist in der hinteren Medianlinie zu fühlen. Von Wirbelkörpern sind der Betastung nur die der drei oberen Halswirbel zugänglich, und zwar durch die Mundhöhle, da dieselben durch die hintere Rachenwand gefühlt werden können. Wird der harte Gaumen in der horizontalen Ebene durch eine mediane Linie nach hinten verlängert gedacht, so trifft diese Linie das obere Ende des Zahnfortsatzes (vgl. Fig. 64). Die Spitze der Epiglottis entspricht bereits der Mitte des Körpers des 3. Halswirbels, woraus sich schon ergibt, dass der Körper des 4. Halswirbels nicht mehr gut gefühlt werden kann. Bei sehr abgemagerten Personen mit dünnen Bauchdecken liegt die Möglichkeit der Betastung der Lendenwirbel und des Promontoriums vor. In dem Becken sind durch genaue Befühlung der hinteren Wand des Mastdarms Fracturen und Geschwülste des Kreuzbeins, sowie namentlich Luxationen des Steissbeins zu constatiren. Die seitliche Untersuchung der Wirbelsäule beschränkt sich ausschliesslich auf den Querfortsatz des 6. Halswirbels, der, wie wir bei dem Halse sahen, der Betastung als Tuberculum scaleni superius zugänglich ist. Die meisten Aufschlüsse über die pathologischen Veränderungen der Wirbelsäule gibt die Untersuchung der Dornfortsätze. Was die Halswirbel betrifft, so ist an der tiefsten Steile der Nackengrube der Dornfortsatz des Epistropheus zu fühlen. Dagegeu sind die Dornfortsätze des dritten, vierten und fünften Cervicalwirbels der Betastung unzugänglich. Der Dornfortsatz des 6. Halswirbels ist wieder schwach fühlbar, und sehr exquisit jener des 7., der Vertebra prominens, welcher, in gleicher Höhe mit der Grenze zwischen Ringknorpel und Luftröhre stehend, einen wichtigen Orientirungspunkt für die Topographie des Rückens bildet. Bei der Abzahlung der Dornfortsätze der Brustwirbel, welche, wie die der Lendenwirbel, sämmtlich gefühlt werden können, geht man am besten von der Vertebra prominens aus. In Folge des dachziegelförmigen Uebereinanderliegens namentlich der 7 oberen Brustwirbel ist die Entscheidung darüber oft nicht ganz leicht, ob man den Dornfortsatz dieses oder jenes Wirbels unter dem Finger hat. Zur besseren Orientirung möge die Angabe bestimmter fixen Punkte des Thorax,

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Wirbelsäule.

welche mit gewissen Wirbelkörpern und deren Dornfortsätzen in die gleiche horizontale Ebene fallen, dienen. Natürlich kann dieselbe nur für den normal gebauten Thorax, der weder eingesunken, wie bei Phthisikern, noch tonnenförmig erweitert ist, wie bei Emphysematikern, Geltung haben. Auch Verschiedenheiten in der Architektonik des männlichen und weiblichen machen sich geltend, welche zu berücksichtigen sind. Bei dem Manne steht der obere Sternalrand gleich hoch mit der Spitze des Dornfortsatzes des 2. Brustwirbels und der unteren Fläche des Körpers desselben Wirbels. Bei der Frau entspricht die Höhe des oberen Sternalrandes der Spitze des. Dornfortsatzes des 2. und der oberen Fläche des Körpers des 3. Brustwirbels. Der Sternalwinkel steht bei dem Manne gleich hoch mit der Spitze des Dornfortsatzes des 5. und der unteren Fläche des Körpers desselben Wirbels. Bei der Frau entspricht die Höhe des Sternalwinkels der Spitze des Dornfortsatzes des 4. und der Mitte des Körpers des 5. Brustwirbels. Die Wurzel des Processus xiphoideus steht bei dem Manne in gleicher Höhe mit der Spitze des Dornfortsatzes des 8. und der Mitte des Körpers des 9. Brustwirbels. Bei der Frau steht die Wurzel des Process. xiphoid. gleich hoch mit der Spitze des Dornfortsatzes des 8. und der oberen Fläche des Körpers des 10. Brustwirbels. Bei den Lendenwirbeln trifft eine durch den höchsten Punkt beider Darmbeinkämme gelegte horizontale Ebene den Dornfortsatz des 4. Lendenwirbels. In der gleichen Höhe steht auch bei der Mehrzahl der Menschen der Nabel, doch ist derselbe für die topographische Ortsbestimmung weniger gut zu verwerthen, da seine Entfernung von dem oberen Symphysenrande keine constante ist. Von dem 7. Halswirbel an bis zu dem Kreuzbein bilden in der hinteren Medianlinie die Dornfortsätze einen leicht fühlbaren Kamm, der die normalen Krümmungen der Wirbelsäule wiederholt. Abweichungen von dieser Stellung der Dornfortsätze kommen pathologisch vor. und haben grossen diagnostischen Werth. Die Dornfortsätze können eingesunken, eingedrückt sein oder stärker hervorragen, als dieses unter normalen Verhältnissen der Fall ist. Das Erstere lässt ziemlich sicher auf Fracturen der Wirbelbögen schliessen, die so häufig von Verletzungen des Rückenmarks begleitet sind. Die stärkere Prominenz der Dornfortsätze an gewissen Stellen der Wirbelsäule tritt unter zwei Formen auf. Entweder ist der Höcker G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

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434

Wirbelsäule.

knieförmig winkelig zugespitzt, oder er ist abgerundet halbkugelförmig. Die erste Form ist ein werth volles Zeichen für eiterige Caries der Wirbelkörper (Spordylarthrokace oder Pottsches Uebel), während die zweite Form auf rhachitische Erkrankung der Wirbelsäule schliessen lässt. Beweglichkeit Die wahren Wirbel bilden mit den intervertebralen Bandscheiben

u. Bewegungen

der Wirbelsäule, eine elastische und innerhalb gewisser Grenzen bewegliche Säule, welche durch den Bandapparat und die Thätigkeit namentlich der langen Rückenmuskeln in ihrer Lage erhalten wird. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule nimmt mit dem Alter ab, ist daher am meisten ausgesprochen bei dem Neugebornen und kann in dem höheren Alter durch Verwachsung der Wirbel mehr oder weniger aufgehoben sein. Die Bewegungen, deren die Wirbelsäule fähig ist, sind die Biegung nach vorn, die Flexion, die Biegung nach hinten, die Extension, und die Biegung nach der einen oder der andern Seite, die laterale Flexion. Ausserdem kommt noch eine Drehung der Wirbelsäule um ihre Längsachse vor, welche man als Torsion bezeichnet. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule ist durchaus nicht gleich in ihren verschiedenen Abtheilungen, welche wir desshalb in dieser Beziehung etwas näher betrachten müssen. Der beweglichste Theil der Wirbelsäule ist, auch von den Bewegungen in dem Bereiche der Drehwirbel abgesehen, der Halstheil. Die Flexion, die Extension, sowie die laterale Flexion kommen hier in ausgedehnterem Maasse als bei allen anderen Wirbelabtheilungen vor; das Gleiche ist mit der Torsion der Fall. Daher sind Wirbelluxationen weitaus am häufigsten in dem Halstheil, besonders zwischen dem fünften und sechsten Cervicalwirbel. Der Brusttheil der Wirbelsäule ist in seinen Bewegungen ausserordentlich gehemmt durch seine Verbindung mit den Rippen und durch den Zusammenhang der letzteren mit dem Brustbein. Es kommen daher Bewegungen nur in dem Bereiche der beiden letzten Dorsalwirbel vor, und zwar Flexion, Extension und Torsion. Der Grund hievon liegt darin, dass diese Wirbel mit den beiden freien Rippen in Verbindung stehen, welche an dem Brustbein sich nicht inseriren. In dem Lendentheil der Wirbelsäule kommen Flexion wie Extension und auch in geringem Grade laterale Flexion vor, dagegen fehlt die Torsion. Der Ausgangspunkte für die Flexion gibt es zwei, von denen sich der obere von dem 11. Brust- bis zu dem 2. Lendenwirbel, der untere von dem 4. Lendenwirbel bis zu dem Kreuzbein erstreckt.

435

Wirbelsäule.

Der Wirbelcanal beginnt an dem unteren Rande des grossen Hinterhauptloches und erstreckt sich, die Krümmungen der Wirbelsäule wiederholend, bis zu dem unteren Ende des Kreuz- und dem Anfang des Steissbeins, wo er hinten knöchern nicht geschlossen ist (Hiatus sacro-coccygeus). Der Verschluss des Wirbelcanals ist in der Höhe des Hiatus sacro-coccygeus nur häutig vermittelt, und zwar durch das kräftige Lig. sacro-coccygeum posterius superficiale. Die Weite des Wirbelcanals steht in ganz bestimmten Beziehungen zu dem Durchmesser des Rückenmarks und der Beweglichkeit der Wirbelsäule. An jenen Stellen der Wirbelsäule, an welchen die Beweglichkeit grösser und der Durchmesser des Rückenmarks bedeutender ist, erscheint der Wirbelcanal weit und eng da, wo die entgegengesetzten Verhältnisse sich vorfinden. Daher ist der Wirbelcanal am weitesten in dem Cervicaltheil, am engsten in dem Dorsaltheil und wird wieder weit in dem untersten Brust- und Lendentheil. Der Querschnitt des Wirbelcanals entspricht in dem Halstheil einem an den Winkeln abgestumpften Dreieck, in der Brusthöhle ist er annähernd rund mit etwas grösserem frontalen, als sagittalen Durchmesser, und in dem Lendentheil nähert sich wieder der Querschnitt in seiner Gestalt jenem des Halstheils, während er in dem Kreuzbein von vorn nach hinten abgeplattet erscheint. . Die Wandungen des Wirbelcanals sind vorn in den Wirbelkörpern und den intervertebralen Bandscheiben, hinten in den Wirbelbögen und den Lig. intercruralia (flava) gegeben. Seitlich ist der knöcherne Verschluss des Wirbelcanals am wenigsten solide, da hier die Foramina intervertebralia für den Durchtritt der Rückenmarksnerven sich befinden, durch welche die knöcherne Verbindung von Körper und Wirbelbögen auf die dünnen Wurzeln der letzteren beschränkt ist. Hinten ist der Wirbelcanal knöchern fast vollkommen geschlossen, durch das dachziegelförmige Uebereinanderliegen der Wirbelbögen und Dornfortsätze der sechs oberen Brustwirbel, welches nach unten geringer wird. Am wenigsten gut ist hinten der Wirbelcanal in dem-Cervicaltheil geschützt, weil hier die knöchernen Bögen am meisten von einander abstehen. Grösseren Schutz gewährt der Lendentheil. da hier die Wirbelbögen bedeutend breiter sind als in dem Halstheil. Die innere Wand des Wirbelcanals ist vorn durch das Lig. commune vertebrale posterius geglättet und hinten dadurch geebnet, dass die vordere Fläche der Lig. intercruralia ganz in der gleichen Ebene mit der vorderen Fläche der Wirbelbögen liegt. 28*

wirbelcanal.

436 Inhalt des wirbeicanais.

Rückenmark.

In dem Wirbelcanal sind enthalten das Rückenmark, die Nerveni n ¿ e r Rückenmarksnerven, sowohl die kürzeren der Cervicalund Dorsalnerven, wie die langen der Lenden- und Kreuzbeinnerven, ferner die häutigen Umhüllungen des Rückenmarks, welche die gleichen wie bei dem Gehirne sind, und die zwischen den Rückenmarkshäuten befindliche Cerebrospinalflüssigkeit. Aussen von dem Durasack ist eine grössere Menge weichen röthlichen Fettes vorhanden, welches durchsetzt ist von venösen, zu Geflechten verbundenen Gefässen, welche unter dem Namen der venösen Plexus von B r e s c h e t bekannt sind.

w u r z e

Rückenmark. Das Rückenmark stellt einen cylindrischen, in dem Halstheil von vorn nach hinten leicht abgeplatteten, an der Oberfläche markweissen Strang dar, der an dem oberen Rande des hinteren Atlasbogens continuirlich in die Medulla oblongata übergeht und bei dem Erwachsenen in der Höhe des Intervertebralknorpels zwischen dem 1. und 2. Lendenwirbel zugespitzt endet. Von der Spitze geht ein feiner Faden, das Filum terminale1), bis zu dem Ende des Wirbelcanals, d. h. bis zu dem Steissbein herab, an welchem er befestigt ist. Das Rückenmark füllt den Wirbelcanal nicht ganz aus, sondern nur etwas mehr als die Hälfte des Canallumens. Auch liegt das Rückenmark nicht centrisch in dem Wirbelcanal, sondern mehr nach vorn, den Körpern etwas näher als den Wirbelbögen. AnschweiiunDas Rückenmark ist nicht in allen Höhen gleich stark, sondern an und*stfangifdes Stellen, an welchen die mächtigen Nerven der. oberen und Rückenmarks, unteren Extremitäten abgehen, beträchtlich verdickt. Wir unterscheiden desshalb eine Hals- und eine Lendenanschwellung des Rückenmarks. Die erstere beginnt in der Höhe des 3. Halswirbels, erreicht ihr Maximum zwischen dem 5. und 6. Halswirbel und geht in der Höhe des 2. Dorsalwirbels in das Brustmark über, welches bis zu dem 9. Dorsalwirbel gleich stark bleibt. An dem 10. Brustwirbel beginnt die Lendenanschwellung, welche am 11. Dorsalwirbel am mächtigsten wird, und an dem 12. Brustwirbel in das Endstück des Allgemeines.

') In der ursprünglichen Anlage erstreckt sich das Rückenmark bis an das untere Ende des Wirbelcanals, und seine Spitze erreicht bei dem Neugeborenen noch den 3., bei dem einjährigen Kinde noch die Mitte des 2. Lendenwirbels. Da das von der Pia mater überzogene Filum terminale auch nervöse Elemente enthält, so wird dasselbe als Rudiment des mit der weiteren Entwicklung zurückgegangenen unteren Endes des Rückenmarks aufzufassen sein.

Rückenmark

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Rückenmarks, den Conus terminalis übergeht, der, wie bereits erwähnt, zugespitzt endet. In der vorderen, wie in der hinteren Medianlinie des Rückenmarks kommen Längsfurchen vor, von welchen die vordere weiter ist, aber weniger tief geht, als die hintere. In den Sulcus longitudinalis anter. dringt noch die Pia mater ein, während in dem tieferen Sulcus longitud. poster. nur ein dünnes, aus Bindesubstanz bestehendes Septum enthalten ist, welches die beiden hinteren Hälften des Rückenmarks von einander trennt. An jeder durch diese beiden Furchen scharf von einander geschiedenen Rückenmarkshälften sind zwei weitere Furchen zu beobachten, der vordere und der hintere Sulcus longitudin. lateralis, welche hauptsächlich dadurch gekennzeichnet sind, dass aus ihnen die vorderen und die hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven abgehen. Durch diese sechs Furchen wird die weisse Substanz des Rückenmarks in sechs Stränge geschieden, von welchen die beiden vorderen seitlich von dem Sulcus longitud. ant., die beiden hinteren seitlich von dem Sulcus longitud. post., und die beiden seitlichen zwischen den beiden Sulci longitud. later., dem ant. und dem post., gelagert sind. In der Höhe des 2. Dorsalwirbels tritt an den Hintersträngen eine weitere Furche in Sicht, welche, stärker werdend, sich bis zu der Medulla oblongata erhält, Durch diese neue Furche werden die Hinterstränge in die medialen zarten und in die lateralen Keilstränge getrennt. Beide treten in der Medulla oblongata in die Corpora restiformia ein. Die zarten Stränge tragen in der Höhe des Calamus scriptorius kleine Anschwellungen, welche wir bei dem Gehirn als Ciavae kennen gelernt haben. Schon die oberflächliche Betrachtung des Querschnittes des Rückenmarks lehrt: 1. dass ausser der weissen auch graue Substanz in den Aufbau des Rückenmarks eingeht, 2. dass beide Rückenmarkshälften sowohl durch weisse, wie durch graue Substanz unter einander verbunden sind. Man spricht daher von einer weissen und einer grauen Commissur des Rückenmarks. Die erstere liegt nach vorn und ist kaum halb so breit, als die graue Commissur, in deren Mitte in verticaler Kichtung der Centralcanal des Rückenmarks verlauft. Dieser Canal ist bei Kindern mit cylindrischen, flimmernden Endothelialzellen ausgekleidet, bei dem Erwachsenen, in der Regel wenigstens, stellenweise, besonders häufig in dem Cervicaltheil, obliterirt, und zwar durch Proliferirung von Zellen, die wohl als Abkömmlinge der Zellen der endothelialen Auskleidung aufzufassen sind.

RückenmarksstränEe

'

Der Querschnitt des Rückenmarks.

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Rückenmark.

Die graue Commissur vermittelt den Zusammenhang der in jeder Rückenmarkshälfte vorhandenen grauen Massen. In dem Brusttheil erseheinen die letzteren als zwei vom und hinten angeschwollene Streifen, welche in Verbindung mit der grauen Commissur an die Gestalt eines grossen lateinischen H erinnern. Man bezeichnet den in der vorderen Hälfte des Rückenmarks enthaltenen Theil der grauen Substanz als Vorder- und den in der hinteren als Hinterhorn. An dem Ende des letzteren befindet sich eine ovale, von Bündeln der hinteren Nervenwurzeln durchzogene Stelle, die Substantia gelatinosa von R o l a n d o . In der Halsanschwellung, und noch mehr in der Lendenanschwellung nimmt die Masse der grauen Substanz bedeutend zu, und wird dadurch zur alleinigen Ursache beider Anschwellungen. In den Vorderhörnern des Rückenmarks findet sich eine bedeutende Anzahl mit der grössten Nervenzellen, und von jeder derselben geht nur ein ungetheilter homogener Nervenfortsatz und zahlreiche, sich auf das vielfachste verästelnde, feinkörnige Protoplasmafortsätze aus. Viel weniger reichlich sind die kleineren Zellen der Hinterhörner, deren morphologische Verhältnisse rücksichtlich des Verhaltens der Fortsätze noch nicht so klar vorliegen, als dieses bei den grossen Zellen der Vorderhörner der Fall ist. Die Substantia gelatinosa ist frei von Nervenzellen. In dem ganzen Brustmark findet sich gleich neben der Eintrittsstelle der grauen Commissur in die grauen Seitenmassen eine Gruppe mittelgrosser Nervenzellen vor, welche, rundlich gestaltet, den Namen der C l a r k sehen Säulen führt. Mittels der Goldmethode lassen sich Nervenfaserbündel nachweisen, welche, von den Clarkschen Säulen abgehend, zwei Richtungen einhalten, eine laterale zu den Seitensträngen und eine nach rückwärts zu den Hintersträngen. Rücksichtlich der weissen Substanz ist zuerst die für das Verständniss des Rückenmarks hochwichtige Thatsaehe hervorzuheben, dass die Masse der weissen Substanz von unten nach oben stetig zunimmt, und zwar in den Anschwellungen rascher, in dem Brustmark nur sehr allmählig. Die einfache Folgerung aus dieser Thatsaehe ist die, dass Nervenfassern, welche in den Strängen absteigen, stetig bald höher, bald tiefer in die graue Substanz eintreten, oder dass Nervenfasern aus der grauen Substanz in verschiedenen Höhen in die weisse eintreten, um, darin aufsteigend, zu dem Gehirn zu gelangen. Wahrscheinlich findet beides statt. Die weitaus grösste Menge der weissen Substanz besteht aus vertical verlaufenden Nervenfasern, und es ist daher der für die

Rückenmark.

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einzelnen Abtheilungen der weissen Substanz gewählte Name »Stränge« vollkommen gerechtfertigt. Rücksichtlich der Seitenstränge hat man aus bei menschlichen Embryonen gemachten Beobachtungen, nach welchen ein Theil der Fasern dieser Stränge früher markhaltig wird, und dieser Theil nach oben einen andern Weg einschlägt, als die später markhaltig gewordenen, den richtigen Schluss gezogen, dass dieselben aus zwei Abtheilungen bestehen, und zwar einer kleineren, peripher gelegenen, welche in die Corpora restiformia der Medulla oblongata eintritt, und einer grösseren, der grauen Substanz näher gelegenen, welche in den Pyramiden der Medulla oblongata eine totale Kreuzung erleidet. Von den beiden Abtheilungen der Seitenstränge wird daher der eine Kleinhirnseitenstrang, der andere Pyrainidcnseitenstrang genannt. Horizontal verlaufende Fasern kennt man bis jetzt einmal in der vorderen, weissen Commissur, wo eine exquisite Kreuzung derselben stattfindet. Die Kreuzung geschieht, wie gute Goldpräparate lehren, in der Art, dass die Fasern aus den grauen Vorderhörnern aus- und in die weisse Commissur eintreten, um, nachdem sie sich hier mit den gleichen Fasern der andern Seite gekreuzt haben, in dem Vorderstrang der ihrem Ursprung entgegengesetzten Seite den Verlauf nach dem Gehirn zu nehmen. Ausser den sogleich zu erörternden Fasern der Nervenwurzeln finden sich horizontal verlaufende Fasern noch an der Grenze zwischen der grauen Substanz und den Seitensträngen. Die aus der grauen Substanz in die Seitenstränge gelangenden Nervenfaserbündel verlaufen in den letzteren eine ganz kurze Strecke horizontal, um, sich alsbald umbiegend, in verticaler Richtung nach dem Gehirn aufzusteigen. Bekanntlich entspringt jeder Rückenmarksnerv mit zwei Wurzeln, Nervenwurzeln einer vorderen und einer hinteren. Die Experimentalphysiologie hat v"rLunilse^ieB als absolut sicher festgestellt, dass die Fasern der vorderen Wurzeln Rückenmarks, in Muskeln, die der hinteren an empfindenden Hautstellen enden, dass demnach die ersteren motorisch, die letzteren sensibel sind. Mit Ausnahme der beiden oberen Halsnerven sind die hinteren Wurzeln stärker als die vorderen. Nimmt man nun noch hinzu, dass die Fasern der vorderen Wurzeln breiter als die der hinteren sind, so ergibt sich als unabweisbare Schlussfolgerung, dass eine grössere Anzahl sensibler Endpunkte mit dem Rückenmark in Verbindung steht, als motorischer. Die Fasern der vorderen Wurzeln durchsetzen die weisse Substanz zwar nicht rein waagerecht, sondern etwas leicht ansteigend. Mit der grössten Sicherheit ist der Nachweis geliefert, dass die Nervenfortsätze der Zellen der Vorderhörner

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Rückenmark.

zu Achsenfasern vorderer Wurzelröhren werden, und damit ist der Ursprung der motorischen Rückenmarksnerven in dem Rückenmark selbst festgestellt. Die Annahme, dass sämmtliche vordere Wurzelfasern ihren Ursprung von den Nervenzellen der Vorderhörner nehmen, wird dadurch gerechtfertigt, dass da, wo zahlreiche vordere Wurzelfasern abgehen, wie in den Anschwellungen des Rückenmarks auch die Anzahl der Nervenzellen bedeutend vermehrt ist. Welches ist nun der Zusammenhang zwischen den Nervenzellen der Vorderhörner mit den theils in den Vorder-, theils in den Seitensträngen zu dem Gehirn aufsteigenden Fasern. Die Thatsache, dass die Quelle der Erregung motorischer Rückenmarksnerven nicht in dem Rückenmark, sondern in dem Gehirn zu suchen ist, erfordert gebieterisch die Existenz eines solchen Zusammenhangs. Als ich vor Jahren in der grauen Substanz der Centraiorgane das Vorhandensein eines feinmaschigen Netzes feinster Fasern nachwies, glaubte ich, dieses Netz, da sich dasselbe mit der Goldmethode darstellen liess und Goldsalze bekanntlich eine besondere Anziehung zu Fasern nervöser Natur besitzen, als ein nervöses (nervöses centrales Fasernnetz) beanspruchen zu müssen, und dachte mir dasselbe in Verbindung mit den so zahlreichen, feinsten Ausläufern der protoplasmatischen Fortsätze der Nervenzellen. Von anderer Seite wurde zwar weniger die Existenz dieses Netzes, als dessen nervöse Natur bestritten, und dasselbe der Bindesubstanz zugewiesen. Man stellte der von mir vertretenen Continuität der nervösen Elemente die Contiguität, d. h. das blosse Nebeneinanderliegen der letzteren gegenüber. Mit der letzteren lässt sich aber für das Verständniss der Leitung in dem Rückenmark absolut nichts machen. Nimmt man mit mir weiter an, dass in dem nervös centralen Fasernetz durch Confluenz feinster Fasern wieder Achsenfasern von Nervenröhren entstehen, was ich durch eine photographisch treue Abbildung in dem Sammelwerke von S. S t r i c k e r 1 ) nachgewiesen zu haben glaube, so erhalten wir ein klares Bild der motorischen Leitung in dem Rückenmark, welches sowohl mit den pathologischen Beobachtungen, wie mit den Ergebnissen der Experimentalphysiologie in vollem Einklang steht. Durch die protoplasmatischen Fortsätze der Vorderhörner ist die Verbindung mit dem nervös-centralen Fasernetz, und durch dieses der Zusammenhang mit den, theils in den Vordersträngen der ') Seite 679.

Rückenmark.

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entgegengesetzten Seite, d. h. gekreuzten (vordere weisse Commissur), theils in den Pyramidenseitensträngen aufsteigenden Nervenfasern vermittelt, welche erst in den Pyramiden einer Kreuzung unterliegen. Damit stimmt die Beobachtung an dem Krankenbett, welche ergibt, dass die willkürliche motorische Lähmung stets kreuzweise eintritt, weil die ihr zu Grunde liegende Ursache (meist Blutaustritt) oberhalb der beiden Kreuzungsstellen (vordere weisse Commissur des Rückenmarks und Pyramiden der Med. oblongata) gegeben ist. Die beiden Hauptergebnisse der Experimentalphysiologie rücksichtlich der willkürlichen motorischen Leitung in dem Rückenmarke sind: 1. dass bei horizontaler Durchschneidung des Marks die willkürliche Bewegung in allen Muskeln, die ihre Nerven von dem Rückenmarkstheile erhalten, welcher unterhalb der durchschnittenen Stelle liegt, gänzlich erloschen ist, und 2. dass, wenn das ganze Rückenmark in der Medianlinie sagittal durchschnitten ist, nur willkürliche Halblähmung auftritt, da mit der Durchschneidung der vorderen weissen Commissur wohl die Leitung durch die Vorderstränge unterbrochen, jene in den Pyramidenseitensträngen aber noch intact ist, da dieselbe erst über dem Rückenmark in der Medulla oblongata erfolgt. ' Weit weniger klar liegen die Verlaufsverhältnisse der auf dem Wege der hinteren Wurzeln in das Rückenmark eingetretenen, also die Leitungsbahnen der sensiblen Nerven vor. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass in die Leitungsverhältnisse de.r durch die hinteren Wurzeln eintretenden Nervenfasern die graue Substanz weit ausgiebiger eingreift, als in diejenigen, welche durch die vorderen Wurzeln dem Rückenmark zugeführt werden. Die hinteren Nervenwurzeln treten, horizontal in der Richtung von aussen nach der Medianlinie verlaufend, in die weisse Substanz des Rückenmarks ein und scheiden sich schon hier in zwei Abtheilungen. Die vordere laterale kleinere behält den horizontalen Verlauf bei und durchzieht, wie wir schon oben sahen, in feine und feinste Bündel gespalten, die Substantia gelatinosa der Hinterhörner, um in ein vertical verlaufendes Faserbündel einzutreten, welches sich an dem vorderen Ende der Substantia gelatinosa befindet. In diesem vertical verlaufenden Faserbündel verweilen jedoch die lateralen hinteren Wurzelfasern nicht sehr lange, sondern sie biegen nach vorn in die horizontale Ebene um, wo sich ihr Verlauf in der grauen Substanz nicht sicher weiter verfolgen lässt. Die mediale grössere Abtheilung der hinteren Wurzelfasern legt sich an den Theil der Hinterstränge, welcher die Substantia gelatinosa medialwärts und hinten begrenzt, und erhält

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Rückenmark.

hier umbiegend eine verticale Richtung, um in den Hintersträngen beiläufig 1 cm auf- und vielleicht auch abwärts zu verlaufen. Diese medialen hinteren Wurzelfasern erleiden sodann eine nochmalige Biegung, in Folge deren sie wieder horizontal, und zwar nach vorn verlaufen, um in die graue Substanz der Hinterhörner seitlich von der Substantia gelatinosa einzutreten. Ueber den weiteren Faserverlauf in der grauen Substanz der Hinterhörner ist nur so viel bekannt, dass sehr zahlreiche Nervenfasern sowohl vor wie namentlich hinter dem Centralcanal in der grauen Commissur die Medianebene passiren, also von einer Rückenmarkshälfte in die entgegengesetzte gelangen, womit wohl das Ergebniss der experimentellen Physiologie in Beziehung steht, dass nach Anlegung eines sagittalen Schnittes durch die Medianebene in dem Bereich des ganzen Rückenmarks, wobei weisse und graue Commissur getrennt werden, nicht nur motorische Halblähmung, sondern eine totale Lähmung sämmtlicher sensibler Bahnen der Rückenmarksnerven eintritt. Demnach ist anzunehmen, dass bei den sensiblen Rückenmarksnerven schon in dem Rückenmark die Kreuzung eine vollständige ist. centrale ThätigUnter allen Leistungen, welche dem Rückenmark als Centralmarks. organ beigelegt werden, ist seine Thätigkeit als Reflexcentrum all' gemein anerkannt und wohl auch die wichtigste. Es ist eine schon lange bekannte Thatsache, dass an dem Rumpfe von Thieren und Menschen kurz nach der Enthauptung noch unwillkürliche Bewegungen hervorgerufen werden können, wenn die Haut gereizt wird, was nach der Zerstörung des Rückenmarks nicht mehr möglich ist. Schon die längere Zeit, welche für das Zustandekommen der reflectorischen Uebertragung des Erregungszustandes einer sensiblen auf eine motorische Nervenfaser im Vergleich mit der gewöhnlichen Nervenleitung nothwendig ist, spricht dagegen, dass diese Uebertragung einfach durch Umbiegung sensibler Nervenfasern in motorische in dem Rückenmark geschehe, wofür auch nicht der geringste anatomische Anhaltspunkt vorliegt. Zieht man alle über den Bau des Rückenmarks sicher festgestellten Thatsachen in Betracht, so kann man sich kaum der Ansicht verschliessen, dass in den grossen Zellen der Vorderhörner die Uebertragungsfactoren der Erregung von einer sensiblen auf eine motorische Nervenfaser gegeben sind. Nimmt man weiter an, dass durch das central-nervöse Fasernetz hintere "Wurzelfasern mit den Zellen der Vorderhörner in Verbindung stehen, so bietet die Erklärung des Vorganges der Reflexion, insoweit es sich um morphologische Verhältnisse handelt, keine weitere Schwierigkeit. Der

Rückenmark.

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Einfluss des wollenden Hirns ist durch die Enthauptung, d. h. mit der Durchschneidung der Nervenbahnen, welche durch die Willenscentren zu den Zellen der Vorderhörner gehen, vernichtet. Dagegen bleibt die Leitung intact bestehen, welche durch das central-nervöse Fasernetz von den sensiblen Fasern zu den Zellen der Vorderhörner geht. Durch die übertragende Kraft der letzteren wird die motorische Nervenfaser in Thätigkeit versetzt, und die Folge davon ist die Reflexbewegung. Auch die bekannte Thatsache, dass der Wille die Reflexbewegungen bis zu einem gewissen Grade unterdrücken kann, steht damit ganz in Einklang, insoweit wir den von dem Gehirn zu den Zellen der Vorderhörner gehenden Fasern ausser der Eigenschaft, dass sie diese Zellen zur Erregung der von ihnen zu Muskeln gehenden Nervenfasern veranlassen, auch noch die beilegen, dass sie hemmend auf die Thätigkeit als Uebertragungsfactoren wirken können. Ausser der reflectorischen hat man dem Rückenmark auch automatische Thätigkeit zugeschrieben. Darnach soll es in der grauen Substanz des Rückenmarks Stellen (automatische Centren) geben, von welchen stetig Erregung von Nerven ausgeht, die zu gewissen Gruppen unwillkürlicher Muskeln treten. Am gesichertsten scheint noch das in das untere Hals- und obere Brustmark gelegte Centrum ciliospinale zu sein, das die Muskulatur der Gefässe des Kopfes, sowie den die Pupille erweiternden Muskel beherrschen soll. Andere derartige Centren wurden dem Lendenmark zugewiesen, so das Centrum genitospinale für die Muskulatur der Harnblase der Vasa defentia, des Mastdarms, ein anderes für die Nerven des Uterus, sowie eines für die Erectionsnerven. Die Existenz und genauere Localisation dieser Centren ist jedoch immer noch ziemlich unsicher. Der Rückenmarksnerven gibt es 31 Paare, welche sich in 8 Hals-, Rückenmarks12 Brust-, 5 Lenden-, 5 Kreuzbein- und in einen Steissbeinnerven nerven, gliedern. Der erste Cervicalnerv verlässt den Wirbelcanal zwischen Hinterhauptsbein und Atlas, und der letzte zwischen der Vertebra prominens und dem ersten Brustwirbel. Unter dem ersten Brustwirbel geht der erste Dorsalnerv und unter dem letzten Brustwirbel der letzte Dorsalnerv aus dem Wirbelcanal. Von den Lendennerven verlässt der erste unter dem ersten Lendenwirbel, der letzte unter dem letzten Lendenwirbel den Wirbelcanal. Mit Ausnahme der beiden oberen Halsnerven liegt die Abgangsstelle der Nervenwurzeln höher als die Austrittsstelle der betreffenden Nerven aus dem Wirbelcanal. Diese Differenz oder mit anderen Worten die Länge der Nervenwurzeln wird nach abwärts immer grösser und beträgt bei dem

444

Rückenmark.

3. Cervicalnerven schon fast 2 cm. Da das Ende des Rückenmarks in die Höhe des Intervertebralknorpels zwischen dem ersten und zweiten Lendenwirbel fällt, so werden die Wurzeln der Lendenund Sacralnerven das Rückenmarksende überragen und zwar um so mehr, je tiefer die Austrittsstellen derselben aus dem Wirbelcanal liegen. Entfernt man nun das Rückenmark mit den an den Austrittsstellen aus dem Wirbelcanal abgetrennten Nervenwurzeln, so haftet an der Lendenanschwellung ein Büschel bis gegen 30 cm langen Nervenwurzeln, die Cauda equina. Für den Praktiker hat es nun einen gewissen Werth, die Abgangsstellen der Nervenwurzeln von dem Rückenmark und die denselben entsprechenden Höhen der Wirbelsäule zu kennen, da daraus unter Berücksichtigung des Umstandes, wie weit die Lähmung nach oben sich erstreckt, ein Schluss auf die Stelle des Rückenmarks gezogen werden kann, an welcher sich die pathologische Veränderung desselben befindet. Zur Orientirung über diese Verhältnisse dient folgende Tabelle: Ursprung des 1. Cervicalnerven: gleiche Höhe mit dem unteren Rande des Hinterhauptsloches. » »2. » : gleiche Höhe mit dem oberen Rande des Atlas und etwas darüber. » » 3. » : etwas unterhalb der Mitte des Raumes zwischen Hinterhauptsloch und dem Dornfortsatz des Epistropheus. » » 4. » : gleiche Höhe mit dem Dornfortsatz des Epistropheus und etwas darüber. » » 5. » : gleiche Höhe mit dem Dornfortsatz des 3. Cervicalwirbels und etwas darüber. » » 6. » : gleiche Höhe mit dem Dornfortsatz des 4. Cervicalwirbels und etwas darüber. » »7. » : gleiche Höhe fnit dem Dornfortsatz des 5. Cervicalwirbels und etwas darüber. » » 8. » : gleiche Höhe mit dem Dornfortsatz des 6. Cervicalwirbels und etwas darüber.

Rückenmark

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Ursprung des 1. Dorsalnerven: gleiche Höhe mit dem Dornfortsatz des 7. Cervicalwirbels und etwas darüber. » »2. » : zwischen den Dornfortsätzen des 7. Cervical- und 1. Dorsalwirbels. » » 3. » : von dem Dornfortsatz des 1. Dorsalwirbels bis zur Mitte des Raumes zwischen den Dornfortsätzen des 1. und 2. Dorsalwirbels. » » 4. » : zwischen den Dornfortsätzen des 2. und 3. Dorsalwirbels. » » 5. » : zwischen den Dornfortsätzen des 3. und 4. Dorsalwirbels. » » 6. • » : zwischen den Dornfortsätzen des 4. und 5. Dorsalwirbels. » »7. » : in der Höhe des Dornfortsatzes des 5. Dorsalwirbels. » » 8. » : in der Höhe des Dornfortsatzes des 6. Dorsalwirbels. » » 9. » : in der Höhe des Dornfortsatzes des 7. Dorsal wirbels. » » 10. » : in der Höhe des Dornfortsatzes des 8. Dorsalwirbels. » »11. » : zwischen den Dornfortsätzen des 8. und 9. Dorsalwirbels. » » 12. » : in der Höhe des Dornfortsatzes des 10. Dorsalwirbels. » » 1 . Lumbalnerven: zwischen den Dornfortsätzen des 10. und 11. Dorsalwirbels. » » 2. » : in der Höhe des Dornfortsatzes des 11. Dorsalwirbels. » » 3. » : zwischen den Dornfortsätzen des 11. und 12. Dorsal wirbels. » » 4. » : in der Höhe der oberen Hälfte des Dornfortsatzes des 12. Dorsalwirbels. » » 5. » : in der Höhe der unteren Hälfte des Dornfortsatzes des 12. Dorsalwirbels.

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Rückenmark.

Ursprung des 1. Sacralnerven: dicht unter dem Dornfortsatz des 12. Dorsalwirbels. » »2. » : hart über dem Dornfortsatz des 1. Lumbalwirbels. in der Höhe der oberen 3. Hälfte des Dornfortsatzes des 4. 1. Lumbalwirbels. 5. Es werden demnach bei einem mit Verletzung des Rückenmarks verbundenen Bruche des 12. Dorsalwirbels die Sacralnerven, und bei

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Fig. 83. Querschnitt durch den Halsthell der Wirbelsäule und des Bückenmarks In doppelter VergröBserung. 1 Wirbelkörper mit dem darauf gelagerten Llg. longltud. post. 2 Wirbelbogen. 3 Perlost. 4 Fetthaltiges Bindegewebe zwischen Perlost und Dura mater, In welchem Durchschnitt« der Venen dei B r e s c h e t ' s c h e n Plexus sichtbar sind. 5 Dura mater. 6 Subduralraum 7 Arachnoidea. 8 Subarachnoidealraum.

einem lähmt selben nicht,

9 Hintere Wurzel mit dem Gangl. intervert. 10 Vordere Wurzel. 11 Hinterer schwächerer Ast des Rückenmarksnerven. 12 Vorderer stärkerer Ast des Rückenmarksnerven. 13 Ligam denticulatum. 14 Pia mater. 15 Weisse Substanz des Rückenmarks. 16 Graue Substanz des Rückenmarks. 17 Art. vertebralis.

Bruche des 11. Dorsal wirbels Sacral- und Lumbalnerven gesein. Ist der 7. Halswirbel gebrochen, und in der Höhe desdas Rückenmark verletzt, so werden die Muskeln des Halses wohl aber die intercostalen und Bauchmuskeln, sowie die

Rückenmark.

447

Muskeln der unteren Extremität, nebst den entsprechenden Hautpartien, gelähmt sein. Die vorderen und hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven treten nicht vereint, sondern gesondert durch die Dura mater. Nach dem Durchtritt verdickt sich die hintere Wurzel alsbald durch Aufnahme von Nervenzellen zu dem Ganglion intervertebrale, worauf erst die Vereinigung beider Wurzeln zu einem, motorische und sensible Fasern führenden Nerven erfolgt. Noch innerhalb des Foramen intervertebrale theilt sich der Rückenmarksnerv in einen vorderen und hinteren Ast, von welchen mit Ausnahme der beiden ersten Cervicalnerven der vordere Ast beträchtlich stärker ist. Die vorderen und hinteren Aeste der Sacralnerven verlassen durch die Foramina sacralia anteriora uud posteriora den Wirbelcanal. Die hinteren Aeste theilen sich in einen tiefen und oberflächlichen Zweig, von welchen der erstere für die langen und kurzen Rückenmuskeln, der letztere für die Haut des Rückens bestimmt ist. Die vorderen treten alsbald durch die Rami communicantes mit dem Grenzstrang des N. sympathicus und dessen Ganglien in Verbindung, theilen sich in auf- und absteigende Zweige, welche sich vielfach unter einander verbinden, worauf die Geflechte der Rückenmarksnerven beruhen. Eine Ausnahme hievon machen nur die vorderen Aeste der 12 Dorsalnerven, welche keine Plexus bilden, sondern als N. intercostales zwischen den äusseren und inneren Intercostalmuskeln verlaufen. Man unterscheidet folgende Plexus: 1. Den Plexus cervicalis, dessen Wurzeln in den vorderen Aesten der 4 oberen Halsnerven gegeben sind. 2. Den Plexus brachialis, der sich aus den vorderen Aesten der 4 unteren Halsnerven und einem starken Zweige des ersten Dorsalnerven zusammensetzt, also 5 Wurzeln hat. 3. Den Plexus lumbalis, an welchem sich die vorderen Aeste des 1., 2. und 3. Lendennerven, sowie auch häufig Fasern des unter der letzten Rippe verlaufenden 12. Intercostalnerven betheiligen. 4. Den Plexus sacralis, dessen Wurzeln die vorderen Aeste des 4., 5. Lendennerven und des 1., 2., 3., sowie ein Theil des 4. Sacralnerven bilden. 5. Den Plexus sacto-coccygeus, für welchen die vorderen Aeste des 5., der untere Theil des 4. Sacralnerven, sowie des N. coccygeus die Wurzeln liefern.

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Kückenmark.

Hüiien des Das Rückenmark hat die gleichen Hüllen wie das Gehirn, die Ruckenmarks. p j a ¿ ¡ e Arachnoidea und die Dura mater. Die Pia mater des Rückenmarks ist weniger gefässreich, als jene des Gehirns, und die Arterien derselben gehen schon in der Schädelhöhle von den Art. vertebrales ab, kurz vor der Vereinigung beider Vertebralarterien zu der Art. basilaris. Die beiden vorderen Art. spinales vereinigen sich noch in der Schädelhöhle zu einem Gefäss, welches auf dem Rückenmark in der vorderen Medianlinie bis zur Cauda equina herabgeht, während die beiden hinteren Spinalarterien von einander getrennt bleiben, aber durch vielfache Anastomosen unter einander in Verbindung stehen. Die Pia mater haftet an dem Rückenmark viel inniger, als an dem Gehirn, und nur in den ersten Lebensjahren lässt sie sich leicht und reinlich von dem Rückenmark trennen. In die vordere Medianfurche des Rückenmarks senkt sich die Pia mater bis zur weissen Commissur faltenförmig ein, während in die hintere Medianfurche nur eine Verlängerung ihrer bindegewebigen Grundlage als Septum der Hinterstränge bis zur grauen Commissur eindringt. Wie das Rückenmark, so ist auch dessen Filum terminale von der Pia mater überzogen, und dieselbe erstreckt sich daher bis zu dem Steissbein. Zu beiden Seiten des Rückenmarks, zwischen den vorderen und hinteren Nervenwurzeln, ist die Pia mater leistenförmig verdickt, und von diesen Leisten gehen die Basen dreieckiger Bänder ab, deren Spitzen an die innere Fläche der Dura mater angeheftet sind. Solcher Zacken gibt es 21—23, welche in dem Hals- und Brusttheil zwischen je zwei vorderen und hinteren Nervenwurzeln ausgespannt sind, in dem Lendentheil aber diese Regelmässigkeit nicht mehr erkennen lassen. Die sämmtlichen Zacken einer Seite bilden das Lig. denticulatum, welches neben den Nervenwurzeln das Rückenmark in seiner Lage aufgehängt in dem Sacke der Dura mater erhält. Die Arachnoidea spinalis, von gleicher Beschaffenheit wie die des Gehirns, bildet um das Rückenmark einen weiten Sack, welcher von den Wurzeln der Spinalnerven durchsetzt wird. Das Lig. denticulatum trennt diesen Sack in eine vordere und hintere Hälfte, die auch als vorderer und hinterer Subarachnoidealraum des Rückenmarks bezeichnet werden, und die mit den gleichnamigen Räumen des Gehirns in Continuität stehen. Auch die Cauda equina wird von dem weiten Arachnoidealsack umschlossen, und hier fliessen natürlich vorderer und hinterer Subarachnoidealraum in einen Raum zusammen. Beide Flächen der Arachnoidea sind mit endothelialen

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Rückenmark.

Zellen überkleidet, und es scheidet demnach diese Membran den weiten subarachnoidealen von dem mehr spaltenartigen subduralen Raum. Beide Räume erhalten dünne, klare lymphatische Flüssigkeiten. Die reichlicher vorhandene subarachnoideale Flüssigkeit steht durch die an der hinteren Fläche des unteren Endes der Rautengrube vorhandene Oeffnung der Pia mater (Loch von M a g e n die) in Verbindung mit der in den Hohlräumen des Cerebrospinalorgans enthaltenen Flüssigkeit und stellt mit der letzteren den Liquor cerebrospinalis dar. Die Dura mater hat nur den Charakter einer Hüllenhaut des Rückenmarks, da an dem Foramen magnum die Dura mater des Schädels sich in zwei Lamellen spaltet, von denen die äussere sich an die Wandungen des Wirbelcanals anlegt, und theils mit dem Periost, theils mit dem hier vorhandenen Bandapparate verschmilzt, während die innere als reine Hüllenhaut des Rückenmarks sich bis zu dem Steissbein erstreckt und daselbst, zu einem Blindsack geschlossen, endet. Der Sack der Dura mater wird von den vorderen und hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven durchbrochen und erhält dadurch, sowie durch die Verwachsung mit der Basis des Steissbeins seine Befestigung an der Wand des Wirbelcanals. Auch kann man den Sack der Dura mater spinalis als eine Art von Septum auffassen, welche den Wirbelcanal in einen grösseren, centralen Raum theilt, der das Rückenmark mit seinen weichen Hüllen, die Nervenwurzeln, sowie die Cerebrospinalflüssigkeit enthält, und in einen äusseren peripheren, der weniger umfangreich ist. Der ausserhalb der Dura mater befindliche Raum des Wirbel- Fett und venencanals ist mit einem weichen, gelbröthlichem Fett gefüllt, welches wirbeicanaiB nur wenig Bindegewebe enthält. Dieses Fett ist durchzogen von zu Geflechten verbundenen Venen, und zwar unterscheidet man einen vorderen und hinteren venösen Plexus, die aber durch zahlreiche Anastomosen unter einander in Verbindung stehen. Diese venösen Geflechte, welche oben mit den Sinus der Dura mater communiciren, nehmen die Venen des Rückenmarks und seiner Häute, sowie die Venen der knöchernen Wandungen des Wirbelkanals auf. Der Rückfluss des Blutes aus diesen Plexus erfolgt in dem Halstheile der Wirbelsäule durch die Vena vertebralis, in dem Brusttheile durch die intercostalen, und in dem Lendentheil durch die lumbalen Venen, welche mit den venösen Geflechten innerhalb des Wirbelcanals in vielfacher, anastomotischer Verbindung stehen. Gerlach, Anatomie des Menschen.

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Die Brust. Allgemeines.

Begrenzung, äussere Configuration, Grösse und Umfang der Brust.

Allgemeines

Die Brusthöhle, zwischen Hals und Unterleib gelegen, schliesst das Herz mit den zu- und abgehenden Gefässen, die Lungen, Bronchien, die untere kleinere Hälfte der Trachea und den grössten Theil der Speiseröhre ein. Die knöcherne Umwandung der Brusthöhle, der Thorax, wird vorn von dem Sternum, hinten von dem Brusttheile der Wirbelsäule und seitlich von den Rippen gebildet. Oben communicirt die Brusthöhle direct mit dem Halse, unten ist sie durch eine fleischig sehnige Platte, das Zwerchfell, von der Unterleibshöhle geschieden. Berücksichtigt man nur den Thorax, so ist derselbe unten breiter und nach der Halsgrenze zu eingeengt. In der topographischen Anatomie wird aber die Brust mit Rücksicht auf das praktische Bedürfniss oben weiter ausgedehnt und noch jener Körpertheil einbezogen, dessen knöcherne Unterlage die beiden Gürtelknochen der oberen Extremität, die Clavicula und Scapula, bildeu, also der oberste Theil der oberen Extremität, den wir als Schulter bezeichnen.

Begrenzung.

Als obere Grenze zwischen Hals und Brust wird die Incis. semilun. sterni, der obere Rand der Clavicula, sowie die von dem Acromion nach dem Dornfortsatz des siebenten Halswirbels gezogene Linie angegeben. Diese Grenze entspricht aber nur hinten dem thatsächlichen Verhältniss; dagegen überragen die vordere Begrenzungslinie die beiden hinteren Drittheile der ersten und das

Allgemeines. Begrenzung, äussere Configuration, Grösse u. Umfang d. Brust.

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hintere Drittheil der zweiten Rippe, sowie ein Theil der Lungenspitze. Die wirkliche Grenze zwischen Hals und Brust fällt vielmehr in eine horizontale Ebene, welche den Intervertebralknorpel zwischen dem letzten Hals- und ersten Brustwirbel schneidet. Diese Ebene steht aber vorn in der Medianlinie 3,5 cm über der Incis. sterni, in der Mitte der Clavicula 2 cm über dem oberen Rande dieses Knochens, und nur bei Personen, bei welchen die Clavicula lateralwärts sich etwas mehr erhebt, fällt in diese Ebene der obere Rand des Acromialendes der Clavicula. Trotzdem wird in der topographischen Anatomie der über der Incis. sterni und über der Clavicula gelegene Theil der Brust bei dem Halse beschrieben; der Grund hievon liegt eben darin, dass man die an dem Lebenden scharf hervortretenden Knochenränder des Sternums und der Clavicula als Grenze zwischen Hals und Brust desshalb nicht gern aufgibt, weil für die Bestimmung des Punktes, in welchen vorn die durch den Intervertebralknorpel zwischen letztem Hals- und erstem Brustwirbel gelegte Ebene fällt, an dem Lebenden jeder Anhaltspunkt fehlt. Die untere Begrenzung der Brust richtet sich nach der In- und Exspirationsstellung des Zwerchfells. Diese Grenze ist daher eine wechselnde, und es wird davon später bei der Betrachtung des Zwerchfells genauer die Rede sein. Für das gewöhnliche ruhige Athmen kann man approximativ in der vorderen Medianlinie die Wurzel des Proc. xiphoid., in der Mammillarlinie den oberen Rand der 7. Rippe, in der Axillariinie den oberen Rand der 9. Rippe und in der hinteren Medianlinie den Dornfortsatz des 11. Brustwirbels als Grenze zwischen Brust und Unterleib annehmen. Auch abgesehen von dem über dem Schlüsselbein gelegenen Bezirke der Brust lässt sich dieselbe nach ihrer äusseren Gestalt mit keinem bekannten stereometrischen Körper vergleichen. Man hat zwar vielfach versucht, die Brust als abgestumpften und verkehrt gestellten Kegel mit der Basis nach oben zu betrachten; allein dieser Vergleich ist desshalb unstatthaft, weil die vordere Brustwand beträchtlich breiter ist, als die beiden seitlichen. Auch der Vergleich mit einer gleichfalls verkehrt gestellten abgestumpften Pyramide, deren Ränder abgerundet, ist nicht zulässig, und zwar schon desshalb, weil zwar der frontale Durchmesser der Brust von unten nach oben zunimmt, der sagittale dagegen von unten nach oben nicht nur nicht zu-, sondern sogar beträchtlich abnimmt, wie ein Blick auf den sagittal durchschnittenen Thorax lehrt. Will man daher eine Beschreibung des äusseren Gestaltverhältnisses der Brust des lebenden Menschen geben, 29*

configuration.

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Die Brust.

so kann man nur sagen, dass dieselbe unten an der Grenze gegen den Unterleib mehr oder weniger kreisförmig ist, dass nach oben die vordere und hintere Fläche an Breite gewinnen, während die beiden seitlichen an Breite verlieren, und dass der frontale Durchmesser von unten nach oben zu-, der sagittale dagegen abnimmt. Bei guter Entwicklung und gerader aufrechter Stellung des Individuums sind an der Brust in der Medianlinie des Körpers eine vordere und hintere Medianfurche wahrnehmbar, bedingt durch die symmetrische Anordnung der Muskulatur in beiden Körperhälften. Daher sind diese Furchen am meisten ausgesprochen bei muskulösen Personen und geringer Entwicklung des Unterhautfettgewebes. Die vordere Medianfurche ist unten am tiefsten und geht hier in die noch mehr vertiefte Magengrube über, nach aufwärts verflacht sie immer mehr und ist an der unteren Grenze des Manubriums fast verstrichen. Die Unterlage dieser Furche bildet das Sternum und ihre seitliche Begrenzung der Sternalursprung des M. pectoralis maj. Bei Frauen erscheint die Furche desshalb beträchtlich tiefer, weil die hier stark entwickelte Mamma dem M. pector. maj. aufliegt. An jener Stelle, an welcher sich das Manubrium mit dem Corpus sterni vereinigt, ist eine mehr oder weniger ausgebildete, quere, leistenartige Erhebung wahrzunehmen, als Andeutung, dass die Verbindung von Manubrium und Corpus sterni nicht in einer geraden, sondern in einer gebrochenen Linie erfolgt. Der Winkel selbst wird als Angulus sternalis oder Ludovici bezeichnet. Diese Erhebung hat als Anhaltspunkt für die Bestimmung der zweiten Rippe, deren Ansatz an dem Sternum ja zwischen Handgriff und Körper fällt, eine gewisse topographische Bedeutung. Die hintere Medianfurche ist immer stärker ausgesprochen, als die vordere, und wird oben durch den medialen Rand der Schulterblätter, unten durch die starke Entwicklung der langen Rückenmuskulatur begrenzt. Nach oben verflacht sie sich nach dem Dornfortsatz des siebenten Halswirbels zu, nach unten erhält sie sich bis tief in die Lendengegend hinein. Die Dornfortsätze der Brustwirbel sind wohl immer zu fühlen, bei kräftigen Individuen aber kaum zu sehen. Ueber der vorderen, mehr oder minder stark gewölbten Brusthälfte springen oben die beiden lateralen Drittheile der Clavicula vor, wodurch es unmittelbar unter der lateralen Hälfte der letzteren zur Bildung einer seichten, frontal gestellten Vertiefung der Fossa infraclavicul. kommt, die nach unten und seitlich in eine oft kaum

Allgemeines. Begrenzung, äussere Configuration, Grösse u. Umfang d. Brust.

453

merkliche Furche übergeht, welche die eigentliche Brust von der Schulter trennt und die der Grenze zwischen den Muse, pectoral. maj. und deltoideus entspricht. Unter "der Fossa infraclav. beginnt auf jeder Seite die Wölbung der Vorderbrust, deren Unterlage der Muse. pect. maj. und die auf demselben gelagerte Mamma bildet. Medial fällt diese Wölbung etwas steiler nach der vorderen Medianfurche ab, als lateral, da der M. pector. maj. auf den Oberarm übergeht und dadurch die Grundlage der vorderen Wand der Achselhöhle bildet. Unterhalb des unteren Randes des M. pect, major markiren sich selbst bei abgemagerten Personen die Rippen nur schwach, dagegen tritt, zu grosse Fettleibigkeit ausgeschlossen, stets der untere Rippenrand der sogenannte Rippenbogen in Sicht.7 Die seitliche Brustfläche beginnt zugespitzt in der Achselhöhle^ deren mediale Wand sie darstellt. Unterhalb der Achselhöhle verbreitert sie sich stark und geht in die vordere und hintere Brustfläche über, von welchen beiden sie sich durch eine viel stärker hervortretende Abrundung auszeichnet. Die Rippen sind hier deutlicher zu sehen und zu fühlen, als vorn, und bei gewissen Stellungen muskelkräftiger Personen tritt hier die Zickzacklinie in Sicht, welche durch das Eingreifen der Zacken des M. obliq. abd. ext. in die des M. serrat. ant. maj. bedingt wird. Die hintere Fläche jeder Brusthälfte ist bei gerader Haltung weniger gewölbt, als die vordere, wesshalb die Verbreiterung nach oben hier mehr in die Augen fällt, als vorn. Von den Schulterblättern ist zu sehen oder jedenfalls deutlich durch die Haut zu fühlen die Spina scapulae. Ausserdem ist meistentheils die untere Hälfte des medialen Randes und der untere Winkel des Schulterblattes mehr oder weniger deutlich, da diese Theile durch den M. trapezius weniger verdeckt sind, als die obere Partie des Knochens. Je nach Alter, Geschlecht und Individualität sind die Grössen- Grösse. Verhältnisse der Brust so wechselnd, dass sich absolute Bestimmungen derselben nicht gut aufstellen lassen; dagegen bieten die relativen Werthe der Grösse der Brust ein gewisses Interesse. Die Grösse der Brust ergibt sich einmal aus der Bestimmung des verticalen Durchmessers der Brust und ferner aus der des Brustumfangs, welcher in sich schliesst die vereinigten Werthe des frontalen und sagittalen Durchmessers. Was zunächst den verticalen Durchmesser, d. h. die Höhe der Brust betrifft, so ist derselbe vorn bei wohlgebauten Individuen annähernd gleich dem dritten Theile einer Linie, welche sich von dem

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UmfeDg.

Die Brust.

oberen Rande des Sternums bis zu dem oberen Rande der Symphyse der Schambeine erstreckt. In der hinteren Medianlinie ist die Höhe der Brust noch einmal so gross und ist nur um weniges länger, als eine gerade Linie, welche von der Mitte der Clavicula über die Brustwarze zu dem Rippenbogen gezogen wird. Der Einfluss der Körpergrösse auf die Grösse der Brust ist nicht sehr bedeutend, wie sich aus den bei zwei männlichen kräftigen Individuen gleichen Alters angestellten Messungen ergibt, deren Körperlänge aber um 10 cm differirte. Der verticale Durchmesser war bei dem Grossen vorn nur 5 mm, hinten 10 mm, der sagittale, in der Höhe der Wurzel des Proc. xiphoid. genommen, 8 mm, und der frontale, in der Höhe der fünften Rippe bestimmt, nur 5 mm länger, als bei dem Kleinen. Der Umfang der Brust wird durch ein Maassband in drei Höhen bestimmt: 1. In der Höhe des Sternalansatzes der 6. Rippe, d. h. an der Grenze von Sternum und Process. xiphoid. 2. In der Höhe der Brustwarzen. 3. In der Höhe des höchsten noch zugänglichen Punktes der Achselgrube. Der Brustumfang nimmt nun von unten nach oben im Gegensatz zu dem Thoraxumfang zu, wie sich aus folgender Tabelle ergibt, die an der Leiche eines vierzigjährigen kräftigen Mannes gewonnen wurde, dessen Brust mit den Weichtheilen und dessen Thorax nach Entfernung der Weichtheile der Messung unterworfen wurde. MaasBtelle

Brust

Thorax

Obere 95 cm 71 cm Mittlere 90 cm 78 cm Untere 88 cm 81 cm. Auf die Zunahme des Brustumfangs von unten nach oben sind zwei Momente von wesentlichem Einfluss: Alter und Geschlecht. Bei dem Kinde ist der Unterschied in der Circumferenz von unten und oben ein sehr geringer; von dem 10. Lebensjahre an macht sich aber derselbe geltend, und zwar fast noch einmal so viel bei dem Manne, als bei der Frau; er erreicht sein Maximum mit dem 30. Lebensjahre, auf dem er länge Zeit verharrt: in dem höheren Alter wird dieser Unterschied wieder um etwas weniges geringer. Seitdem darauf hingewiesen wurde, dass bei ausgesprochenen Phthisikern die Differenz verschwindet, ja sogar der Umfang an der unteren Maassstelle grösser sein kann, als an der oberen, hat man diese

Allgemeines. Begrenzung, äussere Configuration, Grösse u. Umfang d. Brust.

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Verhältnisse praktisch zu verwerthen gesucht, einmal für die Constatirung des tuberkulösen Habitus und dann für die Bestimmung der Kriegsdiensttauglichkeit von Militairpflichtigen. Der Brustumfang ist aber nicht allein abhängig von dem eigentlichen Thoraxumfang, sondern derselbe wird mitbestimmt von der Entwicklung des Unterhautfettgewebes und namentlich der Muskulatur, was sich besonders an der oberen Maassstelle geltend macht. Der Einfluss der Muskulatur erklärt auch die sonderbare Thatsache, dass das Maass der oberen Maassstelle, genau in der gleichen horizontalen Ebene gemessen, kaum bei dem vierten Theile der Menschen auf beiden Seiten ganz gleich ist. Bei den meisten ist nämlich die rechte Seitenhälfte der Brust V» bis 2 cm weiter, als die linke. Dieser Umstand hat darin seinen Grund, dass die Muskulatur derjenigen Körperhälfte, deren Arm mehr gebraucht wird, stärker entwickelt wird, als jene der andern; daher ist bei Linkshändigen die linke Brusthälfte weiter, als die rechte. Für die Feststellung der Tuberkulose hat die Bestimmung des Brustumfangs desshalb keine besondere Bedeutung, weil bei sehr geringer Differenz an der unteren und oberen Maassstelle oder gar, wenn unten der Brustumfang grösser ist, als oben, die Tuberkulose schon so weit vorgeschritten ist, dass andere Zeichen, das Einsinken der vorderen Wölbung in der oberen Thoraxhälfte und namentlich der Nachweis von Tuberkelbacillen in dem Auswurf die Messung für die Diagnose überflüssig machen, während in den Alifangsstadien der Tuberkulose, wo ein sicheres Zeichen allein werthvoll wäre, die Messung des Brustumfangs desshalb keine zuverlässigen Resultate gibt, weil die in Zahlen ausdrückbare Abweichung von der Norm hier immer nur gering ist und in die Grenze der Fehlerquelle der auf den Brustumfang influirenden, individuell verschiedenen Entwicklung des Unterhautfettgewebes und der Muskulatur fällt. Auch die Militairärzte sind, soviel mir bekannt, noch nicht zur Festsetzung absoluter Zahlen rücksichtlich der Differenz des Brustumfangs an der unteren und oberen Maassstelle gekommen, welche eine sichere Norm für die Bestimmung der Kriegsdiensttauglichkeit geben. Für den Eintritt in das deutsche Heer ist als Minimum ein Brustumfang von 80 cm, in der Höhe der Brustwarze bei der Exspiration • gemessen, erforderlich. Jedoch genügt dieser Brustumfang auch nur in dem Falle, wenn der Körper des zu Untersuchenden gut entwickelt ist, und die Respirationsbreite, d. h. die Differenz des Brustumfangs zwischen der Exspiration und tiefsten Inspiration nicht unter 5 cm beträgt.

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Die Brust. Topographische Eintheilung der Brust.

Mit Rücksicht auf das praktische Bedürfniss trennt man die Topographie' der Brustwand von jener der im Thorax gelegenen Eingeweide. Für die Topographie der Brustwand theilt man die Brust, wie Kopf und Hals, in bestimmte Gegenden; für die Bestimmung der Lage der Brustorgane hält man sich an die Rippen, sowie an gewisse, äusserlich an dem Lebenden bestimmbare Linien, welche von oben nach unten gezogen werden. Wir unterscheiden an der Brust' zwei unpaare und fünf paarige Gegenden. Die unpaarigen sind die vordere Mediangegend oder Reg. s t e r n a l i s , und die hintere Mediangegend die Reg. s p i n a l i s oder i n t e r s c a p u l a r i s . Als paarige Gegenden haben wir zu betrachten die R e g . c l a v i c u l a r i s , m a m m a l i s vorn, die Reg. a x i l l a r i s und c o s t a l i s seitlich, und die R e g . s c a p u l a r i s hinten. Zur Auffindung bestimmter, für die Lage der Eingeweide wichtiger Punkte geben in dem Höhendurchmesser vorn und seitlich die Zählung der Rippen und der Intercostalräume, hinten die Abzahlung der Dornfortsätze, sowie das Schulterblatt genügende Anhaltspunkte. Um die Lage der Theile in dem Horizontalumfang der Brust, d. h. ihren Abstand von der Medianebene, festzusetzen, bedient man sich gewisser Linien, die als sternale, parasternale, mammillare, axillare und scapulare aufgezählt werden. Die s t e r n a l e L i n i e erstreckt sich von dem Sternoclaviculargelenk vertical abwärts. Als Mamm i l l a r l i n i e bezeichnet man die durch die Brustwarze gezogene Senkrechte. Da aber bei Frauen diese Bestimmung unthunlich ist, und selbst bei Männern die Lage der Brustwarze etwas variirt, so scheint es richtiger, als Ausgangspunkt der senkrecht gezogenen Mammillarlinie die Mitte der Entfernung zwischen Sternoclaviculargelenk und Acromion zu nehmen, da diese Linie bei der Mehrzahl der männlichen Individuen die Brustwarze entweder wirklich schneidet, oder doch tangirt. Als p a r a s t e r n a l e L i n i e wird jene bezeichnet, welche in der Mitte zwischen Sternal- und Mammillarlinie nach abwärts gezogen wird. Die A x i l l a r l i n i e nimmt ihren Ausgangspunkt von der höchsten Stelle der Achselgrube, und die S c a p u l a r l i n i e ist jene Vertikale, welche bei gerader Haltung durch den unteren Winkel der Scapula gelegt wird.

Topographie der Brustwand.

Regio sternalis.

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Topographie der Brustwand. Regio sternalis.

Die Regio sternalis wird durch den oberen, leicht fühlbaren Grenzen. Rand des Manubriums st. von der Fossa suprasternalis, und seitlich durch den Sternalrand von der Reg. mammillaris geschieden. Als untere Grenze wird der Proc. xiphoid. angegeben. Da aber dieser Fortsatz individuell ausserordentlich verschieden ist, und seine untere grössere Hälfte thatsächlich in jene Abtheilung der Oberbauchgegend fällt, welche man als Magengrube bezeichnet, so ist nach meiner Ansicht als untere Grenze der Gegend die Querlinie festzuhalten, welche die durch die Haut leicht fühlbare Sternalinsertion der 7. Rippe, d. h. das mediale Ende des Rippenbogens beider Körperhälften mit einander verbindet. Was die äusseren Gestaltverhältnisse der Sternalgegend betrifft, configuration. so erscheint sie bei den meisten Menschen mehr oder weniger eingesunken, da in dieselbe die bereits mehr erwähnte, nach oben sich verflachende vordere Medianfurche der Brust fällt. Bei hochgradiger Abmagerung verschwindet diese Furche, dagegen werden an dem Sternalrande Hervorragungen bemerkbar, welche von der Verbindung der Rippen mit dem Brustbein herrühren, und die, wie das Sternum selbst, durch die Haut immer leicht durchzufühlen sind. Der Angulus sternalis ist sowohl bei Tuberculosen, wie bei Rhachitischen in der Regel stärker ausgebildet; auch treten bei den letzteren die rundlich verdickten Enden der knöchernen Rippen hervor. Bei der sog. Hühner- oder Kielbrust ist das ganze Sternum kielförmig hervorgetrieben, was in Verbindung mit der bereits erwähnten Verdickung der knöchernen Rippenenden den rhachitischen Thorax charakterisirt. Bei den höheren Graden von Kyphose ist die untere Sternalhälfte stärker vorgewölbt, was man als Herzbuckel bezeichnet. In der Sternalgegend unterscheidet man folgende Gewebescbichten: schichten, die Haut, das Unterhautbindegewebe, eine aponeurotische, aber mit dem Periost verschmolzene Lage und den Knochen. Die dicke, feste und derbe Haut der Sternalgegend ist bei dem Manne mit mehr oder weniger zahlreichen, stärkeren Haaren besetzt; während bei Frauen sich auf derselben nur ein zarter Lanugo vorfindet. Das Unterhautbindegewebe ist dicht, nicht sehr reichlich vorhanden und bei dem Erwachsenen fast vollständig fettlos. In dem Seitentheile der Gegend ist es nachgiebiger, als in der Mitte, wess-

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Die Brust.

halb in der letzteren die Haut, namentlich in der unteren Hälfte des Sternums, nur sehr wenig verschiebbar ist. Die aponeurotische Lage kommt dadurch zu Stande, dass die Ursprungssehnen der Sternocostalportion beider M. pect. maj. seitlich, die Ursprungssehnen der M. sternocleidomast. von oben, und die der geraden Bauchmuskeln von unten sich gegenseitig unter einander verflechten und sich zu einer mit dem Periost verschmelzenden Lage von verdichteten Bindegeweben vereinigen, welche jedoch kaum 1 mm stark ist. Diese aponeurotische Schichte umfasst jedoch nur die mediale Hälfte des Sternalknochens; die beiden lateralen Viertheile sind mit den Insertionen der Rippen von dem Sternalursprung des M. pector. maj. verdeckt. Die knöcherne Unterlage der Sternalgegend bildet das Brustbein mit den Insertionen der 7 oberen, wahren Rippen. Das Sternum, ein gegen 4 mm dicker Knochen, ist in seinem oberen Theile, dem Manubrium, am breitesten. Der gegen das Manubrium ziemlich scharf abgesetzte Körper bleibt bis gegen sein unteres Ende gleich breit und verschmälert sich beträchtlich in dem unteren Sterualende, dem Schwertfortsstz. Die ganze Länge des Sternums beträgt bei dem Manne 19—25 cm, bei der Frau 15—20 cm und steht in ziemlich directem Verhältnisse zur Körperlänge. Constanter ist die Länge des Brustbeins ohne Einrechnung des Proc. xiphoid., welche bei dem Manne durchschnittlich 16 cm, bei der Frau 13 cm beträgt. Das Brustbein hat eine nur sehr dünne, compacte Rindenschichte und besteht seiner Hauptmasse nach aus spongiöser, blutreicher Knochensubstanz, wesshalb dasselbe auch keine sehr bedeutende Cohäsionskraft besitzt. An dem untersten Theil des Corpus sterni befindet sich bisweilen in der Medianlinie ein Loch, welches bei Männern häufiger als bei Frauen gefunden wird. Der am meisten variirende Theil des Brustbeins ist der Schwertfortsatz, dessen Ende bald nach vorn, bald nach hinten gebogen und öfter gespalten ist. Zieht man von der Symphyse eine gerade Linie zu der Spitze des Proc. xiphoid., so weicht dieselbe fast constant von der medialen Verticallinie ab, und zwar gewöhnlich nach rechts. Die Verbindung der 1. Rippe mit dem Brustbein ist constant, und die der 6. und 7, fast immer eine continuirliche, durch Knorpel vermittelt. Dagegen existirt von der 2. bis 5. Rippe zwischen Sternum und Rippenknorpel eine spaltartige Gelenkhöhle, welche in der Regel durch einen Knorpelstreifen in zwei Abtheilungen getrennt und vorn und hinten durch starke Faserbänder geschützt ist.

Topographie der Brustwand.

Regio clavicularía.

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Die knorpelige Entwicklung des Sternums geschieht von beiden Seiten, und die Verwachsung erfolgt in der Medianlinie. Erfolgt dieselbe nieht, so kommt es zu der seltenen Fissura sterni congenita, einer Entwicklungshemmung, bei welcher der Thorax in der Medianlinie nur durch fibröse Häute geschlossen ist und daher bei jeder Inspiration in der Medianlinie tief einsinkt. Die Verbindung von Manubr. und corp. sterni ist auch bei dem Erwachsenen noch knorpelig und verknöchnert erst im späteren Alter, früher die zwischen Körper und Schwertfortsatz, welch letzterer übrigens oft sehr lange knorpelig bleibt. Obgleich das Sternum nur eine geringe Cohäsionskraft besitzt, sind Brüche desselben doch recht selten, und zwar kommen dieselben meist auf indirecte Weise zu Stande. Diese Brüche sind in der Regel mit Dislocation der Fragmente verbunden und kommen fast immer zwischen Handgriff und Körper vor. Die arteriellen Gefässe der Gegend sind die Art. tliorac. ant., Genisae. d. h. die perforirenden Zweige der Art. mammaria interna. Letztere Arterie liegt an der inneren Seite der Brustwand und ist von der Pleura costalis nur durch die hier ziemlich starke sog. Fascia endothoracica geschieden. Dieselbe folgt in ihrem Verlaufe nach abwärts ziemlich genau der Linea sternalis und ist bis in den 4. oder 3. Intercostalraum von zwei Venen begleitet. In den beiden oberen Intercostalräumen ist die Vene einfach und liegt medial von der Arterie. Die Unterbindung dieser Arterie ist wegen ihrer tiefen Lage in der unmittelbaren Nähe der Pleura äusserst schwierig und geschieht am besten in dem dritten Intercostalraum, welcher in der Nähe des Sternums der breiteste ist. Die Hauptnerven der Sternalgegend sind Zweige der Rami thorac. Nerven, ant. der Intercostalnerven. In der Medianlinie ist die Haut weniger empfindlich, da die Nerven einer Seite die Medianebene nicht überschreiten, und in Folge dessen die mit dem Tasterzirkel zu messenden Gefühlskreise hier grösser werden. Regio clavicularis.

Die Regio clavicularis hat die Gestalt eines spitzwinkligen Dreiecks, Grenzen, dessen mediale Spitze das Sternoclaviculargelenk und dessen kurze Basis eine Linie bildet, welche sich von der Grenze des mittleren und äusseren Drittheils der Clavicula bis zu dem medialen Rande der Spitze des Proc. coracoid. erstreckt. Die obere Kathete dieses Dreiecks, welche die Grenze zwischen dem Halse und der Reg. clavicul.

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configuration.

schichten. Tri-

Die Brust.

darstellt, ist in dem oberen Rande der beiden medialen Dritttheile der Clavicula gegeben, die untere Kathete, welche unsere Gegend von der Reg. mammal. scheidet, in einer geraden Linie, welche von dem Sternoclaviculargelenk bis zu dem medialen Rande der Spitze des Proc. coracoid. verlauft. Die äussere Configuration der Gegend gestaltet sich in der Art, dass zunächst die obere Kathete des Dreiecks, die Clavicula, in ihrer medialen, nach vorn convexen Krümmung, auch in die Augen fällt uud, weil nur von der Haut bedeckt, sich sehr leicht fühlen lässt. Darunter ist, jedoch etwas mehr lateralwärts, bei nicht zu fetten Menschen die Fossa infraclavicul. sichtbar, unter der erst die Wölbung der Brust hervortritt. An dem unteren lateralen Winkel der Gegend tritt bei mageren Personen die Spitze des Proc. coracoid. von der Haut bedeckt hervor, ist aber auch bei gut Genährten durch die Haut zu fühlen. Unter der dünnen und über der Clavicula leicht verschiebbaren

deo-pectoraTe." Haut sind die Endverzweigungen der Nerv, supraclavicul. von dem Plexus cervical. gelegen, dann folgt der von der Binde des grossen Brustmuskels entspringende unterste Theil des M. subcutan, colli, hierauf diese Binde selbst und unter der letzteren der Ursprung der Clavicularportion des M. pect. maj. Da diese Portion nur die mediale Hälfte der Clavicula einnimmt, der Deltamuskel aber erst bei dem Beginne des lateralen Drittheils entspringt, so bleibt an dem unteren Clavicularrande ein 2 bis 2,5 cm breites Stück des Knochens frei von Muskelursprüngen, welches die Basis des Trigoni deltoideopectoral. oder der M o h r e n h e i m sehen Grube bildet, dessen mediale Kathete der Rand des M. pector. maj. und dessen laterale Kathete der Rand des M. deltoid. darstellt. Weiter abwärts von der unteren Spitze der M o h r e n h e i m sehen Grube an sind beide Muskeln nur durch eine Furche geschieden, in welcher die Ven. cephalica, und etwas tiefer der deltoide Zweig der Art. thoracico-acromialis (Fig. 84.13) gelagert ist. Diese Vene durchsetzt in schräger Richtung auf ihrem Wege zur Vena axillaris die M o h r e n h e i m sehe Grube und ist bei fetten Personen in das Fett gehüllt, welches diese Grube mehr oder weniger füllt, wesshalb die Fossa infraclavicul. auch nur bei mageren Individuen deutlich ausgesprochen ist. Fascia coracoLöst man die claviculare Portion des M. pector. maj. von dem clayicularls.



unteren Rande der Clavicula ab, so gelangt man zunächst auf die Fascia coraclavicul. Diese Fascie beginnt lateralwärts an dem Proc. coracoid., und das Lig. coracoclavicul. anticum ist eigentlich. nur der

Topographie der Brustwand.

Kegio clavicularía.

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sehr verstärkte coracoide Ursprung derselben, setzt sich dann auf die mediale Hälfte der Clavicula fort und umgibt hier den M. subclavius mit einer festen dichten Scheide, welche bis zu dem Ansatz des Muskels an der ersten Rippe geht und hier in Verbindung tritt mit dem Lig. costoclavicul. Von dem unteren Rande des M. subclav. an umhüllt die Fascia coraclavicul. die Vasa axillaria und geht mit der Ven. axill. unmittelbar unter dem M. subclav. eine ziemlich feste Verbindung ein, um an dem oberen Rande des M. pector. min.

1 2 3 4 5

Flg. 84. Regio clavicularía nach Ablösung der Clavicularportlon Clavicula. 6 M. pectoral. minor, und 7 M. subclavius. Procesa, coracoldeus. 8 Ausschnitt der Fase, coracoM. deltoideus. clavicul. Sternalportlon des M. pectoral, 9 Ven. axillaris. maj. Fascia coracoclavicularls ein- 10 Ven. cephalica. 11 Ven. thorac. suprema. hüllend :

des M. pector. maj. 12 Art. axillaris. 13 Deltoider Zweig der Art. thoracico-acromlalls. 14 Art. thoracica Buprema. 15 Nerven des Flexus brachialis.

sich in ein vorderes und hinteres Blatt zu theilen, von denen das erstere vor das andere hinter diesem Muskel zur Achselhöhle verlauft, wo wir diesen Fascien später wieder begegnen werden. Ueber dem oberen Rande des M. pector. min. besitzt die Fascia coraco-clavicul. einen halbmondförmigen Ausschnitt, welcher, wie der unterhalb des Poupartbandes an der vorderen Fläche des Oberschenkels befindliche Ausschnitt der Fascia lata bald grösser, bald kleiner ist. Derselbe kann sich einerseits so verengern, dass er nur

462

Die Brust.

als Durchgangsstelle für die Ven. cephal. und die Art. thoracicoacromial. dient, andrerseits aber auch so weit werden, dass die Nerven des Plex. brachial., die Art. axill. und selbst ein Theil der Ven. axill. von der Fascie nicht gedeckt werden (Fig. 84.8). vasa axillaris. Der Durchtritt der Vasa subclav. und der Nerven des Plexus Plexus brachi- j 5rac j 1 j a ]jg g e ht unter der medialen Krümmung der Clavicula vor sich und ist ganz verdeckt durch die claviculare Portion des M. pector. maj. Die Gefässe und Nerven liegen unter der lateralen Hälfte des Ursprungs dieser Muskelportion, und zwar grenzen die Nerven hart an den lateralen Rand der Clavicularportion des M. pector. maj. und liegen demnach ganz nahe an der M o h r e n h e i m s e h e n Grube, dann folgt die Art. axill., und am meisten medial liegt die Ven. axill. An der unteren Grenze der Reg. clavicul. tritt das Gefässnervenbündel unter den M. pector. min. Die Verlaufsrichtung desselben weicht von der Verticalen lateralwärts ab, ist also schräge. Die Lage der Art. axill. in unserer Gegend kann auch von der Clavicula aus bestimmt werden, wenn man daran festhält, dass die Clavicularportion des M. pect. maj. ihren Ursprung von der medialen Hälfte der Clavicula nimmt und mit ihrem lateralen Rande unmittelbar die Nerven deckt. Bestimmt man demnach geometrisch die Mitte der Clavicula, so wird man medianwärts von derselben nur 1 cm vorzugehen haben, um auf die Art. axill. zu gelangen, welche ja den Nerven hart anliegt, und hinter welcher sich auch Nerven befinden. Der mediale Rand der Vena axill. entspricht der äusseren Grenze des inneren Viertheils der Clavicula. Oberhalb des M. pector. min., also noch in der Reg. clavicul., gehen von der vorderen Seite der Art. axill. zwei grössere Aeste ab, welche oft einen gemeinschaftlichen Stamm haben, nämlich die Art. thoracico-acromialis und die Art. thor. suprema (Fig. 84.13 u. 14). Auch trennen sich hier erst von dem Plex. brachial, die für den M. pect. maj. und min. bestimmten Nerven, die aber von den Wurzeln des Plexus schon weiter oben unter der Clavicula sich sondern. Die Unterlage des Gefässnervenbündels bildet, nachdem dasselbe die erste Rippe überschritten hat, die zweite von dem oberen Rande der zweiten Rippe kommende Zacke i des M. serrat. ant. maj. Das Gefässnervenbündel wird an der unteren Grenze der Gegend überdeckt von dem M. pect, min., dessen oberer Rand eine für die Auffindung desselben werthvolle Stelle ist. Arterie, Vene und Nerven liegen nur in unserer Gegend so unmittelbar neben einander; oberhalb der Clavicula scheidet der M. scalenus ant. Arterie und Vene, unterhalb des M. pect, min., entfernt sich gleich-

Topographie der Brustwand.

Regio clavicularis.

463

falls die Arterie von der Vene, während auch hier noch die Nerven die Arterie umgeben. Für die Unterbindung der Art. axillaris in der Claviculargegend sind folgende Punkte zu beachten: 1. Dass die Arterie medianwärts überragt wird von der Ven. axill. 2. Dass lateralwärts an ihr eine starke Wurzel des Plex. brach, liegt, welche man nicht für die Arterie nehmen darf. 3. Dass die arteriellen Seitenäste Art. thor. suprema und thoracicoacromial. in der Nähe des oberen Randes des M. pect. min. abgehen, man dieselben also nach unten zu gegen diesen Muskel verschieben muss. 4. Dass die Ven. cephalica und die den beiden eben genannten Arterien entsprechenden Venen, um zur Vena axill. zu gelangen, schräg über Nerven und Art. axill. weggehen und gleichfalls durch Abdrängen nach unten zu schonen sind. 5. Die Ligatur soll möglichst nahe der Clavicula angelegt werden, und zwar desshalb, weil man dadurch möglichst nahe der Mitte zwischen dem nächstgelegenen oberen Seitenaste, der Art. transversa colli und dem nächst gelegenen unteren der Art. thoracicoacromialis kommt; hierdurch bleibt oben und unten in dem Stamme noch Raum, dass sich ein guter Blutpropf bilden kann. Die Clavicula bildet einerseits zwischen dem Thorax und der clavicula. Schulter eine Art Hängebrücke, unter welcher das Gefässnervenbündel verlauft, andererseits ist sie dazu bestimmt, als feste Zwischenlage nach Art einer Spange die Schulter von dem Sternum und dem Thorax in der richtigen Entfernung zu erhalten. Um letzteren Zweck zu erreichen, muss sie, da sehr kräftige Muskeln (oben die M. sternocleidomastoid. und trapezius, unten pector. maj. und deltoid.) auf sie einwirken, einen sehr kräftigen Bandapparat besitzen, der sie einerseits an Sternum und Thorax, andererseits an das Schulterblatt solide anheftet. Zur Verbindung mit dem Sternum dient zunächst das Stemo- Verbindung der claviculargelenk; es ist dieses eine wirkliche Diarthrose, welche bis sternum''erster zu einem gewissen, aber geringen Grade eine Verschiebung beider Rippe und Proc. coracold. Gelenkflächen ermöglicht. Das Gelenk ist durch einen Zwischenknorpel (Fig. 85.4) in zwei Kammern getrennt; dieser Zwischenknorpel ist an dei* Gelenkkapsel und oben an der Clavicula, unten an dem Sternum befestigt, trägt also mit zum Zusammenhalten beider Knochen bei; vorn und hinten ist die Gelenkkapsel beträchtlich durch Haftbänder verstärkt. Ferner sind die beiden medialen Enden

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Luxationen der Clavicula.

Die Brust.

der Clavicula durch ein unpaares Band, das Lig. interclavicul. (Fig. 85. 6), verbunden, welches direct in den Zwischenknorpel übergeht, mit dem oberen Ausschnitt des Sternums aber nur durch laxes Bindegewebe zusammenhängt. An die erste Rippe ist die Clavicula durch das breite Lig. costoclavicul. (Fig. 85.5) geheftet, welches lateralwärts so weit reicht, dass es ganz nahe an die Vena axill. herantritt. Auch der Muscul. subclav. hat entschieden mehr die Bedeutung eines contractilen Bandes, als die eines eigentlichen Muskels. An dem Proc. coracoid. ist die Clavicula durch das Lig. coracoclavicul. ant. und post. befestigt; zwischen diesen beiden Bändern befindet sich der clavicul. Ansatz des M. subclav. Trotz des starken Bandapparates kommen doch nicht ganz selten Luxationen und Subluxationen zwischen Clavicula und Sternum vor, wobei das mediale Flg. 85. Ende der Clavicula Frontalschnitt dutch das Stemoclaviculargelenk. nach vorn, nacli 4 Stemoclaviculargelenk mit 1 Extremitas stemal. der Zwischenscheibe. Clavicula. hinten und nach 5 Lig. costoclaviculare. 2 Stemum. oben verschoben 6 Lig. interclaviculare. 3 Erste Rippe. sein kann; am häufigsten von diesen drei Luxationen ist die erste, am seltensten die letzte. Die Ursache der Luxation nach vorn ist in der Regel eine auf die vordere Schultergegend heftig wirkende Gewalt, wenn damit ein starker Druck auf die andere Thoraxhälfte zusammenfällt. Die Luxation nach rückwärts scheint nur die Folge einer directen Einwirkung auf die vordere obere Fläche des Knochens zu sein. Diese Luxationen sind zwar leicht einzurichten, aber sehr schwierig ist es, bei einigermaassen starker Zerreissung .der Bänder die Clavicula in der richtigen Lage zu erhalten. ' Sehr häufig sind Brüche der Clavicula, welche meist in der ersten medialen Krümmung des Knochens erfolgen. Diese Brüche sind sehr selten die Folge einer direct auf die Clavicula wirkenden Gewalt, sondern meist dadurch auf indirecte Weise veranlasst, dass die Gewalt die Schulter trifft, wodurch die eine Brücke darstellende

Topographie der Brustwand.

Regio mammalis.

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Clavicula in eine so hochgradige Spannung geräth, dass sie derselben nicht zu widerstehen vermag, dass sie bricht. Da das Schulterende der Clavicula höher steht, als das Sternalende, so sind diese Fracturen fast immer Schrägbrüche. Wegen der mächtigen oben und unten auf die Clavicula wirkenden Muskelmassen gelingt die Heilung dieser Brüche ohne merkliche Difformitäten nur selten. Eine Ausnahme hievon findet nur in dem kindlichen Alter statt. Der Grund davon liegt darin, dass das bei dem Kinde mächtigere Periost der Clavicula, als eine viel elastischere Substanz, als der Knochen durch die einwirkende Gewalt nicht so häufig, wie bei dem Erwachsenen, eine Zusammenhangstrennung erleidet und nach der Einrichtung der Fractur durch seine Spannung die beiden Knochenenden in der richtigen Lage erhält. Ist hier nach Heilung der Fractur eine sichtbare Difformität vorhanden, so ist dieselbe nicht die Folge von Verschiebung der Bruchenden, sondern die einer aussergewöhnlich starken Callusbildung. Regio mammalis.

Die Reg. mammalis wird medial durch die Sternallinie von der Sternalgegend oben durch eine von dem Sternoclaviculargelenk bis zur Spitze des Proc. coracoid. gezogene Linie von der Claviculargegend und nach unten durch eine Linie begrenzt, welche dem unteren Rande des M. pector. maj. folgt. Da dieser Muskelrand sich aber nicht immer gut fühlen lässt, so nimmt man besser als untere Grenze der Reg. mammal. den stets fühlbaren unteren Rand der 6. Rippe an, von der Sternalinsertion bis zu jenem Punkte, an welchem derselbe von der lateralen Begrenzungslinie der Gegend geschnitten wird. Diese letztere ist aber in jener Verticalen gegeben, welche, an dem medialen Rande des Proc. coracoid. beginnend, sich abwärts bis zur 6. Rippe erstreckt. Diese senkrecht verlaufende laterale Begrenzungslinie der Gegend trennt zugleich den M. pector. maj. in einen grösseren auf dem Thorax aufliegenden und in einen kleineren, den Thorax seitlich überragenden Theil, welcher die vordere Wand der Achselhöhle bildet. Die äusseren Gestaltverhältnisse der Gegend sind bei beiden Geschlechtern sehr verschieden in Folge der verschiedenen Entwicklung der Milchdrüse; jedoch ist auch bei dem Manne durch die meist vorhandene Fettunterlage die Mitte der Gegend stärker hervorgewölbt. Der prominirendste Punkt der Gegend ist die Brustwarze. Die Lagerung derselben zu dem Brustkorbe ist auch bei dem Manne G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

30

Grenzen.

configuration.

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schichten.

Die Brust.

keine ganz constante, da dieselbe nicht auf dem Thorax, sondern auf dem M. pector. maj. befestigt ist und also Verschiebungen erleidet, welche von den Bewegungsphasen dieses Muskels abhängen. An der Leiche stehen die Brustwarzen constant etwas höher, als an dem Lebenden, was davon herrührt, dass an der Leiche der Thorax sich in der Exspirationsstellung befindet. Bei dem Manne fällt die Höhe der Brustwarze während des Lebens in die Mitte des 4. Intercostalraumes, selten steigt sie bis zur 4. Rippe aufwärts und noch seltener bis zur 5. Rippe abwärts. Der Abstand der Brustwarze von der vorderen Medianlinie beträgt bei dem Manne durchschnittlich 10 cm, doch ist derselbe nicht immer auf beiden Seiten ganz gleich; findet ein derartiger Unterschied statt, so ist in der Regel die rechte Brustwarze von der Sternallinie ein wenig entfernter, als die linke. Auch die Höhe der Brustwarzen difEerirt bisweilen auf beiden Seiten; in einem solchen Falle steht die rechte fast immer höher, als die linke. Bei Frauen bilden die Milchdrüsen zwei prominirende Halbkugeln, welche, wenn dieselben voll und festsitzend sind, sich in der Mammillarlinie von dem oberen Rande der 3^ bis zu dem oberen Rande der 6. Rippe erstrecken. Die Brustwarze liegt bei der Fraumeistens in der Höhe des oberen Randes der-5. Rippe, steht also etwas tiefer, als bei dem Manne,, und ebenso ist die Entfernung derselben von der vorderen Medianlinie etwas grösser, denn sie beträgt 11 cm. Bei schlafEen Milchdrüsen, welche nur durch laxes nachgiebiges Bindegewebe an den M. pector. maj. befestigt sind, desshalb herabhängen und sich vielfach verschieben lassen, ist natürlich eine Bestimmung der Lage der Brustwarze unmöglich. Die Brustwarze prominirt nicht gerade nach vorn, sondern nach vorn und seitlich. Die Länge und Stärke derselben ist wechselnd. Bisweilen ist dieselbe auch eingezogen, und zwar bis zu einem Grade, welcher das Anlegen des Säuglings unmöglich macht, Um eine richtige Vorstellung von dem Verhältniss der Mamma zu den unterliegenden Theilen zu gewinnen, dient am besten ein verticaler Schnitt, durch die Brustwarze bis auf die Knochen geführt, an einer weiblichen Leiche, der auch zugleich zeigt, dass die Brustwarze nicht in der Mitte der verticalen Schnittebene, sondern nahe an der Grenze des mittleren und unteren Drittheils derselben liegt. Die Theile findet man an einem solchen Schnitte in folgender-Weise übereinander gelagert: 1. die Haut, 2. fetthaltiges Bindegewebe, 3. die Milchdrüse, 4. ein Fettlager unter derselben, 5. laxes Bindegewebe, welches die Mamma an die 6. Schichte, an die Fascie des M. pector. maj. anheftet.

Topographie der Brustwand.

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Regio mammalis.

Die Haut, bei dem Manne mehr oder weniger stark behaart, ist bei der Frau nur mit ganz feinem Lanugo versehen, zart und dünn, fast durchscheinend, so dass öfters die Hautvenen durchschimmern. Die Haut in der Umgebung der Brustwarze, die sogenannte Areola, der Warzenhof (Fig. 86.2), ist bei beiden Geschlechtern in einer Ausdehnung von mehreren Centimetern gefärbt, bei dem Manne und bei Frauen, welche geboren haben, bräunlich, bei Kindern und jungen Mädchen leicht röthlich; auch sind in der Areola weisse Punkte bemerklich, welche von Talgdrüsen herrühren. Auch die Haut der Brustwarze, welche bald stark hervorspringt, bald eingesunken ist, erscheint braunröthlich gefärbt und ist leicht gerunzelt. Die Haut der Brustwarze ist ferner durch zahlreiche lange Papillen ausgezeichnet und sehr empfindlich ; in und unter derselben kommen muskulöse Faserzellen vor, welche bis in die Areola reichen. Von diesen letzteren rührt die Fähigkeit der Ercction der Brustwarze her, welche ebenso wie die Cutis anserina durch plötzliche Berührung mit einem kalten Körper bewirkt werden kann. Auf Flg. 86. der Höhe der Brustwarze finden Sagittalschnltt durch die Milchdrüse. 4 Submammales Binsich sehr feine, dem unbewaffne- 1 Brustwarze. 2 Warzenhof mit Milchdegenebe ten Auge kaum sichtbare OefEgingen. 5 Fascia des M. pectoral. major, nungen der Milchgänge, welche 3 Lappen der Milchdrüse. 6 M. pectoral. major. sich in dem Bereiche der Areola bedeutend erweitern und so zu den Sinus lactei werden. Sind die letzteren gefüllt, so wird durch Druck auf die Areola die Milch in einem Strahle zum Ausfluss gebracht. Im Anfang des Säugegeschäftes ist die Haut der Brustwarzen sehr häufig corrodirt, und von diesen meist sehr schmerzhaften Erosionen gehen, indem die oberflächliche Hautentzündung entlang den Lymphbahnen nach der Milchdrüse sich fortpflanzt, die mit Eiterbildung verbundenen Entzündungen der Mamma aus, welche bei stillenden Frauen zu Anfang des Säugens 30*

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Die Brust.

so häufig sind. Die Haut ist über der Milchdrüse verschiebbar; bei gewissen Formen des Brustkrebses verliert die Haut ziemlich bald diese Beweglichkeit. Das fetthaltige Unterhautbindegewebe der Mammalgegend theilt sich an dem Rande der Milchdrüse in eine obere, supramammale und eine untere, submammale Lage. Die obere Lage ist an schön gerundeten Brüsten die stärkere, wird aber in dem Maasse, als sie sich der Areola nähert, schwächer. Die Areola selbst ist ganz frei von der subcutanen Fettlage. Bei verschiedenen Individuen ist diese ' Schichte sehr verschieden ausgesprochen; ist sie gut entwickelt, so gibt sie der weiblichen Brust die volle Rundung und die eigenthümliche weiche, elastische Beschaffenheit, welche die Brüste schöner Frauen charakterisirt. Da die Fettschichte zwischen die Lappen der Drüse sich fortsetzt und deren Zwischenräume füllt, so kann, wenn sie gut entwickelt ist, die Brust voll, und doch die Drüse klein sein, was erklärt, dass bisweilen Frauen, welche äusserlich sehr gut entwickelte Brüste haben, nicht nähren können, während andere, deren Brüste weniger gut entwickelt zu sein scheinen, gute Ammen sind. Die Milchdrüse ist in eine Anzahl von Lappen getheilt, welche schon bei dem Neugeborenen vorhanden sind. Jedem dieser Lappen entspricht ein Ausführungsgang, von denen einer mit dem andern in gar keiner Verbindung steht. In dem kindlichen Alter ist bei beiden Geschlechtern die Massenzunahme der Milchdrüse nur eine sehr geringe und sehr allmählige. Erst mit der Pubertät tritt hier ein verschiedenes Verhältniss ein. Bei den Mädchen beginnt ein rasches Wachsthum, begleitet von congestiven Zuständen, denen nicht selten leicht stechende Schmerzen sich zugesellen, Erscheinungen, die bei Knaben nur ganz ausnahmsweise beobachtet werden. Die männliche Mamma bleibt klein, und bei dem Erwachsenen ist ihr Parenchym in dem umgebenden Fettbindegewebe verborgen und schwer darzustellen, doch ist auch hier der traubenförmige Bau der Drüse immer vorhanden. Bei den Frauen erleidet die Milchdrüse während der Schwangerschaft eine beträchtliche Volumenszunahme, welche sich während der Lactation erhält, um nach derselben wieder abzunehmen, ein Vorgang, der sich bei jeder folgenden Schwangerschaft wiederholt. Mit dem Aufhören der Menstruation wird die Milchdrüse kleiner und weniger consistent. Die hierdurch minder ausgedehnte Haut ist schlaff und senkt sich etwas mit der Drüse, wodurch die Brust herabhängend wird. Bei reichlicher Fettentwicklung wird diese Volumensabnahme durch Fett ersetzt, und auf diese Weise

Topographie der Brustwand.

Regio mammalis.

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können die Brüste in ihrer äusseren Configuration auch in späteren Lebensjahren erhalten bleiben. Die submammale Fettschichte ist meist schwächer als die supramammale; auch sie entsendet Verlängerungen zwischen die Lappen der Drüse und tritt dadurch in Verbindung mit der supramammalen. Nach rückwärts geht sie in das nicht mehr fetthaltige weitmaschige Bindegewebe über, welches die Drüse an das Perimysium des M. pector. maj. (Fig. 86. 5) anheftet. Von der strafferen oder laxeren Beschaffenheit dieses Gewebes, das aber immer sich leicht von der Fascie des M. pector. maj. trennen lässt, hängt die grössere oder geringere Verschiebbarkeit der Drüse ab. Bei Krebs der Mamma findet sich nicht selten eine mehr oder weniger vollständige Verwachsung von Muskel und Drüse. Man kann dieselbe leicht dadurch constatiren, dass man die Kranke irgend einen Gegenstand fest anfassen lässt, wobei sich bei der Verwachsung herausstellt, dass die Drüse mit dem Muskel unbeweglich ist. Die Verwachsung kann aber auch tiefer gehen und sich bis auf die eigentliche Brustwand, die Rippen und Intercostalmuskeln erstrecken, was von der Mehrzahl der Chirurgen als Contraindication der Amputatio mammae betrachtet wird. Der unter der Mamma gelegene M. pector. maj. füllt in seiner sternocostalen und abdominalen Portion die Gegend aus, in welche nur ein kleiner Theil der clavicularen Portion des Muskels fällt. Der M. pector. maj. überschreitet aber die laterale Grenze der Reg. mammal., indem er, die vordere Wand der Achselhöhle bildend, sich an dem Oberarm fixirt. Der unter dem M. pector. maj. gelegene M. pector. min., der mit drei Zacken von dem Knochen der 3., 4. und 5. Rippe, und zwar von der Grenze des knöchernen und knorpeligen Rippentheils an entspringt, gehört ganz der Gegend an. Derselbe ist vollständig von dem M. pector. maj. bedeckt, und nur bei sehr hoch gehobenem Arm tritt sein unterer Rand etwas vor den grossen Brustmuskel. Auch der untere Rand der 2,. die 3., 4., 5., 6. und 7. Zacke des M. serratus ant. maj., welche aber nie mehr als 2 cm an den Rippenknorpel herantreten, gehören der Reg. mammal. an. Die feste thoracale Unterlage der Gegend bilden die 2., 3., 4., 5. und 6. Rippe mit den betreffenden Intercostalräumen. Das arterielle Gefäss, welches den M. pector. maj. und min. ver- Arterien und Venen sieht, ist die Art. thoracica suprema, während der M. serratus sein ' Blut von der Art. thor. longa erhält. Die Hauptarterien der Mamma sind in den perforirenden Aesten der 3., 4. und 5. Intercostalarterie

470

Die Brust.

gegeben, welche während der Lactation die Stärke der Art. radial, erreichen können. Von der medialen Seite her verbreiten sich in in der Haut der Gegend Zweige der Art. thorac. anter., welche von der Art. mammaria int. stammen Die Venen folgen in ihrer Verbreitung in der Gegend ziemlich genau dem Verlaufe der betreffenden Arterien. Lymphgef&sse. Die Lymphgefässe der Mamma nehmen ihren Ursprung in dem Bindegewebe, welches die kleinsten Drüsenläppchen umgibt, und bilden um die letzteren ein Netz, welches durch zahlreiche Anastomosen mit den Netzen der benachbarten Läppchen und Lappen zusammenhängt. Die aus diesem Netze sich entwickelnden Lymphstämmchen wenden sich von der hinteren zu der vorderen Fläche der Drüse und convergiren gegen die Areola. In der Höhe der letzteren bilden sie den Plexus lymphat. subareolaris, in welchen, auch Lymphgefässe der Brustwarze und der Haut der Areola eintreten. Aus dem Plexus subareolaris gehen nach S a p p e y vier Lymphgefässstämmchen ab, zwei grössere lateral, zwei kleinere nach oben und unten. Beide grössere verlaufen zu den Lymphdrüsen der Achselhöhle, nachdem sich mit ihnen vorher die beiden kleineren vereinigt haben. Bei Brustkrebs sind dieselben oft zu harten, fühlbaren Strängen angeschwollen, welche zu verhärteten, d. h. gleichfalls krebsig infiltrirten Lymphdrüsen an der medialen Wand der Achselhöhle führen. Die Nerven des M. pect. maj. und min. sind die unter dem Namen Nerv. thor. ant. bekannten Zweige des Plexus brachialis. Die Nerven der Mamma sind die vorderen Aeste der Rami perforantes posteriores des 2., 3. und 4. Intercostal nerven, welche neben dem 5. auch die Haut versehen, die übrigens in dem oberen und medialen Grenzgebiet der Gegend auch Zweige der Nerv, supraclavicul. von dem Plexus cervicalis und der Nerv, perforantes ant. von dem 2. bis 5. Nerv, intercost. erhält. Regio axillaris. Achselgrube u.

Achselhöhle.

Der gewöhnliche Sprachgebrauch unterscheidet nicht zwischen Achselgrube und Achselhöhle, Namen, welche in der topographischen Anatomie in ganz verschiedener Bedeutung gebraucht werden. Unter Achselgrube versteht man jene zwischen dem Thorax und dem obersten Theile der oberen Extremität vorhandene Einsenkung, welche, von der Haut ausgekleidet, sich vertieft beim Anziehen des Armes, dagegen bei dessen Erhebung sich abflacht. Die vordere

Topographie der Brustwand.

Regio axillaris.

471

und hintere Wand dieser Grube fühlt sich weich an und hat Muskeln zur Unterlage, vorn den M. pector. maj., hiuten den M. latissim. dorsi. Die mediale und laterale Wand der Grube fühlt sich dagegen hart an und hat den knöchernen Thorax und den oberen Theil des Os humeri zur Grundlage, welche nur mit Muskelsubstanz bedeckt sind. Der Eingang in die Achselgrube ist nur vorn und hinten scharf begrenzt, und zwar durch den freien, mit Haut überzogenen Rand der M. pector. maj. und latiss. dorsi; medial dagegen geht die Achselgrube ganz allmählig in die laterale Thoraxwand, und lateral ebenso allmählig in die mediale Beugefläche des Oberarms über. Unter Achselhöhle versteht man dagegen einen vollkommen geschlossenen Raum, dessen Basis eben jenes Hautstück bildet, das die Kuppel der Achselgrube darstellt. Dieselbe, zwischen Thorax und der Wurzel der oberen Extremität gelegen, hat die Gestalt einer vierseitigen Pyramide, besitzt demnach vier Wände, eine Basis und eine Spitze. Die Wandungen unterscheiden wir als eine vordere oder pectorale, eine hintere oder scapulare, eine mediale oder thoracale und eine laterale oder humerale Wand. Von diesen verbreitern sich die beiden ersteren lateralwärts bei der Erhebung des Armes, während die letztere die am wenigsten ausgedehnte ist. Der Spitze der Achselhöhle entspricht das freie Ende des Proc. coracoid., und ihre Basis wird von der Haut der Achselgrube gebildet. Die Grenzen der Achselhöhle sind an dem Lebenden nur vorn Grenzen der zu bestimmen, während dieselben hinten durch die Scapula und die Achselhöhle, mächtige, diesen Knochen umgebende Muskulatur verdeckt sind. Vorn wird die Achselhöhle begrenzt, oben durch den durch die Haut fühlbaren Proc. coracoid., unten durch den unteren freien Rand des M. pector. maj., medial durch die verticale Linie, welche, von dem Proc. coracoid. ausgehend, die laterale Grenze der Reg. mamraal. bildet, und lateral durch die Furche, welche als Fortsetzung der M o h r e n h e i m s c h e n Grube den M. pector. maj. von dem M. deltoid. scheidet, und in welche die Ven. cephal. eingelagert ist. Auch von einer äusseren Configuration kann aus dem gleichen conflguration. Grunde nur bei der vorderen Wand der Achselhöhle die Rede sein, und zwar erscheint dieselbe vorn abgeplattet, mit Ausnahme des Falles einer phlegmonösen Entzündung oder einer Luxation des Oberarmkopfes nach unten, wo sich die Achselhöhle vorwölbt und in dem letzteren Falle verlängert zu sein scheint, was sie aber in der That nicht ist. Wir wollen zuerst die Wandungen und dann den Inhalt der Achselhöhle einer näheren Betrachtung unterwerfen.

472

Die Brust.

Die vordere Wand der Achselhöhle wird durch den unmittelbar j e r jjaut gelegenen M. pectoral, maj. (Fig. 87. 8) und in ihrem oberen Theile auch durch den M. pectoral, min. (Fig. 87. 9) gebildet und ist in Folge des Uebereinanderschiebens der Bündel des grossen Brustmuskels ziemlich dick. Die den M. pector. maj. deckende Fascie geht in der Achselhöhle von diesem Muskel auf den M. latiss. dorsi über, aber nicht in einer Ebene, sondern sie erscheint in die Achselhöhle eingezogen, und da ihr die Haut folgt, so ist diese Retraction der Fascie nach oben der Grund, wesshalb es zur Bildung einer Achselgrube kommt. Dieses Einziehen der Binde in die Achselhöhle wird aber bewirkt durch die hinter dem M. pector. maj. gelegene Fascie, welche den M. pector. min. deckt und ein Theilglied der bei der Reg. clavicul. beschriebenen Fascia coraco-clavicul. darstellt.' Dort sahen wir, dass die genannte Fascie an dem oberen Rande des M. pector. min. sich spaltet; die hinter dem M. pector. min. herabgehende Lamelle \ ¿steht aus mehr formlosem Bindegewebe und geht in das laxe Bindegewebe der Achselhöhle über; dagegen trägt die vordere Lamelle entschieden den Charakter einer Fascie und reicht herunter bis zu dem Boden der Achselhöhle. Hier vereinigt sich dieselbe in Gestalt eines nach abwärts concaven Bogens mit der Fascie, welche von dem unteren Rande des M. pector. maj. zu dem des M. latiss. dorsi überspringt und retrahirt diese letztere Fascie nach oben, welcher Einziehung die äussere Haut folgt. Man nennt diese Verlängerung der Fascia coraclavicul. in die Achselhöhle, welche, wie gesagt, die Ursache des Vorhandenseins einer Achselgrube ist, Lig. suspensor. foveae axillar, oder auch Achselbogen. Hinter der Fase, coracoclavicul. und derselben folgend können Eitersenkungen aus der Fossa infraclavicul. und selbst vom Halse her in die Achselhöhle erfolgen. Mediale wand Die leicht gewölbte mediale Wand der Achselhöhle ist immer d. Achselhöhle, beträchtlich ausgedehnter, als die ihr gegenüberliegende laterale, und der Untersuchung an dem Lebenden leicht zugänglich, was für die Constatirung von pathologischen Veränderungen der Lymphdrüsen der Achselhöhle, deren weitaus grösster Theil dieser Wand anliegt, von Wichtigkeit ist. Die Unterlage der medialen Wand bilden die 2., 3. und 4. Rippe, sowie die drei oberen Intercostalräume. Dieser Theil der Thoraxwand ist gedeckt von dem breiten und ausgedehnten M. serrat. ant. maj. (Fig. 87. 6), der, in einer nach vorn convexen Bogenlinie von den 8 oder 9 oberen Rippen entspringend und den Thorax seitlich umgreifend, sich an dem ganzen medialen Rande der Scapula ansetzt. So wird dieser Muskel zur eigentlichen vordere wand d. Achselhohle.

un^.er

Topographie der Brustwand.

Regio axillaris.

473

medialen Wand der Achselhöhle und schliesst dieselbe durch seine Insertion an dem Schulterblatte hinten an dem medialen Rande der Scapula hermetisch ab. Auch ist dieser Muskel das kräftigste Verbindungsmittel zwischen der nur indirect mittels der Clavicula mit dem Rumpfe in Band Verbindung stehenden Scapula und dem Thorax; derselbe presst den medialen Rand des Schulterblattes so fest an

1 2 9 4 5 6 7 8

Fig. 87. Horizontalschnitt durch den oberen Theil der Achselhöhle und das Scapulo-humeralgelenk. 14 Art. axillaris. Scapula. 9 M. pectoral. min. Gelenkkopf des Humerus. 10 M. coracobrach. und Cap. 15 Vena axillaris. Gelenkkapsel. breve M. bicipitis. 16 Nerven des Plexus brachialis. M. Infraspinatus. 11 Sehne des langen BicepsM. subscapul. kopfes. 17 Lymphdrtisen. M. serrat. ant. maj. 12 Thoraxwand. 18 Vena cephalica. M. deltoideus. 13 Achselhöhle gefüllt mit fett- 19 Schleimbeutel. haltigem Bindegewebe. M. pectoral, maj.

474

Die Brust.

den Thorax, dass man bei der Contraction des Muskels selbst an mageren Iudividuen eine Erhebung dieses • Randes unter der Haut nicht sehen kann, die aber bei Lähmung des Muskels sogleich stark hervortritt. Bei allen Lageveränderungen der Scapula ist der M. serrat. ant. maj. betheiligt, und namentlich wird durch ihn die Raddrehung der Scapula um ihre sagittale Achse, welche immer bei Erhebung des Armes über die Horizontalebene eintritt, bewirkt. Wird die Scapula durch anderweitige Muskelkräfte, namentlich durch Oberarmmuskeln fixirt, so trägt der M. serrat. ant. maj., von seinem Scapularansatz aus wirkend, wesentlich zur Erweiterung des Thorax bei, was bei der gewöhnlichen Athmung nicht, wohl aber bei Dyspnoe der Fall ist. Daher sehen wir Asthmatische bei einem Anfall instinctiv die Hände an feste Körper pressen, um die Scapula zu fixiren und dadurch dem M. serrat. ant. maj. die Möglichkeit zu verschaffen, seine den Thorax erweiternde Wirkung geltend zu machen. Das arterielle Gefäss dieses grossen platten Muskels ist die Art. thor. longa (Fig. 88. 11), welche von der medialen Seite der Art. axillar, während ihres Durchtrittes unter dem M. pector. min. entspringt und, ziemlich genau der Axillarlinie folgend, bis zur 6. Rippe herabsteigt. Ausser zu dem Muskel gehen kleinere Zweige der Arterie zu Lymphdrüsen und grössere bei der Frau zur Milchdrüse. Der ausschliesslich für den M. serr. ant. maj. bestimmte Nerv ist der N. thor. long, oder respirator. extern., der mit zwei sich bald vereinigenden Wurzeln schon über der Clavicula aus dem Plex. brachial, abgeht und hinter der Art. thor. long., entweder derselben parallel oder unter einem spitzen Winkel von ihr nach rückwärts abweichend, auf dem Muskel herabsteigt. Ausser diesem Nerven kommen an der medialen Wand der Achselhöhle noch die Ram. perforant. der oberen Intercostalnerven zum Vorschein. Auf dem M. serrat. ant. maj. liegt ferner die grosse Mehrzahl der Lymphdrüsen der Achselhöhle auf, wesshalb man bei Untersuchung derselben auf Anschwellungen sich immer an die mediale Wand der Achselhöhle halten muss. Da die Art. axillar, nur an der. Spitze der Achselhöhle dem M. serrat. ant. maj. anliegt, in ihrem Verlaufe nach abwärts sich aber immer mehr von ihm entfernt, um sich der lateralen Wand der Achselhöhle zu nähern, so ist die Gefahr der Verletzung dieser Art. in der unteren Hälfte der Achselhöhle bei der Exstirpation von Lymphdrüsen, welche bei Mammakrebs sehr häufig auch krebsig entartet sind, nicht sehr gross, namentlich auch desshalb, da immer bei stark abgezogenem Arme operirt wird, in

Topographie der Brustwand.

Kegio axillaris.

475

welcher Stellung die Entfernung der Art. axillar, von der medialen Brustwand grösser wird; dagegen ist dabei die Lage der Art. thorac. long, zu berücksichtigen. Die hintere Wand der Achselhöhle wird in ihren beiden oberen Drittheilen gebildet von dem M. subscapularis (Fig. 87.5), weiter unten von dem M. teres. maj. (Fig. 88. 7) und nur zum kleinsten Theile von dem M. latiss. dorsi (Fig. 88. 8), der mehr als hintere Wand der Achselgrube, als der eigentlichen Achselhöhle anzusehen ist. Der M. subscapul. ist bedeckt von der schwachen Fascia subscapul., unter der sich laxes Bindegewebe vorfindet. Auf der Fascie liegt gleichfalls laxes Bindegewebe, welches theils der Achselhöhle angehört, theils den M. subscapul. mit dem M. serrat. ant. maj. bis zu dessen Ansatz an der Basis der Scapula verbindet, das aber so nachgiebig ist, dass es ausgiebige Verschiebungen beider Muskeln gegen einander zulässt. Auf der hinteren Wand der Achselhöhle verlauft der kurze, aber ziemlich starke Stamm der Art. subscapularis (Fig. 88. 12), sowie die Nerv, subscapulares, welche in dem obersten Theile der Achselhöhle von dem Plex. brach, abgehen. Die laterale Wand der Achselhöhle ist die am wenigsten ausgedehnte und hat als Unterlage das Scapulohumeralgelenk (Fig. 87. 3) und den chirurgischen Hals des Humerus. Diese Unterlage ist nach der Achselhöhle zu überdeckt von zwei vereint an dem Proc. coracoid. entspringenden langen Muskeln, dem M. coracobrachialis und dem kurzen Kopf des M. biceps brachii (Fig. 87. 10). An diese beiden in der Höhe der Achselhöhle noch vollkommen vereinigten Muskeln legt sich das grosse Gefässnervenbündel der Höhle hart an. Der Boden der Achselhöhle wird gebildet von der kuppeiförmig nach oben gezogenen Haut der Achselgrube. Diese Haut ist dünn zart, bei dunklem Haupthaar meist leicht pigmentirt und bei beiden Geschlechtern mit Haaren besetzt, die vor jeder Operation in der Achselhöhle zu entfernen sind; auch ist die Haut recht empfindlich, namentlich gegen Kitzel. Beide Hautdrüsenformen sind in derselben vertreten, die Schweiss- und Talgdrüsen. Die ersteren sind zahlreich und erreichen hier ihre bedeutendste Grösse, da der Drüsenkörper oft einen Durchmesser von mehr als 2 mm hat; von demselben stammt der immer reichlich abgesonderte Achselschweiss mit dem bekannten stechenden Geruch, der auch die anliegenden Kleider häufig färbt. Die Talgdrüsen geben nicht selten zu Furunkeln Veranlassung oft multipler Art, die immer sehr schmerzhaft sind, jedoch durchaus keine Neigung haben, nach der Achselhöhle vorzudringen.

Hintere wand d AchseIhöble

-

Laterale wand ' -

d AchselhohIe

Boden der Achselhöhle,

476

Die Brust.

Das Unterhautbindegewebe enthält nur wenig Fett und heftet die Haut an die unterliegende Fascie. Die in der Achselhöhle vorkommenden Abscesse theilt man, je nachdem sie über oder unter dieser Fascie liegen, in sub- und supra-aponeurotische ein; die letzteren haben durchaus keine Neigung, durch die Fascie in die eigentliche Achselhöhle vorzudringen.. spitze der Als äusserlich wahrnehmbare, d. h. fühlbare Spitze der AchselAchseihohie. ^ohle kann man das Ende des Proc. coracoid. betrachten, an dessen medialem Rande Achselhöhle und Reg. clavicul. aneinander grenzen. In der Nähe der Spitze, medial von dem Proc. coracoid., treten unter dem kleinen Brustmuskel die Nerven und Gefässe, aus der Reg. clavicul. kommend, in die Achselhöhle ein. Inhalt der Der Inhalt der Achselhöhle wird gebildet von der Art. axill., Achselhöhle.

Arteria axillaris.

°

der Ven. axill., den Nerven des Plexus brachial, und Lymphdrüsen, welche durch Bindegewebe untereinander in eine mehr oder weniger nahe Beziehung gebracht sind. Dieses ziemlich reichlich vorhandene Bindegewebe ist weitmaschig und nachgiebig,. enthält aber bei dem Erwachsenen in der Regel nur wenig Fett. Wegen seines laxen und weitmaschigen Verhaltens infiltrirt sich dasselbe leicht und kann sich ganz ungemein ausdehnen unter der Gestalt enormer Geschwülste. Die beiden Infiltrationen, welche in demselben vorkommen und so grosse Geschwülste bedingen können, sind die blutige bei Verletzung der Art. axill. oder eines ihrer grösseren Aeste, und die mit Luft als Emphysem bei penetrirenden Brustwunden in der Nähe der Achselgruben. Dagegen macht sich die einfache seröse Infiltration bei Hautwassersucht nicht durch eine besonders grosse Geschwulst bemerklich. Die Arterie (Fig. 88. 10) tritt medial und etwas abwärts von der Spitze, d. h. von dem Proc. coracoid. in die Achselhöhle ein und verlauft nach abwärts lateral und etwas nach vorn, um an dem unteren Rande des M. pector. maj. in die Art. brachial, überzugehen. Die Richtungslinie der Artetie entspricht bei unter einem Winkel von 50° gehobenem Arm einer geraden Linie, welche von der Grenze des inneren und mittleren Drittheils der Clavicula nach dem Beginn des Sulcus bicipitalis ulnaris in der Höhe des unteren Randes des M. pector. maj. gezogen wird. Bei gesenktem Arm bildet die Art. einen lateral und aufwärts convexen Bogen, dessen Krümmung hauptsächlich in die obere Hälfte der Achselhöhle fällt, während sie bei stark gehobenem Arm einen Bogen in der entgegengesetzten Richtung darstellt. In dem oberen Drittheil der Achselhöhle liegt die Arterie der hinteren Wand, in den beiden unteren Drittheilen aber der

Topographie der Brustwand.

Regio axillaris.

477

lateralen Wand an. Dieselbe ist aber nichi sowohl auf dem M. coracobrachial., als vielmehr in der Furche, welche dieser Muskel mit dem M. subscapul. bildet, gelegen; in Folge dessen tritt die Arterie sehr nahe an die Gelenkkapsel des Scapulohumeralgelenkes, was die nicht ganz seltenen Zerreissungen der Arterie erklärt, die bei Luxationen

Fig. 88. Achselhöhle, von vorn biosgelegt. 1 2 3 4 5

Clavicula. Processus coracoideus. M. peetoralis major. M. peetoralis minor. Vereinigter Ursprung deB M. coracobrachial und des kurzen Bicepskopfes.

6 7 8 9 10 11 12

M. subscapulars. M. teres major. M. latlssimus dorsi. M. serratus. Art. axillaris. Art. thoracica longa. Art. subscapulari9.

13 Vena axillaris. 14 N. cutaneus externus. 15 X. medianus mit Zwinge. 16 N. ulnarls. 17 N. cutaneus medius. 18 Lymphdrüsen der Achselhohle.

und namentlich bei forcirten Einrichtungsversuchen von solchen beobachtet werden. Ist in einem derartigen Falle der Puls an der Radialarterie noch fühlbar, so ist die Zerreissung entweder nur unvollständig, oder dieselbe betrifft nicht den Stamm der Art. axillaris,

478

Die Brust.

sondern einen ihrer Zweige. Ausser einigen ganz sehwachen, für den M. subscapul. bestimmten Zweigen gehen von der Art. axillar, in der Achselhöhle zwei grössere Aeste ab, die Art. subscapul. (Fig. 88. 12) und die Art. circumflexa humeri. Die erstere entspringt von der medialen Seite der Art. axillaris in oder etwas unterhalb der Mitte, d. h. zwischen Basis und Spitze der Achselhöhle, lauft auf dem M. subscapul. als kurzer Stamm nach abwärts und theilt sich, an dem lateralen Rande des Schulterblattes angekommen, in die Art. thoracico-dorsalis, welche in der Richtung nach abwärts, und in die Art. circumflexa scapulae, welche in der Richtung nach rückwärts die Achselhöhle verlässt. Die Art. circumfl. hum. geht, verdeckt von Nerven und der Veu. axill., von der lateralen Seite der Art. axill. meist nur 1 cm tiefer ab und theilt sich alsbald in einen schwachen Ram. ant. und starken Ram. post., welche lateralwärts aus der Achselhöhle treten, um den chirurg. Hals des H'umerus zu umgreifen. Fast noch häufiger entspringen beide Aeste isolirt, aber in gleicher Höhe von der Art. axillar. Vena axillaris. Die Vena axill. (Fig. 88. 13) liegt medial und unter der Arterie näher der Basis der Achselhöhle; sie hat einen grösseren Durchmesser, als die Arterie, wenn sie einfach ist; bisweilen ist sie aber doppelt, und beide Stämme vereinigen sich erst in der Achselhöhle; auch nimmt sie in der letzteren zahlreiche Seitenäste auf, bisweilen die ziemlich starke Ven. profunda brachii, welche dann zur Vene über die Arterie hinweggeht. Nervender Die Nerven des Plex. brach., welche in der Reg. clavicul. lateral Achselhöhle. y Q U ¿ e r Arterie liegen, gruppiren sich in der Achselhöhle um diedieselbe (Fig. 87. 16). Am weitesten nach oben liegt der N. cutan. ext., der stärkste der drei N. cutanei (Fig. 88. 14), von dem ein Strang abgeht, der sich mit einem ähnlichen von dem N. ulnar, trennenden Strange zu dem N. medianus (Fig. 88. 15) verbindet. Unter dem N. median, ist der N. ylnaris (Fig. 88. 16) gelagert und unter diesen^ der N. cutan. med. (Fig. 88. 17), an den sich, als am meisten nach abwärts gelegen, der sehr feine N. cutan. int. anschliesst. Am meisten nach rückwärts, und zwar hinter dem N. ulnar., liegt unmittelbar auf dem M. subscapul. der mächtigste der sechs langen Nerven des Plexus brachial., der N. radialis; von demselben geht der stärkste der kurzen Aeste des Plex. brach., der N. circumflexus oder axillaris ab, der, den unteren Rand des M. subscapul. umfassend, die Achselhöhle verlässt, um mit der Art. circumfl. post. den chirurg. Hals des Numerus zu umgreifen (Fig. 90. 13 und 14).

Topographie der Brustwand.

Regio axillaris.

479

Das Lageverhältniss der Art. und Ven. axill. zu den Nerven der Achselhöhle gestaltet sich in der Art, dass beide Wurzeln des N. median. auf der Art. axill., und zwar nahe an dem Eingang in die Achselhöhle, d. h. nahe an dem unteren Rande des M. pector. maj., sich vereinigen, wodurch die Arterie in die sog. Zwinge des N. median. zu liegen kommt, welche die Auffindung derselben wesentlich erleichtert. Hinter und etwas abwärts von der Art. axill. befindet sich der N. radialis, unter der Art., d. h. zwischen Art. und Ven. axill., liegt der N. ulnar., während die unter dem letzteren gelegenen beiden N. cutan. von der Ven. axill. verdeckt werden. Die Art. circumfl. hum. geht 1—1,5 cm über dem Vereinigungspunkte beider Wurzeln des N. med. lateralwärts ab, und ihr vorderer Ast liegt unter der oberen Wurzel dieses Nerven und dem N. cut. ext. Die etwas höher gelegene Abgangsstelle der Art. subscapul. ist ganz von den Nerven verdeckt. Eröffnet man die Achselhöhle von unten, d. h. von der Basis Aufsuchung der aus, und zwar durch einen Längsschnitt, welcher an der Grenze des ATt' axillari8, vorderen und mittleren Drittheils des Abstandes zwischen dem unteren Rande des M. pector. maj. und des latiss. dorsi angelegt wird, so gelangt man unter der Haut und dem subcutanen Bindegewebe zur Fascie; unter derselben findet man zuerst die Ven. axillar, und über der Vene den N. ulnaris, welchem hart die Art. axillaris, und zwar in der Zwinge des N. median, anliegt. Zur Aufsuchung der Arterie hält man sich jedoch am besten nach der Vorschrift von M a l g a i g n e an den M. coracobrachialis, und zwar an dessen hinteren Rand, der von dem oberen Ende des Sulcus bicipital. ulnaris vom Oberarm aus leicht zu erreichen ist. Hier trifft man zuerst auf den N. median., und darunter unmittelbar auf die Art. axill., ohne in Berührung mit der weiter abwärts gelegenen Vene zu gelangen. Die zahlreichen Lymphdrüsen der Achselhöhle liegen sämmtlich Lymphdrüsen, unter der Fascie. Die grösseren Drüsen, welche mit den Lymphgefässen der Mamma in Verbindung stehen und bei Carcinom der letzteren häufig infiltrirt gefunden werden, liegen der medialen Wand der Achselhöhle in der Höhe der 4. bis 3. Rippe an (Fig. 88. 18). Sie fallen daher in die untere Hälfte der Achselhöhle. Da der Gefässnervenbündel in diesem Theile der Achselhöhle der lateralen Wand anliegt, so ist die Gefahr der Gefässverletzung bei der Exstirpation dieser grösseren Drüsen nicht sehr gross. Dagegen rücken kleinere Drüsen, namentlich in der oberen Hälfte der Achselhöhle, den Gefässen recht nahe (Fig. 87. 17), und die Entfernung derselben

480

Die Brust.

erfordert die grösste Vorsicht. Da die Lymphgefässe des Armes sämmtlich mit den Lymphdrüsen der Achselhöhle in Verbindung stehen, so ist die gewöhnliche Folge von Lymphangitis oder Phlegmone der Haut der oberen Extremität die entzündliche Schwellung der Lymphdrüsen der Achselhöhle, welche nicht selten zur Eiterung führt. Regio costalis.

Grenzen.

Die Regio costalis kann in einem weiteren und engeren Sinne aufgefasst werden. In weiterem Sinne genommen, gehört der Reg. cost. die gesammte Thoraxwand an, insoweit Rippen und Intercostalräume bei der Bildung derselben betheiligt sind; sie umfasst daher in dieser Ausdehnung sämmtliche Gegenden der Brust, mit Ausnahme der Sternal- und Spinalgegend, und ihre Grenzen sind oben in der ersten Rippe, unten in dem Rippenbogen, sowie in den durch die Haut fühlbaren beiden letzten freien Rippen vorn an dem Sternalrande und hinten an dem lateralen Rande der langen Rückenmuskulatur gegeben. Unter Reg. costal. in engerem Sinne begreift man dagegen jenen ausgedehnten, im Allgemeinen dreieckig gestalteten Bezirk der seitlichen Brustwand, dessen obere abgerundete Spitze in der Achselgrube, und dessen Basis in dem ganzen Rippenbogen, sowie in den freien Enden der beiden letzten Rippen gegeben ist. Die vordere und hintere Begrenzung der Gegend tritt nur bei sehr gehobenem Arm in Sicht. Die vordere Grenze folgt dem lateralen Rande des M. pector. maj. und erstreckt sich in einer etwas nach unten und seitlich gebogenen Linie bis zu dem Sternalansatz der 7. Rippe, d. h. bis zur Wurzel des Schwertfortsatzes. Als hintere Grenze dient der den lateralen Scapularrand einhüllende Muskelwulst und dessen Verlängerung in gerader Linie bis zu der Spitze der 12. Rippe. Der untere Theil der Reg. costal. deckt in Folge der starken Zwergfellwölbung nach oben nicht mehr Brust-, sondern .Baucheingeweide, und wir werden daher auf denselben bei der Betrachtung der Lage der Unterleibsorgane als Reg. hypochondriaca zurückkommen; allein derselbe lässt sich von der Beschreibung der Brustwand desshalb nicht gut trennen, weil er mit einen integrirenden Bestandtheil des Thorax bildet, configuration. Die Gestalt der Gegend ist, da sie die seitliche Brustwand bildet, eine stark convex abgerundete, und in derselben wird bei hochgehobenem Arme an muskulösen Individuen die sägeförmige Interferenzlinie zwischen den Ursprungszacken des M. serrat. ant. maj.

Topographie der Brustwand.

481

Regio costalis.

und des obliqu. abdom. ext. sichtbar. Die oberste, an dem Lebenden deutlich erkennbare Zacke des M. serrat. a. m. ist die von der 6. Rippe abgehende, was als Anhaltspunkt für. die Bestimmung der Rippen der Gegend dienen kann. Eine grössere Anzahl von Rippen, als in irgend einer andern Gegend der Brustwand, nämlich die zehn unteren sind hier zu fühlen und bei mageren Personen selbst zu sehen, wodurch der Name Reg. costalis gerechtfertigt erscheint. Die Gegend zerfällt rücksichtlich ihrer Zusammensetzung in zwei oberflächliche scharf geschiedene Lagen, in eine oberflächliche, die Haut und die ^Reg 6 ^*^ darunter gelegenen Muskeln umfassende, welche der Reg. cost. im engeren, und in eine tiefe, aus den Rippen und den Intercostalräumen bestehende, welche der Reg. cost. im weiteren Sinne angehört. Wir werden beide Lagen vollkommen gesondert von einander betrachten und bei der oberflächlichen die Reg. cost. nur in engerem, bei der tiefen aber in weiterem Sinne berücksichtigen. An der oberflächlichen Lage unterscheidet man folgende Schichten: schichten der die Haut, das Unterhautbindegewebe, das die Muskeln deckende ^age^er'Reg1 Bindegewebe und die Muskulatur. costaüs Die Haut ist am dünnsten in der Achselgrube und wird nach abwärts etwas stärker; auch bei Männern ist dieselbe mit Ausnahme der Achselgrube weniger behaart, als die Haut der Mammillar- und Stemalgegend. Das Unterhautbindegewebe füllt sich bei gut genährten Personen nach abwärts immer mehr mit Fett, während es in der Achselgrube noch grossentheils fettlos ist. Die die Muskulatur unmittelbar deckende Bindegewebeschichte hat mehr den Charakter eines einfachen Perimysiums, als den einer eigentlichen Fascie, was sich auch darin ausspricht, dass dasselbe an der Interferenzlinie beider Hauptmuskeln der Gegend nicht von einem Muskel continuirlich auf den andern übergeht, sondern zwischen die Zacken sich bis zu dem Knochen fortsetzt. Die beiden der Reg. cost. an gehörigen Muskeln sind der M. serrat. ant. maj. und der obliqu. abdom. ext. Von dem ersteren gehören hierher die T unteren Ursprungszacken; von welchen die von der 5. Rippe kommende 6. Zacke sich der vorderen Medianlinie am meisten nähert. Zwischen je zwei Zacken des M. serrat. ant. maj. entspringen von der 5. Rippe an die vier oder fünf oberen Zacken des M. obliqu. abd. ext., welche aber bald in eine Aponeurose übergehen, die als Glied der Scheide des M. rectus abdom. noch die in die Gegend fallenden Ursprünge dieses letzteren Muskels von der 5., 6. und 7. Rippe deckt. G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

31

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Die Brust.

Geftsse undWas die Gefässe und Nerven der Reg. cost. betrifft, so kommen ^sächlichen"' hauptsächlich die Art. thor. long, und der gleichnamige Nerv in Belage. tracht, von welchen bereits bei der medialen Wand der Achselhöhle die Rede war. Nicht selten ist die Art. thor. long, durch nach vorn sich wendende Zweige der Art. thorac. dors. vertreten. Die Hautnerven kommen nicht aus dem N. thor. long., dessen Verbreitungsbezirk auf den M. serrat. ant. maj. beschränkt ist, sondern sind Zweige der von den Intercostalnerven abgehenden Ram. perfor. later., welche in den Winkeln, unter denen je zwei Zacken des M. serr. ant. maj. zusammentreten, sichtbar werden und sich hier schon in vordere und hintere, die Brust umgreifende Zweige theilen. Tiefe Lage der Die tiefe Lage der Reg. cost. setzt sich aus den Rippen und den Intercostalräumen zusammen, von welchen die letzteren den grösseren Theil der seitlichen Thoraxwand bilden. Rippen. D i e Verbindung der zehn oberen Rippen mit dem Sternum wird durch die Rippenknorpel vermittelt, und zwar der sieben oberen oder wahren Rippen direct und jene der drei folgenden oder falschen Rippen indirect dadurch, dass ihre Knorpel mit den Knorpeln der unmittelbar darüber liegenden. Rippen verwachsen sind, während die beiden unteren freien oder fluctuirenden Rippen zwar einen kurzen Knorpel, aber keine durch denselben vermittelte Verbindung mit anderen Rippen besitzen. Die abgeplatteten, Stäben ähnlichen knöchernen Rippen bestehen zum grössten Theile aus spongiöser, feinmaschiger Substanz, welche von einer nur dünnen Lage compacten Knochengewebes umgeben ist. Die Länge der Rippen nimmt von der 1. bis zu der 8., und zwar zuerst sehr bedeutend zu und sinkt von da wieder ziemlich rasch; jedoch ist die letzte Rippe meistens noch um einige Centimeter länger als die erste. Die beiden auch topographisch wichtigsten Eigenschaften der Rippen sind ihre Krümmung und ihre Neigung. Die Krümmung tritt erst merklich an dem sog. Angulus costae, aber hier sehr scharf hervor, erreicht ihren Scheitel in der Axillarlinie, in welche demnach die von der Medianlinie entferntesten Stellen der Rippe fallen, und ist bis zu der Mammillarlinie stark und von da weniger ausgesprochen. Als Neigung der Rippen bezeichnet man die Thatsache, dass das hintere, mit der Wirbelsäule verbundene Ende beträchtlich höher steht, als das vordere. Die Neigung der Rippen beginnt bereits seitlich von dem mit dem Querfortsatz der Wirbel in Gelenkverbindung stehenden Rippenhöcker, so dass der Angulus schon beträchtlich tiefer als das Tuberc. costae steht. Der tiefste Punkt der knöchernen Rippe fällt

Topographie der Brustwand.

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Regio costalis.

mit ihrem vorderen Ende, d. h. der Stelle zusammen," an welcher sie sich mit dem Knorpel verbindet, und zwar kreuzt diesen tiefsten Punkt die Mammillarlinie bei der 8. Rippe, während dieser Punkt für die über dieser Rippe gelegenen medial und für die unter derselben gelegenen lateral von der Mammillarlinie zu liegen kommt. Diese Neigung der Rippen ist auch der Grund, davon, dass auf dem horizontalen Schnitt durch die Brust vier oder fünf schräg durchschnittene Rippen in Sicht treten. An dem Lebenden wird durch die Neigung die Bestimmung der einzelnen Rippen, welche durch Abzählen von der 2. Rippe an am besten in der Mammillarlinie geschieht, namentlich dann erschwert, wenn dieselbe an sehr gut genährten Personen gemacht werden soll, aber auch hier sind fast immer die Dornfortsätze der Brust- und Lendenwirbel durch die Haut deutlich zu fühlen, wesshalb in praktischer Beziehung das Lageverhältniss der Rippen zu den Dornfortsätzen viel wichtiger ist, als zu den Wirbelkörpern. Kennt man dasselbe an den beiden hier allein in Betracht kommenden Linien, der Mammillar- und Axillarlinie, so wird man unschwer nach horizontaler Anlage des Messbandes in der Höhe eines bestimmten Wirbeldorns finden können, mit welcher Rippe man es in dem speciellen Falle zu thun hat. Dieses Lageverhältniss ergibt sich aber aus folgender Tabelle: Rippe.

Mammillarlinie.

II III IV V VI vn vni IX X

Dornfortsatz 5 Brust-W. 6 > i » 7 > » > 9 . . 10 • » 11 » » » 1 Lenden-W. > 2 > > Zwischen DornfortBatz des 2. und 3. Lenden-W.

Axillarlinie. Dornfortsatz 4 Brust-W. » 5 » > 6 > > > 8 > > 9 , , 10 » » » 12 » » > 1 Lenden-W. > 2 > >

Ausserdem hat man in schwierigeren Fällen für die Bestimmung der Rippen noch folgende Anhaltspunkte: 1. Der Ansatz der 2. Rippe fällt in die Grenze zwischen Handgriff und Körper des Brustbeins, entspricht also dem Sternalwinkel. 2. Der Ansatz der 7. Rippe vollzieht sich zwischen Körper und Schwertfortsatz des Brustbeins. 31*

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Die Brust.

Einen weiteren Anhaltspunkt liefert die Spitze des Schulterblattes, welche bei herabhängenden und angezogenen Armen in den Intercostalraum zwischen 8. und 9. Rippe fällt und die ziemlich leicht fühlbar ist, namentlich wenn man die Ellbogen des zu Untersuchenden auf dem Rücken einander möglichst nahe bringt. Legt man um die Schulterblattspitze das Messband, so trifft es in der Axillarlinie die 7. und in der Mammillarlinie die 5. Rippe. Die Bandverbindung zwischen Rippen und Wirbelsäule ist eine ungemein feste. Durch die beiden Gelenke, von welchen das eine zweikammerige zwischen Rippenköpfchen und Wirbelkörpern, das andere zwischen Rippenhöcker und Wirbelquerfortsatz sich befindet, ist die Möglichkeit einer Rippendrehung gegeben. Die Kapseln beider Gelenke sind durch starke Hülfsbänder verstärkt, und ausserdem ist die Verbindung zwischen Rippen und Wirbeln noch durch die zahlreichen und straffen I^ig. colli costae gesichert. Die relative Länge der hyalinen Knorpel der wahren Rippen nimmt von der 1. Rippe an zuerst in geringem und von der 5. Rippe in stark progressivem Verhältnisse zu; die absolute Länge der Rippenknorpel ist dagegen weniger von der Körpergrösse, als von der Neigung und den Krümmungsverhältnissen der Rippen abhängig. Bei ganz normal gebautem Thorax fällt die Verbindung von knöchernen und knorpeligen Rippen bei den 7 oberen medianwärts von der Mammillarlinie und nähert sich von oben nach unten derselben immer mehr, bei der 8. fällt sie in und bei der 9. bis 10. lateral von der Mammillarlinie. Der Knorpel der 1. Rippe verlauft ganz.leicht nach abwärts, der der 2. liegt fast horizontal; bei den anderen Rippen steigt aber der Knorpel nach oben an, und zwar in einem progressiven Verhältniss, so dass an dem Knorpel der 7. Rippe die Richtung nach oben am meisten ausgesprochen ist. Der Wechsel in der Verlaufsrichtung der Rippen findet nicht an der Grenze zwischen Knochen und Knorpel statt, sondern fällt immer in das laterale Viertheil des Rippenknorpels. Rein hyalin bleibt die Structur der Rippenknorpel in der Regel nur bis zu dem 25. Jahre; von da an beginnt in der Intercellularsubstanz des Knorpels das Auftreten eigenthümlicher asbestartiger Fasern, Verkalkung und wirkliche Verknöcherung, welche nach dem Eintritt in die fünfziger Jahre namentlich bei Männern selten ganz vermisst wird. Die Achse, um welche sich die Rippen drehen können, ist in der geraden Linie gegeben, welche zwischen ihrem Wirbel- und Sternalansatz gezogen wird. Die Drehung der Rippen erfolgt nicht

Topographie der Brustwand.

Regio costalis.

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bei der gewöhnlichen ruhigen, sondern bei der intensiven Respiration bei Dyspnoe, und zwar wird sie durch sehr bedeutende Muskelkräfte, namentlich von dem M. serr. ant. maj. in dem Inspirationsstadium bewirkt, wobei der Knorpel leicht torquirt und eine Erweiterung des Brustraums in seiner frontalen und sagittalen Achse erzielt wird. Mit dem Nachlasse der Muskelwirkung in der Exspiration tritt die Rippendrehung in dem entgegengesetzten Sinne ein, wobei sich wesentlich die rein physikalischen Kräfte der Rippenschwere, sowie die Elasticität der Rippenknochen und namentlich der Knorpel geltend machen. Durch die Verknöcherung der letzteren tritt eine Veränderung in ihren elastischen Eigenschaften ein, welche bei der Inspiration nur durch Steigerung der Muskelkraft compensirt werden kann. Die Brüche der Rippen entstehen entweder durch die directe Einwirkung einer Gewalt auf die Bruchstelle oder indirect durch auf den Thorax wirkende Gewalten, wodurch die Spannung des Rippenbogens in der Art vermehrt wird, dass derselbe keinen Widerstand mehr leisten kann, sondern bricht, und zwar findet sich' die Bruchstelle meistens da, wo die Krümmung der Rippen am ausgesprochensten ist, also zwischen dem Ang. cost. und der Mammillarlinie. Da diese indirecten Brüche durch den ganzen Thorax betreffende Gewalten, wie z. B. bei dem Ueberfahren durch ein Wagenrad, bewirkt werden, so sind meist mehrere Rippen gebrochen; auch kommen dabei incomplete Brüche vor. Bei dem Zustandekommen der Rippenbrüche, namentlich den indirecten, spielt die Elasticität der Rippen eine grosse Rolle. Dieselbe hängt ab von dem Alter und der Länge der Rippenknorpel. Daher kommen Rippenbrüche hauptsächlich bei älteren Personen, wo Knochen und Knorpel weniger elastisch sind, und an der 2. bis 6. Rippe vor, weil dieselben kürzere Knorpel als die unteren Rippen haben, und die 1. Rippe durch die Clavicula geschützt ist. Eine bedeutende Verschiebung der gebrochenen Knochenenden ist bei Rippenbrüchen in der Regel nicht vorhanden, wesshalb der Bruch durch Crepitation durchaus nicht immer zu constatiren ist. Der Arzt ist daher bei der Diagnose von Rippenbrüchen meistentheils nur auf den plötzlich entstandenen Schmerz an einer bestimmten Stelle des Thorax und die mit dem Bruch eintretenden Beschwerden der Respiration beschränkt. Da bei den Rippenbrüchen Verschiebungen der Knochenenden nicht leicht vorkommen, so heilen sie auch ohne Anlegung von Verbänden verhältnissmässig rasch und lassen keine Difformi-

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Die Brust.

täten zurück. Brüche der Rippenknorpel kommen bei älteren Personen vor, sind aber in dem Verhältniss zu Brüchen der Rippenknochen sehr selten, intereostaiDie Intercostalräume, von welchen in jeder Körperhälfte 11 räume, vorhanden sind, werden an der nicht skelettirten Leiche durch Muskeln, Bindegewebe, Gefässe und Nerven ausgefüllt, und auf diese Weise wird erst der vollständige Verschluss der lateralen Thoraxwand bewirkt. An der hinteren Seite des Thorax sind Unterschiede in der Breite der einzelnen Intercostalräume kaum bemerkbar; nach vorn verbreitern sie sich, und zwar fällt ihre grösste Breite in das laterale Viertheil des Knorpels nahe an die Grenze der knöchernen Rippen. Während sich die drei obersten Intercostalräume, von welchen der dritte bei den meisten Personen der breiteste ist, in der nächsten Nähe des Sternum sich nur ganz wenig verschmälern, beginnt von dem vierten an eine Abnahme der Breite, welche nach abwärts stark progressiv zunimmt. Damit steht die Thatsache in Beziehung, dass diejenigen Intercostalräume, an deren Bildung die falschen Rippen betheiligt sind, nicht so nahe an die Medianebene herantreten, als die zwischen den wahren Rippen befindlichen. Untersucht man an einem mageren Individuum die Intercostalräume, so überzeugt man sich leicht, dass die untere knöcherne Begrenzung derselben sich scharfkantig, die obere dagegen sich mehr abgerundet anfühlt. Die scharfe Kante ist nichts anderes als der vordere scharfe Rand des Sulcus costae, der bedeutend weiter herabgeht als der hintere, mehr stumpfe Rand. Dieser Sulcus costae beginnt jedoch erst an dem Rippenwinkel und verliert sich an dem vorderen Viertheil der knöchernen Rippe. Ausser dem weitmaschigen Bindegewebe, durch welches die Muskeln, wie M. serrat ant. maj. und andere, in den verschiedenen Gegenden der Brustwand an die Rippen und Intercostalräume geheftet sind, lässt der verticalö Durschschnitt eines Intercostalraums und der dazu gehörigen beiden Rippen folgende verschiedene Schichten erkennen: schichten der 1. Eine sehr dünne aus verdichtetem Bindegewebe bestehende URegn costeils" häutige Lage, welche die äusseren Intercostalmuskeln deckt und die stärker in dem zwischen den Rippenknorpeln befindlichen Theil des Intercostalraums hervortritt, wo sie den Namen Lig. coruscans führt. 2. Die äusseren Intercostalmuskeln (Fig. 89. 5), welche bereits an dem Wirbelende des Intercostalraums vorhanden sind, erreichen

Topographie der Brustwand.

Regio costalis.

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das Sternalende nicht, sondern hören an der Grenze zwischen Rippenknochen und Knorpel auf. Die Bündel dieser Muskeln entspringen von der .unteren Rippenkante und verlaufen in schräger Richtung nach unten und vorn, um sich an dem oberen abgerundeten Rande der folgenden Rippe anzusetzen. 3. Eine Lage von laxem Bindegewebe zwischen den äusseren und inneren Intercostalmuskeln. In diesem Zwischenbindegewebe befinden sich die wichtigsten Constituentien des Intercostalraums, nämlich die Gefässe und Nerven, welche in dem Sulc. cost. folgende ganz constante Lagerung haben. Am weitesten nach oben hart an der hinteren oberen Kante des Sulcus liegt die Ven. intercost. (Fig. 89.7), darunter zwischen oberer und unterer Kante die Arteria (Fig. 89.8), auf welche, in der Höhe der unteren Kante gelegen, der Nerv, intercost. (Fig. 89. 9) folgt. Die Art. ist also in dem Bereiche des Sulc. costae Flg. 89. durch dessen unteren vorderen Rand vollVertikaler Schnitt durch die Thoraxwand. ständig geschützt und kann möglicher 1 Haut mit subcutanem BindeWeise nur durch in der Richtung von gewebe unten nach oben geführte Stiche getroffen 2 Fascia superficialis. 3 M. pectoralis major. werden. 4 Rippen. Die 4. Lage ist in den M. intercost. 5 M. intercost. ext. 6 M. Intercost. int. int. (Fig. 89. 6) gegeben, welche jedoch 7 Ven. intercost. erst an dem Ang. cost. beginnen, sich 8 Art. intercost. 9 Nerv, intercost. aber vorn bis zu dem Sternalrand er10 Fascia endothoracica. strecken. Die Richtung der Bündel dieser 11 Parletalblatt der Pleura. Muskeln geht schräg von oben und vorn nach unten und hinten, wodurch eine Kreuzung mit den Fasern der M. interc. ext. erzielt wird, und zwar ganz in der gleichen Weise, wie dieses in grösserem Maassstabe an der Bauchwand zwischen den Fascikeln der M. obliq. ext. und int. der Fall ist. Die 5. Lage bildet ein Stratum verdichteten Bindegewebes, welches die M. intercost. int. deckt und mit dem Periost der hinteren Rippenfläche in Verbindung steht (Fig. 89. 10). Man hat diese Lage auch als Fascia endothoracica beschrieben; an sie ist mittels des subserösen Bindegewebes die Pleura costalis (Fig. 89. 11) unmittelbar angeheftet.

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Die Brust.

Geßsse und Die Intercostalarterien zerfallen in die hinteren weitaus stärkeren, von Lage^der Reg" welchen die der beiden oberen Intercostalräume von dem Truncus costaiis. costo-cerviealis der Art. subclavia, die der übrigen von der Brustaorta abgegeben werden, und in die schwachen vorderen, welche Zweige der Art. mammaria interna sind. Die hinteren Intercostalarterien entbehren von der Wirbelsäule an bis zu dem Angulus costae des Schutzes des Sulc. cost., da dieser erst an dem Rippenwinkel beginnt, und können daher hier leichter von einer Verletzung betroffen werden. Dieselben liegen hier zwischen Pleura costal. und äusseren Intercostalmuskeln, da auch die inneren Intercostalmuskeln erst von dem Rippenwinkel an vorhanden sind. Die von diesen Arterien abgegebenen Ram. perforantes, welche durch die M. intercost. ext. treten, sind sehr schwach und bedeutungslos mit Ausnahme der Periode der Schwangerschaft und Lactation, wo bei Frauen diese arteriellen Aeste in dem 2., 3. und 4. Intercostalraum eine verhältnissmässig beträchtliche Stärke erreichen können. In dem vorderen Drittheil des Intercostalraums verlässt die Arterie die Knochenrinne und verlauft zwischen den beiden Intercostalmuskeln ziemlich in der Mitte zwischen dein oberen und unteren Rand des Intercostalraums. Die Arterie ist aber hier schon ziemlich fein geworden; sie anastomosirt mit den gleichfalls schwachen Art. intercost. anter., Zweigen der Art. mammaria int., und hat wegen ihres geringen Durchmessers wie die letzteren nicht mehr eine praktische Bedeutung. Die hinteren Intercostalvenen sind in der gleichen Anzahl wie die Arterien vorhanden und münden auf der rechten Seite in die Ven. azygos; auf der linken Seite vereinigen sich die unteren zu der kurzen Ven. hemiazygos, welche sich in die V. azyg. ergiesst, während die oberen direct in die V. azyg. und in Ausnahmsfällen auch in die V. anonyma sinistra eintreten. Die vorderen Intercostalvenen begleiten die Arterien und münden in die V. mammaria int., welche ihr Blut der V. subclavia zuführt. Von den Intercostalnerven gehen die N. perforant. later. und anter. ab. Von den ersteren war bereits bei der Betrachtung der Reg. costal. in engerem Sinne, von den ersteren bei der Reg. sternal. die Rede. ThoracoVon den in der Reg. cost. auszuführenden operativen Eingriffen centhese. k o m m e n hauptsächlich die Thoracocenthese und die Resection der Rippen in Betracht. Bei der ersteren sind Verletzungen der Intercostalarterien und des Zwerchfells zu vermeiden, und dieselben werden vermieden, wenn die Thoracocenthese innerhalb der Grenzen der

Topographie der Brustwand.

Regio scapularis.

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Reg. cost. in engerem Sinne vorgenommen wird, innerhalb welcher die Arterie in Folge ihrer Lage in dem Sulcus cost. vollständig durch den Knochen geschützt ist, d. h. zwischen der Mammillarlinie und dem Angul. costae. Die Verletzung des Zwerchfells ist ausgeschlossen, wenn man sich oberhalb der 9. Rippe hält. Bei der Resection der Rippen darf man nicht ausser Acht Reseetion der El lassen, dass die Fascia endothoracica mit dem Periost des Knochens PPenverwachsen und nur durch das subseröse Bindegewebe und die Pleura costal. von dem Brustraum getrennt ist. Schliesslich möchte ich noch auf die nicht ganz seltenen Fälle Schusswunden hinweisen, in welchen die in die Brust eingedrungene Kugel durch den Rippenknochen eine Aenderung ihrer Richtung erleidet und, statt in die Brusthöhle einzudringen, um den Thorax herumlauft, ja selbst den Körper wieder verlassen kann, ohne dass eine perforirende Brustwunde vorhanden ist. Es ist dieses bei solchen Kugeln der Fall, welche nicht mehr mit voller Kraft den Thorax treffen, und begünstigt wird ein solcher aussergewöhulicher Verlauf des Schusskanals, wenn der Verletzte sich während des Einschlagens der Kugel in der Phase einer tiefen Inspiration befindet, wobei die Intercostalräume enger werden, oder wenn derselbe zufällig den Oberkörper stark auf eine Seite neigt, wobei auf der betreffenden Seite die Rippenknochen gleichfalls näher an einander rücken. Regio scapularis.

Die Reg. scapul. hat als Unterlage das in mächtige Fleischmassen eingebettete Schulterblatt mit Ausnahme seiner beiden Fortsätze des nach vorn gerichteten coracoiden, welcher den Punkt des Zusammenstosses der Clavicular-, Mammal- und Axillargegend bildet, und des an der äussersten lateralen Grenze der Scapula gelegenen acromialen Fortsatzes, der in das Bereich der Schultergegend fällt. Da das Schulterblatt in keiner directen Bandverbindung mit dem Thorax steht und zugleich den Ansatzpunkt äusserst kräftiger Muskeln bildet, so wird bei den verschiedenen Körperstellungen dessen Lageverhältniss zu dem Thorax ein sehr variables sein, und es wird dadurch die genaue Begrenzung der Gegend mit Rücksicht auf den Thorax unmöglich. Bei der geraden aufrechten Stellung und angezogenen Armen erstreckt sich das Schulterblatt von der 2. bis über den unteren Rand der 8. Rippe. Die obere Grenze fällt nicht ganz genau, aber doch annähernd zusammen mit der hinteren Grenzlinie. zwischen Hals und Brust, welche von dem Acromion bis zu

Grenzen,

«190

Die Brust.

dem Dornfortsatz des 7. Halswirbels gezogen wird. Die mediale Grenze bildet die Basis, d. h. der mediale Rand der Scapula, welcher immer durch die Haut leicht durchzufühlen ist. Die untere Grenze der Gegend ist in dem unteren spitzen Winkel des Schulterblattes gegeben, der gleichfalls leicht durch die Haut durchzufühlen ist und der bei der Normalhaltung in die Höhe des Dornfortsatzes des 7. Brustwirbels, seltener des 8. Brustwirbels fällt. Die laterale Grenze wird durch eine gebrochene Linie ausgedrückt, deren unteren längeren Schenkel der laterale Rand der Scapula bildet, welcher zwar als solcher nicht fühlbar, aber in Form einer wulstigen, an der hinteren Achselfalte beginnenden und sich zu dem unteren Scapularwinkel hinziehenden Erhebung wahrnehmbar ist. Der obere kürzere Schenkel der lateralen Grenze kann durch eine Linie bezeichnet werden, welche von dem medialen Ende der hinteren Achselfalte nach der Grenze des lateralen und mittleren Drittheils der Clavicula gezogen wird, configuration. Bei abgemagerten Individuen ist fast der ganze Umriss des Schulterblattes durch die Haut sichtbar; aber auch bei gut Genährten ist, wenn der M. serrat. ant. rnaj. nicht stark contrahirt ist, der mediale Rand und der untere Winkel wahrnehmbar. Bei gerader Körperstellung ist aber der mediale Rand nicht gerade, sondern springt in einem medianwärts mehr oder weniger convexen Bogen hervor, so dass bei mittelstarken Männern die Abstände der medialen Ränder beider Schulterblätter an dem oberen Ende 12—14, in der Mitte 11—13 und an dem unteren Ende 16—18 cm betragen, aber durch Verschiebung der Scapula am Thorax fast um die Hälfte grösser und kleiner werden können. Der laterale Rand des Schulterblattes ist vorn durch den M. subscapul., hinten durch den M. teres maj. und latiss. dors. so überragt, dass er nur als abgerundeter Wulst sich kundgibt. Von dem oberen Rande ist bei gut genährten muskulösen Personen gar nichts zu sehen, da derselbe durch das massenhaft vorhandene Fleisch des M. trapezius verdeckt ist, und desshalb Brust und Nacken ohne äusserlich wahrnehmbare Grenze allmählig ineinander übergehen. Dagegen tritt bei etwas nach vorn gebeugter Haltung unter der Haut die Spina scapulae hervor, welche die Gegend in eine obere kleinere und untere grössere Fläche scheidet, die unter einem sehr stumpfen Winkel ineinander übergehen. Bei sehr muskelkräftigen Personen ist die Spina durch eine seichte Furche angedeutet, welche dadurch bedingt wird, dass M. trapez. oben und Deltamuskel unten den knöchernen Rand der Spina, mit welchem sie fest verbunden sind, überragen.

Topographie der Bruetwand.

Kegio scapularis.

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Die Haut der Scapulargegend ist, wie die des ganzen Rückens, dick, fest und derb; der grosse Durchmesser der durch den Tastzirkel bestimmbaren Gefühlskreise steht in Beziehung zu ihrer im Vergleich mit anderen Hauptpartien geringen Empfindlichkeit. Das Unterhautbindegewebe ist nicht sehr reichlich und zeigt auch bei gut genährten Personen eine nur mässige Fettinfiltration. Die nun folgende Fascie, welche einen Theil der grossen Fascia superficial, dorsi bildet, ist in der Scapulargegend ziemlich stark entwickelt und nicht selten fetthaltig. Unter dieser Fascie liegen die beiden grossen breiten Rückenmuskeln, von denen der M. latiss. dors. mit seinem oberen Rande über den unteren Winkel der Scapula wegzieht, während der M. trapez. mit seiner dicken Fleischmasse die ganze Fossa supraspinata mit den darin befindlichen Theilen deckt, indem sich derselbe an der ganzen oberen Lefze der Spina scapul. und auch in dem Bereiche des kleinen dreieckigen Feldes, womit die Spina an dem medialen Rand der Scapula ihren Anfang nimmt, an der unteren Lefze der Spina anheftet. Von dem weitaus grössten Theile der unteren Lefze nimmt der Deltamuskel lateralwärts mit immer stärkerer Faserung seinen Ursprung. Löst man den M. trapez. von seiner Verbindung mit der Scapula und Clavicula und legt denselben nach der Wirbelsäule zurück, so werden zunächst die Insertionen des M. levat. ang. scap., des rhomboid. maj. und min. sichtbar, welche den ganzen medialen Rand der Scapula in der Art einnehmen, dass der M. levat. ang. scap. sich von dem oberen Winkel des Knochens bis zu dem Beginn der oberen Lefze der Spina, der M. rhomb. min., sich zwischen den beiden Lefzen der Spina und der M. rhomb. maj. von der unteren Lefze bis zu dem unteren Scapularwinkel ansetzt. Zwischen dem M. trapez. und der Fase, supraspin. ist immer reichlich weitmaschiges Bindegewebe vorhanden, welches bei einigermaassen gut genährten Individuen stark fettig infiltrirt ist und durch Vorwölbung desM. trapez. mit dazu beiträgt, dass äusserlich der Uebergang von Nacken- und Scapulargegend ganz unmerklich geschieht. Die darunter gelegene Fascia supraspinata ist zwar dünn, aber sehr fest gefügt; sie schliesst den M. supraspin. dadurch in der Fossa supraspin. vollständig ein, dass sie sowohl mit der Spina scapulae, wie mit dem oberen Rande des Knochens bis zu der Incisur, nämlich da, wo der M. omohyoideus von der Scapula abgeht, fest verwachsen ist. Die Fascia infraspin., welche nur dem M. infraspin. und teres min., dagegen nicht den M. teres maj. einschliesst, zerfällt in eine grössere, nur von der Rückenfascie und

schichten,

492

Die Brust.

der Haut bedeckte, und in eine kleinere, von dem M. deltoid. überlagerte Abtheilung. Die erstere ist zwar dünn, aber gleichfalls dicht, wie die Fase, supraspin., und an dem medialen wie lateralen Rande des Knochens angeheftet mit Ausnahme jenes dreieckigen, an dem unteren Winkel vorhandenen Feldes, welches dem M. teres maj. zum 10

3

Flg. 90. 8capulargegend nach Entfernung des M. trapezius mit Bloslegung des Schultergelenks. 1 Spina scapulae mit Acromion. 2 Gelenkkopf des Humerus. 3 M. deltoides eingeschnitten und zurückgeschlagen. 4 M. suprasplnatus. 5 M. infraspinatus. 6 M. teres minor. 7 M. teres major.

8 9 10 11 12 13 14 15

Langer Kopf des M. triceps. M. latissimus dorsi. Lig. transversum scapulae. Art. transversa scapulae. N. s u p r a s c a p u l a r . Art. circumflexa humeri posterior. N. circumflexus. Art. clrcumflexa scapulae.

Ursprung dient. Auch mit dem medialen Viertheil der unteren Lefze der Spina scap. steht die Fascia infraspin. in Verbindung und ist hier so stark, dass sie Fascikeln des Deltamuskels zum Ursprung dient; der unter dem letzteren Muskel gelegene Theil der Fascie, welcher die Muskulatur bis zu ihrer Insertion an dem Oberarmknochen deckt, ist dagegen viel dünner, hat aber nicht den Charakter

Topographie der Brustwand.

Regio scapularis.

493

von formlosem Bindegewebe, sondern immer noch eine mehr membranöse Beschaffenheit. Die unter den beiden Fascien gelegenen drei Muskeln verlassen hinter dem Scapulohumeralgelenk die Gegend, und ihre Sehnen inseriren sich, nachdem sie noch in innige Verwachsung mit der Gelenkkapsel dieses Gelenkes getreten sind, an den drei Facetten des Tub. maj. des Oberarmknochens. Unter den Muskeln folgt nun der dünne Knochen (Fig. 87. 1) und unter diesem der die nach vorn gerichtete Fossa subscapul. ausfüllende M. subscapul. (Fig. 87. 5), welcher sowie der an den ganzen medialen Rand der Scapula sich inserirende M. serr. ant. maj. (Fig. 87. 6) bei der Reg. axillaris besprochen wurde. An der Versorgung der Scapulargegend mit arteriellem Blute Gefasse und betheiligen sich die Art. transversa scap., die circumflexa scap. und ^^apuiaria66' die transversa colli. Die Art. transv. scap. (Fig. 90. 11), in der Regel ein Zweig des Truncus thyreo-cervical. der Art. subclavia, verlauft längs der Clavicula, und zwar hinter derselben gelegen, bis zur Incis. scap., wo sie, nachdem sie einen kleinen Ast zu dem Acromion abgegeben, über dem diese Incisur überbrückenden Bande, dem Lig. transv. scap., weggeht, zahlreiche Zweige dem M. supraspin. gibt und unter der Wurzel des Acromions in die Fossa infraspinata tritt, um mit der Art. circumfl. scap. zu anastomosiren. Diese letztere (Fig. 90.15), ein Zweig der Art. subscapul. verlässt die Achselhöhle durch die mediale Abtheilung der Lücke zwischen M. teres maj. und min., während durch die laterale Abtheilung dieser durch den langen Tricepskopf getheilten Muskelspalte die Art. circumfl. hum. post. (Fig. 90. 13) tritt. Die Art. circumfl. scap. schlingt sich dann um den lateralen Rand des Schulterblattes herum und verbreitet sich in den M. teres min. und infraspin., um schliesslich mit der Art. transv. scap. zu anastomosiren. Die Art. transv. colli, der letzte normale Ast der Art. subclav., entspringt in der Regel hinter dem M. Scalen, ant., windet sich, durch die Wurzeln des Plex. brach, tretend, um den Hals und gelangt so in die Nähe des oberen und medialen Winkels der Scapula, wo sie sich theilt in einen aufsteigenden, zur Nackenmuskulatur gehenden Zweig und in einen absteigenden, der längs des medialen Randes des Schulterblattes zwischen der Insertion des M. serrat. ant. maj. einer- und den Ansätzen des M. levat. ang. scap. rhomboid. maj. und min. andrerseits verlauft und hauptsächlich in dem M. serrat. ant. maj. sich ausbreitet. An die Art. transv. scap. schliesst sich der N. suprascapul. (Fig. 90. 12), ein Zweig, welchen der Plex. brach, über dem Schlüssel-

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Die Brust.

bein nach rückwärts abgibt. Der Nerv geht aber constant unter dem Lig. transv. scap., welches demnach an der Incisur den Nerven von der Art. trennt, in die Fossa supraspin., wo er den M. supraspin. versieht und gelangt mit der Art. unter der Wurzel des Acromions in die Fossa infraspin., wo er, - den M. infraspin., nicht aber den M. teres min., innervirt, der seinen Nerven von dem N. axillaris oder circumflexus (Fig. 90. 14) erhält. Der M. teres maj. wird mit dem M. subacapul. von den Subscapularnerven versorgt. Regio spinalis s. interscapularis. Grenzen.

conßguration.

Die hintere Mediangegend der Brust, auch Rückgradgegend genannt, erstreckt sich von dem ersten bis letzten Brustwirbel, ist also auf den Brusttheil der Wirbelsäule beschränkt, der ziemlich genau zwei Fünftheile der ganzen Wirbelsäulenlänge, d. h. einer senkrechten Linie beträgt, welche von dem ersten Halswirbel bis zur Spitze des Steissbeins gezogen ist. Rechts und links sind es die Ang. costar., welche als die an den Knochen bestimmbaren lateralen Grenzen der beiden Rückenwülste die seitliche Begrenzung der Gegend bilden, Die äussere Configuration der Reg. spin. ist durch die hintere Medianfurche und die diese Furche seitlich umgebenden Rückenwülste charakterisirt. Die hintere Medianfurche, welche bei Frauen in der Regel tiefer ist, als bei Männern, kommt dadurch zu Stande, dass einmal die zu beiden Seiten der Dornfortsätze verlaufende Streckmuskulatur sich stärker erhebt, als die Spitze dieser Fortsätze, sowie auch dadurch, dass die Vertebralenden der Rippen bis zu dem Angulus stark nach rückwärts vorspringen. Nur bei muskelkräftigen oder fetten Menschen ist der Boden der hinteren Medianfurche ganz eben, während bei minder gut genährten Personen in der Medianfurche eine Reihe unter einander gelegener kleiner Hervorragungen sichtbar ist, deren Unterlage die Spitze der Dornfortsätze bildet. Ganz vollkommen gerade ist die die Dornfortsätze der Brustwirbel vereinigende Linie nur bei wenigen Individuen; gewöhnlich bildet von dem 4. bis zum 7. oder 8. Brustwirbel die die Dornfortsätze vereinigende Linie eine schwache Convexität nach der rechten Körperhälite, die aber selten vor dem 7. oder 8. Jahre bemerklich ist. Wenn die Spitzen der Dornfortsätze auch nicht immer zu sehen sind, so sind sie doch fast immer zu fühlen. Bei der Abzahlung derselben geht man am besten von der Vertebra prominens, d. h. von dem Dorn des 7. Halswirbels aus, welcher wegen seiner die Dornfortsätze der übrigen Halswirbel überragenden Prominenz immer leicht zu fühlen

Topographie der Brustwand.

Regio spinalis s. interscapularis.

495

ist. Von dem Dorn des ersten Brustwirbels unterscheidet sich für das Gefühl jener der Vertebra prominens dadurch, dass der letztere mehr den Eindruck eines rundlichen, während der erstere den eines länglichen Körpers macht. Da von dem 3. bis zu dem 8. Brustwirbel die Dornfortsätze in dem Verhältniss zu den Wirbelkörpern sich bedeutend senken, so entspricht die Spitze des Dornfortsatzes durchaus nicht der Höhe der betreffenden Wirbelkörper, So Hegt die Spitze des Dornfortsatzes des 4. Brustwirbels in gleicher Höhe mit der Bandscheibe zwischen 5. und 6. Wirbel, die Spitze des Dornfortsatzes des 7. Brustwirbels in gleicher Höhe mit der oberen Fläche des 9. Wirbelkörpers. Von dem 1. bis 3. und von dem 8. bis 12. Brustwirbel fällt die Dornspitze mit der Höhe des zunächst folgenden Wirbelkörpers zusammen. Was das topographische Verhältniss der Dornfortsätze der Brustwirbel zu dem Sternum betrifft, so liegt die Dornspitze des zweiten Brustwirbels mit der Incis. semilun. sterni und bei dem Mann die Dornspitze des 4., bei der Frau aber des 3. Brustwirbels mit der Verbindung von Manubr. und corp. sterni in der gleichen Horizontalebene. Eine durch das untere Ende des Corp. sterni gelegte Horizontalebene trifft nicht immer den gleichen Dornfortsatz, was theils von der individuell ungleichen Länge dieses Sternaltheils, theils von dem bei verschiedenen Personen je nach der Wölbung des Thorax verschiedenen Winkel abhängt, den das Sternum mit der verticalen Ebene bildet. Die Höhe der Brustwarze fällt bei ihrer ganz normalen Lage zusammen mit jener des Dorns des 6. Brustwirbels. Rücksichtlich der Haut, des Unterhautbindegewebes und der Fascia superfic. zeigt unsere Gegend nahezu die gleichen Verhältnisse wie die Scapulargegend. Von den beiden grossen platten Muskeln des Rückens beginnt der M. trapez. spitz an dem unteren Ende der Gegend, d. h. am Dornfortsatz des 12. Brustwirbels und verbreitert sich nach aufwärts immer mehr, so dass er an dem oberen Ende der Gegend seine grösste Breite erreicht. Das untere Viertheil dieses Muskels deckt den M. latiss. dorsi, insoweit derselbe von den Dornen der 4 oder 5 unteren Brustwirbel entspringt. Nach Hinwegnahme dieser beiden Muskeln treten in dem oberen Theile der Spinalgegend die zwischen den Dornfortsätzen der beiden unteren Haisund 4 oberen Brustwirbel einer- und dem medialen Rande der Scapula andererseits gelegenen Muse, rhomboidei, unter denselben der M. serrat. post. sup. in Sicht. Darunter sind die Ursprünge des M. splenius, welche sich von der Nackengegend bis zu dem Dorn des 6. Brustwirbels erstrecken und in dem unteren Theile der Gegend

schichten.

496

Die Brust.

der M. serrat. post. inf. gelegen. Die Hauptunterlage der beiden Fleischwülste, welche seitlich von der hinteren Medianfurche prominiren, bildet der aus verschiedenen Muskelcomponenten bestehende M. extensor dorsi communis, der die an dem Skelett bestehende Vertiefung zwischen Dornfortsatz und Angul. costae nicht nur ausfüllt, sondern überragt. Von demselben sind gänzlich abgesondert, aber vollständig verdeckt die von den Wirbelquerfortsätzen zu den Rippen tretenden M. levatores costarum. Gerasse un.i Die Arterien der Reg. spinal, sind die verhältnissmässig schwachen CT 8ptaa.ii8Reg R a m i dorsales der Intercostalarterien, welche, nachdem sie einen kleinen Zweig in den Rückenmarkscanal abgegeben, zu den Rückenmuskeln treten, dieselben versorgen und schliesslich zur Haut mit einem medialen in der Nähe der Dornfortsätze und einem lateralen Zweige in der Nähe des Ang. costae gelangen. Rücksichtlich der Venen der Rückengegend sei nur auf die anatomische Erfahrung hingewiesen, dass sich von den Hautvenen der hinteren Medianfurche die grossen in dem Rückenmarkscanal gelegenen venösen Plexus fühlen lassen, eine Thatsache, die als Beweis für die Wirksamkeit lokaler Blutentziehungen bei venösen Stauungen in dem Rückenmarkscanal angeführt werden kann. Die Hauptnerven der Reg. spin. sind die hinteren Aeste der Dorsalnerven, welche erst nach Abgabe dieser Aeste als N. intercostal, bezeichnet werden. Nur der M. trapez. und die M. rhomboid. erhalten ihre Nerven von anderer Seite; der erste steht unter dem Einfluss des N. access. Will., die letzteren werden von den hinteren Zweigen des Plex. brachial, innervirt, die unter dem Namen N. thorac. post. bekannt sind. Die hinteren Aeste der Dorsalnerven verhalten sich ganz ähnlich wie die Arterien, sie theilen sich in einen lateralen und einen medialen Zweig, welche, nachdem sie die Muskeln versehen haben, die M. trapez. und latiss. dorsi durchsetzen, um sich an der Haut terminal auszubreiten. Der ganze Brustkorb.

Allgemeines.

Trennt man an einer Leiche Clavicula und Scapula mit den sich von dem Rumpfe daran inserirenden Muskeln ab, so bleibt das knöcherne Skelett des Thorax zurück, dessen einzelne Knochen durch starke Bandmassen verbunden sind. Die Intercostalräume sind ausgefüllt durch die Intercostalmuskeln, und an dem Rücken findet sich in der Furche zwischen Dornfortsätzen und Rippenwinkel die mächtige Streckmuskulatur der Wirbelsäule. Der Brustkorb erscheint jetzt

Topographie der Bruatwand.

497

Der ganze Brustkorb.

unter der Gestalt eines oben schräg nach vorn und unten abgestumpften Kegels, dessen Basis annähernd einer Ellipse entspricht, mit einer längeren frontalen und einer kürzeren sagittalen Axe. Das Verhältniss beider Axen ist in dem oberen Drittheil wie 3 : 2, in den beiden unteren wie 4 : 3. Der Umfang des Brustkorbs ist am Eingang am kleinsten und umfang des wächst zuerst rasch, dann allmählich, um in der Höhe des unteren Brustkorbs -

Fig. 91. Thorax mit punktirter Linie für die Stellung des Zwerchfells in der Exspiration.

Endes des Brustbeinkörpers sein Maximum zu erreichen. Derselbe hängt ab: 1. von der Länge, dem Krümmungsgrad und der Neigung der Rippen, 2. von der Stärke der Krümmung des Brusttheiles der Wirbelsäule, 3. von der Grösse des Winkels, welchen eine das obere Ende des Brustbeins tangirende verticale Ebene mit diesem Knochen bildet. G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

32

498

Wände des Brustkorbs

Die Bruat.

Als Maass des Umfangs des Brustkorbes in verschiedenen Höhen dient am besten der frontale Durchmesser, d. h. der Abstand zwischen den von der Medianlinie entferntesten Punkten zweier gleich hohen Rippen. Derselbe beträgt nach L u s c h k a an dem normal gebauten Thorax des ausgewachsenen Mannes: Zwischen den beiden I. Rippen . . 11,0 cm » II. » . . . 16,5 » » III. » . . . 20,5 »' » IV. »> . . . 22,0 » » V. . . . 23,0 » » VI. » . . . 24,0 » » VII. » . . . 24,5 » » VIII. » . . . 25,5 » » » IX. » . . . 25,5 » » X . » . . . 25,0 » » XI. >» . . . 23,0 » => XII. » . . . 22,0 » Mit dem Thoraxumfang steht, wie wir früher sahen, der Brustumfang in directem Gegensatz, da der letztere von unten nach oben wächst. Die Verhältnisse dieses Gegensatzes lassen sich am besten durch Zahlen ausdrücken, welche angeben, wieviele Procente der Thoraxumfang in den drei Messhöhen des Brustumfangs beträgt. Obere Maassstelle (höchster erreichbarer Punkt der Achselgrube) 76 %. Mittlere Maassstelle (Höhe der Brustwarze) 88°/o. Untere Maassstelle (Verbind, des Corp. mit dem Proc. xiphoid. sterni) 91%. An dem Brustkorb unterscheidet man die vordere, hintere und die beiden Seitenwände, welche ohne scharfe Grenzen in einander übergehen; ferner die obere und untere Thoraxapertur. Die vordere Wand ist die kürzeste und in der Medianlinie nur durch den Handgriff und den Körper des Sternum, welche beide zusammen bei dem Manne durchschnittlich 16, bei der Frau 13 cm lang sind, repräsentirt. Lateral von dem Sternum wächst die Länge der vorderen Thoraxwand, da dieselbe ja nicht allein durch das Sternum, sondern auch durch die Knorpel der zehn oberen Rippen und die denselben zunächst gelegenen Knochentheile dieser Rippen gebildet wird. Dieselbe zeigt daher einen dreieckigen Ausschnitt, dessen oberer Winkel, in den der Proc. xiphoid. vorspringt, durch die Convergenz der Knorpel der 7. bis 10. Rippe bedingt wird.

Topographie der Brustwand.

Der ganze Brustkorb.

499

Von den vier Thoraxwänden ist die vordere am meisten abgeplattet, und zwar ist diese Abplattung um so grösser, je näher der Medianlinie die betreffende Stelle der vorderen Thoraxwand liegt. Die hintere Wand des Thorax wird von dem Dorsaltheil der Wirbelsäule und dem Vertebraltheil der Rippen bis zum Rippenwinkel gebildet und hat eine Länge von durchschnittlich 25 cm. In dieselbe fällt die zweite nach hinten convexe Krümmung der Wirbelsäule. Durch die nach der Thoraxhöhle stark vorspringenden Wirbelkörper wird in dem mittleren Theile der hinteren Wand der sagittale Durchmesser des Thorax bedeutend herabgesetzt, während dadurch, sowie durch den Verlauf der Rippen bis zu dem Angulus, der nicht nur lateralwärts, sondern auch nach hinten gerichtet ist, die hintere Wand sich seitlich von den Wirbelkörpern zu der sog. Lungenfurche vertieft. Die Seitenwände des Thorax sind in der Axillarlinie am längsten, durchschnittlich 30 cm; von da an nimmt die Länge der Seitenwand nach vorn mehr, nach hinten weniger ab. Aus dem Umstand, dass der Querschnitt des Thorax ein EUipsoid darstellt mit längstem frontalen Durchmesser, folgt nothwendig, dass die Seitenwände am meisten gekrümmt sind. Da die vordere und hintere Wand kürzer als die Seitenwände des Thorax sind, muss der längste Duchmesser des Thorax der schräge sein, der sich von dem Winkel der obersten Rippe der einen Seite bis zu der Spitze der 12. Rippe der anderen Seite erstreckt. Der grösste Abstand von je zwei gleich hohen Rippen, d. h. der frontale Durchmesser, wächst von der 1. bis zur 4. Rippe sehr rasch, von da bis zur 8., wo er sein Maximum erreicht allmählich und sinkt von hier bis zur 12. Rippe, an welcher derselbe wieder jenem der 4. Rippe gleich wird, wie sich dieses aus der oben mitgetheilten Tabelle von L u s c h k a ergibt. Die obere Thoraxapertur wird vorn von dem oberen Rande obere Thoraxa ertur des Manubr. sterni, seitlich von dem oberen medialen Rande des P 1. Rippenpaares und hinten von dem oberen Rande des Körpers des 1. Brustwirbels begrenzt. Da die hintere Grenze fast um zwei Wirbelhöhen höher liegt als die vordere, so ist die Ebene, in welcher die obere Thoraxapertur liegt, stark von hinten nach vorn geneigt. Die Gestalt derselben ist exquisit bohnenförmig mit einem frontalen Durchmesser von 11 und einem sagittalen von 5 cm. Die Ausdehnung und* Gestalt der oberen Thoraxapertur wird auch durch die intensivsten Athembewegungen wenig oder gar nicht verändert. 32*

500 Untere Thoraxapertur.

In- und Exsplr n, nS

des rhorex

Die Brust.

Die beträchtlich weitere untere Thoraxapertur steht vorn am höchsten, seitlich in der Axillarlinie am tiefsten und steigt hinten wieder etwas, erreicht aber hinten nicht den Höhestand, welchen sie vorn hat. Dieselbe liegt daher nicht wie die obere in einer, sondern in zwei schrägen Ebenen, von denen die vordere grösser, die hintere kleiner ist, und welche in der Höhe der Spitze der 12. Rippe in einen stumpfen, nach oben offenen Winkel zusammentreten. Die untere Thoraxapertur wird vorn von den Rändern des Proc. xiphoid., von dem Knorpel der 7. sowie von den Knorpeln der falschen Rippen, seitlich von dem unteren Rande der 11. und dem vordersten Ende der 12. Rippe und hinten von dem unteren Rande der 12. Rippe und des Körpers des 12. Brustwirbels begrenzt. Während die obere Thoraxapertur durch die Athembewegungen eine nennenswerthe Veränderung nicht erleidet, erweitert sich die untere bei der Inspiration und verengert sich während der Exspiration. Der in practischer Beziehung wichtigste Punkt der unteren Thoraxapertur ist die Grösse des Winkels, unter dem an dem Sternum beide Rippenbögen zusammenstossen, in welchen der Proc. xiphoid. vorspringt. Bei dem gut gebauten Manne beträgt dieser Winkel 60 bis 70°, kann aber unter pathologischen Verhältnissen bis auf 36u heruntergehen. Der Beweglichkeit, welche der Thorax besitzt, verdankt derselbe Möglichkeit der Drehung der Rippen um ihre bereits früher besprochene Axe, welche durch Muskelwirkung erzielt wird. Stets unverändert bleiben dabei die Wirbelsäule und nahebei auch die obere Thoraxapertur, verändert dagegen wird die Lage der Rippen und des Sternums, und durch diese Lageveränderung wird die untere Thoraxapertur beträchtlich erweitert, die Intercostalräume werden dagegen verengert. Drehen sich die Rippen um ihre Axe nach oben (Inspirationsstellung), so wird dadurch der Thorax sowohl in seiner frontalen, wie sagittalen Axe erweitert, während bei der Drehung nach abwärts (Exspirationsstellung) eine Verengerung des Thoraxraumes in den gleichen Axen eintritt. Diese Veränderungen des Thorax geben sich kund, einmal durch einen Wechsel des Thoraxumfangs und dann des Winkels, welchen das Sternum mit der verticalen Ebene bildet, wie folgende Zahlen beweisen, die an einem normalen Thorax eines 18 jährigen Mannes, dessen sorgfältig präparirte Bänder durch Behandlung mit W i e k er s h e im scher Flüssigkeit in dem Zustand natürlicher Nachgiebigkeit erhalten waren. Der Umfang dieses Thorax betrug:

Topographie der Brustwand.

501

Der ganze Brustkorb. In der Ruhe- ! laSe läge

Obere Messstelle, d.. h. Grenze von Handgriff und Körper des Sternupas . Mittlere Messstelle in der Höhe der Brustwarzen Untere Messstelle, d. h. unteres Ende des Körpers des Sternums

In der

extremen

InspirationsStellung

55 cm 68 cm

57 cm 72 cm

70 cm

74 cm

Der Winkel des Stcrnums mit der verticalen Ebene hatte in der Ruhelage eine Grösse von 23°, bei extremer Inspirationsstellung dagegen von 28°. Mit Ausnahme des Beckens macht sich in keinem Theile des Skeletts die Geschlechtsdifferenz so entschieden geltend, als an dem Thorax. Dieselbe lässt sich kurz in folgenden Punkten zusammenfassen: . 1. Der weibliche Thorax unterscheidet sich von dem männlichen durch grössere Rundung, welche sich nicht nur dadurch ausspricht, dass der Querschnitt desselben der Kreislinie näher steht, als der des männlichen, sondern auch dadurch, dass der Durchmesser dieses Kreises bei der Frau von oben nach unten in einem geringeren Maasse zunimmt, als bei dem Manne. 2. Mit der grösseren Rundung des weiblichen Thorax in nächster Beziehung steht die mehr verticale Stellung des Sternums in der Art, dass der Winkel, den dieser Knochen mit der Verticalebene bildet, bei der Frau kleiner ist, als bei dem Manne. Daher rückt der grösste sagittale Thoraxdurchmesser, welcher bei dem Manne in die Höhe des unteren Endes des Sternalkörpers fällt, bei der Frau weiter hinauf und erreicht schon in der Mitte des Corp. sterni sein Maximum. 3. Der weibliche Thorax ist relativ kürzer, als der männliche, wesshalb der Abstand zwischen dem unteren Ende des Sternalkörpers und dem oberen Rande der Schambeinfuge bei einem Manne und einer Frau von gleicher Körperlänge bei der letzteren grösser ist als bei dem ersteren. 4. Der durch die Convergenz beider Rippenbögen bedingte Winkel ist bei der Frau grösser als bei dem Manne; derselbe nähert sich bei der ersteren der Grösse des rechten Winkels und kann diese Grösse überschreiten.

Geschiecbtsdes

502

Die Brust.

5. Die Dornfortsätze der Brustwirbel prominiren bei der Frau minder stark, als bei dem Manne, womit die grössere Tiefe der hinteren Medianfurche der Frau in nächster Beziehung steht. 6. Die Geschlechtsdifferenz des Thorax tritt erst nach der zweiten Dentition sehr allmählig auf; vor dieser Periode zeigt der kindliche Thorax mehr den weiblichen Typus. individuelle Ausser der Geschlechtsdifferenz finden sich in der Gestalt des leitendes Thorax auch individuelle Verschiedenheiten, welche bis nahe an die Thorax. Grenze des Pathologischen streifen können, zum grössten Theile aber auf mechanische Einflüsse zurückzuführen sind, die sich in der Wachsthumsperiode des Thorax geltend machen. Dieselben sind begründet in der Befestigung der Rippen an ihren Endpunkten, woraus sich während der Entwicklung die verschiedensten Spannungsund Druckverhältnisse ergeben, welche in Verbindung mit den entgegentretenden "Widerständen die definitive Gestalt des Thorax Erwachsener auf das Vielfachste beeinflussen, und zwar in dem. Maasse, dass es kaum möglich sein dürfte, zwei Brustkörbe Erwachsener aufzufinden, deren Gestaltverhältnisse vollkommen die gleichen sind. Für das praktische Bedürfniss genügt es, die extremen Typen, welche man als schmalen und breiten Brustkorb bezeichnet, etwas näher zu charakterisiren. Was zunächst die Wirbelsäule betrifft, so ist bei dem schmalen Thorax die Krümmung ihres Brusttheils minder ausgesprochen, als bei dem breiten, und damit im Zusammenhang werden die Dornfortsätze von dem des zweiten Rückenwirbels an von den Rippenwinkeln überragt, während bei dem breiten Brustkorb die Dornfortsätze die Rippenwinkel überragen. Das Brustbein ist bei dem schmalen Thorax länger, als bei dem breiten, und zwar besonders der Handgriff in dem Verhältniss zu dem Körper. Auch wächst der Winkel, den das Brustbein mit der verticalen Ebene bildet, mit der Breite des Thorax. Die Rippenknorpel sind bei dem schmalen Brustkorb länger, als bei dem breiten, wesshalb bei ersterem die Enden der knöchernen Rippen von dem Brustbein weiter abstehen, als bei dem letzteren. Dagegen sind bei dem schmalen Thorax die vier oberen Rippen im Verhältniss zu den unteren länger und stärker geneigt, als bei dem breiten; auch ist der Sulcus pulmonalis bei ersterem tiefer, als bei letzterem. Die obere Brustapertur ist bei dem schmalen Brustkorb exquisit kartenherzförmig und stärker geneigt, während sie bei dem breiten mehr bohnenförmig und minder geneigt erscheint.

Topographie der Brustwand.

Das Zwerchfell.

503

Von den Durchmessern des Thorax ist der frontale bei dem schmalen stets kürzer und nimmt von oben nach unten verhältnissmässig mehr zu, als bei dem breiten. Der sagittale Durchmesser ist in allen Höhen bei dem breiten Thorax grösser, als bei dem schmalen, während der verticale Durchmesser sich umgekehrt verhält. Der Umfang des Brustkorbs ist bei dem breiten überhaupt, besonders aber in den oberen Theilen im Verhältniss zu dem mittleren und unteren grösser, als bei dem schmalen. D a s Zwerchfell.

Der Thorax umschliesst nicht allein die Brustorgane, sondern Allgemeines, auch einen Theil der Eingeweide des Unterleibs. Die Trennung zwischen Brust- und Bauchhöhle bildet, an der Grenze des oberen und mittleren Drittheils des Rumpfes gelegen, das Zwerchfell, welches eine vollständige Scheidewand zwischen Brust und Unterleib darstellt und nur wenige Oeffnungen enthält, durch welche der Nahrungsschlauch sowie Gefässe und Nerven aus einer in die andere Körperhöhle gelangen. Das Zwerchfell besteht aus drei Lagen: einer mittleren muskulös-sehnigen, deren muskulöser Bestandtheil einen Hauptfactor in der Mechanik der Respiration bildet, einer unteren seröseu, welche aus einem Theile des parietalen Blattes des Peritoneums besteht, das die untere Zwerchfellfläche mit Ausnahme einer kleinen, mit dem oberen stumpfen Leberrande unmittelbar verwachsenen Strecke überzieht, und aus einer oberen, zum grösseren Theile gleichfalls serösen, welche von der Pars diaphragmatica beider Pleuren gebildet wird, während der pleurafreie Theil der oberen Fläche auf das innigste mit dem fibrösen Blatte des Herzbeutels und erst vermittelst dieses mit der parietalen Lamelle der Herzserosa verbunden ist. Das Zwerchfell stellt eine gewölbeartige Kuppel dar, deren obere convexe Fläche die Basis des Brustraumes, und deren untere concave Fläche das Dach des Unterleibs bildet. Dasselbe besteht aus einem peripheren fleischigen und einem centralen sehnigen Theile. Der periphere Theil entspringt von dem ganzen Umfang des Muskulöser Thorax, von dem Sternum, den Rippen und der Wirbelsäule. Theiid-zwerci Der sternale Ursprung ist in zwei schwachen fleischigen Bündeln gegeben,-welche von dem Proc. xiphoid. kommen, sich aber nicht berühren, sondern einen mehr oder weniger breiten Raum zwischen sich lassen, durch welchen der fibröse Theil des Herzbeutels in unmittelbarer Verbindung mit dem subperitonealen Bindegewebe steht;

504

Die Brust.

auf diesem Wege können sich Entzündungen von der Brust nach dem Unterleib fortpflanzen. Seitlich entspringt das Zwerchfell auf jeder Seite mit 6 abgeplatteten Zacken von je einer der 6 unteren Rippen in der Art, dass die Zacke der 12. Rippe am tiefsten und am weitesten nach hinten, während die der 7. Rippe am weitesten nach vorn und höchsten steht. An der Bauchfläche des Zwerchfells interferiren diese Zacken mit jenen des M. transvers. abdom. Zwischen den einzelnen Ursprungszacken des Zwerchfells finden sich bisweilen kleine muskelfreie Stellen; constant sind diese letzteren zwischen der Zacke der 7. Rippe und der Sternalzacke. Die auf der linken Seite gewöhnlich grössere muskelfreie Stelle ist der Ort, an welchem die Punction des Herzbeutels in der Richtung von unten nach oben vorgenommen wird. Der Einstichspunkt befindet sich in der Spitze des Winkels zwischen Schwertfortsatz und dem Knorpel der linken 7. Rippe, Mit durchstossen wird hier in der Regel die unterste, von dem Schwertfortsatz kommende Zacke des M. triangular. sterni, während Pleura, Peritoneum und die Art. mammar. int. nicht verletzt werden. Der hintere Lendentheil des Zwerchfells nimmt seinen Ursprung von der Wirbelsäule und dem Räume zwischen derselben und der 12. Rippe. Von der Wirbelsäule kommen die sogenannten medialen Schenkel, welche sehnig von den Wirbelkörpern entspringen, aber bald fleischig werden. Der in der Regel stärkere rechte mediale Schenkel geht sehnig von dem 2., 3. und öfter auch von dem 4. Lendenwirbelkörper und den betreffenden intervertebralen Bandscheiben, der schwächere linke Schenkel von dem Körper des 2. und meist auch des 3. Lendenwirbels ab. Durch die C'onvergenz beider medialen Schenkel entsteht in der Höhe des 12. Brustwirbels der Hiatus aorticus, für den Durchgang der Aorta und des Ductus thoracicus bestimmt. Der fleischige Theil dieser Schenkel kreuzt sich, nm wieder auseinander zu gehen und sich unter Bildung einer zweiten Kreuzung wieder zu vereinigen. Damit ist das For. oesophageum gegeben, bestimmt für den Durchtritt der Speiseröhre mit den Vagusnerven, welcher in die Höhe des 9 Brustwirbels fällt, der vorderen Körperwand aber um mehrere Centimeter näher liegt, als der Hiatus aorticus. Die mittleren und lateralen mehr abgeplatteten Schenkel des sogenannten Lendentheils des Zwerchfells entspringen dünn und fleischig von zwei sehnigen Arkaden, von welchen die dem mittleren Schenkel als Ursprung dienende sich von dem Körper des 2. bis zu der Wurzel des Querfortsatzes des 1. Lendenwirbels,

Topographie der Brustwand

Das Zwerchfell.

505

und die längere, dem lateralen Schenkel als Ursprung dienende von Querfortsatz des 1. Lendenwirbels bis an den unteren Rand der letzten Rippe nahe ihrer knöchernen Spitze sich erstreckt. Unter der Arkade des mittleren Schenkels befindet sich der oberste Theil des M. psoas, unter jener des lateralen der Ursprung des M. quadrat. lumbor., der noch bedeckt ist von der Fascia transversa abdom., welche aber den Lendentheil des Zwerchfells nicht mehr überzieht, sondern mit einer leistenartigen Verdickung in der sehnigen Arkade des lateralen Schenkels ihr Ende erreicht. Zwischen medialem und mittlerem Schenkel geht der Nerv, splanchnicus maj. und auf der rechten Seite die Ven. azygos, auf der linken die Ven. hemiazygos durch, während zwischen dem mittleren und lateralen Schenkel nur der Grenzstrang des sympathischen Nerven aus der Brust in die Unterleibshöhle gelangt. Zwischen dem lateralen Schenkel des Lendentheils und der Pars costalis des Zwerchfells ist bisweilen eine grössere oder kleinere muskelfreie Stelle vorhanden, an welcher Pleura und Peritoneum nur durch das subseröse Bindegewebe geschieden sind. Das Centrum tendineum des Zwerchfells, in welches die von sehniger Theil vorn, seitlich und von hinten kommenden Fleischpartien übergehen, deaZwerchfens hat die entschiedenste Aehnlichkeit mit einem Kartenherz, und zwar ist die Spitze desselben nach vorn dem Proc. xiphoid. zugewandt, während die beiden stark verbreiterten und nach hinten abgerundeten Seitentheile in die beiden Körperhälften nach rückwärts sich erstrecken. Von diesen beiden Seitenhälften ist die rechte die grössere, und in ihr findet sich nahe an der Stelle, an welcher beide Seitentheile auseinandergehen, das For. quadrilaterum, durch welches die Vena cava infer. aus dem Bauchraum in die Brusthöhle, und zwar unmittelbar in den Vorhof des rechten Herzens eintritt. Da das Zwerchfell in seiner natürlichen Lage ein Gewölbe dar- Lage des stellt, so unterscheidet man an demselben einen aufsteigenden oder Zwerchfe118, verticalen und einen horizontalen Theil, wobei die Ausdrücke vertical und horizontal allerdings nicht in dem strengen Wortsinne zu nehmen sind. An dem Sagittalschnitt fällt der Unterschied zwischen dem verticalen und horizontalen Theile am meisten in die Augen (Fig. 93. 3). Der verticale Theil beginnt hier in der Höhe des 2. Lendenwirbels und steigt in geringer Entfernung von der Wirbelsäule bis zu dem oberen Rande des 12. Brustwirbels auf. Von da an entfernt er sich immer mehr von der Wirbelsäule und geht an dem oberen Rande des 10. Brustwirbels, wo er gegen 4 cm von der Wirbelsäule absteht, in den horizontalen Theil über, der zwar nach oben gewölbt, aber

506

Die Brust.

doch horizontal verlauft. Die höchste Höhe der Kuppel wird an dem Medianschnitt durch eine horizontale Ebene bezeichnet, welche vorn durch die Grenze von Körper und Schwertfortsatz des Brustbeins gelegt ist und hinten in den Intervertebralknorpel zwischen 8. und 9. Brustwirbel fällt. Auch an dem frontalen Durchschnitt tritt dieser Unterschied zwischen dem verticalen und horizontalen Theile des Zwerchfells auf. Ist der frontale Schnitt durch das vordere Ende der Knochen des 10. Rippenpaares gelegt, so beginnt der verticale Theil des Zwerchfells in der Höhe der 10. Rippe, der er hart anliegt, und erstreckt sich bis zur Höhe der 8. Rippe, von der er gegen 2 cm absteht, um in den horizontalen Theil überzugehen. Der Recessus phrenico-costalis der Pleura stellt um eine Rippe höher, als das Zwerchfell, d. h. der Umschlag der Pleura costal. in die Pleura diaphragmat. findet an dem durch die vorderen Knochenenden des 10. Rippenpaares gelegten Frontalschnitte erst an der 9. Rippe statt. Der Raum zwischen Zwerchfell und Thoraxwand von der 10. bis 9. Rippe eines solchen Schnittes ist durch laxes Bindegewebe ausgefüllt. Aus diesem Umstand in Verbindung mit der Thatsache, dass selbst bei der tiefsten Inspiration der Recess. phrenicocostal. niemals ganz von dem unteren Lungenrand ausgefüllt wird, ergibt sich, dass auf dem Wege der Percussion der Stand des Zwerchfells, wie er den realen anatomischen Verhältnissen entspricht, nicht ermittelt werden kann. Derjenige Theil des Zwerchfells, auf dessen Stellung die verschiedenen Phasen der Respiration nur einen ganz geringen Einfluss ausüben, ist diejenige Partie des Centr. tendin., mit welcher der fibröse Herzbeutel verwachsen ist. Derselbe fällt in der Medianlinie an die Grenze zwischen Körper und Schwertfortsatz des Brustbeins, erstreckt sich nach rechts 2 cm weit von dem Sternum bis zu dem oberen Rande der 5. Rippe und nach links in einer Entfernung von 4 cm von dem Sternum bis zu dem unteren Rande der 5. Rippe. Der durch die Respiration veränderliche Theil des Zwerchfells kann von dem anatomischen Standpunkte nur als sogenannte obere Zwerchfellgrenze bestimmt werden, worunter man den höchsten Punkt der Zwerchfellkuppel versteht. Dieser höchste Punkt, welcher ziemlich genau in die Mammillarlinie fällt und gegen 6 cm von der vorderen Brustwand absteht, liegt aber rechts constant höher, als links. In der Exspirationsstellung, welche der anatomischen Untersuchung allein zugänglich ist, fällt dieser Punkt rechts in die Höhe des unteren Randes der 4. Rippe und links in jene des oberen Randes

Topographie der Bruatwand.

Das Zwerchfell.

507

der 5. Rippe (Fig. 91). Bei Kindern bis zur Pubertätsentwicklung steht das Zwerchfell häufig etwas höher und bei Personen, welche das 50. Lebensjahr überschritten haben, nicht selten etwas tiefer, ohne dass dabei irgendwie pathologische Verhältnisse einwirken. Bei tiefster Inspiration senken sich die höchsten Punkte des Zwerchfells in beiden Körperhälften um 2 cm; wenigstens muss ich dieses nach Versuchen annehmen, welche bei nicht mehr todtenstarren Leichen mit normalen Lungen in der Art angestellt wurden, dass man die Lunge bis nahe an ihre Elasticitätsgrenze mit Luft von der Trachea aus füllte und dadurch künstlich die In- und Exspirationsstellung des Zwerchfells, welches der sich ausdehnenden Lunge mechanisch folgt, nachahmte. Die Zwerchfellstellung wurde dabei von der Unterleibshöhle, deren Eingeweide entfernt waren, beobachtet, während die Thoraxwandungen vollkommen intact gelassen wurden. Mit Rücksicht auf die Bedürfnisse bei Untersuchung der Brustorgane hat man ausser der erwähnten oberen noch eine sogenannte mittlere und untere Zwerchfellgrenze aufgestellt. Als untere Zwerchfellgrenze nahm man den durch die Percussion nachweisbaren Stand des unteren Lungenrandes während In- und Exspiration an. Da aber dieser, wie wir sahen, beträchtlich höher steht, wie die wirkliche untere Grenze des Zwerchfells, so ist von dem anatomischen Standpunkte aus die Bestimmung der unteren Zwerchfellgrenze durch die Percussion unzulässig. Die mittlere Zwerchfellgrenze wurde an jene Stelle gelegt, an welcher der verticale Zwerchfelltheil in den horizontalen übergeht. Wie die Verhältnisse sich hier an der Leiche also in der Exspirationsstellung gestalten, wurde bereits oben auseinander gesetzt; an dem Lebenden dürfte diese Stelle und ihr Lagerungswechsel bei In- und Exspiration kaum mit genügender Sicherheit durch die Percussion festzustellen sein. Das Zwerchfell kann auch zerreissen, und zwar einmal in Folge Rupturen, einer äusserst heftigen, meist krankhaften Contraction, und dann Mundendes durch einen sehr starken, plötzlich einwirkenden Druck auf die Brust, Zwerchfells, oder durch einen Fall von einem sehr hohen Punkte. Die Zerreissung geschieht gewöhnlich in der linken Körperhälfte und erfolgt nach 'Malgaigne in dem Sehnentheil, wenn die Veranlassung durch Ueberanstrengung, dagegen in dem muskulösen Theil, wenn sie durch äussere Einflüsse in dem Ruhezustande des Zwerchfells gegeben ist. Bei einer Ruptur des Diaphragma treten Unterleibsorgane, wie Magen, Colon transversum in die Brusthöhle, dagegen gelangen

508

Die Brust.

die Lungen in Folge ihrer Elasticität nicht in die Unterleibshöhle. Von den Rupturen des Zwerchfells sind zu unterscheiden die Zwerchfellshernien, bei welchen zwar auch Unterleibsorgane iu die Brusthöhle eintreten, aber ohne dass dabei eine Zusammenhangstrennung des Peritoneums vorhanden ist. Dieselben kommen fast nur in der linken Körperhälfte vor, da die rechte durch die Leber geschützt ist, und die Bruchpforten finden sich an jenen Stellen des Zwerchfells, an welchen der muskulöse Verschluss ein mangelhafter ist. Derartige muskelfreie Stellen kommen öfter vor zwischen dem lumbalen und costalen Ursprung des Zwerchfells, sowie zwischen dem mittleren und lateralen Schenkel des Lumbaltheiles. Auch die Erweiterung des Foram. oesophag. kann Veranlassung zu einer Zwerchfellshernie werden. Die sehr seltenen Wunden des Zwerchfells, die nothwendig entweder penetrirende Brust- oder Bauchwunden sein müssen, sind äusserst gefährlich. Dagegen bahnen sich bisweilen Leberabscesse oder auch Cysten durch Druck mit consecutiver Verschwärung einen Weg durch das Zwerchfell in die Pleurahöhle und können sich bei pleuritischen Verwachsungen sogar in die Bronchien öffnen und auf diese AVeise nach aussen gelangen. Gefcsse und Die Arterien des Zwerchfells kommen theils von oben, theils Nerven des Zwerchfells, von unten. Die oberen sind Endverästelungen jenes Zweiges der Art. mammar. int., welcher als Art. musculo-phrenica bekannt ist; die unteren sind in den Art. diaphragmat., den ersten paarigen Aesten der Aorta abdoniin., gegeben. Mit den Arterien verlaufen die gleichnamigen Venen, von welchen die oberen in die Ven. mammar. int., die unteren in die Ven. cav. inf. eintreten. Die zahlreichen Lymphgefässe stehen vorn mit den Drüsen des vorderen, hinten mit jenen des hinteren Mediastinums in Verbindung. Der Nerv des Zwerchfells ist der von dem Plexus cervical. abgehende Nerv, phrenicus.

Der Brustraum. Der Brustraum, dessen Capacität bei einem Manne mittlerer Grösse unter normalen Verhältnissen in der Exspirationsstellung durchschnittlich 6950 ccm beträgt und der demnach fast 7 Liter Wasser zu fassen vermag, wird durch die Verlaufsverhältnisse beider Pleuren in zwei seitliche und eine mittlere Abtheilung geschieden, von welchen die letztere beiläufig den fünften Theil der beiden seitlichen einnimmt. Die lateralen Brusträume, auch Pleuraräume

Der Brustraum.

Die Pleuraräume.

509

genannt, sind bei der In- und Exspiration einem beträchtlichen Volumenswechsel unterworfen, während die mediale Abtheilung, der Mediastinalraum, in den verschiedenen Phasen der Respiration keine nennen swerthe Volumensänderung erleidet. Die

Pleuraräume.

Jeder der beiden Pleuraräume ist zunächst von dem Parietalblatt der betreffenden Pleura ausgekleidet, welches an der Lungenwurzel in das die Lungen überziehende Visceralblatt übergeht. An jeder Pleura parietalis kann man topographisch drei Abtheilungen unterscheiden, eine laterale, die Pleura costalis, eine untere, die Pleura phrenica, und eine mediale, die Pleura mediastinica. Diese Abteilungen gehen natürlich ununterbrochen und zum Theil ohne scharf bestimmbare Grenzen in einander über. Die Pleura costal. überzieht die Seitentheile der Wirbelkörper, springt von da auf die Rippen und Intercostalräume über, wobei sie so fest gespannt ist, dass die Mündungen der Intercostalvenen in die Ven. azygos stets offen erhalten werden, und gelangt vorn an das Stern um, unten an das Zwerchfell, verhält sich jedoch in beiden Körperhälften nicht ganz gleich. In den Seitentheilen der oberen Thoraxapertur vereinigt sich die PI. costal. mit der PI. mediast. zu der kegelförmig gestalteten Pleurakuppel Apex, pleurae. Diese Pleurakuppel liegt hinten in der Höhe des oberen Randes des 1. Brustwirbels und fällt nach vorn gegen den oberen Rand der 1. Rippe ab, so dass die Pleura vorn den oberen Rand der 1. Rippe um 1,5 cm überragt (Fig. 92). Die Differenzen bei der PI. costal. beginnen bereits an den Wirbelkörpern. Auf der rechten Seite erstreckt sich die PI. cost. fast bis zur Mitte der Wirbelkörper, auf der linken dagegen wird sie durch die Aorta thoracica von den Wirbelkörpern abgedrängt und überzieht nur die hintere Hälfte der lateralen Fläche dieser Knochenstücke. Vorn überschreitet die rechte PI. costal. in dem Bereiche des Sternalkörpers, d. h. von dem unteren Rande der 2. bis zu dem unteren Rande der 6. Rippe, die Medianlinie um den vierten Theil der Breite des Sternums, nach aufwärts unter dem Manubrium st., zieht sie sich aber von der Medianebene in einer Linie zurück, welche sich von der Mitte des oberen Randes des Sternalkörpers zu der Mitte der rechten Incis. clavicular. sterni erstreckt. Auf der linken Seite tritt die Costalpleura an den Rand des Gorp. sterni nur in dem Bereiche der 3. und 4. Rippe heran, während sie in der Höhe der 5. Rippe schon 3 cm und in jener der 6. Rippe

Pleura costalis.

510

Die Brust.

4 cm von dem Sternalrande absteht. An der Grenze von Manubrium und Corp. sterni entfernt sich auch die linke Costalpleura von dem Sternum in einer Linie, welche von dem linken Sternalrande nach dem lateralen Rande der linken Incis. clavicul. sterni gezogen wird. Unten überschreitet bis zu der Mammillarlinie die PI. cost. wenig oder gar nicht den unteren Rand der 6. Rippe, senkt sich aber in der Axillarlinie rechts bis zu dem unteren Rande der 9. und links bis zu dem unteren Rande der 10. Rippe, um in der Scapularlinie rechts den letzten Intercostalraum und links den oberen Rand der 12. Rippe zu erreichen. Pleura phrenica Die allein auf die obere Zwerchfellfläche beschränkte Pleura phrenica nimmt auf der rechten Seite aus dem Grunde einen grösseren Raum ein, weil die von dem Pericardium überzogene Partie des Zwerchfells ihrem weitaus grösseren Theile nach der linken Körperhälfte angehört. Desshalb ist auch auf der linken Seite der zwischen Rippenbogen und Schwertfortsatz gelegene Zwerchfelltheil vollkommen pleurafrei, was auf der rechten Seite nicht ganz der Fall ist, wesshalb auch nur auf der linken Seite die Paracenthese des . „, Herzbeutels ohne Gefahr einer Thorax mit Pleura von der Seite. Nach L u s c h k a . Pleuraverletzung gemacht werden kann. Die PI. phrenica überzieht sowohl den horizontalen, wie den verticalen Theil der oberen Zwerchfellfläche, letzteren jedoch nicht ganz, da, wie schon bei der Betrachtung des Zwerchfells bemerkt wurde, die Pleura nicht bis zu dem Ursprung der Muskulatur herabreicht, sondern der Uebergang der PI. costal. in die PI. phrenica erst gegen 2—3 cm über dem Ansatz der Pars muscul. des Zwerchfells an der Thoraxwand vor sich geht. Zwischen der PI. costal und jenem Abschnitt der PI. phrenica, welcher den vertikalen Zwerchfell theil überzieht, bleibt ein nach abwärts sich zuspitzender und an der Umschlagstelle der Pleura blind endigender Raum, dessen Tiefe in der Inspirations-

Der Brustraum.

Die Pleuraräume.

511

Stellung wegen Abflachung des Zwerchfells etwas geringer ist, als während der Exspiration, aber von vorn nach hinten bis zur Scapula stetig zunimmt. Dieser Raum ist der Sinus oder Recessus p h r e n i c o costalis (Fig 93. 4 und Fig. 96. 6), der demnach in der Axillarlinie tiefer als in der Mammillarlinie, und in der Scapularlinie tiefer als in' der Axillarlinie ist. Derselbe wird von dem unteren Rande und

1 Herz. 2 Linke Lunge.

von 3 4 7

der Basis des linken Schulterblatts. Zwerchfell. 5 Schulterblatt. Recessus phrenlco-costalis. 6 Ven. anonyma sinistra. Art. subclavia sinistra.

von den demselben zunächst gelegenen Theilen der Lunge eingenommen, aber davon nicht ganz ausgefüllt. Während der Inspiration senkt sich die Lunge tiefer in den Recess. phren. costal. herab, füllt ihn aber auch hier nicht ganz aus, sondern es bleibt auch in diesem Falle ein der Tiefe des Recess. entsprechender Raum lungenfrei, in welchem PI. costal. und phren. aneinander liegen, oder eigentlich nur durch ein Minimum seröser Flüssigkeit von

512

Pleura niGdi&stiDiCft

Die Brust.

einander geschieden sind. Dieses anatomische Verhältniss macht die Thatsache verständlich, dass eine den Thorax in seinen unteren Theilen treffende Stichwunde, welche durch das Zwerchfell auch Baucheingeweide betheiligen kann, die Pleurahöhle durchsetzt, ohne dass damit nothwendig eine Verletzung der Lunge gegeben ist. Bedeutsam für alle diese Wunden ist allerdings die Stellung des Zwerchfells. Die Lunge wird nämlich während der Inspiration wegen ihres tieferen Standes eher getroffen werden, als während der Exspiration, allein da auch während der Inspiration der Recess. phrenico-costal. von der Lunge nicht ganz ausgefüllt wird, bleibt die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass auch durch eine während der Inspiration beigebrachte penetrirende Brustwunde die Pleurahöhle verletzt sein kann, ohne dass die Lunge getroffen ist. Die Pleura mediastinica durchsetzt von dem Sternum bis zu den. Wirbelkörpern den Thorax. Die Mediastinalblätter beider Pleurasäcke gehen jedoch aus einander und lassen zwischen sich den Mediastinalraum frei, dessen Betrachtung nothwendig zusammenfällt mit der Verlaufsweise jenes Theils der Pleura parietalis, welche als PI. mediast. bezeichnet wurde. Rücksichtlich der letzteren sei liier nur auf zwei Punkte aufmerksam gemacht, welche in näherer Beziehung zu den Pleuraräumen stehen. Die PI. costal. schlägt sich an den bereits angegebenen Stellen des Sternalkörpers, bis zu welchen sie vorgeht, zur PI. mediast. um. Diese letztere überzieht zunächst die äussere Fläche des fibrösen • Pericardiums und muss desshalb stark nach der betreffenden Seite zurückweichen, um den umfangreichen Herzbeutel aufnehmen zu können. Dadurch entsteht zwischen PI. cost. und mediast. ein ähnlicher Raum, wie der Recess. phrenico-costal., welcher den Namen R e c e s s u s s t e r n o c o s t a l . führt (Fig. 94. 20). Der tiefere Recess. sternocost. der rechten Seite erreicht schon in dem Bereiche des Ansatzes der G. Rippe die Medianlinie, überschreitet dieselbe etwas in der Höhe des Ansatzes der 5., 4. und 3. Rippe, von wo an er sich abflacht und an dem Manubrium verschwindet. Der linke Recess. sternocost. erreicht mit seiner Spitze den linken Sternalrand nur in der Höhe des Ansatzes der 3. und 4. Rippe. Ueber der 3. Rippe verflacht er sich und erreicht wie der rechte in der Höhe des Manubr. sein Ende. Unter der 4. Rippe zieht sich der linke Recess. sternocost. mehr oder weniger weit von dem Sternalrand zurück und steht in der Höhe des Ansatzes der 6. Rippe in der Regel schon 4 cm von demselben ab: Das untere Ende des Recess. sternocost. geht auf beiden

Der Brustraum.

513

Die Pleuraräume

Seiten continuirlich in den Recess. phren.-cost. über, der jedoch an der Uebergangsstelle eine noch ganz geringe Tiefe besitzt. Im Gegensatz zu den Recess. phren.-cost. werden die Recess. sterno-cost. bei tiefster Inspiration von dem vorderen scharfen Rande beider Lungen vollständig ausgefüllt, und es liegen daher während der Inspiration die vorderen Ränder beider Lungen in der Höbe des Ansatzes der 3. und 4. Rippe sehr nahe aneinander und sind nur durch die Mediastinalblätter beider Pleuren geschieden. 15

2 Fig. 94.

20

Durchschnitt durch den Thorax in der Höhe des 5. Brustwirbels. 1 2 3 4 5 6 7

Wirbel. Steraum. Scapula. Rechte Lunge. Linke Lunge. Rechtes Herzohr. Linkes Herzohr.

8 9 10 11

Ven. cava super. Aorta ascendens. Art. pulmonalis. Lungenwurzel mit Bronchialdrüsen. 12 Aorta thoracica. 13 Oesophagus.

14 15 16 17 18 19 20

Nach L u s c h k a .

Vena azygos. Ductus tlioracicus. Rechter N vagus. Linker N. vagus. N. phrenicus. N. sympathlcus. Recessus s t e r n o c o s t a l .

Die PI. mediast. zeigt zwischen dem 4. und 6. Brustwirbel eine der Wirbelsäule beträchtlich näher als dem Sternum gelegene scheinbare Lücke, welche aber nichts anderes ist, als der an der Lungenwurzel stattfindende Uebergang des parietalen Blattes der Pleura zu dem visceralen, der sich in dem Bereiche der PI. mediast. vollzieht. Es stülpt sich nämlich die letztere in die Pleurahöhle ein und um gibt dadurch sowohl die an dem Hilus mit der Lunge in Verbindung stehenden Gebilde, wie auch die Lunge selbst mit dem serösen Ueberzug der Pleura visceralis. Nach abwärts verlängert sich dieser Uebertritt der PI. pariet. zur visceral, in Gestalt einer G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

33

514

Die Brust.

Falte, welche erst in der Nähe des Zwerchfells mit einem halbmondförmigen nach oben concaven Rande aufhört und den Namen Lig. pulmon. führt. Der Mediastinalraum. Allgemeines.

vorderer räum.

Der mittlere Brustraum oder Mediastinalraum wird nach einem alten anatomischen Brauche in einen vorderen und hinteren geschieden. Wenn damit gesagt sein soll, dass vorderer und hinterer Mediastinalraum zwei von einander getrennte Räumlichkeiten darstellen, so ist eine solche Trennung unstatthaft; denn beide bilden nur e i n e Räumlichkeit, und gewisse Gefässe, wie Aorta und Ven. azygos, gehen aus einem in den andern Raum über, ohne irgend ein Septum zu durchbrechen, Dagegen hat diese Eintheilung topographisch gewisse Vortheile, indem der Mediastinalraum sowohl rücksichtlich seiner Höhe, wie seiner Weite sich vorn wesentlich anders verhält, als hinten. Als Anhaltspunkte für die Trennung des vorderen von dem hinteren Mediastinalraum kann man oben das untere Ende der Trachea und die Lungenwurzeln, welche noch in den Bereich des hinteren Mediastinums fallen, unten die hintere Fläche des Herzbeutels, der dem vorderen Mediastinalraum angehört, betrachten. Der Mediastinalraum hat unten eine scharfe Begrenzung, der vordere in der Pars tendinea, der hintere in der Pars lumb. des Zwerchfells, oben dagegen fehlt ihm eine denselben von dem Halse abschliessende Wand. Der obere Eingang in den Mediastinalraum wird jedoch durch den M. long, colli, durch die beiden Eingeweideröhren, Oesophagus und Trachea); durch die in den Brustraum ausund eintretenden Gefässe und Nerven, sowie durch das Lig. interclavicul. und bei Kindern durch die obere Partie der Thymus vollständig ausgefüllt. Der vordere Mediastinalraum hat eine Höhe, welche sich von dem oberen Sternalrande bis zu der Wurzel des Schwertfortsatzes erstreckt. Derselbe zerfällt in einen oberen kleineren für Gefässe und Thymus bestimmten Tlieil, welcher sich hinter dem Manubr. sterni befindet und in einen unteren grösseren Theil, welcher den Herzbeutel aufnimmt, und der unter dem Sternalkörper und unter einem Theile der mit diesem Knochenstück verbundenen Rippenknorpel liegt. (Fig. 96.) An dem frontalen Durchschnitt hat der vordere Mediastinalraum eine gewisse Aehnlichkeit mit der Gestalt eines lateinischen X , jedoch mit der Modification, dass die beiden oberen Schenkel des X kürzer sind als die beiden unteren, und dass

Der Brustraum.

515

Der Mediastinalraum.

von den letzteren der linke länger und stärker lateralwärts gebogen ist, somit von der Medianlinie mehr abweicht, als der rechte. An dem Skelett ist die Grenze zwischen dem oberen und unteren Theile, also die engste Stelle des vorderen Mediastinalraums an dem unteren Rande der zweiten Rippe gegeben. Die laterale Begrenzung des oberen Theiles folgt unmittelbar unter dem Sternum rechts einer Linie, welche von der Mitte des oberen Randes des Sternalkörpers, und links einer Linie, welche von dem lateralen Rande des Sternums in der Höhe des oberen Endes des Sternalkörpers nach dem Sternoclaviculargelenk gerichtet ist. Mit der Entfernung von dem Sternum nach rückwärts weichen beide Linien mehr lateralwärts ab. Der untere Theil des vorderen Mediastinalraums ist unmittelbar unter dem Corpus sterni in der Höhe des Ansatzes der 3. und 4. Rippe auf eine schmale Spalte reduzirt, welche nicht ganz die linke Hälfte des betreffenden Sternaltheiles einnimmt. Nach unten erweitert sich diese Spalte, jedoch nicht sowohl durch Divergenz des rechten Mediastinalblattes, welches an dem unteren Rande des Sternalkörpers der Medianlinie noch ziemlich nahe liegt, als hauptsächlich des linken, welches in der Höhe des Ansatzes der 5. Rippe schon 1 cm, und der 6. Rippe bereits gegen 3 cm von dem Sternalrande absteht. Da die PI. mediast. von dem Sternum auf den Herzbeutel übergeht und dessen fibrösen Theil, sowie die darauf gelagerten Nerven und Gefässe (Nerv, phren. und Art. pericardiaco-phrenica) überzieht, so entfernt sich dieser Theil der Mediastinalplatte rechts gegen 2 cm und noch mehr links gegen 5 cm von dem Sternalrand, um sich hinten an der Grenze zwischen vorderem und hinterem Mediastinum der Medianebene wieder beträchtlich zu nähern. Das hintere Mediastinum hat eine geringere Breite, dagegen eine viel beträchtlichere Höhe, als das vordere. Die letztere. ist äusserlich durch die Entfernung des Dornfortsatzes des 7. Halswirbels von jenem des 11. Brustwirbels angedeutet. Auch das hintere Mediastinum kann man in eine obere und untere Abtheilung trennen, welche durch den unteren Rand der Lungenwurzel, der in die Höhe des Intervertebralknorpels zwischen 6. und 7. Brustwirbel fällt, geschieden werden (Fig. 98). Die obere Abtheilung ist die geräumigere und erweitert sich etwas von oben nach unten, so dass in der Höhe der Lungenwurzel die Ausdehnung des hinteren Mediastinums am grössten ist. Unterhalb der Lungenwurzel wird das hintere Mediastinum alsbald beträchtlich enger und behält bis zu dem Zwerchfell ziemlich die gleiche Ausdehnung. Der Zusammenhang, in 33*

Hinterer Media3tlna1 ' räum.

516

Die Brust.

welchem der hintere Mediastinalraum oben mit dem weitmaschigen fettlosen Bindegewebe steht, das den Halstheil der Speiseröhre an die Wirbelsäule heftet, erklärt die nicht seltene Senkung retropharyngealer Abscesse in den hinteren Mittelfellraum. Lage der Lungen.

Die Lungen füllen die Pleuraräume nahebei vollständig aus. Während der tiefen Inspiration ist dieses in dem Maasse der Fall, dass nur ein kleiner Theil des Recess. phren.-costal., der auch an der tiefsten Stelle 2 cm nicht überschreitet, lungenfrei bleibt. Mit der vollendeten Exspiration wird der lungenfreie Theil des Recess. phren.-sternocost. grösser, und auch ein kleiner Theil des Recess. sternocost. birgt dann keine Lunge. Die Oberfläche der Lunge liegt der Innenwand der Pleura parietal, hart an, und zwischen beiden befindet sich nur eine minimale Schichte serösen Fluidums, welche die Verschiebung der Lungenoberfläche au der Innenwand der PI. pariet., die während der verschiedenen Respirationsphasen eine continuirliche ist, erleichtert. Ist ein Theil der beiden Recess. der Pleura während der Exspiration lungenfrei, so legen sich, wie bereits erwähnt, die beiden der Parietalplatte angehörigen Lamellen dieser Recess. gleichfalls hart an einander an, um, wenn sie sich von einander trennen, sogleich Lungenrand aufzunehmen. Sieht man daher von der minimalen Quantität des in den Pleurahöhlen vorhandenen serösen Fluidums, durch welches die freie Fläche der PI. pariet. und visceral, stets feucht erhalten wird, ab, so sind die Pleuraräume immer sowohl während der In- wie Exspiration von der Lunge ganz ausgefüllt. Lungenspitze, Die äusseren Gestaltverhältnisse der Lungen als bekannt voraus•uura cardiaca se tzend, sei hier nur auf einige Punkte hingewiesen, welche für die der linken Kenntniss der Lage der Lungen von Bedeutung sind. Dahin gehört Lunge. einmal die Lungenspitze, worunter man in der topographischen Anatomie nicht allein den höchstgelegenen Punkt, sondern jenen Theil der Lunge versteht, welcher unten und hinten durch das obere Ende des grossen Lüngeneinschnitts, unten und vorn durch den Anfang des vorderen scharfen Lungenrandes begrenzt ist. Ferner ist das ungleiche Verhalten der Concavität der medialen Fläche beider Lungen zu berücksichtigen, welche die sogenannte Herznische bilden. Diese Concavität ist in der rechten Lunge bedeutend weniger vertieft, als in der linken, wo sie desshalb auch den Namen »Fossa cardiaca« führt (Fig. 93). Damit in Beziehung steht die Thatsache, dass der überwiegend grössere Theil des Herzens in die linke Körperhälfte Allgemeines.

Der Brustraurn.

Lage der Lungen.

517

zu liegen kommt. Eine wesentliche Verschiedenheit zeigen weiter beide Lungen an ihrem vorderen scharfen Rande. Während dieser bei der rechten Lunge, in den Bereich des oberen und mittleren Lappens fallend, in ziemlich gerader Linie zu dem unteren Rande herablauft, beginnt bereits in der Mitte des vorderen Randes der linken Lunge, welcher hier noch ganz dem oberen Lappen angehört, ein concaver, oft mehrfach eingekerbter Ausschnitt, die Incisura cardiaca. Durch diesen Ausschnitt entfernt sich der vordere Rand der linken Lunge in dem Bereiche des 4. Intercostalraums beträchtlich von dem linken Sternalrand, um demselben in dem 5. Intercostalraum vermittelst des zungenähnlichen Vorsprungs an dem unteren Ende der Incis. cardiaca, d. h. an dem Uebergang des vorderen Lungenrandes in den unteren wieder etwas näher zu treten. Die grössere Concavität der medialen Fläche der linken Lunge, sowie die Existenz der Incis. card. sind die Ursachen, dass das Volumen der linken Lunge und somit auch die Capacität des linken Pleuraraumes um den zehnten bis zwölften Theil geringer ist, als das der rechten, obgleich der Höhendurchmesser der linken Lunge den der rechten etwas übertrifft, da, wie wir sahen, das Zwerchfell in der linken Körperhälfte etwas tiefer steht als in der rechten. Die Lungenlage ist keine copstante, sondern ändert sich mit Theiie der Lun£6D welche bei

der In- und Exspiration. Gewisse Theiie der Lunge zeigen aber in IN- UND EXdiesen beiden Phasen der Respiration nur eine sehr geringe LageVeränderung. Dahin bgehören die Lungenspitze und namentlich die rung Lageverandeb ® ' erleiden. Lungenwurzel. Wie der Apex pleurae, so überschreitet auch das obere Ende l®^ d e t Lun " der Lungenspitze die obere Thoraxapertur, aber nur vorn und etwas seitlich (Fig. 92), während der hintere Theil der Lungenspitze an die hintere weiter hinaufragende Thoraxwand immer angelagert bleibt. Die grösste Erhebung findet sich in der Mitte des oberen Randes der 1. Rippe, wo die Lunge diesen Abstand um 1,5 cm überragt. Durch Vermittlung des Apex pleurae steht der über der 1. Rippe gelegene Abschnitt der Lungenspitze in lokaler Beziehung mit der Art. subclav., welche durch ihre Lage auf demselben die Ursache des Sulc. subclav. der Lungenspitze wird; ferner gehen darüber hinweg die Ursprungsstücke der Art. mammar. int. und vertebral., und lateral gedeckt ist dieser supracostale Lungentheil durch den Ansatz des M. scalen. ant. und den medialen Theil der Nerven des Plex. brachialis. Der unteren Grenze der Lungenspitze entspricht vorn an dem Thorax der obere Rand der 2. Rippe.

518

Die Brust.

Lagea.LungenWas die Lage der Lungenwurzel betrifft, so fällt der obere wurzei. R a n c i derselben zusammen mit der Theilungsstelle der Luftröhre, die wir topographisch scharf durch eine Linie bestimmen können, welche die Abgangsstellen der beiden Spinae scapul. von der Basis des Schulterblattes bei gerader Stellung und angezogenen Armen verbindet. Diese Linie fällt hinten in die Höhe der 4. Rippe. Zwei Rippen tiefer bis zu dem unteren Rande der 6. Rippe erstreckt sich die Wurzel der Lunge nach unten, an welcher eintreten am meisten nach oben die Art. pulmon., etwas tiefer und hinter der Art. pulm. der Bronchus, begleitet von den Nerven und der Art. bronch. und austreten am meisten nach abwärts die Ven. pulmon. Theue d. Lunge, Von den durch In- und Exspiration in ihrer Lage yeränderiif-"^und^Exepi^ liehen Theilen der Lunge kommen nur in Betracht: ration etneLage1. der vordere Lungenrand, Tem°eideng

"

2. der untere Lungenrand, oder die Basis der Lunge. Der Grund, weshalb nur die Lageveränderung dieser beiden Lungentbeile zu berücksichtigen ist, liegt in der Art und Weise, in welcher der Wechsel der Lungenlage in beiden Respirationsphasen vor sich geht. Derselbe ist nämlich nichts anderes als eine Verschiebung der Lungen in zwei Richtungen, einmal von hinten nach vorn, und dann von oben nach unten. Es verändert daher, wenn auch in sehr geringem Maasse, stetig während des Athmens jeder Punkt der Lungenoberfläche seine Lage zur Thoraxwand, am wenigsten diejenigen Stellen, welche der Lungenwurzel und der Lungenspitze zunächst, am meisten diejenigen, welche davon am entferntesten liegen, d. h. der vordere und untere Lungenrand. Eine durch die Percussion nachweisbare Veränderung der Lungenlage zu dem Thorax, insoweit unter Stellen des letzteren während der Inspiration Lungensubstanz tritt, welche während der Exspiration frei davon sind, ist daher nur an den Endpunkten der Richtungsebenen, in welchen die Verschiebung stattfindet, vorhanden. Diese Endpunkte sind aber der vordere und der untere Lungenrand.

Wir wollen zuerst die Lage der Lungen bei tiefster In- und Exspiration und dann bei der gewöhnlichen ruhigen Athmung betrachten. Lage des vorIn der extremen Exspirationsstellung erreicht der vordere Rand deren und un- ¿ e r r e chten Lunge von dem unteren Rande der 2. Rippe bis zu dem teren Lungenrandes in der 5. Intercostalraum den Rand des Sternums, der vordere Rand der Exspirationsli n k e n Lunge erreicht von dem unteren Rande der 2. bis zu dem Stellung. oberen Rande der 4. Rippe den Sternalrand nicht ganz. In dem

Der Brustraum.

Lage der Lungen.

519

4. Intercostalraum entfernt sich in Folge der Existenz der Incisura cardiaca der vordere Rand der linken Lunge von dem Sternum in der Art, dass derselbe an dem unteren Rande der 4. Rippe 3,5 cm und an dem oberen Rande der 5. Rippe 4,5 cm von dem linken Sternalrande absteht. In dem 5. Intercostalraum nähert sich wieder

Fig. 95. Normaler Thorax von v o m mit den eingezeichneten Grenzen der Mediastinalbl&tter (volle Linie); bei vollendeter Exspirationsstellung der Lungen (puuktirte Linie) und bei vollendeter Inspirationsetellung (Strichlinie).

der vordere Rand der linken Lunge dem Sternalrande auf eine Entfernung von 3 cm. Es bleibt demnach in der linken Körperhälfte eine Stelle hinter der Thoraxwand lungenfrei, deren laterale abgerundete Spitze an dem oberen Rande des 5. Rippenknorpels in einer Entfernung von 4,5 cm von dem Sternalrande liegt. Da an dieser Stelle das Herz mit dem Herzbeutel der Thoraxwand unmittelbar anliegt, die Percussion also hier den leeren Herzton ergibt, so nennt man dieselbe die Stelle der normalen Herzdämpfung.

520

Die Brust.

Der untere Lungenrand folgt in der extremen Exspirationsstellung einer Linie, welche von dem unteren Rande des Ansatzpunktes der 5. Rippe sich nach der Verbindungsstelle des knorpeligen und knöchernen Theiles der 6. Rippe erstreckt, welche nahebei in die Mitte zwischen der parasternalen und der mammillaren Linie fällt. Von hieraus verlauft die Linie des unteren Lungenrandes fast horizontal bis zu dem Höcker der 10. Rippe. Die untere Lungengrenze fällt daher bei der extremen Exspirationsstellung in der sternalen Linie an den unteren Rand der 5. Rippe parasternalen » » » oberen » » 6. » mammillaren » » » unteren » » 6. » axillaren » » » oberen » »7. » skapularen » » » » » »9. » Lage dea vordeWährend der extremen Inspirationsstellung überschreitet der ^ungenrandes*1 v o r ( iere Rand der rechten Lunge von dem oberen Rande der 2. Rippe in der inspira- bis zu dem Sternalansatz der 6. Rippe die Medianlinie des Brusttionssteiiiing. } > e i n s u m q ^ c m j ) e r vordere Rand der linken Lunge erreicht und überschreitet etwas von dem oberen Rande der 2. Rippe bis zu dem 4. Intercostalraum den linken Sternalrand. Es liegen demnach hier die vorderen Ränder beider Lungen, welche nur durch die beiden Blätter der mediastinalen Pleuren geschieden sind, ausserordentlich nahe an einander, da, wie bereits erwähnt, die beiden Recess. sternocostal. bei der tiefen Inspiration vollständig von Lungensubstanz ausgefüllt sind. Auch in dem f. und 5. Intercostalraum nähert sich der vordere Raud der linken Lunge mehr dem Sternum, so dass der grösste Abstand zwischen linkem Sternalrand und dem vorderen Rande der linken Lunge, welcher in die Höhe des oberen Randes der 5. Rippe fällt, nur 1,5 cm beträgt. Die Stelle der normalen Herzdämpfung wird also bei tiefster Inspiration wesentlich eingeengt. (Vgl. in Fig. 95 linke Seite den Verlauf der punktirten und der Strichlinie.) Der untere Lungenrand lässt sich nach vollendeter tiefster Inspiration durch eine Linie bestimmen, welche von dem unteren Rande der Sternalinsertion der 6. Rippe sich bis zur Grenze des knorpeligen und knöchernen Theiles der 8. Rippe, die der mammillaren Linie sehr nahe liegt, erstreckt und von da in der horizontalen Ebene bis zu dem Höcker der 12. Rippe verlauft. Die untere Lungengrenze fällt daher bei der extremen Inspirationsstellung in der sternalen Linie an den unteren Rand der 6. Rippe » » parasternalen » » » oberen » »7. »

Der Brustraum.

Lage der Lungen.

521

in der mammillaren Linie in die 8. Rippe » » axillaren » an den unteren Rand der 9. Rippe » » skapularen » » » oberen » »11. » Bei der gewöhnlichen ruhigen Athmung sind die Unterschiede Lage der Lungen 0 0 0 bei der gewöhn-

in Betreff der Ortsveränderung der Lungen bei der In- und Ex- uChen ruhigen spiration so gering, dass die Feststellung derselben, obgleich durch Athmung. die Percussion nachweisbar, keinen besonderen praktischen Werth hat. Daher wird auch die Lage der Lungen bei der ruhigen Athmung schlechthin als die normale bezeichnet, ohne dass dabei auf die geringen Differenzen zwischen In- und Exspiration Rücksicht genommmen wird. Bei der ruhigen Athmung überschreitet der vordere Rand der rechten Lurige von dem oberen Rande der 2. Rippe bis zu dem Sternalansatz der 6. Rippe den rechten Sternalrand, erreicht aber nicht die Medianlinie des Sternums. Der vordere Rand der linken Lunge erreicht von dem oberen Rande der 2. Rippe bis zu dem 4. Intercostalraum den linken Sternalrand und überschreitet denselben sogar um einige Millimeter. In dem 4. Intercostalraum zieht sich der linke Lungenrand von dem Sternum zurück, und der grösste Abstand beider in der Höhe der 5. Rippe beträgt etwas mehr als 3 cm. Die Grenze des unteren Lungenrandes bezeichnet bei ruhiger Athmung eine Linie, welche an dem Sternalansatz des oberen Randes der 6. Rippe beginnt, in ihrem Verlaufe nach aus- und abwärts die mammillare Linie an dem oberen Rande der 7. Rippe schneidet und dann von hier fast horizontal sich bis zu dem Höcker der 11. Rippe erstreckt. Die untere Lungengrenze fällt daher bei der gewöhnlichen ruhigen Athmung in der sternalen Linie an den oberen Rand der 6. Rippe parasternalen unteren 6. mammillaren oberen 7. 7. axillaren unteren 9. scapularen Es versteht sich von selbst, dass die Angaben über die untere Lungengrenze in Betreff der Sternallinie für die linke Körperhälfte keine Gültigkeit haben, da hier der untere Lungenrand die Sternallinie nicht erreicht. Auf die untere Lungengrenze hat das Alter einen wesentlichen Einfluss, da dieselbe bei Kindern höher, bei Greisen tiefer gelegen ist. Die Differenz von der in dem mittleren Alter vorhandenen unteren

522

Die Brust.

Lungengrenze kann einen halben bis ganzen Intercostalraum ausfüllen. Lage des Herzens.

Herzbeutel.

Das Herz bildet den Hauptinhalt der unteren grösseren Abtheilung des vorderen Mediastinalraums. Vor der Erörterung der Lage des Herzens scheint es jedoch zweckmässig, einen Blick auf die Hülle, welche das Herz umschliesst, den Herzbeutel, zu werfen. Der Herzbeutel ist ein Sack, in welchem das Herz an der Einund Abgangsstelle der grossen Gefässe frei aufgehängt ist, so dass die Herzspitze als der von der Befestigungsstelle entfernteste Punkt zugleich derjenige ist, welcher die umfangreichsten Excursionen machen kann. Die breitere Dimension des Sackes fällt nach unten, die schmalere nach oben gegen die Aufhängestelle. Sind sämmtliche Höhlen des Herzens von Flüssigkeit strotzend gefüllt, so,wird der Sack nahebei ganz von dem Herzen eingenommen. Da aber dieses während des Lebens niemals der Fall ist, sondern die Herzhöhlen sich abwechselnd füllen und entleeren, so liegt der Sack dem Herzen nur locker an. Man darf sich aber nicht vorstellen, dass zwischen äusserer Herzfläche und Herzbeutel ein Raum vorhanden wäre, sondern Herz wand und Herzbeutel liegen immer einander an und sind nur durch eine minimale Schichte seröser Flüssigkeit geschieden, welche durch Herabsetzung der Friction die Verschiebung beider gegen einander wesentlich erleichtert. Den geringen Raum, welcher bei den Füllungszuständen verschiedener Abtheilungen des Herzens frei wird, füllt sogleich die Lunge aus, welche, den grösseren Theil des Herzbeutels umgebend, durch ihre Elasticität immer den Herzbeutel gegen die Herzwand presst. Es ist demnach bei dem Gesunden das Herz von dem Herzbeutel stets genau umschlossen, und die Lage des Herzbeutels stimmt daher mit der Lage des Herzens überein. Wenn dagegen bei Erkrankungen des Herzbeutels Exsudate zwischen Herz und Herzbeutel vorhanden sind und den letzteren erweitern, decken sich Herz und Herzbeutel topographisch nicht, da die Elasticität der Lungen diese Exsudate nicht verdrängen kann. Der Herzbeutel besteht bekanntlich aus einer äusseren Schichte verdichteten Bindegewebes, dem Pericard. fibrosum, und einer inneren serösen Haut, dem Pericard. serös., welche wieder in ein parietales und viscerales Blatt zerfällt. Nach Art der serösen Häute ist durch Umschlagen des einen Blattes zu dem andern die Aufhängung des Herzens in dem Sack des Herzbeutels vermittelt.

Der Brustraum.

Lage des Herzens.

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Das Pericard. fibrös, ist unten mit dem Zwerchfell in der früher angegebenen Ausdehnung verwachsen. Der mit dem Herzbeutel verwachsene Zwerchfelltheil ist jedoch an den durch die Respiration bedingten Aenderungen der Zwerchfelllage nur in äusserst geringem Maasse betheiligt. Die Seitentheile des Herzbeutels werden ganz von den Mediastinalblättern der Pleura, welche hier den Namen Pleura

Flg. 96. Frontabschnitt durch den kindlichen Thorax. 1 Herzbeutel.

2 Glandula thymus. 3 Zwerchfell. 4 Rechte, 5 linke Lunge. 6 Recessus phrenico-coBtalls.

pericardiaca führt, überzogen. Unter der letzteren verlauft auf dem Pericard. fibr. der von dem Cervicalgeschlecht kommende Nerv, phrenicus und die von der Art. mammar. int. abgehende Art. pericardiaco-phrenica. Auch vorn ist der Herzbeutel zum Theile von den Mediastinalblättern der Pleura, die hier nur durch eine dünne Lage von Bindegewebe von einander getrennt sind, überzogen; frei dagegen ist nur eine dreieckige Stelle, deren Basis nach unten und deren Spitze nach oben sieht. Die gegen 3 cm breite Basis

524

Die Brust.

dieser Stelle befindet sich in der Höbe des unteren Endes der linken Hälfte des Brustbeinkörpers, und die Spitze etwas rechts von dem Sternalrande der 5. linken Rippe. Durch festere Bindegewebestreifen (Ligam. sternopericard.), von welchen sich einer hinter der oberen Hälfte des Sternunis in der dünnen, beide Mediastinalblätter trennenden Bindegewebeschichte, der andere in dem oben erwähnten dreieckigen pleurafreien Räume befindet, ist das Pericard. fibrös, an das Brustbein angeheftet. Der mediastinale Ueberzug des Herzbeutels endet an der Lungenwurzel, wo die Pleura mediastinica zur Lunge übertritt. Hinten grenzt der Herzbeutel oben an die Bronchien bis zur Bifurcationsstelle, und weiter unten an die Speiseröhre, an welche Theile er durch laxes Bindegewebe angeheftet ist. Am complicirtesten ist die Anheftung des Pericard. fibr. an den grossen Gefässröhren, welche in das Herz ein- und austreten. Von diesen letzteren kommen nur in Betracht die obere Hohlvene, die Lungenarterie, die Aorta und die 4 Lungenvenen, aber nicht die untere Hohlvene, da diese unmittelbar nach ihrem Durchgang durch das Zwerchfell sich sogleich zu dem rechten Vorhof erweitert, und somit der mit dem Zwerchfell verwachsene Theil des Pericard. fibr. das For. pro Vena cava einfach umsäumt. Was die Anheftung an die andern grossen Gefässröhren betrifft, so wird dieselbe bei der Topographie dieser Gefässe erörtert werden. Nur so viel sei hier erwähnt, dass der bereits aufgestellte Satz, dass die Lage des Herzbeutels mit der Lage des Herzens zusammenfällt, für die obere Herzgrenze keine volle Giltigkeit hat, insoweit die Anheftung des Pericard. fibr. an die Gefässe diese Grenze um 1,5 cm überschreitet. Das viscerale Blatt des Pericard. serös, überzieht allseitig die Herzspitze und die Ventrikel, sowie den weitaus grössten Theil des rechten und in etwas geringerer Ausdehnung den linken Vorhof. Auch die grossen Gefässröhren erhalten mit Ausnahme der Ven. cav. inf. einen mehr oder weniger weit reichenden Ueberzug dieses Blattes, wobei die Abgangsstellen der Art. pulmon. und aorta in eine einzige Hülle zu liegen kommen, so dass beide Gefässe bei ihrer Kreuzung unter einander verwachsen sind. Herz. Das konisch gestaltete Herz gehört mit etwas mehr als zwei Allgemeines. Drit;theileii seines Volumens der linken Körperhälfte an und ist in der unteren grossen Abtheilung des vorderen Mediastinums in der Art gelagert, dass seine Basis nach oben, rechts und hinten, die Spitze nach unten, links und vorn gerichtet ist. Das Herz liegt demnach schräg in den drei Dimensionen des Raumes. Der Sulc.

Der Brustraum.

Lage des Herzens.

525

longitud. nimmt durchaus nicht die Mitte der vorderen Herzfläche ein, sondern ist stark nach links und etwas nach oben gerückt, so dass nur ein kleiner Theil des linken Ventrikels mit der Herzspitze der vorderen Herzfläche angehört, während der linke Vorhof an der vorderen Herzfläche nur durch das linke Herzohr vertreten ist Die Hauptmasse der vorderen Herzfläche bildet demnach der rechte Ventrikel mit dem Conus anteriosus und der rechte Vorhof mit dem rechten Herzohr. Zur Erläuterung der normalen Lage des Herzens eines gesunden Herziinien. erwachsenen Menschen dienen folgende Linien: 1. Die rechte Herzlinie (Fig. 97. ab) beginnt in der Mitte des 2. rechten Intercostalraums, 2 cm von dem Sternalrande entfernt, und geht gerade nach abwärts bis zu dem unteren Rande der 5. Rippe, gleichfalls. 2 cm von dem rechten Sternalrand entfernt. Diese Linie entspricht dem rechten Rande des rechten Vorhofs, der allerdings nicht gerade, sondern nach rechts in leichtem Grade convex ist. 2. Die untere Herzlinie (b c) geht von dem unteren Rande der 5. rechten Rippe in einem Abstand von 2 cm von dem Sternalrande aus und erstreckt sich bis zur Mitte des 5. linken Intercostalraums in einer Entfernung von 7 cm von dem Sternalrande. Der linksseitige Endpunkt der unteren Herzlinie lässt sich auch dadurch bestimmen, dass man rechts von der linken Mammillarlinie, 2 cm von derselben entfernt, eine Verticale zur Mitte des 5. Intercostalraums zieht. Die untere Herzlinie folgt ziemlich genau dem rechten Rande des rechten Ventrikels und tangirt nur oben und rechts den untersten Rand des rechten Vorhofs. Die obere Herzlinie (a d) erstreckt sich von der Mitte des 2. rechten Intercostalraums in einem Abstände von 2 cm von dem Sternalrand bis zu dem unteren Rande der linken 2. Rippe, 3 cm von dem Sternalrand entfernt. In diese Linie fällt die Eintrittsstelle der oberen Hohlvene, das obere Ende des Bulbus Aortae, der Anfang der Pulmonalarterie und der obere Rand des linken Herzohrs. Die linke Herzlinie (d c) ist in der Geraden gegeben, welche die in der linken Körperhälfte befindlichen Endpunkte der oberen und unteren Herzlinie verbindet. Diese Linie tangirt in ihrem oberen kleineren Theile den linken Rand des linken Herzohrs und in ihrem unteren grösseren den linken Rand des linken Ventrikels. Eine medial von dieser Linie in einem Abstand von 2 cm gezogene Parallele

526

Die Brust.

fällt annähernd genau mit dem Sulc. longitud. anter. der Ventrikel zusammen. Zu diesen 4 Linien, welche das Lageverhältniss der vorderen Herzfläche zu der Thoraxwand versinnlichen, kommt noch die in praktischer Beziehung nicht minder wichtige 5. Herzlinie, welche ich

Fig. 87, Thorax von vom dargestellt mit Angabe der Herzllnien und der Stelle der normalen Herzdämpfung. a b Rechte Herzlinie. c d Linke Herzlinie. 2 Aorta, bc Untere Herzlinie. f e Quere Herzlinie. 3 Art. pulmonalls. ad Obere Herzlinie. 1 Vena cava superior. Die Stelle der normalen Herzdämpfung ist durch sich kreuzende Linien angedeutet.

als quere bezeichne, da sie der Lage des Sulc. transv. an der vorderen Herzfläche entspricht und demnach äusserlich die Grenze zwischen Vorhöfen und Ventrikeln andeutet. Die quere Herzlinie (f e) beginnt an jener Stelle der unteren Herzlinie, an welcher dieselbe den rechten Rand des Sternums überschreitet, und erstreckt sich bis zu der linken Herzlinie, welche sie in der Mitte des 2. Intercostalraums schneidet.

Der Brustraum.

Lage des Herzens.

527

Wenden wir uns nun zu der Lage der einzelnen Herztheile, so kommen in Betracht: die Herzspitze, die vier Herzhöhlen und die beiden Ostien jedes Ventrikels. Von allen Theilen des Herzens ist für den Praktiker am wichtigsten die genaue Kenntniss der Lage der Herzspitze, welche dem linken Ventrikel angehört. Dieselbe fällt in der Laiche in den Schnittpunkt der unteren und linken Herzlinie, also in die Nähe des oberen Randes der 6. Rippe (Fig. 97 und Fig. 93), während der Anstoss der Herzspitze an die Brustwand in Folge der Hebelbewegung des Herzens in der Mitte des 5. Intercostalraums erfolgt. Bei Kindern rückt die Herzspitze etwas höher hinauf unter das laterale Ende des 5. Rippenknorpels. Bei dem Erwachsenen, namentlich bei älteren Personen, liegt die Herzspitze nicht ganz selten unter der normalen Lagerstätte und findet sich unter dem lateralen Ende des 6. Rippenknorpels. Bei jeder Systole der Ventrikel erleidet das Herz eine geringe Form- und Lageveränderung, welch' letztere am meisten an der Herzspitze ausgesprochen ist, die nach vorn und etwas nach oben sich wendet. Dadurch wird die Herzspitze und deren nächste Umgebung der Thoraxwand genähert und treibt dieselbe etwas hervor, ein Phänomen, welches man sowohl sehen, wie fühlen kann, und das als Herzstoss bekannt ist. Im Grossen und Ganzen stimmt die Stelle der Brustwand, an welcher der Herzstoss wahrgenommen wird, überein mit jener, welche der Lage der Herzspitze in der Leiche entspricht, nur ist dieselbe ausgedehnter als die eigentliche Herzspitze, da die systolischen Lage- und Gestaltveränderungen nicht auf die Herzspitze beschränkt sind, sondern sich auch in deren Umgebung geltend machen. Als bester Anhaltspunkt für den Praktiker dient der Satz, dass der Herzstoss unter normalen Verhältnissen in den 5. linken Intercostalraum gleich weit entfernt von mammillarer und parasternaler Linie fällt. Häufig kommt es jedoch vor, dass der Herzstoss etwas weiter nach rechts, d. h. der Medianlinie näher, gerückt ist, als der normalen Lage der Herzspitze entspricht. Dieses steht mit dem Lageverliältniss der Herzspitze zu der linken Lunge in Beziehung. Die Herzspitze liegt nämlich der Innenseite der Thoraxwand nicht unmittelbar an, sondern dieselbe wird mehr oder weniger weit von einer dünnen Lage des Randes der Incisura cardiaca der linken Lunge überdeckt. Springt dieser Lungenrand etwas weiter vor, so wird der Herzstoss, soweit die eigentliche Herzspitze dabei betheiligt ist, gar nicht, wohl aber noch, insoweit der der Spitze zunächst gelegene Herztheil betheiligt ist, wahrnehmbar sein und

Herzspitze,

528

Rechter vorhof.

Rechter ventrikei.

Die Brust.

demnach etwas weiter nach rechts gerückt erscheinen. Dass dieses Verhältniss bei der Beurtheilung des Herzstosses eine grosse Rolle spielt, geht auch daraus hervor, dass derselbe während der tiefen Inspiration, wobei die Interposition von Lungensubstanz zwischen Thoraxwand und Herz am ausgedehntesten stattfindet, Weder gefühlt noch gesehen werden kann. Der hauptsächlich nach vorn gestellte rechte Vorhof ist der am meisten rechts gelegene Theil des Herzens und fällt fast ganz in die rechte Körperhälfte. Nur die Spitze des rechten Herzohrs, welches unter dem Sternalkörper liegt, überschreitet die Medianlinie. Die Begrenzung dieser Herzabtheilung nach rechts ist in der rechten Herzlinie die nach unten in den beiden unteren Drittheilen der queren Herzlinie, und die nach oben in den beiden nach rechts gewandten Drittheilen der oberen Herzlinie gegeben. Nach der linken Seite erhält der rechte Vorhof seine Grenze durch eine Linie, welche von dem linken Drittheil der oberen Herzlinie zu dem Punkt der queren Herzlinie gezogen wird, welcher das obere linke Drittheil dieser Linie von-den beiden unteren Drittheilen scheidet. Der rechte Vorhof wird während der Inspiration ganz und auch während der Exspiration zum weitaus grüssten Theile von dem vorderen Rande der rechten Lunge gedeckt, so dass er bei dem Lebenden die Innenseite der vorderen Thoraxwand wohl kaum berührt. Der rechte Ventrikel bildet den grössten Theil der vorderen Herzfläche, gehört jedoch bis auf einen kleinen, hinter der untersten Partie des Sternalkörpers gelegenen Abschnitt schon der linken Körperhälfte an. Zugleich ist der rechte Ventrikel derjenige Herztheil, der in der unmittelbarsten Beziehung zu der vorderen Thoraxwand steht, insofern nur ein kleines Stück des unter dem Sternum gelegenen Theiles durch die rechte und der nach oben und links gelegene Conus arteriös, des rechten Ventrikels durch die linke Lunge von der Thoraxwand geschieden wird, während der übrige Theil des rechten Ventrikels, insoweit er der vorderen Herzfläche angehört, dem Thorax unmittelbar anliegt und die Unterlage für die durch die Percussion festzustellende Stelle der normalen Herzdämpfung bildet. Auf der äusseren Thoraxwand erscheint der rechte Ventrikel durch folgende Linien begrenzt. Einmal noch oben und links durch die quere Herzlinie von ihrem unteren Endpunkte an bis auf 1,5 cm Entfernung von ihrem oberen Endpunkt, ferner nach unten von der unteren Herzlinie, und zwar von dem Schnittpunkte der letzteren mit der queren Herzlinie an bis zu einer Entfernung von 1,5 cm

Der Brustraum.

529

Lage d e s Herzens.

von der Herzspitze und endlich nach links durch eine Linie, welche von der unteren Herzlinie l t 5 cm rechts von der Herzspitze abgeht und an der Querlinie des Herzens, ebenfalls 1,5 cm entfernt von ihrem oberen Endpunkt, aufhört. Diese letztere Linie entspricht zwar dem zwischen den Ventrikeln befindlichen Sulc. longitud. ant., drückt aber die Grenze zwischen rechtem und linkem Ventrikel aus dem Grunde nicht ganz genau aus, weil das Sept. ventricul. in die Höhle der rechten Kammer stark vorgewölbt ist. Das Ostium venosum dextrum fällt in die untere Hälfte der ostium venoqueren Herzlinie. Daher ist der Theil des Sternums, welcher zwischen "um dextrum ' der Insertion der linken 5. und rechten 3. Rippe liegt, der geeignetste Ort zur Wahrnehmung des ersten systolischen Herztons, insoweit derselbe von der Vibration der dreizipfeligen Klappe abhängt. Das Ostium arteriosum dextrum oder der Ursprung der Pul- ostium arterimonalarterie fällt in die Mitte des zweiten linken Intercostalraums, ° sum ex rum ' und zwar erstreckt sich derselbe von dem linken Sternalrande an bis etwas über 2 cm nach links. Von dem anatomischen Standpunkte aus wäre also diese Stelle die geeignetste für die Untersuchung des zweiten Herztones, insoweit derselbe von den drei Semilunarklappen der Pulmonalarterie gebildet wird. Damit steht aber die Erfahrung der Praktiker nicht ganz in Uebereinstimmung; denn nach Skoda wird dieser Ton am deutlichsten in dem 3. Intercostalraum links von dem Sternum wahrgenommen. Der linke Vorhof liegt nicht nur von allen Herztheilen am Linker Vorhof. weitesten nach aufwärts, sondern auch am meisten nach rückwärts, indem nur die Spitze des linken Herzohrs, in dem zweiten Intercostalraum links von der Abgangsstelle der Art. pulmon. gelegen, der vorderen Herzfläche angehört, aber von der linken Lunge ganz verdeckt ist. Der übrige Theil des linken Vorhofs ist nach vorn überlagert von dem Ursprung der Art. pulmon. und aorta. Nach rückwärts grenzt der linke Vorhof an die Contenta - des hinteren Mittelfellraums und erstreckt sich nach oben bis nahe an die Theilungsstelle der Trachea, während seine untere Grenze die obere linke Hälfte der queren Herzlinie bildet. Zwei Drittheile desselben gehören der linken, und kaum ein Drittheil der rechten Körperhälfte an. Der linke Ventrikel liegt mit seiner unteren, mehr nach hinten gerichteten planen Fläche auf dem Zwerchfell, mit seiner convexen oberen Fläche in der Excavation der linken Lunge. Nur ein schmaler gegen 1,5 cm breiter und nach oben sich etwas verjüngender Streifen, G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

34

Linker VentnkeI

-

530

Oitium Tenosum sinistrum.

Oütium arter!-

oBum sinistrum.

Stelle der nor-

malen Herzdämpfung.

Die Brust.

dessen linker Rand der linken Herzlinie entspricht, gehört der vorderen Herzfläche an und ist auch in dem Exspirationsstadium von dem linken Lungenrand überlagert. Dieser Streifen wird bei jeder Systole der Ventrikel etwas breiter in Folge der schwachen Drehung des Herzens um die Längsachse, welche die Systole begleitet. Der linke Ventrikel gehört ganz der linken Körperhälfte an, und hinten grenzt sein oberer Theil gleichfalls an die Contenta des hinteren Mittelfellraums. Das Ostium venosum sinistrum fällt in das obere linke Drittheil ^ q u e r e u Herzlinie, also hauptsächlich in den zweiten Tntercostalraum, wird aber von dem Ursprung der Art. pulmonal, und theilweise auch dem der Aorta verdeckt, so dass dieses Ostium, weiter als die drei anderen von der vorderen Brustwand entfernt ist. Wegen der unmittelbaren Nähe der Klappen der Art. pulmon. und aorta wird das Stethoscop zur Untersuchung des ersten Herztones, insoweit derselbe von der Mitralklappe abhängt, nicht auf den zweiten Intercostalraum, sondern in der Höhe der 4. Rippe, 3 bis 4 cm von dem Sternalrand entfernt, aufgesetzt. Das Ostium arteriosum sinistrum, von dem oberen Theile des Conus arteriosus und dem unteren Rande des rechten Herzohres verdeckt, befindet sich rechts und etwas nach abwärts von dem Ostium arter. dextrum. Aeusserlich lässt sich dieses Ostium durch eine Linie andeuten, welche von dem unteren Rande des Sternalansatzes der 3. linken Rippe zu dem oberen Rande des Sternalrandes der rechten 3. Rippe verlauft. Zur Wahrnehmung des zweiten von den Semilunarklappen der Aorta abhängigen Herztones wird jedoch das Stethoscop nicht in der Richtung dieser Linie, sondern zur Vermeidung der Verwechslung mit dem durch die Klappen der Pulmonarterie bedingten zweiten Herzton in dem zweiten Intercostalraum rechts von dem Sternum aufgesetzt. Das Herz oder eigentlich der dasselbe umschliessende Herzbeutel liegt nur in dem kleineren Theile seiner vorderen Fläche der Brustwand umnittelbar an. Zwischen dem grösseren Theile der vorderen Brustwand und der vorderen Herzfläche ist eine, wenn auch zum Theil dünne Lage von Lungensubstanz eingeschoben, welche während der Inspiration einen grösseren, während der Exspiration einen kleineren Theil der vorderen Herzfläche von der vorderen Brustwand abdrängt. Der an der Thoraxwand anliegende Theil des Herzens gibt bei der Percussion den leeren Herzton, und der Umkreis, in welchem der letztere vorhanden ist, wird als die Stelle der

Der Brustraum.

Inhalt der oberen Abtheilung des Mediastinums.

531

normalen Herzdämpfung 1 ) bezeichnet. Da jedoch der Theil des Herzens, welcher an der Peripherie der lungenfreien Stelle anliegt, nur von dem dünnen vorderen Lungenrand überlagert ist, bei welchem der volle Lungenton während der Percussion weniger zur Geltung kommt, so fällt die durch die Percussion zu ermittelnde Stelle der normalen Herzdämpfung etwas umfangreicher aus, als es den realen anatomischen Verhältnissen, welche bereits oben bei der Betrachtung der Lungenlage erörtert wurden, entspricht. Während der Exspiration hat die durch die Percussion bestimmbare Stelle der normalen Herzdämpfung folgende Grenzen, welche auch während des ruhigen Athmens sich ziemlich gleich bleiben und nur bei tiefer Inspiration eine Einengung erleiden. Medial bildet der linke Sternalrand von der Wurzel des Schwertfortsatzes an bis zu dem oberen Rande der 4. Rippe, und oben der obere Rand dieser Rippe bis auf eine Entfernung von 5 cm von dem Sternalrand nach links die Grenze der Stelle der normalen Herzdämpfung. Die linksseitige Begrenzung fällt annähernd in die Mitte der parasternalen und mammillaren Linie; doch steht der untere Endpunkt dieser Grenzlinie etwas weiter nach links ab, als der obere und entspricht genau einer von dem linken Sternoclaviculargelenk nach dem vorderen Ende der 11. Rippe gezogenen Linie der Linea costo-acticularis von L u s c h k a . Die untere Grenze kann durch die Percussion nicht bestimmt werden, da hier das Herz nur durch das Zwerchfell von dem linken Leberlappen, der den gleichen leeren Ton wie das Herz gibt, geschieden wird. Anatomisch lässt sich dieselbe durch eine Linie bezeichnen, welche von der Wurzel des Schwertfortsatzes bis zu dem Punkte des unteren Randes der 5. Rippe gezogen wird, an welchem derselbe von der Linea costoarticularis geschnitten wird. Nach den angegebenen Grenzen bildet die Stelle der normalen Herzdämpfung ein unregelmässiges Viereck, das übrigens, namentlich nach links, zahlreiche individuelle Verschiedenheiten zeigt, die von der verschiedenen Entwicklung der Incisura cardiaca der linken Lunge abhängen. Inhalt der oberen Abtheilung des vorderen Mediastinums. In der oberen Abtheilung des vorderen Mediastinalraums be- Thymusdrüse, findet sich unmittelbar unter dem Knochen, d. h. dem Manubrium, die Thymusdrüse (Fig. 96. 2), welche bei dem Neugebornen relativ zur Brusthöhle die grösste Ausdehnung hat und unten über den ') In Fig. 97 durch sich kreuzende Linien angedeutet.

34*

532

Die Brust.

Herzbeutel, nach oben in die Fossa suprastemalis hineinragt. In den ersten Lebensjahren nimmt die Thymus an Masse zu, wächst aber durchaus nicht in dem gleichen Verhältniss, wie der Thorax, wesshalb sie schon in dem dritten Jahre die obere und untere Grenze der oberen Abtheilung des vorderen Mediastinums nicht mehr überschreitet. Die eigentliche Rückbildung der Thymusdrüse beginnt erst nach dem 14. Lebensjahre und ist mit dem 30. in der Regel vollendet. Der früher von der Thymus eingenommene Raum ist dann durch fetthaltiges Bindegewebe ausgefüllt. Vena eava Unter der Thymus oder dem sie ersetzenden Fette liegen zuanoaymae6" nächst die grossen Venenstämme, und zwar unmittelbar an dem rechten Sternalrande an, die obere Ilohlvene (Fig. 97. 1), welche sich in der Höhe des Sternalansatzes des Knorpels der 1. rechten Rippe aus den beiden Ven. anonym, zusammensetzt und hart an dem rechten Sternalrand, aber etwas nach hinten abweichend, herabgeht, um in der Mitte des 2. Intercostalraums in die rechte Vorkammer des Herzens zu münden. Hinter dem Knorpel der 2. Rippe tritt von hinten zu der oberen Hohlvene, unmittelbar über ihrem Durchtritt durch den Herzbeutel die Ven. azygos. Beide Ven. anonym, entstehen hinter dem Sternoclaviculargelenk aus der Vereinigung der Ven. jugular. und subclav. Die rechte V. anon. liegt in der Verlängerungslinie der V. cav. sup. nach oben und weicht davon nur ganz wenig nach rechts ab. Die Richtung der beträchtlich längeren linken V. anon. wird durch eine Linie ausgedrückt, welche von der Mitte des linken Sternoclaviculargelenks nach der Mitte der Insertion der 1. rechten Rippe an dem Sternmn gezogen wird. Ziemlich in der Medianlinie des Körpers nimmt diese Vene eine, bisweilen auch zwei Venen auf, die von der Schilddrüse herabkommen (Ven. thyreoid. inf.). Aon» ascenIn den Bereich der oberen Abtheilung des vorderen Mediaden8 stinums, und zwar unter die grossen Venenstämme fällt die ganze Aorta ascend. und ein Theil des Aortenbogens, der aus dem vorderen in das hintere Mediastinum tritt (Fig. 97. 2). Die aufsteigende Aorta beginnt an dem östium arter. des linken Ventrikels, und als Ende wird in der systematischen Anatomie, um eine scharfe Grenze zu haben, der rechte Rand der Abgangsstelle der Art. anonyma angenommen und danach die durchschnittliche Länge der Aort. ascend. auf 6 cm angegeben. In der That beginnt aber der Aortenbogen bereits 2 cm vor der Abgangsstelle der Art. anonyma, bis zu welchem Punkte die aufsteigende Aorta noch in den Bereich des Herzbeutels

Der Brußtraum. Inhalt der oberen Abtheilung des vorderen Mediastinums.

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fällt. Diese Stelle gilt in der topographischen Anatomie als Grenze zwischen aufsteigender Aorta und Aortenbogen. Ausser den bekannten drei Sinus Valsalvae, welche in die Höhe der drei Semilunarklappen der Aorta fallen und den Bulbus aortae constituiren, ist in praktischer Beziehung an der aufsteigenden Aorta der sogenannte Sinus quartus oder maximus bemerkenswerth. Derselbe beginnt über dem von dem rechten Herzohr verdeckten Bulbus aortae und erstreckt sich nach vorn und etwas nach rechts über den Theil der Aorta, der noch innerhalb des Herzbeutels liegt. Der Querschnitt der Aorta ist hier nicht, wie unmittelbar über dem Bulbus, kreisförmig, sondern nach vorn und rechts oval. Dieser Sinus ist durch die Richtung der Blutwelle' dem stärksten Drucke ausgesetzt, und daher kommen in dessen Bereiche am häufigsten pathologische Ausdehnung der Aortenwand (Aneurysma) und Rupturen vor, bei welchen letzteren der Bluterguss in das Cavum des Herzbeutels erfolgt. Die aufsteigende Aorta verlauft schräge in der Richtung von hinten links und unten nach oben rechts und vorn. Aeusserlich kann diese Richtung durch eine Linie bezeichnet werden, welche an dem oberen Rande des Sternalendes des 3. linken Rippenknorpels beginnt und an dem Sternalende der Mitte des 1. rechten Intercostalraums endet. Der untere Ausgangspunkt dieser Linie entspricht dabei dem linken, der obere Endpunkt dem rechten Rande der Aorta. Die Aorta ascend. hegt demnach unter dem Theil des Sternums, dessen untere Grenze durch die Insertion des 3. Rippenpaares und dessen obere durch die Mitte des 1. Intercostalraums bestimmt wird. Links entfernt sie sich nur wenige Millimeter medianwärts von dem linken Sternalrand, rechts dagegen überschreitet sie von der Mitte des 2. Intercostalraums bis etwas über den oberen Rand der 2. Rippe um einige Millimeter den rechten Sternalrand, und zwar ist es der Sinus maximus, der sich über den rechten Sternalrand etwas vordrängt, so dass bei einem sagittalen Schnitte in der Medianlinie der Brust die Aorta ascend. in eine linke kleinere und rechte grössere Abtheilung zerfällt, welche letztere wesentlich aus der als Sinus maximus bezeichneten Ausbuchtung besteht. Die Entfernung der aufsteigenden Aorta von der vorderen Brustwand beträgt an dem oberen Rande des Sternalansatzes des 3. Rippenknorpels gegen 6 und an dem Sternalende der Mitte des 1. Intercostalraums nur 2 cm. Der Aortenbogen verlauft in schräger Richtung von vorn und rechts nach hinten und links. Dabei geht die Aorta zuerst über den

Aortenbogen,

534

Die Brust

längeren rechten Ast der Pulmonalarterie, dann vor dem unteren Ende der Trachea über den linken Bronchus weg, um in das hintere Mediastinum an die linke Seite des Körpers des 4. Brustwirbels zu gelangen. Ueber den Scheitel des Aortenbogens und die drei aus demselben entspringenden, für die obere Körperhälfte bestimmten grossen arteriellen Gefässstämme lauft die Vena anonyma sinistra weg. Am Ende der aufsteigenden Aorta, d. h. an dem Beginn des Bogens steht das Gefäss von der vorderen Brustwand nur 2 cm ab, an dem Scheitel schon nahebei 5 cm und an dem Uebergang des Bogens in die Brustaorta, welcher in die Höhe des 4. Brustwirbels fällt, ist der Abstand der Aorta von der vorderen Brustwand gleich dem sagittalen Durchmesser des Thorax in der Höhe des 4. Brustwirbels. Der höchste Punkt des Aortenbogens, welcher zwischen dem Ursprung der linken A. carotis und der linken A. subclavia, aber der letzteren näher gelegen ist, befindet sich unter dem Sternalansatz der 1. linken Rippe, und zwar genau in der Mitte zwischen dem oberen und unteren Rande der letzteren. Bis zu diesem Punkte kann auf dem Thorax die convexe Seite des Aortenbogens durch eine Linie ausgedrückt werden, welche bogenförmig von dem Sternalende der Mitte des 1. rechten Intercostalraums nach der Mitte des Sternalansatzes der 1. linken Rippe verlauft. Der weitere Verlauf des Aortenbogens ist an der vorderen Thorax wand nicht mehr zu bestimmen, da er sich zu weit von derselben nach hinten entfernt. Dagegen haben wir in der hinteren Medianlinie an der Spitze des fühlbaren Dornfortsatzes des 3. Brustwirbels, der in die gleiche Höhe mit dem Körper des 4. Brustwirbels fällt, einen Anhaltspunkt für die Bestimmung des Ueberganges des Aortenbogens in die Brustaorta. Die drei aus dem Aortenbogen abgehenden grossen Gefässstämme sind die Art. anonyma und die Art. carotis und subclavia sinistra. Der Ursprung der ersteren fällt genau in die Medianebene des Körpers, kann demnach äusserlich leicht in dem Punkte bestimmt werden, in welchem die erwähnte bogenförmige, den convexen Theil des Aortenbogens bezeichnende Linie die Medianebene des Körpers kreuzt. Die Art. anonyma wendet sich nach ihrem Ursprung sogleich nach rechts und theilt sich nach einem kurzen Verlaufe unter dem rechten Sternoclaviculargelenk in die Art. carotis und subclavia dextra. Dicht neben der Art. anon. geht aus dem Aortenbogen die Art. carotis sinistra ab und bildet, da sie divergirend unter das linke Sternoclaviculargelenk tritt, mit der Art. anon. einen spitzen Winkel, in welchem die Trachea erscheint; etwas weiter, durchschnittlich 1 cm

Der Brustraum. Inhalt der oberen Abtheilung des vorderen Mediastinums.

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nach links und hinten, entspringt aus dem Aortenbogen die Art. subclav. sinistra, welche hinter der linken Carotis neben den Körpern der drei unteren Halswirbel auf dem M. longus colli aufsteigt. Der gegen 5 cm lange Stamm der Art. pulmon. ist bis nahe Art. puimonahs an die Theilungsstelle in den Herzbeutel eingeschlossen. Die Arterie ' (Fig. 97.3) liegt fast ganz links von dem Sternum, und nur ein schmaler Streifen ihres rechten Randes fällt noch unter das Brustbein. Der Stamm der Art. pulm. erstreckt sich von der Mitte des 2. linken Intercostalraums bis zu dem oberen Rande des 2. linken Rippenknorpels und verlauft ziemlich gerade nach auf- und leicht rückwärts, so dass er in der Mitte des 2. Intercostalraums 2 und an der Theilungsstelle fast' 4 cm von der vorderen .Brustwand entfernt ist. Die Theilung erfolgt an dem oberen Rande des 2. Rippenknorpels oder ein wenig darüber fast rechtwinklig, und in der Theilungsstelle befindet sich der linke Bronchus. Der rechte, gegen 5 cm lange Ast geht über dem linken Vorhof hinter der oberen Hohlvene und hinter dem Grenzbezirk zwischen aufsteigender Aorta und Aortenbogen vor der Bifurcation der Trachea zur rechten Lunge. Der linke gegen 3,5 cm lange Ast macht eine leichte Krümmung nach oben und hinten, um über dem linken Bronchus in den Hilus der linken Lunge einzutreten. Hart an der Abgangsstelle des linken Pulmonalarterienastes findet sich der Ductus arteriös. Botalli, welcher in der foetalen Periode eine Verbindung der Art. pulmon. mit der Aorta, und zwar an der Grenze des Aortenbogens und der absteigenden Aorta darstellt, nach der Geburt aber alsbald obliterirt. Die in dem hintersten Theile des vorderen Mediastinums ge- ven. puimonales legenen vier Lungenvenen verlaufen nicht horizontal, sondern in ' Folge der schiefen Lage des linken Vorhofs in mehr schräger Richtung. Die beiden rechten Lungenvenen sind nicht nur länger, sondern auch etwas weiter, als die linken. Die obere rechte liegt unter der oberen Hohlvene unmittelbar über deren Mündung in den rechten Vorhof und hat hinter sich die rechte Lungenarterie und den rechten Bronchus. Die rechte untere Lungenvene ist zwischen der Mündung der unteren Hohlvene und dem unteren Rande des rechten Bronchus gelegen. Die obere linke Lungenvene liegt vor und die untere linke unter dem linken Bronchus. Nur die die Lungenvenen zusammensetzenden Aeste befinden sich ausserhalb des Herzbeutels, während die vier Stämme bereits in den Herzbeutel eingeschlossen sind. Die Mündung derselben liegt an der oberen hinteren Wand des linken Vorhofs, und zwar findet die der rechten an dem Uebergang dieser

536

Die Brust.

Wand in das Septum atriorum, die der linken an dem Uebergang der oberen hinteren in die linke Vorhofswand statt. Inhalt des hinteren Mediastinums.

Trachea und Bronchien.

Aorta thoracica.

ven. azygos.

Von denjenigen Theilen, welche den Inhalt des hinteren Media^ n u m s küdenj liegt am meisten nach vorn der Brusttheil der Luftröhre (Fig. 98. 9), welcher sich von dem Körper des 1. Brustwirbels bis zu dem unteren Rande des 3. erstreckt. Wie man äusserlich die Theilungsstelle der Luftröhre bestimmt, wurde bereits bei Betrachtung der Lage der Lungenwurzel erörtert. Ein guter Anhaltspunkt dafür ist auch in dem Stande der Spitze des Dornfortsatzes des 3. Brustwirbels gegeben. Während der Halstheil' der Trachea ziemlich genau in der Medianlinie liegt, weicht der Brusttheil etwas nach rechts ab, womit die Thatsache in Verbindung steht, dass die Stimmfibratiou, der sogenannte Pectoralfremitus, bei dem Gesunden rechts stets stärker gefühlt wird, als links. In der Theilstelle der Luftröhre finden sich immer zahlreiche, bei Erwachsenen mehr oder weniger stark pigmentirte Lymphdrüsen, welche sich auch längst der Bronchien bis in die Lungenwurzel ausbreiten. Der kürzere und weitere rechte Bronchus (Fig. 98. 10) ist in dem Verhältniss zu dem linken (Fig. 98.11) mehr quer als schräg gestellt. Ueber den rechten Bronchus tritt aus dem hinteren in das vordere Mediastinum die Vena azygos, und über dem linken aus dem vorderen in das hintere Mediastinum die Aorta. In der Höhe des 4. Brustwirbels gelangt die Aorta als Aorta thoracica descendens (Fig. 98. 3 und Fig. 99. 12) an die linke Seite der Wirbelsäule und verlauft nach abwärts bis zu dem 12. Brustwirbel, aber nicht in gerader Richtung, sondern in der Art schräg, dass das untere Ende des Gefässes genau in der Medianlinie vor die Wirbelsäule zu hegen kommt, um durch den Hiatus aorticus des Zwerchfells die Brusthöhle zu verlassen. Die Vena azygos (Fig. 98. 8 und Fig. 99. 14) entsteht schon in der Bauchhöhle und ist hier in anastomotischer Verbindung mit den oberen Lendenvenen der rechten Seite, woraus sich die grosse Ausdehnung erklärt, welche diese Vene bei Unwegsamkeit der unteren Hohlvene gewinnen kann. In der Brusthöhle liegt die V. azygos vor und rechts von der Wirbelsäule, macht aber einen etwas bogenartigen Verlauf in-der Art, dass sie sich in der Höhe des 7. Brustwirbelkörpers der Aorta auf 0,5 cm nähert, während sie unten in der Nähe des Zwerchfells 2 cm, und oben, wo sie sich über den rechten Bronchus

s

Der Brustraum.

Inhalt des hinteren Mediastinums.

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zu biegen beginnt, gegen 3 cm von der Aorta absteht. Der Durchtritt der V. azygos durch die hintere Wand der oberen Hohlvene erfolgt in der Höhe des Knorpels der 2. rechten Rippe. Die anatomischen Verhältnisse der V. hemiazygos sind bekanntlich so wechselnd,

Fig. 98. Das hintere Mediastinum von hinten geöffnet. 1 Rechte Lunge. 2 Linie Lunge. 3 Aorta thoracica mit abgehendeu Intercostaiarterien.

4 Art. anonyma. 5 Art. carotis slnistra. 6 Art pulmonal, slnistra. 7 Ven. cava superior. 12 Oesophagus.

8 Ven. azygos. 9 Trachea. 10 Bronchus dezter. 11 Bronchus sinister.

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Ductus thoracicuB.

Die Brust.

dass eine topographische Bestimmung dieses sieh mit der V. azygos vereinigenden Gefässes keinen besonderen Werth hat. Der Ductus thoracicus (Fig. 99. 15) gelangt, rechts und hinten von der Aorta gelegen, durch den Hiatus aorticus aus der Bauchhöhle in das hintere Mediastinum und steigt hier in dem fetthaltigen Bindegewebe zwischen V. azygos und Aorta bis zu dem 3. Brustwirbel auf. Von hier an wendet sich derselbe nach links, um, hinter dem linken Ende des Aortenbogens durchtretend, sich in der Höhe 15

2 Flg. 99. Durchschnitt durch den Thorax In der Höhe des 5. Brustwirbels. 1 2 3 4 5 6 7

Oesophagus.

Wirbel. Steinum. Scapula. Rechte Lunge. Linke Luoge. Rechtes Herzohr. Linkes Herzohr.

8 9 10 11

Ven. cava super. Aorta ascendens. Art. pulmonalis. Lungenwurzel mit Bronchialdrüsen. 12 Aorta thoracica. 13 Oesophagus.

14 15 16 17 18 19 20

Nach L u s c h k a .

Vena azygos. Ductus thoracicus. Rechter N. vagus. Linker N. vagus. N. phrenicus. N. sympathlcus. Recessus Bternocostalis.

des 7. Halswirbels nach vorn zu krümmen und von hinten in den Zusammenfluss der linken V. subclavia und jugularis zur linken V. anonyma einzumünden. An der oberen Brustapertur tritt der Oesophagus (Fig. 98. 12 und Fig. 99. 13), welcher an dem Halse hinter der in der Medianlinie befindlichen Trachea liegt, aber von der letzteren etwas nach links abweicht, unmittelbar vor der Wirbelsäule in das hintere Mediastinum ein. Derselbe gelangt hierauf unter den Theil des Aortenbogens, aus welchem die linke Art. subclav. abgeht, kreuzt den vor ihm liegenden linken Bronchus und kommt zunächst auf die rechte

Der Brustraum.

Inhalt des hinteren Mediastinums.

539

Seite der Aorta thorac. descend. zu liegen. In der unteren Hälfte des hinteren Mediastinums verlässt die Speiseröhre die rechte Seite der Aorta, gelangt vor dieselbe und sogar ganz unten etwas nach links von der Aorta, um durch das vor und etwas nach links von dem Hiatus aorticus befindliche For. oesophag. die Brusthöhle zu verlassen. Die beiden Nerv. vag., welche an dem Halse in der hinteren Furche zwischen Carotis und Ven. jugul. int. liegen, gelangen nach ihrem Durchtritt durch die obere Brustapertur zunächst in den vorderen Mediastinalraum und geben hier ihre von dem Brusttheil stammenden Herzäste ab, verhalten sich aber auf beiden Seiten verschieden. Der rechte Vagus (Fig. 99. 16) entfernt sich schon kurz vor dem Eintritt in die Brusthöhle etwas von der Carotis, geht über die Art. subclav., um die sich sein nach dem Kehlkopf rückläufiger Ast windet, und gelangt an die rechte Seite der Art. anonyma, an der er bis zu dem convexen Rande des Aortenbogens herablauft. Hier wendet sich derselbe hinter dem Aortenbogen nach rückwärts und tritt unter dem rechten Bronchus unter Abgabe der Lungenäste in das hintere Mediastinum. Der linke Vagus (Fig. 99. 17) liegt nach seinem Eintritt in die Brusthöhle zwischen Art. carotis und subclavia sinist. und geht dann über den Aortenbogen weg, um welchen der linke rückläufige Kehlkopfnerv hart neben dem Duct. arter. Botalli sich windet. Erst unterhalb des concaven Randes des Aortenbogens tritt der linke Vagus nach hinten, um über dem linken Bronchus nach Abgabe der Lungenäste in das hintere Mediastinum zu gelangen. Hier begleiten beide Vagi den Oesophagus, und zwar gelangt der rechte in dem Verlaufe nach abwärts an die hintere, der linke an die vordere Seite der Speiseröhre, mit welcher sie durch das For. oesophag. die Brusthöhle verlassen. Die von den Köpfchen der Rippen und von der Pleura costalis gedeckten Grenzstränge des N. sympathicus (Fig. 99. 19) liegen bereits ausserhalb des hinteren Mediastinums und fallen topographisch in das Gebiet der Thoraxwand.

Nervi vagi.

Obere Extremität. Allgemeines.

Als Grenze zwischen dem Rumpfe und den oberen Extremitäten oder Brustgliedern kann eine Linie angenommen werden, welche an dem lateralen Rande der vorderen Achselfalte beginnt und sich über das Acromion zu dem gleichen Rande der hinteren Falte der Achselgrube erstreckt. Schulterblatt und Schlüsselbein, die eigentlichen Gürtelknochen der oberen Extremität, fallen demnach nicht mehr in deren Bereich, wofür auch die Thatsache spricht, dass in den seltenen Fällen von angebornem Mangel der oberen Extremität Scapula und Clavicula immer vorhanden sind, während andererseits auch Fälle beobachtet wurden, in welchen bei intactem Bestände der oberen Extremitäten die Clavicula fehlte. Es versteht sich von selbst, dass die angegebene Grenze nur eine rein künstliche ist, um Rumpf und obere Extremität örtlich schärfer zu trennen; sie wird daher von den Theilen, welche die Verbindung der oberen Extremität vermitteln, überschritten und kann selbst von dem topographischen Standpunkte aus nicht mit voller Schärfe festgehalten werden, wie denn z. B. die Regio axillaris zum Theil schon der oberen Extremität angehört, aus praktischen Gründen aber bei der Brust abgehandelt wird. Die oberen Extremitäten sind durch das freieste Gelenk mit dem Rumpfe verbunden, welches denselben erlaubt, ihre Endtheile, die Spitzen der Finger, nahebei mit jedem Punkte der Körperoberfläche in Berührung zu bringen. Die Länge der oberen Extremitäten steht unter normalen Verhältnissen in einer bestimmten Beziehung zu der Körperlänge, und zwar reichen sie bei gerader Stellung in der sogenannten Ruhelage ein Minimum über die Mitte des Oberschenkels, d. h. bis zur Mitte der Linie, welche von dem höchsten fühlbaren Punkte des Trochanter

Schultergegend.

541

maj. bis zu dem Ende des lateralen Condylus des Femur gezogen wird. Unter Ruhelage der oberen Extremität versteht man das einfache Herabhängen derselben am Rumpfe, ohne Contraction irgend eines Muskels, wobei der Vorderarm in der Zwischenstellung zwischen Supination und Pronation sich befindet. Die Beugeseite ist dabei dem Rumpfe zugewandt, der Daumen ist nach vorn, der kleine Finger nach hinten gerichtet. In dieser Stellung sind folgende durch die Weichtheile fühlbaren Knochenpunkte, das Acromion, das Tuberc. maj., der Epicondylus radialis und der Proc. styloid. radii durch eine gerade Linie zu verbinden, was als Anhaltspunkt für die Diagnose von Luxationen und Fracturen nicht ganz unwichtig ist. Uebrigens gibt es von dem erwähnten Längenverhältniss vielfache Abweichungen, und meistens sind nicht einmal die Extremitäten beider Körperhälften absolut gleich lang. In der Regel ist die rechte etwas länger, als die linke, womit wohl auch die bekannte Erfahrung in Verbindung steht, dass die meisten Menschen auch ohne den Einfluss von erziehenden Momenten die rechte obere Extremität hauptsächlich gebrauchen, und daher die Muskulatur derselben meist stärker entwickelt angetroffen wird, als die der linken. Die obere Extremität wird topographisch eingetheilt in die Gegend Einteilung, der Schulter, des Oberarms, des Ellbogens, des Vorderarms, der Handwurzel, der Mittelhand und der Finger. Jede dieser Gegenden zerfällt in eine mediale oder Beugefläche und in eine laterale oder Streckfläche mit alleiniger Ausnahme der Schultergegend, deren mediale Fläche der Achselhöhle als laterale Wand angehört. Schultergegend.

Die Schultergegend, auch Regio deltoidea aus dem Grunde genannt, weil der Deltamuskel in dem ganzen Bereiche der Gegend sich vorfindet und eines ihrer wesentlichen Constituentien bildet, wird oben vorn und seitlich von dem Halse durch das laterale Drittheil der Clavicula und das Acromion abgegrenzt. Als obere hintere Grenze thut man gut, die laterale Hälfte der Spina scapulae zu wählen, welche eigentlich der Scapulargegend angehört, aber durch ihre Beziehungen zu Acromion und Deltamuskel die Configuration der Schulter wesentlich mitbestimmen hilft. Als untere Grenze der Gegend dient die lateralwärts verlängerte horizontale Linie, welche dem unteren Rande der vorderen Achselgrubenwand entspricht Medialwärts begrenzt die Gegend vorn eine Linie, welche von dem

Grenzen,

542

Obere Extremität.

lateralsten Punkte des unteren Randes der vorderen Achselhöhlenwand aufwärts nach der medialen Grenze des lateralen Drittheils der Clavicula, und hinten eine Linie, welche von dem lateralsten Punkte des unteren Randes der hinteren Achselgrubenwand zur Mitte der Spina scapulae geführt wird. Aeussere conDurch diese Grenzbestimmung erhält die Gegend eine gewisse figuration. Aehnlichkeit mit einem halbirten abgestumpften Kegel, dessen Basis nach oben, dessen abgestumpfte Spitze nach unten zu liegen kommt. Das Charakteristische der Schultergegend ist die Wölbung, deren Richtung namentlich nach aussen sich erstreckt. Die Unterlage dieser Wölbung bildet den Kopf des Oberarmknochens, und sie erleidet daher immer Veränderungen, sobald ein Wechsel in der Lagerung dieses Knochenstückes durch Luxation eintritt. Verstärkt wird die Wölbuug durch den mächtigen Deltamuskel, und ihre mehr oder weniger ausgesprochene Abrundung, die besonders bei schön gebauten Frauen hervortritt, erhält sie durch die grössere oder geringere Menge des subcutanen Fettgewebes, Von Knochenvorsprüngen ist durch die Haut fühlbar einmal die Basis des abgestumpften Halbkegels, das laterale Drittheil der Clavicula, das Acromion und die laterale Hälfte der Spina scapulae, dann etwas weniger gut die Spitze des Proc. coracoid., da dieselbe von dem vorderen medialen Rande des M. deltoid. verdeckt ist. Dieselbe steht von dem oberen vorderen Endpunkt der Gegend ab- und lateralwärts gegen 3 cm ab. Durch die Masse des Deltamuskels fühlt man ferner, zwar nicht sehr deutlich, aber doch auch bei muskulösen Personen annähernd genau in der Ruhelage des Armes das Tubercul. majus des Oberarmknochens, schichten. Die in der Schultergegend übereinander gelegenen Theile sind nur wenig zahlreich. Unter der Haut und dem subcutanen Bindegewebe findet sich in der ganzen Gegend der nur mit einer dünnen Bindegewebehülle überzogene Deltamuskel. Hierauf folgt eine schwache Lage weitmaschigen und sehr nachgiebigen Bindegewebes, welches jede mögliche Verschiebung des Muskels auf den darunter liegenden Theilen zulässt. Darunter findet sich der Knochen nebst Ursprüngen und Ansätzen von Muskeln. Mit dem Knochen präsentirt sich in dieser Lage auch die Gelenkkapsel, nach deren Trennung die Höhle des Scapulo-humeralgelenkes vorliegt. Für das praktische Bedürfniss ist es vollständig genügend, die Gegend als nur aus zwei Schichten bestehend zu betrachten und sie in eine äussere Lage (Haut und Deltamuskel) und in eine innere (unter dem Deltamuskel gelegene Theile) zu gliedern.

Schultergegend.

543

Rücksichtlich der Haut und des fetthaltigen subcutanen Bindegewebes hat nur die Vertheilung der Hautnerven einige praktische Bedeutung, Diejenigen Nerven, welche die den clavicularen und acromialen Theil des M. deltoid. deckende Haut versorg.en, stammen aus den unteren Verzweigungen der Nerv, supraclaviculares, die dem Plex. cervical. angehören; dagegen sind die Nerven der über der scapularen Partie des Deltamuskels gelegenen Haut der Schulter Zweige eines Hautastes des N. axillar., der von dem Plex. brachial, abgeht. Nicht ganz selten sind nun Lähmungen des Deltamuskels als Folge von Schulterluxationen, und zwar werden dieselben bedingt durch Zerreissungen oder Contusionen des Nerv, axillar, und sind begleitet von Anaesthesie der hinteren Schulterhaut. Prüfung des Standes der Sensibilität dieser Hautpartie kann für die Muskellähmung bisweilen einen prognostischen Werth haben. Der nach Art des grossen Glutaeplmuskels fascikulirte Muse, deltoid. gehört mit seinem clavicularen und acromialen Ursprung ganz, dagegen mit seinem scapularen nur zur Hälfte der Schultergegend an; denn der dünne, sehnig häutige Ursprung des Muskels von der medialen Hälfte der .Spina scapul., sowie die Insertion an dem Oberarmknochen liegt ausserhalb der Schultergegend, während der mediale Rand der Olavicularportion die vordere mediale Grenze der Gegend bildet, welche in der seichten, von der Ven. cephal. eingenommenen Furche zwischen dem Muse, deltoides und pectoral. major gegeben ist. Der Deltamuskel ist der Abzieher oder Heber des Armes, und zwar vermag er den Arm bis zur Horizontallage zu heben ohne die Beihilfe anderer Muskeln; über die Horizontalebene kann aber der Muskel den Arm nicht bringen, weil dieses die Spannung der unteren Partie des Gelenkbandes nicht zulässt. In allen Fällen von Lähmung des M. deltoid. kann demnach der Arm nicht mehr abgezogen werden. Diese Fälle, welche, wie gesagt, bisweilen die Folgen von Luxationen sind, haben immer eine ernste Bedeutung, da sie öfter der Heilung ganz unzugänglich sind. Unter der Olavicularportion des M. deltoid. findet sich hart an dem medialen Rande des Muskels der Proc. coracoid. mit dem vereinigten Ursprung des M. coracobrachialis und des kurzen Bicepskopfes. Ziemlich häufig kommt über der Spitze dieses Fortsatzes ein kleiner Schleimbeutel, die Bursa mueosa coracoid., vor. Etwas unter und ein wenig lateral von dem Proc. coracoid. liegt das Tuberc. minus mit dem Ansatz des M. subscapul., der hier, die Gelenkkapsel verdeckend und mit derselben verwachsen, bis zu dem chirurg.

544

Obere Extremität.

Halse des Oberarmknochens reicht. Unmittelbar unter dem unteren Rande des M. subscapul. verlauft in lateraler Richtung, aus der Achselhöhle kommend und gedeckt von dem vereinigten M. coracobrach. und .dem kurzen Bicepskopf, die schwache Art. circumfl. humeri ant., die hauptsächlich an der Gelenkkapsel sich verzweigt. Parallel mit derselben geht die etwas tiefer gelegene, beträchtlich stärkere und gleichfalls aus der Achselhöhle kommende Art. circumfl. hum. post. hinten um den chirurg. Hals des Knochens, begleitet von dem unmittelbar darüber gelegenen Nerv, axillaris oder circumflexus, einem der kürzeren Aeste des PI ex. brachial. Unter dem Grenzgebiet zwischen Portio clavicul. und acromial. des Deltamuskels findet sich der Sulc. intertubercul. mit der darin gelegenen Sehne des langen Bicepskopfes. An die Spina tuberc. min. treten unterhalb des chirurg. Halses des Oberarmknochens und gedeckt von dem vereinigten M. coracobr. und kurzen Bicepskopf die bandartigen Sehnen der M. latiss. dorsi und teres maj. zur Insertion heran, während sich an die Spina tub. maj., den vereinigten M. coracobr. und kurzen Bicepskopf, sowie die in dem Sulc. intertub. gelegene Sehne des langen Bicepskopfes überbrückend, die Sehne des M. pectoral, maj. ansetzt, und zwar beginnt diese Insertion schon unterhalb des chirurg. Halses und erstreckt sich bis an die untere Grenze der Schultergegend. Unter die acromiale Portion des Deltamuskels fällt das Tub. maj. mit seinen drei Facetten. Die laterale Prominenz dieses starken Höckers ist die wesentliche Ursache der Schulterwölbung in der Ruhelage des Armes, insoweit dieselbe durch den Knochen bedingt ist. Zwischen dem Tub. maj. und dem Muskel findet sich ein constanter umfangreicher und oft mehrfächeriger Schleimbeutel, die Bursa mucosa subdeltoidea. Von der scapularen Portion des M. deltoid. überdeckt ist das laterale Drittheil des M. infraspin., die laterale Hälfte des M. teres min. und der Ursprung des langen Kopfes des M. triceps brachii. In der kleinen Lücke, welche medial von dem M. triceps, lateral von dem Oberarmknochen oben von dem unteren Rande des M. ter. min. und unten von dem M. ter. maj. begrenzt wird, erscheint die Art. circumfl. hum. post. (Fig. 100. 13), um sich alsbald, in mehrere Aeste gespalten, in die dem Knochen zugewandte Fläche des Deltamuskels einzusenken, dessen hauptsächliches arterielles Gefäss sie •bildet. Der unmittelbar über der Art. gelegene N. axillar. (Fig. 100. 14) tritt nach Abgabe des bereits erwähnten Hautastes und von für den

Schultergegend»

545

M. ter. min., sowie für den langen Tricepskopf bestimmten Zweigen gleichfalls mit der Arterie in den Deltamuskel ein. Vor der Betrachtung des Schultergelenks sei jenes das Gelenk schützenden Daches gedacht, welches als Fornix axillaris oder humeralis beschrieben wird. Man versteht darunter das die Gelenkkapsel oben

Hg. 100. Scapulargegend nach Entfernung des M. trapezius mit Bloslegung des Schultergelenka.

,

1 Spina scapulae mit Acromion. 2 Gelenkkopf des Humerus. 3 M. deltoides eingeschnitten und zurückgeschlagen. 4 M. supraspinatus. 5 M. infraspinatus. 6 U. teres minor. 7 M. teres major.

8 Langer Kopf des M. triceps. 9 U. latlBsimus dorsl. 10 Lig. trans vera um Bcapulae. 11 Art. transversa scapulae. 12 N. suprascapularls. 13 Art. clrcumflexa humeri posterior. 14 N. circumflexus. 15 Art. clrcumflexa scapulae.

und etwas nach vorn überragende bogenartige Gebilde, welches vorn mit der Spitze des Proc. coracoid. beginnt, sich durch das starke und straff gespannte Lig. coraco - acromiale auf das Acromion fortsetzt und mit dem hinteren Ende des Acromion aufhört. An dem Bandpräparate fällt eine zwischen dem Fornix humeral, und der Gelenkkapsel befindliche weite Lücke auf, welche zur Fossa supraspin. O e r l a c h , Anatomie des Menschen.

35

Fornix humeralis

'

546

Schultergelenk.

Obere Extremität.

führt und die an der nicht skelettirten Leiche von dem M. supraspin. ausgefüllt wird. Die vordere Hälfte des Fornix, nämlich jene, welche aus der Spitze des Proc. coracoid. und dem Lig. coraco-acrom. besteht, ist gedeckt von der clavicularen, die hintere durch das Acromion gebildete von dem acromialen Ursprung des Deltamuskels. Zwischen dem oberen Rande der vorderen Hälfte des Fornix und dem clavicularen Ursprung des M. deltoid. findet sich ein dreieckiger Raum das Trigonum coraco-acromiale, welches, bei mageren Personen von geringer Muskelentwicklung, äusserlich als seichte Grube gesehen oder doch gefühlt werden kann. Die nach abwärts sehende Basis dieses Dreiecks wird von dem Lig. coracoacrom., die mediale Kathete von dem Proc. coracoid. und die laterale von dem acromialen Ende der Clavicula gebildet. Durch dieses Dreieck zieht sich in lateraler Richtung der Endast der zu dem Deltamuskel tretenden Art. thoracico-acromial. Der Boden des Dreiecks ist in dem M. supraspin. gegeben, dessen ziemlich starke Fascie mit dem oberen Rande des Lig. coraco-acromial zusammenfliesst. D j e Kapsel des Schultergelenkes ist einerseits an die knöcherne Umrandung der Gelenkfläche der Sapula, andererseits an den anatomischen Hals des Oberarmknochens angeheftet und wird von der ersteren nach der letzteren Anheftungsstelle weiter. Die Länge der Kapsel ist beträchtlicher als bei irgend einem anderen Gelenk, so dass bei Lufteintritt in die Höhle die beiden Gelenkflächen um 2 cm von einander abgezogen werden können. Die Anheftung der Kapsel an der Gelenkfläche der Scapula steht in Verbindung mit der äusseren Fläche des Glabrum glenoideum und schliesst das Tuberc. supraglenoidale ein, das infraglenoid. dagegen aus. Die Anheftung der Kapsel an dem anatomischen Halse des Oberarmknochens gestaltet sich in der Art, dass dieselbe in der Höhe des Tuberc. maj. und min. unmittelbar an dem Rande der überknorpelten Gelenkfläche geschieht, während unten von der Gelenkkapsel noch ein nahezu 1 cm langer, nicht überknorpelter Knochentheil umschlossen wird. Die Gelenkkapsel wifd verstärkt oben durch das Lig. coracohumerale, welches, von dem lateralen Rande des Proc. coracoid. kommend, unter dem Lig. coraco-acromiale zu der oberen Fläche der Gelenkkapsel tritt. Oben und hinten ist es die Sehne des M. supraspin., hinten sind es die Sehnen der M. infraspin. und teres min., welche, bevor sie sich an den drei Facetten des Tuberc. maj. inseriren, Verbindungen mit der Gelenkkapsel eingehen und dadurch

SchultergegencL

547

zur Verstärkung derselben beitragen. Vorn verhält sich zur Kapsel in ganz derselben Weise die Sehne des M. subscapul., bevor sie sich an dem Tuberc. min. befestigt. Diese Verwachsungen der Sehnen der genannten Muskeln mit der Gelelenkkapsel äussern aber auch ihren Einfluss auf das Verhalten der letzteren bei den verschiedenen Stellungen des Oberarmkopfes zu" der Gelenkfläche der Scapula. So

Frontal schnitt durch das Scapulo-humeralgelenk bei herabhängendem Ann. 1 2 3 4 5 6 7

Scapula. Kopf des Humerus. Clavlcula. Process. coracoid. Acromion. Gelenkkapsel mit Aussackung nach abwärts. Ursprung der Sehne des langen Bicepskopfes.

8 Sehne des langen Blcepskopfes nach ihrem Austritt aus der Gelenkkapsel mit dem Durchschnitt der Bursa synov. lntertub. 9 Llg. coraco-acromiale. 10 Muse, trapezlus. 11 Muse, deltold. 12 Muse, anconaeus long, (langerTrlcepskopf).

wird bei der Rotation nach aussen die Kapsel durch die vereinigte Wirkung des M. infraspin. und teres min., bei der Rotation nach innen durch die Contraction des M. subscapul. und bei der Abduction durch die des M. supraspin. und durch die Elasticität des straffen Lig. coraco-humerale retrahirt. Nur unten fehlt eine solche Einrichtung, und desshalb legt sich bei Adduction des Oberarms der untere Theil des Kapeelbandes in eine gegen 1 cm lange Falte (Fig. 101), deren nach unten sehende Umschlagsstelle, zwischen dem Knochen und dem langen Tricepskopfe gelegen, bis zu dem Nerv. 35*

548

Obere Extremität

axill. und der Art. circumfl. hum. post. herabreicht. Unten ist auch die einzige Stelle, an der die Möglichkeit eines faltenförmigen Hervortretens der Gelenkkapsel gegeben ist, da dieselbe an den anderen Seiten ganz von Muskulatur umgeben erscheint. Die beiden synovialen Ausstülpungen der Gelenkkapsel werden als Bursa synov. intertubercularis oder bicipitalis und subscapularis

1 2 3 4 6 6 7

Fig. 102. Horizontalschnitt durch den oberen Thell der Achselhohle und das Scapulo-humeralgelenk. 14 Art. axillaris. Scapula. 8 M. pectoral. maj. 15 Vena axillaris Gelenkkopf des Humerus. 9 M. pectoral. min. Gelenkkapsel u. Bure, synov. 10 M. coracobrach. und Cap. 16 Nerven des Plexus subscap. brachlalis. breve M. blclpitls. 17 Lymphdrüsen. M. Infraspinatus. 11 Sehne d. langenBlcepskopfes. 18 Vena cephallca. M. subscapul. 12 Thoraxwand. M. serrat. ant. maj. 19 Schleimbeutel. 13 Achselhöhle gefüllt mit fettM deltoideus. haltigem Bindegewebe.

Schultergegend.

549

bezeichnet. Die erstere findet sich an der Austrittsstelle der Sehne des langen Bicepskopfes aus der Gelenkkapsel (Fig. 101. 8). An dieser Stelle ist nämlich die Anheftung der Kapsel an den Knochen lückenhaft, insoweit die Rinne zwischen Tub. maj. und min. nur von der Kapsel überbrückt wird. Diese Rinne ist allerdings ausgefüllt von der Sehne des langen Bicepskopfes, jedoch nicht haarscharf; sie wird aber letzteres durch die Synovialhaut, welche sich bläschenförmig um die Sehne hervorstülpt Die viel grössere Bursa synovial, subscapul. (Fig. 102) drängt sich durch eine Art Querspalte, welche sich an der medialen Wand der Gelenkkapsel in der Höhe der Wurzel des Proc. coracoid. findet, vor, ist aber von der oberen Partie des M. subscapul. nach vorn gedeckt und von diesem Muskel ^häufig durch einen geschlossenen Schleimbeutel geschieden. Die in dem Schultergelenk sich gegen einander verschiebenden Theile sind die freie Fläche des Gelenkkopfes der Scapula, welcher die Pfanne bildet, und der Kopf des Oberarmbeins. Die Pfanne ist ovalär gestaltet, da ihr verticaler Durchmesser den sagittalen um ein Drittheil übertrifft. Der Knorpelüberzug der Pfanne ist in der Mitte am dünnsten und verdickt sich nach den Rändern zu, wo er in Continuität mit einem mehrere Millimeter hohen, kammartig sich erhebenden Bindegewebeknorpel steht (Labrum glenoideum), der den ganzen Rand der Pfanne mit Ausnahme des Tuberc. supraglenoid. umgibt und mit zur Vergrösserung der Gelenkfläche und Vertiefung der Pfanne beiträgt. Die Ueberknorpelung des Humeralkopfes beginnt an der Grenze des anatomischen Halses des Knochens und ist am Rande am schwächsten, in der Mitte am stärksten, verhält sich also umgekehrt, wie der Knorpelüberzug der Pfanne. Der überknorpelte Gelenkkopf beträgt etwas mehr als den dritten Theil einer Kugel von 16 mm Radius. Dis Berührungsfläche zwischen Gelenkkopf und Pfanne mit Einschluss des Labr. glenoid. miset in dem horizontalen Schnitt nicht ganz die Hälfte nnd in dem frontalen Verticalschnitt fast drei Viertel des überknorpelten Gelenkkopfes. Diese geringe Ausdehnung der Berührungsfläche ist neben der Weite der Gelenkkapsel die Ursache der grossen Beweglichkeit des Gelenkes. Die Rotation nach aussen und innen ist an dem Schultergelenk desshalb ausgiebiger, weil in dem horizontalen Schnitt die Berührungsfläche kleiner, und die Ab- und Adduction desshalb etwas geringer, weil in dem frontalen Verticalschnitt die Berührungsfläche beider Gelenkenden grösser ist. Die durch die bereits erwähnte Lücke der Gelenkkapsel an dem Sulcus intertubercul. ein-

550

Luxationen in dem

geienklter

Obere Extremität.

getretene Sehne des langen Bicepskopfes geht, sich abplattend, in ihrer synovialen Scheide durch die Gelenkhöhle zu ihrem Ursprungspunkte, dem intra-articularen Tuberc. supraglenoid. An keinem Gelenke kommen in Folge der weiten Gelenkkapsel UQ d der kleinen Berührungsfläche beider in Gelenkverbindung stehenden Knochenenden so häufig anomale Verschiebungen der letzteren Luxationen und Subluxationen vor, als an dem Schultergelenk. Betrachten wir zunächst die ersteren, bei welchen der

1 2 3 4

Fig. 103. FrontalschDitt des Scapulo-humeralgelenks bei gehobenem Arm. Nach H e n k e . Scapula. 5 Acromion. 9 Muse, deltoid. Kopf des Humerus. 6 Gelenkkapsel. '10 Muse, anconaeus longus. flavlcula. 7 Lig. coraco-acromlale. (Langer Tricepskopf.) Proc. coracoid. 8 Muse, trapezius.

Oberarmkopf ganz aus der Gelenkhöhle heraustritt und keine Berührung mehr mit der Gelenkfläche der Scapula hat. Der Austritt des Gelenkkopfes kann stattfinden nach vorn, nach hinten und nach unten, dagegen nicht nach oben, weil hier der Fornix humeralis einen Widerstand der einwirkenden Gewalt entgegensetzt, der nur mit dem Bruche des Acromions überwunden werden kann. Von diesen Luxationen ist weitaus die häufigste jene nach vorn und medianwärts, was theilweise auch eine anatomische Begründung darin hat, dass die mediale vordere Wand der Gelenkkapsel am

Schultergegend.

551

wenigsten stark ist, und sich ferner hier die bereits erwähnte Querspalte derselben für die Bursa synovial, subscapul. findet. Eine Zerreissung der Gelenkkapsel wird hier also am leichtesten vor sich gehen können. Bei der Luxation nach vorn gelangt der Gelenkkopf auf die vordere Fläche der Scapula unter den M. subscapul. Befindet sich der Gelenkkopf unterhalb des Proc. coracoid., so haben wir die Luxatio subcoracoidea, tritt er aber weiter hinauf hinter den Proc. coracoid., so kommt es zur Luxatio intracoracoidea, und geht der Gelenkhopf noch weiter hinauf bis in die Fossa infraclavicul., so wird die Luxation als subclaviculare bezeichnet. Was die Gefässe und Nerven der Achselhöhle bei der Luxation nach vorn betrifft, so sind sie durch ihre Lage vor dem M. subscapul. gegen eine unmittelbare Einwirkung des dislocirten Gelenkkopfes geschützt und werden nur in soweit gedehnt und aus ihrer normalen Lage gebracht, als der M. subscapul. durch den Gelenkkopf von der Fossa subscapul. abgedrängt wird. Am stärksten werden dabei getroffen, als dem Gelenk zunächst gelegen, die Art. circumfl. hum. post. und der N. axillar. Die Arterie ist durch ihre hochgradige Elasticität vor Zerreissung in Folge der starken Dehnung geschützt, dagegen kommt es bei dem minder elastischen N. axill. bisweilen zur Zerreissung, als deren Folge die Unmöglichkeit der Abduction des Armes, bedingt durch Lähmung des Deltamuskels, auch nach Einrichtung der Luxation zurückbleibt. Viel seltener ist die Luxation nach hinten, wobei in den meisten Fällen der Gelenkkopf noch unter dem Acromion bleibt, in welchem Falle die Luxation als subacromiale bezeichnet wird. Nur ganz ausnahmsweise gelangt der Gelenkkopf wirklich in die Fossa infraspin. zwischen Scapula und M. infraspinat. Die Luxation nach unten ist ausgezeichnet durch die starke Adduction des Armes, kommt aber nur selten vor. Der Gelenkkopf steht dabei auf der lateralen Kante der Scapula unter der Gelenkfläche, woher auch die Bezeichnung Luxatio subglenoidea rührt. Von dem anatomischen Gesichtspunkte aus sind bei dieser Luxation die Art. circumfl. hum. und der N. axillaris am meisten gefährdet. Die Subluxation ist anatomisch dadurch charakterisirt, dass der Gelenkkopf nicht ganz, sondern nur theilweise aus der Gelenkhöhle getreten ist. Der Gelenkkopf steht dabei auf der Leiste des Läbr. glenoid., welches die Gelenkfläche der Scapula umgibt und reitet gleichsam auf demselben. Es ist an sich schwer verständlich, wie eine kugelförmige Fläche im Gleichgewicht bleiben kann auf einer

552

Obere Extremität.

Kante, deren beide Seitenflächen schräg abfallen; allein die Möglichkeit eines solchen Verhältnisses erklärt sich durch die Art des Kapseleinrisses, der bei der Subluxation nur eine geringe Ausdehnung hat. Durch diesen Riss ragt der ausgetretene Theil des Gelenkkopfs hervor und wird durch denselben auf der Kante der Gelenkfläche der Scapula fixirt, und zwar ganz in derselben Weise, wie ein zu enges Knopfloch den Knopf zwar nicht durchtreten lässt, jedoch denselben festhält. Der Oberarm. Grenzen.

AeuBsere con-

figuration.

Der Oberarm hat in der topographischen Anatomie eine viel geringere Ausdehnung als der den gleichen Namen führende Knochen. Oben trennt denselben von der Schulter eine Linie, welche horizontal in der Verlängerung des unteren Randes "der Achselgrube gezogen wird, unten fehlt für die Abgrenzung des Oberarms gegen den Ellenbogen eine äusserlich schärfer hervortretende Stelle. Man nimmt desshalb als untere Grenze eine Linie an, welche 2 cm über den leicht fühlbaren Epicondylen gezogen wird, weil dieselbe der Anheftungsstelle des Kapselbandes des Ellenbogengelenkes an dem Oberarmknochen entspricht. Bei Frauen und Kindern ist der Oberarm wegen der hier meist reichlicheren Fettunterlage abgerundet und stellt einen Cylinder dar, der gegen die Schulter zu um ein Weniges an Durchmesser gewinnt; bei dem Manne dagegen, bei welchem die Muskulatur durch die Haut mehr hervorspringt, ist an der Beugeseite auch in der Haut der Wulst des M. biceps angedeutet, wodurch die Beugeseite die Gestalt eines Prismas mit abgerundeten Kanten erhält. Zu beiden Seiten des Bicepswulstes treten, namentlich bei gestrecktem Arm und gleichzeitiger Contraction der Beugemuskeln, zwei Furchen in Sicht, die als Sulcus bicipitalis ulnaris und radialis bezeichnet werden. Der erstere ist schon an der oberen Grenze der Gegend bemerklich und verliert sich in der Achselgrube, während er sich unten gegen die Plica cubiti abflacht. Der Sulc. bicipit. rad. erscheint immer kürzer, indem er gegen den Ellenbogen durch das Hervortreten des M. brachioradialis verdeckt wird und nach oben nur bis zur Insertion des Deltamuskels sich erstreckt, wo er in die beiden seichten, die vordere und hintere Grenzlinie des letzteren Muskels bezeichnenden Furchen auslauft. Die Streckseite des Oberarms erscheint auch bei dem Manne oben abgerundet, flacht sich aber nach dem Ellenbogen zu immer mehr ab. Da der Knochen unserer Gegend allseitig von Fleisch-

Der Oberarm.

553

rnassen umgeben ist, so lässt sich von demselben wenig durch die Haut fühlen. In dem oberen Theile der Gegend kann man auf der Streckseite bei tieferem Drucke die Insertionsstelle des Deltamuskels wahrnehmen und an dem unteren Theile, ausgehend von den bereits dem Ellenbogen angehörenden Epicondylen, kann man gleichfalls bei stärkerem Druck die ulnare und radiale Crista condyloidea, jedoch nicht sehr weit nach oben verfolgen. Durch die beiden Ligamenta intermuscularia, welche sich von der Binde des Oberarms bis zu dem Knochen erstrecken und sich an den Christ, condyloid. befestigen, wird der Oberarm in eine Beugeund Streckseite geschieden; äusserlich ist diese Trennung kaum angedeutet, kann aber durch folgende Linien ausgedrückt werden, nämlich auf der radialen Seite durch eine Linie, welche von dem leicht fühlbaren Epicond. rad. nach der Insertionsstelle des Deltamuskels gezogen wird und auf der ulnaren Seite durch eine Linie, welche an dem Epicond. uln. beginnend nach der Mitte der Achselgrube verlauft. Entsprechend diesen beiden Linien gliedert sich die topographische Beschreibung des Oberarms in die der Regio flexoria und extensoria.

Beuge- und Streckseite des Oberarms.

An der Beugeseite unterscheidet man folgende über einander gelegenen Schichten: die Haut, das Unterhautbindegewebe, die Fascie, die Muskulatur und den Knochen. Die Haut ist auf der Beugeseite immer zarter und feiner als auf der Streckseite und mit wenigen feinen Wollhaaren besetzt. Das darunter liegende, mehr oder weniger fetthaltige Bindegewebe ist individuell sehr verschieden entwickelt, aber immer so nachgiebig, dass die Haut leicht über der Binde verschoben werden kann.

Beugeseite des

Die nicht sehr starke Fascia brachii, welche oben in die Binde der Achselgrube übergeht, besitzt ziemlich in der Mitte des Sulc. bieipit. uln. eine feine Querspalte, durch welche die Ven. basilica und der Nerv, cutan. med. treten. Unterhalb dieser Spalte verlaufen beide, die Vene ulnar, der Nerv radial gelegen, in dem Sulc. bieipit uln. weiter nach abwärts. Die in dem Sulc. bieipit. rad. befindliche Ven. cephal., welche über der oberen Grenze der Gegend in der Furche zwischen M. deltoid. und pectoral. maj. weiter verlauft, liegt dagegen ganz extra fasciam. Zwischen den beiden Hautvenen kommen an der Beugeseite nur ausnahmsweise vereinzelte anastomotische Verbindungen vor. Die Nerven der Haut stammen auf der ulnaren Seite der Gegend von dem Nerv, cutan. med., auf der radialen dagegen

gewehten

554

Obere Extremität.

von jenem Hautast des N. axillaris, dessen bereits oben bei der Schulter gedacht wurde. Art. bracbiaüs Löst man die Fascie von den unterliegenden Theilen, an welche u. N. medionus. g j 0 Ausnahme der Lig. intermuscul durch wenig und laxes Bindegewebe lose angeheftet ist, so liegt frei der M. biceps und in dem Sulc. bicipit. uln. der Gefässnervenstrang in einer mit der Fascie in Verbindung stehenden Scheide. Derselbe besteht aus dem N. median. (Fig. 104. 17), der Art. brachial. (Fig. 104. 9) und gewöhnlich aus zwei die Arterie begleitenden Venen. Am oberflächlichsten liegt der N. median., welcher astlos bis zur Ellenbeuge verlauft, nicht selten aber durch einen Ram. anastomoticus mit dem zwischen M. biceps und brachialis intern, befindlichen N. cutan. extern, zusammenhängt. Das Lagerungsverhältniss des N. median, zu der Art. brachial, ist ein wechselndes, da der Nerv mit der Arterie eine sehr lang gezogene Kreuzung in der Art bildet, dass er in der Höhe der Achselgrube und an dem obersten Ende unserer Gegend an der radialen Seite der Arterie, dann über die Art. tretend und in dem grössten Theile der Gegend über der Arterie, selten unter derselben gelegen, an dem unteren Ende der Gegend ulnar von der Art. zu liegen kommt. Die Art. hat zu beiden Seiten die zwei schwachen Ven. brachiales, welche über der Art. meist durch mehrere kurze Anastomosen in Verbindung stehen. Erst in der Achselhöhle treten beide Venen zu einer zusammen und bilden nach Aufnahme der V. basilica die stattliche Ven. axillaris. Die Richtungslinie der Art. brachial, beginnt zwischen dem vorderen und hinteren Rande der Achselgrube und erstreckt sich bis zu dem Halbirungspunkte einer Linie, welche auf der Beugeseite zwischen beiden Epicondylen gezogen wird. Ausser schwachen Muskelästen zu dem M. biceps und brachial, int. gibt die Brachialarterie nur von ihrer ulnaren Seite Aeste ab, von welchen der stärkste die Art. profunda brachii an dem obersten Ende der Gegend oder selbst in der Achselhöhle sich ablöst, aber auch "gar nicht selten statt aus der Art. brachial, höher oben aus der Art. circumfl. hum. post. abgeht. Diese Art. tritt aber alsbald zur Streckseite des Oberarms, wo wir ihr wieder begegnen werden. Kurz darunter, gleichfalls in dem oberen Bezirke der Gegend, entspringt aus der Art. brachial, die obere collaterale Ulnararterie, welche sich alsbald dem N. ulnaris zugesellt und als dessen Begleiter hinter dem Lig. intermuscul. uln., also bereits auf der Streckseite verlauft. Nahe dem unteren Ende der Gegend geht von der Brachialarterie die untere collaterale Ulnararterie ab, welche, auf der Beuge-

Der Oberarm.

555

seite bleibend zu dem Ursprungspaquet der oberflächlichen Vorderarmbeuger tritt, die von dem Epicond. uln. entspringen. In practischer Beziehung sind wegen ihrer Häufigkeit gewisse Anomalien der Art. brachial., die man unter dem Namen der hohen Theilung dieser Art. zusammenfasst, von Wichtigkeit. Schon auf 5 bis 6 Individuen kommt ein Fall von hoher Theilung vor; dieselbe ist in einem Drittheile der Fälle an beiden Armen^ desselben Individuums vorhanden,

gegen ist sie nur auf

^

~

und dann ist fast im-

3— —f—

hoch abgehende Gefäss -^«MEI^^ Fig. 104. in der Regel die Art. Durchschnitt In der Mitte des Oberarms. radial., die am häufig1 Oberarmknochen. 13 Ven cephalica. sten in dem oberen 2 Lig. intermuscul. ulnare. 14 und 15 Hautvenenäste. 3 Lig. Intermuscul. radiale. 16 N. cutaneus ext. oder musDrittheil, seltener in 4 Muse, biceps. culo-cutaneus, zwiscbenM. dem unteren und am 6 Musc, brachial, intern. bíceps und M. brach. Int. 6 Musc, triceps, anconaeus durchtretend. seltensten in dem mittradialis. 17 N. medlanus. leren Drittheil von dem 7 Musc, triceps ancón, long. 18 N. cutan, medius, bereits lntra fasclam. 8 Musc, triceps anron. ulnaris arteriellen Stamme sich 19 N. ulnaris hegleitet von der 9 Art. brachialis. trennt. Dasjenige Ge- 10 Art. profunda brachii. Art. collat. uln. super. 20 N. radialis. fäss, welches später die 11 Ven. brachialis. 21 Aeste deB N. rad zum Muse, 12 Ven. basilica, bereits intra Art. interossea abgibt, tríceps. fasclam. wird als das Stammgefäss, als die eigentliche Art. brach, betrachtet. In diesem Sinne ist in drei Viertheilen der Fälle hoher Theilung die Art. uln. das hochabgehende Gefäss, und es erfolgt die Theilung, wie bereits erwähnt, fast immer schon in der Achselhöhle. Zunächst verlaufen dann beide Gefässe in dem oberen Drittheil des Oberarms nebeneinander, dann trennt sich die Art. ulnar, spitzwinklig von dem in dem Sulc. bicipit. uln. die normale Verlaufsweise einhaltenden

Varietäten der Art braclüaIls

'

-

556

Muskeln der Beageseite.

Obere Extremität.

Stammgefäss, um oberflächlich, aber intra fasciam bleibend, über das Paquet der nach ihrem Ursprung von dem Cond. uln. noch vereinigten Beuger zu treten und erst in der Mitte des Vorderarms in ihr normales Lageverhältniss zwischen die Sehnen des Flex. carp. uln. und digitor. commun. zu gelangen. Sehr selten findet bei hoher Theilung der Abgang der Art. uln. in dem unteren Drittheil des Oberarms oder selbst noch tiefer in der Ellenbeuge unmittelbar über der normalen Theilungsstelle statt; aber auch in diesem Falle hat die Art. uln. den anomalen oberflächlichen Verlauf über dem Ursprungspaquet der Beuger am Vorderarm Ist die Art. rad. das hochabgehende Gefäss, so erfolgt, wie erwähnt, die Theilung fast immer in dem oberen Drittheil des Oberarms. Beide Gefässe laufen in dem Sulc. bicipit. uln. neben einander, die Art. rad. radial, die Art. uln. ulnar, oder was noch häufiger der Fall zu sein scheint, die Art. rad. ulnar und die Art. uln. radial gelegen, in welch letzterem Falle höher oder tiefer eine Kreuzung beider Gefässe vorkommt. Die Trennung beider Gefässe erfolgt in der Regel erst in der Nähe der unteren Grenze der Oberarmgegend, und zwar entweder in der Art, dass die Art. rad. oberflächlich über den Lacertus fibrosus der Bicepssehne, bevor derselbe zur Verstärkung in die Fascia antibrachii eingetreten ist, noch gedeckt von der Oberarmbinde weggeht, oder dass sie unter dem Bicepsmuskel und dessen tiefer Sehne durchtritt, "während das Stammgefäss entsprechend dem Verlaufe der Art. brach, unter dem Lacertus in die Plica cubiti eintritt. Eine andere Varietät, die auch practische Bedeutung erlangen kann, ist die sogenannte Art. aberrans. Man versteht darunter einen abnormen, oft recht beträchtlichen Seitenast der Art. brachial., welcher in verschiedenen Höhen von derselben abgehen kann und, den N. median, begleitend, zwischen den beiden Ursprungsportionen des M. pronator teres durchtritt, um in den Stamm der Art. ulnar, vor Abgabe der Art. interossea zu münden. Diese Anomalie ist jedoch viel seltener als die hohe Theilung der Art. brachialis. Die Muskeln der Beugeseite des Oberarms sind der M. biceps U Q ( j brachial, intern. (Fig. 104. 4 und 5); ferner fallen in die Gegend ') Diese Anomalie bereitete mir vor mehreren Jahren in dem Secirgaal eine unangenehme Ueberraschung. Ein Präparant wollte die Schärfe seines Messers prüfen und führte dasselbe über die Stelle seines Rockes, unter welcher das Beugerpaquet liegt, leider mit etwas zu viel Energie; denn es erfolgte eine intensive arterielle Blutung, welche die Unterbindung beider Enden der anomal gelagerten durchschnittenen Art. ulnar, notliwendig machte.

Der Oberarm.

557

der Ansatz des M. coraco-brachialis, sowie der Ursprung des M. brachioradialis (früher M. supinator longus genannt). Von diesen zeichnet sich der M. biceps dadurch aus, dass er über den Oberarmknochen einfach weglauft, ohne mit demselben in ein Ursprungs- oder Ansatzverhältniss zu treten, was desshalb nicht ganz unwichtig ist, weil sich derselbe aus diesem Grunde bei Amputationen des Oberarms stärker retrahirt als die übrigen Muskeln. Unter dem M. biceps befindet sich der N. cutan. radial., auch musculo-cutaneus (Fig. 104. 16) desshalb genannt, weil er nicht nur die Radialseite der Haut des Vorderarms, sondern auch die Muskulatur auf der Beugeseite des Oberarms versieht. Derselbe gelangt, kurz nachdem er durch den Schlitz des M. coracobrachial. getreten, unter den M. biceps und verlauft zwischen diesem und dem M. brachial, int. schräg radialwärts, so dass er erst nahe der unteren Grenze der Gegend in den Sulc. bicipit. rad. gelangt, die Fascie aber erst in der Ellenbeuge durchbricht. Der M. brachial, int. ist zwar viel kürzer, aber beträchtlich breiter als der M. biceps. Derselbe entspringt in dem oberen Drittheil der Gegend mit zwei Zacken, welche die Insertionsstelle des Deltamuskels umfassen, und erst von diesem Ursprung an wird die Scheidung des Oberarms in eine Beuge- und Streckseite schärfer markirt; denn die beiden Lig. intermuscul. reichen nicht weiter hinauf, als bis an die Ursprungsstelle des M. brachial, intern. Das stärkere Lig. intermusc. uln. (Fig. 104. 2) beginnt mit der Insertion des M. coraco-brachial., welche in das obere Drittheil der Oberarmgegend fällt, in ziemlich gleiche Höhe mit dem Ursprung des M. brachial, int. Das Lig. intermuscul. uln. kann gleichsam als langgezogene, nach abwärts sich verbreiternde Sehne des M. coraco-brach. angesehen werden, welche erst an dem Epicond. uln. ihr Ende erreicht. An dieses Band schliesst sich der dünner werdende ulnare Rand des M. brach, int. hart an und bildet mit ihm die Unterlage des Sulc. bicipit. uln. Das Lig. intermuscul. rad. (Fig. 104. 3) beginnt schwach an der Insertionsstelle des Deltamuskels, welche denjenigen Punkt des Oberarms darstellt, an welchem der Knochen der Haut am nächsten liegt, d. h. am wenigsten durch Fleischmassen von derselben getrennt ist, da hier die Ursprünge und Ansätze von drei Muskeln zusammentreffen. In der oberen Hälfte des Oberarms begrenzt das Lig. intermuscul. rad. den radialen Rand des M. brach, int., in der unteren schiebt sich dagegen zwischen diesen Muskel und das Band

558

streckeeite "schichten18

Obere Extremität.

der Kopf des M. brachio-radial ein, welcher von dem Bande und der Crista condyloid. rad. seine Ursprungsfasern bezieht. Löst man beide Muskeln, den M. brach, int. und brachio-rad., von einander, so findet sich ziemlich tief in der Nähe des Knochens der Stamm des N. radial., welcher, um von der Streckseite auf die Beugeseite zu gelangen, das Lig. intermuscul. rad. in der Nähe der Mitte des Oberarms durchbricht. Unter dem M. brach, int. liegt der nach dem Ellenbogen zu sich immer mehr abplattende und verbreiternde Oberarmknochen, von dessen vorderer Fläche bis nahe an die untere Grenze der Gegend die Hauptmasse der Fasern dieses Muskels ihren Ursprung nimmt. Die Haut der Streckseite des Oberanns ist etwas dicker, derber un d weniger empfindlich als die der Beugeseite.. Die Nerven derselben stammen an dem ulnaren Rande von dem N. cutan. int., dem schwachen nur bis zu dem Ellenbogen gehenden untersten langen. Aste des Plexus brachial.; ferner von den Hautästen des N. rad., und oben verlieren sich in die Haut der Streckseite auch Verzweigungen des Hautastes des N. axill. Die Fascie der Streckseite ist etwas dünner als die der Beugeseite; die Haut lässt sich auf derselben übrigens gleichfalls leicht verschieben. Auf der Streckseite haben wir unter der Fascie nur einen Muskel, den M. trieeps., dagegen zwei starke Nerven und eine Arterie, den mächtigsten Ast der Art. brach. Von den beiden Nerven wird gewöhnlich der N. ulnaris noch der Beugeseite zugezählt, was aber desshalb nicht angeht, weil derselbe durch das Lig. intermuseal, uln. von den Gebilden der Beugeseite geschieden ist. Dieser Nerv (Fig. 104. 19) geht, wie der N. median., dem er an Stärke ziemlich nahe kommt, astlos bis zu dem Ellenbogen, und seine Verlaufsrichtung lässt sich durch eine gerade Linie ausdrücken, welche von der Mitte der Achselgrube nach dem Sulcus ulnaris des Oberarniknochens gezogen wird. Der Nerv findet sich oberflächlich unmittelbar unter der Fascie, mit welcher sein Neurilem verwachsen ist, und liegt der Streckseite des Lig. intermuscul. uln. hart an. Begleitet wird derselbe von der dünnen, aber langen Art. collater. uln. sup., welche von der Art. brachial, in der Nähe des unteren Endes des M. coraco-brach. ab- und hinter dem Nerven heruntergeht. Der Ursprung der drei Köpfe des Muskels der Streckseite befindet sich über der Oberanugegend. Der lange Kopf kommt von

Der Oberarm.

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dem Tuberculum infraglenoid., der Scapula und dessen nächster Umgebung. Derselbe hat den M. teres min. hinter, den M. teres maj. vor sich, wird aber von der Scapularportion des Deltamuskels verdeckt. Der radiale Kopf entspringt gleichfalls unter dem Deltamuskel von dem Oberarmknochen, unmittelbar unter der 3. Facette des Tub. maj., d. h. unter dem Ansätze des M. teres min. Der Ursprung des kürzesten, d. h. ulnaren Kopfes fällt noch in den Bereich der Achselhöhle, unter den Ansatz des M. teres maj. Von der Mitte des Oberarms an bilden die drei Köpfe eine Fleischmasse, welche auf der Streckseite allen Raum bis zu dem Knochen zwischen den beiden Lig. intermuscul. ausfüllt und nach abwärts an ihrer Oberfläche von einer starken Sehnenhaut überdeckt ist. Zwischen dem radialen und ulnaren Kopfe des Muskels existirt eine lange, bis in die Achselhöhle hinaufragende Spalte, in welche, begleitet von der Art. profunda brachii, der stärkste Nerv des Plexus brach., nämlich der N. radial., eintritt. Dieser Nerv liegt in der Achselhöhle mit am tiefsten und bildet mit dem N. axill. einen Stamm, von dem er sich jedoch hoch oben in der Achselhöhle, nach hinten lateral und abwärts gehend, trennt. In dem weiteren Verlaufe hält sich der N. radial. (Fig. 104. 20) zunächst an den Knochen und umkreist denselben, in dem Sulc. spiral. ossis humeri gelegen, in einer Spiraltour, um an der Grenze des mittleren und unteren Drittheils des Oberarmbeins durch das Lig. intermuscul. rad. zu treten und sich auf der Beugeseite zwischen M. brachio-rad. und brachial, int. einzulegen. Aber nicht nur durch diesen spiralen Verlauf unterscheidet sich der N. rad. von den beiden anderen an dem Oberarm gerade verlaufenden grossen Nerven, dem N. median, und ulnar., sondern auch dadurch, dass er während seines Verlaufes am Oberarm zahlreiche Aeste für den M. tríceps und die Haut der Streckseite abgibt, wodurch er in der Art abgeschwächt wird, dass er nach seinem Durchtritt durch das Lig. intermuscul. rad. schwächer erscheint als der N. med. an dem unteren Drittheil des Oberarms. In praktischer Beziehung ist besonders die unmittelbare Anlage des Nerven an den Knochen in dem Sulc. spiral. bemerkenswerth. Es kann der Nerv bei Callusbildung nach Fracturen comprimirt und von dem Callus gänzlich eingeschlossen werden, wie einige Beobachtungen lehren. Ferner erklärt dieses Lageverhältniss, dass von allen durch Einwirkung äusserer Gewalten verursachten Paralysen diejenigen des N. radial, die häufigsten sind. Ein heftiger Schlag auf den Oberarm kann schon eine derartige Lähmung veranlassen.

560

Obere Extremität.

Der N. radial, wird von dem stärksten Seitenaste der Art. brachial., der Art. profunda brachii (Fig. 104. 10) begleitet, welche entweder bereits in der Achselhöhle oder kurz unterhalb derselben von der Art. brach., oft aber auch von der Art. circumfl. hum. post. abgeht. Diese Arterie, welche alsbald durch Abgabe starker Aeste an die grosse Fleischmasse des M. triceps sich sehr bedeutend abschwächt, tritt jedoch mit dem Nerven nicht durch das Lig. intermuscul. rad. durch, sondern verlauft als schwaches Gefäss längs dieses Bandes auf der Streckseite oberflächlich bis zu dem Epicond. radial., wird aber während dieses Verlaufes längs des Lig. intermuscul. rad. nicht mehr als Art. profunda brachii, sondern als Art. collateral. radial, bezeichnet. Der Ellenbogen. Unter Ellenbogen versteht man nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch in der Regel nur die Ansatzstelle des M. triceps an dem Olecranon und diesen unter der H a u t prominirenden Knochenfortsatz. Die topographische Anatomie dehnt den Namen weiter aus auf das ganze Gelenk zwischen Ober- und Vorderarm, sowie auf alle dieses Gelenk umgebenden Weichtheile an der Beuge- wie Streckseite. Grenzen. Als Grenze des Ellenbogens gegen den Oberarm wird eine Linie, die 2 cm über den Epicondylen quergelegt ist. angenommen. Die untere Grenze wird durch eine Linie bezeichnet, die an der Stelle quer gezogen wird, an welcher das obere und mittlere Drittheil der Entfernung des Epicond. rad. und des Proc. styloid. radii an einander stossen. Die untere Grenze wird aus dem Grunde so tief genommen, damit die ganze F o s s a cubiti in die Ellenbogengegend einbezogen werden kann. Aeussere conDie obere Extremität, welche in der Höhe des Oberarms einen figuration. m e | i r rundlichen Querschnitt zeigt, erscheint am Ellenbogen abgeplattet in der Art, dass der Durchmesser von dem radialen zu dem ulnaren Rande breiter wird als der von der Beuge- zur Streckseite. An der Beugeseite fällt vor allem die dreieckige F o s s a cubiti in die Augen, deren Spitze nach unten etwas näher dem radialen Rande zu gelegen ist, während die Basis nach oben sieht. Umgeben wird diese Grube von drei Wülsten, dem ulnaren, dem radialen und dem oberen. Der ulnare Wulst hat als Unterlage die Fleischmassen der Muskulatur des Vorderarms, welche von dem Epicond. uln. ihren gemeinsamen Ursprung nimmt, der radiale Wulst dagegen wird von dem Fleische der Muskeln des radialen Randes gebildet. Der obere, Allgemeines.

Der Ellenbogen.

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am wenigsten deutlich ausgesprochene Wulst entspricht dem Uebergang von dem Fleische in die Sehne des M. brach, int. Der M. biceps ist daran nur sehr wenig betheiligt. Dadurch, dass der Radialwulst eine mehr gerade, der Ulnarwulst dagegen eine mehr schräge, der radialen Seite sich zuwendende Richtung einhält, liegt die Spitze der Fossa cubiti, welche nahe an das untere Ende der Gegend fällt, ' nicht in der Mitte der Beugeseite, sondern näher dem radialen Rande. Bei der Beugung dès Vorderarms wird nahe an der Basis der Ellenbogengrube eine Furche sichtbar, die aber durchaus nicht der Querlinie des Gelenkes zwischen Os humeri und ulnae entspricht, sondern 2 cm darüber, in der Höhe des Epicond. uln., liegt. Ist der Vorderarm gestreckt, so fühlt man durch die dünne Haut einen sich nach dem Ulnarwulst ziehenden bandartigen Strang, welcher von der hochliegenden Bicepssehne, d. h. dem Lacertus fibrosus, herrührt. An der Streckseite springt vor Allem das Olecranon und die beiden seitlich davon gelegenen Epicondylen in die Augen. Das Olecranon liegt jedoch nicht genau in der Mitte zwischen den Epicondylen, sondern dem ulnaren gegen 1 cm näher als dem radialen. Der ulnare Epicondylus steht um ein Minimum tiefer, ragt aber beträchtlich stärker hervor als der radiale. Da diese Knochenprominenzen nur von der Haut bedeckt sind, so lassen sie sich ausserordentlich leicht fühlen ; weniger ist dieses mit dem Köpfchen des Radius der Fall, da zwischen diesen Knochentheil und die Haut die starke Fleischmasse der Muskulatur des radialen Randes eingeschoben ist. Nur hinter dem radialen Muskelwulst gegen 2 cm unterhalb der Spitze des rad. Epicond. kann das Köpfchen des Radius deutlich gefühlt werden. Bei gestrecktem Oberarm werden ferner zwei längliche Grübchen an der Streckseite deutlich, von welchen das grössere zwischen Epicond. rad. und Olecran., das kleinere zwischen Epicond. uln. und Olecran. zu liegen kommt. Die Trennung in Beuge- und Streckseite kann an dem Ellenbogen nicht so scharf gezogen werden, als an dem Oberarm, weil hier die Lig. intermuscul. fehlen, welche über die Epicondylen nicht herabreichen. Man hat daher als Marken zwischen Beuge- und Streckseite nur die Epicondylen und die Hilfslinien, welche parallel mit der Längsachse des Vorderarms in der Verlängerung der Epicond. nach abwärts gezogen werden. Die Schichten der Beugeseite oder der Ellenbeuge sind : schichten der 1. Die Haut, Beugeseite. 2. das subcutane fetthaltige Bindegewebe, G e r l a c h , Anatomie des Menschen.



562

Obere Extremität.

3. die subcutanen Gefässe und Nerven, 4. die Fascie, 5. die subaponeurotischen Gefässe und Nerven, 6. die Musculatur. Die Haut der Beugeseite des Ellenbogens ist sehr dünn und zart; auch lässt dieselbe bei den meisten Individuen die subcutanen Venen, wenn dieselben nur einigermaassen gefüllt sind, durchscheinen. Die Haut der Gegend excorii'rt leicht, worauf man immer bei der Anlage von Contentivverbänden Rücksicht zu nehmen und zu festes Anlegen zu meiden hat. Die Menge des subcutanen fetthaltigen Bindegewebes ist individuell sehr verschieden. Im Allgemeinen ist es bei Kindern und Frauen besonders reichlich und verhüllt bisweilen ganz die äussere Configuration der Gegend. Eine grössere Ansammlung von fetthaltigem Bindegewebe erhält gerade in dieser Gegend eine gewisse praktische Bedeutung, insofern sie den Aderlass erschwert. Es kann vorkommen, dass selbst nach starker Compression der Venen des Oberarms keine Vene in der Ellenbeuge sichtbar wird. Nur genaue Kenntniss der Lage der oberflächlichen Venen, sowie der Umstand, dass sich dieselben nach Compression des Oberarms durch die Haut fühlen lassen, helfen hier aus der Verlegenheit. Gerade wegen des Aderlasses erhalten die subcutanen Venen der Ellenbeuge eine besondere Bedeutung. An der Beugeseite des Vorderarmes gehen in der Regel drei Venen zur Ellenbogengegend, eine an dem radialen, eine an dem ulnaren Rande und eine dritte in der Mitte zwischen den beiden ersteren (Fig. 105. 13). Etwa 3 bis 4 cm unterhalb der Epicondylen theilt sich meistentheils die mittlere Vene spitzwinklig in einen radialen und ulnaren Ast und nimmt an der Theilungsstelle gewöhnlich eine tiefe Vene auf, welche die Fascie durchbricht. Beide aus der Theilung hervorgegangenen Venen steigen seitlich nach aufwärts, um sich mit der V. cephal. und V. basil. zu verbinden; sie heissen desshalb auch Ven. mediana cephal. und basil (Fig. 105. 14 und 15). Unter der Theilungsstelle, welche genau in die Mitte der Beugeseite des Ellenbogens fällt, verlauft die Art. brach. (Fig. 105. 8) und dieselbe ist hier von den Venen nur durch die Fascie oder eigentlich den der Verstärkung der Fascie dienenden Lacertus fibrosus (Fig. 105. 3) geschieden. Daher die Vorschrift, die Venenöffnung nie an der Theilungsstelle, sondern immer an der V. mediana cephal. in nicht zu grosser Entfernung von deren Mündung in die V. ceph. anzulegen. Die V. mediana

Der Ellenbogen.

563

basil. wird desshalb nicht gewählt, weil die in dem Sulcus bicipit. nln. herabsteigende Arterie der V. mediana basil. näher liegt als der y . mediana ceph. Wird der Aderlass an einer unrichtigen Stelle gemacht, und die Vene durchstochen, so kann der Lacertua fibrosus verletzt werden, was meist eine leichte phlegmonöse Entzündung verursacht. Wird die Art. brachial, nur leicht getroffen, ohne dass es unmittelbar zu einer arteriellen Blutung kommt, so ist die Folge ein Aneurysma

Fig. 105.

Ellenbeuge.

1 Fascia brachli, durchschnitten. 2 M. bicepa. 3 Lacertus flbrosua. 4 Tiefe Sehne des M. biceps. 5 11. brachialis internus. C Ursprung der hochliegenden BeugemuBkeln. 7 Muskulatur des radialen Randes. 8 Art. brachialis. 9 Art. ulnarls.

10 11 12 13 14 15 16 17 18

Art. radialis. Ven basllica. Ven cephalica. Ven. mediana des Vorderarms. Ven. mediana basllica. Ven. mediana cephalica. Nerv, cutaneus medius. Nerv, musculo-cutaneus. Nerv, medlanus.

arterioso-venosum, welches gerade in dieser Gegend am häufigsten ist. Arterielle Blutung erfordert die unmittelbare Unterbindung der Art. brachial. Eine V. mediana cephal. und basil. oder das sogenannte Venen-M ist jedoch durchaus nicht immer vorhanden, sondern ungefähr bei einem Drittheile der Menschen findet sich nur eine einfache schräg verlaufende Verbindungsvene zwischen V. basil. und cephal., die häufiger unten mit der V. basil und oben mit der V. cephal. in Verbindung steht, als umgekehrt. Bei einer solchen 3G*

564

Obere Extremität.

einfachen V. mediana ist die Venenöffnung auch immer in der Nähe der Mündung in die V. cephal. anzulegen. Die beiden subcutanen Nerven der Beugeseite des Ellenbogens sind der N. cutan. med. (Fig. 105. 16) und musculo-cutan. (Fig. 105.17). Der erstere gelangt, an der radialen Seite der V. basil. gelegen, in die Ellenbeuge und theilt sich einige Centimeter über dem Epicond. uln. in einen palmaren und ulnaren Ast, von welchen der erstere, meist über die V. mediana basil. weggehend, die Haut der Mitte der Beugeseite des Vorderarms mit Nerven versieht, während der letztere, in der Regel unter die V. mediana basil. tretend, sich an der Haut des ulnaren Randes des Vorderarmes ausbreitet. Der N. musculocutan. oder cutaneus radialis durchbricht, in dem Sulc. bicipit. rad. gelegen, erst an der Grenze der Oberarm- und Ellenbogengegend die Fascie. und befindet sich an der ulnaren Seite der V. cephal. Derselbe theilt sich schon, in der Ellenbeuge in mehrere Aeste, welche meist unter der V. mediana cephal. weggehen und desshalb bei der Venaesection an dieser Vene nicht leicht verletzt werden. Der Ausbreitungsbezirk dieses Nerven ist die Haut des radialen Randes des Vorderarmes. Ansatzsehnen Die Fascie der Beugeseite des Oberarms wird gegen die Ellend. Muse, biceps. jj6Uge z u i m m e r schwächer, erhält aber in der letzteren eine bedeutende Verstärkung durch die oberflächliche Sehne des M. biceps, welche von den meisten Autoren als Lacertus fibrosus beschrieben wird. In der Höhe der Epicondylen trennt sich nämlich die Bicepssehne in einen hochliegenden bandartigen breiten und in einen tiefen strangförmigen Theil. Anfangs liegt der bandartige noch über dem strangförmigen Theil, trennt sich aber bald von demselben, indem er, nach dem ulnaren Rande herabziehend, mit der Fascie des Vorderarms, und zwar mit jener Abtheilung der letzteren verschmilzt, welche den ulnaren Muskelwulst der Ellenbeuge deckt (Fig. 105. 3), während der strangförmige Theil der Bicepssehne (Fig. 105. 4) in radialer Richtung in die Tiefe geht, um, den Radius umgreifend, sich abgeplattet an der tiefsten Stelle der Tuberos. rad. anzusetzen, wodurch der M. biceps nicht nur für die Beugung des Vorderarms, sondern auch für die Supination der Hand von Bedeutung wird. Art. brachiaiis. Mit diesen beiden Sehnen des M. biceps steht in nächster Lagebeziehung die Art. brachial. (Fig. 105. 8). Der Verlauf dieser Art. kann, wie wir sahen, durch eine Linie ausgedrückt werden, welche von der Mitte der Achselgrube nach der Mitte einer horizontalen Linie sich erstreckt, welche zwischen den beiden Epicondylen an der

Der Ellenbogen.

565

Beugeseite des Ellenbogens gezogen wird. An dem unteren Ende des Sulc. bicipit. uln. tritt nun die von zwei Venen begleitete Arterie unter den sich hier von der ßicepssehne ablösenden Lacertus fibrös, und erscheint dann in dem Winkel, unter dem sich der Lac. fibr. von der tiefen strangförmigen Sehne des M. biceps trennt, wobei die letztere radial von der Arterie zu liegen kommt. Unter dem Lac. fibr., die Art. brach, ulnar begrenzend, tritt ferner in die Ellenbogengrube der N. medianus (Fig. 105. 18), so dass die in dem Winkel zwischen tiefer Bicepssehne und Lacertus fibrosus auftretende Brachialarterie von zwei weissen Strängen begleitet erscheint, einem radialen, gegeben in der tiefen Bicepssehne, und einem ulnaren, dem N. median. Der radiale Strang ist stärker und nach Art der Sehnen glänzend weiss, während der ulnare dünner ist und die gedämpfte weisse Farbe der Nerven besitzt. Die Theilung der Art. brach, in den radialen und ulnaren Ast erfolgt 3 bis 4 cm unterhalb der Epicondylen, ziemlich genau in der Mitte zwischen dem radialen und ulnaren Rande. Die Betrachtung des weiteren Verlaufes dieser zwei Gefässe, sowie der beiden auf der Beugeseite intra fasciam gelegenen Nervenstämme des N. median, und radial, schliesst sich am besten an die Beschreibung der drei die Fossa cubiti umgebenden Muskelwülste an. Der ulnare Muskelwulst besteht aus den Muse, pronator teres, ulnarer Muskeia



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wulst der Ellen-

flexor carpi rad. palmans long, und fiexor digitor. commun. sublimis, beuge, welche alle das mit einander gemein haben, dass sie von dem Epicond. uln. und der unteren Partie des Lig. intermusc. uln. Ursprungsfasern beziehen. Der am meisten radial gelegene dieser Muskeln ist der M. pronator teres, welcher den ulnaren Rand der Fossa cubiti bildet. Ausser dem bereits erwähnten oberflächlichen hat dieser Muskel noch einen tiefen Ursprung, der unmittelbar unter dem Ansatz des M. brach, int. von der Tuberositas ulnae kommt. Der Ansatz des Muskels vollzieht sich nur wenig über der Mitte des Radius mit einer breiten bandartigen, den radialen Rand des Knochens umgreifenden Sehne. Der N. median, weicht von der Brachialarterie in der Ellenbeuge Nerv, medianus. etwas ulnar ab und gelangt, zwischen dem hochliegenden und tiefen Ursprung des M. pronat. teres durchtretend, in die Tiefe, um, zwischen den ulnaren und radialen Ursprung des hochliegenden Fingerbeugers sich einlegend, unter die hochliegende und über die tiefliegende 'Beugergruppe zu gerathen, wo wir ihm bei dem Vorderarm wieder begegnen werden; dabei weicht der Verlauf des Nerven im Ganzen nur wenig von der geraden Linie ab. In der Ellenbeuge beginnt jedoch der am Oberarm astlose Nerv sich zu verzweigen, und zwar

566

Obere Extremität.

stehen an der Beugeseite des Vorderarms unter seinem Einfluss die beiden Pronatoren und von den Beugern der M. flex. carp. rad. long., palmar, long., flexor digit. commun. sublim., flexor pollicis long, und die radiale Hälfte des flex. digit. comm. profund. Art. uinaris. Die Art. uln. (Fig. 105. 9) hält sogleich nach der Trennung von der Art. rad. eine ulnare Richtung ein und bildet mit der Art. brach, einen nach der ulnaren Seite offenen stumpfen Winkel. Dieselbe schliesst sich nicht an den N. med. an, sondern geht etwas tiefer unter dem ganzen Paquet der hochliegenden Beuger schräg nach dem ulnaren Rande des Vorderarmes bis kurz oberhalb der Mitte des letzteren, wo sie wieder parallel der Vorderarmachse verlauft. Unter dem Ulnarwulst gibt die Art. zuerst die Art. recurrens uln. ab, welche sich alsbald in einen vorderen schwächeren, auf der Beugeseite bleibenden Zweig und in einen stärkeren hinteren theilt, dem wir an der Streckseite wieder begegnen werden. Kurz unter der Art. recurrens geht von der Art. uln. die Art. interossea communis ab, die, kaum 1 cm lang, sich gleichfalls in einen inneren und äusseren Ast theilt, welche aber schon in den Bereich des Vorderarms fallen. Radialer MusDer radiale Muskelwulst setzt sich aus den von der Crista condyl. kslwulst dfer



_

Ellenbeuge, radial, schon unterhalb der Mitte des Oberarms bis zu dem Epicond. rad. unter einander entspringenden Muskeln, dem M. brachioradialis und den beiden M. extensor. carpi radial, zusammen, von welchen der erstere längste die beiden letzteren, deckt. Dieser Muskelwulst, welcher den Radius in der Höhe der Ellenbogengrube vollständig einhüllt, hat eine der Längsachse des Vorderarms parallele Richtung, während der ulnare Wulst, namentlich in seinem oberflächlichsten Gliede, dem M. pronat. teres, von der ulnaren nach der radialen Seite verlauft. Der spitze, dem Radius zugewandte Winkel, unter dem sich beide Wülste treffen, fällt an die Grenze des oberen und mittleren Drittheils der Vorderarmknochen und stellt das untere Ende der Fossa cubiti dar. oberer MuskelDer obere, fast ausschliesslich von dem M. brachial, int. gebildete beuge. Muskelwulst wird von den Epicondylen an um so schmaler, je mehr er sich zwischen die beiden seitlichen Wülste einsenkt. Derselbe liegt unmittelbar auf der mit ihm verwachsenen Gelenkkapsel und erreicht an der Sehne des Muskels, welche sich an der Tuberos, und der Wurzel des Proc. coronoid. ulnae ansetzt, sein Ende. Auf diesem Muskelwulst ruht die Art. brachial., radial begleitet von der tiefen Bicepssehne, ulnar von dem Mediannerven. Unterhalb der Tuberositäten des Radius und der Ulna bildet bis zur unteren Spitze

Der Ellenbogen.

567

der M. supinator (brevis) den Grund der Ellenbogengrube, welche aber ausserdem noch mehr oder weniger reichlich fetthaltiges Bindegewebe enthält, das namentlich um die Insertion der tiefen Bicepssehne sich anhäuft. Die Art. radial. (Fig. 105. 10) hält nach der Theilung der Brachial- Art. radialis, arterie die Richtung der letzteren ein, verlauft, nur von der Vorderarmfascie bedeckt, nach dem unteren Spitzwinkel der Fossa cubiti und verlässt die letztere, über die Sehne des M. pronator teres nahe an dem Insertionsrande gleitend, um zu dem Vorderarm zu gelangen. In der unmittelbaren Nähe der Theilungsstelle geht von dem radialen Rand dieser Arterie ein stärkerer Zweig, die Art. recurrens radial., ab, welche alsbald unter dem radialen Muskelwulst verschwindet und in dem Grunde der Furche zwischen diesem Muskelwulst und dem M. brach, int. nach aufwärts zur Gelenkkapsel verlauft. Der Nerv, radial., dem wir zuletzt an der Beugeseite des Ober- Nerv, radialis, arms in der Tiefe zwischen dem M. brachiorad. und brach, int. begegneten, theilt sich, nachdem er an die Muskeln des Radialwulstes Zweige abgegeben, 1 bis 2 cm oberhalb des radialen Epicond. in einen stärkeren tiefen und schwächeren oberflächlichen Ast. Der N. radial, profund, geht, gedeckt von der Muskulatur des Radialwulstes, abwärts und gelangt dadurch, dass er den M. supinat. (brev.) durchsetzt zur Streckseite des Vorderarms, deren sämmtliche Muskeln nebst dem M. supinat. ihre Zweige von ihm erhalten. Der N. radial, superficial, bleibt auf der Beugeseite, liegt aber in der Fossa cubiti, sich der Art. radial, nähernd, noch unter dem M. brachioradialis. Die Streckseite des Ellenbogens zeigt einfachere anatomische strcckaeite des Verhältnisse, als die Beugeseite, und da in derselben grössere Gefässe scuThten^N. ulnarts fehlen und nur ein starker Nerv, der N. ulnar, sie berührt, so wählt man sie ausschliesslich, um bei der Resection des Gelenks zu den Knochen zu gelangen. An derselben unterscheidet man nur vier Schichten: 1. Die Haut, 2. das subcutane Bindegewebe, 3. die Fascie, 4. die Muskeln und Knochen. Die Haut der Streckseite ist stärker als auf der Beugeseite und zeigt über dem Olecranon eine stärkere Entwicklung der Epidermis, wodurch sie sich rauh anfühlt. Das Unterhautbindegewebe ist weniger fettreich als auf der Beugeseite, und derjenige Theil desselben, der über dem Knochen

568

Obere Extremität.

liegt, hat in der Regel in seinen Maschen keine Fettträubchen. Dagegen findet sich in dem Theil des subcutanen Bindegewebes, welches das obere Ende des Olecranons deckt, constant ein grösserer oder kleinerer Schleimbeutel, die Bursa mucosa olecranoidea (Fig. 107.9). Die Fascie ist auf der Streckseite etwas stärker als auf der Beugeseite und fliesst über dem Knochen mit dem Periost zusammen. Dieselbe ist eine Fortsetzung der Oberarmfascie und geht continuirlich in die Vorderarmfascie über. In der nun folgenden Muskel- und Knochenlage nimmt der Knochen, d. h. das Olecranon die Mitte ein und ist oben, radial und ulnar von Muskeln umgeben. Die stärkste Muskelmasse findet sich oben in dem M. triceps, der, zwar von einer Sehnenplatte gedeckt, •doch fleischig und mit der Gelenkkapsel verwachsen, bis nahe an das obere abgeplattete Ende des Olecranons sich erstreckt und sich an dem letzteren mit einer kurzen Sehne ansetzt. Da dieser Muskel allein den Oberarm streckt, so ist es bei Resectionen für Erhaltung der Streckbewegung wichtig, das Olecranon, insoweit dasselbe nicht in den Krankheitsprocess einbezogen ist, oder doch den Theil des Periosts dieses Knochenstücks, welcher mit der Insertion des M. triceps in Verbindung steht, zu conserviren. Die ulnar von dem Olecranon gelegene Muskelpartie ist die schwächste und nur von dem Ursprung des hier mit einer starken Sehnenhaut überzogenen M. flex. carp. uln. repräsentirt. Der Ursprung dieses Muskels ist ein doppelter, ein epicondyloider und ein olecranoider. Zwischen diese beiden kurzen Köpfe des ulnaren Carpalbeugers legt sich der N. ulnaris ein, der an dem Oberarm, wie wir sahen, unmittelbar hinter dem Lig. intermuscul. uln. auf der Streckseite verlief und die Spalte zwischen den beiden Muskelköpfen benutzt, um von der Streckseite auf die Beugeseite des Vorderarms zu gelangen. Während der Nerv zwischen den beiden Muskelköpfen durchgeht, legt er sich zugleich hart an den Knochen in dem Sulcus ulnar, an, wodurch die Möglichkeit gegeben ist, durch einen zwischen Olecranon und Epicondyl. uln. angebrachten stärkeren Druck den Nerven mechanisch zu erregen. Ausser feinsten Aestchen zur Gelenkkapsel gibt der N. ulnar erst auf der Beugeseite Zweige zu dem M. flex. c. uln. und zu dem ulnaren Theil des M. flex. digit. prof. ab. Radial ist das Olecranon begrenzt von dem kurzen triangulären M. anconaeus qüartus, der die Streckwirkung des M. triceps unterstützt und wie dieser von dem N. radial, innervirt wird. An den radialen Rand dieses Muskels legt sich oben die Musculatur des Radialwulstes, unten der Ursprung

569

Der Ellenbogen.

der Streckmuskeln des Vorderarms an. Die terminalen Zweige der Collateralarterien, sowie der Art. recurrens interossea, welche auf die Streckseite gelangen, sind praktisch bedeutungslos; etwas stärker ist der hintere Ast der Art. recurr. uln., welcher ziemlich tief radial von dem N. uln. verlauft. Das Ellenbogengelenk ist vor allen anderen Gelenken dadurch Ellenbogenausgezeichnet, dass in demselben zwei ganz verschiedene, von einander ¿ j J ^ ^ g vollkommen unabhängige Bewegungen vor sich gehen, nämlich einerseits Beugung und Streckung des Vorderarms gegen den Oberarm, in welcher Beziehung der Ellenbogen das reinste Charniergelenk darstellt, andrerseits Drehung des Radius, welchem die Hand folgt, um die Ulna, als Pro- und Supination bekannt, in welcher Beziehung der Ellenbogen den Typus eines Cylindergelenks bildet. Die Gelenkenden der drei Knochen, welche durch ihre verschiedenen Stellungen zu einander die beiden von einander ganz unabhängigen Bewegungen zulassen, sind in einer einzigen Gelenkkapsel eingeschlossen. Während bei dem Nussgelenk es zahlreiche Achsen gibt, um welche die Verschiebung der Knochen gegen einander erfolgt, kommt sowohl bei dem Charnier- wie Cylindergelenk nur eine Drehungsachse vor. Die Achse, um welche der Vorderarm gegen den Oberarm sich beugt und streckt, verlauft von dem ulnaren nach dem radialen Rande des Knochens und fällt wenige Millimeter unter die Epicondylen. Da diese Achse nicht horizontal, sondern an dem ulnaren Ende etwas tiefer, als an dem radialen steht, liegen bei starker Beugung Oberarm und Vorderarm nicht einander parallel, sondern der Vorderarm weicht ulnarwärts in der Ellenbeuge von dem Vorderarm unter einem sehr spitzen Winkel ab, während er bei der Streckung mit dem Oberarm radialwärts einen sehr stumpfen Winkel bildet. Die Drehungsachse für Pro- und Supination beginnt in der Mitte der Vertiefung des Capituli radii und erreicht an der Spitze des Proc. styloid. uln. ihr unteres Ende. Die bei der Gelenkbildung betheiligten Knochen sind von Seite Knöcherne des Humerus die Trochlea, die Eminentia capitata, die Fovea anter. componenten .

.

maj. und min., sowie die Fossa olecran., von Seite der Ulna die Fossa sigmoidea, der Sinus lunatus, das Olecranon und der Proc. coronoid. und von Seite des Radius das Capitulum und die Circumferentia articularis. Die nicht überknorpelten Foveae anteriores nehmen bei starker Beugung den Proc. coronoid. und einen Theil des Randes des Capit. rad. auf, während in die Foss. olecr. bei der Streckung das Olecr. sich einfügt. Fov. ant. maj. und Foss. olecr. liegen einander

des Ellenbogeng e ienks.

570

Obere Extremität.

gerade gegenüber, und ihre tiefsten Stellen sind nur durch eine sehr dünne, daher durchscheinende Platte getrennt, welche bei Kindern vor vollendeter Ossification der Apophysen beträchtlich dicker ist

Flg. 106. Das Ellenbogengelenk yon vorn geöffnet. 1 2 3 4 5

Humerus. Ulna. Radius. Fovea ant. minor. Fovea ant. major.

6 Trochlea. 7 Eminentia capitata. 8 Process, coronoldeus ulnae. 9 Capltulum radii.

10 11 12 13

Epicondylus rad. Epicondylus uln. Geöffnete Gelenkkapsel. Lig. annulare radii.

(Fig. 107). Ueberknorpelt sind die Trochlea und die Eminentia capitata. Die Trochlea besteht aus zwei durch einen Einschnitt getrennten Abtheilungen, von welchen die grössere ulnare etwas weiter

Der Ellenbogen.

571

herabreicht und einen Kugelabschnitt von 13 bis 14 mm Radius darstellt, während die kleinere, radial gelegene einen abgestumpften Kegelabschnitt bildet und hinten etwas weiter hinaufragt, als der Kugelabschnitt. Die Eminentia capitata, welche um ein Minimum weniger tief steht, als der kegelförmige Abschnitt der Trochlea, bildet gleichfalls ein Kugelsegment von 10,5 bis 11,5 Radius. Von der Ulna ist überknorpelt die Foss. sigmoid. und der Sin. lun. Die Foss. sigmoid. zerfällt in einen horizontalen, das obere Ende der Ulna darstellenden, und in einen verticalen Theil, der, oben schnabelförmig endend, nichts anderes ist, als die vordere Fläche des Olecr. Zwischen beiden Theilen findet sich ein schmaler, nicht überknorpelter Streifen; die dadurch bedingte Unebenheit wird durch Synovialfortsätze ausgeglichen. Rechtwinklig schneidet diesen Streifen eine die ganze Foss. sigmoid. durchziehende kantenartige Hervorragung, welche dieselbe in eine ulnare und radiale Hälfte scheidet. Die Trochl. und Foss. sigmoid. sind in der Weise in einander gelagert, dass die kantenartige Hervorragung den Einschnitt der Trochl. ausfüllt, während die ulnare Hälfte der Foss. sigmoid. sich an dem Kugelabschnitt und die radiale an dem Kegelabschnitt der Trochl. bei der Bewegung verschiebt. Der Sin. lunat., an dem radialen Rande der Ulna gelegen, nimmt den vierten Theil der Circumferenz der Ulna unmittelbar unter der Fossa sigmoid. ein und dient zur Gelenkverbindung der Ulna mit dem Radius. An dem Radius ist die vertiefte freie Fläche des Capitul. überknorpelt; diese Vertiefung nimmt die Eminent, capit. des Humerus auf, und sie dreht sich bei der Beugung und Streckung des Vorderarms um die horizontale Beugungsachse, wobei der Radius bei der Beugung der combinirten "Wirkung der M. biceps und brach, int. unterliegt, bei der Streckung aber, welche durch den nur mit der Ulna in Verbindung stehenden M. triceps geschieht, einfach der Ulna folgt. Dagegen dreht sich bei der Pro- und Supination die Vertiefung des Capitul. rad. um die Eminent, capit. in der vertikalen Pro- und Supinationsachse. Damit aber diese letztere Bewegung möglich werde, muss das Capit. rad. an der Ulna, d. h. an deren Sin. lunat. sich verschieben können, wesshalb auch nahebei die Hälfte des mehrere Millimeter breiten Randes des Capit. rad. überknorpelt ist, und zwar steht diese Ueberknorpelung des Randes in unmittelbarer Continuität mit jener der vertieften Fläche des Capitulums. Durch die Einlagerung der kantenartigen Hervorragung der Foss. sigmoid. ulnae in die Vertiefung der Trochlea ist, da die articulirenden

572

Obere Extremität.

Flächen in jeder Stellung in voller Berührung sind, nur eine Bewegung möglich, nämlich die Drehung um die Beugeachse. Untersucht man die Gelenkverbindung zwischen Troclil. und Foss. sigmoid, an sagittal geführten Längsschnitten (Fig. 107), so. erscheint der Durchschnitt der Trochlea immer in Form eines Kreissegmentes,, welches in der Vertiefung der Trochlea fast zu einem vollständigen Kreise wird, da ihm nur jener sehr kurze Bogen fehlt, welcher durch die Stärke der dünnen, die Fov. ant. maj. von der Foss. olecr.

2 3

Flg. 107. Sagittalschnitt durch das Ellenbogengelenk eines zehnjährigen Knaben. 1 2 8 4

Oberarmknochen. Muse- brachial. Int. Muse, blceps Paquet der vbn dem Epicondyl. ulnarls abgehenden Beugemuskeln.

5 Art. ulnarls, schräg durchschnitten. 6 Muse trlceps. 7 Gelenkhohle. 8 Durchschnitt der Trochlea.

9 Schleimbeutel des Ellenbogens. 10 Ulna. 11 Vordere, und 12 Hintere Fettauflagerung auf der Gelenkkapsel.

trennenden Knochenplatte repräsentirt ist. Aber auch an seitlich von der Vertiefung der Trochl. angelegten Sagittalschnitten fehlt einem Kreise immer nur ein kurzes Bogenstück. Dagegen bildet an derartigen Schnitten die Foss. sigmoid. immer nur die Hälfte eines Kreises, welche bei stärkster Beugung die vordere und bei stärkster Streckung die hintere Hälfte des fast einen ganzen Kreis darstellenden Trochl eastückes umgibt. Das letztere macht an solchen Schnitten den Eindruck eines Gelenkkopfs und die Foss. sigmoid. den einer Pfanne.

Der Ellenbogen.

573

Die Gelenkkapsel (Fig. 106. 12) schliesst die Gelenkenden der Gelenkkapsel drei Knochen ein, welche das Skelett des Ellenbogens bilden. Dieselbe ist oben an dem Humerus in der Art befestigt, dass sie vorn in der Mitte zwischen den beiden Epicond. 2 cm über den letzteren an dem Knochen adhärirt, während sie seitlich nach den Epicond. abfällt, d. h. tiefer sich inserirt, jedoch so, dass sowohl Fov. ant. maj. wie min. in die Kapsel fallen. Hinten steht die Gelenkkapsel gleichfalls in der Mitte am höchsten (Fig. 107), und auch hier fällt sie nach den Epicond. ab, wodurch die ganze Foss. olecr. von der Kapsel umschlossen wird. Unten ist die Gelenkkapsel an dem Hals des Radius und unmittelbar unterhalb des Proc. coronoid. uln. befestigt; dagegen befindet sich das Olecr. ausserhalb der Kapsel, welche sich erst hart an der Grenze der Foss. sigmoid. an den Knochen inserirt (Fig. 107). Während seitlich die Gelenkkapsel stets straff gespannt erscheint, ist dieses vorn und hinten nicht immer der Fall; denn bei der Streckung zeigt sie hinten eine den obersten Theil der Foss. olecr. einnehmende grosse Falte, welche gegen Einklemmung durch Verwachsung mit dem bei der Streckung thätigen M. triceps geschützt ist, und ebenso legt sich die Kapsel vorn bei der Beugung in eine Falte, welcher vor Einklemmung durch Verwachsung mit dem M. brachial, int. bewahrt wird. Das Kapselband des Ellenbogengelenks ist sowohl an der uln. wie rad. Seite verstärkt. Das Lig. lat. uln. beginnt schmal an dem unteren Umfang des Epicond. uln. und setzt sich an dem ulnaren Rande der Foss. sigmoid. an. Das Lig. lat. rad. entspringt von der Rauhigkeit unterhalb des Epicond. rad. und geht, gleichfalls nach abwärts sich verbreiternd, in drei Bündel auseinander. Der vordere und hintere dieser Bündel inserirt sich an dem vorderen und hinteren Ende des Sin. lunat uln., während der mittlere breitere, aber schwächere mit dem sogleich zu beschreibenden Lig. annulare rad. verschmilzt. Dieses letztere um die Circumf. articul. und theilweise um den Hals des Rad. ausgespannt, schliesst den von dem Sin. lunat. freien Theil zu einem Kreise, in welchem sich das Capit. rad. um die Pro- und Supinationsachse drehen kann (Fig. 106. 13). Die Synovialhaut des Ellenbogengelenks besitzt sowohl hinten synoviaihaut wie vorn fetthaltige Fortsätze, von welchen der schwächere vordere zwischen Rad. und vorderem Ende des Sin. lunat. uln., der stärkere hintere in der Höhe der Foss. olecr., also bei der Streckung unmittelbar über dem Olecr. sich findet. Auch auf der äusseren Fläche der Gelenkkapsel und mit derselben adhärirend kommen sowohl

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zwischengeienkiinie.

Luxationen in d. Ellenbogengeienk.

Obere Extremität.

vorn, wie hinten Fettauflagerungen vor, welche in der Höhe der Gruben am mächtigsten sind und sich nach auf- und abwärts verdünnen (Fig. 107. 11 und 12). Unmittelbar auf denselben liegen die mit der Gelenkkapsel nicht verwachsenen tiefsten Muskellagen, vorn dem M. brach, int., hinten dem M. triceps angehörig. Die Zwischengelenklinie, d. h. jene Linie, welche innerhalb der Q e j e n k k a p s e i ¿ e n Oberarmknochen von den Knochen des Vorderarms scheidet, ist nicht horizontal, sondern gleich der Beugungsachse in der Art schräge, dass sie auf der radialen Seite fast 1 cm höher als auf der ulnaren steht. Dieselbe beginnt 2 cm unter dem Epicond. rad. und endet 3 cm unterhalb des Epicond. uln. Da der Rand des Köpfchens des Radius und der Epicond. rad. nahebei in dieselbe Verticalebene fallen, die Foss. sigmoid. dagegen von dem Epicond. uln. gegen 2 cm absteht, so liegt der radiale Anfang der Zwischengelenklinie der Oberfläche viel näher, als deren ulnares Ende. Daher öffnet man das Gelenk am leichtesten durch einen Einschnitt hinter dem radialen Muskelwulst in das der Haut hier ziemlich nahe gelegene Lig. lat. rad. unmittelbar über dem äusserlich fühlbaren Köpfchen des Radius. y o n ( j e n Luxationen des Vorderarms ist die weitaus häufigste °

die nach hinten, wobei das Köpfchen des Radius auf die hintere Fläche des Epicond. rad. zu stehen kommt, und sich der Proc. coron. so nach hinten schiebt, dass er mehr oder weniger in die Foss. olecr. hineinragt. Für die Beurtheilung dieser Luxation sowie für die der nicht seltenen Fractur des Olecranons ist die anatomische Thatsache von Wichtigkeit, dass unter normalen Verhältnissen bei vollendeter Streckung des Vorderarms das freie obere Ende des Olecranon in die gerade Linie fällt, welche hinten beide Epicondylen verbindet. Die seltenen Fälle, in welchen der Radius allein luxirt ist, und zwar sowohl nach vorn, wie nach hinten, sind meist mit Zerreissung des Lig. annull. und oft mit Bruch des Schaftes der Ulna verbunden. Die Diagnose dieser Luxation sowie der häufigeren Fractur des Radiusköpfchens setzt eine genaue Kenntniss der anatomischen Verhältnisse des Ellenbogeugelenks voraus, namentlich insoweit dieselben durch die äussere Untersuchung eruirt werden können. Bei der letzteren geht man von dem durch die Haut leicht fühlbaren Epicond. rad. aus und findet dann, den Finger hinter dem rad. Muskelwulst gerade abwärts führend, gegen 2 cm unter dem vorspringendsten Punkte des Epicond. rad. eine zweite harte Stelle, welche nichts anderes ist, als der Rand des Köpfchens des Rad. Unmittelbar ober-

Der Vorderarm.

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halb der letzteren trifft der tastende Finger auf eine Vertiefung, welche dem radialen Ende der Zwischengelenklinie entspricht. Presst man den Finger etwas stärker an diese Stelle, so fühlt man während der Pro- und Supination die Drehung des Rad. Diese Verhältnisse erleiden sowohl bei der Luxation des Rad. wie bei der Fractur seines Köpfchens wesentliche Veränderungen. Der Vorderarm.

Der Vorderarm erstreckt sich von der unteren Grenze des Ellen- Grenzen, bogens bis nahe an das untere Ende des Radius, d. h. bis 2 cm oberhalb der Spitze des durch die Haut leicht fühlbaren Proc. styloideus rad. Der Vorderarm hat die Gestalt eines abgestumpften Kegels mit AeUB8Cre Con_ der Basis an der oberen, der abgestumpften Spitze an der unteren Grenze. Bei fetten Personen ist der Querschnitt desselben mehr rund, bei mageren dagegen an der Beuge- und Streckseite abgeplattet. Von den beiden Knochen lässt sich die ulnare Kante der Ulna unten von dem Proc. styloid. uln. an bis zu dem Olecranon, unmittelbar durch die Haut, die hier dem Knochen anliegt, leicht durchfühlen; dagegen ist der Radius in seiner oberen Hälfte dem Tastsinn weniger zugänglich, da derselbe hier von der Muskulatur des radialen Randes verdeckt wird; in der unteren Hälfte, wo die Muskulatur bereits sehnig geworden, kann jedoch auch der Radius durch die Haut leicht gefühlt werden. An nicht zu fettreichen Individuen kann man ferner bei Streckung der Hand an der Beugeseite der unteren Hälfte des Vorderarms die Sehnen des M. brachioradialis und des M. flexor carpi rad. und zwischen beiden die Pulsation der Art. rad., ferner die Sehne des M. flexor. carpi uln. und an deren radialem Rand die Pulsation der Art. uln. fühlen. Auch der Vorderarm zerfällt topographisch in die Beuge- und Beuge- und Streckseite. An dem ulnaren Rande ist die Trennung beider Seiten an der hier fühlbaren Ulna gegeben, an dem radialen dagegen fällt sie in die Muskulatur des radialen Randes in der Art, dass der M. brachio" rad. noch als der Beugeseite angehörig betrachtet wird, während die beiden M. extens. carp. rad. bereits der Streckseite zugezählt werden. Die Beugeseite des Vorderarms zerfällt in folgende vier Schichten: Beugeseite des 1Haut, T ™ ' 2. das subcutane Bindegewebe, 3. die Fascie, 4. die Muskulatur mit den grossen Gefäss- und Nervenstämmen.

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Obere Extremität.

Auch an dem Vorderarm ist die Haut der Beugeseite dünner, feiner und weniger mit Haaren besetzt, als jene der Streckseite, unterhautIn dem mehr oder weniger fetthaltigen Unterhautbindegewebe bindegewete. v e r i a u f e i l i d u r c h vielfache Anastomosen in Verbindung stehend, eine radiale und ulnare Vene, von welchen die unten radial gelegene weiter oben zu jener Vene wird, welche mit der V. med. uln. und V. med. rad. an jener Stelle zusammenfliesst, an welcher sich diese beiden Venen unter einem spitzen Winkel vereinigen. Die ulnar gelegene Vene erhält in der Ellenbeuge den Namen V. basilica. Ferner finden sich in dem Unterhautbindegewebe die beiden Hautzweige des N. cutan. med., von welchen der uln. Zweig den ulnaren, und der palmare den mittleren Theil der Haut des Vorderarms versorgt, während in dem radialen die Endverzierungen des mit dem N. rad. superf. anastomosirenden N. musculo-cutan. sich ausbreiten. Fascie. Die Fascie ist stärker als jene der Beugeseite des Oberarms und hängt oben ziemlich fest mit der darunter liegenden Muskulatur zusammen ; auch setzt sich dieselbe nach einwärts unter der Form von Sehnenstreifen zwischen die Muskeln der oberflächlichen Lage fort. Radialwärts geht die Fascie auf jene über, welche die Muskulatur des rad. Randes deckt, ulnarwärts fliesst sie mit dem Periost der Ulna zusammen. Muakein. Die Muskelschichte zerfällt in drei Lagen, von welchen die obere den M. brachiorad. und pronat. teres, sowie die drei oberflächlichen Handbeuger, den M. flex. carp. rad. palmar, long, und den flex. carp. uln., die mittlere den M. flex. digit. commun. sublim, und die tiefe die M. flex. digit. com. profund., den flex. poll. long, und pronat. quadrat. umfasst. Der zur Muskulatur des radialen Randes gehörige M. brachiorad. (Fig. 108. 12) wird schon in der Mitte des Vorderarms sehnig und inserirt sich mit abgeplatteter Sehne an dem Proc. styloid. rad. Die übrigen Muskeln der oberflächlichen Lage kommen sämmtlich von dem Epicond. uln. und bilden in der Ellenbeuge die Unterlage des ulnaren Wulstes. Topographisch haben wegen ihrer nahen* Beziehung zu den Vorderarmarterien nur die beiden M. flex. carp., der radiale und der ulnare, Interesse, während der nicht selten fehlende M. palmar, long. (Fig. 108. 21), welcher sich in der Fascie der Mittelhand ausbreitet, topographisch bedeutungslos ist. Der M. flex. carp. rad. (Fig. 108. 20) verlauft schräg abwärts und radial, um mit dem M. brachiorad. einen nach oben ofEenen sehr spitzen Winkel zu bilden, so dass es in der unteren Hälfte des Vorderarms zwischen den Sehnen beider Muskeln zur Bildung einer durch die Haut fühlHaut.

577

Der Vorderarm.

baren Rinne kommt, welche von der von zwei Venen begleiteten Art. radial. (Fig. 108. 3) eingenommen wird. Die Richtung dieser Arterie, welche über den M. pronat. ter. kurz vor seinem Ansatz an dem Radius weggeht, wird durch eine Linie bestimmt, die von dem Halbirungspunkte einer zwischen den beiden Epicondylen gezogenen Querlinie nach der Mitte der nach oben gerichteten [3 Basis des Daumenballens sich erstreckt. Der l N. rad. superf. (Fig. 108. 7) \— begleitet die Arterie, liegt g derselben aber nicht unmittelbar radial an, son20 dern ist an das Perimysium des M. brachiorad. geheftet und geht schon unterhalb der Mitte Flg. 108. der Gegend unter der Durchschnitt durch die Mitte de9 Vorderarms zwischen den M. pronat. teres und quadratus. Sehne des M. brachio-rad. 14 Muse, abduct, poll. long, 1 Radiusi verbunden durch weg, um sich der Streckund extens. poll, brevis. 2 Ulna Idas Lig. lnteross. seite zuzuwenden. Der 15 Muse, extens. poll. long. 3 Art. radialis. 16 Muse, extens. digit, in4 Art ulnaris. M. flex. carp. uln. (Fig. dicia. 5 Art. interossea interna. 108. 23) geht in- gerader 17 Musc, extens. digit, 6 Art. interossea externa. commun. 7 Nerv. rad. superficial. Linie herab und bezieht 18 Musc, extens. digit, 8 Nerv, medianus. bis nahe an das untere minimi. 9 Nerv, ulnaris. 19 Musc extens carp, ulnar. Ende der Gegend mittels 10 NervuB interosseus in20 Musc, flexor, carp, radial. ternus. einer dünnen platten 11 Nerv, inteross. extern. 21 Musc, palmar, long. 22 Musc, flexor dlgitor. (Nerv, radial, profund.) Sehne noch Ursprungscommun, sublim. 12 Muse, supinator longus fasern von der ulnaren (brachio-radialls). 23 Musc, flexor carp, ulnar. Kante der Ulna. An dem 13 Muse, extensor carpi ra- 24 Musc.flexordigitor.commun. profundus mit dem dial long, und brevls. radialen Rande des MusMusc, flexor poll. long. kels findet sich zunächst der N. uln. (Fig. 108. 9) und hart an demselben radial die Art. uln. (Fig. 108. 4). Diese Arterie legt sich, nachdem sie schräg unter dem Paquete der Muskulatur des Ulnarwulstes durchgetreten, in der Höhe des unteren Randes des M. pronat. ter. an jener Stelle, an welcher die Art. rad. über diesen Muskel hinwegzieht, spitzwinklig an den N. uln., um mit demselben parallel weiter nach abwärts in gerader Richtung O e r l a c h , Anatomie des Menschen.

37

578

Obere Extremität.

zu verlaufen. Von dem N. uln. geht 4 bis 5 cm oberhalb des Proc. styloid. uln. der starke Rückenast unter der Sehne des M. flex. carp. uln. zur Streckseite. Der die zweite Muskellage bildende M. flex. digit. comm. subl. (Fig. 108. 22) entspringt mit einem Kopfe noch von dem Epicond. uln., mit einem zweiten abgeplatteten dagegen fleischig von der Mitte des Radius und drängt sich stark zwischen M. pahn. long, und flex. carp. uln. vor, so dass der ulnare Gefässnervenstrang nicht zwischen den M. palm. long, und flex. carp. uln., sondern zwischen den letzteren Muskel und den M. flex. digit. comm. subl. zu liegen kommt. Zwischen dem rad. und uln. Kopf des M. flex. digit. comm. subl. schiebt sich weiter der schon in der Ellenbogengegend zwischen der hohen und tiefen Ursprungsportion des M. pronat. ter. in die Tiefe getretene N. median. (Fig. 108. 8) ein, so dass derselbe von da an nach abwärts zwischen der mittleren und tiefen Muskellage, aber nicht genau in der Mitte, sondern dem radialen Rande des Vorderarms näher gelegen, verlauft.

streckneite des Vorderarms,

Haut u. unterhautbinde-

Von den Muskeln der tiefen Lage entspringt der M. flex. dig. comm. prof. (Fig. 108. 24) von der Ulna unterhalb des Ansatzes des M. brach, int., der M. flex. pollicis long, von dem Radius unterhalb des M. supin. brev. Zieht man beide neben einander verlaufende Muskeln von einander ab, so tritt das Lig. inteross. in Sicht und auf demselben hart nebeneinander die Art. inteross. int. und der N. inteross. (Fig. 108. 5 und 10). Der letztere, ein Ast des N. median., liegt radial von der Arterie. Beide bleiben sichtbar bis an den oberen Rand des dritten Muskels der tiefen Lage des M. pron. quadratus, welcher 6 cm oberhalb des Proc. styl. rad. fällt, während dessen unteren Rand schon die Gegend der Handwurzel streift, Auch an der minder mächtigen Streckseite des Vorderarms u n t e r s c h e i d e m a n vier Schichten: 1. Die Haut, 2. das Unterhautbindegewebe, 3. die Fascie, 4. die Muskulatur. Das unter der stärkeren und reichlicher behaarten Haut befindliehe subcutane Bindegewebe ist grossmaschiger und in geringerer Menge vorhanden als auf der Beugeseite. Die in demselben verlaufenden Hautvenen sind weniger reichlich, anastomosiren aber gleichfalls unter einander, und aus denselben entwickelt sich nach dem radialen Rande hin die Ven. cephalica. Die Hautnerven sind

579

Der Vorderarm.

in dem obersten Theile der Streckseite Zweige des Stammes des N. rad., und weiter unten finden sich gegen den ulnaren Rand Verästelungen des ulnaren Astes des N. cutan. med., gegen den radialen Rand Zweige des N. cutan. ext. In dem untersten Theile der Gegend erhält die Haut auch Nerven von dem Rückenaste des N. ulnar, an der ulnaren und von dem N. radial-, superf. an der radialen Seite. Die Fascie der Streckseite ist oben beträchtlich stärker und entsendet sehnige Septa zwischen die einzelnen Muskeln der oberflächlichen Lage. Nach abwärts verdünnt sich die Fascie, um an der unteren Grenze der Gegend in das bereits der Handwurzel angehörige Lig. carp. dorsale überzugehen. Die Musculatur zerfällt nur in zwei Lagen, in eine oberflächliehe und in eine tiefe. Der oberflächlichen Lage gehören die beiden M. extensores carp. rad. (Fig. 108. 13), der extens. digit. comm. (Fig. 108. 17), der extens. dig. minimi (Fig. 108. 18) und der extens. carp. uln. (Fig. 108. 19) an, welche alle von dem Epicond. rad. des Oberarmknochens oder dessen nächster Umgebung ihren Ursprung nehmen. Von den beiden der Musculatur des rad. Randes angehörigen M. extens. carp. radiales wird der lange schon an der unteren Grenze der Ellenbeuge sehnig, der kurze aber erst in der Mitte des Vorderarms. Der M. extens. carp. uln. ruht in dem grössten Theile seines Verlaufes auf der Rückenfläche der Ulna. Unter der oberflächlichen Muskellage finden sich die Gefässe und Nerven der Streckseite, welche desshalb beträchtlich schwächer als jene der Beugeseite sind, weil der Bezirk ihrer Ausbreitung allein auf den Vorderarm beschränkt ist, während die Gefässe und Nerven der Beugeseite auch die Hand zu versorgen haben. Unterhalb des unteren Randes des M. supin. brev. tritt die Art. inteross. ext. (Fig. 108. 6), jener das Lig. inteross. durchbrechende und dadurch zur Streckseite gelangende Zweig der Art. inteross. commun., in Sicht und löst sich, nachdem sie die schwache, zum Ellenbogen rückläufige Art. recurs. inteross. abgegeben, in dem Fleische der Streckmuskeln auf. Der Muskelnerv der Streckseite ist der den M. supin. br. durchsetzende N. rad. prof. (Fig. 108. 11), der etwas oberhalb der Arterie aus dem Muskel austritt. Fasst man die Bedeutung der drei grossen Nerven des Vorderarms für die Bewegung der Hand kurz zusammen, so beherrscht die Streckung und Supination der N. rad. die ganze Pronation und den grössten Theil der Beugung der N. median, und nur einen kleinen Theil der Beugung (M. fl. carp. uln. und ulnare Hälfte des M. fl. digit. comm. prof.) der N. uln. 37»

Fascie.

Muskeln,

580

Knochen des Vorderarms.

Bruche der Knochen des Vorderarms,

Obere Extremität.

Die tiefe Muskellage der Streckseite setzt sich aus den M. abduet. poll. long., extens. poll. brev. (Fig. 108. 14), extens. poll. long. (Fig. 108. 15) und extens. digit. indic. (Fig. 108. 16) zusammen, welche sämmtlich unterhalb des unteren Randes des M. supin. br. von dem Rad., dem Lig. inteross. nach der Ulna zu entspringen. Die beiden ersten Muskeln überschreiten in der unteren Hälfte des Vorderarms, um zu dem Daumen zu gelangen, die Sehnen der beiden M. extens. carp. rad. und sind daher hier unmittelbar unter der Fascie gelegen, während ihr Ursprung von dem M. extens. digit. commun. verdeckt ist. Unter der tiefen Muskellage erscheint in dem unteren Drittheil des Vorderarms auf dem Lig. inteross. die Art. inteross. int., welche an dem oberen Rande des M. pronat. quadrat. das Lig. inteross. durchbricht und als schwaches Gefäss zu dem Rete vascul. articulat. manus tritt. Diese Arterie ist begleitet von dem längsten, aber sehr dünnen Zweige des N. rad. prof., der als N. inteross. ext. bis zu der Kapsel des Radio-carpalgelenks gelangt. Die beiden Vorderarmknochen, die Ulna und der Radius, welche zwischen Beuge- und Streckseite eingeschoben sind, unterscheiden sich wesentlich dadurch von einander, dass bei der Ulna die obere Apophyse beträchtlich stärker entwickelt ist, als die untere, während bei dem Radius gerade das umgekehrte Verhältniss sich findet. Auch steht das Oberarmende der Ulna höher als das des Radius, während der letztere mit seinem unteren Ende die Ulna überragt. Die Schäfte beider Knochen folgen nicht genau der geraden Linie, doch ist die radialwärts gerichtete Biegung des Radius beträchtlicher und beginnt schon unter dem Ansatz des Bicepsmuskels, während die schwächere, ulnarwärts sehende Biegung der Ulna der unteren Hälfte des Knochens angehört. Aus diesem Grunde ist auch der Abstand beider Knochen bei der Supinationsstellung in der unteren Hälfte des Vorderarms etwas grösser als in der oberen. Ulna und Radius sind durch das Lig. inteross. verbunden, das an die scharfen einander gegenüberliegenden Kanten derselben (Cristae inteross.) angeheftet ist. Unten besitzt dieses Band eine kleinere und oben eine grössere Lücke, welche letztere, bereits der Ellenbogengegend angehörig, durch einen schräg verlaufenden Bandstreifen, die Chorda transversal., in zwei Abtheilungen getrennt ist. Die Brüche des Vorderarms können theils beide Knochen, . theils nur einen betreffen. Sind beide Knochen gebrochen, so ist bei dem Verbände vor Allem darauf zu sehen, dass derselbe nicht in der Pronationsstellung angelegt wird, weil dabei die Möglichkeit vorliegt,

Die Handwurzelgegend.

581

dass, namentlich wenn die Knochen in der Mitte des Schaftes gebrochen sind, ein einziger Callus beide Knochen umschliesst, was die Drehung des Radius in der Supinationsachse unmöglich macht, Die vollendete Supinationsstellung wird aber für die Dauer unerträglich, wesshalb der Verband in einer schwachen Supinationsstellung angelegt werden soll. Ist nur ein Knochen gebrochen, so hat es bisweilen eine gewisse Schwierigkeit, die Fractur zu constatiren, da desshalb keine Dislocation der Knochenenden vorhanden zu sein braucht, weil der unverletzte Knochen dem gebrochenen als Schiene dient. Wirkt die den Bruch veranlassende Gewalt direct auf den Vorderarm ein, so ist in der Regel die Ulna gebrochen, weil diese oberflächlicher als der Radius liegt. Wirkt dagegen die Gewalt nicht unmittelbar auf die Vorderarmknochen, sondern indirect, wie z. B. bei einem Falle, auf die Hand, namentlich in der Pronationsstellung, so erfolgt fast immer Bruch des Radius in der Nähe des Handgelenks. Da diese Fractur nun von allen Vorderarmbrüchen die häufigste ist, so liegt der Schluss nahe, dass die meisten Brüche durch indirect einwirkende Gewalten verursacht werden. Bei der Behandlung aller Brüche des Vorderarms ist noch auf das anatomisch begründete Verhältniss Rücksicht zu nehmen, dass die Arterien in der unteren Hälfte des Vorderarms nur von harten und nicht nachgiebigen Theilen, wie Knochen, Sehnen umgeben sind, wesshalb eine zu feste Anlage des Verbandes Hemmung des Blutlaufs und dadurch Gangrän an der Hand herbeiführen kann; daher die praktische Regel, dass ein solcher Verband nie Schmerz verursachen darf und bei eintretendem Schmerz sogleich entfernt werden muss. Die Handwurzelgegend.

Die Grenzen dieser Gegend sind nur an der Beugeseite zu be- Grenzen, stimmen, und zwar fällt die obere gegen den Vorderarm 2 cm über die Spitze des Proc. styloid. rad. Häufig ist dieselbe durch eine leichte Hautfurche angedeutet, welche aber nur bei leichter Beugung der Hand kenntlich ist, bei der Streckung dagegen ganz verschwindet (Fig. 112. 1). Die untere Grenze ist in den hinteren Contouren des Daumen- und Kleinfingerballens gegeben, welche unter einem stumpfen, gegen die Mittelhand gerichteten Winkel zusammenfliessen. Die Handwurzel ist sowohl auf der Beuge- wie auf der Streck- Aeussere configumtlon seite abgeplattet, d. h. der Durchmesser von dem radialen zu dem '

582

Obere Extremität.

ulnaren Rande ist fast um ein Drittheil länger als jener von der Beugeseite zu der Streckseite. Bei dem so häufigen Bruche der unteren Apophyse des Radius ändert sich dieses Verhältniss, und Zunahme des Durchmessers von der Beuge- zur Streckseite der Handwurzel der einen Hand im Vergleiche mit der andern ist eines der zuverlässigsten Zeichen dieser Fractur. In Folge der geringen Entwicklung der unteren Apophyse der Ulna erscheint die abgerundete Linie, vermittelst deren auf der Ulnarseite die Beugefläche in die Streckfläche übergeht, mit einem kleineren Halbmesser beschrieben, als an der Radialseite, wo das starke untere Ende des Radius mit einer breiten Fläche von der Streckseite zur Beugeseite abfällt. An der Haut der letzteren sind drei Querfurchen bemerklich, von denen die unterste (Fig. 112. 3) am stärksten ausgesprochen ist und mit den die Gegend von der Mittelhand abgrenzenden Contouren des Daumen- und Kleinfmgerballens ein Dreieck bildet, dessen in der untersten Furche gegebene Basis dem oberen Rande des Lig. carpi vol. profund., also dem Anfang des Canalis carpalis entspricht. Da das Skelett an der Handwurzel nicht mehr von Fleischmassen, sondern nur mehr von langen Sehnen umgeben ist, treten die Knochencontouren für den Gesichts- und Tastsinn deutlicher hervor, als an dem Vorderarm. Von den fühlbaren Knochenstellen sind in praktischer Beziehung weitaus am wichtigsten die Proc. styloid. des Radius und der Ulna. Deutlicher fühlbar und nahezu 1 cm weiter herabragend ist der Proc. styl. rad. Unterhalb des Proc. styl. uln. aber kann der Finger tiefer eindringen zwischen ulna und os pyramidale und trifft hier auf der Beugeseite einen sehr festen Körper, das Erbsenbein. Ausserdem ist auf der Beugeseite noch leicht durch die Haut zu fühlen die Sehne des M. flex. carp. rad., was desshalb einen gewissen topographischen Werth hat, da an dem ulnaren Rande dieser Sehne der N. median., und gegen 5 mm radial von derselben entfernt die Art. rad. verlauft, welche man bisweilen bei einer gewissen Stellung der Hand auch pulsiren sehen kann. Die Streckseite wird von der Beugeseite durch die Proc. styl, beider Vorderarmknochen geschieden. An derselben fällt am meisten in die Augen das hier unmittelbar unter der Haut gelegene Capitulum ulnae; in der Vertiefung zwischen demselben und dem Proc. styl, uln. ist die Sehne des Ext. carp. uln. fühlbar. Auch der Contour des unteren Randes des Radius kann bis zu dem Proc. styl, dieses Knochens gefühlt werden, und bei gestreckter Hand auf demselben die Sehnen der M. ext. digit. commun., ext. digit. ind., ext. poll. long.,

Die Handwurzelgegend.

583

ext. poll. brev. und abd. poll. long. Zwischen den in einen Strang vereinigten Sehnen der M. abd. poll. long, und ext. poll. brev. einerseits und der Sehne des M. ext. poll. long, andrerseits wird bei gestreckter Hand eine dreieckige nach dem Metacarpalknochen des Daumens spitz zulaufende Grube sichtbar, die sogenannte Tabatière, welche als Durchgangsstelle der Art. rad. topographisch von Wichtigkeit wird. Die dünne und zarte Haut der Beugeseite der Handwurzelgegend ist ziemlich straff an die unterliegende Fascie, namentlich in der Umgebung des Erbsenbeins, geheftet. Das meist nur wenig Fett führende subcutane Bindegewebe ist nur in geringer Menge vorhanden, und in demselben verlaufen kleine Hautvenen und die Endausbreitungen des Nerv, cutan. medius, sowie ein Hautast des N. median., welcher in der unteren Hälfte des Vorderarms von letzterem Nerven abgeht, aber erst unmittelbar über der oberen Grenze unserer Gegend die Fascie durchbricht. Die oben ziemlich starke Fascie des Vorderarms verdünnt sich nach abwärts mehr und mehr. An der Grenze zwischen Vorderarm und Handwurzelgelenk verstärkt sie sich aber beträchtlich und führt hier den Namen Lig. carp. volare superficiale oder commune. Das untere Ende dieses Bandes deckt theilweise den Anfang eines viel stärkeren Querbandes des Lig. carp. vol. profund, oder propr., welches zwischen den beiden Eminent, carpi, d. h. radialerseits den Höckern des Os. navicul. und multangul. maj., ulnarerseits dem Os. pisiforme und dem Haken des Os. hamat. ausgespannt ist. Dieses Band (Fig. 109.20 und Fig. 114. 1) stellt die untere Wand eines ausgeglätteten Canals dar, dessen obere gewölbte Decke von den Knochen der Handwurzel gebildet wird. Die Sehnen, Gefässe und Nerven der Handwurzelgegend gehen nun theils über dem Lig. vol. prof. weg, theils treten sie unter demselben durch den sogenannten Carpalcanal zur Mittelhand. Von den Sehnen der Muskeln an der Beugeseite des Vorderarms erreichen jene des M. brachio-rad. und des flex. carp. uln. den Carpalcanal nicht. Die Sehne des ersteren plattet sich etwas ab und inserirt sich an der Wurzel des Proc. styl, rad., dessen äussere Fläche sie ausglättet für den Durchgang der Sehnen des M. abd. poll. long, und extens. poll. brev., die hier durch das erste Fach des Lig. carp. dors, treten. Die Sehne des M. flex. carp. uln. setzt sich an dem Erbsenbein an, während jene des flex. carp. rad. (Fig. 109. 19) nicht durch den Carpalcanal geht, sondern in der

Beogeseite der g^^Haut und unterhautbindegewebe '

Fascie d. Beuge8eite anâ " w^e^

584

Gefasse und Nerven der Beugeselte der Handwurzel.

Obere Extremität.

radialen Wand desselben in einer seichten, von dem Os. navicul. und multang.maj. gebildeten Rinne und daselbst von einer eigenen Synovialscheide (Fig. 114.5) umgeben zu ihrem Insertionspunkte, der Basis des Metacarpalknochens des Zeigefingers, gelangt. Nur die Sehne des M. palm. long, geht über das Lig. c. vol. prof. weg, um sich in dem mittleren starken Theile der der Mittelhand angehörigen Fascia palm. auszubreiten. Dagegen treten sämmtFig. 109. liche Sehnen beider Durchschnitt durch die Handwurzel In der Höhe der ersten Fingerbeugen (Fig. 109. Knochenreihe. 22 und 23), sowie die 1 Kahnbein. des langen Daumen2 Mondbein. 3 Pyramidenbeln. (Zwischen 2 und 3 das obere Ende des beugers (Fig. 109. 21) Hackenbelns eingeschoben.) in den Carpalcanal und 4 Erbsenbein. 5 Art. radial, unter der Sehne des Muse, abduet. poll. long. gelangen demnach 6 Art. ulnar. unter dem Lig. c. vol. 7 Nerv. rad. superficial. 8 Endzweige des Nerv, cutan. extern. prof., von Synovial9 Nerv, median, -in dem Canal. carp. gelegen. scheiden umgeben, zur 10 Nerv, ulnar. 11 Rückenast des Nerv, ulnar. Mittelhand. 12 Sehne des M. extens. carp. uln. Die beiden Haupt13 Sehne des M. extens. dlgit. min. 14 Sehnend.M.extens.digitor.comm.u.d.M. ext. digitiindicis. arterien der Hand15 Sehne des M. extens. poll. long., weggehend über wurzel , die Art. rad. 16 die Sehnen der beiden M. extens. carp. rad. 17 Sehne des M. extens. poll. brev. und uln., verlaufen 18 Sehne des M. abduet. poll. long. ausserhalb des Carpal19 Sehne des M. flexor carp. rad. 20 Llg volare proprium, den Canalis carpalls nach der Haut canals. Die erstere zu abschliessend. — In dem Can. carp. befinden sich ausser (Fig. 109. 5) tritt, nachdem Nerv, median. dem sie einen mehr 21 Sehne des M. flex. poll. long. 22 Sehnen des M. flex. dlgit. common, subl. oder weniger starken, 23 Sehnen des M. flex. dlgit. commun. prof. über das Lig. carp. vol. prof. verlaufenden Ast (Ram. vol.) abgegeben hat, an dem radialen Ende der Hautfurche, welche in der Höhe des oberen Randes die Lig. carp. vol. prof. verlauft, unter die eben aus dem

Die Handwurzelgegend.

585

ersten Fache des Lig. carp. dors, ausgetretenen Sehnen der M. abd. poll. long, und ext. poll. br., um die bereits dem Rücken der Handwurzel angehörige Tabatière zu durchsetzen. Die Art. uln. (Fig. 109.6), welcher ulnar hart der N. uln. (Fig. 109. 10) anliegt, verlauft, dem uln. Rande der Sehne des M. flex. carp. uln. folgend, unter dem Lig. carp. superf., aber über dem prof. in* einer Rinne, welche dadurch gebildet wird, dass das Lig. carp. profund, sich nicht auf dem Gipfel, sondern etwas tiefer an der radialen Fläche des Erbsenbeins ansetzt. In dieser Rinne spaltet sich bereits der N. uln. in einen hochliegenden stärkeren und tiefliegenden schwächeren Zweig, während die Arterie etwas tiefer an dem unteren Rande des Lig. carp. prof. ihren tiefen Ast, der gleichfalls schwächer als der hochliegende ist, abgibt, worauf wir bei der Mittelhand zurückkommen werden. Durch den Can. carp. tritt nur der dem Lig. carpi profund, zunächst gelegene N. median. (Fig. 109. 9), welcher bisweilen von einer langen, aber schwachen, der Art. uln. entstammenden Arterie begleitet ist, die, wenn sie vorkommt, den Namen Art. mediana führt. Bei etwa nöthigen Einschnitten ist darauf zu achten, dass die beiden Hauptarterien sehr oberflächlich und dem rad. und uln. Rande nahe liegen, wesshalb das Messer in der Mitte der Längsachse des Gliedes oder bei ganz freier Schnittwahl etwas mehr nach der ulnaren Seite hin zu führen sein wird, in Berücksichtigung des von der Mittellinie radial etwas abweichenden N. medianus. An der Streckseite der Handwurzel ist das Skelett von der Haut Streckseite der nur durch die Fascie und die meist abgeplatteten Sehnen der Ex- Handwu " el " ° 1 gegend. tensoren getrennt, wesshalb der Zugang zu dem Radio-carpalgelenk von der Streckseite viel leichter als von der Beugeseite ist. Die Haut der Streckseite der Handwurzel ist dicker und derber, Haut und unterbautbl de als die der Beugeseite; auch viel weniger fest an die unterliegenden ° * ° o d gewebe. Theile angeheftet, wesshalb sie sich nach dem Einschnitt beträchtlich stärker zurückzieht, als an der Beugeseite. Das nicht sehr fettreiche subcutane Bindegewebe ist nicht reichlich vorhanden, aber sehr lax und grossmaschig, von welchem Umstände die verhältnissmässig grosse Verschiebbarkeit der Haut abhängt. In diesem Bindegewebe verlauft an der Radialseite die Endausbreitung des N. eut. ext., der mit dem N. rad. superf. (Fig. 109. 7), welcher in dem unteren Drittheil des Vorderarms unter der Sehne des M. brachio-rad. zur Streckseite tritt, anastomosirt. Auf der ULnarseite finden sich die letzten Endzweige des N. eut. med., hauptsächlich aber der Rückenat des N. uln. (Fig. 109. 11). Die in dem Unterhautbindegewebe

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Obere Extremität.

verlaufenden, untereinander anastomosirenden Venen fliessen nach der Ven. ceph. ab. Die auf der Streckseite des Vorderarms stärker entwickelte Fascie verstärkt sich gegen das untere Ende von Radius und Ulna noch mehr, und diese Verstärkung erhält sich bis zur zweiten Reihe der Handwurzelknochen, wo sie in" die dünnere Fascie des Rückens der Mittelhand übergeht. Dieser verstärkte Theil der Fascie, in der systematischen Anatomie als Lig. carp. dors. (Fig. 110.1) beschrieben, sendet Fortsätze nach den darunter gelegenen Knochentheilen aus, wodurch sechs Fächer gebildet werden, welche für den Durchtritt der Sehnen der Streckmuskulatur bestimmt sind. Von diesen Fächern gehören vier rein der Streckseite an, während zwei auf jener breiten Fläche des Rad. sich finden, welche von der Streckseite nach der Beugeseite abfällt. An den Knochen sind diese Durchgangsstellen der Strecksehnen durch mehr oder weniger tiefe Furchen angedeutet, von welchen eine, für die Sehne des M. ext. carp. uln. bestimmt, auf die Ulna fällt und. sich zwischen Capitul. und Proc. styl. uln. findet. Das darauffolgende, für die Sehne des M. ext. digiti minimi bestimmte Fach hat nur eine fibröse, aber keine knöcherne Unterlage, da die Sehne dieses Muskels zwischen Ulna und Radius unter dem Lig. c. dors. durchgeht. Das nächste grosse Fach, in welchem die Sehnen des M. ext. digit. commun. und darunter jene des M. digit. indic. eingelagert sind, gehört dem Rad. an und ist durch eine kleine scharfe Kante von dem kleinsten, aber an dem Knochen genau hervortretenden Fache geschieden, welches für die Sehne des M. ext. poll. long, bestimmt ist. An dem radialen Rande dieses Fach'es findet sich ein länglicher Höcker des Rad., den man bei vielen Personen auch fühlen kann, und der die reine Streckseite des unteren Radialendes von der nach der Beugefläche abfallenden scheidet. Auf der letzteren findet sich neben dem oben erwähnten länglichen Höcker eine grosse Furche für den Durchgang der Sehnen der beiden M. ext. carp. rad. (Fig. 110. 2), und etwas tiefer eine an der Wurzel des Proc. styl. rad. gelegene, in welcher die Sehnen der M. ext. poll. br. und abd. poll. long, eingefügt sind (Fig. 110. 4 und 5). Durch diese Fächer wird verhindert, dass die Sehnen der Streckmuskeln auf dem Rücken der Handwurzel sich in Folge des Muskelzugs gegeneinander verschieben können. Zur Vermeidung der Friction der Sehnen an der Wandung der Fächer sind die letzteren von einer Synovialhaut ausgekleidet. In Folge dieser leichten Beweglichkeit der Sehnen in den Fächern zieht sich bei queren Wunden der Rücken-

Die Handwurzelgegend.

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seite der Handwurzel, welche mit Sehnendurchschneidung verbunden sind, d6r centrale, mit dem Muskel in Verbindung stehende Sehnentheil oft mehrere Centimeter nach oben zurück, so dass er in der Wunde nicht mehr aufzufinden ist. Bei mageren Individuen und dünner Haut kann man bei der Streckstellung der Hand die Mehrzahl dieser Sehnen unter der Haut

Fig. 110. Radiale Seite der Hand. 1 Ligamentum carpi dorsale. 2 M. extensor carpi radialis longus et brevis. 3 M. extensor pollicis longus 4 M. extensor pollicis brevis. 5 Ii. abductor pollicis longus.

6 7 8 9 10

M. interosseus dorsalis primua. M. adductor pollicis. M. abductor pollicis brevis. Art. radialis in der Tubatiere. Zweige des Nerv, radialis superflciaJls.

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Obere Extremität.

direct wahrnehmen; immer ist dieses der Fall bei den Sehnen des M. ext. poll. long, einer- und den Sehnen der M. ext. poll. brev. und abduct. poll. long, andererseits. Da die Durchgangsstellen dieser Sehnen unter dem Lig. carp. dors, geschieden sind durch das breite für den Durchtritt der Sehnen beider M. ext. carp. rad. bestimmte Fach, beide aber sich nach dem Rücken des Metacarpalknochens des Daumens hinziehen, so entsteht an der Handwurzel eine längliche dreieckige Vertiefung, deren Spitze etwas über der Basis des Daumenmetacarpus liegt, während sie sich stark nach dem unteren Ende des Radius zu verbreitert. Diese Grube, unter dem Namen der anatomischen Tabatière bekannt, hat als knöcherne Unterlage die radiale Hälfte des Kahnbeins und gegen ihre Spitze zu das Trapezbein. In dem Unterhautbindegewebe der dreieckigen Tabatière verlauft längs deren radialen Kathete der für die Radialseite des Daumens bestimmte Zweig des N. rad. superfic., während der Stamm des Nerven das Dreieck ziemlich in der Mitte der Länge nach durchzieht ; auch finden sich hier die von dem Daumenrücken kommenden kleinen Venen. Der wichtigste Inhalt der Tabatière ist aber die Radialarterie (Fig. 110.9), welche tiefer hart auf dem Periost des Knochens aufliegt und durch straff gespanntes Bindegewebe in der Lage auf dem Knochen erhalten wird. Dieselbe tritt an der bereits oben topographisch bestimmten Stelle unter den Sehnen der M. abd. poll. long, und ext. poll. br. in die Tabatière und verlässt dieselbe schräg nach vorn und, dem Metacarpalknochen des Zeigefingers zugewandt, unter der Sehne des M. ext. poll. long., um zwischen den oberen Enden der beiden Köpfe des ersten M. inteross. dors.^Fig. 110.6) zur Hohlhand zu gelangen. In der Tabatière gibt die Radialarterie zwei Zweige ab : einen feinen aufsteigenden zu dem Rete art. articul. manus dors., welches hauptsächlich von der Endverästelung der Art. inteross. int. versorgt wird, und einen etwas stärkeren, aber kurzen absteigenden Zweig, der in die beiden minimalen Rückenarterien des Daumens und der Radialseite des Zeigefingers zerfällt. Knochen der Die Knochen, welche sich bei den Gelenken der Handwurzel Handwurzel, beteiligen, sind die unteren Apophysen von Radius und Ulna, sowie die beiden Reihen der eigentlichen Handwurzelknochen. Die Apophysen, namentlich die viel voluminösere radiale, bestehen aus spongiösem Knochengewebe, welches nur von einer ganz dünnen Lage compacter Substanz überdeckt ist; daher die häufigen Brüche des Rad. in der unteren Apophyse, welche nicht selten sich dadurch compliciren, dass die aus compacter Substanz bestehende und daher

Die Handwurzelgegend.

589

eine viel grössere Cohäsionskraft besitzende Diaphyse in die nachgiebige Apophyse förmlich eindringt, wodurch natürlich Verkürzung des Rad. bewirkt wird, in Folge deren der Proc. styl. rad. in gleicher Höhe oder noch höher stehen, kann, als der Proc. styl, ulnae. Die Apophysen von Rad. und Ulli, sind verhältuissmässig lange von

Flg. 111. Durchschnitt durch das Carpo-radial.-, die Carpal- und die Carpo-metacarpal-Gelenke. 1 2 3 4

Radius. Ulna. Os nayiculare. Os lunatum

5 Os pyramidale oder 7 Os multang. min. triquetrum. (Trapezoldbein.) 6 Os multangulum 8 Os capitatum. maj. (Trapezbein). 9 Os hamatum. 10 Lig. triangulare. Die Metacarpalknochen sind ron dem radialen nach dem ulnaren Rande zu mit fortlaufenden romischen Ziffern bezeichnet.

der knöchernen Diaphyse geschieden, und die vollständige Verknöcherung erfolgt erst nach dem 18. Lebensjahre. Die eigentlichen Handwurzelknochen bilden bekanntlich zwei Reihen, .von denen die obere, dem Vorderarm zugewandte aus dem Kahn-, Mond-, Pyramidenund Erbsenbein, die untere aus dem Trapez-, Trapezoid-, Kopf- und Hackenbein besteht (Fig. 111). Beide Reihen sind an dem Handrücken convex, nach der Hohlhand zu aber in der Art ausgehöhlt,

590

Obere Extremität.

dass sowohl an dem, rad. wie uln. Rande Knochentheile als Eminentiae carpi vorspringen. Radial werden diese Vorsprünge oben von dem Höcker des Kahnbeins, unten von dem des Trapezbeins und ulnar oben von dem Erbsenbein, unten von dem Hacken des Hackenbeins gebildet. Zwischen den Eminent, carp. beider Seiten ist das sehr starke Lig. e. vol. propr. oder prof. straff ausgespannt, wodurch der Carpalcanal nach der Hohlhand zu, seinen Abschluss erhält. Gelenke der An der Handwurzel finden sich drei oder eigentlich vier vollHandwurzei. k o m m e n voneinander unabhängige Gelenkverbindungen: das untere Gelenk zwischen Radius und Ulna, das Radio-carpalgelenk zwischen Radius und der ersten Reihe der Handwurzelknochen, das Mittelcarpalgelenk zwischen der ersten und zweiten Reihe der Handwurzelknochen, wozu noch das kleine, aber vollkommen abgeschlossene Gelenk zwischen Pyramiden- und Erbsenbein kommt, unteres Radioj m Gegensatz zu der oberen Gelenkverbindung zwischen Rad. uln arge! enk.

und Ulna ist der untere ulnare Rand der Apophyse des Rad. gehöhlt und überknorpelt (Sin. lunat. rad.) und dreht sich bei der Pro- und Supinationsbewegung um den unteren Rand des überknorpelten Ulnarkopfes (Circumferent. articul.). Das Capitul. uln. selbst ist durch eine feste dreieckige Bandscheibe (Lig. triangul.) von der Höhle des Radiocarpalgelenkes geschieden (Fig. 111. 10). Die Basis dieser Bandscheibe ist an das untere Ende des Sin. lunat. rad., und ihre Spitze an die radiale Fläche des Proc. styl, ulnae in der Art angeheftet; dass Fasern der Bandscheibe sowohl an die Wurzel wie an die Spitze des genannten Fortsatzes treten. Zwischen beiden Faserzügen verlaufen für die Synovialfortsätze des Gelenks bestimmte Gefässe, die man auch als Lig. subcruentum bezeichnet hat. Durch das Lig. triangul. ist nicht nur an dem unteren Ende beider Vorderarmknochen eine sehr widerstandsfähige Verbindung zwischen Rad. und Ulna hergestellt, sondern in demselben ist auch ein Theil der Pfanne des Radiocarpalgelenks gegeben. Nur ausnahmsweise ist in der Nähe der Basis des Lig. triangul. eine feine Spalte vorbanden, durch welche dann die Höhlen des unteren Radio-ulnar- und des Radio-carpalgelenks communiciren. Die Kapsel des unteren Radio-ulnargelenks ist oben dünn und nur sehr schlaff gespannt (Membrana sacciformis), nach unten setzt sie sich, stärker werdend, in die Kapsel des Radiocarpalgelenks fort. Bei der Drehung des Rad. um die Ulna kann es vorkommen, dass bei sehr starker Pronation eine Verschiebung des Lig. triang. zu dem Köpfchen der Ulna in der Art stattfindet, dass letzteres

Die Handwurzelgegend.

591

hinter das Lig. triangul. gelangt. Das in einem solchen Falle vor dem Ulnaköpfchen straff gespannte Lig. triangul. verhindert die Rückkehr in die Supinationsstellung der Hand. Diese Dislocation kommt fast ausschliesslich bei Kindern vor, und zwar hauptsächlich dann, wenn ein Erwachsener an beiden in der Pronationsstellung befindlichen Händen das Kind plötzlich stärker erhebt, um es einen Graben überspringen zu lassen. Zur Zurückbringung des Capitul. uln. in die richtige Lage über dem Lig. triangul. genügt es, mit der linken Hand den Vorderarm zu fixiren, während die rechte die Hand des Patienten plötzlich in die Supinationsstellung versetzt, wobei ein schwaches Knacken andeutet, dass die Reduction gelungen ist. Das Radio-carpalgelenk ist ein Nussgelenk, dessen Gelenkflächen Radio-carpaigelenk aber nicht Segmente einer Kugel, sondern eines ellipsoiden Körpers " darstellen. Die Pfanne ist gebildet von der unteren Gelenkfläche des Rad. und dem Lig. triangul., während der Gelenkkopf von der oberen Reihe der Knochen der Handwurzel mit Ausnahme des Erbsenbeins dargestellt wird. Wir unterscheiden daher an dem Gelenk zwei Hauptachsen, eine lange transversale, von dem Ende des Proc. styl. rad. nach dem Erbsenbein gelegt, um welche die Volar- und Dorsalflexion erfolgt, und eine kurze, die in der Mitte zwischen Proc. styl. rad. und uln. von der Streckseite zur Beugeseite verlauft, und um welche die Radial- und Ulnarflexion vollzogen wird. Die schlaffe und ziemlich weite Gelenkkapsel des Radio-carpalgelenks ist sowohl an der radialen und ulnaren Seite, wie an der dorsalen und volaren Fläche durch Hilfsbänder verstärkt, von welchen die der volaren Fläche bedeutend stärker sind, als jene der dorsalen. Verrenkungen in dem Carpo-radialgelenk sind schon aus dem Grunde sehr selten, da der Bandapparat zwischen Radius und der oberen Reihe der Handwurzelknochen ein ungemein fester ist, und es daher viel leichter zu einer Fractur der unteren Apophyse des Radius als zu einer Luxation kommt. Bei der Exarticulation der Hand, wobei das Gelenk von der Dorsalseite, als der der Haut zunächst gelegenen, geöffnet wird, hat man sich an die beiden Proc. styl, des Rad. und der Ulna zu halten, darf aber nicht übersehen, dass der Scheitel des Gelenkkopfs die Mitte einer zwischen den Spitzen beider Proc. styl, gezogenen Linie um 1 cm überragt. Das Mittelcarpalgelenk umfasst die Gelenkverbindung zwischen Mitteicarpaigelenk der ersten und zweiten Reihe der Handwurzelknochen. Dasselbe ' besteht aus zwei Abtheilungen, einer unteren kleineren radialen und einer oberen grösseren ulnaren. Bei der unteren radialen wird der

592

Obere Extremität.

Gelenkkopf von dem untersten Theile des Kahnbeins und die Concavität von den oberen Flächen des Trapez- und Trapezoidbeines gebildet. Umgekehrt verhält sich die obere ulnare Abtheilung, an welcher der Gelenkkopf von den beiden der unteren Reihe angehörigen Knochen, dem Kopf- und Hakenbein, gebildet wird, während die Pfanne in den einander zugewandten Flächen von Kahn-, Pyramiden- und Mondbein gegeben ist. Die Bänder, welche die Handwurzelknochen der oberen mit jener der unteren Reihe verbinden, sind theils dorsal, theils volar angebracht, von welchen die letzteren die stärkeren und straffer gespannten sind. Dazu kommen noch Zwischenknochenbänder, welche die einzelnen Knochen einer Reihe unter einander verbinden, aber der Verschiebung der Knochen gegen einander sehr enge Grenzen setzen; es hat jedoch dieser ganze Bandapparat kein besonderes praktisches Interesse. Die Achse, um welche die Drehung in dem Mittelcarpalgelenk sich vollzieht, erstreckt sich von dem unteren radialen Ende des Kahnbeins nach dem oberen ulnaren Ende des Hakenbeins. Die Dorsalflexion geschieht fast allein in dem Radio-carpalgelenk, dagegen ist dieses Gelenk weniger bei der Volarflexion betheiligt, welche sich mehr in dem Mittelcarpalgelenk vollzieht, was man an der eigenen Hand beobachten kann, indem an dem Rücken der Hand bei starker Volarflexion der Kopf des Kahnbeins deutlich sowohl für den Tastwie selbst den Gesichtssinn hervortritt. Gelenk zwiSchliesslich sei noch des ganz selbstständigen Gelenkes zwischen äenundErbsenulnar-unteren Fläche des Pyramidenbeins und dem Erbsenbein bein. (Fig. 109) gedacht. An das Erbsenbein setzt sich die Sehne des M. flex. carp. uln., und von demselben entspringt das Lig. piso-hamatum, welches sich an den Hamulus des Hakenbeins inserirt. Das Erbsenbein hat daher die Bedeutung eines in eine Sehne eingeschalteten Knochens, wie die Kniescheibe, welche auch in die Sehne des M. extens. cruris quadriceps und in das an die Spina tibiae sich ansetzende Lig. patellae proprium eingefügt ist. Die Mittelhandgegend. Grenzen

Die Mittelhand wird oben auf der Volarseite durch die gebrochene Linie, welche wir bereits als untere Grenze der Handwurzel kennen gelernt haben, und unten auf der Dorsalseite durch die bei der Beugung der Finger hervortretenden vier Höcker begrenzt. Auf der Volarseite ist die untere Grenze der Mittelhand für die drei lateralen Finger in der unteren Querfurche der Haut des Handtellers

Die Mittelhandgegend.

593

(Fig. 112. 4), für den Zeigefinger dagegen in dem radialen Viertheil Von den Grundder mittleren Querfurche (Fig. 112. 5) gegeben. phalangen der vier Finger ist nämlich nur die vordere Hälfte frei, die hintere dagegen steckt scheinbar noch in der Mittelhand. Die Volarfläche der Mittelhand zeigt in der Mitte eine Vertiefung Aeussere con(Fig. 112. III), Handteller genannt. Auf der radialen und ulnaren ^uei'hTnd" Seite ist derselbe von zwei Wülsten umgeben, von welchen der erstere

Fig. 112. Volarfläche der linken Hand. I Thenar. 1 2 3 4 5 6 7

I I Antithenar.

OberBte Furche der Handwurzel. Mittlere Furche der Handwurzel. Untere Furche der Handwurzel. Untere Furche des Handtellers. Mittlere Furche des Handtellers. Obere Furche des Handtellers. Vierte, mehr longitudlnale, mit der mittleren Furche des Handtellers verschmolzene Furche.

Q e r l a c h , Anatomie des Menschen.

I I I Handballen.

8 Durch unterbrochene Striche angedeutete Querlinlen des Handtellers, welche der Grenze des Scheitels des oberflächlichen arteriellen Hohlhandbogens entspricht. Die Arter. rad. und uln., sowie deren Vereinigung zu dem hohen und tiefen Hohlhandbogen sind durch pimktlrte Linien angedeutet.

38

594

Obere Extremität.

Daumenballen (Fig. 112. I) Thenar, der letztere Kleinfingerballen (Fig. 112. II), Antithenar oder Hypothenar genannt wird. Beide Wülste werden gegen die Handwurzel breiter und convergiren hier, wodurch dei4 Handteller nach oben umrandet wird, während drei kleine Bällchen, die, zwischen den Basen der vier Grundphalangen liegen, gegen die Finger zu, die Umrandung des Handtellers bilden. Die Unterlage von Thenar und Hypothenar bilden Muskeln, jene der drei kleinen Bällchen dagegen einfach Fett. In dem Handteller sind mehrere constante Hautfurchen vorhanden, welche zusammen ein mehr oder weniger deutliche» grosses lateinisches M darstelleif. Von denselben umgrenzt die obere (Fig. 112.6) mehr oder weniger scharf die Basis des Thenar, die mittlere (Fig. 112.5) beginnt radial au der Grenze vom Metacarpus und Grundphalange des Zeigefingers, um ulnar nach der Grenze zwischen unterem und mittlerem Drittheil des Metacarpalknochens des kleinen Fingers zu verlaufen, während die untere, den Fingern zunächst gelegene (Fig. 112.4) ulnar an der Grenze zwischen Mittelhandknochen und Grundphalange des kleinen Tingers beginnt und sich zwischen der Basis der Grundphalange des Zeige- und Mittelfingers verliert. Zu diesen drei Furchen kommt in vielen Fällen eine vierte (Fig. 112. 7), welche nach der Handwurzel zu Thenar und Antithenar trennt, dann leicht radial verlauft, um mit der mittleren der drei queren Furchen unter einem sehr spitzen Winkel zusammenzufliessen. Diese Furchen haben einen gewissen Werth für die topographische Bestimmung des oberflächlichen arteriellen Bogens der Hohlhand. Der Scheitel desselben überschreitet nicht eine quere Linie, welche von dem radialen Endpunkt der oberen, der Handwurzel zunächst gelegenen Furche oder dem ulnaren Anfang der bei abducirtem Daumen zwischen dem letzteren und dem Zeigefinger vorhandenen Hautfalte nach dem ulnaren Endpunkt der unteren Furche des Handtellers gezogen wird, die demnach die mittlere Furche schneidet (Fig. 112. 8). Bei allen Einschnitten in die Hohlhand ist wegen des Verlaufes der arteriellen Gefässe der longitudinale dem transversalen Schnitte vorzuziehen; wenn immer möglich, hat man einen solchen Schnitt zur Vermeidung des arteriellen oberflächlichen Hohlhandbogens Vj cm über oder Vs cm unter der angegebenen Linie anzulegen. Der tiefe Hohlhandbogen kommt wegen seiner tiefen Lage bei derartigen Einschnitten kaum in Betracht. Beugeseite der Der zwischen Thenar und Antithenar gelegene dreieckig geHandteiier. staltete Handteller beginnt mit einem nach der Handwurzel spitz

Die Mittelhandgegend.

595

zulaufenden Winkel, der deutlicher wird, wenn der Daumen in der Abductionsstellung den anderen Fingern gegenüber gestellt wird, wobei zugleich der Handteller sich beträchtlich vertieft. Die Basis des Handtellerdreiecks ist an den vier quer verlaufenden Furchen gegeben, welche in der Mitte der Grundphalangen an der volaren Handfläche die Stelle bezeichnen, an welcher die Finger frei werden. Man unterscheidet an dem Handteller folgende Schichten: Schichten des 1. Die Haut, Handtellers. 2. Das fetthaltige Unterhautbindegewebe, 3. Die Aponeurosis palmaris, 4. Die hochliegendenden Gefässe und Nerven, 5. Die Sehnen der die Finger beugenden Muskeln, 6. Eine unter den letzteren befindliche tiefe fetthaltige Bindegewebelage, 7. Die Fascia interossea, 8. Die tiefen Gefässe und Nerven, 9. Die Zwischenknochenmuskeln. Die Haut des Handtellers ist dick und mit einer starken Epi- Hautdermis versehen, welche bei Handarbeitern je nach Art der Beschäftigung an gewissen Stellen, namentlich an den Fingerbällchen, sich schwielig verdickt. Dieselbe enthält weder Haare noch Talgdrüsen, wesshalb an dem Handteller auch keine Furunkeln vorkommen, wohl aber zuweilen subepidermoidale Eiteransammlungen, welche alsbald zu öffnen sind, um das Eindringen des Eiters in tiefere Gebilde zu verhindern. Die Haut des Handtellers erhält ihre Nerven von jenem schwachen Zweige des N. medianus, der als Ramus volaris N. mediani schon einige Centimeter über der Handwurzel die Fascie des Vorderarms durchbricht. Das Unterhautbindegewebe bildet dadurch, dass zwischen die Unterhaun straff gespannten bindegewebigen Septa. Fettpfröpfchen, ähnlich wie b l n d e g e w e b e . unter der behaarten Kopfhaut, fest eingefügt sind, eine mehrere Millimeter dicke Lage, welche sowohl mit der Haut, wie mit der darunter gelegenen Aponeurosis palmar, besonders in dem Bereiche der M-Falten so fest verwachsen ist, dass eine Trennung der drei oberflächlichen Schichten nur bei sorgfältiger Präparation möglich wird. Grössere Blutgefässe und Nerven kommen in dem Unterhautbindegewebe des Handtellers nicht vor, wohl aber finden sich in demselben zahlreiche netzförmig angeordnete Lymphgefässe, welche mit den tiefen, unter der Aponeurosis palmaris gelegenen Lymphbahnen in anastomotischer Verbindung stehen. 38*

596 Aponeurosis palmaris.

Obere Extremität.

Als Aponeurosis palmaris (Fig. 113. 18) bezeichnet man den mittleren dicken jind sehr starken Theil der Mittelhandfascie im Gegensatz zu den dünnen bindegewebigen Ausbreitungen dieser Fascie, welche die Musculatur des Thenar und Antithenar decken. Die Aponeurosis palmaris ist wie der Handteller in der Art dreieckig gestaltet, dass ihre Spitze noch in die Handwurzel, ihre Basis dagegen an die Abgangsstelle der vier Finger fällt. An ihrer Spitze 13

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Flg. 113. Querschnitt durch die Mittelhand, unmittelbar vor dem Abgang des Daumens. 1, 2, 3 und 4 Mittelhandknochen des Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinen Fingers. 5, 6, 7 und 8 Durchschnitte durch die vier Muse, inteross. ext. von der radialen zur ulnaren Seite bezeichnet. 9, 10 und 11 Durchschnitte durch die drei Muse, inteross. Intern, von der radialen nach der ulnaren Seite bezeichnet. 12, 13, 14 und 15 Durchschnitte der Sehnen der Fingerextensoren von der radialen zu der ulnaren Seite bezeichnet. 16 Durchschnitt der unteren Partie des Muse, adduetor. poUlcis.

17 Durchschnitt der Muskulatur des Antltheuar. 18 AponeurosiB palmaris. 19, 20, 2 1 und 22 Durchschnitte der Sehnen deB hochliegenden und tiefliegenden Fingerbeugers nebst den dazu gehörigen Lumbrlkalmuskeln von der radialen nach der ulnaren Seite bezeichnet. 23 Art. metacarpeae vol. 24 Mittelhandäste des Nerv, medianus. 25 Mittelhandast des Nerv, ulnaris.

ist diese Aponeurose an das Lig. vol. profund, ziemlich fest angewachsen und hängt continuirlich mit der Sehne des M. palm. longus zusammen, welche, nachdem sie unter dem Lig. vol. superfic. durchgegangen, mit dem oberen Ende des Lig. vol. prof. gleichfalls eine Verwachsung eingeht. Da die Aponeurose demnach als die fächerförmige Ausbreitung der Sehne des M. palm. longus in der Hohlhand betrachtet werden muss, so ist der Name Palmaraponeurose voll :

Die Mittelhandgegend.

597

kommen gerechtfertigt. Unter 12 bis 14 Leichen findet man in der Regel eine, an welcher der M. palm. long., dessen Sehne übrigens meist einen schwachen Seitenstrang zu dem bindegewebigen Ueberzug der Muskulatur des Thenar entsendet, fehlt, und zwar ist dieser Defect fast immer an beiden oberen Extremitäten derselben Leiche vorhanden. Auch in diesen Fällen ist die Palmaraponeurose sowohl mit dem Lig. palm. profund., wie mit dem superficiale verwachsen und steht durch letzteres in Verbindung mit der Fascie des Vorderarms. Die Aponeurosis palmaris bildet die volare Wand des subaponeurotischen Raumes des Handtellers. An der Zusammensetzung der Palmaraponeurose betheiligen sich sowohl longitudinal, wie transversal verlaufende Bindegewebebündel. Die ersteren beginnen in Zusammenhang mit der Sehne des M. palm. long, in der Höhe des Lig. volar, profund, und trennen sich in ihrem Verlaufe nach den vier ulnaren Fingern in vier Fascikel, von welchen jeder in der Höhe der Basis der Grundphalangen sich in einen radialen und in einen ulnaren Zipfel theilt, die sich zu beiden Seiten der Grundphalange da ansetzen, wo die Finger von der Mittelhand frei werden. Die transversale Faserung ist nur auf die untere, den Fingern zunächst gelegene Hälfte der Palmaraponeurose beschränkt und an der radialen Seite des Metakarpalknochens des Zeigefingers, sowie an der ulnaren Seite des Metakarpalknochens des kleinen Fingers befestigt. Da diese transversalen Fasern sich nicht bis zu dem freien Theile der Finger erstrecken, sondern schon 2 cm entfernt von demselben aufhören, so bleiben zwischen den 4 Fascikeln der longitudinalen Faserzüge drei Lücken übrig, welche stark mit Fett gefüllt sind. Dieses Fett bildet die Unterlage der 3 Bällchen, deren, als an der Fingergrenze des Handtellers gelegen, schon bei der Betrachtung der äusseren Configuration der Mittelhand gedacht wurde. In diesem Fett befinden sich, zu beiden Seiten von einem Fingernerv begleitet, die Fingerenden der drei Metakarpalarterien, welche unmittelbar vor dem Freiwerden der Finger sich in einen radialen und ulnaren Zweig für je zwei sich einander zugewandte Finger theilen. Dadurch, dass die Palmaraponeurose sowohl an der Handwurzel und an der Abgangsstelle der Finger, wie an beiden Seiten der Mittelhand fixirt und mit den .unterliegenden Theilen straff verbunden ist, trägt sie wesentlich zur Vertiefung des Handtellers bei und verhindert, dass der letztere bei Druck auf denselben der ja bei dem Ergreifen grösserer Gegenstände sich immer geltend macht, zu sehr abgeflacht wird.

598

Hochliegende Gefàsae und Nervend. Handtellers.

Obere Extremität.

Die allerdings nur ziemlich seltene allzustraffe Spannung der Palmaraponeurose ist von konstanter Beugung der Finger, namentlich des Zeigefingers, in den Gelenken zwischen Mittelhandknochen und Grundphalangen begleitet. Da in dergleichen Fällen auch das Unterhautbindegewebe und selbst etwas die Cutis übermässig angespannt sind, so bewirkt die Durchschneidung der Palmaraponeurose keine vollständige Hebung des Uebels, sondern es ist, um diese zu erzielen, die Entfernung der Palmaraponeurose nöthig, deren Ablösung von der Haut übrigens recht schwierig ist. Die unter der Palmaraponeurose gelegenen Gefässe und Nerven sind der hochliegende arterielle Hohlhandbogen mit den von demselben abgehenden Art. metacarpeae und die terminale Ausbreitung des N. medianus und ulnaris superficialis. Der oberflächliche Hohlhandbogen hat seine Hauptbezugsquelle in dem oberflächlichen terminalen Aste der Ulnararterie. Mit demselben tritt beiläufig in dem vierten Theile der Leichen der Volarast der Radialarterie zu dem oberflächlichen, von zwei Venen begleiteten Hohlhandbogen zusammen, dessen Convexität den Grundphalangen der Finger zugewandt ist. Dieser Ramus vol., welchen die Art. rad. einige Centimeter über ihrem Eintritt in die Tabatière zur Mittelhand abgibt, besitzt eine sehr verschiedene Entwicklung. Ist derselbe stärker, so vereinigt er sich, nachdem er über oder bisweilen auch durch die oberflächliche Musculatur des Daumenballens getreten und so unter die Palmaraponeurose gelangt ist, mit dem oberflächlichen Terminalast der Art. uln. Ist der Volarast der Radialarterie dagegen nur schwach, so verliert er sich in der Musculatur des Thenar, und der oberflächliche Hohlhandbogen wird durch die Anastomose jenes Zweiges der Radialarterie mit dem oberflächlichen Terminalaste der Ulnararterie hergestellt, welcher bei dem Eintritt der Art. rad. in die Hohlhand letztere als Art. pollicis princeps verlässt und die Volarfläche des Daumens mit zwei, sowie die radiale Seite des Zeigefingers mit einem Gefässe versorgt. Ist eine Art. mediana vorhanden, so verbindet sich dieselbe nach ihrem Durchgang durch den Carpalkanal stets mit dem oberflächlichen Terminalast der Ulnararterie zu dem Arcus vol. superficialis. Aus diesem Bogen, dessen Lage bereits bei der Besprechung der Furchen der Hohlhand (Fig. 112) erörtert wurde, entspringt die Ulnararterie des kleinen Fingers, sowie die drei Art. metacarpeae volares (Fig. 113. 23), welche ganz nahe an der Stelle, an welcher die Finger frei werden, sich in einen radialen und ulnaren Volarzweig für die einander zugewandten Flächen von je zwei Fingern theilen.

Die Mittelhandgegend.

599

Etwas tiefer als die Arterien und mit denselben in weniges, leicht fetthaltiges Bindegewebe eingebettet, liegen unmittelbar über den Sehnen der Fingerbeugen die oberflächlichen Nerven des Handtellers. Dieselben entstammen für die radiale Hälfte des Handtellers dem N. median, und für die ulnare Hälfte dem hochliegenden Aste des N. uln. Der N. median, zerfällt alsbald, nachdem er durch den Carpalcanal getreten, in vier terminale Zweige, von denen der am meisten radial gelegene stärkste für Thenar und Daumen bestimmt ist, während die drei anderen (Fig. 113. 24) die Richtung nach den Fingern einhalten. Der am meisten ulnar gelegene anastomosirt mit dem hochliegenden Aste des N. uln. und theilt sieb, kurz bevor die Finger frei werden, in den radialen Zweig der Volarfläche des Ringund in den ulnaren Zweig des Mittelfingers. Der mittlere Terminalzweig des N. med. versieht mit einem schwachen Faden den M. lumbricalis des Mittelfingers und theilt sich in den radialen Zweig des Mittel- und in den ulnaren des Zeigefingers. Der dritte, dem Handteller angehörende Zweig des N. median, versieht den M. lumbricalis des Zeigefingers und wird zu dem radialen Nerven des Zeigefingers. Der N. ulnar, superfic. zerfällt gleichfalls an dem unteren Rande des Lig. vol. profund, in 2 Zweige, von welchen der ulnare zu dem ulnaren Rande des kleinen Fingers tritt, während der radiale (Fig. 113. 25) da, wo die Finger frei werden, sich in 2 Zweige theilt, welche für den radialen Rand des kleinen und den ulnaren des Ringfingers bestimmt sind. Nach dem Austritt aus dem Carpalcanal strahlen in dem Hand- sehnen der die teller die Sehnen der Fingerbeuger nach den 4 Fingern aus. Die- gendenMuskein. selben sind unter den hochliegenden Gefässen und Nerven in der Art gelagert, dass die Sehne des hochliegenden Beugers über, d. h. der Volarhaut näher, aber unmittelbar darunter die entsprechende Sehne des tiefen Beugers sich befindet (Fig. 113. 19, 20, 21 und 22). Von der radialen Seite der Sehnen des tiefen Beugers entspringen unmittelbar nach dem Austritt der 4 Sehnen aus dem Carpalcanal die Lumbricalmuskeln (Fig. 113), welche sich an dem radialen Rande der Basis der Grundphalange des betreffenden Fingers in der Art ansetzen, dass sie hier mit der hohlziegelartig gerinnten Rückenaponeurose der Grundphalange verschmelzen. Contrahiren sich die M. lumbrical. mit den M. inteross., so werden durch diese combinirte Muskelaction die Grundphalangen gegen die Metacarpalknochen gebeugt. Es ist noch fraglich, ob sich die M. lumbrical. allein ohne die M. inteross. contrahiren. Wäre dieses wirklich der Fall, so würden sie die Streckung der Grundphalangen unterstützen,

600 Synoviaiscbei-

^eehnen^der6 Finger und des Daumens.

Obere Extremität.

Die Sehnen der beiden Fingerbeuger sind in dem Carpalcanal e ner ' gemeinschaftlichen Synovialscheide umschlossen, welche schon 2 bis 3 cm oberhalb des Lig. carp. prof. mit einer blinden Aussackung beginnt, in dem Carpalcanal, mit dessen häutiger Wand verwachsen, enger wird, um sich in dem Handteller nach der ulnaren Seite zu beträchtlich zu erweitern (Fig. 114.2.2). Diese Synovialscheide steht in directer Continuität mit der Synovialscheide des kleinen Fingers (Fig. 114.3), während die Sehnen der drei übrigen Finger schon in dem Handteller aus der gemeinsamen Synovialscheide treten, und zwar zuerst die Sehne des Zeigefingers, dann jene des Mittelfingers und zuletzt die des Ringfingers. Es ist daher der von der Synovialscheide freie, zwischen der grossen Synovialscheide des Handtellers und jener der einzelnen Finger befindliche Theil der Fingerbeugesehnen am längsten an den Sehnen des Zeige-, und am kürzesten an jener des Ringfingers (Fig. 114). Die Ursprünge der 4 M. lumbricales fallen sämmtlich noch in den Hohlraum der Synovialscheide, aus welchem diese Muskeln radialwärts von den betreffenden Beugesehnen der 4 Finger divergirend austreten. In dem Carpalcanal liegt ferner auch die Synovialscheide der Sehne des langen Daumen beugers, welche über dem Lig. carpi profund, ziemlich in gleicher Höhe mit jener den Sehnen der Fingerbeuger gemeinsamen gleichfalls blindsackig beginnt und sich bis zu dem Nagelglied des Daumens erstreckt (Fig. 114. 4. 4). Dieselbe besitzt, da sie nur eine Sehne umschliesst, selbstverständlich eine viel geringere Weite, als die den Sehnen der übrigen Finger gemeinschaftliche Synovialscheide. Zwischen beiden Synovialscheiden liegt in dem Carpalkanal der N. median. (Fig. 114. 16), während der hochliegende Ast des N. ulnar, unterhalb des Lig. carp. profund, ziemlich hart an der gemeinsamen Synovialscheide, und zwar in der Nähe ihres ulnaren Randes anliegt. Die Thatsache, dass nur die Synovialscheiden des Daumens und des kleinen Fingers in directer Verbindung mit den den Carpalcanal durchziehenden Synovialscheiden stehen, macht auch die Erfahrung der Chirurgen verständlich, dass die .phlegmonöse Entzündung des Nagelgliedes (Panaritium) von dem Daumen und dem kleinen Finger aus sich viel häufiger nach dem Vorderarm fortpflanzt, als die der drei übrigen Finger. Dasselbe wird beobachtet nach Exarticulationen oder Amputationen der Phalangen. Es ist daher bei Panaritien und tieferen Wunden des Daumens und des kleinen Fingers die Prognose weniger günstig, als bei dergleichen Zuständen der übrigen Finger. von

Die Mittelhandgegend.

601

der Musculatur des Thenar und Anttthenar. I Lig. volare profundum (transversum). 2, 2 Grosse Synovialscheide der Fingerbeuger ober- und unterhalb de9 Llg. vol prorund. 3 Fortsetzung dieser Scheide auf die Beugesehnen des kleinen Fingers. 4, 4 Synovialscheide der Sehne des langen Daumenbeugers ober- und unterhalb des Lig. vol. profund. 5 Kleine Synovialscheide der Sehne des M. Flex. carp. rad. 6, 6, 6 Synovialscheide» der Beugesehnen des Zeige-, Mittel- und Ringfingers. 7 Sehne des M. Flexor carpi ulnaris 8 Sehne des M. brachio-radialis. 9 Sehne des M. abduct. pollicis long. 10 M. abductor pollicis brevis. II M. oppoueus pollicis. 12 Oberer Kopf des M Flex. poll. brevis. 13 M. lumbricalis des Zeigefingers. Die M. lnmbricales des Mittel- und Ringfingers sind gleichfalls zu sehen, aber nicht bezeichnet. 14 M. abductor digiti minimi. 15 M flexor brevis digit. minimi. 16 N. medianus.

602

Obere Extremität.

Auch die nicht ganz seltenen sogenannten Cysten der Handwurzel, welche durch eine elastische Geschwulst über und unter dem Lig. carp. profund, charakterisirt sind, werden durch die grössere ulnare Synovialscheide bedingt. Unter normalen Verhältnissen ist der flüssige Inhalt dieser Scheiden ein ganz geringer. Ist derselbe aber vermehrt, so äussert sich dieses unter der Form von zwei durch das Lig. vol. profund, unterbrochenen Geschwülsten, da dieses starke, straff gespannte Band dem Hervortreten der stärker gefüllten Synovialscheide in der Höhe der Handwurzel Widerstand leistet. Durch Druck auf eine der beiden Geschwülste kann die gedrückte zum Verschwinden gebracht werden, wobei die andere stärker prominirt und praller wird. Der Grund, wesshalb sich die Geschwulst nicht auf den kleinen Finger fortsetzt, liegt darin, dass die untere ziemlich starke häutige Wand des Fingercanals ähnlich wie das Lig. vol. profund, das Vordringen der Flüssigkeit an der Volarseite der Finger verhindert. Unter normalen Verhältnissen stehen die beiden Synovialscheiden •der Beugesehnen nicht miteinander in Verbindung, wohl aber unter pathologischen, wofür die allerdings seltenen Fälle sprechen, dass der phlegmonösen Entzündung des Daumens, welche sich bereits bis zum Vorderarm ausgedehnt hat, secundär ohne jede äussere Veranlassung ein Panaritium des kleinen Fingers nachfolgt, während die übrigen Finger von letzterem verschont bleiben. Tiefe, unter den Unter den Beugesehnen der Finger befindet sich eine Lage von Sehnen der

.

Fingerbeuger weitmaschigem, mit vielem Fett mfiltrirtem Bindegewebe, welche gegen be fetthaiugenge die Handwurzel reichlicher wird und auch die grössere ulnare Hälfte Bindegewebes. • TT Unterhautmeter langen ¡strängen zusammen, welche untereinander in Ver- bindegewebe. bindung stehen und aussen an die Cutis, innen an die fibröse Sehnenscheide angeheftet sind. Die Lücken dieses straffen Netzes sind prall mit Fettläppchen ausgefüllt und daher in Folge ihrer Elasticität geeignet, starke Druckwirkungen zu ertragen. An den Stellen, an welchen die erwähnten Furchen der Fingerhaut sich vorfinden, fehlt das Fett, und daselbst ist die Haut durch kurze bandartige 'Streifen straff an die fibröse Sehnenscheide angeheftet. In dem subcutanen Bindegewebe verlaufen die Gefässe und Nerven der Finger, bevor sie sich in der Haut verzweigen. Jeder Finger erhält, wie wir schon bei der Mittelhand sahen, einen volaren radialen, und ulnaren arteriellen und Nerven-Ast, welche nahe aneinander in der Nähe der Anheftung der fibrösen Sehnenscheide an den Kanten der Phalangen liegen. Die beiden Arterien an der Volarfläche eines Fingers stehen durch zahlreiche Anastomosen untereinander in Verbindung und endigen an der Spitze des Nagelglieds in einem arteriellen Netzwerk. Auch die Nerven, welche, sowie ihre Zweige, Vater'sehe (Pacini'sche) Körperchen tragen, bilden an der unteren Hälfte des Nagelglieds ein Geflecht, von welchem die feinen Hautnerven abgehen. Die nun folgende als fibröse Sehnenscheide der Finger be- Fingerkanai. schriebene Lamelle, aus stark verdichtetem quer verlaufenden Bindegewebe bestehend, bildet mit der canellirten Volarfläche der Phalangen den Fingercanal, ein Analogen des Carpalcanals, da derselbe sich aus einem knöchernen gewölbten Dach und einer häutigen Basis zusammensetzt. Der Fingercanal beginnt schon an der Mittelhand an der Basis der Grundphalange und endigt an der Basis der Nagelphalanx, wesshalb das Nagelglied in seinem grösseren Tbeile einen Fingercanal nicht mehr besitzt. Am mächtigsten ist die sehnig-fibröse Basis des Canals in dem Bereiche der Grundphalange, weniger stark ist dieselbe an der zweiten Phalanx und am schwächsten an den Gelenken, da an den Gelenkenden der Phalangen die seitlichen Kanten fehlen, welche die Anheftungsstelle der sehnig-fibrösen Basal-

616

Obere Extremität.

platte bilden. An diesen Stellen ist der fibröse Theil des Fingercanals auf schwache, schräg verlaufende und sich bisweilen kreuzende Bindegewebebündel reducirt, zwischen welchen die Synovialscheide der Sehnen der Fingerbeuger mehr oder weniger deutlich hervortritt. Durch diese Lücken treten Gefässe zu den in dem Fingercanal enthaltenen Sehnen, und auch kleine Fettläppchen dringen in demselben ein, was für die Ausbreitung der Panaritien in die Tiefe bis zu dem Knochen von Bedeutung ist. 'sehnen der Die beiden Sehnen der Fingerbeuger sind bei dem Eintritt in Fingerbeuger. ( j e n j ? j n g e r c a n a i s o gelagert, dass die Sehne des tiefen Beugers dem Knochen, die des hochliegenden Beugers dem häutigen Theile des Canals zunächst liegt. Schon etwas über der Mitte der Grundphalange beginnt die Spaltung der Sehne des hochliegenden Beugers. Durch diese Spalte tritt die Sehne des tiefliegenden Beugers, welche den Hauptinhalt des in der Höhe der Mittelphalanx gelegenen Theiles des Fingercanals bildet und die sich an der Basis der Nagelphalange ansetzt. Nach dem Durchgang der Sehne des tiefen Beugers treten die aus der Spaltung hervorgegangenen beiden Schenkel der Sehne des hochliegenden wieder zusammen, um nach einer partiellen Kreuzung der Sehnenfascikel beider Schenkel wieder in zwei Zipfel auseinander zu gehen, welche sich lateral an der Basis der Mittelphalanx inseriren. In dem auf die Grundphalange beschränkten Fingercanal des Daumens, dessen häutige Wand schwächer als bei den übrigen Fingern ist, befindet sich selbstverständlich nur die Sehne des M. flexor poll. long. Die Innenfläche des Fingercanals ist von dem Parietalblatt einer Synoyialscheide ausgekleidet, welche das Periost der Volarfläche der Phalangen, wie die mit letzterem in Verbindung stehende sehnige Basalplatte des Canals überzieht. Die Synovialscheide des kleinen Fingers steht, wie wir sahen, mit der grossen ulnaren Synovialhaut der Hand und die des Daumens mit der kleineren radialen in Continuität. Die in dem Fingercanal befindlichen Sehnen werden von den Synoyialscheiden überzogen, und zwar dienen als Umschlagsstellen des parietalen Blattes zu der Oberfläche der Sehnen jene feinen fibrösen Stränge, welche die Sehnen sowohl mit dem Periost der Phalangen, wie unter einander verbinden und die als Retinacula tendinum verhüten, dass die getrennten Sehnenenden sich nicht allzuweit von einander entfernen, panaritien. Abgesehen von der subepidermoidalen Eiteransammlung, welche, wie an der Hohlhand, auch an den Fingern vorkommt, verdient die

Die Finger.

617

Phlegmone der Finger, d. h. die von dem Unterhautbindegewebe ausgehende und zur Eiterung geneigte Entzündung eine besondere Erwähnung. Dieselbe ist als Panaritium subcutaneum bekannt' und beginnt in der weitaus grössten Mehrzahl der Fälle an der Volarfläche des Nagelgliedes. Breitet sich die Entzündung weiter in die Tiefe aus zu dem Fingercanal, so wird das Panarit. subcut. zu dem Panarit. tendinosum (Wurm). Befällt der Process auch den Knochen, so kommt es zu dem Panarit. ossis. Um die üblen Folgen, wie Contracturen, Exfoliation des Knochens und Verlust des Fingers, von welchen die Ausbreitung der Entzündung auf Fingercanal und Knochen begleitet ist, zu vermeiden, sind frühzeitige ausgiebige Einschnitte erforderlich, welche auch die kaum erträglichen Schmerzen wesentlich mildern. Die von französischen Autoren vertretene Ansicht, dass die Panaritien stets als Entzündung des an der Volarfläche der Nagelglieder so reichlich entwickelten Lymphgefässnetzes beginnen, ist noch nichts weniger als sicher festgestellt. An der Rückenhaut der Finger treten bei vollendeter Streckung an den Stellen, welche den Gelenken zwischen Grund- und Mittelphalanx entsprechen, weniger an jenen zwischen Mittel- und Nagelphalanx, 5 bis 6 Hautfalten in Sicht, die ein quergestelltes Oval umfassen, dessen kurzer, der Fingerachse paralleler Durchmesser 1 cm lang ist. Bei vollendeter Beugung, wobei die Phalangen rechtwinkelig zu einander stehen, bildet der Kopf der nächst höher gelegenen Phalange, und bei der Grundphalange der Kopf des Metacarpus den vorspringenden Theil des Winkels. Schneidet man daher an der dorsalen Fläche geometrisch genau auf den Winkel ein, so wird der Kopf des Knochens, nicht aber das Gelenk getroffen, was erst geschieht, wenn 3 mm von dem Beugungswinkel, d. h. 3 mm dem Nagelglied näher der Schnitt angelegt wird. Die Schichten der dorsalen Fläche der Finger sind folgende: 1. Die Haut und der mit derselben in Verbindung stehende Nagel, 2. das Unterhautbindegewebe, 3. die breite abgeplattete Sehne der Streckmuskulatur und unmittelbar darunter das Periost und der Knochen. Die Haut der Dorsalfläche ist in ihren beiden Lagen beträchtlieh dünner, als die der Volarfläche. Die Cutis ist frei von Leistchen und hat breitere hügelförmige Papillen, denen die Tastkörperchen fehlen. In dem Bereiche der Grund- und Mittelphalange trägt die Haut feinste Härchen und besitzt daher auch Talgdrüsen.

Dorsale Fläche der Finger. Aeussere Configuration.

schichten.

Haut,

618

Obere Extremität.

Ali den beiden unteren Drittheilen des Nagelglieds vertieft sich die Haut zu dem Nagelbett, welches oben von einer tieferen, seitlich weniger tiefen, engen Furche umgeben ist (Fig. 116. I und III), dem Nagelfalz. Das sehr nervenreiche Nagelbett trägt mit schlanken Papillen versehene Leistchen, welche in der Richtung der Fingerachse verlaufen und die Ursache sind, wesshalb an der freien Fläche des Nagels sich mittels der Lupe wahrnehmbare, feine Längsstreifen vorfinden. Die das Nagelbett einnehmende Hornplatte, der Nagel, ist mit seinem nicht freien Ende in den Nagelfak eingelassen und hängt mit der Epidermis des Nagelbettes und des Nagelfalzes so fest zusammen, dass er bei der durch Maceration zu bewirkenden Trennung zwischen Epidermis und Cutis stets an der Epidermis haften bleibt. Der Nagel wächst als gefässloses Horngebilde durch Apposition, und das ihn bildende Gewebe sind die Zellen der tiefen Lagen der Epidermis des Nagelfalzes und des Nagelbetts, dessen, das Material für die Bildung der Zellen liefernde gefässhaltige Cutis, als Matrix des Nagels bezeichnet wird. Das Wachsthum des Nagels erfolgt dalier, wie auch der Längsschnitt lehrt, nach zwei Richtungen, in die Länge von dem Nagelfalz, und in die Dicke von dem Nagelbett aus. Der der Matrix zunächst gelegene Theil des Nagels ist noch minder stark verhornt, weniger fest und wasserreicher, was sich auch in dem dem Nagelfalze zunächst gelegenen Theile des Nagels durch eine lichtere Farbe, die sogenannte Lunula, ausspricht. Mit dem zunehmenden Alter verlangsamt sich das Wachsthum des Nagels, worauf auch die Beobachtung, dass bei Greisen von der Lunula in der Regel wenig mehr zu sehen ist, zurückzuführen sein dürfte. Die bei jüngeren Personen häufig sich vorfindenden weissen Fleckchen des Nagels rühren von der Gegenwart minimaler Luftbläschen zwischen den sehr fest unter einander verkitteten Hornblättchen des Nagels her. Entzündung der Umgebung des Nagels kann die Veranlassung von wenig schmerzenden subepidermoidalen Eiteransammlungen werden, welche unter dem Namen »Umlauf« bekannt sind. ünterhautDas Unterhautbindegewebe der Dorsalfläche der Finger ist weitidegewebe. j - ^ g ^ j g ^ a b e r ri icht sehr reichhaltig vorhanden und enthält nur äusserst wenig Fett, wesshalb die Haut hier viel verschiebbarer ist, als auf der volaren Fläche. In demselben verlaufen die Gefässe und Nerven des Fingerrückens. Die beiden Arterien jedes Fingers sind hier beträchtlich schwächer und verlieren sich bereits an der Basis Nagel.

Die Finger.

619

des Nagelglieds. Die die Arterien begleitenden Venen treten zu dem subcutanen Venennetze der Dorsalfläche der Mittelhand. Die Lymphgefässnetze sind beträchtliche, weitmaschiger als jene der volaren Seite. Die beiden Fingernerven der dorsalen Fläche lassen sich nur bis zu der Mittelphalanx verfolgen. Das Nagelglied erhält seine dorsalen Nerven von den Nerven der volaren Seite. Die Sehne der Streckmuskeln, mit welcher sich auch die Sehnen sehne d. streckder M. lumbricales und interossei vereinigen, stellt auf dem Rücken mu3Culatur ' der Grundphalange eine an der Basis des Knochens beginnende breite und in dem weiteren Verlaufe sich etwas verschmälernde Sehnenplatte dar, welche, weil mit dem Periost des Rückens des Knochens durch kurzes, straffes Bindegewebe innig verbunden, den Eindruck einer Hohlziegel macht, die seitlich mit ziemlich scharfen Rändern aufhört. Gegen den Kopf der Grundphalange geht diese Sehnenplatte in drei Schenkel auseinander, von welchen der mittlere sich an der Basis der zweiten Phalanx ansetzt, während die beiden seitlichen, in der Höhe der Mittelphalange etwas gegen einander convergirenden Schenkel an der Basis der Nagelphalange ihr Ende erreichen. Die Zwischenräume zwischen den Schenkeln der Strecksehne sind durch jene dünne straffe Bindegewebelage ausgefüllt, welche die Strecksehne an das Periost heftet. Die Sehne des M. extens. digit. indic. propr. fliesst mit jener des radialen Kopfes des M. ext. digit. commun. und ebenso die des M. ext. digit. min. mit jener des ulnaren Kopfes des M. ext. digit. commun. zusammen, so dass von der Grundphalange an auch für Zeige- und kleinen Finger nur eine Strecksehne vorhanden ist. An dem Daumen setzt sich die Sehne des M. ext. poll. brev. an die Basis der Grundphalange, und die neben derselben, aber ulnar gelegene Sehne des M. ext. poll. long, überschreitet die Grundphalange, mit deren Periost sie durch kurzes straffes Bindegewebe verbunden ist, um sich an der dorsalen Fläche der Basis der Nagelphalange anzuheften. Das Knochengerüste der Finger besteht aus je drei Phalangen Knochen der Fmeer für die vier ulnaren Finger und aus zwei Phalangen des Daumens. ' Die Diaphysen der Phalangen der ulnaren Finger sind auf der dorsalen Fläche convex und laufen seitlich in zwei Kanten aus, welche die an der Volarseite vorhandene Rinne begrenzen. Die obere Apophyse, die Basis, ist stärker, als die untere, das Capitulum, welches an jeder Seite einen leicht vertieften Eindruck besitzt. Die Gelenkfläche der Basis der Grundphalange ist queroval leicht vertieft zur Gelenkverbindung mit dem convexen Köpfchen der Meta-

620

Obere Extremität.

carpalknochen. Das Köpfchen der Grund- und mittleren Phalanx ist seitlich convex, besitzt aber in der Mitte eine von der dorsalen zur volaren Fläche verlaufende Rinne zur Aufnahme der medialen Kante der Basis der Mittel- und Nagelphalange, welche seitlich von dieser Kante vertieft sind. Das freie Ende der Nagelphalanx ist auf der volaren Fläche mit einer halbmondförmig hervorspringenden Rauhigkeit versehen, welche auch um die dorsale Fläche einen dünnen Saum bildet. Das Mittelstück der Grundphalange des Daumens ist nicht gerinnt, während die übrigen Verhältnisse der beiden Phalangen des Daumens annähernd die gleichen, wie die der anderen Finger sind. Die Gelenke der Finger gliedern sich in die zwischen den Köpfchen der Metacarpalknochen und den Basen der Grundphalangen und in jene, welche zwischen je zwei Phalangen vorhanden sind. Die ersteren sind Kugelgelenke, deren Pfanne in der vertieften Gelenkfläche der Basis der Grundphalange, und deren Gelenkkopf in den Köpfchen der Metacarpalknochen gegeben ist. Die Pfanne hat kaum den halben Umfang des Gelenkkopfs, doch wird dieselbe etwas an der volaren Fläche vergrössert durch das starke Lig. transversum, welches sehr straff an der Basis der Grundphalange angeheftet ist und sowohl mit der Gelenkkapsel, wie mit der fibrösen Scheide der Sehnen der Fingerbeuger in Verbindung steht. An diesem Bande haften die beiden Sesambeine des Daumens, welche ausnahmsweise auch an dem Zeige- und kleinen Finger vorkommen. Die Gelenkkapsel ist an den Grenzen der überknorpelten Gelenkflächen an dem Kopfe der Metacarpalknochen und an der Basis der Grundphalangen befestigt. Dieselbe ist auf der volaren Seite dick und straff, auf der dorsalen dagegen dünn und so ausgedehnt, dass sie auch bei der Beugung der Grundphalange nicht gespannt erscheint. Zu beiden Seiten ist die Gelenkkapsel durch die schräg verlaufenden Lig. accessoria verstärkt und dorsal durch die Strecksehne gedeckt, mit der sie durch laxes Bindegewebe bis zur Basis der Grundphalange verbunden ist, wo erst vollständige Verwachsung eintritt. Das Gelenk zwischen dem Metacarpalknochen und der Grundphalanx des Daumens unterscheidet sich von den vier anderen Metacarpo-phalangeal-Gelenken dadurch, dass der Gelenkkopf viel weniger convex und die von der Grundphalange gebildete Pfanne weniger vertieft ist. Desshalb sind auch Luxationen in diesem Gelenke nicht selten. Dieselben, meist durch einen Fall auf die Volarfläche der Hand veranlasst, geschehen nach der dorsalen Seite in der Art, dass

Die Finger.

621

die Basis der Grundphalange auf die dorsale Fläche des Kopfes des Metacarpalknochens zu stehen kommt. Die Einrichtung dieser Luxation ist bisweilen sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, was dann der Fall ist, wenn sich der volar durch das Lig. transversum verstärkte Theil der zerrissenen Gelenkkapsel umklappt und sich zwischen die dislocirten Gelenkenden beider Knochen einschiebt. Die Gelenke zwischen den Phalangen sind Charniergelenke, lassen daher nur die Drehung um eine Achse, die Beugung und Streckung zu. Die Gelenkkapsel ist an der Volarfläche auch durch ein schwächeres Lig. transversum verstärkt und hier kurz und straff, an der dorsalen Fläche dünner und weiter, aber mit der darüber verlaufenden Strecksehne verwachsen. Seitlich ist die Gelenkkapsel durch horizontal in der Richtung der Fingerachse verlaufende Haftbänder verstärkt.

Der Bauch. Der zwischen der Brust und dem Becken gelegene Theil des Rumpfes wird Bauch, Unterleib, Abdomen genannt. An dem Skelett haben wir nur hinten, wo die Bauchwand knöchern ist, eine scharfe Begrenzung des Bauches, in der unteren Fläche des letzten Lendenwirbels und in der oberen Fläche des Kreuzbeins, seitlich und vorn entspricht aber die an dem Skelett äusserlich wahrnehmbare Abgrenzung des Bauches, oben durch die Rippenbögen, unten durch die Knochen des grossen Beckens durchaus nicht der Ausdehnung des Bauchraumes. Derselbe erstreckt sich vielmehr, entsprechend der Wölbung des Zwerchfells, bedeutend über den unteren Rippenrand, und nach unten dehnt sich derselbe noch auf das grosse Becken bis zur Grenze des kleinen Beckens aus.

Allgemeine Betrachtung des Bauches. Gestalt.

Die Gestalt des Bauches wird als tonnenförmig beschrieben; jedenfalls ist aber die hintere Wand der Tonne bedeutend kürzer, als die vordere, einmal, weil der Bauchraum nach oben in den Thorax hineinragt, und dann, weil derselbe unten nicht durch eine horizontale, sondern durch eine schräge Ebene begrenzt wird, deren hinteres Ende, das Promontorium, höher steht, als deren vorderes, die Schambeinfuge. Wir haben uns demnach den Bauch unter dem Bilde eines cylindrischen Hohlraums vorzustellen, mit vorderer langer und hinterer in der Medianlinie durch die Körper der Bauchwirbel eingedrückter kurzer Wand. Dieser Hohlraum ist oben durch die Zwerchfellkuppel von dem Brustraum abgeschlossen und steht unten in der Höhe des obereil Beckenrings in weiter Communication mit der Räumlichkeit des kleinen Beckens.

Allgemeine Betrachtung des Bauches.

623

Von knöchernen Vorsprüngen des Skeletts sind an dem Bauche Knöcherne vortheils durch den Gesichts-, theils durch den Tastsinn wahrzunehmen: spru°®®^L dem 1. Vorn an der oberen Bauchgrenze der Processus xiphoideus des Brustbeins, und an der unteren der obere Rand der Schambeinfuge und der obere Rand des horizontalen Schambeinastes von der Schambeinfuge bis zu dem Tuberculum pubis. 2. Seitlich oben der untere Rippenrand, der Rippenbogen und die Spitzen der beiden letzten freien Rippen, unten der Darmbeinkamm von der Spina ant. sup. bis zur Spina post. sup. 3. Hinten die Dornfortsätze der 5 Bauchwirbel. Die obere äusserlich nicht wahrnehmbare Grenze des Bauches ist in dem Zwerchfell gegeben, die untere an dem Eingang in das kleine Becken, d. h. an dem oberen Beckenring. Während wir in dem Zwerchfell ein wirkliches Septum haben, welches nur wenig Lücken für den Durchgang gewisser Theile aus dem Brust- in den Bauchraum enthält, fehlt an dem oberen Beckenring ein solches trennendes Medium gänzlich, und der Hauptinhalt des Bauchraums, der Darm, kann, insoweit er beweglich ist, in das kleine Becken eintreten, wie Beckeneingeweide, die Harnblase in dem Zustand stärkerer Füllung in den Bauchraum hinaufragen. Das Zwergfell bildet bekanntlich eine Kuppel mit nach oben gerichteter Convexität., wesshalb die obere Begrenzung des Bauchraums nicht durch eine ebene, sondern durch eine nach oben stark convexe Fläche gebildet wird. Darin liegt der Grund, dass der verticale Durchmesser des Bauches hinten am kürzesten, vorn beträchtlich länger und in der Medianlinie 6 cm einwärts von der vorderen Bauchwand am längsten wird. Da die Lage des Zwerchfells schon bei Betrachtung der Brust ausführlich erörtert wurde, können wir zugleich zur unteren Begrenzung des Bauches übergehen. Dieselbe fällt in die Grenze zwischen das grosse und kleine Becken. Aeusserlich ist dieselbe nur vorn und hinten bestimmbar, nicht aber seitlich. Vorn ist dieselbe in einer Linie gegeben, welche die beiden Tubercula oss. pub. verbindet, hinten in dem Promontorium des Beckens, welches 4 cm unter die Spitze des Dornfortsatzes des letzten Bauchwirbels fällt. Bei mageren Personen kann das Promontorium bisweilen auch durch die vordere Bauchwand gefühlt werden. Als äussere seitliche Begrenzung wird häufig die Leistenfurche angegeben; diese grenzt aber den Bauch nach abwärts nicht gegen das kleine Becken, sondern gegen die untere Extremität ab.

Grenzen,

624 umfang des

Der Bauch.

Der Umfang des Bauches, welchen man oben durch ein Bandm a a s f i ) . Regio abdominalis dextra, 6. Regio abdominalis sinistra. III. Unterbauchgegend, Regio hypogastrica: 7. Mitte Hypogastrium, 8. Regio iliaca dextra, 9. Regio iliaca sinistra. Bauches.

625

Allgemeine Betrachtung des Bauches.

Die hintere Bauchgegend, die Reg. abdominalis dorsi oder spinalis, umfasst die hintere Medianfurche und die zu beiden Seiten derselben gelegene Streckmusculatur des Rückens; die letztere wird in der Oberbauchgegend unmittelbar von der Reg. hypochondr. begrenzt. Die seitlichen Abtheilungen des Mittelbauchs, die Reg. abdominales, werden lateral durch eine Linie begrenzt, welche von der durch die Haut fühlbaren Spitze der 12. Rippe herab bis zur Crista oss. ilei, und zwar in die Mitte zwischen Spina ant. sup. und post. sup. gezogen wird. Der hinter dieser Linie gelegene und sich.bis zu dem Opisthothenarwulst erstreckende Theil der Bauchwand wird Reg. lumbalis, Lendengegend, genannt. Die Eintheilung des Unterleibs in verschiedene Gegenden hat übrigens für die topographische Anatomie nicht die Bedeutung, wie anderwärts, und zwar einmal desshalb, weil die Verschiedenheit in der Beschaffenheit der Bauchwand nicht immer zusammenfällt mit den Grenzen der verschiedenen Bauchgegenden und dann auch aus dem Grunde, weil die Eintheilung in Gegenden keine sicheren Anhaltspunkte für die Bestimmung der Lage der in der Bauchhöhle befindlichen Organe abgibt. Ich werde mich daher bei der Besprechung der Bauchgegenden sehr kurz fassen und führe dieselben überhaupt nur desshalb vor, weil ihre Kenntniss eine wesentliche Vorbedingung für das Verständniss der Litteratur der Unterleibskrankheiten bildet. An jeder mageren Leiche, an der die Contouren des Brustkorbs sichtbar sind, erscheint das Epigastrium in Gestalt von 3 Dreiecken, von welchen das mittlere (Fig. 117. a) vertieft ist und 3 spitze Winkel hat, von denen der eine oben, die beiden anderen unten liegen. Die beiden seitlichen Dreiecke (Fig. 117. bb) sind nahebei rechtwinklig, und zwar steht der rechte Winkel oben und lateral. Die Hypotenuse dieser beiden Dreiecke entspricht dem Rippenbogen, wesshalb dieselben eine knöcherne, aus Rippenknochen gebildete Unterlage haben. In das mittlere Dreieck (Fig. 117. a) ragt nur der so vielgestaltige Schwertfortsatz hinein, während es sonst nur aus Weichtheilen besteht und daher gegen die beiden seitlichen Dreiecke in der Regel etwas eingesunken erscheint, wesshalb es auch als Magengrube bezeichnet wird. Die obere Hälfte der Magengrube ist in der Regel von dem linken Leberlappen eingenommen, darunter folgt ein Theil der rechten Magenhälfte, die Portio pylorica und der Pylorus. Die beiden letzteren sind indess meistens von dem linken Leberlappen verdeckt; noch weiter nach abwärts Hegt das Quercolon, welches in das Grenzgebiet zwischen Magengrube und Reg. umbilicalis fällt. G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

40

oberbauchgegend -

Der Bauch.

626

Hinter dem Magen vor der Wirbelsäule Hegt das Mittelstück Pancreas. Die Reg. hypochondriaca dextra wird hauptsächlich von Leber ausgefüllt; in dieselbe fällt auch noch die erste Knickung Duodenums, die Flexura coli, dextra, die rechte Nebenniere und obere Pol der rechten Niere.

des der des der

Flg. 117. Die Gegenden des Vorderbauchs. I II III IV V VI

Epigastrium VII Hypogastrium. Beg. hypochondr. dextra. VIII Reg. Iliaca destra. Reg. hypochondr. sinistra. I X Reg. Iliaca sinistra. Reg. umbilicalis. a Mittleres Dreieck des Reg. abdom. lat dextra. Epigastriums, MagenReg. abdom. lat. sinistra. grübe. 4 Rippenbogen.

bb Seitliche Dreiecke desEplgastriums. 1 Vordere mediale Lfingsfurche des Bauches. 2 Laterale L&ngsfurcbe. 3 Schwertfortsatz.

Die Bauchwand.

627

Die Reg. hypochondr. sinistra enthält in der Regel noch ein kleines Stück des linken Leberlappens, den Magengrund, die Milz, die Flexura coli, sinistra, die Cauda des Pancreas, die linke Nebenniere und das obere Drittheil der linken Niere. Die Reg. umbilicalis enthält hauptsächlich Dünndarmschlingen, Mitteibauchgedeckt von dem grossen Netz. In den oberen Theil derselben fällt gegend ' noch die untere Partie des Quercolons, sowie das untere Querstück des Duodenums. Bei hochgradiger Füllung kann die Harnblase bis in die untere Hälfte dieser Gegend sieh erheben. Die Reg. abdom. later. dextra ist gleichfalls von Dünndarmschlingen sowie von dem aufsteigenden Colon eingenommen. Die Reg. abdom. later. sinistra deckt Dünndarmschlingen und das absteigende Colon. In dem Hypogastrium finden sich Dünndarm schlingen, und in unterbauchdasselbe steigt bei grösserer Füllung die Harnblase unmittelbar hinter gegend ' der vorderen Bauchwand auf. Nach hinten zu fällt in das Hypogastrium der Uebergang der Flexura sigmoidea in das Rectum. Die Reg. iliaca dextra deckt Dünndarmschlingen und das Coecum mit dem Wurmfortsatz. Die Reg. iliaca sinistra birgt neben Dünndarmschlingen die Flexura sigmoidea, welche aber wegen ihres längeren Gekröses sich häufig nach rechts in das Hypogastrium lagert und nach abwärts in das kleine Becken hineinragen kann. Die Lendengegend ist hauptsächlich von der Niere ausgefüllt, Lendengegend, deren oberer Pol aber bedeutend über sie hinaus-, in die Hypochondrien hineinragt, während der untere Nierenpol beträchtlich weit von der unteren Grenze der Lendengegend absteht. Der hinter den Nieren befindliche Muse, quadr. lumborum gehört schon der Bauchwand an. In der hinteren Bauchgegend liegt vor der Wirbelsäule nach Hintere Bauch8egend links die Aorta abdom., nach rechts die Vena cava inf.; fernerfinden ' sich auf den Wirbelkörpern die medialen Schenkel des Zwerchfells, und lateral von denselben die Ursprünge des M. psoas, welcher Muskel aber schon theilweise der Bauchwand angehört.

Die Bauchwand. Die Bauchwand zerfällt in eine vordere seitliche und hintere. Die vordere ist in dem obern Drittheil theilweise knöchern (Reg. hypochondriacae), in den beiden unteren Drittheilen des Bauches besteht sie dagegen aus Weichtheilen. Die seitliche Bauchwand ist 40*

628

Der Bauch.

oben und unten knöchern (Rippen, Darmbeinschaufel) und besteht nur in der Mitte aus Weichgebilden. Die hintere Bauchwand ist ganz knöchern in den 5 Bauchwirbeln gegeben. Vordere Bauchwand. Da der knöcherne Theil der Wand der Oberbauchgegend anatomisch nicht abweicht von dem schon behandelten Costaltheil der Brustwand, so haben wir uns hier nur mit der vorderen Bauchwand zu beschäftigen, insoweit dieselbe von Weichtheilen gebildet wird. Aeussere ConAn der vorderen Bauchwand fällt zunächst in der Medianlinie flguration. j ^ ^ g ] - n ¿¡ e Augen, welcher bei dem Erwachsenen ziemlich in der Mitte zwischen Schwertfortsatz und Schambeinfuge, bei Kindern der letzteren etwas näher liegt. Der Nabel erscheint um so vertiefter, je grösser die Anhäufung von Fett in dem subcutanen Bindegewebe der Bauchhaut ist. Steht die Ebene der vorderen Bauchwand hinter jener des Sternums, so nennt man den Bauch eingefallen (Abdomen collapsum); fühlt sich dabei die vordere Bauchwand straff an, so heisst der Bauch eingezogen (Abdomen retractum), wie z. B. bei der Bleikolik. Ragt die vordere Bauch wand über die vordere Brustgegend hervor, so wird dieser Zustand Abdomen tumidum genannt. Durch starke Entwicklung der subcutanen Fettablagerung kann die Hervorragung so beträchtlich werden, dass die Betreffenden ihre Geschlechtstheile nicht mehr sehen können, was man als Hängebauch bezeichnet. Der Stand der vorderen Bauchwand ist übrigens kein constanter, sondern dieselbe hebt und senkt sich mit der In- und Exspiration. Durch die Inspirationsstellung des Zwerchfells wird der Bauchraum in semer verticalen Achse verkürzt. Diese Minderung des Raumes wird ausgeglichen durch eine Verlängerung der sagittalen Achse, d. h. der Bauch hebt sich. Das Umgekehrte findet bei der Exspirationsstellung des Zwerchfells statt. Diese abwechselnde Verlängerung und Verkürzung der sagittalen Achse des Bauchraums ist eine nothwendige Ergänzung der Respirationsbewegung. Wird dieselbe durch Eingipsen des Unterleibs unmöglich gemacht, so erfolgen alsbald die heftigsten Athembeschwerden, welche dringend die Entfernung des Gipspanzers erfordern. Bei fettarmen, aber muskulösen Individuen bemerkt man an dem Unterleib mehrere Furchen, die theils in der Längsrichtung, theils in der Querrichtung verlaufen. Am häufigsten sichtbar ist die mediale Bauchfurche (Fig. 117. 1), die von dem Schwertfortsatz bis zu der

Die Bauchwand.

Vordere Bauchwand.

629

Schambeinfuge sich erstreckt, der Linea alba entspricht und durch die Prominenz beider geraden Bauchmuskeln bedingt wird. Die seitliche Längsfurche (Fig. 117. 2) ist immer flacher und nur bei sehr muskelkräftigen, aber fettarmen Individuen wahrnehmbar. Dieselbe hat ihren Grund in der Erhebung des lateralen Rectusrandes über die ihn einscheidenden Aponeurosen der breiten Bauchmuskeln. Auf der Erhebung zwischen medialer und lateraler Längsfurche, welche als Unterlage den M. rectus hat, kann man bisweilen in der oberen Hälfte der vorderen Bauchwand zwei seichte Querrinnen beobachten, welche durch die Inscriptiones tendineae der M. recti bedingt werden. In der vorderen Bauch wand zählen wir folgende Schichten: schichten der TOrderen uch 1. Aeussere Haut. f " wand. 2. Subcutanes Bindegewebe. 3. Die oberflächliche Fascie, welche nach abwärts in zwei ziemlich scharf gesonderte Lagen zerfällt. 4. Die Musculatur und deren Aponeurosen. 5. Die Fascia transversalis. 6. Das Wandblatt des Peritoneums. Die äussere Haut der vorderen Bauchwand hat ziemlich die gleiche Haut. Beschaffenheit, wie die Haut der vorderen Brustwand, und zeigt nur dadurch in vielen Fällen besondere Eigenthümlichkeiten, dass an keinem andern Körpertheile die Haut so bedeutenden Ausdehnungen unterliegt, sei es durch Schwangerschaft,-Wassersucht, intraabdominale Geschwülste oder selbst Fettanhäufung. Diese Ausdehnungen lassen in der Haut Veränderungen zurück, die man als Runzeln, Striemen, Striae gravidarum und mit Unrecht auch als weissliche Narben bezeichnet. Dieselben können bei Frauen als ein ziemlich sicheres Zeichen vorausgegangener Schwangerschaft betrachtet werden, kommen aber auch bei Personen vor, welche, früher sehr fettleibig, einer starken Abmagerung unterlegen sind. Das subcutane Bindegewebe der vorderen Bauchwand führt bei subcutanes den meisten Menschen Fett; doch darf die Menge desselben unter Bmdegewebe ' normalen Verhältnissen selbst bei sehr gut Genährten 1 cm Dicke nicht übersteigen; ausnahmsweise kann diese Fettschichte 4—5 cm stark werden. In dem subcutanen Bindegewebe verlauft eine Arterie (Art. superflc. abdom.), welche von der Art. femoral, unmittelbar nach ihrem Durchtritt unter dem Poupartschen Band abgeht, das hochliegende Blatt der Fascia lata durchbricht und sich nach aufwärts wendet. Wegen des geringen Calibers ist die topographische

630

Der Bauch.

Bestimmung des Verlaufes dieser Arterien an der vordem Bauchwand in praktischer Beziehung werthlos. Dagegen hat die die Arterie begleitende Vene, welche entweder in die Ven. femoral, oder in die Ven. saphena magna mündet, ein gewisses pathologisches Interesse. Diese Vene bildet an der vorderen Bauchwand ein Netz, an welchem sich bei dem Manne auch eine Vene betheiligt, welche von der Haut des Penis zur vorderen Bauchwand aufsteigt. Dieses Venennetz anastomosirt mit zur Haut tretenden Ausläufern der oberen und unteren epigastrischen Venen, von denen wieder feine Zweige längs des Lig. hepat. teres zur Querfurche der Leber treten und daselbst mit dem linken Pfortaderast Verbindungen eingehen. Wird nun die Pfortader durch irgend welche pathologische Verhältnisse der Leber undurchgängig, so staut das Blut, welchem in den epigastrischen Venen, nicht wie in den Pfortaderwurzeln, ein stärkerer Gegendruck entgegensteht, hauptsächlich nach den epigastrischen Venen zurück, wobei die Verbindungszweige derselben mit dem linken Pfortaderaste fingerdick anschwellen und eine Art Nabelvene vortäuschen können. Aus den epigastrischen Venen tritt nun das Pfortaderblut theils in das Gebiet der oberen, theils in das der unteren Hohlvene, aber auch vermittelst der Anastomosen der Ven. epigastricae mit den subcutanen Venen in diese letzteren, dehnt dieselben unter Bildung von Varicositäten und Schlängelungen beträchtlich aus, so dass sie unter der Haut sichtbar werden und namentlich um den Nabel herum ein ziemlich dichtes Geflecht bilden, dessen strahlig verworrenes Aussehen Veranlassung zu der Benennung »Caput Medusae« gegeben hat. rascia »uperDie unter der Haut gelegene Fascia superfic. unterscheidet sich von anderen subcutanen Fascien dadurch, dass dieselbe nach unten in zwei ziemlich gut von einander geschiedene Blätter zerfällt, ein oberflächliches, welches continuirlich in die oberflächliche Fascie des Oberschenkels übergeht, und ein tiefes, welches sich an das P o u p a r t sche Band anheftet (Fig. 122.3 und 4). Befindet sich ein pathologischer Erguss irgend welcher Art zwischen beiden Blättern, so kann sich derselbe von der vorderen Bauchwand zur vorderen Schenkelfläche herabsenken. Befindet sich der Erguss aber unter dem tiefen Blatt der Fascia superficialis, so wird er bei dem Herabsenken an dem P o u p a r t s c h e n aufgehalten werden. Muscuiatur und Die Musculatur der vorderen Bauchwand setzt sich bekanntlich rosen. aus drei breiten Muskeln, deren Fleisch von der Medianlinie ziemlich weit absteht, und zwei langen Muskeln, deren Fleisch die Medianlinie fast tangirt, zusammen.

Die Bauchwand.

Vordere Bauchwand.

631

Von den ersteren ist der oberflächlichste, der Muse, obliq. abd. ext., dadurch charakterisirt, dass das Fleisch und die Aponeurose des Muskels in der unteren Hälfte der vorderen Bruchwand unter einem leicht abgerundeten rechten Winkel zusammenstossen. Unter Umständen kann es werthvoll sein, schon äusserlich die Lage dieses Winkels zu bestimmen, mit anderen Worten, an dem Lebenden die mediale und untere Grenze des Fleisches des Muskels festzustellen. Die mediale Grenze ist gegeben in einer Linie, welche von der Brustwarze nach der Mitte des Poupart'sehen Bandes gezogen wird, und die untere Grenze fällt mit der Linie zusammen, welche die Mittelbauchgegend von der Unterbauchgegend trennt. Die feste und glänzende Beschaffenheit der Aponeurose dieses Muskels kann bei Einschnitten in die vordere Bauchwand dem Chirurgen als Anhaltspunkt dienen, bis zu welcher Tiefe er vorgeschritten ist. Die Aponeurose zeigt nur ganz vereinzelt kleine Oeffnungen als Durchgangspunkte kleiner Blut- und Lymphgefässe. Wie das Fleisch des M. obl. abd. ext. unten, so ist das des M. obl. abd. int. oben rechtwinklig begrenzt. Die topographische Bestimmung dieses, Fleisch und Aponeurose trennenden Winkels, welcher einige Finger breit unterhalb der Grenze zwischen Knochen und Knorpel der 10. Rippe fällt, hat in praktischer Beziehung kein weiteres Interesse. Das Fleisch des M. obl. int. tritt der Medianlinie näher, als das des ext., bleibt aber von dem lateralen Rande des M. rectus immer noch gegen 1 cm entfernt. Dasselbe erstreckt sich bedeutend weiter nach abwärts als jenes des M. obl. ext. bis an das P o u p a r t ' sche Band, mit dessen lateraler Hälfte es fest verwachsen ist, d. h. von derselben entspringt, während es über die mediale Hälfte des Bandes einfach hinwegzieht und sich in der Nähe der Symphyse der Medianlinie bis auf 2,5 cm nähert. Die Fleischbündel des M. obl. int. sind in der Unterbauchgegend nicht schräg aufsteigend, wie oben, sondern sie halten hier eine schräg absteigende Richtung ein. Der M. abd. transversus erstreckt sich von den drei breiten Bauchmuskeln am meisten nach oben. In der Mittelbauchgegend zieht sich das Fleisch des Muskels bogenförmig von der Medianlinie etwas zurück, was in der systematischen Anatomie als Lin. semicircul. Spigelii beschrieben wird. In der Unterbauchgegend verhält sich das Fleisch des M. transv. ganz wie jenes des M. obl. int. und ist mit demselben innig verwachsen, so dass man topographisch in dieser Gegend beide Muskeln als einen einzigen anzusehen hat. Durch das Zurücktreten der Fleischbündel des M. transv. in der Mittel-

Breite Bauchmuskeln

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632

Der Bauch.

bauchgegend haben wir au dem lateralen Rande des M. rectus in dieser Gegend eine ganz dünne Stelle; denn abgesehen davon, dass hier 1 cm lateral von dem M. rect. die Bauchhöhle, wie in der Linea alba, nur einen sehnigen Verschluss hat, ist auch weiter lateralwärts bis auf 2 cm von dem Rectusrande die Muskulatur nur durch den hier ziemlich schwachen M. obl. int. vertreten. Medialwärts von dieser dünnen Stelle verstärkt sich aber die Bauchwand in ihrem fleischigen Theile sehr bedeutend, indem, sich zwischen die Aponeurosen der breiten Bauchmuskeln die mächtige Fleischmasse des M. rect. einschiebt. Lange BauchDie M. rect. sind am breitesten in der Oberbauchgegend und muskein. verschmälern sich nach abwärts so bedeutend,1 dass die an dem EinM. rectus. gang in das kleine Becken, d. h. zwischen Tub. pub. und Symphyse sich ansetzende, gegen 2 cm lange Endsehne nicht halb so breit ist als der Ursprung des Muskels. Die Inscriptiones tendineae dieser Muskeln sind in der Regel so vertheilt, dass zwei oberhalb des Nabels und eine oder eine halbe unterhalb des Nabels fallen. Diese sehnigen Unterbrechungen der Fleischmasse binden fester unter einander die Muskelbündel und hindern das Auseinandertreten derselben bei grossen Ausdehnungen des Bauchraumes, so namentlich in der Schwangerschaft. Dieselben sind mit der vorderen Scheidewand des M. rect. sehr fest, mit der hinteren lockerer verbunden. scheide der Die Scheiden der M. rect. werden von den Aponeurosen der M. rectL breiten Bauchmuskeln in der Art gebildet, dass die vordere Wand derselben aus der Aponeur. des M. obl. ext. und dem hochliegenden Blatt der Aponeur. des M. obl. int. besteht, während die hinter dem M. rect. befindliche Wand sich aus dem tiefliegenden Blatt der Aponeur. des M. obl. int. und aus der Aponeur. des M. transv. zusammensetzt. Diese hintere Scheidenwand reicht nur bis kurz unter die Nabelhöhe und hört hier mit einer nach oben und lateralwärts convexen Linie auf, die als Linea semicircul. D o u g l a s i i bekannt ist. Das hintere Blatt der Aponeur. des M. obl. int. hört in der Höhe der Lin. semicircul. auf, und desshalb müssen die Fleischbündel des M. transv. unterhalb dieser Linie mit der vorderen Scheidenwand des M. rect. in Verbindung treten. Unterhalb der Lin. semicircul. beginnt die Verwachsung des Fleisches des M. obl. int. mit jenem des M. transv. Mit der vorderen Wand der Rectusscheide in Verbindung steht noch ein kleiner, in seiner Grösse übrigens sehr variabler Muskel, der M. pyramidalis. Derselbe liegt unter der vorderen Rectusscheide unmittelbar vor dem M. rect. und entspringt

Die Bauchwand.

Vordere Bauchwand.

633

vor dem Rectusansatz von dem oberen Beckenring zwischen Tub. pubis und Symphyse, um gegen den medialen Rand der vorderen Rectusscheide verschieden hoch aufzusteigen und sich mit derselben an ihrem Uebergang in die Linea alba zu verbinden. Dadurch, dass dieser Muskel sich an die vordere Wand der Rectusscheide, welche mit den Inscript. tendin. fest verwachsen ist, ansetzt, erhöht derselbe die Wirksamkeit dieser Inscriptionen, welche, wie wir sahen, darin besteht, dass sie das Auseinandertreten der Fleischbündel des M. rect. bei hochgradiger Ausdehnung des Bauchraumes hindern. Zwischen den beiden M. rect. befindet sich die Linea alba, die Vereinigungsstelle der Aponeurosen der breiten Bauchmuskeln, auf welche wir später ihrer praktischen Bedeutung wegen ausführlich zurückkommen werden.

1 2 3 4

Querschnitt durch Haut. Unterhautbindegewebe. M. obllquus externus. Aponeurose des M. obliquus Internus mit Spal-

die Bauchwand oberhalb des tung In ein vorderes und hinteres Blatt. 5 M. transversus. 6 Fascia transversa, 1 Subseröses Bindegewebe.

Nabels. 8 Peritoneum. 9 M. rectus. 10 Art. eplgastrlca.

Unter der Musculatur befindet sich als weitere Lage der vorderen Bauchwand die Fascia transversalis, so genannt, weil sie hinter dem M. transv. liegt. Bis zu dem Nabel hat dieselbe nur den Charakter von lockerem Bindegewebe, welches sich vom Nabel nach abwärts mehr verdichtet und in der Unterbauchgegend als eine förmliche fibröse Membran auftritt. An den Seitentheilen der Unterbauchgegend tritt die Fase, transv. in directe Continuität mit der den M. iliopsoas deckenden Fascia iliaca, und unten heftet sich dieselbe an die laterale Hälfte des P o u p a r t' sehen Bandes, insoweit dieses die sogenannte Lacuna muscul. überbrückt. An der medialen Hälfte dieses Bandes, dem Arcus cruralis verhält sich dieselbe ganz eigenthümlich, ein Verhalten, das aber erst bei der Betrachtung der Bruchgegend seine Würdigung finden wird.

Fascia transversalls

-

634 Peritoneum.

Gefasse der vorderen Bauchwand.

Nerven der vor-

^

Linea alba.

Der Bauch.

Unter der Fase, transvers. folgt das Wandblatt des Peritoneums, worauf wir zurückkommen, wenn wir das Perit. als Ganzes betrachten. Die Arterien der vorderen Bauchwand gliedern sich in die der geraden und der breiten Bauchmuskeln. Das Hauptgefäss des M. rect. ist die Art. epigastr. inf. Dieselbe verlässt die Art. femoral, hart an dem P o u p a r t ' s e h e n Bande in der Mitte zwischen Spin. ant. sup. oss. ilei und Symphyse und wendet sich nach ihrem Abgang alsbald auf- und etwas medialwärts, um sich von der hinteren Fläche des M. rectus aus in diesem Muskel zu verzweigen. In ihrem weiteren Verlaufe nach oben gelangt die Art. epigastr. von der Lin. semicirc. D ougl. an zwischen M. rectus und dessen hintere Scheide (Fig. 118.10), um mit der Art. epigastr. sup., dem bekannten Endaste der Art. marnmaria int., zu anastomosiren. Diese Anastomose zwischen Art. subclav. und femoral, hat nicht nur Bedeutung für das Zustandekommen des collateralen Kreislaufes bei der Ligatur der Art. iliaca, sondern man hat, darauf gestützt, auch die Unterbindung der Aorta abdomin. unternommen. Die beiden Art. epigastr. sind von je zwei Venen begleitet. Die breiten Bauchmuskeln werden von den fünf unteren Intercostalarterien, die nur von einer Vene begleitet sind, und von den Lendenarterien versorgt. Derjenige Fleischtheil des M. obl. int. und transv., welcher sich bis zu dem P o u p a r t ' s e h e n Bande erstreckt, erhält sein Blut aus Zweigen der Art. circumflexa ilium. Die Nerven der vorderen Bauchwand stammen von den fünf unteren Intercostalnerven, von welchen bekanntlich der letzte nicht in einem Intercostalraum, sondern unter der 12. Rippe gelegen ist. Diese Nerven verlaufen, nachdem sie, wie die übrigen N. intercost., ihre vorderen und hinteren Hautäste abgegeben haben, nach vorn und abwärts zwischen dem M. transv. und obl. int., um in den M. rectus einzutreten, welchen sie als ganz schwache Hautäste, die vordere Rectusscheide durchbrechend, verlassen. In der Reg. hypogastr. verlaufen in der Bauchwand gleichfalls zwischen M. transv. und obl. int. die beiden oberen Lendennerven der N. iliohypogastricus und der Nerv, ilioinguinalis. Die Linea alba bildet die Vereinigung der Aponeurosen der breiten Bauchmuskeln in der vorderen Medianlinie des Bauches und nimmt demnach den Raum zwischen den beiden geraden Bauchmuskeln ein. Obgleich die letzteren oben beträchtlich breiter, als unten sind, stehen dieselben doch oben weiter von einander ab, als

Die Bauchwand.

Vordere Bauchwand.

635

unten, wesshalb die Linea alba oben breiter und unten schmäler sein wird. Oberhalb des Nabels beträgt die manchen individuellen Schwankungen unterliegende Breite der Linea alba durchschnittlich nicht ganz 2 cm, während sie unterhalb des Nabels nur 7 bis 5 mm breit wird. Die Verbindung der Aponeurosen der beiderseitigen breiten Bauchmuskeln ist eine gekreuzte, und zwar findet dieselbe in der Art statt, dass diejenigen Bindegewebebündel der Aponeurosen, welche in der rechten Körperhälfte am meisten nach vorn, in der linken Körperhälfte am meisten nach rückwärts verlaufen (Fig. 118). Verstärkt wird die Lin. alba durch an ihrer hinteren Seite gelegene vertical verlaufende Faserbündel, welche oben in geringerer Anzahl von dem Schwertfortsatz, unten reichlicher von der Symphyse und den derselben zunächst gelegenen Knochentheilen kommen. Dieser untere verticale Zuwachs der Linea alba ist das Adminiculum lin. alb., welches, dreieckig gestaltet, seinen Ursprung von dem oberen Beckenring, d. h. von der Symphyse und 1,5 cm rechts und links von derselben nimmt und, spitz zulaufend, 4 cm oberhalb der Symphyse in der Linea alba endigt. Das subseröse Bindegewebe ist in dem Bereiche der Linea alba reichlicher vorhanden, als seitlich von derselben. Oberhalb des Nabels ist die Linea alba etwas dünner als unterhalb des Nabels, wesshalb die sogenannten Brüche der Linea alba häufiger ober-, als unterhalb des Nabels vorkommen. Die Veranlassung zu diesen Brüchen geben ganz kleine Oeffnungen, durch welche tiefer gelegene Gefässe und Nerven kleine Zweige zur Haut senden. Diese Oeffnungen, an sich von minimalem Durchmesser, können sich zur Grösse von Bruchpforten erweitern, namentlich in Folge von andauernden oder sich wiederholt einstellenden Ausdehnungen des Bauchraumes, wie in der Schwangerschaft, wo mit den Bauchmuskeln auch die Linea alba breiter wird. Oberhalb des Nabels enthalten diese Brüche entweder Magen, oder ein Stück des Col. transv., oder eine Appendix epipl. des letzteren, unterhalb des Nabels ist der Gehalt eines solchen. Bruches gewöhnlich ein Stückchen des grossen Netzes. Bei Fettleibigkeit sieht man oft äusserlich von diesen kleinen Netzbrüchen unterhalb des Nabels gar nichts, und dieselben kommen erst bei der Präparation der Bauchmuskeln zum Vorschein. Da die Elasticität und die Contractionen der breiten Bauchmuskeln diese weiter gewordenen Gefässöffnungen der Linea alba zu verkleinern streben, wird man die Zurückhaltung und Heilung der Brüche der Linea alba besser mit einfachen Contentivverbänden zu erzielen suchen, als mit complicirten Bandagen, deren Pelotten sich in die

636

Der Bauch.

Oeffnungen der Linea alba einbohren, sie erweitern und dadurch der verengernden Wirkung der breiten Bauchmuskeln entgegentreten. Da in der Linea alba keine grösseren Gefässe verlaufen, geben Einschnitte und Einstiche in dieselbe (Punctio vesicae) keine Veranlassungen zu Blutungen. Nabel und Nabelbruch.

Der Nabel des Neugebornen liegt unterhalb der Mitte des Körpers. In dem Maasse, als die unteren Extremitäten nach der Geburt sich verlängern, steigt der Nabel aufwärts und liegt bei dem Erwachsenen in der oberen Körperhälfte, annähernd in der Mitte zwischen der Wurzel des Schwertfortsatzes und der Schambeinfuge. Der Nabel, von aussen angesehen, stellt ein mehr oder weniger tiefes Grübchen dar, dessen Grund leicht convex erscheint und daher auch als Papilla umbilicalis bezeichnet wird. Von innen, d. h. von der Bauchhöhle aus betrachtet, fliessen an dem Nabel vier das Bauchfell falten förmig emporFig. 119. hebende Stränge zusammen, Der Nabel des Neugebornen von der inneren Fläche von welchen drei von unten der Bauchwand dargestellt. kommen, in der Mitte der 1 Peritoneum. 4 Urachus. 2 Nabelvenenstrang. 5 Nabelarterienstrang. obliterirte Harnstrang (Ura3 Nabelring. 6 Harnblase. chus) und zu beiden Seiten desselben die obliterirten Nabelarterien, während von oben und rechts die obliterirte Ven. umbilical. an den Nabel herantritt. Betrachten wir nun die Schichten des Nabels von aussen nach innen, die Haut, den sogenannten Nabelring und das Peritoneum. Die Haut ist in der Umgebung des Nabels dünn und fein. In die Nabelgrube senkt sich nur die eigentliche Cutis und Epidermis ein, während die Fettschichte der Haut und die Fascia superficial, den Rand der Nabelgrube nicht überschreiten, wesshalb der Nabel um so tiefer wird, je beträchtlicher die Fettlage eines Individuums

Die Bauchwand.

Nabel und Nabelbruch.

637

ist. Bei den meisten nicht sehr mageren Personen prominiren aber, von der Haut bedeckt, kleine Fettpröpfchen nach dem Lumen der Nabelgrube hinein, wesshalb die Ränder der letzteren gezackt und unregelmässig contourirt erscheinen. Der Grund der Nabelgrube ist aber immer frei von Fett und nur von der Haut überzogen. In der buchtigen Nabelgrube können die Hautsekrete nebst der abgestossenen Epidermis fest werden, indem sie sich um Fäden, die von den den Leib unmittelbar bedeckenden Kleidungsstücken herrühren, anlegen. So wird es erklärlich, dass sich bisweilen aus der Nabelgrube fremdartige längliche Körper ausziehen lassen, welche durch einen penetranten ammoniakalischen Geruch charakterisirt sind. Diese Körper können, wenn sie sehr lange in der Nabelgrube liegen bleiben und sich dadurch vergrössern, zu Erythemen und selbst zu phlegmonösen Ent—3 zündungen der Nabelhaut Veranlassung geben. Unter Nabelring Fig. 120. versteht man jene miniVertlciiler Schnitt durch den Nabel des Erwachsenen in der Linea alba. male Oeffnung der 5 Nabelring. X Haut. Linea alba, an welcher 6 Nabelpapille. 2 Fetthaltiges subcutanes 7 Reichlicheres Bindegewebe Bindegewebe. sich äussere Haut und in dem Nabelring zwischen 3 Aponeurosen der Linea alba. Peritoneum in dem Haut und Peritoneum. 4 Peritoneum. Grunde der Nabelgrube unmittelbar berühren oder eigentlich richtiger durch eine verhältnissmässig grosse Menge subserösen Bindegewebes unter einander verbunden sind. Dieser bei dem Foetus weitere Ring zieht sich alsbald nach der Geburt stark zusammen, und zwar am meisten in den ersten 3 Monaten, später langsamer. Während des ersten Lebensjahres ist er meist noch deutlich durch die Haut zu fühlen, später wird er wegen seiner Enge dem #Gefühl unzugänglich. Der Nabelring ist nicht kreisförmig, sondern wird unten durch eine horizontale , oben durch eine bogenförmige Linie begrenzt (Fig. 119. 3). Diese Gestalt hat mit darin ihren Grund, dass die drei von unten kommenden Stränge, die beiden obliterirten Nabelarterien und der Urachus sich in einer geraden Linie vereinigen und mit dem unteren Rande des Ringes fest verwachsen sind, während der obere Strang, die obliterirte Nabelvene, mit dem Nabelring nur locker verbunden

Nabelring.

638

Der Bauch.

ist, so dass man nach Entfernung des Peritoneums zwischen dem oberen Rande des Nabelrings und dem Nabelvenenstrang eine Sonde einführen kann, welche die äussere Haut emporhebt. Auch sind die drei unteren Stränge straffer gespannt und üben daher einen gewissen, nach unten gerichteten Zug auf den Nabelring, der oben wegen des minder straff gespannten Nabelvenenstranges fehlt. Peritoneum. Das Peritoneum, welches die tiefste Schichte des Nabels bildet, ist mit dem Rande des Nabelringes fest verwachsen. Ein klein wenig oberhalb des Nabels wird es aber durch den Nabelvenenstrang von der Bauchwand abgehoben. Zwischen dem Peritoneum und dem Nabelvenenstrang findet sich bisweilen ein Streifen verdichteten Bindegewebes, der, verschieden breit, den Nabelvenenstrang überbrückt und von R i e h et als Fascia umbilicalis beschrieben wurde. Man findet denselben durchschuittlich in der 5. bis 6. Leiche. Da der allerdings sehr enge Nabelring den dünnsten Theil der Bauchwand bildet, welche hier durch die dünne äussere Haut und das Peritoneum vertreten ist, so ist es leicht begreiflich, wie durch den Nabel pathologische Ergüsse des Bauchraumes und selbst Harn bei offen gebliebenem Urachus austreten können. Nabeibruch. Die Nabelbrüche werden eingetheilt: 1. in die angebornen oder Nabelschnurbrüche, 2. in die post partum entstandenen, welche wieder zerfallen in diejenigen des ersten Lebensjahres und in jene, welche bei Erwachsenen vorkommen. Angebomer Der angeborne Nabelbruch ist eine Missbildung, welche in die Kategorie der sogenannten Entwicklungshemmung fällt. Die Unterleibshöhle ist ja in früheren embryonalen Stadien in der Nabelgegend weit offen, und die Eingeweide liegen theilweise ausserhalb der Leibeshöhle; allmählig verengert sie sich, wobei zugleich sämmtliche vorgelagerte Eingeweide zurückgehen. Im dritten Monat ist diese Verengerung so weit fortgeschritten, dass die Oeffnung ausgefüllt wird von den beiden Nabelarterien, der Nabelvene und dem Urachus. Erfährt die Retraction der Baucheingeweide eine Hemmung, so bleibt die Oeffnung grösser, und die Bildung des Nabelrings wird aufgehalten. Die kleinere oder grössere Apertur der vorderen Bauchwand erscheint dann auch nach der Geburt nur von dem Peritoneum und dem Amnion, welches ja auch die äussere Hülle der Nabelschnur bildet, verdeckt, woher der Name »Nabelschnurbruch« stammt, da die vorgelagerten Eingeweide in dem Anfang der verbreiterten Nabelschnur zu liegen scheinen. Nach der Abnabelung stirbt der Nabelstrang und seine äussere Hülle, das Amnion, welches jetzt

Die Bauchwand.

Nabel und Nabelbruch.

639

nicht mehr in Gefässverbindung mit dem mütterlichen Körper steht, ab, und damit auch die Amnionhülle des Nabelschnurbruches, so dass die vorliegenden Eingeweide nur von dem Wandblatt des Peritoneums bedeckt sind. Diese Missbildung, welche in den meisten Fällen mit anderen Fehlern primae formationis, wie Spina bifida, Hemicranie, verbunden ist, führt, wenn einigermaassen erheblich, meist rasch den Tod herbei. Ist der Mangel der Bauchwand jedoch nur wenig ausgedehnt, so kann durch die nach der Geburt alsbald an den Rändern der Oeffnung auftretenden Granulationen es noch unter günstigen Verhältnissen zu einem Verschluss der Bauchwand in der Nabelgegend kommen. Ganz andere anatomische Verhältnisse zeigt der Nabelbruch, Nabeibruch des welcher bei Kindern in dem ersten Lebensjahre oft schon kurze Zeit eratljahrM6"8 nach der Geburt entsteht. Hier war die Nabelschnur in regelmässiger Weise abgefallen, und Zeit genug vorhanden, dass sich eine regelrechte Ueberhäutung des Nabelringes bildete. Die durch den Nabelring hervortretenden Eingeweidetheile sind daher hier nicht nur von dem Peritoneum, sondern auch von der äusseren Haut bedeckt. Die Veranlassung zu diesen Brüchen gibt übermässige Ausdehnung der Bauchwand, bewirkt durch intensive Inspirationsbewegungen, welche durch heftiges Schreien der Kinder bedingt werden. Begünstigt werden dieselben durch die in der ersten Lebenszeit verhältnissmässig grössere Weite des Nabelringes, heilen aber oft von selbst, da der Nabelring die Tendenz hat, sich zu verkleinern, und erfordern bei der Behandlung, um diese Tendenz zu begünstigen, nur einen Contentivverband des Bauches, was während des ersten Lebensjahres (später sind diese Brüche ziemlich selten) durch einfache Heftpflasterstreifen erzielt wird. Genetisch ganz verschieden von den Nabelbrüchen des ersten Nabeibruch des Lebensjahres sind diejenigen der Erwachsenen, da es äusserst selten ErwachBenenist, dass ein während des ersten Lebensjahres entstandener Nabelbruch sich bis über die Zeit der Pubertät erhält. Die Nabelbrüche der Erwachsenen kommen nur bei stark fettleibigen Personen, namentlich Frauen, die wiederholt geboren haben, vor und stehen in Beziehung mit starker Fettanhäufung in der unmittelbaren Nähe des Nabels. Hier kann bisweilen ein wachsender Fettpropf nach dem Nabelring hin sich ausdehnen, denselben erweitern und dadurch die Disposition zu einem wirklichen Nabelbruch hervorrufen. Solange in dem erweiterten Nabelring sich nur der von dem subcutanen Fettbindegewebe ausgegangene Fettpropf befindet, kann von einem

640

Der Bauch.

eigentlichen Nabelbruche noch nicht die Rede sein; man nennt einen solchen Zustand einen Fettbruch, wie sie sich in ähnlicher Weise auch in der Linea alba an Durchtrittsstellen von Gefässen bilden können. Zu einem wirklichen Nabelbruch kommt es erst, wenn in Folge einer starken Bauchverengerung, z. ß. starkes Drängen zum Stuhle, der Fettpropf nach aussen getrieben wird, und statt desselben in den erweiterten Nabelring entweder Netz- oder Dünndarm eintritt. Bei dem Nabelbruch der Erwachsenen erleidet meist auch der Nabelvenenstrang eine Veränderung seiner Lage. Derselbe ist, wie wir oben sahen, nicht sehr fest an den oberen Rand des Nabelringes angeheftet und wird durch den eindringenden Fettpropfen mehr nach rechts und selbst etwas nach abwärts gedrängt, so dass er mit dem rechten Nabelarterienstrang einen stumpfen Winkel bildet. In den seltenen Fällen, in welchen der eingeklemmte Nabelbruch operative Hilfe erfordert, ist dieser Umstand nicht ganz unwichtig; denn die Erweiterung des Nabelringes in der Linea alba nach oben wird dadurch gefahrlos, obwohl es immer sicherer ist, den erweiternden Schnitt in der Richtung nach oben und etwas nach links zu führen. Einige Chirurgen stellten die Behauptung auf, dass bei dem post partum entstandenen Nabelbruch ein Bruchsack nicht vorkomme, was jedoch von dem anatomischen Standpunkte aus durchaus nicht zugegeben werden kann. Die Veranlassung zu dieser Annahme bildet der Umstand, dass die Haut des Nabelgruqdes und das Peritoneum in der Regel sehr innig verwachsen sind, und dass diese Verwachsung bei länger bestehendem Nabelbruch von der genannten Stelle aus sich peripherisch mehr und mehr ausdehnt, wesshalb man bei der Operation nach dem Einschneiden der Haut sogleich auf das Eingeweide stösst, da das mit der Haut verwachsene Peritoneum zugleich mit dem Hautschnitt durchschnitten worden war. Aus diesem Grunde ist auch die Hebung der Einklemmung ohne Einschneiden des Bruchsackes bei dem Nabelbruch nahezu unmöglich. Bruchgegend.

Allgemeines.

An die Betrachtung der vorderen Bauchwand schliesse ich die einer Gegend an, welche theil weise der vorderen Bauch wand, theilweise der vorderen Oberschenkelfläche angehört und die demnach in strengem Wortsirme keine eigentliche Körpergegend bildet. Allein der Umstand, dass hier die weitaus zahlreichsten Hernien, die Leistenund Schenkelbrüche vorkommen, welche ein so hohes Interesse für

Die Bauchwand.

641

Bruchgegend.

den Arzt haben, wird diese Abweichung von der strengen Gliederung der Topographie entschuldigen. Die Mitte der Gegend, welche wir kurz die Bruchgegend (Reg. inguinalis) nennen wollen, ist in einer Linie gegeben, welche von der Spina ant. sup. oss. ilei nach der Symphyse gezogen wird, und dieselbe dehnt sich nach auf- und abwärts von dieser Linie an der vorderen Bauchwand und vorderen Schenkelfläche gegen 3,5 cm aus. Von vorspringenden Knochenpunkten sind in der Bruchgegend an dem Lebenden stets fühlbar die Spina ant. sup., das Tuberculum pubis, die Symphyse, sowie der zwischen Symph. und Tub. pub. befindliche Knochentheil. Nicht fühlbar dagegen sind die Spin. ant. inf., das Tuberculum iliopubicum und die Crista pubis. Der Grund davon, dass diese letzteren der Bruchgegend angehörigen Knochenvorsprünge dem tastenden Finger nicht zugänglich sind, liegt darin, dass der untere freie verdickte Rand der Aponeurose des M. obl. abd. ext. brückenartig von der Spin. ant. sup. bis zu dem Tub. pub. gespannt ist, und unter demselben theils Muskeln, theils Gefässe aus dem Bauchraum zu der vorderen Fläche des Oberschenkels treten. Dieser freie Rand der Aponeurose des M. obl. abd. ext., der kurz auch als Ligam. P o u p a r t i oder F a l l o p i a e bezeichnet wird, sowie die unmittelbar unter ihm gelegenen Fleischmassen verdecken die zwischen Spin. ant. sup. und Tub. pub. gelegenen Knochenvorsprünge und machen es daher unmöglich, dieselben durch die Haut sicher zu fühlen. Halten wir uns zunächst an das P o u p a r t s c h e Band. Der laterale Anheftungspunkt des P o u p . Bandes (Fig. 1 2 1 . 9 ) ist die Spin. ant. sup. oss. il. Von diesem Knochenvorsprung tritt das Band mit einer vorderen und hinteren abgeplatteten Wurzel ab, zwischen welchen eine enge, nahezu 2 cm lange Spalte übrig bleibt, welche in schräger Richtung der Nerv. cut. fem. ext. durchsetzt, der unmittelbar nach seinem Durchtritt durch diese Spalte 1,5 cm medial von der Spin. ant. sup. entfernt liegt. Die laterale Hälfte des P o u p . Bandes ist ein einfacher platter Sehnenstrang, der straff auf dem M. iliopsoas aufliegt. Von dem medialen Rande des letzteren Muskels an beginnt das Band sich nach hinten umzukrämpen, und zwar um so stärker, je mehr es sich seinem medialen Insertionspunkt, dem Tub. pub. nähert. Gegen das mediale Ende zeigt das P o u p . Band zwei Fortsetzungen, von welchen die stärkere nach rückwärts und abwärts, die schwächere medialwärts gerichtet ist. Die erstere ist unter dem Namen des G i m b e rnatsehen Bandes (Fig. 121. 10) oder der dritten Insertion des P o u p . Bandes bekannt Qerlach, Anatomie dea Menschen.

41

Band von pBr

POU-

'

Band von QImbernat'

642

Der Bauch.

und füllt den medialen Theil des Winkels aus, welcher zwischen der Crista pub. und dem Lig. P o u p . existirt, und dessen Spitze hart an das Tub. pub. stösst. Das G i m b e r n a t s c h e Band stellt demnach ein Dreieck dar, dessen vordere obere Kathete in dem Lig. P o u p . , dessen untere hintere Kathete in der Crista pubis oder eigentlich in dem verdickten, die Crist. pub. deckenden Perioststreifen, dem U

¡12

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16

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Flg. 121. 1 2 3 4 5

6 7 8 9 10

Frontaler Schrägschnitt durch die Mitte der Bruchgegend. pectloeus deckenden Blatt Spina ant. sup. OBS. Ilei. 11 Fascia iliaca. Spina ant. Inf. os9. lleL 12 Das von der Fascia illaca der Fascia lata. und dem F o u p a r t e c h e n 13 Septum crurale (Theilglied Tuberculum Ilio-pubicum. Bande zu dem Tubercul. Tuberculum pubis. der Fascia transversa.) illo-pub. tretende Septum, 14 Art. femoralis. MUHC. sartorlug. welches die Lacuna mus- 15 Ven. femoralis. Muse, rectus cruris. cular. von der der Lacuna 16 Lymphdrüse. Muse, iliopsoas. vascul. trennt und auch 17 Nerv, femoralis. Muse, pectlneus. In Continultät steht mit 18 Bursa mueosa sublllaca. Lig. P o u p a r t i . dem tiefen, den M U B C . Lig. O l m b e r n a t l .

sogenannten Lig. pub. C o o p e r i gegeben ist, während die kurze Basis von dem freien, lateralwärts concaven Rande des Bandes gebildet wird, welche in Verbindung mit einer kleinen Abtheilung der Fase, transvers., dem sogenannten Septum crurale steht. Die Länge des G i m b e r n a t s e h e n Bandes, d. h. die Entfernung des medialen Spitzwinkels von dem lateralen concaven Rande beträgt 1,5 bis 2 cm.

Die Bauchwand.

Bruchgegend.

643

Dieses Band, welches in der angegebenen Ausdehnung eine sehr feste, sehnige Verbindung zwischen dem Lig. P o u p . und dem Lig. pub. C o o p e r i darstellt, ist von aussen, auch nach Entfernung der Haut und oberflächlichen Fascie, nicht sichtbar, tritt aber von innen alsbald in Sicht, wenn an der betreffenden Stelle das Wandblatt des Peritoneums entfernt ist. Dagegen ist dasselbe nach Ablösung der äusseren Haut von aussen, wie von der Bauchhöhle aus, namentlich der laterale concave Rand desselben, durch den tastenden Finger leicht wahrzunehmen. Die zweite schwächere und medialwärts gerichtete Verlängerung des P o u p . Bandes, welche als Band von C o l l e s , als dritter oder hinterer Schenkel des äusseren Leistenrings beschrieben wird (Fig. 123. 10), steht in nächster Beziehung mit der Umkrämpung des Poup. Bandes nach hinten. Dieselbe wird in der Nähe des Tub. pub. so bedeutend, dass das P o u p . Band hier eine förmliche Hohlkehle darstellt, an der man eine vordere stärkere und hintere schwächere Fläche unterscheiden kann. Die vordere stärkere Fläche befestigt sich allein an dem Tub. pub., die hintere schwächere, das Band von Colles, dagegen erstreckt sich weiter medialwärts bis zur Symphyse und hängt hier, gedeckt von dem oberen medialen Schenkel des äusseren Leistenrings, zusammen mit dem gleichen Gebilde der entgegengesetzten Seite. Nach oben ist das Band von C o l l e s nicht scharf begrenzt und verschmilzt mit der vorderen Wand der Rectusscheide; lateralwärts hört es gleichfalls mit einem halbmondförmigen Rande auf, der sich fast bis zur Mitte des äusseren Leistenrings erstreckt und die hintere Wand des Leistencanals, welche lateralwärts von dem Bande von Colles nur von der Fase, transvers. und dem Wandblatt des Peritoneums gebildet wird, in der Höhe des äusseren Leistenrings verstärkt. Der lateralwärts concave Rand dieses Bandes grenzt demnach unmittelbar an die Fase, transvers., welche hinter demselben der Medianlinie zuschreitet. Das P o u p . Band überbrückt in seiner lateralen Hälfte den M. iliopsoas, in seiner medialen Hälfte l ) die Schenkelarterie, Schenkelvene und Lymphgefässe. Die Grenze zwischen beiden Hälften ist an J r o dem Knochen in dem Tuberc. iliopub. gegeben, mit dessen Periost ') Die mediale Hälfte des Poup. Arcus cruralis bezeichnet, während die P o u p . Band verstehen, ein Umstand, nöthigen Klarheit veranlasst, von dem nehmen.

Bandes wird von einigen Autoren als meisten unter diesem Namen das ganze der mich in dem Interesse der hier so Namen Schenkelbogen ganz Umgang zu 41*

Band von Colles -

Die unter dem

^andeftgeiege° nen TheUe TLacuna muscularis undvaseularls.

644

Der Bauch.

das P o u p. Band durch einen schmalen Strang straffen Bindegewebes verbunden ist, welcher, wie das G i m b e r n a t s c h e Band, an dem Knochenpräparate erhalten werden kann (Fig. 121.12). Die Lücke, welche die laterale Hälfte des P o u p . Bandes mit dem Knochen bildet, ist unter dem Namen der Lacuna muscularis, und diejenige, welche die mediale Hälfte mit dem Knochen darstellt, als Lacuna vascularis bekannt. Bevor wir beide Räumlichkeiten näher betrachten, wollen wir die Lage der Gefässe und Nerven unter dem P o u p . Band einer genauen topographischen Bestimmung unterziehen. Man geht dabei am besten von der Arterie aus, Lage der unter Die Art. femoralis (Fig. 121. 14) liegt unter dem P o u p . Band Btm^befind*' & e n a u der Mitte derjenigen geraden Linie, welche von der Spin, liehen Gefisse ant. sup. ilei. zur Symphyse gezogen wird; unmittelbar medial von und Nerven. ¿ e r Arterie u n d m i t derselben in einer Gefässscheide vereinigt liegt die Vena femoral., während die unter dem Poup. Bande in den Bauchraum eintretenden Lymphgefässe mit ihren Drüsen (Fig. 121. 16) neben der Vene der Medianlinie des Körpers noch näher gelagert sind. Der bereits in der Lacuna muscul. zwischen Muse, iliacus int. und Muse, psoas, maj. herabsteigende Nerv, femoral. (Fig. 121. 17) ist, unmittelbar unter dem P o u p . Bande gelegen, kaum 1 cm weit von der Art. crural. lateralwärts entfernt. Verstärkungen Ueber die Lacuna muscul. ist das P o u p . Band straff gespannt, die Lac. muscui. aber noch nicht umgekrämpt, wohl aber dadurch verdickt, dass, soflberbrücken- wohl von oben wie von unten herkommend, starke Fascien mit dempou™rtBan- selben in Verbindung treten oder, besser gesagt, sich an das Band des. anheften. Von oben herab treten zu dem P o u p . Bande der Bauchtheil der Fase, iliaca (Fig. 122. 11), die Fase, transvers. (Fig. 122. 9), und das tiefliegende Blatt der Fase, superfic. abdom. (Fig. 122.4), von unten der schwache Schenkeltheil der Fase, iliaca (Fig. 122. 15) und das hochliegende Blatt der Fase, lata (Fig. 122.16). Die Fase, iliaca besteht aus 2 Abtheilungen, einer stärkeren und ziemlich festen oberen, welche den in dem Bauchraum befindlichen Theil des M. iliopsoas deckt, und einer schwächeren weniger dichten unteren, welche den Theil des M. iliopsoas überzieht, der, unter dem P o u p . Bande hervorgetreten, bereits dem Oberschenkel angehört. Der Vereinigungspunkt beider Abtheilungen der Fase, iliaca ist das Lig. P o u p . , an welchem beide straff angeheftet sind. Von diesem Vereinigungspunkt an dem Poup. Bande geht auch jener bereits erwähnte Streifen von verdichtetem Bindegewebe ab, der das Lig. P o u p . mit dem Periost des Tub. iliopub. verbindet, und der dem-

Die Bauchwand.

Bruchgegend

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nach mehr als Fortsetzung der Fase, iliaca, denn als solche des P o u p . Bandes angesehen werden muss (Fig. 121. 12). Derselbe liegt an dem medialen Rande des M. iliopsoas und verlauft leicht schräg von der lateralen zu der medialen Seite. In U derLacuna vascul. liegt 12 diesem Streifen hart an die Art. femoral. Die gleichfalls von 13 oben kommende Fase, transv. vereinigt sich 5—8 mm oberhalb des 14 P o u p . Bandes mit dem Bauchtheil der Fase, •19 iliaca (Fig. 122) und heftet sich, mit letzte20 rer verwachsen, an das Lig. P o u p . , wo sie in Fig. 122. dem Bereiche der Lacuna muscul. ihr Ende Sagittaler Schnitt durch die Mitte der von dem P o u p a r t schen Bande überbrückten Lacuna muscularis. erreicht, während sie 1 Haut 2 Fascia superficialis abdomini». in jenem der Lacuna 3 Hochliegendes Blatt dieser Fascie. vascul. weiter bis zu 4 Tiefliegendes Blatt dieser Fascie. dem oberen Becken- 5 Lig. P o u p a r t i . 6 M. obllq. abdom. ext. Die 3 Muskeln schräg durchring, d. h. bis zur 7 M. obllq. abdom. int. i schnitten. 8 M. transversua Crista pubis herabsteigt transversalis. unb so das Septum 109 Fascia Peritoneum in Strichlinie. crurale bildet (Fig. 126. 11 Fascia Iliaca oberhalb des P o u p a r t s e h e n Bandes. Iliopsoas oberhalb des P o u p a r t sehen Bandes 15), welches durch die 12 M. schräg durchschnitten. Schenkelgefässe und 13 Darmbein. Caput femoris. gewöhnlich eine in 14 15 Fascia iliaca, den unterhalb des P o u p a r t sehen Bandes demselben gelagerte gelegenen Theil des M. iliopsoas deckend. 16 Fascia lata (oberflächliches Blatt). Lymphdrüse durch- 17 M. sartorius schräg durchschnitten. brochen ist. Von dem 18 M. rectus femoris. tiefliegenden Blatte der 19 M. quadratus femoris. 20 Trochanter minor. Fase, abdom. superfic., welches, von oben kommend, in dem Bereiche der Lacuna muscul. an der Stelle, an der es sich an das Lig. Poup. anheftet, sein

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Anatomische Verbältnlsse ober- u. unterhalb der die Lacuna vascularis überbrückenden HMfte d. POIIp a r t . Bandes. Aeusserer Leistenring,

Der Bauch.

Ende erreicht, war schon oben die Rede. Dieses Fascienblatt, welches durch laxes Bindegewebe von der Aponeurose des M. obl. abd. ext. geschieden ist, biegt sich, nachdem es in dem Herabsteigen in der Höhe des P o u p . Bandes angelangt ist, etwas nach rückwärts, um sich an letzteres anzuheften. Das hochliegende Blatt der Fascia lata nimmt nach der gewöhnlichen Darstellungsweise seinen Ursprung von dem Poup. Bande, wodurch eben die Anheftung desselben an letzterem Bande einen prägnanten Ausdruck findet. Complicirter, aber für den Chirurgen wichtiger sind die anatoO B mischen Verhältnisse des die Lacuna vascularis überbrückenden Theiles des P o u p a r t . Bandes und dessen nächster Umgebung. Wir i T n i i • 1 i werden dieselben zuerst von aussen und dann von innen betrachten. Nach Entfernung der Haut und der Fase, superfic. erscheint oberhalb des medialen, die Lacuna vascul. überbrückenden Theiles des P o u p . Bandes in der Aponeurose des M. obl. abd. ext. eine Oeffnung, aus welcher bei dem Manne der Samenstrang, bei dem Weibe das runde Mutterband tritt. Diese Oeffnung, äusserer Leistenring genannt, zeigt bei verschiedenen Individuen sehr verschiedene Verhältnisse, stellt aber, auf die Grundform zurückgebracht, ein schräg liegendes Dreieck dar, dessen Spitze aufwärts und lateral, und dessen Basis abwärts und medial zu liegen kommt. Die Spitze dieses Dreiecks befindet sich 1,5 cm oberhalb des P o u p . Bandes in einer Linie, welche von der Spina ant. sup. oss. ilei zur Symphyse gezogen wird, und zwar 7 cm von der letzteren entfernt. Die Basis dagegen ist an dem Theile des Knochens gegeben, welcher zwischen Tuberc. und Symphysis ossium pubis liegt. Das Dreieck kommt dadurch zu Stande, dass die schräg medial und abwärts ziehenden Bündel der Aponeurose des M. obl. abd. ext. an der Spitze desselben auseinander weichen und sich theils an dem Tub. pubis, theils an der Symphyse ansetzen. Die ersteren, welche den unteren lateralen Schenkel des Leistenrings darstellen, fliessen an dem Tub. pubis mit dem Poup. Bande zusammen und bilden den am meisten medial gelegenen Theil derjenigen Fasern dieses Bandes, welche sich an dem Tub. pubis inseriren. Die zur Symphyse tretenden Sehnenbündel der Aponeurose des M. obl. abd. ext. werden zu dem oberen medialen Schenkel des äusseren Leistenrings und stehen theils mit dem Periost des oberen Symphysenrandes, theils mit dem Aufhängeband des Penis in Verbindung. Diese rein dreieckige Gestalt des äusseren Leistenrings, welche durch künstliche Präparation an jeder Leiche darstellbar ist, kommt jedoch in Wirklichkeit nur ganz ausnahms-

Die Bauchwand.

Bruchgegend.

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weise vor. In der weitaus grössten Anzahl der Fälle erscheint der äussere Leistenring oval, selbst kreisförmig, indem uicht nur der obere laterale Spitzwinkel, sondern auch die beiden Basalwinkel des schräg liegenden Dreiecks durch hinzutretende Faserbündel abgerundet werden. J e vollständiger diese Abrundung der drei Winkel des hegenden Dreiecks sich gestaltet, um so mehr nähert sich der

Fig. 123. Ansatz der Aponeurose des M. obliquus abdominis externua an der oberen Beckenwand. 1 Symphysis. 5 Ligament P o u p a r t i . 8 Lateraler Schenkel des 4us2 Tuberculum pubicum. 6 Lig. G i m b e r n a t i . seren Leistenrings. 3 Horizontaler Ast des Scham- 7 Medialer Schenkel des äua- 9 Fascia intercolumnaris. belns. seren Leistenrings. 10 Lig. C o l l e s i i . 4 Aponeurose d.M.obliq. e x t 11 Aeusserer Leistenring.

äussere Leistenring der reinen Kreisform, und um so kleiner wird derselbe. Der obere laterale Spitzwinkel des Dreiecks wird dadurch abgerundet, dass auf der äusseren Fläche der Aponeurose des M. obl. abd. ext. von einem Schenkel des Leistenrings zum andern bogenförmig Sehnenfaserbündel verlaufen, welche bei verschiedenen Individuen sehr verschieden stark entwickelt sind und bald mehr, bald weniger tief medial und abwärts herabreichen. J e mehr sie dieses

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Der Bauch.

letztere thun, um so mehr wird der äussere Leistenring von oben her verengert. Diese, den oberen Spitzwinkel abrundenden Fasern werden von den englischen Autoren, weil sie zwischen den beiden Schenkeln oder Columnen des äusseren Leistenrings liegen, als Fascia intercolumnaris beschrieben, während sie bei den Franzosen unter dem Namen der Bogenfasern (Fibres arciformes) bekannt sind. Ueber die Mächtigkeit und den Widerstand dieser Fasern kann man sich schon an dem Lebenden dadurch ein Urtheil bilden, dass man den Zeigefinger von der Haut der Wurzel des Scrotums aus, und zwar diese wie den Finger eines Handschuhs vor sich hertreibend, in den äusseren Leistenring einführt. Die A brundun g der beiden Basalwinkel des schräg liegenden Dreiecks erfolgt dadurch, dass die Ansatzstellen des unteren lateralen Schenkels an dem Tub. pubis, und jene des oberen medialen an der Symphyse sich immer mehr nähern und durch eine nach oben und lateral concave Lamelle verdichteten Bindegewebes verbunden sein können, auf welcher dann statt auf dem Knochen zwischen Tub. pub. und Symphyse der Samenstrang ruht. Hebt man den letzteren auf, so zeigt sich die hintere Wand des Leistencanals, dessen äussere Oeffnung der äussere Leistenring darstellt, abwärts und medial durch das bereits beschriebene Band von Colles verstärkt. Processus faiciWie die anatomischen Verhältnisse oberhalb des P o u p . Bandes, Falcia i«ta. s o s i n d auch diejenigen unterhalb desselben, insoweit sie sich auf die Anheftung des sogenannten hochliegenden Blattes der Fase, lata an den Theil des P o u p . Bandes, welcher die Lacuna vascul. deckt, beziehen, individuell ziemlich verschieden. Gehen wir auch hier von dem Bilde aus, welches man an jeder nicht zu fetten Leiche durch künstliche Präparation darstellen kann. Das hochliegende Blatt der Fase, lata, welches sich in dem ganzen Bereiche der Lacuna muscul. an das Poup. Band anheftet, bleibt auch noch mit der lateralen Hälfte desjenigen Tlieiles des Bandes, welcher die Lacuna vascul. überbrückt, fest verbunden. Beiläufig in der medialen Hälfte des die Lacuna vascul. deckenden Theiles des P o u p . Bandes hört aber das hochliegende Blatt der Fase, lata auf und zieht sich in einem medialwärts concaven Bogen zurück, um weiter unten wieder etwas vorspringend continuirlich in den Theil der Fase, lata überzugehen, welcher, als tiefliegendes Blatt der Fase, lata beschrieben, die M. pectineus und adduetor longus deckt. Es entsteht dadurch in dem hochliegenden Blatt der Fase, lata ein medialwärts concaver Ausschnitt, die Incisura falciformis, gewöhnlich Processus oder Plica falciformis

Der Bauch.

Bruchgegend.

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der Fase, lata genannt, deren oberer an dem P o u p . Bande angehefteter Endpunkt als Cornu superius, und deren unterer, mit dem

Fi«. 124. Processus falciformls mit 1 Aponeurose des M. obllquus extemus. 2 Ligament. P o u p a r t i . 3 Hochliegcndes Blatt der Fascia lata, den Processus falciformls bildend. 4 Unteres Horn des Process, falciformls. 5 Oberes Horn des Process, falciformls.

Fossa oralis. 6 Fossa oralis. 7 Lamina cribrosa n. oben zurückgeschlagen. 8 Ven. femoralis. 9 Ven. saphena magna. 10 Samenstrang.

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roasa oyaiis.

Der Bauch.

tiefen Blatt der Fase, lata in Continuität tretender Endpunkt als Cornu inferius Process. falciform. beschrieben wird. Beide Comua liegen der Medianlinie natürlich etwas näher, als die Mitte der Incisura falciformis. Zu den Schenkelgefässen verhält sich das hochliegende Blatt der Fase, lata in der Art, dass die Art. femoral, in der Regel noch ganz von demselben verdeckt wird, während die hart medial von der Arterie gelegene Ven. femoral, partiell über den Rand der Incis. falcif. vorspringt, wodurch der an der medialen Seite des Oberschenkels extra fasciam verlaufenden Hautvene der Ven. saphena magna Gelegenheit gegeben ist, ohne das hochliegende Blatt der Fase, lata zu durchbrechen, sich mit der Ven. crural. zu vereinigen, was 1 bis 3,5 cm unterhalb des P o u p. Bandes geschieht, Da derjenige Theil der Fase, lata, dessen Rand die Incis. falcif. darstellt, immer etwas straff gespannt erscheint, so tritt an dem medialen Rande der Incisura eine seichte Vertiefung in Sicht, welche ein Theilglied der Fossa ileo-pectinea1) ist, und die wir mit S c a r p a Fossa ovalis nennen wollen. Diese gegen 3 cm lange Grube, welche, medialwärts durch den M. adduet. long, nur schwach begrenzt, sich allmäblig verliert, ist grossentheils ausgefüllt durch laxes, mehr oder weniger mit Fett infiltrirtes Bindegewebe, durch, welches sowohl die Ven. saph. magna, wie zahlreiche Lymphgefässe treten, und das desshalb den Namen der Lamina cribrosa erhalten hat. Medial steht die Lam. cribr. in Verbindung mit der Fase, superfic. des Oberschenkels, lateral dagegen mit der Incis. falcif., und zwar in der Art, dass das fettfreie dichte Bindegewebe des oberflächlichen Blattes der Fase, lata an der Incis. falcif. in das laxe und meist fetthaltige der Lamina cribrosa übergeht. Wie man daher den äusseren Leistenring durch Entfernung oder Erhaltung der unten meist schwachen Fasern der Fascia intercolumnaris weiter oder enger darstellen kann, so gelingt es durch eine ähnliche Präparation, die ich oben als eine künstliche bezeichnet habe, die Grenzen der Incis. falcif. weiter lateralwärts vorzuschieben, wobei dieselbe zugleich, da ihr Gewebe mit der Entfernung von der Lamina cribrosa derber und fester wird, deutlicher hervortritt, als sie nach Ablösung der Haut und der Fase, superfic. erscheint, wo in der That eine scharfe Grenzbestimmung ') Unter Fossa ileo-pectinea oder Trigonum subinguinale versteht man die dreieckige Grube an der vorderen Fläche des Oberschenkels, deren Basis in dem P o u p . Bande, deren laterale Kathete in dem M. iliopsoas und deren mediale Kathete in dem M. pectineus gegeben ist. Die tief liegende Spitte dieser Grube entspricht dem Trochanter minor.

Die Bauchwand.

Bruchgegeád.

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zwischen Incis. falcif. und Lam. cribr. nicht gut möglich ist. Schlägt man die Lam. cribr. nach oben zurück, wo sie durch laxes Bindegewebe auch an das P o u p . Band angeheftet ist, so gelangt man auf denjenigen Theil des tiefen Blattes der Fase, lata, welcher den M. pectineus deckt, und der mit dem Muskel seinen Ursprung von der Crista pubis, beziehungsweise dem verdickten Perioststreifen dieser Crista, dem Lig. pubicum C o o p e r i nimmt. Betrachten wir nun die in der Umgebung der Lacuna vascul. Die Bruchvorhandenen Gebilde von innen, d. h. von der Bauchseite aus. Bei Bauchwand fus Besichtigung der inneren Fläche der vorderen Bauchwand treten untersucht, zunächst drei Peritonealfalten in Sicht, von welchen die mittlere von dem Scheitel der leeren Harnblase zu dem Nabel aufsteigt, die Plica Bauchwond. vesico-umbilicalis media, welche als Unterlage den Urachus hat. Seitlich von der Harnblase treten convergirend nach dem Nabel mit den beiden obliterirten Nabelarterien als Unterlage, die beiden Plicae vesico-umbilicales laterales. Lateral von diesen in einer Entfernung von 1,5 cm sind zwei weitere Falten sichtbar, welchen als Unterlage die Art. epigastrica dient, die Plicae epigastricae. Diese letzteren sind aber bei weitem weniger deutlich ausgesprochen, als die ersteren, und laufen an der Innenseite der Bauchwand mehr in der geraden Linie mit nur geringer medialer Neigung aufwärts, um schon in der Mitte zwischen Nabel und oberem Beckenring zu verschwinden. An den meisten Leichen sind zu beiden Seiten der Plica epigastrica Foveoiae inguinales. 1,5 bis 2 cm über dem Poup. Bande zwei seichte Grübchen von der Grösse eines silbernen Zwanzigpfennigstückes bemerklich, welche stets, wenn die Bauchwand nach oben stärker angezogen wird, gut hervortreten. Dieselben werden als Foveola inguinalis lateralis und medialis unterschieden, und zwar befindet sich die letztere zwischen der Plica epigastrica und der Plica vesico-umbilicalis lateralis. Auch zwischen der Plica vesico-umbil. media und lateral, tritt bei starker Anspannung der vorderen Bauchwand eine Grube in Sicht, welche aber nur in den allerseltensten Fällen der Ausgangspunkt einer Hernie wird, wesshalb dieselbe kein weiteres praktisches Interesse hat. Während das Wandblatt des Peritoneums über die Fov. inguin. med. einfach hinweggeht, sendet dasselbe einen minimalen blinden Fortsatz, gewöhnlich als Peritonealzipf beschrieben, in die Fov. inguin. later. Derselbe ist die letzte Andeutung der Abschnürung der Tunica vaginalis propria testis von dem Peritoneum, welche während eines längeren Abschnitts des fötalen Lebens eine einzige Haut bilden, da das Peritoneum in Folge Absteigens des Hodens in der zweiten Hälfte der fötalen Periode

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innerer Leistenrln8;

'

Der Bauch.

sich in das Scrotum aussackt. Diese Aussackung wird als Processus vaginalis peritonei bezeichnet, Wird das Wandblatt des Peritoneums von beiden Fov. inguinal. und einige Centimeter darüber sorgfältig abpräparirt, so tritt die Fase, transversalis in Sicht, und zugleich bemerkt man, dass in die Fov. inguin. lat. zwei feinere Stränge aus-, oder, wenn man will, eintreten. Der eine dieser Stränge, den wir den Gefässstrang nennen

1 2 3

i 5 6

Flg. 125. Bauchgegend von der Bauchhöhle aus Urachus. Schenkel d. inneren LeiPllca vesicoumbil. rechts, stenringeB. Lig. vesico-umb. lat, links 7 Lateraler horizontaler Flica epigastr. rechts, Art. Schenkel d. inneren Leieplgastr. links. stenringes. Foveola inguin. medial. 8 Gefässstrang. Foveola inguin. lateral. 9 Vas deferens. Medialer aufsteigender 10 Peritoneum, rechts.

gesehen. 11 Fase, träne links. I Harnblase. II Lig. Gimbernati. III Lymphdrüse i n d e m i n n e ren Schenkelring. IV Schenielgefässe. V Muse. Iliopsoas. VI Knochen.

wollen, kommt von oben, während der andere, aus einer dickwandigen Röhre mit engem Lumen bestehend, nichts ist, als der Ausführungsgang des Hodens, das Vas deferens, welches nach abwärts hinter der Blase sich in das kleine Becken einsenkt. Der Gefässstrang besteht aus der Art. und Yen. spermatica interna, sowie dem Plexus

Die Bauchwand.

Bruchgegend.

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spermaticus des sympathischen Nerven. Derselbe trifft auf seinem Wege nach abwärts in der Höhe der Fov. inguinal, lat. mit dem Vas deferens zusammen, um den Samenstrang zu konstituiren, ein Gebilde, welches demnach erst an der Fov. inguin. lat. anfängt, oder, wenn man will, aufhört. Die unter dem Wandblatt des Peritoneums gelegene Fase, transv. trennt sich an der Fov. inguin. lat. in der Art von dem Peritoneum, dass sie die hier zusammentretenden Constituentien des Samenstranges, das Vas deferens und den Gefässstrang einhüllt und als Hülse derselben unter dem freien Rande der hier verwachsenen M. obl. abd. int. und transvers. durch den äusseren Leistenring den Bauchraum verlässt, in das Scrotum herabsteigend, auch den Hoden umgibt und so zur Tunica vaginalis communis funiculi spermatici et testis wird. An der Fase, transv. sehen wir also ein anatomisches Verhältniss, welches an dem Peritoneum nur während einer gewissen Periode des fötalen Lebens besteht, eine dauernde Geltung gewinnen. Der Uebergang der Fase, transv. in die Tunica vaginal, commun. heisst innerer Leistenring, und derselbe fällt topographisch mit den Fov. inguin. lat. zusammen. Dieser Uebergang geschieht an der lateralen Seite einfach und glatt, an der medialen Seite aber springt die Fase, transv. an der Uebergangsstelle unter der Gestalt einer lateralwärts leicht concaven, d. h. einer halbmondförmigen Falte vor, an welcher man ein oberes und unteres Horn unterscheidet, von H e s s e l b a c h als Schenkel des inneren Leistenrings und von H e n l e als Ligamenta inguinal, interna beschrieben. Das obere Horn (innerer Schenkel des inneren Leistenrings, Lig. inguin. int. mediale) ist länger und steigt ziemlich gerade aufwärts, nur leicht der Medianlinie sich zuneigend, während das kürzere untere Horn (äusserer Schenkel des inneren Leistenrings, Lig. inguinal, int. laterale) fast rein lateralwärts verlauft und an jenem Theile der Fase, transv. aufhört, welcher an das P o u p. Band angeheftet ist, wesshalb man das Unterhorn des inneren Leistenrings auch häufig an diesem Bande endigen lässt. Führt man durch den inneren Leistenring einen nicht zu dicken Leistencanai. Finger, so kann man denselben mit leichter Gewalt durch den äusseren Leistenring vorschieben, wo aber der Finger natürlich nicht frei zu Tage tritt, sondern bedeckt erscheint von der Fortsetzung der Fase, transv., d. h. der Tunica vagin. commun. Der Finger befindet sich zwischen den Constituentien des Samenstranges, und durch die angewandte Gewalt wurde das nur sehr laxe Bindegewebe, welches dieselben untereinander vereinigt, theilweise zerrissen. Der

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Der Bauch.

vordringende Finger hat mit anderen Worten jenen Durchgang durch die vordere Bauchwand durchschritten, welcher unter normalen Verhältnissen bei dem Manne durch den Samenstrang, bei der Frau durch das runde Mutterband vollständig ausgefüllt ist. Dieser Durchgang wird gewöhnlich als Canal, und zwar als Leistencanal beschrieben, den wir jetzt einer näheren Betrachtung, und zwar nach seiner Länge, Weite, Richtung und seinen Wandungen unterziehen müssen. Die Länge des Canals ist gegeben in dem Abstand seiner beiden Endpunkte an der inneren und äusseren Bauchwand, d..h. in der Entfernung des inneren von dem äusseren Leistenring. Da wir die Lage des letzteren schon kennen gelernt haben, so wird zunächst nur die topographische Bestimmung des ersteren nöthig sein. Theilt man das P o u p . Band in drei gleiche Theile, so fällt der mediale Rand des inneren Leistenrings in die Grenze des mittleren und medialen Drittheils dieses Bandes. Der untere Rand .des inneren Leistenrings liegt an dieser Stelle, 1,5 cm oberhalb des durch die Haut leicht fühlbaren Poup. Bandes. Die Länge des Leistencanals beträgt bei dem Manne durchschnittlich 3 cm; derselbe wird jedoch um so kürzer, je mehr der äussere Leistenring nach oben und lateral erweitert, d. h. je weniger die Fascia intercolumnaris entwickelt ist und desshalb weniger tief herabgeht. In dem weiblichen Geschlecht ist der Leistencanal immer länger, als in dem männlichen, einmal weil der äussere Leistenring hier immer enger ist, und dann weil der Abstand der Spin. ant. sup. il. von der Symphyse wegen der grösseren räumlichen Ausdehnung des weiblichen Beckens grösser ist, als bei dem Manne. Nicht nur relativ, sondern auch absolut kürzer ist der Leistencanal in den ersten Lebensjahren, und zwar desshalb, weil bei Kindern die schräge Verlaufsrichtung des Canals noch viel weniger ausgesprochen ist. Die Weite des Canals entspricht genau dem Durchmesser des Samenstrangs, welcher denselben ganz ausfüllt, wesshalb in strengem Wortsinn überhaupt von einem Canal eigentlich nicht die Rede sein kann. Bei der Frau ist der Canal wegen des geringen Durchmessers des runden Mutterbandes enger. Da der Samenstrang in dem Canal seinen Durchmesser nicljt ändert, so erscheint derselbe überall gleich weit. Bei einzelnen Individuen erweitert sich der Canal etwas in der Nähe des inneren Leistenrings, und es erscheint dann die Fov. inguinal, lateral, trichterförmig vertieft, ein Verhalten, das ganz entschieden für die Entstehung einer Hernie praedisponirt. • Was die Verlaufsrichtung des Leistencanals betrifft, so ist dieselbe

Die Bauchwand.

Bruchgegend.

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eine entschieden schräge, und zwar schräg in den drei Dimensionen des Raumes, da der innere Leistenring innen oben und lateral, der äussere dagegen aussen unten und medial gelegen ist. Das beste Bild der Wandungen des Leistencanals gibt ein verticaler Schnitt durch die Mitte desselben, also gleich weit entfernt von dem inneren, wie dem äusseren Leistenring. Die vordere Wand erscheint hier vertreten durch die Aponeurose des M. obl. abd. ext., die obère durch den unteren freien Rand der hier vereinigten M. obl. abd. int. und transv., von denen wir ja sahen, dass sie nur mit der lateralen Hälfte des P o u p . Bandes fest verwachsen sind, während sie über dessen mediale Hälfte einfach hinweggleiten; die untere Wand des Leistencanals ist dagegen gegeben in dem nach einwärts rinnenförmig umgekrämpten P o u p . Bande und die hintere durch die Fase, transv. und das die letztere überziehende Peritoneum. Ferner zeigt ein solcher Schnitt, dass der Canal nach unten und hinten vollkommen abgeschlossen ist, -und zwar dadurch, dass der hintere Rand des umgekrämpten Poup. Bandes verwachsen ist mit demjenigen Theile der Fase, transv., welcher die hintere Wand des Leistencanals bildet. Untersucht man dagegen die Wandungen des Leistencanals in der Art, dass man von dem inneren Leistenring aus einen Finger in die von der Fase, transv. sich fortsetzende Hülse des Samenstranges einführt, so zeigt sich, dass die vordere Wand in dem Maasse stärker wird, als man sich von dem äusseren dem inneren Leistenring nähert, was eine nothwendige Folge der schrägen Verlaufsweise des Canals ist. Die vordere Wand des Leistencanals ist in der nächsten Nähe des äusseren Leistenrings nur von der Fase, intercolumn., in der Mitte des Canals von der Aponeurose des M. obl. abd. ext. und nahe dem inneren Leistenring ausser von dieser Aponeurose auch noch von 'dem vereinigten Fleische der M. obl. abd. int. und transv. gebildet (Fig. 126. 9). Ferner zeigt sich bei dieser Untersuchungsmethode, dass Muskelfaserbündel von dem vereinigten M. obl. abd. int. und transv. nach unten abgehen, wo sie sich auf der Tunica vaginal, commun, des Samenstranges und Hodens ausbreiten und den Namen Hebemuskel des Samenstrangs, M. cremaster, führen. Entfernt mân den Samenstrang durch Ziehen nach vorn von der hinteren Wand des Leistencanals, so zeigt sich, dass in der Höhe des äusseren Leistenrings die hintere Wand durch das Band von C o l l e s verstärkt ist. Die Entfernung des Samenstrangs von der Rinne des P o u p . Bandes nimmt in dem Maasse zu, als sich derselbe dem inneren Leistenringe nähert.

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Der Bauch.

Was die Lage der Fov. inguin. med. betrifft, so liegt dieselbe nicht genau an der inneren Bauchwand dem äusseren Leistenring gegenüber, da eine Nadel, welche horizontal durch die Mitte des äusseren Leistenrings eingestossen wird, nicht die Mitte, sondern den medialen Rand der Fov. inguin. med. trifft. Aeusserlich ist die Lage der Fov. inguin. med. dadurch bestimmbar, dass man von dem lateralen Rande des Tub. pub. eine Linie von 2 cm Länge lateralwärts 5 bis 6 mm über das P o u p . Band zieht. 19

Fig. 126. Saglttaler Schnitt durch den Lelstencanal und das Septum crurale In der Nähe des Inneren Leistenrings. 1 Haut. 13 Lig. P o \ i p a r t l , dessen unten nach 2 Unterhautbindegewebe mit dem hochrückwärts umgekrämpter Theil die liegenden Blatt der Fascia superficialis. untere Wand des Leistencanals bildet 3 Aponeurose des M. obllq. abdom. ext. und mit der Fascia transversa zusammen4 U. obllq. abdom. Int. hängt, welche mit dem Wandblatt des 5 M. transversus In der Nfthe des LelstenPeritoneums die hintere Wand des canals mit dem M. obllq. Int. vereinigt. Leistencanals darstellt. 6 Peritoneum in Strichlinie. 14 Oberes Born des hochllegenden Blattes 7 Fascia transversalls. der Fascia lata, welches von dem P o u 8 Obere Wand des Leistencanals, gebildet p a r t ' s e h e n Bande abgeht. von dem freien Band des vereinigten 15 Septum crurale, jener Theil der Fascia Fleisches der M. obllq. int. u. transvera. transversa, welcher die letztere an9 Vordere Wand des Leistencanals, geheftet an das bildet von dem vereinigten Fleische der 16 Lig. pubicum C o o p e r i , das verdickte M obliq. int. und transv. und welter Periost der Crista pubis. abwärts von dem Theile der Aponeurose des M. obllq. ext., der in das P o u 17 Muse, pectlneus, gedeckt von dem tiefen p a r t s c h e Band fibergeht. Blatt der Fascia lata. 10 Tunlca vaginalis commun. funtculi Bper18 Saglttale Schnittfläche des horizontalen mat. et testls. Schambeinastes. 11 Vas deferens. 19 Tiefes Blatt der Fascia abdom. super12 Art. spermat. int. mit den begleitenden ficialis. Venen.

Die Bauchwand.

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Betrachten wir nun die anatomischen Verhältnisse der Lacuna vascul. an der hinteren Fläche der Bauchwand unter dem P o u p . Band, so sehen wir, dass nach Entfernung des Peritoneums die Fase, transv. noch unter das P o u p . Band herabgeht und an dem Beckenringe, d. h. an der Crista pubis zusammenhängt mit der Fase, pelvis. Die Fase, transv. deckt hier zunächst das G i m b o r n . Band und schlägt sich von demselben lateralwärts auf die Vagina vasor. femoral, über. Zwischen dem concaven lateralen Rande des G i m b e r n a t Bandes und der Vag. vas. femoral, zeigt sie aber nahebei constant eine grössere Lücke, welche von einer Lymphdrüse ausgefüllt wird. Diese Lücke, welche in strengem Wortsinn aber keine Apertur darstellt, da sie durch eine Lymphdrüse verstopft ist, nennt man inneren Schenkelring (Fig. 121). Derselbe ist in folgender Weise begrenzt: medial von dem freien concaven Rande des G i m b e r n . Bandes, lateral von der Vag. vas. femoral., oben und vorn von dem P o u p . Bande, unten und hinten von der Crista pubis, d. h. von dem diese Crista deckenden starken Perioststreifen, der auch als Ligam. pubicum. Cooperi beschrieben wird und von dem an der Crista pub. entspringenden M. pectineus, der aber nicht frei zu Tage liegt, sondern von dem tiefen Blatt der Fase, lata überdeckt wird.x) Ist der innere Schenkelring durch eine Lymphdrüse nicht geschlossen, was übrigens nach meinen, gerade in dieser Beziehung sehr zahlreichen Erfahrungen niemals vorkommt, so wird derselbe verlegt und dadurch dem Bauchraum ein Abschluss gegeben durch jenen kleinen Abschnitt der Fase, transv., welcher sich zwischen dem freien concaven Rande des G i m b e r n : Bandes und der Vag. vas. femoral, an der Crista pubis inserirt. Dieser Abschnitt der Fase, transv. wird dann als Septum crurale beschrieben. Der innere Schenkelring bildet den Eingang zu dem ganz kurzen, kaum 1 cm langen Schenkelcanal, dessen laterale Wand von der Vag. vas. femoral., dessen hintere Wand von dem M. pectineus oder richtiger von dem diesen Muskel deckenden tiefen Blatte der Fase, lata, dessen vordere Wand von dem P o u p . Bande und dem an dieses Band sich ansetzenden Oberhorn des Process. falciformis, und dessen mediale kürzeste Wand nur von dem freien lateralen Rande ') Französische Autoren fassen den inneren Schenkelring in einem weiteren Sinne auf, da sie in denselben noch die Schenkelgefässe mit ihrer Scheide verlegen, so dass in diesem Sinne jener Bandstreifen, welcher zwischen P o u p . Band und Tub. ilio-pub. eingefügt ist und der die Lacuna muBcul. von der vascul. scheidet, als laterale Grenze des inneren Schenkelrings betrachtet werden müsste. G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

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Brüche. Hernien

'

Der Bauch.

des G i m b e r n . Bandes gebildet wird. Führt man in den inneren Schenkelring den kleinen Finger ein und treibt die den Schenkelcanal ausfüllende Lymphdrüse vor oder entfernt man die letztere mit dem Messer ganz, so erscheint der Finger an der vorderen Oberschenkelfläche in der Fossa ovalis, und zwar zunächst umrahmt von dem oberen Horn des Proc. falciform. und verdeckt von der Lamina cribrosa, in deren Gewebe auch Lymphdrüsen und Lymphgefässe enthalten sind, welche als Vasa afferentia zu der den Schenkelcanal ausfüllenden Lymphdrüse treten. Da in die Fossa ovalis der Schenkelcanal mündet, so wird diese, oder eigentlich besser nur ihr oberer, von dem Oberhorn des Proc. falcif. umrahmter Theil auch als äusserer Schenkelring bezeichnet. Wie wir daher über dem P o u p . Bande in Folge des Durchtritts des Samenstrangs oder des runden Mutterbandes in der vorderen Bauchwand eine Stelle haben, an welcher der Verschluss der Bauchhöhle weniger solid als anderwärts ist, so haben wir auch unter dem P o u p . Bande in dem Bereiche der Lacuna vascul. eine solche weniger gut schliessende Stelle der vorderen Bauchwand. Dieselbe erstreckt sich von dem freien Rande des festen und daher gut scliliessenden G i m b e r n . Bandes bis zur Lacuna muscularis und wird lateral ausgefüllt von den compressiblen Schenkelgefässen, medial dagegen nur von einer Lymphdrüse. An diesen beiden weniger genau schliessenden Stellen der vorderen Bauchwand oberhalb und unterhalb des P o u p . Bandes kommen in unserer Gegend die so häufigen Hernien oder Brüche vor, welche, je nachdem die Bruchgeschwulst sich ober- oder unterhalb'des P o u p . Bandes befindet, als Leisten- und Schenkelbrüche unterschieden werden. Von dem anatomischen Standpunkte betrachtet, ist die Hernie als das Hervortreten von Baucheingeweiden durch die Bauchwand, ohne dass dabei eine Continuitätstrennung der Haut oder des Peritoneums vorhanden ist, zu definiren. Die Bruchgeschwulst ist von der unverletzten Haut, und der aus der Bauchhöhle ausgetretene Eingeweidetheil von dem vor demselben vorgetriebenen Peritonealabschnitt, dem sogenannten Bruchsack bedeckt. Zwischen Eingeweide und Bruchsack ist, namentlich bei länger bestehenden Hernien eine grössere oder geringere Menge seröser Flüssigkeit angesammelt, das Bruchwasser, oder es kommt auch nicht selten in grösserer oder geringerer Ausdehnung zu Verwachsungen zwischen Bruchsack und Eingeweide, ein Zustand, den man als Hernia adhaerens bezeichnet. Diejenigen Theile der Bauchwand, welche zwischen der äusseren

Die Bauchwand.

Bruchgegend.

659

Haut und dem Peritoneum liegen, werden durch den hervortretenden Eingeweidetheil entweder auseinandergedrängt, oder können, insoweit sie häutig sind, auch mit vorgetrieben werden. Da dieser Theil der Bauchwand, an welchem das Eingeweide beim Hervortreten den grössten Widerstand findet, auch bei weiterem Austritt der engste bleiben wird, so hat man ihn Bruchcanal oder auch Bruchpforte und den darin gelegenen engsten Theil des vorgetretenen Peritonealbeutels Bruchhals genannt. Der Bruchcanal ist auch diejenige Stelle, an welcher das vorgefallene Eingeweide den stärksten Druck erleidet, der, wenn er hochgradiger wird, zur Einklemmung führt, welche die künstliche Erweiterung zur Reduction des Bruches erfordert. 1 ) Die Ursache der Einklemmung ist in der durch den Druck bedingten Entzündung und Schwellung des in dem Bruchcanal befindlichen Eingeweidetheiles gegeben. Von dem anatomischen Standpunkte aus kann die Möglichkeit einer spastischen Einklemmung für den Leistenbruch, dessen Bruchcanal theil weise von muskulösen Gebilden umwandet ist, nicht absolut ausgeschlossen werden. Diejenigen Eingeweide, welche in der weitaus grössten Mehrzahl der Fälle den Inhalt der Bruchsäcke bilden, sind ausser den Bestandtheilen des grossen Netzes Dünndarmschlingen, Theile der Flexura sigmoidea des Dickdarms und nur ausnahmsweise Blinddarm und Wurmfortsatz. Die Ursache der Entstehung von Hernien liegt hauptsächlich in der Neigung des Peritoneums zur Divertikelbildung, welche in der Bruchgegend noch dadurch begünstigt wird, dass hier das subseröse Bindegewebe ziemlich nachgiebig und lax ist. Die Divertikelbildungen werden veranlasst theils durch Druck von innen auf das Peritoneum, bedingt durch die combinirte Wirkung der den Bauchraum verengenden Musculatur, die sogenannte Bauchpresse, wie bei Hartleibigkeit und dem Heben schwerer Lasten, oder durch Zug von aussen an dem Peritoneum. Dieser letztere kommt dadurch zu Stande, dass sich in dem subserö'sen Bindegewebe ein Fettpropf bildet, der sich vergrössernd nach aussen wendet und dort als sogenannter Fettbruch prominirt, das Peritoneum aber nach sich zieht. Damit ist die Bildung eines Bruchsackes eingeleitet, der immer nur allinählig entsteht und zunächst keine Eingeweidetheile enthält. Der Eintritt der letzteren erfolgt meist plötzlich, bedingt durch intensiven *) Die durch exsudative Processe des Peritoneums an dem Bruchhals bedingte Einklemmung uud die damit in Verbindung stehende Frage, ob bei der Herniotomie der Bruchsack zu eröffnen sei, oder nicht, hat wohl ein hohes chirurgisches Interesse, aber keine Beziehung zu der topographischen Anatomie. 42*

660

Leistenbrüche.

Aeusserer

Hemia congenita

Der Baach.

inneren Druck, wie derselbe während des Hebens schwerer Lasten oder während heftigen Drängens bei hartem Stuhlgang vorkommt. Der Bruchsack wird bei seinem Entstehen am weitesten an seiner Communication mit dem Bauchraume sein, später aber ändert er seine Gestalt in der Art, dass sich sein Grund in dem Maasse, als Eingeweide in denselben eintreten, erweitert, während der Eingang enger als der Grund zum Bruchsackhals wird. Die Disposition zu Brüchen ist erhöht bei solchen Personen, welche tiefe Fov. inguinales oder besonders weit« äussere Leistenringe haben, sowie bei jenen, denen die den Schenkelcanal ausfüllende Inguinaldrüse entweder fehlt oder bei denen sie nur sehr geringe Dimensionen hat. Die Leistenbrüche kommen hauptsächlich nur bei Männern vor; bei Frauen sind sie desshalb viel seltener, weil der hier längere Leistencanal und auch der äussere Leistenring enger als bei dem Manne sind. Bei den Leistenbrüchen können die Eingeweide auf zwei Wegen die Bauchhöhle verlassen, entweder durch die Fov. inguin. later. oder medial. Damit ist zugleich der Unterschied zwischen äusserem oder indirectem und innerem oder directem Leistenbruch gegeben. Der äussere Leistenbruch, welcher durch die Fov. inguin. later. austritt, durchsetzt den Leistencanal, der hier mit dem Bruchcanal zusammenfällt, d. h. er tritt durch den inneren Leistenring ein und durch den äusseren aus. Der Bruchsack der Hernia inguin. ext. liegt innerhalb der Tunica vagin. commun. funiculi spermat. et testis, und zwar befinden sich die hier bereits durch Bindegewebe untereinander vereinigten Constituentien des Samenstrangs medial und etwas rückwärts von demselben. Je nachdem der äussere Leistenbruch mehr oder weniger weit nach aussen vorgedrungen ist, nennt man denselben Hernia incipiens, interstitialis, perfecta und scrotalis. Als Hernia incipiens bezeichnet man einen Bruch, der nur in den inneren Leistenring eingetreten ist; als interstitialis einen solchen, welcher in dem Leistencanal sich befindet; als perfecta oder Bubonocele nach dem Austritt aus dem äusseren Leistenring, und als scrotalis den in dem Hodensack oder bei der Frau in den grossen Schamlippen befindlichen Bruch. Die Hernia congenita kann ihrer Natur nach nur ein äusserer Leistenbruch sein. Bekanntlich senkt sich der in der Bauchhöhle entstandene Hode in dem letzten Drittheil der fötalen Periode, geleitet von dem Gubernaculum Hunten, in das Scrotum. Dem Hoden voran geht jener Theil des Peritoneums, der sich später von letzterem als Tunica vagin. propria abschnürt, und der desshalb auch Process.

Die Bauchwand.

Bruchgegend.

661

vagin. peritonei genannt wird. Diese den Leisteneanal durchsetzende Aussackung des Peritoneums bleibt bis zur Vollendung des Descensus testicul. offen und verwächst dann von der Mitte an nach oben und unten, wodurch die Tunica vagin. propr. testis einen vollständigen Abschluss von dem Peritoneum erhält. Als letzte Andeutung dieses Vorgangs persistirt jener Peritonealzipf, der auch bei dem Erwachsenen mehr oder weniger tief in den inneren Leistenring hineinragt. Ist nun der Process. vagin. periton. offen, so kann schon während der fötalen Periode eine Darmschlinge sich in denselben vorlagem, wobei Hode und Bruch von derselben serösen Hülle, dem Process. vagin. periton. umgeben sind. Auch kann diese Bruchform bei offenem Proc. vagin. erst nach der Geburt selbst bei dem Erwachsenen entstehen, in welchem Falle allerdings der Name Hernia congenita nicht mehr ganz passend ist. Häufig findet die Vorlagerung der Darmschlinge erst dann statt, wenn die Verwachsung des Process. vagin. in der Mitte schon begonnen hat, wobei selbstverständlich Hode und Bruch durch den verwachsenen Theil des Process. vagin. von einander geschieden sind. An die Hernia congenita reiht sich jene allerdings sehr seltene, aber anatomisch interessante Bruchform an, die man wohl am besten als permanente interstitielle Hernie bezeichnet. Dieselbe steht gleichfalls mit dem Descensus testicul. in Beziehung, und zwar ist hier der Hode in dem Bauchraum entweder zurückgeblieben, oder derselbe kann, was fast immer der Fall ist, den Leisteneanal wegen der Enge des äusseren Leistenringes nicht verlassen und liegt demnach dicht hinter dem letzteren. Tritt nun hinter dem Hoden in den offenen Leisteneanal eine Darmschlinge, so wird dieselbe in dem Canal durch den einer Pelotte gleich wirkenden Hoden zurückgehalten und kann sich nur dadurch vergrössern, dass sie sich zwischen den Lagen der vorderen Bauchwand Bahn bricht, auch sich hier einklemmen kann, eine Complieation, welche mit Recht als sehr gefährlich betrachtet wird. Was die Hüllen des äusseren Leistenbruches betrifft, so trennen Hüllen des äuswir diejenigen, welche constant vorhanden sind, von jenen, welche sere ° r J^ ten " da sein, aber auch fehlen können. Zu den ersteren gehören ausser dem Bruchsack die Fase, transvers., beziehungsweise die Tunica vagin. communis und die Haut, zu den letzteren der namentlich bei länger bestehenden kleineren Brüchen stärker entwickelte Cremastermuskel, ferner die bisweilen sehr weit herabreichende Fase, intercolumnar. und die Fase, superficial., welche von den drei nicht constanten Hüllen am seltensten fehlt.

Der Bauch.

662-

Der durch die Fov. medial, austretende innere Leistenbruch muss sich seinen Bruchcanal erst bahnen, und zwar ist dieses dadurch möglich, weil in der Höhe der Fov. inguin. medial, der Verschluss des Bauchraumes am wenigsten solid ist. Derselbe ist hier eigentlich nur bewerkstelligt durch das Peritoneum und die Fase, transv., da wegen der bereits weit auseinander getretenen beiden Schenkel des äusseren Leistenringes die Aponeurose des M. obliq. ext. und auch der eigentliche fleischige Verschluss fehlt, indem die vereinigten M. obl. int. und transv. hier nicht mehr mit dem P o u p . Bande verwachsen sind, sondern einfach über dasselbe hinweg nach der Medianlinie zu, ziehen. Wenn auch Fov. inguin. med. und äusserer Leistenring einander, wie wir oben sahen, nicht ganz genau, so liegen sie doch annähernd einander gegenüber, und es wird demnach der Bruchcanal der Hernia inguin. interna gerade verlaufend und beträchtlich kürzer sein, als jener der externa. Trotz dieser anatomischen, der Entstehung eines inneren Leistenbruches günstigeren Verhältnisse ist derselbe doch viel seltener, als der äussere. Der Grund davon liegt darin, dass die meisten äusseren Leistenbrüche in ihren Anfängen schon auf die frühere Jugendperiode zurückgehen und veranlasst sind durch stärkere Einsackung des Peritoneums in den inneren Leistenring, bedingt durch nicht vollständige Verwachsung des Proc. vagin. Tritt dagegen ein Leistenbruch erst in einer späteren Lebensperiode auf, was seltener ist, so ist es in der Regel ein innerer. Für die Differentialdiagnose beider Arten von Leistenbrüchen ist maassgebend einmal die bereits erwähnte Verschiedenheit in der Richtung und der Verlaufsweise des Bruchcanals und dann die Lage des Samenstranges, welche bei dem inneren Leistenbruch nothwendig eine laterale sein muss. Uebrigens ist namentlich bei länger bestehenden Brüchen, wo auch bei der Hernia inguin. ext. der Bruchcanal ein mehr gerader wird, die Entscheidung der Frage, ob man es mit einem inneren oder äusseren Leistenbruch zu thun habe, oft recht schwierig, und es werden hier noch andere als rein anatomische Gründe, namentlich der Umstand, ob der Bruch schneller oder langsamer sich in das Scrotum senkte *) und die Zeit der Entstehung des Bruches, ob in der Jugend oder später, mit zu berücksichtigen sein. Hullen dea y o n den Hüllen des ipneren Leistenbruchs ist ausser dem Bruchlnneren^s n ^ ^ s t c tg ¿j e Hülle der äusseren Haut und der Fase, superficialis vorhanden. Selten fehlt auch die Hülle der Fase, transv., jedoch innerer Leistenbruch

'

l

) Der innere Leistenbruch steigt erfahrungsgemäss viel langsamer in das Scrotum herab, als der äussere.

Die Bauchwand.

Bruchgegend.

663

kommt es vor, dass, wenn in der Fase, transv. in der Höhe der Fov. inguin. med. eine anomale Gefässöffnung sich findet, durch diese der Bruch sich vordrängt. Auch kann die Hernie, statt unter dem vereinigten Fleische der M. obl. int. und transv. vorzutreten, den unteren freien Rand dieser Muskeln vortreiben, was man als fleischige Bruchhülle bezeichnet. Die Aufgabe des Arztes ist es, den in dem Bruch vorliegenden TaxisTheil der Eingeweide in die Bauchhöhle zurückzuschieben, was Taxis genannt wird. Von dem anatomischen Standpunkte ist dabei zu bemerken, dass Erschlaffung der Bauchmuskeln, namentlich des M. obl. ext., den äusseren Leistenring erweitert. Diese Erschlaffung wird aber erzielt durch Flexion und Abduction des Oberschenkels, wesshalb diese Lagerung für die Vornahme der Taxis am günstigsten ist, während umgekehrt nach vollendeter Taxis oder nach der Operation des eingeklemmten Bruchs Streckung und Adduction des Oberschenkels, wobei der äussere Leistenring sich verengert, die entsprechende Lage sein wird. Ist ein Leistenbruch eingeklemmt, so kann die einschnürende Einklemmung Stelle entweder an dem äusseren Leistenring oder in dem Bruch- Brüche™ jcanal sich finden. In dem ersteren Falle wird die Hebung der Einklemmung je nach ihrer besonderen Art einfach durch einen Einschnitt in die Fase, intercolumnaris oder in den oberen medialen Schenkel des äusseren Leistenrings zu erzielen sein. Ist dagegen der Sitz der Einklemmung in dem Bruchcanal, so muss dieser selbst erweitert werden. Für die Bestimmung der Richtung des erweiternden Schnittes ist die Lage der Art. epigastrica maassgebend. Dieselbe steigt zwischen der Fov. inguin. lat. und med. auf- und etwas medialwärts. Daraus ergibt sich, dass, wenn eine genaue Diagnose zwischen äusserem und innerem Leistenbruch möglich ist, die Erweiterung bei dem ersteren nach auf- und etwas lateralwärts, bei dem letzteren dagegen nach auf- und etwas medialwärts auszuführen sein wird. Ist es dagegen unsicher, ob man es mit einem inneren oder äusseren Leistenbruch zu thun hat, so ist die Erweiterung gerade nach oben parallel der Linea alba vorzunehmen. Auch soll man zur Schonung der Arterie den erweiternden Schnitt nur einige Millimeter lang machen und die Erweiterung dann vergrössern entweder durch die Hohlsonde, oder den Finger, auf welchem das geknöpfte Messer in den Bruchcanal eingeführt worden war. Tritt eine Darmschlinge durch den inneren Schenkelring aus, Schenkelbruch, durchsetzt den Schenkelcanal und erscheint in der Fossa ovalis, so

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Der Bauch.

nennt man dieses einen Schenkelbruch. Derselbe ist bei Frauen viel häufiger, als bei Männern, einmal weil bei dem weiblichen Geschlechte der Bauchverschluss oberhalb des Poup. Bandes ein soliderer ist und daher die Eingeweide dem im Innern des Bauchraumes vorhandenen Druck an der am wenigsten gut geschlossenen Stelle des inneren Schenkelrings ausweichen werden, und dann hauptsächlich desshalb, weil der innere Schenkelring und somit auch der Schenkelcanal weiter, d. h. breiter als bei dem Manne ist. Diese grössere Weite hat darin ihren Grund, dass der Abstand von der Spin. ant. sup. bis zur Symphyse bei der Frau ein grösserer, dass das Lig. Gimbern. in der Regel schwächer entwickelt, und dass das Lumen der Schenkelgefässe durchschnittlich ein geringeres ist, als bei dem Manne. Die in dem Schenkelcanal befindliche Lymphdrüse legt sich bei dem Vordrängen des Bruches entweder seitlich an, oder dieselbe wird, was häufiger der Fall ist, mit vorgetrieben und bildet dann mit einen Bestandtheil der Hüllen des Bruches. Eine seltenere Form des Schenkelbruches ist der Trichter- oder Cruralscheidenbruch, wobei der Eingeweidetheil sich in die mediale Wand der Vag. vas. femoral, einschiebt und innerhalb derselben nach aussen tritt, wobei er von dem hochliegenden Blatt der Fase, lata, d. h. von dem Proc. falciform. fast ganz verdeckt ist und in der Regel tiefer bis in die Nähe des Unterhorns des letzteren herabsteigt. Zu den grössten Seltenheiten gehören jene Bruchformen, bei denen der Eingeweidetheil sich in die hintere (Hernia retrovascularis) oder gar in die laterale Wand der Vag. vas. femoral. (Hernia cruralis externa) vorschiebt. Hüiien des Absolut constant sind von den verschiedenen Hüllen des Schenkelschenkeibruchs. Bruchs eigentlich nur der Bruchsack und die äussere Haut. Obgleich es nur sehr selten vorkommen dürfte, dass weitere Bruchhüllen fehlen, so gebietet doch immer die Vorsicht, bei jedem Einschnitt auf die Bruchgeschwulst mit der grössten Behutsamkeit vorzugehen, da immerhin die Möglichkeit vorliegt, dass bei zu tief geführtem Hautschnitt der Bruchsack und selbst Eingeweide verletzt werden können. Eine fast nie fehlende Hülle des Schenkelbruchs ist diejenige, welche von A. C o o p e r als Fascia propria beschrieben wurde. Dieselbe ist nicht als Hervortreibung der Fase, transv., d. h. des Septum crurale, wie vielfach angenommen wird, zu betrachten, sondern besteht aus nichts anderem, als aus dem in Folge des Druckes der austretenden Bruchgeschwulst hautartig verdichteten Bindegewebe. Bei dem Cruralscheidenbruch ist daran auch wesentlich das Bindegewebe der Vag. vas. femoral, betheiligt. Ob das Septum crur. selbst, wie vielfach

Die Bauchwand.

Bruchgegend.

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angenommen wird, eine Bruchhülle bilden könne, ist mir wenigstens zweifelhaft, da ich eine solche Hülle in einer ziemlichen Anzahl von Schenkelbrüchen, welche ich genau anatomisch untersuchen konnte, niemals antraf. Eine derartige Hülle könnte nur in dem Falle vorhanden sein, wenn die Lymphdrüse in dem inneren Schenkelring fehlen, und das Septum crurale von keinem stärkeren Lymphgefäss durchsetzt würde. Eine weitere Hülle des Schenkelbruchs kann die Lamina cribrosa der Fossa ovalis bilden. Die in derselben fast constant vorkommenden Lymphdrüsen dürfen bei der Operation des eingeklemmten Schenkelbruchs nie ausser Acht gelassen werden, da die Möglichkeit vorliegt, dass eine derselben die aus dem Schenkelcanal verdrängte Lymphdrüse sei, welche sich immer in der unmittelbaren Nähe des Bruchsackes befindet. Oefter ist die Lamina cribrosa durch den Schenkelbruch durchbrochen, und zwar namentlich an jener Stelle, durch welche die Ven. saphena magna tritt. Was die für die Taxis günstigste Lage bei dem Schenkelbruch betrifft, so wird sich erhöhte Beckenlage bei leichter Beugung und Einwärtsdrehung des Oberschenkels empfehlen, weil dadurch der Proc. falcif. möglichst erschlafft wird. Die Einklemmung des Schenkelbruchs kann ihren Sitz entweder Einklemmung in der Fossa ovalis oder an dem inneren Schenkelring haben. In ersterem, glücklicherweise viel häufigerem Falle können die einschnürenden Bindegewebszüge der Lam. cribr. angehören, oder die Einklemmung ist, wie in der grossen Mehrzahl der Fälle, durch den Proc. falcif. bedingt. Die Erweiterung der verengernden Stelle ist hier desshalb weniger schwierig, da man das Operationsfeld unmittelbar vor Augen hat. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch immer die laterale Lage der Ven. femoral, und der in dieselbe einmündenden Ven. saph. magna; daher die alte Regel, die Erweiterung niemals direkt lateralwärts vorzunehmen. Findet die Einklemmung an dem inneren Schenkelring statt, so ist die Erweiterung bei der Unmöglichkeit, dem Gang des dilatirenden Instrumentes mit dem Auge zu folgen, viel schwieriger. Unbedingt ausgeschlossen ist die laterale Erweiterung mit Rücksicht auf die Lage der Ven. femoral. Vollkommen gefahrlos ist die Erweiterung nach unten, aber leider nur wenig ergiebig, da nach Durchschneidung des Lig. pub. C o o p e r i das Messer sogleich durch die Crista pubis aufgehalten wird. Die Erweiterung nach oben trifft das Poup. Band und ist wegen des unmittelbar darüber liegenden Samenstranges bei dem Manne sehr, bei der Frau allerdings weniger bedenklich. Es bleibt

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Der Bauch.

demnach nur die Erweiterung in medialer Richtung, d. h. der Einschnitt in das G i m b o r n . Band, wodurch die Spannung des inneren Schenkelrings am ausgiebigsten gehoben wird. Diese Art der Erweiterung, welche der spanische Wundarzt A. Gi m b e r n a t in dem letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts zuerst empfahl und ausführte, ist in der That die einzig richtige und, vorausgesetzt, dass keine

Fig. 127. Schenkelbruch eines männlichen Individuums mit anomalem Ursprung der Art. obtur. (Todtenkranz) bei der Ansicht von innen und oben. 10 Art. obtur., von der Art. 6 Foveola inguinal, lat. l a und b Peritoneum von epig. entsprungen und sich 7 Vas defer., begleitet von dem Bruchsack und dessen um den Bruchsack legend. Art. sperm. Umgebung abpräparirt. 2 Lig. P o u p a r t i . 8 Art. femoral, und davon 11 Bruchsack. 12 Eingang in den Bruchsack 3 Lig. G i m b e r n a t i . med. Ven. femoral. von dem Peritoneum auB. 4 Plica epigastr. 9 Art. epigastr. mit Ven. 5 Foveola inguinal, med. epigastr.

Gefässanomalie vorhanden ist, durchaus gefahrlos. Diese letztere betrifft die Art. obturatoria, welche in einem Drittheil der Fälle nicht ihren normalen Ursprung von der Art. hypogastrica, sondern von der Art. epigastrica kurz nach deren Abgang von der Art. femoral, nimmt. Die von der Art. epigastr. anomal entsprungene Art. obtur. wendet sich medial und abwärts, um zu dem Canalis obturat. zu gelangen. Ist ein Schenkelbruch vorhanden, so kommt die Arterie unter und hinter den Hals des Bruchsacks zu liegen und kann in

Seitliche Bauchwand. Die Fossa iliaca.

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Folge ihres medialen Verlaufes dem freien lateralen Rande des G i m b e r u . Bandes sehr nahe kommen tmd dadurch bei der Erweiterung in medialer Richtung bei dem Einschneiden des Gimbern. Bandes mit eingeschnitten werden. Glücklicher Weise "Wendet sich aber die anomal entsprungene Art. obturat. in der Regel schon unterhalb des Bruchhalses nach unten (Fig. 127. 10) und bleibt dadurch in einer solchen Entfernung von dem lateralen Rande des G i m b e r n . Bandes, dass sie nicht leicht unter das Messer kommen kann. Da man aber keine Sicherheit über den normalen oder abnormen Ursprung der Art. obturat. und über die Verlaufsweise derselben hat, so gebietet die Vorsicht, immer den schlimmsten Fall vorauszusetzen und sich, so gut es geht, dagegen sicherzustellen. Dieses geschieht aber dadurch, dass man das geknöpfte Bruchmesser nie tiefer, als es absolut nöthig ist, einführt und die Trennung des G i m b e r n . Bandes nicht durch einen ziehenden Schnitt, sondern dadurch bewirkt, dass man das Messer mit der Spitze des Zeigefingers gegen das G i m b e r n . Band vorsichtig andrückt.

Seitliehe Bauchwand. Die seitliche Bauchwand gliedert sich naturgemäss in eine obere Abtheilung, die Lendengegend, und in eine untere, die Darmbeingrube, d. Ii. die Fossa iliaca interna. Wir wollen die letztere wegen ihrer unmittelbaren Beziehung zur Bruchgegend zuerst betrachten. Die Fossa iliaca.

Die Grenzen der paarigen Fossae iliacae sind äusserlich nur Allgemeines und oben und lateral durch die immer fühlbare Crista ossi ilium, sowie BegTenzunB' unten und vorn durch die laterale, der Lacunä muscul. angehörige Hälfte des P o u p . Bandes bestimmbar. Dagegen sind die Begrenzungen nach rückwärts und medial, welche in der Synchondrosis sacro-iliaca, sowie die nach abwärts und hinten, welche in der Linea arcuata interna gegeben sind, äusserlich nicht festzusetzen. Da die Fossae iliacae durch die vordere Bauch wand verdeckt sind, so ist die Untersuchung derselben mittels des Tastsinnes nur durch diese letztere möglich und daher besonders bei fetten Personen ziemlich schwierig. Man muss, um dieselbe ausführen zu können, im Liegen bei gegen das Becken gebeugten Oberschenkeln die Weichtheile unmittelbar über dem P o u p . Bande tief mit den Fingern eindrücken. Bei Kindern sind die Foss. iliac. noch weniger entwickelt; während

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schichten.

eritoneum.

Der Bauch.

der Pubertät nehmen sie bei dem männlichen Geschlechte mehr in der verticalen, bei dem weiblichen mehr in der horizontalen Richtung zu. Die knöcherne Grundlage der Foss. iliac. bilden die beiden Darmbeinschaufeln, welche dieselben zugleich von der dem Becken angehörigen Reg. glutaea trennen, Die Schichten, aus welchen sich die Fossa iliaca zusammensetzt, liegen in der Richtung von innen nach aussen in folgender Reihe untereinander: 1. Das Peritoneum. 2. Das subseröse Bindegewebe. 3. Die Fascia iliaca. 4. Eine zweite Schichte formlosen Bindegewebes. 5. Das Fleisch des M. iliopsoas. 6. Der Knochen der Darmbeinschaufel. Das Peritoneum überkleidet mit seinem parietalen Blatt die ganze Foss. il., unterscheidet sich aber von dem die vordere Bauchfläche überziehenden Wandblatt dadurch, dass es in Folge der sehr schlaffen und nachgiebigen Beschaffenheit des subserösen Bindegewebes ziemlich verschiebbar ist. Dadurch, dass das in der rechten Foss. il. liegende Coecum, wenn auch nicht scharf fixirt, so doch gekröslos ist, während die der linken Fossa iliaca angehörige Flexura sigmoidea ein verhältnissmässig langes Gekröse besitzt, wird der Peritonealüberzug beider Foss. il. sich etwas verschieden gestalten. In der rechten Foss il. wird eine Stelle peritonealfrei bleiben, und an derselben wird die Muskelhaut jenes Theiles des Coecums, der in das aufsteigende Colon übergeht, durch die Fortsetzung des subserösen Bindegewebes unmittelbar an der Fase, iliaca angeheftet sein. Die weitmaschige und dadurch nachgiebige Beschaffenheit dieses Bindegewebes wird die Fixation der Coecums beeinträchtigen, und daher wird das letztere mehr oder weniger verschiebbar sein. Dagegen wird in der linken Foss. il. wegen des Vorhandenseins eines Gekröses der Flexura sigmoidea der peritoneale Ueberzug ein vollständiger sein. Das Verhältniss des Coecums zu dem Peritoneum der Foss. il. dextra gewinnt dadurch eine praktische Bedeutung, dass die meistens durch die Ansammlung und den längeren Aufenthalt harter Kothmassen bedingte Entzündung des Coecums, die Typhlitis, sich als Perityphlitis auf das die hintere Coecalwand von der Fase. il. trennende und somit auf das subseröse Bindegewebe fortpflanzen kann. Hat sich in diesem Bindegewebe ein Eiterherd gebildet, so kann derselbe die hintere, durch einen Peritonealüberzug nicht

Seitliche Bauchwand.

Die Fossa iliaca.

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geschützte Wand des Coecums durchbrechen, und der Eiter sich durch den Darm entleeren. Ferner ist noch für den Praktiker wichtig der an dem Eingang in das kleine Becken vorhandene Zusammenhang des die Foss. iL deckenden Peritonealüberzugs mit dem breiten Mutterband, welches lateralwärts mit einem halbmondförmigen Ausschnitt endigt, der als Ligament, infundibulo-pelvicum (Henie) in das Wandblatt des Peritoneums übergeht. Die in Folge von puerperalen Processen entstandene Entzündung in dem beide Lamellen des breiten Mutterbandes vereinigenden Bindegewebe kann sich in Folge dessen continuirlich auf das subseröse Bindegewebe der Foss. iL fortpflanzen. Das in der Foss. iL sehr reichlich vorhandene subseröse Binde- subseröses gewebe zeichnet sich durch seine schlaffe, nachgiebige und blätterige Bindegewebe. Beschaffenheit au^, enthält aber meist gar kein oder doch nur wenig Fett. An dem oberen Beckenring setzt sich dasselbe continuirlich in das subseröse Bindegewebe des Beckens fort und steht dadurch auch in Zusammenhang mit jenem der breiten Mutterbänder. Das weitmaschige, subseröse Bindegewebe hat ein gewisse Neigung zur phlegmonösen Entzündung, welche entweder von dem Coecum bei Typhlitis oder in Folge von puerperalen Processen von dem breiten Mutterbande ausgeht. Der gewöhnliche Ausgang dieser Entzündung ist, wie bei anderen Phlegmonen, der in Eiterung, wobei der Sitz des Eiters zunächst zwischen Peritoneum und Fascia iliaca ist. Welche Wege der Eiter sich weiter bahnt, werden wir erst später nach Betrachtung der tieferen Schichten der Fossa iliaca beurtheilen können. In das subseröse Bindegewebe sind eingelagert: die Vasa iliaca externa, die Vasa spermatica und der Ureter (Fig. 130). Die Art. iL ext., welche, mit Ausnahme minimaler Muskelzweige, Art- und V e n s bis zu dem P o u p . Bande astlos verlauft, liegt an dem medialen des Psoasmuskels und ist äusserlich dadurch in ihrer Lage bestimmbar, dass man eine gerade Linie zieht von dem Nabel nach der Mitte der Entfernung der Spin. ant. sup. bis zur Symphyse. Die Arterie ist mit der gleichnamigen Vene in eine dünne Scheide eingeschlossen, auf der eine Kette kleinerer Lymphdrüsen aufwärts zieht, deren ödenomatöse Schwellung auf die Vene drücken und dadurch Oedem der betreffenden unteren Extremität veranlassen kann. Die Vena iliaca ext. kommt in dem Theilungswinkel der Art. iL commun. in ext. und int. zum Vorschein und liegt zunächst hinter der Arterie, tritt aber in dem Maasse, als die Gefässe sich dem inneren Schenkelring nähern, mehr und mehr an die mediale Seite der Arterie.

lli&cft ext

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Der Bauch.

Behufs Unterbindung der Art. il. ext. hat man früher den Hautschnitt longitudinal, d. h. parallel mit dem Verlauf der Arterie angelegt, während jetzt der transversale Schnitt parallel dem P o u p . Bande bevorzugt wird, da dabei leichter die Verletzung des Peritoneums zu vermeiden ist. Es wird dabei ausser der Aponeurose des M. obl. ext. auch das Fleisch der M. obl. int. und transv. einzuschneiden sein, dann aber wird man mit der grössten Vorsicht, um der Verletzung des Peritoneums auszuweichen, vorzugehen haben. Die laxe Beschaffenheit des subserösen Bindegewebes der Foss. il. erlaubt bis zu dem medialen Rande des M. psoas, dessen Vorsprung entlang des oberen Beckenringes hier den Operateur leitet, und zu der pulsirenden Arterie vorzudringen, ohne das Peritoneum einzuschneiden. Durch einen stumpfen Unterbindungshaken wird schliesslich die Arterie von der Vene getrennt. Mit der Entfernung von dem Poup. Bande wird wegen der grösseren Tiefe der Wunde die Unterbindung der Art. il. immer schwieriger, jedoch ist bei dem Einschnitt in der unmittelbaren Nähe des Poup. Bandes die Lage des Samenstranges zu berücksichtigen. Ureter.

vasa spermatica.

Fascta iiiaca.

Der Ureter geht schräg über die obere Hälfte des M. psoas hinweg und kreuzt bei seinem Uebertritt in das kleine Becken die Vasa iliaca. Diese Kreuzung findet in der Nähe der Theilungsstelle der Art. il. commun. statt, Die Vasa spermatica laufen, Arterie mit der Vene vereint, in ^ ¿ e g p s o a s m u s k e i s v o n d e m inneren Leistenring aufwärts, trennen sich aber an der Grenze des oberen und mittleren Drittheils des Muskels von einander, die Arterie medianwärts der Aorta sich zuwendend, von der sie in der Mitte zwischen dem Abgang der Nierenarterien und der Art. mesent. inf. entspringt, während die Vene mehr gerade aufsteigt und rechts in die Ven. cav. inf., links in die Ven. renal, sinistra mündet. In der oberen Hälfte des Psoasmuskels findet auch die Kreuzung der Vasa spermat. mit dem unter denselben weggehenden Ureter statt, und zwar vollzieht sich dieselbe unter sehr spitzen Winkeln. Die den M. iliopsoas deckende Fase. il. ist nicht überall gleich stark; den Charakter einer eigentlichen fibrösen Membran gewinnt sie erst in dem unteren Drittheil, wozu wesentlich der Eintritt einer Sehne in die Fascie, nämlich jener des kleinen Psoasmuskels, der übrigens nach meiner Erfahrung nur in der dritten Leiche vorkommt, beiträgt. Namentlich jener Theil der Fase, il., welcher die beiden oberen Drittheile des M. psoas überkleidet, ist besonders schwach

Seitliche Bauchwand.

Die Fossa iliaca.

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und hat mehr die Beschaffenheit eines einfachen Perimysiums, als den einer wirklichen Fascie; allein trotzdem wird derselbe nur ganz ausnahmsweise von Eiter durchbrochen. Was die Insertionen der Fase. il. betrifft, so ist sie oben an die innere Lefze der Crista ilei und an dem Lig. ilio-lumbale befestigt, wo sie in Continuität mit der den M. quadrat. lumb. überziehenden Fascie steht. Die weiter hinaufragenden Ursprünge des M. psoas sind nur von dem dünnsten Theile der Fascie überkleidet. Lateralwärts ist die Fascie gleichfalls an dem Lab. int. oss. il. befestigt und steht schon hier in Continuität mit der Fase, transv. Von dem Verhalten der Fase. il. an der unteren Grenze der Foss. il. war schon oben bei der Beschreibung der die Lacun. muscul. überbrückenden lateralen Hälfte des P o u p . Bandes die Rede. Wie wir sahen (Fig. 122), tritt hier die Hauptmasse der Fase. il. in eine äusserst feste Verbindung mit dem P o u p . Bande und dadurch auch mit der Fase, transv., während nur eine schwächere Fortsetzung der Fase. il. unter dem P o u p . Bande das Becken verlässt, um den dem Oberschenkel angehörenden Theil des M. iliopsoas bis zu dessen Ansatz an dem Trochanter minor zu überkleiden. Medial und abwärts erstreckt sich die Fase. il. bis an den oberen Rand des kleinen Beckens, wo dieselbe mit dem Periost verschmilzt, aber durch dasselbe auch in Continuität tritt mit der Fase, pelvis. Besonders stark entwickelt ist jener Theil der Fascie, welcher in der Nähe des P o u p . Bandes die mediale Fläche des M. psoas deckt. Dieser Theil befestigt sich unter dem P o u p . Bande an das Tub. ilio-pub. und stellt somit jenes fibröse Septum dar, welches die Lacuna muscularis von der Lac. vascularis scheidet (Fig. 121). Unter der Fase. il. findet sich eine schwache Lage lockeren und Das unter der bei fetten Personen leicht fetthaltigen Bindegewebes, in welchem so- ^Xiiche^Bindewohl Gefässe wie Nerven verlaufen. Die Arterien, von Venen begewebe. gleitet, sind die Art. circumfiexa ilei, welche von der Art. il. ext. während ihres Durchgangs durch die Lac. vascul. entspringt und, lateralwärts entlang des P o u p . Bandes und demselben hart anliegend, zur Spin. ant. sup. verlauft, um mit jenem Aste der Art. ilio-lumbal. zu anastomosiren, welcher sich längs der inneren Lefze des Darmbeinkamms gleichfalls zur Spin. ant. sup. hinzieht. Die Anastomose dieser beiden Arterien hat neben der Anastomose der Art. obturator. mit der Art. epigastr. durch den Ramus anastomatico - pubicus und mit der Art. circumfiexa medial, der Art. femoralis den Hauptantheil an der Unterhaltung des collateralen Kreislaufs nach Unterbindung der Art. il. ext. Die beiden Nerven sind der Nerv, genito - cruralis,

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Der Bauch.

welcher, nachdem er den M. psoas an der Grenze des oberen und mittleren Drittheils durchbrochen, auf demselben nach dem P o u p . Bande herabsteigt, und der Nerv, cutaneus femoris lateralis, der an dem lateralen Rande des Psoasmuskels sichtbar wird, um, den M. iliacus int. kreuzend, sich der Spin. ant. sup. zuzuwenden, unter welcher er die Foss. iL verlässt. Muse, iiiopsoas. Der die Foss. iL ausfüllende M. iliopsoas setzt sich aus zwei Köpfen zusammen: aus dem medialen längeren Psoaskopfe und aus dem lateralen kürzeren, aber breiteren, „M. iliacus internus" genannten Kopfe. Der erstere entspringt von den Körpern des letzten Brust- und der Lendenwirbel, sowie von den Querfortsätzen dieser Wirbel, verdeckt den Plexus lumbalis und die Abgangsstellen der Lendennerven; der letztere bezieht seine Ursprungsbündel von der inneren Darmbeinfläche und der inneren Lefze des Darmbeinkamms, von dem Lig. ilio-lumb. an bis zu der Spin. ant. sup. In der Furche zwischen beiden Köpfen steigt der stärkste Ast des Lendengeflechtes, der N. femoralis herab, welcher demnach unter dem P o u p . Bande in der Lacuna muscul. seine Lagerungsstätte finden muss. Der Psoasmuskel hat an sich keine grössere Neigung zur Entzündung, als andere Muskeln. Die in diesem Muskel öfter auftretende, als Psoitis bekannte Erkrankung, welche in der Regel in Eiterung übergeht, und die sich dadurch kennzeichnet, dass der Oberschenkel gebeugt, leicht abducirt und etwas nach aussen gerollt ist, eine Lagerung, deren Aenderung heftige Schmerzen verursacht, geht vielmehr von Entzündungs- und Eiterungsvorgängen in dem unteren Theile der Brust- und der Lendenwirbelsäule aus. Die in der Foss. iL vorkommenden Eiterherde können daher einen zweifachen Sitz haben, einmal in dem subserösen Bindegewebe zwischen Peritoneum und Fase. iL als Folge einer phlegmonösen Entzündung, und dann unter der Fase. iL als sogenannte Congestivabscesse in Folge von Eiterungsprocessen an der Wirbelsäule, an denen sich auch der M. psoas betheiligen kann. Auf die Senkungsverhältnisse und den Gang beider Eiteransammlungen verschiedenen Ursprungs und verschiedener Lage übt die Fase. iL einen sehr bemerkenswerthen Einfluss, wenn sie auch für dieselben keine absolute Scheidewand bildet. Ist ein Eiterherd hervorgegangen aus phlegmonöser Entzündung des subserösen Bindegewebes der Foss. iL, so wird derselbe sich bis zu dem die Lacuna muscul. überbrückenden Theile des P o u p . Bandes senken, das Peritoneum von der Fase. iL ablösen, aber bei der innigen Verbindung von Fase, il., über welcher der Eiter sich befindet, mit dem

Seitliche Bauchwand.

Lendengegend.

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P o u p. Bande von letzteren aufgehalten werden und eine fluctuirende Geschwulst oberhalb des P o u p . Bandes bilden. Dieses ist wenigstens der häufigere Fall, seltener senkt sich der Eiter in das kleine Becken oder folgt noch seltener der Vag. vasor. femoral., um unter dem P o u p . Bande durch die Lacuna vascul. auszutreten. Befindet sich der Eiter dagegen unter der Fase, il., so durchbricht derselbe nur ausnahmsweise diese Fascie, gelangt vielmehr in der Lacuna muscul. unter das P o u p . Band, um einen Abscess in der Höhe des Trochanter minor zu bilden. Die in der Darmbeinschaufel gegebene knöcherne Unterlage der Knöcherne Foss. il. ist in der Mitte häufig so dünn, dass sie durchscheinend Unterlage der .

wird, an den Rändern dagegen, namentlich an dem Darmbeinkamm, verdickt sie sich beträchtlich. • Dieser letztere Theil des Knochens ist auch derjenige, welcher am längsten knorpelig bleibt, und die vollständige Verknöcherung desselben erfolgt in der Regel erst nach dem 16. Lebensjahre.

Fossa iliaca.

Lendengegend. Die Lendengegend wird oben durch die letzte Rippe und unten Grenzen, durch die hintere Hälfte des Darmbeinkamms begrenzt Als vordere laterale Begrenzung der Gegend wird eine Linie angenommen, welche von der durch die Haut fühlbaren Spitze der letzten Rippe nach der Mitte des Darmbeinkamms gezogen wird. Die hintere mediale Begrenzung der Gegend ist an den Spitzen der Qüerfortsätze der Lendenwirbel gegeben, welche aber, von dem lateralen Rande des M. opistotheuar überragt, nicht gefühlt werden können. Desshalb wird die mediale Grenze der Lendengegend noch in den Wulst des M. opistothenar fallen, und zwar gehören die beiden medialen Dritttlieile dieses Wulstes der hinteren Bauchwand, das laterale dagegen der Lendengegend an. Von oben nach unten erscheint die Lendengegend concav, Aeussere confl^iratIonwährend sie von der medialen nach der lateralen Seite gewölbt ist. Die Concavität von oben nach unten ist in dem weiblichen Geschlechte in der Regel stärker ausgesprochen, als in dem männlichen, besonders auffallend ist sie in den späteren Perioden der Schwangerschaft als Folge der Veränderung der Lage des Schwerpunktes des Körpers. Auch unter pathologischen Verhältnissen vergrössert sich diese Concavität, so namentlich bei Coxalgie, und zwar gehört diese Vergrösserung zu den werthvolleren Zeichen des Anfangsstadiums dieser Erkrankung. Die Coxalgie ist nämlich von einer Beugung des Oberschenkels gegen Q e r l a c h , Anatomie des Menschen.

43

674

Der Bauch.

das Becken begleitet, und instinctiv suchen die Kranken, diese Beugung durch eine Biegung der Lendenwirbel gegen das Becken auszugleichen, wodurch natürlich eine grössere Vertiefung der Lendengegend hervorgerufen wird. Bei der seitlichen Verkrümmung des Brusttheils der Wirbelsäule erscheint die Lendengegend gleichfalls, aber nur monolateral stärker vertieft, weil die Skoliose des Brusttheils in der Regel verbunden ist mit einer Verkrümmung des Lendentheils der Wirbelsäule nach der entgegengesetzten Seite. Die der Dorsalskoliose entsprechende Seite der Lendengegend erscheint dann vertiefter, die entgegengesetzte dagegen gewölbter als unter normalen Verhältnissen, schichten. In der Lendengegend liegen die Theile in folgenden Schichten über einander: 1. Die Haut, 2. das Unterhautbindegewebe, 3. das hochliegende Blatt der Fase, lumbo-dorsalis, mit welchem in Verbindung treten die Aponeurosen der M. latissim. dorsi, serrat. post. infer. und glutaeus magnus, 4. der die Querfortsätze der Lendenwirbel überragende laterale Rand des M. opistothenar, 5. die Spitze der Querfortsätze der Lendenwirbel und das von denselben abgehende tiefe Blatt der Fase, lumbo-dors., 6. der M. quadratus lumborum und weiter unten das Lig. iliolumbale, 7. die Fascie, welche die vordere Fläche des M. quadrat. lumb. deckt, 8. die davor gelegenen Eingeweide, die Nieren eingeschlossen in ihre Capsula adiposa und das Colon. Fascia lumboBevor wir diese Schichten im Einzelnen betrachten, ist es des dorsaüs. besseren Verständnisses wegen nöthig, die Fase, lumbo-dors., welche theils der Lendengegend, theils der hinteren Bauchwand angehört, näher kennen zu lernen. Das beste Bild dieser Fascie gibt ein Querschnitt des Rumpfes in der Höhe des zweiten oder dritten Lendenwirbels. Die Fase, lumbo-dors. besteht aus drei Blättern, welche sämmtlich ihren medialen Ausgangspunkt an gewissen Stellen der Lendenwirbel haben und hier durch eingeschobene Muskellagen von einander getrennt sind, während sie lateralwärts sich einander nähern und mit der Ursprungsaponeurose des M. transv. abdominis zusammenfassen. Hinter der Fascie liegt das Unterhautbindegewebe und die Haut, vor der Fascie finden sich Baucheingeweide, während das hintere der beiden von der Fascie gebildeten Fächer von dem Lenden-

Seitliche Bauchwand. Lendengegend.

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theil des M. opistotbenar, das vordere von dem M. quadrat. lumb. eingenommen wird. Das hintere Blatt ist in der systematischen Anatomie als hochliegendes, das mittlere als tiefliegendes Blatt der Fase, lumbo-dors. bekannt, während das vordere Blatt, welches zugleich das dünnste ist, bisher weniger beachtet wurde, obgleich dasselbe

Fig. 128. Horizontaler Durchschnitt des Humpfes in der Höhe des zweiten Lendenwirbels. 1 2 3 4 5

Zweiter Lendenwirbel Wirbelcanal. Querfortsatz. M. latissimus dorsi. Ursprungsaponeurose des M. latiss. dorsi. Hochliegendes Blatt der Fascia lumbo-dorsalis.

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M. opistothenar. M. obliquus externus. M. transversus. M quadratus lumborum. M. psoas Tiefes Blatt der Fasoia lumbo-dorsalis.

12 Vorderes Blatt der Fascia lumbo-dorsalis. 13 Fettkapsel der Niere. 14 Niere. 15 Aorta abdominalis. 16 Ven. cava inferior, 17 Grenzstrang des Nerv, sympathicus.

die fibröse Scheidewand zwischen dem M. quadrat. lumb. und den vor demselben gelegenen Baucheingeweiden bildet. Wir werden bezüglich des hinteren und mittleren Blattes der älteren Nomenclatur folgen, während wir das die vordere Fläche des M. quadrat. lumb. deckende Blatt als vorderes Blatt der Fase, lumbo-dors. bezeichnen werden. 43*

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Der Bauch.

Das hochliegende Blatt der Fase, lumbo-dors. ist identisch mit der Ursprungssehne des M. latiss. dorsi, beginnt desshalb an der Spitze der Dornfortsätze der Wirbel und an den Lig. interspinalia, erstreckt sich übrigens sowohl nach auf- wie nach abwärts weit über die Lendengegend hinaus. An dem lateralen Rande des M. opistothenar, also durchschnittlich in einer Entfernung von 9 cm von der hinteren Medianlinie fliesst dieses Blatt zusammen mit dem tiefen Blatte der Fase, lumbo-dors., welches, allein auf den Lendentheil der Wirbelsäule beschränkt, von den drei Blättern dieser Fascie weitaus das stärkste ist. Dieses Blatt nimmt seinen Ursprung von den peripheren Enden der Querfortsätze der Lendenwirbel und erstreckt sich nach oben bis zu der letzten Rippe (Lig. lumbo-costale von H e n l e ) , während es unten mit dem hinteren Theile des Darmbeinkamms in Verbindung steht. Mit den Querfortsätzen der Lendenwirbel und den zwischen denselben vorhandenen Lig. intertransversaria bildet das tiefe Blatt der Fase, lumbo-dors. das starke Septum, welches den M. opistothenar von dem M. quadrat. lumb. trennt. Das vordere Blatt der Fase, lumbo-dors. nimmt seinen Ursprung unter dem Psoasmuskel von jenem Seitentheil der Lendenwirbelkörper, welcher unmittelbar vor dem Abgang der Querfortsätze liegt. Dieses Blatt, das dünnste von den dreien, welche die Fase, lumbo-dors. constituiren, überzieht die vordere Fläche des M. quadrat. lumb. und verschmilzt an dem lateralen Rande dieses Muskels mit dem hier bereits vereinigten und die hintere Fläche des M. quadrat. lumb. deckenden hoch liegenden und tief liegenden Blatte der Fase, lumbo-dors. Das aus dem Zusammentreten der drei Blätter dieser Fascie hervorgegangene starke, fibrös-häutige Gebilde ist nun nichts anderes als die Ursprungsaponeurose des M. transv. abd. Die Breite dieser Ursprungsaponeurose, oder die Entfernung des Fleisches des M. quadrat. lumb. bis zu jenem des M. transv., welche oben von dieser Ursprungsaponeurose ausgefüllt wird, beträgt gegen 3 cm. Vor der Ursprungsaponeurose befindet sich der Bauchraum und hinter derselben das Fleisch der M. obliq. abd. intern, und extern. Die Fase, transv., welche die innere Fläche des M. transv. deckt, geht an der Fleischgrenze des Muskels in die Ursprungsaponeurose über. Das Verhältniss der Fase, lumbo-dors. zu der Ursprungsaponeurose des M. transv. abd. kann man auch so auffassen, dass man, von letzterer ausgehend, dieselbe zunächst an dem Rande des M. quadrat. lumb. sich in ein vorderes und hinteres Blatt spalten lässt, welches letztere dann seinerseits an dem Rande des M. opistothenar in ein tiefes und hochliegendes Blatt zerfällt. Der

Seitliche Bauchwand.

Lendengegend.

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anatomisch wichtigste Punkt bleibt jedoch immer der, dass schliesslich sämmtliche drei Blätter an verschiedenen Punkten der Lendenwirbel selbst ihr Ende erreichen. Kehren wir nun zur Betrachtung der Schichten der Lenden- Haut, gegend zurück, so gehört die Haut zu den dicksten Theilen der allgemeinen Decke, und zwar ist diese Stärke der Haut nicht in einer Verdickung der Epidermis, sondern in der sehr starken Cutis begründet. Dabei ist die Haut wenig verschiebbar und zeigt einen geringeren Grad von Sensibilität, als an der vorderen Bauchwand. Das Unterhautbindegewebe ist ziemlich dicht und bei den meisten unterhautPersonen nicht sehr fettreich; namentlich ist die tiefere Lage frei bmdeg6webe ' von Fett und steht unten in Continuität mit der dünnen bindegewebigen Hülle, welche den M. glutaeus magnus deckt. Das hochliegende Blatt der Fase, lumbo-dors., welches übrigens Hochliegendes nur zum kleineren Theile der Lendengegend angehört, bildet auf jeder Seite ein Dreieck (Fig. 129. 3), dessen in der Medianlinie gelegene Basis sich von dem Dornfortsatz des 8. Brustwirbels bis zu dem des 3. Kreuzbeinwirbels erstreckt, während die obere längere und die untere kürzere Kathete in der Höhe des Dornfortsatzes des 4. Lendenwirbels, 12 cm von demselben entfernt, unter einem stumpfen Winkel zusammenstossen. Die Dreiecke beider Seiten stellen eine Raute dar, die durch eine durch den Dornfortsatz des 4. Lendenwirbels gelegte horizontale Linie in ein oberes grösseres und unteres kleineres Dreieck zerlegt wird. Das hochliegende Blatt der Fase, lumbo-dors. ist zugleich die M. latissimus Ursprungsaponeurose des M. latiss. dorsi (Fig. 129. 4) und des unter gonum P e t l u dem letzteren gelegenen M. serrat. post. inf. Der Lendengegend gehören nur die unteren Fleischbündel des M. latiss. dorsi an, welche durch Vermittlung der Fase, lumbo-dors. von dem hintersten Theile des Darmbeinkammes entspringen. Diese auf- und lateralwärts ansteigenden Fascikel decken die von den unteren Rippen kommenden Ursprünge des M. latiss. dorsi, sowie die von den gleichen Rippen kommenden untersten und hintersten Ursprünge des M. obl. abd. ext. Die Bündel dieses letzteren Muskels laufen von oben und medial schräg nach abwärts und lateral, um sich an der äusseren Lefze des Darmbeinkammes anzusetzen. Das Verhältniss dieser hintersten Bündel des M. obl. abd. ext. zu jenen des M. latiss. dorsi ist nicht ganz constant. Entweder deckt der laterale Rand des M. latiss. dorsi den hinteren des M. obl. abd. ext., oder, was viel häufiger ist, zwischen beiden Muskeln bleibt eine nach oben spitz zulaufende Lücke, die,

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M. opistothenar.

Tiefes Blatt der Fascia lumbodoreaiis.

Der Bauch.

nach unten breiter werdend, an dem Darmbeinkamm ihr Ende erreicht. Diese Lücke wird in der topographischen Anatomie als Trigonum P e t i t i bezeichnet (Fig. 129. 5) und die Kenntniss desselben hat desshalb einen gewissen praktischen Werth, weil in allerdings nur sehr seltenen Fällen durch diese schwächer verschlossene Stelle des Bauchraums Hernien hervortreten können, welche den Namen »Lendenhernien« führen. Die Spitze des Trig. P e t i t i fällt in der Regel in die Höhe des Dornfortsatzes des 3. Lendenwirbels und steht von demselben gegen 12 cm ab. Die Basis desselben ist an der Crista des Hüftbeins gegeben, "während die laterale Kathete des Dreiecks von dem hinteren Rande des M. obl. abd. ext., die mediale von dem lateralen Rande des M. latiss. dorsi gebildet wird. Der Grund des Trig. P e t i t i ist in dem hier recht dünnen Fleische des M. obl. abd. int. repräsentirt, welches an dieser Stelle allein mit der äusseren Haut in direkte Berührung kommt. In der Höhe dieses Dreiecks besteht demnach die Bauchwand nur aus der Haut, der dünnen Fleischlage des M. obl. abd. int. und aus der Ursprungsaponeurose des M. transv. abdom. Dadurch ist die Möglichkeit einer Hernia lumbalis, die auch als costo-iliaca, oder supra-iliaca bezeichnet wird, gegeben. In der Literatur existirt nur ein Fall der Einklemmung einer solchen Hernie, welcher eine schwangere Frau betrifft, bei der nach glücklich vollzogener Operation die Geburt einen normalen Verlauf hatte. Unter dem hochliegenden Blatte der Fase, lumbo-dors. befindet sich unmittelbar das Fleisch des M. opistothenar (Fig. 129. 7), der in seinem Lendentheil noch nicht, wie an dem Rücken, in zwei Muskeln zerfallen ist. Der M. opistothenar bildet die Unterlage des bekannten, zu beiden Seiten der Dornfortsätze gelegenen Wulstes, dessen lateraler Rand in die Lendengegend fällt und der, durch die Haut leicht fühlbar, einen wichtigen Orientirungspunkt für alle operativen Eingriffe bildet, welche in der Lendengegend vorgenommen werden. An diesem lateralen Rande treten, wie wir sahen, das hoch- und tiefliegende Blatt der Fase, lumbo-dors. zusammen, und an der äusseren Fläche der beiden vereinigten Blätter inseriren sich noch einzelne der hintersten Fascikel des M. obl. abd. int., welche die letzte Rippe nicht erreichen. Das tiefe Blatt der Fase, lumbo-dors. bildet mit den Muscul. und .

.

Ligament, intertransvers. das ungemein starke Septum zwischen dem M. opistothenar und dem M. quadrat. lumb. (Fig. 128. 11). Congestionsabscesse als Folge von Wirbelcaries überschreiten dieses Septum nicht.

Seitliche Bauchwand.

Lendengegend.

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Die vor dem Septum gelegenen Eiterherde drängen sich nach der Bauchhöhle und die hinter demselben nach der Haut des Rückens vor. Der M. quadrat. lumb. (Fig. 128. 9 und Fig. 129. 8) kommt oben M. quadratus von der letzten Rippe, medial von den Querfortsätzen der Lenden- Iumborum wirbel, um sich an dem Darmbeinkamm und auch an dem Lig. ilio-lumb. anzusetzen. Topographisch ist bei diesem Muskel besonders hervorzuheben,, dass sein lateraler freier Rand einen exquisit schrägen Verlauf hat, und zwar tin der Art, dass er oben an der letzten Rippe der Medianlinie bedeutend näher gerückt ist, als unten an dem Darmbeinkamm. Untersucht man den M. quadrat. von hinten, so findet man nach Entfernung des tiefen Blattes der Fase, lumbo-dors. die obere Hälfte desselben ganz von dem M. opistothenar bedeckt. In der Mitte des Raumes zwischen der letzten Rippe und dem Darmbeinkamm tritt der laterale Rand des M. quadrat. lumb. unter dem M. opistothenar hervor, und zwar um so stärker, je mehr sich der Muskel seinem Ansatz an dem Darmbeinkamm nähert. Die dünne, den M. quadrat. lumb. deckende häutige Bindegewebe- vorderes Blatt d Fmcm läge, welche wir bereits als vorderes Blatt der Fase, lumbo-dors. kennen ,lumbo-dorsalis. f ° gelernt haben, ist am stärksten an dem oberen Ursprung des Muskels, wo sie einen nach unten concaven Sehnenbogen darstellt, von welchem nach oben der laterale Zwerchfellschenkel abgeht. Unmittelbar unter diesem vorderen Blatt, und an dasselbe angeheftet, verlaufen die drei die Lendengegend in lateraler Richtung durchziehenden Nerven, der letzte Intercostalnerv und die von dem ersten Lendennerven abgehenden N. ilio-hypogastr. und ilio-inguinal. Die nächste Lage der Lendengegend bilden die bereits in der BauchBauchhöhle gelegenen Eingeweide, oben die Nieren, unten das auf- eingeweideoder absteigende Colon. Wir wollen hier nur die Nierenlage berücksichtigen, da die Nephrotomie allein von der Lendengegend ausgemacht werden kann, und werden auf das Colon erst später nach der Betrachtung des Peritoneums zurückkommen. Nur die untere Hälfte der Niere gehört der Lendengegend an, Lage der Nieren, während die obere noch in den Bereich der Reg. hypochondr. fällt, welche sich ja, wie wir früher sahen, bis zur hinteren Medianlinie erstreckt. Die Nieren Hegen neben der Wirbelsäule, und zwar erstrecken sie sich von der Mitte des 11. Brustwirbels bis zu dem Intervertebralknorpel zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbel, wobei immer die linke Niere etwa 1 cm höher steht, als die rechte. Die Nieren überragen demnach den 12. Brustwirbel, und ihr oberer Pol befindet "sich topographisch noch in dem Gebiete des Brustfellsackes,

Der Bauch.

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so dass eine hinten durch den letzten Intercostalraum gesetzte Wunde den Recessus phrenico-costalis des Pleuraraumes, und, weiter durch die Pars muscul. des Zwerchfells dringend, die Nierenspitze betheiligen kann. Die Nieren sind nicht rein frontal, sondern schräg zu der Medianebene gestellt, so dass die Fortsetzungen der beiden 2

1

Fig. 129. Unterer Theil des Rückens, rechts oberflächliche, links tiefe Lage. 1 Dornfortsätze. 2 M. cucullaris. 3 Hochliegendes Blatt der Fase, lumbo-dorsal. 4 M. latisa. dorsi. 5 Trigonum P e t i t i .

6 7 8 9 10 11

M. obl. abd. ext. M. opistothenar. M. quadrat. lumb. Niere. Colon ascendens. Letzte Rippe.

12 Capsula adiposa ren. 13 Aponeurose deB M transv., zurückgeschlagen. 14 M. obl. int., durchschnitten und etwas zurückgeschlagen.

durch den Sin. renal, gelegten, die grösste Breite der Nieren bezeichnenden horizontalen Achsenlinien sich vor der Mitte des ersten Lendenwirbelkörpers unter einem Winkel von 70 bis 80° schneiden würden (Fig. 128). Beide Nieren convergiren mit ihren oberen Polen, so dass die unteren Pole, welche durchschnittlich 13 cm von einander

Seitliche Bauchwand.

Lendengegend.

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abstehen, um ein Drittheil weiter als die oberen Pole von einander entfernt sind. Die hintere Fläche der oberen Nierenhälfte ruht auf der Pars lumbal, des Zwerchfells, die der unteren auf dem M. quadrat. lumb., von welchem aber der untere Pol frei bleibt. Die Thatsache, dass der untere Pol der Niere nicht mehr gedeckt ist von dem M. quadrat. lumb., welche für die Aufsuchung der Niere in der Lendengegend von hoher topographischer Bedeutung ist, hat einen doppelten Grund, einmal in der schon berührten Divergenz der unteren Nierenpole, und dann in dem Umstände, dass der laterale freie Rand des M. quadrat. lumb. eine schräge Richtung von oben nach abwärts und lateral einnimmt. In Folge davon bildet die untere Hälfte des lateralen Randes des M. quadrat. lumb. mit dem lateralen Rande des M. opistothenar einen stumpfen Winkel, welcher neben dem lateralen Theil des unteren Randes der letzten Rippe, von welchem der M. quadrat. lumb. nicht mehr entspringt, mit den wichtigsten Orientirungspunkt für die Auffindung der Niere bildet (Fig. 129). Der mediale Rand des unteren Nierenendes fällt nämlich in den erwähnten stumpfen Winkel, und dasselbe hat hier nur die Capsula adiposa hinter sich, welche nach dem Einschnitt in die Aponeurose des M. transv. abd. sogleich zu Tage tritt. Unterhalb des unteren Nierenpols findet sich, und zwar gleichfalls in fetthaltiges Bindegewebe eingehüllt, die hintere Wand des Colons. Die beiden Lendennerven der N. ilio -hypogastr. und ilio-inguinal, gehen hinter der Capsula adiposa schräg von oben und medial nach abwärts und lateral über das untere Drittheil der Niere weg. Dieselben sind bei der Nierenexstirpation wo möglich zu schonen. Das Lageverhältniss dieser Nerven zu den Nieren erklärt auch die häufig im Gefolge von mit Vergrösserungszunahme einhergehenden Nierendegenerationen neuralgischen Erscheinungen, welche in der Bauchwand eintreten und sich bis in die Geschlechtstheile erstrecken können. ' Der mediale concave Rand der Niere mit dem Hilus, dessen hintere Lippe in der Regel etwas mehr prominirt, als die vordere, sind dem M. psoas zugewandt. Von den in den Hilus renal, aus- und eintretenden Röhren liegt am weitesten nach hinten und daher stets hinter den Gefässen der sich in das Nierenbecken erweiternde Ureter. Der Stamm der Ven. renal, liegt vor jenem der Art. renal. Beide Gefässe theilen sich jedoch schon mehrfach vor dem Eintritt in den Hilus, wobei die Aeste an dem Hilus die Lagerung der Stämme in der Art, dass die Venen vor den Arterien liegen, nicht mehr einhalten.

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Der Bauch.

Was das Lageverhältniss der Nieren zu benachbarten Eingeweiden betrifft, so stimmen beide Nieren nur darin überein, dass auf ihrem oberen Pole, dem medialen Nierenrande zugewandt, die Nebennieren aufsitzen, mit der Niere aber nur durch laxes Bindegewebe verbunden sind, wesshalb die Lösung derselben von den Nieren bei der Exstirpation der letzteren leicht gelingt. Die vordere Fläche der rechten Niere grenzt in ihrer oberen Hälfte an die untere hintere Fläche des rechten Leberlappen, der von ihr seine Impressio renalis erhält. Der grössere Theil der vorderen oberen Nierenhälfte ist übrigens, wie der sie deckende Lebertheil, von dem Peritoneum überzogen, indem das Peritoneum hier zwischen Niere und Leber eine Tasche, den Recessus hepato-renalis, bildet, deren Eingang sich an der dem grossen Bauchfellsack zugewandten Fläche des Lig. hepato - renale findet. Der obere Pol der rechten Niere, sowie die ganze rechte Nebenniere ist dagegen frei von Peritoneum und nur durch laxes Bindegewebe an den stumpfen Leberrand befestigt. Der dichte Anschluss der Leber an die rechte Niere hat desshalb eine gewisse praktische Bedeutung, weil die starre Leber die Inspirationsbewegung des Zwerchfells auf die Niere überträgt, und daher bei Nierenentzündung der Schmerz den Charakter inspiratorischer Exacerbationen annehmen kann. Vor dem Hilus der rechten Niere findet sich die Pars descendens duodeni, und vor derselben die Flexura dextra des Colons, während das aufsteigende Colon nur mit dem unteren Drittheil der Vorderfläche der rechten Niere in directe locale Beziehung tritt. Die linke Niere grenzt in ihrem oberen Drittheil an die Nierenfacette der Milz, ferner an die hintere Fläche des Magengrundes und vermittelst der Nebenniere an die Cauda des Pancreas. Die beiden unteren Drittheile der vorderen Fläche der linken Niere grenzen an das Colon descendens, das aber den lateralen Rand dieser Fläche überschreitet. Zur Erhaltung der Niere in ihrer Lage dient hauptsächlich ein stark fetthaltiges Bindegewebe, die Capsula adiposa, durch welche zugleich der Stand der Niere eine gewisse Unabhängigkeit von der Stellung des Zwerchfells erhält. Ist dasselbe sehr nachgiebig, so kann die Niere ihre Lage ändern, zur wandernden Niere werden, was hauptsächlich rechts vorkommt. Die Niere ist dann zuweilen bei der äusseren Untersuchung in der Fossa iliaca zu fühlen. Die Wanderniere ist meist angeboren, bisweilen tritt sie jedoch nach Krankheiten auf, bei denen in Folge grosser Fettverluste bedeutende Abmagerung

Hintere Bauchwand.

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sich zeigt. Auch sei hier der Hufeisenniere gedacht, der bogenförmigen Vereinigung beider Nieren, welche fast ausschliesslich nur an den unteren, also divergirenden Polen vorkommt. Dieser Bildungsfehler ist nicht so ganz selten, und zwar kommt nach meiner Erfahrung ein derartiger Fall bei 400 Leichen einmal vor. Sehr schlimm ist diese Anomalie für die Nierenexstirpation, welche natürlich, sobald man die Anomalie bemerkt, unterbrochen und die Wunde geschlossen werden muss. Was die Lage des oberen Theiles des Ureters betrifft, so gelangt derselbe, in seinem Verlaufe nach abwärts und etwas medial gewandt, alsbald auf den M. psoas, welchen er, hinter den Vasa spermatica gelegen, in schräger Richtung kreuzt. Den weiteren Verlauf des Ureters bis zu dem Eintritt in das kleine Becken haben wir schon bei der Fossa iliaca kennen gelernt.

Hintere Bauch wand. Die Gegend der hinteren Bauchwand ist oben von dem letzten Grenzen. Brustwirbel und der mit demselben in Verbindung stehenden letzten Rippe, unten von dem Kreuzbein begrenzt. Man kann aber äusserlich die untere Grenze der Gegend und damit das obere Ende des Kreuzbeins leicht dadurch genauer bestimmen, dass man eine horizontale Ebene durch die hinten leicht fühlbaren höchsten Punkte der Crista iliaca legt, welche in die Höhe des Intervertebralknorpels zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel zu liegen kommt. Zieht man weiter von dem oberen Ende der Crena ani eine Linie bis zu dieser horizontalen Ebene, so entspricht der Halbirungspunkt der Linie genau dem oberen Ende des Kreuzbeins. Seitlich ist die Grenze der Gegend in den Querfortsätzen der Lendenwirbel gegeben, welche man jedoch nicht deutlich fühlen kann, wesshalb man sich an den Opistothenarmuskel hält, dessen beide medialen Drittheile in den Bereich der Gegend fallen. Was die äussere Configuration der hinteren und zugleich kürzesten Aeussere conflguratlon Bauchwand betrifft, so ist dieselbe von oben nach unten vertieft, ' entsprechend der Convexität der Lendenwirbelsäule nach vorn; bei Frauen ist diese Vertiefung stärker als bei Männern ausgesprochen. Die schon in dem Dorsaltheil der Wirbelsäule vorhandene mediane Furche setzt sich auf den Lendentheil fort, und in derselben sind bei mageren Personen die Spitzen der Dornfortsätze sichtbar, immer aber fühlbar. Zu beiden Seiten dieser Furche erheben sich die Wülste des rechten und linken Opistothenarmuskels.

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Der Bauch.

Die Schichten der Gegend liegen von hinten nach vom in folgender Reihe übereinander: 1. Die Haut, welche in der Medianlinie ziemlich fest an die Spitzen der Dornfortsätze angeheftet ist. 2. Das Unterhautbindegewebe. 3. Das hochliegende Blatt der Fase, lumbo-dorsal. 4. Die Musculatur des Opistothenar. 5. Die Knochen der Lendenwirbelsäule. 6. Die prävertebralen Muskeln. 7. Die grossen Gefässstämme der Bauchhöhle und deren primitiven Aeste. Knochen der Die 4 ersten Schichten besitzen hier die gleichen Eigenschaften, schichten.

LeDBäuieIrbel

i n der Lendengegend, wesshalb wir uns sogleich der 5. zuwenden können. Dieselbe ist gebildet von der ganzen Masse der 5 Bauchwirbel und ihres Bandapparats. Dadurch, dass die Körper dieser Wirbel ein sehr grosses Volumen besitzen, und der Lendentheil nach vorn convex ist, wird der Bauchraum in der Medianebene beträchtlich verengert, so dass der sagittale Durchmesser des Bauchraums in der Medianlinie wenig mehr als die Hälfte von dem sagittalen Durchmesser beträgt, welcher neben die Wirbelsäule gelegt ist, und an dem medialen Sagittalschnitt in der Höhe des Nabels der Durchmesser der hinteren Bauchwand bei von Gasen und Inhalt freiem Dünndarm um den 6. Theil grösser ist, als der des davor gelegenen Bauchraums. Prävertebrale Von den prävertebralen Muskeln kommen die der Medianlinie Muskeln. zunächst gelegenen medialen Schenkel des Zwerchfells und die Psoasmuskeln in Betracht. Der immer stärkere rechte mediale Zwerchfellschenkel geht sehnig von dem Körper des 3., seltener des 4. Lendenwirbels ab, und zwar liegt derselbe der Medianlinie etwas näher, als der schwächere linke mediale Schenkel, welcher constant einen Wirbel höher entspringt, als der rechte. Durch die Convergenz beider Schenkel entsteht in der Höhe des 12. Brustwirbels der Hiatus aorticus, und zwar wird dadurch, dass der rechte Schenkel der Medianlinie näher liegt, als der linke, die Aorta nach links von der Medianlinie geleitet. Das obere Drittheil des Psoasmuskels liegt seitlich den Lendenwirbeln an und grenzt lateral unmittelbar an den M. quadrat. lumb. In der Furche zwischen M. psoas und dem medialen Zwerchfellschenkel findet sich der Lendentheil des Grenzstranges des N. sympath. Aorta abdomiDie vor der Wirbelsäule gelegenen grossen Gefässe des Bauchnalis. raums sind die Aorta abdomin. und die Vena cava infer. Die Bauch-

Hintere Bauchwand.

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aorta erstreckt sich von dem Hiatus aort., d. h. von der Mitte des 12. Brustwirbels bis zu ihrer Theilungsstelle in die beiden Art. iliac. commun., d. h. bis zur Mitte des 4. Lendenwirbels, und hat eine

Fig. 130. Hintere B a u c h w a n d nach Entfernung des Peritoneums, rechts die F a s c i a iliaca erhalten links abpräparirt. und sich In der Nähe des 1 L i n k e r Lendenschenkel 15 L i n k e V e n a spermatica, in unteren Nierenpols in die des Zwerchfells. die V e n a renal, tretend. Niere einsenkt. 16 V e n a Iliaca c o m m u n i s . 2 M. quadratus l u m b o r u m . 3 4 5 6 7

M. psoas. M. iliacus internus. Art. coeliaca. Art. mesenteria super. Einfache Art. renalis links, in 5 Aesten entspringende Art. renalis r e c h t s , von welchen der unterste erst nahe an der Theilungsstelle der Aorta abgeht

8 Art. spermatica slnistra. 9 Art. mesenterica inferior. 10 Art. haemorrhoidalis superior. 11 Art. iliaca c o m m u n i s . 12 Art. iliaca e x t e r n a (femoralis). 13 Art. iliaca interna (hypogastrica). 14 V e n a renalis.

17 18 19 20

Ureter. Rectum. Art. spermatica dextra. V e n a spermatica dextra, in die V e n a cava tretend. 21 Nerv, cutaneus femoris lateralis unter der F a s c i a iliaca. 22 Nerv, genito-cruralis.

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Der Bauch.

durchschnittliche Länge von 13 cm. Dieselbe liegt nicht genau in der Medianlinie, sondern weicht etwas nach links ab, und zwar befindet sich ihre obere Hälfte zwischen den beiden medialen Zwerchfellschenkeln. Rücksichtlich der Ramification kann man die Bauchaorta in 3 Abtheilungen gliedern, von denen die obere bis zur Abgangsstelle der Nierenarterien, die mittlere von den Nierenarterien bis zu dem Abgang der Art. mesent. inf., und die untere von da bis zur Theilung sich erstreckt. Von dem oberen Drittheil entspringt noch in dem Hiatus aorticus der kurze Stamm der Art. coeliaca, und in gleicher Höhe oder auch von der Art. coel., kommen die beiden Art. diaphragmaticae. In die Mitte zwischen Art. coel. und die Nierenarterien fällt der Ursprung der Art. mesenterica super. Die beiden Nierenarterien theilen sich schon kurz nach ihrem Abgang von der Aorta in mehrere Aeste, oder sie entspringen bisweilen auch schon getheilt von der Aorta. So habe ich einen Fall vor mir, in welchem auf der rechten Seite 5 Nierenarterien die Aorta verlassen, und zwar die unterste hart an der Theilstelle der Aorta; diese letztere, 2 mm stark, tritt zu der Niere nicht durch den Hilus renal., sondern direct an den unteren Nierenpol. Dieser gar nicht so seltene Fall ist bei der Nierenexstirpation wohl zu berücksichtigen.') Aus dem zweiten Drittheil der Bauchaorta entspringen ziemlich in der Mitte zwischen den Art. renal, und der Art. mesent. inf. die beiden Art. spermat., die rechte meist etwas höher, als die linke. Von dem unteren Drittheil der Bauchaorta gehen die beiden unteren Lendenarterien ab, während der Abgang der ersten noch in das mittlere Drittheil fällt, und die zweite Lendenarterie in ziemlich gleicher Höhe mit der Art. mesent. inf. entspringt. Die beiden terminalen Aeste der Bauchaorta, die Art. iliacae communes, von denen die rechte länger als die linke ist, haben an ihrer rechten Seite die Ven. il. commun. Die rechte Art. iL commun. geht über die Abgangsstelle der linken Ven. il. commun. weg. Hoch oben zwischen Art. coel. und mesent. sup. tritt quer über die Bauchaorta das Pancreas unter den Art. mesent. sup., das untere Querstück des Duodenums, und darunter in langgezogener Kreuzung die Wurzel *) In den Handbüchern werden als paarige Eingeweideäste der Bauchaorta auch die Art. suprarenales angeführt; dieses ist nur in beschränkter Weise richtig, denn die zahlreichen, zur Oberfläche der Nebennieren tretenden arteriellen Zweige stammen zum grösseren Theile aus der Art. renal und Art. diaphragmat., zum kleineren direct aus der Aorta; dagegen hat jede Nebenniere nur eine einzige aus dem Innern des Organs kommende Suprarenalvene,

Hintere Bauchwand.

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des Gekröses. Anomalien der Bauchaorta sind ziemlich selten, am häufigsten die, dass die Theilung erst in der Höhe des 5. Lendenwirbels erfolgt. Ausserordentlich selten ist die Transpositio aortae, bei welcher die Aorta rechts von der Ven. cava inf. zu liegen kommt. In praktischer Beziehung ist noch hervorzuheben die Compression der Bauchaorta bei Uterinblutungen nach der Geburt, die aber schon aus anatomischen Gründen, wegen der reichlichen Anastomosen der von der Bauchaorta abgehenden Art. spermat. mit den von der Beckenarterie kommenden Uterinarterien, nicht sehr wirksam sein kann. Die Compression von der inneren Fläche des Uterus aus wird heute wohl kaum mehr angewandt, dagegen ist die äussere Compression, welche durch die Bauchdecken unterhalb des Nabels bewerkstelligt wird, noch jetzt vielfach in Uebung. Die Unterbindung der Bauchaorta in dem unteren Drittheil wurde bei Aneurysmen der Art. il. commun. unter Berücksichtigung der Anastomose des Endstückes der Art. mammar. int. mit der Art. epigastr. zur Herstellung des collateralen Kreislaufs von englischen Chirurgen einigemal, aber stets mit unglücklichem Erfolge vollzogen. Die rechts von der Aorta gelegene, vollkommen klappenlose Vena cava infer. setzt sich zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel aus den beiden Ven. iliac. commun. zusammen und hat eine durchschnittliche Länge von 17 cm. Dieselbe zerfällt an der Mündungsstelle der beiden Ven. renal., welche in die gleiche Höhe mit der Abgangsstelle der beiden Art. renal, von der Bauchaorta fällt, in eine längere untere und kürzere obere Hälfte. An dieser Stelle wächst nicht nur das Caliber der unteren Hohlvene beträchtlich durch Aufnahme der beiden ansehnlichen Nierenvenen, sondern dieselbe ändert auch hier ihre Verlaufsrichtung. Während nämlich in der unteren Hälfte die Ven. cav. inf. der rechten Seite der Aorta abdom. anliegt, wendet sich die obere Hälfte dieser Vene an der Mündungsstelle der Nierenvenen von der Aorta unter einem spitzen Winkel ab, indem sich zwischen die beiden grossen Gefässröhren der rechte mediale Schenkel des Zwerchfells einschiebt. Die untere Hohlvene gelangt dann, sich etwas nach rechts wendend, unter dem unteren Querstück des Duodenums und unter dem Pancreas zu dem oberen Theile der rechten Längsfurche der Leber, mit welcher sie fest verwachsen ist, um unmittelbar über der Leber durch das Foram. quadrilaterum der Pars tendinea des Zwerchfells in die Brusthöhle, und zwar in den Vorhof des rechten Herzens einzutreten. Die obere Hälfte der Ven. cav. sup. verlauft bis kurz vor ihrem Durchgang durch das Zwerch-

Venft c&

va ¡n'

fenor

688

Der Bauch.

feil astlos. In dem oberen Theile der rechten Leberfurchen nimmt sie die starken Lebervenen und unmittelbar unter dem Zwerchfell die Ven. phrenicae auf. In die untere Hälfte der Ven. cav. inf. münden die queren Lumbalvenen und die rechte Ven. spermat., während die linke constant in die linke Ven. renal, eintritt. Die linke Vena supraren. mündet regelmässig in die Nierenvenen, die rechte dagegen in der Regel in den Abgangswinkel der rechten Nierenvene. Die häufigste Varietät der unteren Hohlvene ist die hohe Vereinigung beider Ven. iliacae commun., welche bisweilen erst in der Höhe der Nierenvenen erfolgt. In einem mir vorliegenden Falle liegt die Aorta zwischen den beiden Ven. il. commun. und geht an der Vereinigungsstelle beider Venen, welche in die Mündungsstelle der Nierenvenen fällt, unter der linken Ven. il. commun. durch.

Der Bauchraum und das Peritoneum. Bauehraum.

Der Bauchraum, die grösste Körperhöhle, unterscheidet sich von Schädel-, Brust- und Beckenhöhle dadurch, dass die darin gelegenen Eingeweide, mit Ausnahme der Nieren und Nebennieren, nicht symmetrisch angeordnet sind. Der Bauchraum ist von den Eingeweiden immer ganz ausgefüllt, es existirt darin kein leerer Raum, sondern ein Eingeweide liegt immer hart an dem andern an. Demnach sollte man glauben, dass bei penetrirenden Bauchwunden immer ein Eingeweide verletzt werden müsste, was aber wenigstens für den Darm nicht richtig ist, und zwar aus dem Grunde, weil sich derselbe wegen der nassen Oberfläche sehr leicht verschiebt und daher dem eindringenden Instrumente ausweicht, und dann wegen des elastischen und daher compressiblen Gasinhaltes des Darms. Peritoneum. Der bei weitem grösste Theil der inneren Wand des BauchAiigemeines. r a u m s jat von dem Parietalblatt des Peritoneums überzogen, während das viscerale Blatt den grössten Theil der Baucheingeweide überkleidet. Das Peritoneum ist, wie andere seröse Häute, dünn, durchscheinend und an der freien Fläche immer feucht, wodurch die durch den Wechsel der Lage der Baucheingeweide bedingte Friction wesentlich herabgesetzt wird. Ferner ist das Peritoneum in hohem Grade elastisch und dadurch ausgezeichnet, dass es eine grosse Neigung hat, Ausstülpungen zu machen, was ja, wie wir früher sahen, mit der Entstehung von Hernien in nächster Beziehung steht. Während man früher Verletzungen des menschlichen Peritoneums für sehr bedenklich hielt, ist man in den letzten Decennien nach den glänzenden

Der Bauchraum und das Peritoneum.

689.

Erfolgen der antiseptischen Wundbehandlung von dieser Ansicht zurückgekommen. Topographisch zerfällt das Peritoneum in 2 Abtheilungen: in den grossen Bauch- und kleinen Beckentheil. Der letztere steht mit der Harnblase, dem unteren Endtheil des Nahrungsschlauches und mit den weiblichen Geschlechtsorganen in Beziehung, , kann daher erst bei dem Becken betrachtet werden. An der vorderen, ganz von dem Peritoneum überzogenen Bauch- vordere pariewand ist dasselbe straff an die unterliegende Fase, transv. geheftet Peritoneums69 und in der Nähe des Nabels und an diesem selbst recht dünn. Unterhalb des Nabels bildet das Bauchfell die bekannten fünf Falten und die Fov. inguinal., welche wir bereits früher kennen gelernt haben. Oberhalb des Nabels findet sich die stärker vorspringende Falte für das Lig. teres hepatis (obliterirte Nabelvene), welche bei dem Uebergang auf die Leber zu dem Lig. suspensor, hepat. wird. Die obere Bauchwand, das Diaphragma, ist zum grössten Theile, 0bere parietale und zwar straff, wie die vordere Bauchwand, von dem Parietalblatt ToneumsT*' des Peritoneums überzogen. Jedoch ist das Zwerchfell rechts hinter dem Centrum tendineum an dem dicksten rechten Theile des oberen stumpfen Leberrandes frei von Peritoneum, und hier ist dieser stumpfe Leberrand durch kurzes straffes Bindegewebe unmittelbar an das Diaphragma angeheftet, wodurch hauptsächlich die voluminose Leber in ihrer Lage erhalten und vor Senkung geschützt wird, wofür die von dem Zwerchfell auf den rechten und linken Leberlappen übergehenden Peritonealfalten (Lig. coronarium dextr. et sinistr.) die nöthige Tragfähigkeit nicht besitzen. Derjenige Theil des Zwerchfells, welcher hinter dem Spigel'schen Lappen der Leber gelegen ist, erhält seine peritoneale Bekleidung von dem parietalen Blatt des Netzbeutels, welches sich rechts in die hintere Lamelle des Lig. hepatorenale, links in die hintere Lamelle des Lig. gastro-lienale umschlägt. Am complicirtesten sind die Verhältnisse des Bauchfells an der Hintere parletale Wand des hinteren Wand des Bauches. Die eigentliche Bauchwand ist hier Peritoneums. viel mehr als vorn und oben frei von Peritoneum, da zwischen sie und das Parietalblatt jene Organe (Nieren-Pancreas, der grössere Theil des Duodenums) eingeschoben sind, welche die anatomische Sprachweise als ausserhalb des Bauchfellsackes gelegen bezeichnet. Uebersichtlicher werden die Verhältnisse des Peritoneums an der hinteren Bauchwand, wenn man dasselbe hier in drei Abtheilungen gliedert, von welchen die untere an dem Eingang in das kleine Becken und in der Höhe des P o u p . Bandes beginnt, um sich bis zum unteren Rande der rechten Niere zu erstrecken, die zweite Abtheilung reicht G e r l a c h , Anatomie des Mensehen.

44

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Der Bauch.

von hier bis zu dem Mesocolon transvers., und die dritte, in welche der Netzbeutel fällt, von dem Mesocolon transvers. bis zu dem Zwerchfell. untere AbtheiDas untere Drittheil der Foss. il. dextra ist nur von dem hinteren 'r^n parietalen Wandblatt des Periton. überzogen, erst an der Grenze des mittleren wand. Drittheils beginnt der Umschlag desselben auf das Coecum, dessen eigentlich blindes Ende jedoch noch ganz von dem Periton. überkleidet ist. Von diesem letzteren geht der Wurmfortsatz ab, der, vollständig von dem Periton. überzogen, sein eigenes Gekröse, das concavrandige Mesovermium, hat, welches mit zwei sich vereinigenden Falten von dem unteren Dünndarmende entspringt, einer hinteren, welche den letzten Ausläufer des Dünndarmgekröses darstellt, und einer vorderen, welche selbstständig von dem serösen Ueberzug des Düundarmendes abgeht. Zwischen diesen beiden Falten, den Wurzeln des Mesovermiums, bleibt eine taschenförmige Vertiefung, der Recessus ileo-coecalis, welcher durch den Nachweis eine pathologische Bedeutung gewonnen hat, dass er sich in Folge einer adhäsiven Entzündung schliessen und zu einer sich vergrössernden Cyste umwandeln kann, die durch ihren Druck auf die Einmündungsstelle des Dünndarms in das Coecum den Gang der Darmcontenta behindern kann. In der linken Foss. iL geht der fixirte Theil des Colon descendens weiter herab, und das Gekröse der Flexura sigmoidea beginnt erst in der unteren Hälfte der Grube. An dem Uebergang der Flexura sigmoidea in das Rectum, also ganz nahe an der Medianlinie, findet sich öfter auf der linken Seite eine ähnliche Einsenkung des Bauchfells, wie an der Grenze zwischen Duodenum und jejunum, der Recessus intersigmoideus. In der oberen Hälfte der Foss. iL sind das rechte, wie das linke Colon nur vorn und seitlich von dem Periton. überzogen, während die hintere peritonealfreie Wand dieser Dickdarmstücke an die Fase. iL und weiter oben an das den M. quadrat. lumb. deckende vordere Blatt der Fase, lumbo-dors. angeheftet und dadurch fixirt sind. Es kann demnach ein in die untere Hälfte der Lendengegend eindringendes Instrument das auf- wie absteigende Colon treffen, ohne dass das Peritoneum verletzt wird, ein Umstand, den man an dem linken Colon für die Anlage eines künstlichen Afters praktisch verwerthet hat. Von rechts und links nach der Mitte zu vorschreitend, überzieht das hintere Wandblatt des Periton. die Psoasmuskeln, die Ureteren, Aorta und Vena cava, um hier unten schon in der rechten Körperhälfte sich zu dem unteren Theile der grossen Gekrösfalte zu vereinigen.

Der Bauchraum und das Peritoneum.

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Die mittlere Abtheilung der hinteren Peritonealwand erstreckt sich bis zu dem Mesocolon transvers., welches in dem Bauchraum eine Art Septum zwischen Ober- und Mittelbauchgegend bildet, was auch die alte Bezeichnung »Diaphragma secundarium« andeuten will. Das Mesocolon transv., rechts von der rechten Colonknickung begrenzt, steht hier 4—-5 cm tiefer, als links, wo es an der linken Colonknickung sein Ende erreicht. Dasselbe ist in der Mitte beträchtlich länger, als an seinem rechten und linken Endpunkte. Von den beiden Lamellen des Mesocolon gehört die obere dem kleinen, die untere dem grossen Bauchfellsack an. Die obere schlägt sich sogleich auf die vordere Wand des Pancreas, die untere dagegen auf das untere Querstück des Duodenums. Ueber dem letzteren, hart unter dem Mesocolon transv., beginnt vor dem Körper des zweiten Lendenwirbels die Wurzel des Gekröses, zwischen dessen beiden Lamellen die unmittelbar unter dem Pancreas entspringende Art. mesent. sup. verlauft. Wird das Quercolon nach oben geschlagen, und das Convolut des Dünndarms nach rechts gedrängt, so spannt sich in der rechten Körperhälfte an der Uebergangsstelle des Duodenums in das Jejunum eine Falte, deren freier concaver Rand nach rechts und oben sieht. Das obere Horn dieser Falte verliert sich in die untere Lamelle des Mesocol. transv., während das untere in den Peritonealüberzug der ersten Jejunalschlinge übergeht. Diese Falte führt zu einer blinden Bauchfelltasche, die sich gegen das Duodenum trichterförmig zuspitzt, welche als Recessus duodeno-jejunalis bezeichnet wird. Ist dieser Recessus gut ausgebildet, so kann er die erste Jejunalschlinge aufnehmen. Vergrössert sich derselbe, so können in denselben immer mehr Dünndarmschlingen eintreten, womit eine sogenannte innere Hernie gegeben ist, die Hernia retro-peritonealis, welche, wie äussere Hernien, am Eingang in den Recess. duodeno-jejunal. sich einklemmen kann. Rechts geht das hintere Wandblatt des Periton. über das aufsteigende Colon und dessen rechte Knickung, welche das untere Ende der rechten Niere vollständig decken, während auf der linken Seite in Folge des hier höheren Standes des Mesocol.'transv. die beiden unteren Drittheile der Vorderfläche der linken Niere einen fast vollständigen Ueberzug des peritonealen Wandblattes aus dem Grunde erhalten, weil das Colon descendens nicht vor der linken Niere, sondern längs des lateralen Randes derselben herabgeht.

Mittlere

Abthei-

ren parietalen Wand -

Die obere Abtheilung der hinteren Peritonealwand gliedert sich obere Abtheinaturgemäss in drei Partien entsprechend den drei Fächern, welche '""n parietalen sich in dem hinteren Theile des Bauchraums in der Oberbauchgegend wand. 44*

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Der Bauch.

vorfinden. Von diesen gehört die mittlere grösste dem kleinen Bauchfellsack, dem Netzbeutel, an, während die beiden seitlichen Bestandtheile des grossen Bauchfellsacks sind. Recessus Das rechte Fach, der Recessus hepato-renalis, hat als vordere hepato-renahs. ^ y a n c j u n t e r e hintere Fläche des rechten Leberlappens bis zur Gallenblase, und als hintere die vordere Fläche der rechten Niere, auf welche das Peritoneum von unten von der rechten Colonflexur, von links von dem absteigenden Stück des Duodenums und von oben her von der Leber in Form einer vorspringenden Falte als Lig. hepato-renale sich fortsetzt. So erhält der grössere Theil der vorderen Fläche der rechten Niere einen Ueberzug von dem hinteren Wandblatt des Periton. mit Ausnahme des oberen Nierenpoles und der rechten Nebenniere, welche oberhalb des blind endigenden Recessus hepato-renalis mit dem oberen Theile der Impressio renalis der Leber direct ohne peritoneale Vermittlung durch laxes Bindegewebe zusammenhängen. Bursa omen. Das mittlere Fach, die Bursa omentalis, ist von den beiden seitlichen und daher auch von dem grossen Bauchfellsack fast vollständig getrennt und hängt mit demselben nur durch eine in der rechten Körperhälfte befindliche rundliche Spalte, das Foramen ' W i n s l o w i i , zusammen. Diese Spalte, welche in allerdings ausserordentlich seltenen Fällen durch Eintritt von Dünndarmschlingen gleichfalls Veranlassung zu einer inneren Hernie geben kann, befindet sich zwischen dem bereits erwähnten Lig. hepato-renale und dem vorspringendsten, auf das obere Querstück des Duodenums sich erstreckenden Theile der von der Querfurche der Leber auf die kleine Magencurvatur übergehenden Duplicatur des Periton. (Lig. hepato-gastricum. oder Omentum minus), welcher als Lig. hepatoduodenale beschrieben wird. Der Netzbeutel erstreckt sich rechts bis an den medialen Rand des absteigenden Duodenums, links bis an die linke Colonflexur, wesshalb kaum ein Drittheil desselben in die rechte, dagegen zwei Drittheile in die linke Körperhälfte fallen. Der Netzbeutel kann durch einen stärkeren in die W i n slow'sehe Spalte eingesetzten Tubus aufgeblasen werden, und zwar dringt die Luft bei dem Neugebornen und einige Zeit nach der Geburt zwischen die zweite und dritte Lamelle des grossen vierblättrigen Netzes, welche beide dem kleinen Bauchfellsack angehören, während die erste vordere und vierte hintere Lamelle ihre freie Fläche dem grossen Bauchfellsack zuwenden. Später verwachsen die zweite und dritte Lamelle unter einander, so dass dann der Netzbeutel sich nur

Der Bauchraum und das Peritoneum.

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bis an den Winkel erstreckt, unter welchem Lig. gastro-colicum und Quercolon zusammenstossen. Die vordere Wand des Netzbeutels wird von dem Lig. hepatoduodenale an, von der hinteren Lamelle des kleinen Netzes, von der hinteren Magenfläche bis zu dem Lig. gastro-lienale und von der hinteren Fläche des Lig. gastro-colicum gebildet. Dieses letztere erstreckt sich links von der linken (Kolonflexur als Lig. colico-lienale bis an den Milzhilus, wo es mit dem Lig. gastro-lienale zusammenfliesst, und rechts von der rechten Colonflexur bis an den linken Rand des ganzen absteigenden Duodenums. Reisst man das Lig. gastro-colicum in seiner ganzen transversalen Länge ein und schlägt den Magen nach oben, das Quercolon nach unten, so liegt das Pancreas von der Cauda bis zu dem Kopfe überkleidet von dem hinteren Wandblatt des Netzbeutels frei zu Tage und ebenso unten und links die linke Nebenniere und ein minimaler Theil des oberen Poles der linken Niere. Rechts erstreckt sich der Netzbeutel unterhalb der W i n slow'sehen Spalte bis an den linken Rand des absteigenden Duodenums und oberhalb der Spalte an den Spigel'schen Lappen der Leber, welcher durch den Netzbeutel erst seinen peritonealen Ueberzug erhält. Links wird der Netzbeutel oben durch das Lig. gastro-lienale und den Milzhilus, unten durch das Lig. colico-lienale b'egrenzt, welches letztere nichts anderes ist, als der am meisten nach links gelegene Theil des Lig. gastro-colicums, der den Magen aber nicht mehr erreicht und daher oben an dem Hilus der Milz mit dem Lig. gastro-lienale zusammenfliesst. Die obere Wand des Netzbeutels ist in einem Theile der unteren Zwerchfellfläche gegeben, welche, wie bereits früher gezeigt wurde, von dem Wandblatt desselben überzogen ist. Die untere Wand des Netzbeutels wird durch die obere Lamelle des Quercolongekröses vertreten. Das linke peritoneale Fach der Oberbauchgegend birgt die Milz Recessus und wird daher wohl am besten als Recessus lienalis bezeichnet. heiml18Oben links und vorn von der den Costaltheil des Zwerchfells überz i e h e n d e n Partie des Periton. umwandet, ist die hintere Wand des Recessus lienalis, welche oben von dem Lumbaltheil des Zwerchfells, unten von der vorderen Fläche des oberen Drittheils der linken Niere, über die das Quercolon bis an deren lateralen Rand wegzieht, gebildet wird, gleichfalls von dem Wandblatt des Periton. überkleidet. Von oben und hinten schlägt sich dieses Wandblatt als Lig. phrenico-lienale auf die convexe Milzfläche über, während

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Der Bauch.

rechts mehr oder weniger tief der Magengrand und bisweilen selbst das Ende des linken Leberlappens in den Recessus lienaüs hineinragen.

Die Eingeweide der Bauchhöhle. Die Eingeweide der Bauchhöhle gliedern sich rücksichtlich ihrer Lage in drei Gruppen. Die erste Gruppe umfasst jene Organe, welche ihre Lagerstätte in dem Bauchraum nicht verändern. Dahin gehören Leber, Milz, Pancreas und Duodenum, sowie das auf- und absteigende Colon. Man fasst dieselben unter dem Namen der fixirten oder immobilen Eingeweide zusammen. Denselben stehen gegenüber die nicht fixirten oder mobilen Eingeweide des Bauches. Dieser Gruppe gehören an der ganze Dünndarm mit Ausnahme des Duodenums, das Colon transversum und die Flexura sigmoidea. Die dritte Gruppe setzt sich aus den Eingeweiden zusammen, welche sich einer gewissen, aber sehr beschränkten Beweglichkeit erfreuen. Es sind dieses der Magen und der Blinddarm. Im Anschluss an die topographische Methode wird die Lage der Baucheingeweide erörtert werden, je nachdem sie der Ober-, Mittel- oder Unterbauchgegend angehören, wobei es als selbstverständlich erscheint, dass dieselben vielfach in ihrer Lage nicht auf eine der drei Bauchgegenden beschränkt sind, sondern aus einer in die andere übergreifen.

Eingeweide der Oberbauehgegend. Die in der Oberbauchgegend gelagerten Eingeweide sind der Magen, die Leber, die Milz, das Pancreas und das Duodenum. Lage des Magens. Allgemeines.

Der in dem Epigastrium und in dem linken Hypochöndrium befindliche Magen fällt zum weitaus grössten Theile in die linke Körperhälfte, da nur der sechste Theil desselben der rechten Körperhälfte angehört. Wir unterscheiden topographisch an dem Magen die beiden fixirten Stellen, die Cardia und den Pylorus und die übrigen Theile, welche einer allerdings beschränkten Ortsveränderung unterliegen. Da von den beiden fixirten Stellen die links von der Medianlinie liegende Cardia bedeutend höher steht, als der rechts gelegene Pylorus, so kann der Magen keine rein transversale Lage haben, sondern muss schräg in der Art liegen, dass die kleine

Eingeweide der Oberbauchgegend.

Lage des Magens.

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Curvatur nach oben und rechts, die grosse nach unten und links gewandt ist. Die Möglichkeit einer Ortsveränderung des grössten Theiles des Magens ist dadurch bedingt, dass die beiden Curvatureu mit verhältnissmässig langen, nicht direct von der Bauchwand abgehenden Bauchfellduplicaturen in Verbindung stehen, die kleine mit dem kleinen Netze, die grosse mit dem Lig. gastro-colicum. Die Ortsveränderung des Magens besteht in der Drehung um Achsendrehung eine Achse, welche der geraden Linie zwischen Cardia und Pylorus des Magensentspricht. In Folge dieser Drehung wendet sich die vordere Magenfläche mehr nach oben, die kleine Curvatur nach hinten, die hintere Magenfläche nach unten und die grosse Curvatur nach vorn. Die Drehung ist die Folge geänderter statischer Verhältnisse, welche mit der Füllung des Magens eintreten, und kann daher auch leicht an der Leiche dadurch ' bewirkt werden, dass man von dem Duodenum aus Luft in den Magen einführt. Doch ist bei diesem Versuche immer zu berücksichtigen, dass die starke Drehung, welche der Magen nach vollständiger Füllung mit Luft erleidet, während des Lebens ebensowenig wie die sie begleitende grosse Ausdehnung des Magens vorkommt. Für den Praktiker ist zunächst die Kenntniss der Lage der beiden fbdrten Magenstellen, sowie die der unteren Magengrenze von Wichtigkeit. Die Cardia (Fig. 131. 7) ist an dem linken Sternalrand zu suchen, Lage der cardia und zwar entspricht die Höhe derselben ziemlich genau der Verbindung des Knorpels der 6. Rippe mit dem Sternum. Der sehr bedeutende Abstand der Cardia von der vorderen Körpergegend ist individuell verschieden. Durchschnittlich beträgt derselbe 11 cm. Das Hauptmittel der Fixation der Cardia ist in der Anheftung des untersten Theiles der Speiseröhre, welche in die Cardia übergeht, an die Ränder des For. oesophag. des Zwerchfells gegeben. Der Pylorus (Fig. 131. 10) fällt in die Grenze des 3. und 4. Fünf- Lage d. Pyiorus. theils einer Linie, welche von dem rechten Sternoclaviculargelenk vertical zur Nabelhöhe gezogen wird in der Art, dass 3 Fünftheile dieser Linie oberhalb und 2 unterhalb des Pylorus zu liegen kommen. Derselbe wird in seiner rechten Hälfte nur wenig von dem Knorpel der 8. Rippe kurz vor dessen Vereinigung mit dem Knorpel der 7. Rippe verdeckt. Uebrigens ist die Lage des Pylorus keine ganz constante. Derselbe kann auch weiter abwärts liegen und bis zur Grenze des unteren und mittleren Drittheils der oben erwähnten Linie herabgehen. Die Befestigung des Pylorus ist durch das ziemlich straff gezogene Lig. hepato-duodenale des Bauchfells vermittelt.

696

Der Bauch.

Die untere Grenze des Magens, d. h. die Lage der grossen Curvatur bei leerem Magen ist auch nichts weniger als constant. Unter normalen Verhältnissen darf die untere Magengrenze eine Linie nicht überschreiten, welche zwischen den tiefsten Punkten der 9., höchstens der 10. Rippe beider Seiten gezogen ist. Da bei dünner Bauchwand der Endpunkt einer in den Magen eingeführten Sonde äusserlich gefühlt werden kann, so ist man, wenn dieser Punkt die quer zwischen den tiefsten Stellen der beiderseitigen 10. Rippen gezogene Linie überschreitet, berechtigt, eine Magenerweiterung anzunehmen. Bestimmung des Eine weitere Frage, welche ein grosses praktisches Interesse hat, Magengrube, an leider aber eine genaue Beantwortung nicht zulässt, ist die, welchem weichem die Theile der Magengrube (Fossa epigastrica) die vordere Magenfläche wandderBauch- anliegt. Die Ursache, wesshalb hier eine genaue, allgemein gültige wand anliegt. Angabe nicht zu machen ist, liegt einmal darin, dass die untere Grenze des linken Leberlappens, welcher den Pylorus, die Portio pylorica und in der Regel auch die kleine Magencurvatur deckt, etwas wechselnd ist, und dann darin, dass die untere Magengrenze, wie bereits bemerkt, nichts weniger als constant ist. Für die grosse Mehrzahl der Fälle lässt sich jedoch die gestellte Frage durch Ziehung gewisser Linien einer annähernden Lösung entgegenführen. Zuerst wird die rechte parasternale Linie bis zu dem Punkte gezogen, an welchem dieselbe den rechten Rippenrand schneidet. Von letzterem Punkte wird eine gerade Linie nach dem linken Rippenrand gezogen, welche die zwischen der Wurzel des Schwertfortsatzes und dem Nabel angelegte Verticale in der Mitte schneidet, und hierauf werden noch die am tiefsten stehenden Punkte der 9. Rippe beider Seiten durch eine horizontale Linie vereinigt. Die zwischen beiden Rippenrändern gezogene schräge und die zwischen den tiefsten Punkten beider 9. Rippen gezogene horizontale Linie entsprechen den beiden Katheten eines Dreiecks, dessen Hypotenuse in dem Rippenknorpel der 8. und eines Theiles des Knorpels der linken 9. Rippe gegeben ist. Dieses Dreieck umfasst den Theil der Magengrube, an welchem die vordere Magenwand unter normalen Verhältnissen der vorderen Bauchwand anliegt. An die Basis dieses Dreiecks hält man sich auch bei dem Einschnitt zur Vornahme der Gastrotomie (Anlegung einer künstlichen Magenfistel) zur Erhaltung des Lebens bei Carcinom des Oesophagus. Es wird hier auf der linken Seite entlang des Knorpels der 8. und eines Theiles der 9. Rippe in einer Entfernung von 1,5 cm von dem Rippenrand durch einen gegen 5 cm langen Einschnitt der Bauchraum geöffnet, um zu dem Magen zu gelangen, eine Operation, die Untere MagengTenze

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Fig. 131. Vordere Ansicht der Organe der Brust und des Bauches.

Nach L u s c h k a .

1 Unterer Rand der rechten Lunge. 2 Unterer Rand der linken Lunge. 3 Rechter Lebcrlappen. 4 Linker Leberlappen. 5 Abgelöstes Lig. suspensorium hepatis. 6 Grund der Gallenblase. 7 Cardia des Magens. 8 Fundus des Magens, theflweise von der linken Lunge uberlagert. 9 Unterer Rand des Magens. 10 Pylorus des Magens. 11 Coecum. 12 Wurmfortsatz. 13 Colon ascendens. 14 Flexura colica dextra. 15 Colon tTansversum. 16 Flexura colica sinistra. 17 Colon descendens. 18 Flexura sigmoidea. 19 Dunndarmschlingen. 20 Schräg von unten nach rechts aufsteigendes Ende des Dünndarms. 21 Von dem Bauchfell überzogene Wölbung der Harnblase. 22 Von Peritoneum freie Stelle des vorderen unteren Umfangs der Harnblase, die in massiger Ausdehnung den oberen Beckenrand etwas überragt.

698

Der Bauch.

entfernt nicht in dem Maasse gefährlich ist, als die Exstirpation des Pyloruscarcinoms, welche schon aus anatomischen Gründen, Anlagerung des Pylorus an die vordere Wand des Pancreaskopfes und Verlauf der unter dem oberen Querstück des Duodenums in der nächsten Nähe des Pylorus herabsteigenden starken Art. gastroduodenalis (Ramus descendens Art. hepaticae) und ihres Hauptzweiges, der Art. gastro - epiploica dextra, gewichtigen Bedenken unterliegt. Lage der Leber. Gestalt und Befeetigung cler

L^e,

Die einem Rechteck mit abgestumpften Winkeln ihrer Gestalt

nach vergleichbare Leber hat, mit Ausnahme ihres oberen stumpfen Randes, einen vollständigen peritonealen Ueberzug, welcher dem weitaus grössten Theile nach dem grossen Bauchfellsack angehört, da nur der den kleinen Spigel'schen Lappen überkleidende Peritonealtheil in das Gebiet der Bursa o mentalis fällt. Die Leber greift in die 3 Abtheilungen der Oberbauchgegend ein. Ihr grosser rechter Lappen füllt das rechte Hypochondrium, aber auch der Lobus quadratus und S p i g e l i i fallen noch der rechten Körperhälfte an, während der linke Leberlappen die Medianlinie des Körpers überschreitet und mehr oder weniger tief in das linke Hypochondrium ragt. Die Hauptbefestigungsmittel, welche das schwere Eingeweide in seiner Lage in der Oberbauchgegend erhalten, sind gegeben einmal in der innigen Verwachsung des oberen stumpfen Leberrandes mit dem Zwerchfell, und dann in dem Verhältniss der Leber zu der Ven. cava inferior. Letztere Vene, in der oberen Abtheilung der Fossa longitudinalis dextra gelegen, wo sie die beiden grossen, rechte und linke Ven. hepat. aufnimmt, ist fest mit der Lebersubstanz verwachsen und befestigt dadurch die Leber an das Zwerchfell, dass sie, unmittelbar nachdem sie die Leber verlassen, in dem Foram. quadrilaterum mit der Pars tendinea diaphragmatis auf das innigste verbunden ist. Die übrigen als Leberbänder beschriebenen Fixationsmittel, das Lig. teres (obliterirte Nabelvene), das in der rechten Körperhälfte nahe der Medianlinie verlaufende Lig. suspensorium und die Lig. coronaria (Bauchfellduplicaturen), sind zu schwach, um einen grossen Einfluss auf die Erhaltung der Leber in ihrer Lage auszuüben. Aeussere BeWenden wir uns jetzt zunächst zu der äusseren, den Arzt am Grenzen der meisten interessirenden Bestimmung der oberen, unteren und linken Leber. Lebergrenze.

Eingeweide der Oberbauchgegend.

Lage der Leber.

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Die Leber grenzt oben an das Zwerchfell und durch diese verhältnissmässig dünne Haut an die rechte Lunge. Es ist demnach die obere Lebergrenze nur durch Percussion zu bestimmen, d. h. durch die Differenz des leeren Tones der Leber und des vollen der lufthaltigen Lunge. Wäre die Stellung des Zwerchfells eine rein horizontale, wobei Leber und Lunge durch eine wagerechte Linie getrennt wären, so würde durch die Percussion absolut genau die obere Lebergrenze bestimmbar sein. Da aber das Zwerchfell mit der Costalwand keinen rechten Winkel bildet, sondern ziemlich steil aufsteigt, was den Recessus phrenico-costalis des Pleuraraums bedingt, der wenigstens zum Theil von dem unteren scharfen Rand der Lunge und dessen nächster Umgebung ausgefüllt wird, so wird der Rippenwand zunächst Lunge anliegen, und dahinter, durch das Zwerchfell getrennt, der obere stumpfe Leberrand gelagert sein. Demnach wird die haarscharfe Bestimmung der Grenze zwischen Leber und Lunge auf dem Wege der Percussion unmöglich sein. Für die Bedürfnisse der Praxis genügt es übrigens, dass man dahin, wo bei der Percussion der leere Schall entschieden voll wird, die obere Lebergrenze verlegt. Allein es ist zweifellos, dass derjenige Arzt, welcher die Fähigkeit besitzt, auch feinere Modalitäten des Percussionsschalls zu unterscheiden, die obere Lebergrenze genauer bestimmen wird, als Jemand, dem diese Fähigkeit abgeht. Der untere scharfe Rand der Leber folgt dem rechten Rippenrand, und zwar von der 11. Rippe an nach aufwärts und rechts bis zur Mitte des Knorpels der 8. Rippe. Diese letztere Stelle kann äusserlich desshalb leicht bestimmt werden, weil dieselbe gedeckt wird von dem Schnittpunkt der rechten parasternalen Linie mit dem Rippenrand. Hart lateral von diesem Punkte ist auch meistentheils der Grund der Gallenblase zu fühlen, welcher in der Regel den unteren scharfen Rand der Leber um ein Minimum überragt, was ermöglicht, die Gegenwart von Gallensteinen objectiv zu c-onstatiren. An der Mitte des Knorpels der 8. Rippe verlässt der untere scharfe Rand der Leber den rechten Rippenrand und wendet sich, schräg nach links aufsteigend, zur Mitte des Knorpels der linken 7. Rippe. Aeusserlich wird die Bestimmung des unteren Leberrandes in der Magengrube dadurch möglich, dass man von dem Schnittpunkte der rechten parasternalen Linie mit dem Rippenrande eine gerade Linie durch die Mitte der Entfernung der Wurzel des Schwertfortsatzes von dem Nabel nach dem linken Rippenrand zieht, welche den letzteren in der Mitte des Knorpels der 7. Rippe trifft. Verlängert

700

Der Bauch.

man diese Linie in das linke Hypochondrium bis zur linken Lebergrenze, d. h. bis zur linken parasternalen Linie, so ist damit die Bestimmung des unteren Leberrandes vollendet. Die kürzeste linke Grenze der Leber bietet für die äussere Bestimmung die wenigsten Schwierigkeiten. Dieselbe ist nämlich in dem Theil der linken parasternalen Linie gegeben, welcher zwischen den Endpunkten des oberen und unteren Leberrandes in dem linken Hypochondrium verlauft. Während die vordere obere, auch convex genannte Fläche der Die von der. ^Ein'geweide611 Leber nur mit dem Zwerchfell in localer Beziehung steht, verdeckt theiie. die hintere untere gelappte Fläche der Leber eine Reihe von Eingeweidetheilen, und zwar zunächst fast den 4. Theil des Magens, nämlich die obere kleine Curvatur bis zur Cardia und den der kleinen Curvatur anliegenden Theil der vorderen Magenfläche, ferner die ganze Portio pylorica und den Pylorus des Magens. Das obere Querstück des Duodenums, die erste, obere Duodenalknickung und das obere Viertheil des absteigenden Duodenums befinden sich gleichfalls unter der Leber. Auch der Gipfel der rechten Colonflexur fällt nocii unter die Leber. Der obere Nierenpol und dessen Umgebung werden von der Leber gedeckt, und zwar liegt die Niere hier der Leber so nahe, dass die letztere von der Niere die bekannte Impressio renalis erhält. Lage der Milz. AeU

derrMuTtaIt

Die Lage der tief in dem linken Hypochondrium befindlichen Milz ist in so inniger Beziehung mit der Gestalt des Organs, dass wir zunächst einen Blick auf die letztere werfen müssen. An einem horizontalen Milzdurchschnitt fallen zunächst die gebogene, nach der Zwerchfellwölbung sehende Basis und zwei Katheten in die Augen, von welchen die kürzere hintere der linken Niere, die längere vordere dem Fundus des Magens zugewandt ist. Diejenige Stelle, an welcher beide Katheten zu dem" der ausgerundeten Basis gegenüberliegenden Winkel zusammentreten, entspricht dem Hilus der Milz. Wir unterscheiden daher an der Milz eine convexe Zwerchfellfläche (ausgerundete Basis des am Durchschnitt auftretenden Dreiecks) und eine facettirte Fläche (von den beiden Katheten des Dreiecks gebildet). Die hintere kleinere Facette wird, weil sie sich an die linke Niere anlegt, als Nierenfacette, und die vordere grössere, dem Magengrunde sich zuwendende als Magenfacette der Milz bezeichnet. Der Milzhilus findet sich auf der facettirten Fläche an der Kante, welche Nieren- und Magenfacette vereinigt.

Eingeweide der Oberbauchgegend.

Lage der Milz.

701

Fig. 132. Linke Ansicht der Brust und des Bauches.

Nach L u s c h k a .

I—X Rippe in der Richtung der Axillarlinie, welche ihrerseits einer Frontalebene entspricht, die man sich durch den Mittelpunkt der Köpfchen des ersten Rippenpaares zu denken hat. In der Richtung der durch die Stellung der römischen Zahlen ausgedrückten Linea axillaris gewinnt man einen sicheren Anhalt, den Hohestand des Zwerchfells und des äusseren Randes der Lungenbasis, sowie die Stelle genau zu bezeichnen, an welcher die Pleura costalis beginnt in die Pleura diaphragmatica umzubiegen. 1 Spitze der linken Lunge mit Sulcus subclavius. 2 Unterer Rand der linken Lunge. 3 Grösste, in der Exspir&tionsstellung durchscheinend dargestellte Wölbung der linken Hälfte des Zwerchfells.

4 Untere Grenze der linken Pleura, welche bis auf einen schmalen Saum abgetragen wurde. 5 Die von der linken Lunge nicht gedeckte freie Fliehe des Herzbeutels. 6 Milz.

702

Der Bauch.

Die Milz wird in ihrer Lage hauptsächlich durch jene kurze Bauchfellduplikatur erhalten, welche von dem Diaphragma aus zur Zwerchfellfläche der Milz tritt, und zwar ziemlich nahe dem Punkte, an welchem die Nierenfaqette an die Zwerchfellfläche der Milz herantritt (Lig. phrenico-lienale). "Weniger trägt zur Erhaltung der Lage der Milz die zwischen dem Magengrunde und dem Hilus befindliche Bauchfellfalte bei (Lig. gastro-lineale). Aeussere BeDie Längsachse der Milz fällt nahebei zusammen mit der Achse o're^en^fT c ^ er unteren Rippen, so dass der obere Pol der Milz nach oben und Milz. hinten, der untere nach unten und vorn zu hegen kommt. Wir haben daher in den unteren Rippen und Intercostalräumen gute Anhaltspunkte zur Bestimmung der oberen und unteren Milzgrenze. Die obere Milzgrenze entspricht dem oberen Rande der 9., und die untere Grenze dem unteren Rande der 11. Rippe. Die Milz umfasst demnach ausser der 9., 10. und 11. Rippe, welche desshalb in der topographischen Anatomie auch Milzrippen genannt werden, den 9. und 10. Intercostalraum.

Befestigung der Milz

'

Die vordere Grenze der Milz ist nicht ganz constant; doch überschreitet die normale Milz nicht eine Linie, welche von dem linken Sterno-claviculargelenk nach der stets fühlbaren Spitze der 11. Rippe gezogen wird. Ergibt daher die Percussion, dass diese Linie (Linea costo-articularis von L u s c h k a ) überschritten wird, so ist die Annahme einer Milzanschwellung gerechtfertigt. Die hintere Milchgrenze steht durchschnittlich 4 bis 4,5 cm von der hinteren Medianlinie ab. Lage des Pancreas. Das vor der Wirbelsäule gelegene Pancreas hat eine so tiefe und versteckte Lage, dass es der äusseren Untersuchung völlig unzugänglich ist, und daher die Topographie desselben für den Praktiker nur ein geringes Interesse hat. Dieses gegen 23 cm lange, quer in der Bauchhöhle gelegene Eingeweide verjüngt sich nach seinem links gelegenen Ende, wo es mit seiner Spitze Milz und linke Niere berührt. Das rechte Ende, der Kopf der Drüse, ist der stärkste Theil und nach abwärts verlängert. Derselbe ist in die Concavität des Duodenums eingefügt. In dem abgerundeten Winkel, welchen der nach abwärts sich senkende Kopf mit dem Körper der Drüse bildet, liegt der Stamm der Pfortader, der unmittelbar darunter durch den Zusammenfluss der an dem unteren Rand des Pancreas von links herkommenden Vena lienalis, welche in der Regel die schwächere Ven. mesenterica

Eingeweide der Oberbauchgegend.

Lage des Duodenums.

703

infer. aufnimmt, mit der starken Ven. mesent. super, entsteht. Die Pfortader geht unter dem Pancreas nach oben und etwas nach rechts, wo sie über dem Pancreas in das Lig. hepato-duodenale gelangt, in welchem sie an ihrer rechten Seite die Gallengänge, an ihrer linken die Leberarterie hat. Der Körper des Pancreas liegt in der Höhe des 1. Lendenwirbels vor der Aorta zwischen der Art. coeliaca und Art. mesenterica super., berührt rechts und links den Lendentheil des Zwerchfells. An dem oberen Rande desselben verlauft nach links die Art. lienalis. Da die vordere Fläche des Pancreas von dem Wandblatt der Bursa omentalis überkleidet ist, deren vorderes Blatt die hintere Magenfläche überzieht, so ist von dem Pancreas nach Eröffnung des Unterleibs noch gar nichts zu sehen. Um in den Hohlraum der Bursa omentalis, also zur Ansicht des Pancreas zu gelangen, stehen drei Wege offen: Trennung des kleinen Netzes, des Mesocolon transvers. und des Lig. gastrocol. Von diesen ist der letztere weitaus der empfehlenswertheste. Es wird in seiner ganzen Länge das Lig. gastrocol. entweder eingeschnitten, oder, was bei dessen Dünne ebenso leicht geht, eingerissen, der Magen nach oben, das Quercolon nach unten geschlagen, worauf die vordere Fläche des Pancreas vor der Wirbelsäule frei zu Tage liegt. Lage des Duodenums.

Von den drei Stücken des durchschnittlich 30 cm langen Duodenums ist die Pars horizontal, super, weitaus die kürzeste, doppelt so lang ist die Pars descendens und noch ein Drittel länger die Pars horizont. infer. Das obere horizontale oder quere Stück beginnt an dem Pylorus oberes Quer8tuck des Magens mit einer schwachen Erweiterung und verlauft, in der ' Höhe des ersten Lendenwirbels von dem Lobus quadratus der Leber upd der hinteren freien Fläche der Gallenblase gedeckt, weniger von links nach rechts, als von vorn nach hinten und hat einen ausgedehnteren Peritonealüberzug als die beiden anderen Stücke. Das absteigende Stück geht vor der rechten Niere in der Höhe Absteigendes stüek des 2. und 3. Lendenwirbels, sich leicht der Medianlinie zuwendend, ' nach abwärts. Vor der unteren Hälfte des absteigenden Stückes ist das Colon ascendens gelagert, dessen Flexur ziemlich genau in die Mitte dieses Stückes fällt. Diese Vorlagerung des aufsteigenden Colons ist auch die Ursache, wesshalb nach Eröffnung des Unterleibs von dem absteigenden Stück nur wenig zu sehen ist, nämlich

704

Der Bauch.

nur der obere Theil, dessen vordere Fläche noch eine Peritonealüberkleidung hat, während der untere, auf welchem das Colon aufliegt, ganz peritoneal frei . ist. An der Flexur des rechten Colons, also in der Mitte des absteigenden Stückes, beginnt auch bereits das Mesocolon transversum, und hinten mündet gleichfalls in der Mitte des absteigenden Stückes der Ductus coledochus und der Ductus pancreaticus major mit einer Oeffnung, die, unter einer Querfalte der Schleimhaut gelagert, als Diverticulum V a t e r i bekannt ist. Der Ductus pancreaticus minor, der mit dem major in dem Kopfe des Pancreas in directer Communication steht, durchbricht gegen 2 cm über dem Divert. Vat. die hintere Wand des absteigenden Stücks, unteres QuerDas untere Querstück verlauft vor dem Körper des 3. Lendenstuck wirbels, vor der Aorta und Ven. cava infer., aber hinter der Art. mesenterica super, unter der Wurzel des Gekröses nach links und etwas nach aufwärts, kreuzt die Medianlinie und geht links von der Wirbelsäule in der Höhe des 2. Lendenwirbels in die erste Schlinge des Jejunums über. Davon, dass der Kopf des Pancreas von dem in Hufeisenform verlaufenden Duodenum oben rechts und unten umrahmt wird, war bereits die Rede.

Eingeweide der Mittelbauehgegend. Die Eingeweide der Mittelbauchgegend sind der bewegliche Theil des Dünndarms, das Jejunum und Ileum, die drei Colonstücke und das grosse Netz. Lage des grossen Netzes.

Das grosse Netz erscheint unter normalen Verhältnissen als ein viereckiger Vorhang, welcher, von der Curvatura maj. des Magens ausgehend, an das Colon transversum angeheftet, bis mehr oder weniger in die Unterbauchgegend herabhängend und mit einejn freien unregelmässigen Rande endigend, das Convolut der Dünndarmschlingen deckt. Das grosse Netz ist, wie wir sahen, von dem Quercolon an vierblättrig, eine entwicklungsgeschichtlich interessante, in praktischer Beziehung aber irrelevante Thatsache. Die Lage und das Verhalten des grossen Netzes ist vielen Schwankungen1) unter') Auch bei Thieren ist dieses der Fall, und den Haruspices dienten die Lageabweichungen des grossen Netzes als hauptsächlichste Anhaltspunkte ihrer Prophezeihungen, worauf auch der Name Omentum (abgeleitet von omen, Vorbedeutung) zurückzuführen ist.

Lage des mobilen Dünndarms

Lage der drei Colonstücke.

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worfen. So ist nicht selten ein Theil desselben zwischen die Windungen des Darmes hineingezogen, oder es ist das ganze Omentum majus so nach oben umgekrämpt, dass das Dünndarmconvolut, auch Darmbouquet genannt, frei der vorderen Bauchwand anliegt. Auch unter normalen Verhältnissen ist das grosse Netz selten in seiner Breite gleich lang, sondern reicht in der Regel links tiefer herab, was die Thatsache erklärt, dass Leistenbrüche mit Netzinhalt auf der linken viel häufiger, als auf der rechten Seite vorkommen. Lage des mobilen Dünndarms.

Der mobile Dünndarm, das Jejunum und das Ileum, bilden ein ansehnliches Convolut von Schlingen, welche an einer grossen Peritonealfalte, dem Gekröse, aufgehängt sind. Die sogenannte Radix mesenterii beginnt an der hinteren Bauchwand in der Höhe des zweiten Lendenwirbels etwas links von der Medianlinie und zieht sich herab nach der Synchondrosis sacro-iliaca dextra. Umfasst man mit einer Hand die Wurzel des Gekröses, so tritt aus dem Bauchraum der mobile Dünndarm in Bouquetform plastisch hervor. Von seiner Wurzel breitet sich das Gekröse fächerähnlich aus und beschreibt so viele Falten, als Schlingen des Dünndarms vorhanden sind. Die verschiedenen Segmente des Mesenteriums haben eine ungleiche Länge, die von wesentlichem Einfluss auf den Grad der Beweglichkeit der betreffenden Darmschlingen ist. Die grösste Beweglichkeit fällt auf dasjenige Dünndarmstück, welches 20 bis 25 cm von dem Coecum entfernt ist, und daher, gewöhnlich bereits in der Beckenhöhle gelagert, am meisten den Inhalt von Leisten- und Schenkelhernien bildet. Lage der drei Colonstücke.

Das Colon umrahmt das Dünndarmconvolut in Form eines Kranzes, welcher nur unten nicht vollständig geschlossen ist. Das aufsteigende rechte Colon beginnt erst in dem oberen Dritttheil der Fossa iliaca dextra, steigt vor dem M. quadratus lumborum und dem sehnigen Ursprung des M. transvers. abdom. nach aufwärts und gelangt so vor den unteren Nierenpol und dann vor das absteigende Stück des Duodenums, in dessen Mitte es unter Bildung der rechten Colonflexur in das Colon transvers. übergeht. Das aufsteigende Colon besitzt als fixirtes Darmstück nur vorn und zu beiden Seiten einen peritonealen Ueberzug, während seine hintere Wand G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

45

Colon ascendens

'

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Der Bauch.

zum grössten Theil peritonealfrei und durch lockeres Bindegewebe an die unterliegenden Theile angeheftet ist. Colon transDas Colon transversum, das längste der drei Colonstücke, hat versum. z w i s c h e n den beiden fixirten Colonflexuren wegen seines langen Mesenteriums eine sehr wechselnde Lage, auf welche sowohl die hinter dem Quercolon befindlichen mobilen Dünndarmschlingen, wie sein Inhalt, namentlich die grössere oder geringere Menge von Darmgasen, von Einfluss sind. Bei den meisten Menschen bildet das Quercolon in seinem Verlaufe aus dem rechten in das linke Hypochondrium einen nach abwärts leicht convexen Bogen, der aber so stark herabgezogen sein kann, dass er bis zu der oberen Grenze des kleinen Beckens sich erstreckt, was man namentlich bei zur Melancholie geileigten Menschen beobachtet haben will. In der grossen Mehrzahl der Fälle überschreitet dieser Bogen den Nabel nicht, und als mittleres Verhalten kann man annehmen, dass die Mitte des Darmlumens des Quercolons von dem Nabel 5—6 cm entfernt ist, während dessen oberer Rand in der nächsten Nähe der grossen Curvatur des Magens liegt. Colon aescenD a s absteigende Colon beginnt an der fixirten linken Colonflexur, welche um die Höhe von zwei Wirbeln höher steht, als die rechte. Dieselbe überragt den oberen Rand der 12. Rippe und geräth dadurch in die unmittelbare Nachbarschaft der Milz, als deren untere Grenze wir den unteren Rand der 11. Rippe kennen gelernt haben. Das absteigende Colon ist etwas weiter von der Medianebene entfernt, als das aufsteigende, liegt daher nur vor der lateralen Hälfte der linken Niere und vor einem Theile der Pars costalis des Zwerchfells, weiter abwärts vor dem M. quadrat. lumbor., sowie vor dem Sehnenursprung des M. transv. abdomin. und erstreckt sich bis zur unteren Hälfte der Fossa iliaca sinistra. Es ist demnach das linke Colon beträchtlich länger, als das rechte, auch ist sein Lumen etwas enger und die Befestigung an der hinteren Bauchwand straffer. Es wird daher namentlich auch mit Rücksicht darauf, dass der linke untere Nierenpol etwas höher steht, als der rechte, die Anlage eines Anus praeter-naturalis an dem absteigenden Colon vorzunehmen sein.

Eingeweide d. Unterbauchgegend. Lage d. Blinddarms u. d. Wurmfortsatzes.

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Eingeweide der Unterbauehgegend. In der Unterbauchgegend kommen nur zwei Darmstücke in Betracht, nämlich der Blinddarm mit dem Wurmfortsatz in der rechten, und die Flexura sigmoidea in der linken Fossa iliaca. Lage des Blinddarms und des Wurmfortsatzes. Da der Dünndarm in den Dickdarm nicht terminal, sondern seitlich übergeht, so bleibt über der Mündungsstelle ein 5—6 cm langer Abschnitt des Dickdarms übrig, der abgeschlossen, d. h. blind endigt und desshalb den Namen Blinddarm, Coecum, führt. Dieses Darmstück ist der weiteste Theil des Dickdarms, und als Grenze gegen das aufsteigende Colon nimmt man am besten die Abgangsstelle der oberen Lippe, der Valvula ilio-colica, von der Darmwand an. Entsprechend dieser Grenzbestimmung ist der grössere Theil des Coecums, nämlich jener, der unterhalb der unteren Lippe der Valv. ilio-col. sich befindet, ganz von dem Peritoneum überzogen, während die hintere Wand des darüber gelegenen Theils durch ziemlich lockeres Bindegewebe an die Fossa iliaca dextra angeheftet ist. Die Nachgiebigkeit dieses Bindegewebes gestattet dem Coecum einen geringen Grad von Beweglichkeit, der so weit geht, dass der Blinddarm, der ja der Bruchgegend ziemlich nahe liegt, in seltenen Fällen Inhalt von Hernien werden kann. Das Coecum nimmt im leeren Zustand das mittlere Drittheil der Fossa iliaca dextra ein, liegt aber nicht genau in der Verticalen, sondern ist etwas nach links gewandt. Ist das Coecum mit Kothmassen ganz gefüllt, so dehnt es sich nach oben und unten aus und erstreckt sich über die ganze rechte Fossa iliaca. Diese Anhäufungen von Kothmassen in dem Coecum sind bei zur Verstopfung geneigten Personen gar nicht selten, und bei höheren Graden derselben ist in der rechten Fossa iliaca eine harte höckerige unbewegliche Geschwulst zu fühlen, die, anfangs schmerzlos, mit der Zeit, namentlich gegen Druck, schmerzhaft werden kann, wenn es in Folge der mechanischen, durch den Druck der harten Kothmassen veranlassten Reizung zur Perityphlitis kommt. Von dem unteren blinden Ende des Coecums geht etwas nach hinten und einwärts eine divertikelartige Verlängerung des Darmrohres ab, welche durchschnittlich nur 4 mm dick und .6 — 9 cm lang ist. Dieselbe ist vollständig von dem Peritoneum überzogen, und von ihrem Mesovermium, sowie von dem mit letzterem in Beziehung stehenden Recessus ilio-coecalis war bereits früher bei dem 45*

coecum.

Processus dung.

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Der Bauch.

Peritoneum die Rede. Der Wurmfortsatz ist, da er ein Gekröse besitzt, mobiler als das Coecum und bildet in nicht gerade seltenen Fällen den Inhalt von Hernien. Derselbe ist eines der variabelsten Gebilde des menschlichen Körpers. Bald ist er sehr dick und lang, bald dünn und dabei lang oder kurz. Unsere Sammlung besitzt ein in aufgeblasenem Zustand getrocknetes Präparat, an welchem der Wurmfortsatz durch einen Hohlkegel von nur 5 mm vertreten ist. In ganz seltenen Fällen kann der Wurmfortsatz auch vollständig fehlen. An der Grenze von Coecum und Wurmfortsatz findet sich eine halbmondförmige Falte der Schleimhaut, welche den Eingang in dieses divertikelartige Darmstück beträchtlich verengert und die in dem kindlichen Alter besonders gut entwickelt ist. Von dem 15. Jahre an wird diese Falte niedriger und verstreicht ganz allmählig, so dass nach dem 50. Lebensjahre in der Regel wenig mehr davon zu sehen ist. Weder die vergleichende Anatomie und Embryologie noch die Physiologie kann eine befriedigende Erklärung des Wurmfortsatzes geben, dagegen hat derselbe eine hohe pathologische Bedeutung wegen der in demselben sich bildenden Kothconcremente. Diese letzteren sind immer von concentrischem Bau und enthalten ziemlich constant in ihrem Centrum einen Fremdkörper, meist Kerne von Beerenobst, oder die verschluckte Borste einer Zahnbürste, um welche sich concentrisch der verhärtete Koth angelagert hat. Bei dem Mangel genügender peristaltischer Bewegung des Wurmfortsatzes, welche hartnäckige Verstopfung begleitet, nimmt der Kothstein durch Apposition des eintretenden und in dem Dickdarm viel Wasser verlierenden Kothes an Masse zu und wird, wenn er eine gewisse Grösse erreicht hat, auch bei wieder eintretender Peristaltik des Wurmfortsatzes letzteren nicht mehr verlassen können. Der Grund davon liegt darin, dass er die am Eingang des Wurmfortsatzes durch die erwähnte halbmondförmige Schleimhautfalte verengerte Stelle nicht mehr passiren kann, während durch dieselbe halbflüssiger Koth immer noch in den Wurmfortsatz gelangt und zur Vergrösserung des Kothsteines beiträgt. Der auf diese Weise incarcerirte und sich stets vergrössernde Kothstein wird durch Druck auf die Wand des Wurmfortsatzes Entzündung, Verschwärung uud schliesslich Perforation mit ihren Folgen veranlassen. Dass die halbmondförmige Schleimhautfalte an dem Eingang in den Wurmfortsatz ein wesentliches, mechanisch wirkendes Moment bei der Kothsteinbildung abgibt, wird auch dadurch erhärtet, dass die letztere nur in jugendlichem Alter, in welchem diese Falte am stärksten

Lage deB Blinddarms und des Wurmfortsatzes.

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entwickelt ist, häufig auftritt und schon bei Personeil, die das 30. Jahr überschritten haben, zu den Seltenheiten gehört. In der Höhe der durch die Spina anter. super, oss. ilei gelegten Fiexura sighorizontalen Ebene, also gegen die Mitte der linken Fossa iliaca, moideaerhält der Dickdarm wieder ein Gekröse, welches alsbald eine Länge von durchschnittlich 20 cm erreicht und an dem Promontorium, dem Beginn des wieder fixirten Mastdarms aufhört. Dadurch erhält der Dickdarm die unter dem Namen der Flexura sigmoidea bekannte Darmschlinge, welche verschieden lang die Mitte der Unterbauchgegend einnimmt und sehr oft in das kleine Becken herabreicht. Dieselbe bildet neben den Schlingen des Dünndarms und dem grossen Netz den häufigsten Inhalt von Brüchen.

Das Becken. Die systematische Anatomie unterscheidet zwischen grossem und kleinem Becken; in der topographischen wird dieser Unterschied hinfällig, da das grosse Becken die Unterlage der Fossa iliaca bildet, demnach topographisch in den Bereich der Bauchhöhle fällt. Obgleich Bauchhöhle und Beckenhöhle continuirlich in einander übergehen, und demnach Contenta der einen Höhle in die andere einund austreten können, so sind sie an dem Knochen doch durch eine scharf ausgeprägte Grenze geschieden. Hinten ist diese Grenze gegeben in dem Promontorium, seitlich in der Linea arcuata interna der Darmbeine, und vorn in dem Pecten pubis, sowie in dem oberen Rande des Schambeinknochens zwischen Tubercul. und Symphysis oss. pubis.

Das knöcherne kleine Becken.

Beckenneigung.

Das kleine Becken besteht aus dem Kreuz- und Steissbein, dem unteren Theile der Darmbeine, den Scham- und Sitzbeinen. Diese Knochen sind durch drei Halbgelenke, die Symphysis oss. pubis und die beiden Symphys. sacro-iliacae zu einem knöchernen Ring verbunden, dessen vordere Hälfte vermittelst der Pfannen von den Köpfen beider Oberschenkelknochen getragen wird, während das hintere Glied des Ringes das Kreuzbein, die Wirbelsäule und damit den Rumpf trägt. Aus diesem Verhältniss ergibt sich die mechanische Notwendigkeit, dass bei der aufrechten Stellung des Menschen die Grenze zwischen grossem und kleinem Becken nicht in die horizontale Ebene fallen kann, da sonst der schwere Rumpf einfach nach hinten um-

Das knöcherne kleine Becken.

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kippen' müsste. Der obere Rand des vorderen Ringsegmentes muss, um die aufrechte Stellung mechanisch zu ermöglichen, beträchtlich tiefer stehen, als der des hinteren. Dieses ist in der That auch der Fall; denn wenn bei aufrechter Stellung von dem oberen Rande der Schambeinfuge eine Horizontale nach rückwärts gezogen wird, so trifft sie nicht das Promontorium, sondern fällt in die Grenze zwischen Kreuz- und Steissbein (Fig. 133 Linie ac). Diese mit der Horizontalebene nicht übereinstimmende Lagerung des Beckens im Räume nennt man ßeckenneigung, und als Maass für die Grösse dieser Neigung wird der Winkel dienen, welchen die Ebene des Beckeneingangs (Fig. 133 Linie ab) mit der Horizontalebene bildet. Dieser Winkel beträgt 60 bis 65°; er wächst mit der geraden Haltung des Körpers und erreicht sein Maximum in der strammen militärischen Stellung, d. h. wenn der mit seiner Rückenfläche an eine verticale Wand gelehnte Körper diese Wand nur mit Kopf und Becken, nicht aber mit dem Rücken berührt. Kleiner wird der Neigungswinkel des Beckens auch bei aufrechter Körperstellung, wenn der Kopf nach vorn hängt, und der Dorsaltheil der Wirbelsäule nach hinten mehr oder weniger convex wird. Ganz verschwindet der Neigungswinkel des Beckens in sitzender Stellung, namentlich wenn der Rücken an einer Lehne anliegt; dann ruht das Becken auf drei festen Punkten, den beiden Sitzbeinhöckern und dem Kreuzbein; daher wird in dieser Stellung die Ebene des Beckeneinganges mit der Horizontalebene zusammenfallen. Die Beckenneigung hat zur Folge, dass die Schwerlinie des Rumpfes, d. h. jene von dem vor der Wirbelsäule in der Höhe des Schwertfortsatzes gelegenen Schwerpunkt des Rumpfes nach abwärts gezogene Verticale sich sehr bedeutend jener frontal gestellten Beugungs- und Streckungsachse nähert, auf welcher der Rumpf balancirt. Diese Achse geht frontal durch die Mitte des Pfannengelenks. Würde die Schwerlinie des Rumpfes von dieser Achse entfernter liegen, so wären weit stärkere Muskelkräfte nöthig, um den Rumpf auf seiner Unterlage, d. h. den beiden Oberschenkelknochen, im Gleichgewicht zu erhalten. Ein weiteres Mittel, welches dem Zurücksinken des Rumpfes entgegenwirkt, ist in den Lig. ilio-femoralia (Bertini) gegeben, welche bei dem Hüftgelenk erörtert werden sollen. Der knöcherne Ring, dessen obere nach der Bauchhöhle bereits Knöcherner angegebene Grenze als Beckeneingang, und dessen unteres an dem Beckenring. Schambogen, den Sitzbeinknorren und dem Steissbein gegebenes Ende als Beckenausgang bezeichnet wird, ist nur gegen 5 cm

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Das Becken

abwärts von seiner oberen Grenze als ein vollständig knöcherner vorhanden. Von da an ist er wirklich ganz knöchern nur in seinem hinteren Segmente, dem Kreuz- und Steissbein, welche sich aber nach abwärts stark verschmälern, sowie in den beiden seitlichen Segmenten, welche sich von der Linea arcuata interna am Beckeneingang bis zu den Sitzbeinhöckern erstrecken, aber gleichfalls nach abwärts immer schmäler werden. Diese seitlichen Segmente sind ausserdem in Folge des Vorhandenseins von zwei grossen Löchern, Foramina obturata genannt, unvollständig knöchern. Diese grossen Lücken in der Knochensubstanz der seitlichen Segmente sind geschlossen einmal durch die Membrana obturatoria, die nur in dem oberen vorderen Theile des For. obturat. die Oeffnung nicht vollständig verdeckt, indem hier zum Durchgang der Vasa und des Nerv, obturat. der sogenannte Canalis obturat. offen bleibt, und dann durch zwei mächtige Muskelmassen, den M. obturat. ext. und int., von welchen ersterer die äussere, letzterer die innere Oberfläche der Membr. obtur. deckt. Zwischen diesen seitlichen Segmenten und dem Kreuzbein existirt ein grosser knochenfreier Ausschnitt, der durch die in denselben vorspringende Spina des Sitzbeins in eine obere grössere und in eine untere kleinere Abtheilung zerfällt, in die Incisura ischiadica major und minor. Durch starke Bandmassen, welche sowohl von dem Tuber, wie von der Spina ossis ischii rückwärts und medial zu dem Kreuzbein treten, wird diese grosse Lücke in dem knöchernen Beckenringe theilweise verschlossen und dadurch die beiden ischiadischen Incisuren in wirkliche Foramina umgewandelt, welche hauptsächlich durch Fleischmassen, die grosse durch den M. pyriformis, die kleine durch den M. obturat. int., ausgefüllt werden. Vor den knöchernen seitlichen Segmenten befindet sich ein grosser winkelförmiger Knochenausschnitt, der Schambogen, dessen nach oben sehende Spitze unter die Symphysis oss. pubis fällt. Die Höhe des knöchernen Beckenrings entspricht daher in der vorderen Medianlinie der Symphysenhöhe, welche durchschnittlich bei dem Manne 54, bei der Frau dagegen nur 45 mm beträgt. Der Schambogen ist derjenige Theil des Beckens, welcher am wenigsten solid geschlossen ist. Die Verschlussmittel sind hier gegeben in dem unmittelbar unter der Symphyse befindlichen Lig. arcuatum und weiter abwärts in dem nicht sehr starken und nach ab- und rückwärts schwächer werdenden Lig. triangulare, in welches auch quergestreifte Skelettmuskeln eintreten, wesshalb dasselbe auch Diaphragma uro-

Das knöcherne kleine Becken.

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genitale genannt wird. Dieses dreieckige Verschlussmittel des Schambogens ist bei beiden Geschlechtern durch die Harnröhre und bei der Frau auch noch durch die weite Mutterscheide durchbrochen. Die drei knöchernen Constituentien des Beckens sind erst von dem 17. Jahre an wirklich knöchern vereinigt. Bei dem Kinde findet nur eine aus hyalinem Knorpel bestehende Vereinigung der drei Knochen statt unter der bekannten y-förmigen Gestalt, welche in den Bereich der Pfanne fällt. Die knöcherne Vereinigung wird durch das Auftreten von Knochenkernen eingeleitet, von welchen der erste gewöhnlich an dem Vereinigungspunkte der drei Knorpelsuturen entsteht. Das erste Auftreten dieser Knochenkerne fällt meist erst in das 12. Lebensjahr, und die knöcherne Verschmelzung gegen das Ende des 16. oder in das 17. Jahr. Unter Beckenachse versteht man jene von der Mitte des Beckeneingangs zu der Mitte des Beckenausgangs gezogene Linie, welche sich stets gleich weit von den Wandungen des Beckens entfernt hält und senkrecht sowohl zu der Ebene des Beckeneingangs wie zu jener des Beckenausgangs steht. Da nun die letztere, wenn auch individuell verschieden, von der Horizontalebene nicht sehr stark abweicht, die erstere dagegen schräg in der Richtung von oben und hinten nach vorn und unten gelegt ist, so kann die Beckenachse keine gerade, sondern muss nothwendig eine Bogenlinie sein, deren Concavität nach vorn gerichtet ist (Fig. 133 Linie fg). Zieht man mit dem Punkte, mit welchem die Beckenachse den Beckeneingang berührt, eine Tangente (Fig. 133 Linie e h), so trifft dieselbe nach oben und vorn den Nabel, nach unten und hinten die Spitze des Steissbeins. Legt man dagegen eine Tangente an den Punkt der Beckenachse, womit sie den Beckenausgang berührt (Fig. 133 Linie b g), so trifft dieselbe, in annähernd verticaler Richtung verlaufend, nach oben das Promontorium, während sie nach unten zwischen den beiden unteren Extremitäten zu dem Boden gelangt. In keinem Theile des Skeletts ist der Geschlechtsunterschied so scharf ausgeprägt als in dem Becken, und zwar sowohl rücksichtlich der Gestalt wie der Dimensionen. Im Allgemeinen kann man die Geschlechtsdifferenz des Beckens so ausdrücken, dass bei der Frau sämmtliche Beckendurchmesser länger sind, und die Beckenachse beträchtlich kürzer ist, als bei dem Manne. An dem weiblichen Becken sind die Knochen, namentlich die Darmbeine, dünner, und die von den Muskelansätzen herrührenden Veränderungen weniger scharf hervortretend. Das grosse Becken ist bei dem Weibe

Knöcherne verBeckenknodien

Beckenachse.

Geschiechtsliehem u. weibIichem Becken

-

714

Das Becken.

niedriger in Folge der mehr horizontalen Lage der Darmbeinschaufeln, und die Spin. ant. sup. stehen weiter von einander ab, als bei dem Manne. Der Beckeneingang ist bei dem Weibe mehr querelliptisch, bei dem Manne wegen des stärker hervorspringenden Promontoriums mehr kartenherzförmig. Die concave vordere Fläche des Kreuzbeins zeigt bei beiden Geschlechtern in der Höhe des 3. Kreuzbeinwirbels eine winkelförmige Ausbiegung nach hinten, welche aber in

Flg. 138. Schematische Darstellung des Neigungswinkels des Beckens und der Beckenachse. a—b Conjugata vera. SteisBbeinspitze (Conjugata des Beckena—c Horizontale, gelegt durch den oberen ausgangs), Rand der Symphyse, f—g Beckenachse. x Neigungswinkel des BeckenB. e—h Tangente zu dem oberen Ende der d—e Verbindungslinie zwischen dem unBeckenachse, teren Rand der Symphyse und der b—g Tangente zu dem unteren Ende der Beckenachse.

dem weiblichen Becken stärker ausgesprochen und von der Scheide aus sogar fühlbar ist. Bei beiden Geschlechtern nimmt die Weite der Höhle des kleinen Beckens gegen den Ausgang ab, d. h. der Eingang ist weiter als der Ausgang; bei dem Manne ist aber diese Abnahme viel bedeutender als bei dem Weibe, so dass die untere Apertur des weiblichen Beckens absolut und relativ weiter ist. Damit steht in Verbindung, dass der Abstand beider Sitzbeinhöcker bei der Frau grösser, die Höhe der Schambeinfuge geringer ist, und

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Das knöcherne kleine Becken.

der Schambogen einen grösseren Winkel darstellt als bei dem Manne, was sich auch ausspricht in der Verschiedenheit der ovalen Foram. obturat., deren Längsdurchmesser bei der Frau kürzer, während der quere Durchmesser länger ist, als bei dem Manne. Der Schambogen bildet bei der Frau einen stumpfen, bei dem Manne einen spitzen Winkel, und bei dem letzteren erscheint die Winkellinie entschieden gebrochen, bei der ersteren dagegen stark abgerundet. Einen kleinen Beitrag zur grösseren Weite der unteren Apertur des weiblichen Beckens liefert auch das Steissbein, welches kürzer ist und höher steht, als bei dem Manne; denn während der Winkel, welchen die von dem unteren Rande der Symphyse zur Steissbeinspitze gezogene Linie (Fig. 133 Linie de) mit der horizontalen Ebene bildet, nur 6—10" bei dem Manne beträgt, vergrössert sich derselbe bei der Frau auf 20—30°. Den Unterschied des männlichen und weiblichen Beckens übersieht man am besten durch Vergleichung der Durchschnittszahlen von K r a u s e , welche ich hier beifüge. 1. Durchmesser des Beckeneingangs, von der Symphyse bis zu dem Promontorium sich erstreckend 2. Querdurchmesser des Beckeneingangs . 3. Schiefer Durchmesser von dem Tubercul. ilio-pub. der einen bis zur Synchrodosis sacro-iliaca der anderen Seite sich erstreckend 4. Querdurchmesser des Beckenausgangs, d. h. Abstand beider Sitzbeinhöcker . 5. Höhe der hinteren Beckenwand, d. h Sehne derBogenlinie zwischen Promontor und Steissbein 6. Höhe der Schambeinfuge

Mann

Frau

108 mm 128 »

115 mm 135 »

122 »

126

81

108

142 54

128 45

Die Beckenhöhle ist die einzige Höhle des Rumpfes, in welche der untersuchende Finger und selbst die Hand eindringen kann, und zwar sowohl durch die Scheide wie durch das Rectum. Wegen der grösseren räumlichen Ausdehnung des weiblichen Beckens gelingt es, bei der Frau die Hand so hoch in den Dickdarm hinaufzuschieben, dass der Nabel von innen gefühlt werden kann (Simon). Das Becken gibt allen Muskeln,' welche den Oberschenkel in der Pfanne bewegen und wozu die mächtigen Fleischmassen gehören, die das Gleichgewicht des Rumpfes auf seinen Stützpunkten

Möglichkeit der Einführung des Fingere und der Hand in dos Becken.

Vorspringende fühlbare Knochenpunkte des kleinen Beckens.

716

Fracturen er Beckenknochen.

Das Becken.

erhalten, ihren Ursprung, mit Ausnahrae des Psoasmuskels. Dasselbe ist desshalb so allseitig von dicken Fleischlagen bedeckt, dass nur einzelne Knochenvorsprünge durch, die Haut zu fühlen sind. Die fühlbaren Knochentheile des kleinen Beckens sind das Tuberculum pubis, die Schambeinfuge, die Sitzbeinhöcker, das Kreuz- und das Steissbein. Wegen dieser mächtigen Umhüllungen des Beckens kommen 6 &

6

Fracturen der Beckenknochen nur in Folge von Einwirkung sehr intensivér mechanischer Gewalten vor, und aus demselben Grunde ist das wesentliche Zeichen der Fracturen, die Crepitation, nur schwer zu constatiren. Was die Brüche der Beckenknochen ferner betrifft, so unterscheidet man die Brüche der Knochenvorsprünge von jenen des Beckenrings. Von den ersteren sind am häufigsten die der Darmbeinschaufeln, seltener die des Steissbeins und am seltensten die der Sitzbeinhöcker. Rücksichtlich der Fracturen des Beckenrings ist zu beachten einmal, dass vorn in der Nähe der Schambeinfuge der Ring oberhalb der Foram. obturata am dünnsten ist, und dann, dass das Kreuzbein, als aus spongiöser Knochensubstanz bestehend, ein weniger festes Gefüge hat, und ferner, dass die Cohäsionskraft dieses Knochens durch die zahlreichen Foram. sacralia anter. und poster. noch weiter gemindert ist. Die Brüche des Beckenrings sind am häufigsten vorn in der Nähe der Schambeinfuge sowohl bei sagittal, wie frontal einwirkenden Gewalten. Bei sagittal direct von hinten wirkenden Gewalten kommt es auch zu Brüchen des Kreuzbeins; ausserordentlich selten sind Brüche der Seitensegmente des Beckenrings. Diese Fracturen sind übrigens meistens von schweren Verletzungen der Beckenorgane, der Blase und Harnröhre begleitet und geben daher die allerungünstigste Prognose.

Topographische Eintheilung des Beckens. Wie bei der Brust und dem Unterleib, werden wir auch bei dem Becken zuerst die Beckenwand und hierauf die Lage der in dem Becken befindlichen Organe betrachten. Da das Becken auch die Gürtelknochen der unteren Extremitäten darstellt, diese aber weit inniger in den Rumpf eingefügt sind, als die oberen, so tritt die ausgedehnteste Wand des Beckens, die seitliche, in so nahe Beziehungen zu der unteren Extremität, dass es vorzuziehen ist, die seitliche Beckengegend als Regio glutaea der unteren Extremität zuzuweisen. Es bleiben für die topographische Behandlung des Beckens

Topographische Eintheilung des Beckens.

Regio uro-genitalis des Mannes.

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nur drei Gegenden übrig: die vordere, welche als Regio uro-genitalis eine nach dem Geschlechte gesonderte Darstellung erfordert; die untere, welche wegen ihres wichtigsten Inhaltes, des Afters, als Regio analis bezeichnet wird, und die hintere, die nach den hier stark vorspringenden Knochen den Namen Regio sacro - coccygea führt. Die Grenze zwischen Reg. uro-genitalis und analis ist in der horizontalen Verbindungslinie zwischen den vordersten als Hervorragung fühlbaren Punkten beider Sitzbeinhöcker, die wir als Linea interischiadica bezeichnen wollen, gegeben, und als Grenze zwischen Reg. analis und sucro-coccygea wird die durch die Haut immer fühlbare Spitze des Steissbeins zu betrachten sein.

Regio uro-genitalis des Mannes. Die obere Grenze der Reg. uro-genitalis stellt der Knochenrand Grenzen, des kleinen Beckens dar, welcher sich zwischen den Tuberc. pubis beider Seiten befindet Dieser Knochenrand trennt die Gegend von der Reg. hypogastr. medial, des Unterleibs. Die seitliche Begrenzung der Gegend bildet eine nach der Medianlinie zu convexe Furche, die sich von dem Tuberc. pubis bis zu dem medialen Rande des Tuber oss. ischii erstreckt, und welche die Gegend von der inneren Fläche des Oberschenkels scheidet. Die hintere Grenze zwischen der Reg. uro-genital. und analis ist, wie bereits erwähnt, in der Linea interischiadica gegeben. Was die äussere Configuration der Gegend betrifft, so fallen Aeussere conzunächst zwei übereinander gelagerte weiche Verlängerungen des flgurationRumpfes in die Augen, die von dem topographischen Standpunkte aus gleichsam als die Vorwerke der Gegend bezeichnet werden können. Das vordere Vorwerk besteht in einem Zapfen, welcher die Harnröhre einschliesst, die an der Spitze des Zapfens mündet. Es ist dieses der bewegliche Theil des männlichen Gliedes, der Penis mobilis. Derselbe ruht in dem nicht erigirten Zustande auf einem in der Mitte eingefurchten Hautbeutel, Scrotum genannt, welcher zur Lagerstätte der beiden männlichen Geschlechtsdrüsen, der Hoden, dient und nach unten halbkugelig abgerundet ist. Während unten der Penis das Scrotum überragt, springt dasselbe rechts und links von dem Penis vor. Das obere vordere Grenzgebiet der Reg. uro-genital. ist leicht gewölbt und mit den Schamhaaren besetzt. Die Wölbung geht allmählig in die sogenannte Wurzel des beweglichen Penis über, und neben derselben sind durch die Anfänge der nachgiebigen

718

Das Becken.

Scrotalhaut die Samenstränge durchzufühlen, charakterisirt durch die Härte des darin befindlichen Vas deferens. In der aufrechten Körperstellung fällt die hintere Wand des Scrotums in eine Verticale, welche von dem untersten Punkte der Schambeinfuge nach dem Boden gezogen wird. Der hinter dem Scrotum gelegene Theil der Reg. urogenital., Damm, Perineum genannt, ist in der aufrechten Stellung eingeengt, erweitert sich aber nach den Sitzbeinhöckern zu. Derselbe lässt sich jedoch nur bei der Bauchlage des betreffenden Individuums, wobei zugleich das Becken durch eine Unterlage bedeutend gehoben ist, genauer übersehen. Nach der hinteren Grenze der Gegend zu erscheint dann in der Medianlinie eine Wölbung, welche zur Unterlage den Bulbus corpor. cavernosi urethrae hat. Betrachten wir nun zunächst die beiden Vorwerke der Gegend, den Penis mobilis sowie das Scrotum, dann das eigentliche Perineum und als Schluss die mit dem Perineum topographisch in nächster Beziehung stehende männliche Harnröhre. Penis mobilis.

verhäitniss des Der in dem Perineum fixirte Theil des Penis geht in den mobilen 'flxi'rt^n Theitr u n t e r einem abgerundeten Winkel dadurch über, dass die Wurzel des Penis. der Pars mobilis durch das von dem Schambein kommende Lig. suspensorium nach oben gezogen wird. Die Grösse dieses Winkels hängt theils von der stärkeren oder geringeren Entwicklung dieses Bandes, hauptsächlich aber von dem Hodensack ab; springt derselbe stark vor, so wird der Winkel grösser, wie bei Kindern; hängt der Hodensack aber, wie bei dem Erwachsenen, herab, so bildet die Pars mobilis mit der fixa einen kleineren Winkel, der aber jeden Augenblick durch Annäherung der Eichel an den Nabel zum Verschwinden gebracht werden kann und ebenso bei dem Uebergang des Penis aus dem schlaffen in den erigirten Zustand aufgehoben wird. Corpora caverDer Penis mobilis besteht a.us den beiden Corpora cavernosa nosa des Penis penis von leicht ovalairem Querschnitt und dem Corp. cavern. urethrae, und der Harnröhre. welches, beträchtlich kleiner, sich in die untere weitere Furche der beiden ersteren einlegt und wenigstens in nicht erigirtem Zustand einen mehr dreieckigen als runden Querschnitt besitzt. Die in dem Corp. cavern. urethrae befindliche Harnröhre liegt in demselben nicht centrisch, sondern dem oberen Rande dieses Schwellkörpers etwas näher, als dem unteren. Die aus verdichtetem, an elastischen Fasern aber sehr reichem Bindegewebe bestehende Membran, welche das hauptsächlich aus glatten Muskeln bestehende Schwellgewebe nach

Regio uro-genitalis des Mannes.

Penis mobilis.

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aussen abgrenzt, ist in den Corp. cavern. penis bedeutend dicker und stärker, als in dem Schwellkörper der Urethra. Beide Corp. cavern. penis sind durch ein starkes Septum von einander geschieden und laufen in ihren vorderen Enden kegelförmig zugespitzt aus. Das Corp. cavern. urethrae endet dagegen vorn mit einer beträchtlichen Anschwellung, der konisch gestalteten Eichel (Fig. 135). Die Basis der Eichel ist in der Art schräg gestellt, dass der Die Eichel des Peni8 dorsale vordere Rand derselben von der Eichelspitze viel weiter ' entfernt ist, als der untere hintere. Die Basis selbst ist nicht eben, sondern concav, wesshalb der abgerundete Rand derselben, Eichelkrone genannt, den Schwellkörper der Harnröhre nicht nur unten etwas, sondern noch vielmehr oben überragt, wodurch die Eichel die Gestalt eines Helmes erhält, der nach hinten (an der Eichel dorsal) zu dem Schutze des Nackens verlängert erscheint. Unter diese dorsale Verlängerung schieben sich die vorFig. 134. deren Enden der beiden Corp. cavern. Querschnitt des Penis. penis ein und sind fest mit der Eichel 1 Haut. 2 Laxes Unterhautbindegewebe. verwachsen. 3 Fascia penis. Mündung der An der Spitze der Eichel, welche, 4 Fibröse Hülle der Schwellkörper Penis. Harnröhre. wie das Corp. cavern. uret., von der 5 des Corp. cavern. penis. Harnröhre durchbohrt ist, findet sich 6 Corp. cavern. urethrae. 7 Urethra. die Mündung der letzteren, jedoch mehr 8 Vena dorsalis penis, neben derselben beide Art. dorsales und nach unten als dem Rücken des Penis lateral von diesen die Nerv, dorzugewandt. Dieselbe erscheint in der sales penis. Regel als lineare verticale Längsspalte, an deren unterem Ende sogleich rechts und links die hier nur noch schwach prominirenden Ränder der Basis der Eichel, d. h. die Eichelkrone, gedeckt von dem Frenulum, beginnt. Uebrigens kommen an dem Orificium cutaneum uret. mannigfache individuelle Verschiedenheiten vor, und dasselbe ist bisweilen so eng, dass bei Einführung des Katheters eine Erweiterung nöthig wird. Die drei den Penis mobilis constituirenden cavernösen Körper Fascia penis. sind von einer gemeinsamen, knapp anliegenden Hülle umschlossen, welche Fascia penis genannt wird. Dieselbe besteht aus verdichtetem, an elastischen Fasern reichem Bindegewebe, hängt hinten mit Lig. suspensor. penis und dem hochliegenden Blatt der Fase, perinei zusammen, während sie vorn dünner wird und unter der Eichelkrone

720

Das Becken.

endet, wesshalb sie an der Bildung der Vorhaut nicht betheiligt ist. Unter und zum Theil in der Fascia penis liegt die Vena dorsalis penis in der seichten Rückenfurche zwischen den beiden Schwellkörpern des Penis. Diese klappenlose Vene führt nur das Blut aus dem Schwellgewebe der Eichel und des Corp. cavern. urethr. zurück, steht dagegen mit den Venen der Corp. cavern. penis in keiner Beziehung, welche nach Füllung dieser leicht zu injicirenden Vene auch dann gar keine Masse aufnehmen, wenn das Corp. cavern. urethr. und die Eichel durch die Injection schon vollständig erigirt sind. Diese durch das Lig. triangulare zu dem die Harnblase umgebenden Venenplexus tretende und stets einfache Vene hat an jeder Seite eine Art. dorsal, penis, einer der Endäste der Art. pudenda. Noch etwas weiter lateral liegen die von dem Nerv, pudendus stammenden Nerv, dorsal, penis, subcutanes Ueber der Fascia penis liegt formloses Bindegewebe, welches B des ' ,'1 2 Kopf des Nebenhodens. propria. 7 Tuniea vaginalis com3 Schwanz des Nebenhodens. überzogen, wesshalb 4 Vas deferens. munis. bei dem Befühlen so5 Tuniea albuginea. wohl die Consistenz, wie die Elasticität desselben geringer ist, als die des Hodens.| Eine nicht ganz seltene Anomalie, welche bei 100 Leichen 3- bis 4 mal vorkommt, ist die Inversion des Nebenhodens, welche darin besteht, dass der Nebenhode statt dem hinteren oberen, dem unteren vorderen Rande des Hodens anliegt. Entsprechend dieser anomalen Lage des Nebenhodens ist in dem Samenstrang das Vas defer. nicht in der hinteren, sondern in der vorderen Hälfte des Stranges gelagert. Unter gewissen Verhältnissen kann es wichtig werden, die Inversion des Nebenhodens an dem Lebenden zu constatiren. Man zieht zu diesem Beliufe das Scrotum mit der linken Hand stark nach vorn und fasst durch die Hodenhüllen mit Daumen und Zeigefinger der Flg. 138.

Regio uro-genitalis des Mannes.

Scrotum und Hode.

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rechten Hand den Hoden, welchen man zwischen diesen beiden Fingern hin- und herbewegt. Dabei gelingt es, die Furche zwischen Hode und Nebenhode dem Tastsinn zugänglich zu machen und dadurch, dass der Hode ein grösseres Volumen zeigt als der Nebenhode, den letzteren von ersterem zu unterscheiden. An dem Kopfe des Nebenhodens kommen auch hydatidenförmige Hydatiden des Hodens Anhänge vor, die Ausgangspunkte von Cystenbildungen werden können und die man als gestielte und ungestielte Hydatide unterscheidet. Die auf dem Kopfe des Nebenhodens sitzende gestielte Hydatide ist die seltenere und hat die embryologische Bedeutung des oberen Endes des M ü l l e r sehen Ganges. Die meist abgeplattete ungestielte Hydatide, welche nur ausnahmsweise vermisst wird, befindet sich in der Furche zwischen dem oberen Hodenpol und dem Kopfe des Nebenhodens. Dieselbe enthält gewöhnlich Fett., bisweilen aber auch durch die Gegenwart von Samenfäden charakterisirte Samenflüssigkeit und steht dann in Verbindung mit den Samencanälchen des Nebenhodens. Erweitert sich in diesem letzteren Falle die Hydatide und wird dadurch zu einer Cyste, so bildet sie die anatomische Unterlage einer Form der sogenannten Hydrocele spermatica. Der Hode entwickelt sich bekanntlich in der Bauchhöhle und Descensus testivollendet seinen durch den Leistencanal nach dem Scrotum gehenden ™lonun' Descensus erst in dem siebenten Monat der Schwangerschaft. Gar nicht selten ist aber dieser Descensus auch nach der Geburt noch nicht vollendet und bei der Untersuchung findet sich der eine oder der andere Hode noch in dem Leistencanal. Gewöhnlich vollendet sich dann der Descensus während des ersten Lebensjahres. In seltenen Fällen, die man als Cryptorchismus bezeichnet, bleibt der Hode in der Bauchhöhle zurück, und zwar meist in der unmittelbaren Nähe des inneren Leistenrings gelagert. Ein solcher Hode kann während der Pubertätsentwicklung noch seinen Descensus vollenden, oder in dem Leistencanal zurückgehalten werden, wobei eine Verwechslung mit einer Hernie nahe liegt, oder auch während des ganzen Lebens in der Bauchhöhle zurückbleiben, In den beiden letzteren Fällen tritt häufig partielle Atrophie des nicht zu seinem Standorte gelangten Hodens ein, während der andere in dem Scrotum befindliche Hode sein Volumen vermehrt (Monorchismus). Schon die Entzündung des eigentlichen Hodenparenchyms kann in Folge der Einschnürung, welche der durch Entzündung geschwollene Hode durch die Túnica albugínea erleidet, von Irradiation der Schmerzen nach dem Bauche

Das Becken.

734

und von Erbrechen begleitet sein und dadurch den Verdacht eines eingeklemmten Bruches erregen. Noch mehr ist letzteres der Fall, wenn die Entzündung einen in dem Leistencanal zurückgebliebenen Hoden befällt, wesshalb es sich empfiehlt, bei jeder eingeklemmten Leistenhernie das Scrotum auf das Vorhandensein des Hodens zu untersuchen. Perineum. Hintere Grenze

des Perineums.

Schichten des Perineums.

.

TT

1

Der hinter dem Hodensack gelegene Theil der Reg. uro-gemtalis wird Perineum, auch Damm, genannt, ein Name, der jedoch in verschiedenem Sinne gebraucht wird. Die Einen verstehen unter Perineum sämmtliche Weichtheile, welche den Verschluss der unteren Beckenapertur vermitteln, und nach dieser Annahme fiele noch unsere ganze Reg. analis in das Perineum. Andere wollen das Perineum hinten durch eine transversale Linie abgegrenzt wissen, welche den vorderen Rand der Afterspalte berührt. Da aber die Afteröffnung in der Medianlinie keine ganz constante Lage hat, sondern bei dem einen Individuum weiter nach vorn als bei dem anderen ragt, wird die hintere Grenze des Perineums unsicher, und zugleich die Einheit des M. sphincter ani ext. nicht gewahrt, indem dabei der vordere kleinere Theil dieses Muskels in den Bereich des Perineums, der hintere grössere Theil dagegen in die Analgegend fällt. Eine topographisch sichere Abgrenzung des Perineums nach hinten ist nur in der Linea interischiadica gegeben, wonach dasselbe ganz der Reg. uro-genitalis angehört. Die Schichten des Perineums sind in folgender Reihe übergelagert: e j n a n d e r 1. 2. 3. 4. 5.

Die Haut, das subcutane Bindegewebe, die Fascia perinei, die Musculatur des Perineums, die hinteren Theile der Schwellkörper des Penis und der Urethra, 6. das Diaphragma uro-genitale, 7. die Prostata, 8. der vorderste Theil der Fascia pelvis.

Haut.

Die leicht pigmentirte Haut des Perineums ist dünn und wird nach rückwärts gegen den After immer dünner, In der Medianlinie derselben befindet sich eine kleine Leiste als Fortsetzung der Raphe

Regio uro-genitalis des Mannes.

Perineum

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scroti, welche sich bis zur Afteröffnung erstreckt. In der hinteren Partie der Haut des Perineums treten meist schon die Anfänge der radiären Fältchen auf, welche die Haut der nächsten Umgebung des Afters charakterisiren. In die Bälge der kurzen Härchen der Perinealhaut münden zahlreiche Talgdrüsen, deren fettiges Sekret jedoch nicht immer die hier vorkommenden und durch Reibung bei dem Gehen bedingten Erytheme verhüten kann. Das Unterhautbindegawebe ist bei verschiedenen Individuen ver- unterhautschiedengradig fetthaltig, wodurch die Dicke des Perineums eine blnde8ewebe ' wechselnde wird. In der Medianlinie ist übrigens auch bei sehr gut genährten Personen das Fett stete weniger reichlich vertreten, als seitlich. An der hinteren Grenze des Perineums steht das Unterhautbindegewebe in continuirlichem Zusammenhang mit jener Fettlage, welche das Cavum ischio-rectum ausfüllt. In der Tiefe geht das Unterhautbindegewebe sich verdichtend in die Unterhautfascie über, welche bei mageren Individuen leicht, bei beleibten dagegen schwieriger darstellbar ist. Dieselbe steht nach vorn in directem Zusammenhang mit der Tunica dartos, seitlich mit der Unterhautfascie der Oberschenkel, während sie hinten die untere Fläche des M. levator ani überzieht und sich auf die untere Hälfte der Fase, obturatoria fortsetzt, demnach das Cavum ischio-rectum auskleidet. Die Fascia perinei, welcher von den meisten Autoren noch der fäsoih perinei. Name superficialis beigelegt wird, ist dünn und bei verschiedenen Individuen verschieden stark entwickelt, so dass die anatomische Darstellung derselben namentlich nach hinten, wo sie sich verdünnt, oft keine ganz leichte Aufgabe ist. Dieselbe hat die Gestalt eines abgestumpften Dreiecks mit der Basis nach hinten und abwärts. Der vordere abgestumpfte Theil der Fascie geht continuirlich in die Fascia penis über, welche, wie wir sahen, erst an dem Hals der Eichel ihr Ende erreicht. Seitlich ist die Fascia perinei an den vorderen Rand der Knochen des Schambogens angeheftet, hinten schlägt sie sich um den M. transversus perinei superficialis herum und tritt hier in directe Continuität mit dem Diaphragma uro genitale. Die Fascie fällt daher mit ihrem hinteren Rande an die Grenze zwischen Reg. uro genital, und analis, was in praktischer Beziehung dadurch wichtig wird, dass Abscesse diese Grenze nur selten überschreiten. Wir haben daher in der Linea interischiadica, welche genau mit der hinteren Begrenzung der Fascia perinei zusammenfällt, einen vortrefflichen Anhaltspunkt für die Beurtheilung der Frage, ob in dem gegebenen Falle eine fistulöse Oeffnung für eine Harn- oder

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Das Becken

Mastdarmfistel zu halten sei, je nachdem dieselbe vor oder hinter der Linea interischiadica liegt, ^onunfis'chk" Hat man die Fase, perinei sowohl vorn von der Fase, penis, bPCT?neumses w*0 seitlich von den Knochen getrennt und nach hinten zurück-

1 2 3 4 5 6 7 8

Spitze des Steissbeins. Sitzbeinhôcker. Sehambogen. Lig. tuberoso-sacrum. M glutaeus magnus. After. M., sphincter ani ext. M. levator ani.

Fig. 139. Muskeln der unteren Beckenapertur. 9 Corpus cavernosum ure14 thrae. 10 Corpus cavernosum penis. 15 11 M. bulbo-cavernosus. 12 M. ischio-cavemosus. 16 13 M. transversus perinei superficialis. 17 18

Diaphragma uro-genitale mit M. transversus perinei profundus. Art. pudenda. Art. haemorrhoidalls inferior. Art. transversa perinei. Endàste der Art. pudenda.

Regio uro-genitalis des Mannes.

Perineum.

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geschlagen, so treten die Muskeln in Sicht, welche das rechte und linke Trigonum ischio-bulbosum begrenzen. Die laterale Kathete dieses Dreiecks ist von dem M. ischio - cavernosus, die mediale von dem M. bulbo-cavernosus und die Basis von dem M. transvers. perinei superficial, gebildet, der, wie wir sahen, noch unter der Fase, perinei gelegen ist. Ist das Dreieck nicht mit Fett ausgefüllt, so ist in dem Grunde desselben bereits das Diaphragma uro-genitale sichtbar (Fig. 139. 14). Von diesen Muskeln ist topographisch hervorzuheben, dass der hintere Rand des M. transv. perin. superfic. zusammenfällt mit der Linea interischiadica, sowie dass an der hinteren Grenze der Reg. uro-genitalis die M. transv. perin. superfic. beider Seiten, der M. bulbo-cavern. von vorn und der M. sphineter ani ext. von hinten kommend, scheinbar ihre Fasern gegenseitig austauschen. Bei feinerer Präparation an sehr mageren Leichen läset sich indessen nachweisen, dass der Zusammenhang der vier Muskeln durch zwei sich rechtwinklig kreuzende Bindegewebestreifen vermittelt wird, von denen der schwächere, frontal gestellte nichts anderes ist, als die Umschlagsstelle der Fase, perin. in das Diaphragma uro - genitale, während der sagittale das nach hinten sich verlängernde Septum zwischen den beiden Hälften des M. bulbo-cavern. darstellt. In dieses von dem hinteren Ende des Bulbus bis in die Nähe der Aftermündung sich erstreckende und genau in der Medianlinie gelegene Septum wird bei dem medianen oder prärectalen Steinschnitt eingeschnitten. Nach Entfernung der M. ischio-cav. und des M. bulbo-cavern. sind die drei cavernösen Körper, welche sich zu dem Penis vereinigen, auch hinten blossgelegt. Die beiden Corp. cavern. penis sind mit dem Knochen in der Mitte jedes Schambogenschenkels sehr fest verwachsen, convergiren gegen einander und treten in der Höhe des unteren Symphysenrandes zusammen. In die untere Furche dieser beiden Schwellkörper ist das Corp. cavern. urethrae eingelagert, welches von dem Convergenzwinkel an, in der Medianlinie nach rückwärts verlaufend, sich zu dem Bulbus corp. cavern. urethrae verdickt, dessen hinteres Ende aber nicht frei, sondern an die untere vordere Fläche des Diaphragma uro-genitale angeheftet ist. Die Stärke des Bulbus zeigt grosse individuelle Verschiedenheiten, welche hauptsächlich mit dem Alter in Beziehung stehen. Ganz schwach bei dem Kinde, erreicht derselbe erst nach vollendeter Pubertät sein normales Volumen, das bei Greisen noch mehr oder weniger zunimmt. Mit dieser Massenzunahme nähert sich der Bulbus immer mehr der Haut G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

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corpore caver-

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Das Becken.

des Perineums und der vorderen Wand des Afters. Nach der Vereinigung der drei Corp. cavern. liegt der Penis bereits in der Wurzel des Scrotums, geht dann noch bis gegen die Mitte der Symphysenhöhe, nach oben und vorn gehalten durch das Lig. suspensor, penis, um alsdann unter einem Winkel, der etwas kleiner als ein rechter, nach abwärts zu fallen. Da der bis zu diesem Umbiegungswinkel gehende Theil des Penis keine Ortsveränderung bei der Erection erleidet, so nennt man denselben den Penis immobilis. Diaphragma Das Diaphragma uro-genitale, auch Fase, perinei profunda, uro-gemtaie. Ljg a m e n t triangulare genannt, füllt den dreieckigen Raum, dessen Katheten in den beiden Schenkeln des Schambogens und dessen Hypotenuse in der Linea interischiadica gegeben ist. Die Befestigung dieses Diaphragmas an dem Knochen befindet sich nicht an dem vorderen Rande der Schenkel des Schambogens, welcher von der Insertion der Fase, perinei eingenommen wird, sondern geschieht an einer mehr oder weniger stark entwickelten Knochenleiste (Fig. 140. 4), welche sich von dem Schambogenwinkel parallel mit dem vorderen Rande des For. obturat., aber von demselben gegen 1,5 cm entfernt, bis zu dem vordersten als Hervorragung fühlbaren Punkte des Sitzbeinhöckers (Fig. 140. 5), d. h. dem Ausgangspunkte der Linea interischiadica erstreckt. Diese bisher wenig beachtete Knochenleiste bezeichnet man wohl am besten wegen ihrer ausschliesslichen Beziehung zu dem Diaphragma uro-genitale als Crista diaphragmatica. In der Mitte dieser Knochenleiste, aber lateral vor ihr, findet sich an dem Zusammenfluss des aufsteigenden Sitz- und absteigenden Schambeinastes eine nach vorn gerichtete, gegen 1,5 cm lange Rauhigkeit (Fig. 140. 3), welche dem Corp. cavern. penis als Ursprungspunkt dient. Unterhalb dieser Rauhigkeit bis in die Nähe des Ausgangspunktes der Linea interischiadica entspringt der M. ischio-cavern. und unmittelbar darunter der M. transv. perin. superfic. Von dem Winkel des Schambogens ist das Diaphr. uro-genitale durch das Lig. arcuatum abgedrängt, beginnt aber unmittelbar unter dem letzteren rein fibrös, wobei in der Medianlinie zwischen dem Lig. arcuat. und dem Diaphr. uro-genitale eine für die Vena dorsal, penis bestimmte Lücke offen bleibt, durch welche diese Vene, gegen Druck geschützt, in das Becken gelangt, um mit dem die Prostata und Harnblase umgebenden venösen Plexus von S a n t o r i n i in Verbindung zu treten. In dem Maasse, als das Diaphr. uro genitale sich von dem Lig. arcuat. entfernt, treten in dasselbe hauptsächlich transversal verlaufende Muskelfasern ein, welche dem M. transv. perin.

Regio uro-genitalis dee Mannes.

Perineum.

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profund, angehören, wodurch dasselbe bedeutend an Dicke gewinnt. Am mächtigsten ist das Diaphr. uro-genitale an der Stelle, an welcher die Pars membranacea urethrae durch dasselbe tritt. Der Durchgangspunkt der Urethra befindet sich in der Medianlinie, 2 cm von dem

Fig. 140. Scham- und Sitzbein von der inneren Seite bei angelagertem Darmbein dargestellt. bogens, an welcher das 1 r n t e r e s Symphysenende. Corp. cavern. penis ange2 Vorderer Rand des Schamwachsen ist. bogens (Ansatz der Fascia perinei). 4 Crista diaphragmatica. :! Verbreiterte Knochen5 Vorderster fühlbarer Punkt rauhigkeit des Schamdes Sitzbeinhöckers. 10 Vorspringender Pfannenrand, durch das Foramen

C Andeutung der Vereinigung der drei Componenten des Hüftbeins. 7 Foramen obturatum. 8 Tuber ossis ischii. 9 Spina ossis ischii. obturatum gesehen.

Schambogenwinkel entfernt. Unterhalb der Urethra, welche in ihrem membranösen Theil auch von kreisförmig verlaufenden quergestreiften Muskelbündeln umgeben ist, wird das Diaphragma weniger reich an Muskeln und allmählig beträchtlich dünner, so dass es da, wo es 47*

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DaB Becken.

an den M. transv. perin. superfic. herantritt, nur die Beschaffenheit einer dünnen Bindegewebemembran hat. An diesem seinem unteren, hinteren Rande steht das Diaphragma mit zwei hier gleichfalls stark verdünnten Fascien in unmittelbarer Continuität, und zwar unten und vorn in seiner ganzen Ausdehnung mit der Fascia perinei, hinten und oben mit dem unteren Ende der Fascia rectovesicalis, einem Theilglied der Fascia pelvis (Fig. 151. 14). Der untere Rand der Fase, recto-vesicalis verschmilzt jedoch nicht in der ganzen Ausdehnung der Linea interischiadica mit dem dieser Linie vollkommen parallelen freien Rande des Diaphr. uro-genitale, sondern rechts und links bleibt für den Durchgang der am weitesten nach vorn entspringenden Bündel des M. levator ani Raum frei, welche dadurch von dem Arcus tendineus der Fase, pelvis rückwärts zu dem M. sphincter ani ext. gelangen können. Die obere hintere Fläche des Diaphr. uro-genitale wird unmittelbar von der Prostata tangirt (Fig. 143 und 149), und an die untere vordere Diaphragma uro-genitale nach einem durch die Ebene Fläche ist, wie wir sahen, . des Schambogens gelegten Schnitte einer kindlichen Leiche. das hintere Ende des Bulbus 5 C o o p e r ' s c h e Drüsen. 1 Symphyse. corp. cavern. urethrae an2 Schambogen. 6 After. 3 Diaphragma uro-geni- 7 Bündel des M. levator geheftet (Fig. 151). In die tale. ani. Substanz des Diaphr. uro4 Harnröhre. genitale sind, rechts und links, etwas abwärts von der Durchtrittsstelle der Harnröhre, die Cooper'schen Drüsen eingelagert (Fig. 141. 5). Da die Prostata dem Diaphragma anliegt, so kann die Pars membranacea urethrae erst an der oberen hinteren Fläche des Diaphr. uro-genitale beginnen. Die gegen 1,5 cm betragende Länge dieser Abtheilung der Harnröhre wird dadurch erklärlich, dass dieselbe das Diaphr. in seinem dicksten, 9—10mm mächtigen Theile durchsetzt, sowie dadurch, dass die aus dem Diaphragma hervortretende Harnröhre von oben her in das Corp. cavern. urethrae gelangt, wobei zu berücksichtigen ist, dass die obere Fläche dieses Schwellkörpers nicht wie sein Bulbus

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Perineum.

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dem Diaphr. hart anliegt, sondern mit demselben einen spitzen Winkel bildet, den die Urethra noch als membranacea zu durchlaufen hat. Hinter, oder besser über dem Diaphr. uro-genit. hegt die Prostata und zu beiden Seiten derselben die vorderen Ursprungsbündel des M. levator ani (Fig. 142. 13). Die Prostata besteht nur zum kleineren Theile aus acinöser Drüsensubstanz, zum grösseren aus glatter und quergestreifter Musculatur, welche in nächster Beziehung l

1 2 3 4 5 6 7

Fig. 142. Frontaler Schrägschnitt durch das kleine Becken zwischen Blase und Diaphragma uro-genitale des Mannes. Schambeinfuge. 8 M. glutaeus magnus. 15 Fibröse Kapseid. Prostata Horizontaler Ast d. Scham9 Crena ani. von R e t z i u s . beins. 10 Mastdarm. 16 Fascia recto-veslcalls. Canalis obturatorius mit 11 Lig. arcuatum. 17 M lerator ani. Gefässen und Nerven. 12 Plexus venosus Santorini. 18 Rested.M. sphinct. ani ext. Membrana obturatoria. 13 Prostata. 19 Fascia obturatoria. M. obturator. ext. 14 Harnröhre mit Colliculus 20 Vasapudenda, in der Fase. M. obturator. Int. seminalisunddurchschnitobturator. gelegen. Aufateig.'Ast des Sitzbeins. tenenDuctuB ejaculatoriis. 21 Cavum ischio-rectum.

zu der die Prostata durchsetzenden Harnröhre steht. Die Chirurgen nennen den in der Prostata befindlichen Theil der Harnröhre den Blasenhals, wofür die Berechtigung darin besteht, dass in der Prostata als integrirender Bestandtheil dieses Organs die Schliessmusculatur der Blase gelegen ist. Die Prostata, deren Verletzungen auffallend leicht heilen, was für die Beurtheilung des perinealen Steinschnitts von Wichtigkeit ist, hat die Gestalt eines abgestumpften Kegels, dessen hintere Fläche

Prostata,

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Das Becken.

am längsten und dessen vordere am kürzesten ist. Die Höhe der hinteren Fläche beträgt durchschnittlich 3 cm; jedoch zeigen die Grössenverhältnisse der Prostata je nach dem Alter beträchtliche Verschiedenheiten, da dieselbe auch nach der vollständigen Ausbildung des Körpers an Masse noch zunimmt und am stärksten entwickelt in dem höheren Alter gefunden wird. Die Basis der Prostata umfasst jenen Theil der Harnblase, den ich im Gegensatze zu dem Blasenhalse der Chirurgen den anatomischen Blasenhals nenne, jedoch in der Art, dass ein grösserer Theil der Basis hinter und ein kleinerer vor das Orificium vesicale urethrae zu liegen kommt. Die hintere Fläche der Prostata ist in der Medianlinie mehr oder weniger stark gefurcht, wesshalb man auch von den beiden Seitenlappen der Prostata spricht. Dieselbe liegt hart an der vorderen Wand des Rectums an und ist von derselben nur durch die Fascia recto-vesicalis geschieden. Durch dieses Lageverbältniss ist die Prostata bis zu einem gewissen Grade der Untersuchung durch den Tastsinn zugänglich , und der untersuchende Finger kann, nachdem er 3,5 cm über die äussere Afteröffnung, in welcher Höhe unter normalen Verhältnissen die hintere Fläche der Prostata beginnt, vorgedrungen, feststellen, ob Schmerz, Fluctuation oder Vergrösserung des Organs vorhanden ist. Oberhalb der hinteren Fläche beginnen, nur wenig von der Medianlinie entfernt, nach oben aber divergirend, die in der Substanz der Fase, recto-vesical. eingeschlossenen Samenbläschen, welche sich bis an das obere Ende dieser Fascie, also bis nahe an die Umschlagstelle des Peritoneums erstrecken. Medial, aber hart an den Samenbläschen liegen die Vasa deferentia, welche an dem oberen Ende der hinteren Prostatafläche in die Ductus ejaculatorii übergehen, die schräg in der Richtung von oben und hinten nach unten und vorn die Prostata durchsetzen, um in die Pars prostatica urethrae zu münden. Was die Entfernung der Harnröhre von der hinteren Fläche der Prostata betrifft, so beträgt dieselbe in der Höhe des Orificii vesical. 20 mm, in der Mitte der Prostata 12 mm und in der Nähe des Diaphr. uro-genit. 8—9 mm. Die vordere Fläche der Prostata ist in ihrem oberen Drittheil von dem vordersten Abschnitt der Fascia pelvis, d. h. von jenem Theile der Beckenbinde überzogen, welcher sich als Lig. pubo-prostat. von dem Knochen auf die Prostata umschlägt, die unteren beiden Drittheile sind durch Bindegewebe, welches stark entwickelte venöse Netze, den sogenannten Plex. venös. S a n t o r i n i einschliesst, von dem Knochen abgedrängt, während das untere Ende der vorderen

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Fläche, sowie die ganze abgestumpfte Spitze der Prostata dem Diaphr. uro-genit, anliegen. Die Seitenflächen der Prostata sind gleichfalls von dem S a u t o r i n i ' s e h e n Venenplexus umgeben und rechts und links von denselben verlaufen die vordersten Ursprungsbündel des M. levator. ani nach ab- und rückwärts. Diese Muskelfaserzüge sind jedoch von der Prostata durch fibröse Scheidewände geschieden, welche ihren Ursprung von der Fase, pelvis nehmen und nach abwärts mit dem Diaphr. uro-genit., nach rückwärts dagegen mit der Fase, recto-vesical, in Verbindung treten. Durch diese fibrösen Septa wird der von Fascien verschiedener Herkunft bewirkte Einschluss der Prostata vollendet, welchen der ältere R e t z i u s als fibröse Kapsel der Prostata beschrieb. Die Glieder dieser Kapsel sind vorn die Fase, pelvis resp. die Lig. pubo-prostatica, hinten die Fase, recto-vesical., unten das Diaphr. uro-genit. und seitlich die zwischen Fase, pelvis und Diaphr. uro-genit. eingeschobenen Septa. Die Kapsel von R e t z i u s ist nur nach oben und hinten, wo die Prostata den anatomischen Hals der Blase umfasst, nicht abgeschlossen und wird vorn zum Theil durch den Knochen vervollständigt. Fasst man die Verhältnisse der bei dem Perineum concurrirenden Fascien übersichtlich ins Auge, so kann man denselben dadurch einen kurzen Ausdruck geben, dass man sagt: Durch das Diaphr. uro-genit. wird das Perineum in zwei von fibrösen Wänden umgebene Fächer geschieden, in ein unteres, das die Perinealmuskeln, sowie die Schwellkörper des Penis und der Urethra, und in ein oberes, das die Prostata enthält. Das arterielle Gefäss des Perineums ist die Art. pudenda interna GefSuse und (Fig. 139. 15). Dieselbe gelangt mit der sie begleitenden Vene und dem lateral gelegenen Nerv, pudendus aus der Reg. analis, wo sie an der medialen Wand der Beckenknochen, eingeschlossen von der Fase, obturator., gelegen ist, an den hinteren freien Rand des Diaphr. uro-genit. Hier wird sie zwar frei von der Fase, obturat., tritt aber alsbald in das Diaphr. uro-genit. ein, in dessen Substanz sie an dem Knochen der Crista diaphragm. entlang bis in die Nähe des Schambogenwinkels verlauft, wo sie erst das Diaphr. uro-genit. verlässt, um sich in ihre beiden Endäste zu theilen, in die Art. dorsalis und profunda penis (Fig. 139. 18). Der ersteren wurde schon bei dem Penis gedacht, die letztere tritt zu den Corp. cavern. pen., in welchen sie, ziemlich central gelegen, nach vorn verlauft. Der wichtigste Ast der Art. pud. int. ist die Art. transversa perinei, welche unmittelbar hinter dem Diaphr. uro-genit. an der ganz kurzen Strecke ab-

N61T6D d6fl Perlneum8_

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Das Becken.

geht, an welcher die Art. pud. nicht in fibröse Gebilde eingeschlossen ist. Die Art. transv. perin. (Fig. 139. 17) verlauft, nur wenig nach vorn gewandt, medial längs des hinteren Randes des Diaphr. uro-genit. und gibt ihre stärksten Aeste, die Art. scrotal. post., an das Scrotum ab, schwächere Zweige verbreiten sich an den Muskeln des Perineums. Diese Arterie ist individuell sehr verschieden stark entwickelt und kommt hauptsächlich bei dem lateralen Steinschnitt in Betracht, wo sie, wenn stärker entwickelt, gefährliche Blutungen veranlassen kann. Die Ven. pud. int. verhält sich analog der Art. und bezieht ihr Blut hauptsächlich aus den Schwellkörpern des Penis, steht aber in keiner Verbindung mit der Ven. dorsal, penis. Auch der aus dem Plex. sacral. stammende Nerv, pudend. int. schliesst sich ziemlich genau an den Verlauf der Arterie an. Wie diese, gibt derselbe den N. perin ei ab, der sich an der Haut des Dammes und der hinteren Scrotalwand, sowie in den Perinealmuskeln ausbreitet, und theilt sich schliesslich in den hochliegenden und tiefen Penisnerven. Männliche Harnröhre.

Die Regio uro - genitalis des Mannes wird durchzogen von der Urethra. Wir werden bei der Erörterung dieser in praktischer Beziehung hochwichtigen Röhre zuerst die Eintheilung, die Verlaufsweise, die Länge, die Weite und schliesslich die Eigenthümlichkeiten der einzelnen Abtheilungen zu berücksichtigen haben. Eintheilung der In der Eintheilung der Harnröhre weicht die topographische Harnröhre. Anatomie von der systematischen ab. In der letzteren sind es die von der Harnröhre durchsetzten Organe, welche den Grund der Eintheilung bilden, daher unterscheidet man hier den von der Prostata umgebenen Tlieil als Pars prostatica, den in dem Diaphragma uro-genitale gelegenen als Pars membranacea oder nuda und den Theil der Harnröhre, welcher sich in dem Corp. cavern. urethrae befindet, als Pars cavernosa. Die topographische Anatomie theilt die Harnröhre im Anschluss an das praktische Bedürfniss in eine Pars fixa und mobilis, was in nächster Beziehung mit der gleichen Eintheilung des Penis steht. Die erstere umfasst die Pars prostatica, membranacea und das hintere Drittheil der Pars cavernosa, während die beiden vorderen Drittheile des letzteren Harnröhrenabschnitts die Pars mobilis constituiren. veriaufBweise Es gibt wenige Punkte in der Anatomie, in welchen die Beder Harnröhre. sc hreibung sowohl, wie die bildliche Darstellung so grosse VerschiedenAllgemeines.

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heiten zeigt, als dieses rücksichtlich der Verlaufsweise der männlichen Harnröhre der Fall ist. Der Hauptgrund der verschiedenen Angaben liegt meiner Ansicht nach darin, dass die Autoren nicht von einer bestimmten Stellung des Beckens ausgingen, sondern ohne Angaben über die der Beschreibung zu Grunde Hegende Beckenstellung den Verlauf der Harnröhre an dem medialen Sagittalschnitt in beliebiger Beckenstellung beschrieben und zeichneten. Aber es kann für die Darstellung des Verlaufes der männlichen Harnröhre nur eine Beckenstellung maassgebend sein, und dieses ist diejenige, welche das Becken bei der geraden militärischen Körperhaltung einnimmt, bei welcher der Beckenneigung vollkommen Bechnung getragen ist (Fig. 143). Die Harnröhre zeigt in ihrem Verlaufe bei herabhängendem verlaufsweise Penis zwei Krümmungen, die Curvatura subpubica, welche unter der Hftrnrohre die Symphyse mit nach ab- und rückwärts gerichteter Convexität fällt, und die Curvatura praepubica, deren Convexität nach oben und vorn gerichtet ist, und die vor die Symphyse zu liegen kommt. Wegen dieser beiden Krümmungen wird der Verlauf der Harnröhre als S-förmig bezeichnet. An dem Scheitel der Curvat. praepub. ist die Grenze zwischen der Pars fixa und mobilis urethrae, und desshalb schwindet diese Krümmung sogleich, wenn man die Eichel des Penis in die Nähe des Nabels bringt, oder wenn der Penis mobilis in Folge der Erection sich hebt. Die Curvat. praepub. ist in praktischer Beziehung vollkommen irrelevant, da man dieselbe jeden Augenblick durch Veränderung der Lage des Penis mobilis aufheben kann. Dagegen ist die genaue Kenntniss der Curvat. subpubica von der höchsten Bedeutung, da die richtige Einführung des Katheters, eines der gewöhnlichsten Vorkommnisse des praktischen Lebens, damit in der nächsten Beziehung steht. Um eine richtige Vorstellung von den Lageverhältnissen der Curvat. subpub. zu gewinnen, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: 1. Die Stellung der Achsenlinie der Symphyse, welche durchschnittlich 45 mm lang ist, zu der horizontalen Ebene entspricht einem Winkel von 45° (Fig. 143). 2. Das Orificium vesicale urethrae fällt in die horizontale Ebene, welche die Achseulinie der Symphyse in ihrem oberen und mittleren Drittheil schneidet, und die Entfernung des Orificiums von der hinteren Symphysenfläche beträgt fast 3 cm. 3. Der Verlauf der Harnröhre in der Prostata entspricht nahebei einer geraden Linie, welche fast vertical nach abwärts und nur ganz wenig von oben und hinten nach unten und vorn geneigt verlauft.

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Das Becken.

4. Die Grenze zwischen Pars prostatica und membranacea der Urethra fällt in die horizontale Ebene, welche die Achsenlinie der Symphyse in ihrem unteren Ende schneidet, und ist von letzterer nahebei 20 mm entfernt. 5. An der Pars membran. urethrae sind topographisch zwei Abtheilungen zu unterscheiden, eine 9—10 mm lange hintere, welche in

G

Schematiach-geometrische Darstellung beider A-B Symphysen-Achsenlinie. C-D Horizontale Linie gelegt in die Grenze des oberen und mittleren Drittheils der Symphysen- Achsenllnie. E-F Horizontale Linie gelegt durch .das untere Ende der Symphysenachse. G-H Verbindungslinie zwischen der Blasenmiindung der Harnröhre uud der Mitte des horizontal verlaufenden Stückes der Harnröhre, welches zwischen der Curvatura subpubica und praepubica

B Krümmungen der männlichen Harnröhre, verlauft und die Symphysen-Achsenlinie an ihrem unteren Ende rechtwinklig schneidet. 1 Harnblase. 2 Prostata. 3 Der Theil der Pars membran. urethrae, welcher in dem Diaphragma uro-genitale verlauft. 4 Der Theil der Pars membran. urethrae, der vor dem Diaphragma uro-genit. verlauft. 5 Curvatura praepubica. 6 Vordere Wand deB Rectums.

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Männliche Harnröhre.

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das Diaphragma uro-genitale fällt, die Pars diaphragmatica (Fig. 143.3), und eine 4—5 mm lange vordere, die Pars praediaphragmatica (Fig. 143. 4), welche, von oben und hinten nach vorn und unten verlaufend, von oben her in das Corpus cavernos. urethrae eintritt. Die Curvatura subpubica beginnt eigentlich erst in der Pars diaphragmatica und erreicht ihren nach unten und hinten gerichteten Scheitel an der Grenze zwischen der Pars diaphragmat. und praediaphragmat., welcher von dem unteren Symphysenrand 20 mm entfernt ist. 6. Das Diaphragma uro-genitale liegt nicht in der Verlängerung der Achsenlinie der Symphyse, sondern bildet mit derselben einen nach oben und hinten offenen stumpfen Winkel, welcher 165° beträgt (Fig. 143). >) 7. Die Curvat. subpub. und praepub. liegen in einer horizontalen Ebene, und die Scheitel beider Krümmungen sind 50—55 mm von einander entfernt. Der Abstand beider Scheitel wird um so bedeutender, je weiter nach vorn das Lig. suspensorium penis ragt, welches hauptsächlich die Curvat. praepub. bedingt. 8. Eine Linie, welche von der Mitte der Entfernung der Curvat. subpub. und der Curvat. praepub. nach dem Orificium vesicale urethrae gezogen wird (Fig. 143. GH), schneidet rechtwinklig die Achsenlinie der Symphyse an dem unteren Pole der letzteren. Dieselbe entspricht der Sehne der Curvat. subpub. Da die Sehne dieses Bogens verhältnissmässig kurz, die den Scheitel des ßogens mit der Sehne verbindende Linie aber lang ist, so kann man die Curvat. subpub. auch als einen abgerundeten Winkel ansehen, der gegen 10—15° grösser als ein rechter ist. Noch mehr nähert sich einem abgerundeten Winkel die Curvat. praepub., welcher unter normalen Verhältnissen einem rechten entspricht, bei stark entwickeltem Ligament. suspensorium penis aber zu einem stumpfen und bei schwächerer Entwicklung dieses Bandes auch zu einem spitzen Winkel werden kann. Die Länge der männlichen Harnröhre wechselt selbstverständlich Lange der beträchtlich mit der Erschlaffung nnd der Erection des Penis; denn bei der letzteren wird der Penis nicht nur dicker, sondern auch bedeutend länger. Wenn daher von der Länge der männlichen Harnröhre gesprochen wird, so gelten die Maassangaben nur für den *) Die Bestimmung dieses Winkels geschieht einfach an dem Knochen durch Vergleichung des Standes der Achsenlinie der Symphyse und der Crista diaphragmat.

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Das Becken.

nicht erigirten Penis. Die Bestimmung der Länge der Harnröhre an der Leiche ist mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, aus denen sich Fehlerquellen ergeben, welche die so sehr verschiedenen Angaben über die Länge der Harnröhre erklären. Ist die Harnröhre mit der Blase aus der Leiche herausgenommen, so erscheint sie, je nachdem sie mehr oder weniger gedehnt wird, länger oder kürzer. Nimmt man das Längenmaass der Harnröhre mit Vermeidung jedes Zuges an dem sagittalen Medianschnitt des Beckens, so fällt dasselbe unter allen Umständen zu kurz aus, da in Folge der angewandten Härtungsmittel, welche die Vorbedingung der Anfertigung jedes brauchbaren sagittalen Medianschnittes des Beckens sind, eine Schrumpfung der Gewebe, namentlich des Penis, eintritt. Dagegen kann an dem Lebenden ziemlich genau die Länge der Harnröhre bestimmt werden. Man führt nämlich bei Personen, deren Harnröhre keine Verengerungen hat, möglichst langsam den Katheter ein und hält genau in dem Moment inne, in welchem der Harn auszufliessen beginnt, unter Bezeichnung der Stelle des Katheters, welche das Orificium cutan. urethrae berührt. Die Entfernung dieser Stelle von der seitlichen OefEnung an dem vorderen Katheterende entspricht der Länge der Harnröhre. Aus zahlreichen in dieser Weise angestellten Versuchen hat sich ergeben, dass die Länge der männlichen Harnröhre 16 — 20 cm beträgt, dass also Unterschiede von 4 cm vorkommen, welche von der individuell verschiedenen Länge des Penis herrühren. Für den Praktiker ist übrigens die Länge der Harnröhre von keiner besonderen Bedeutung, da die Länge der einzuführenden Katheter immer beträchtlich grösser sein muss, und überhaupt nur Katheter oder Sonden von 30 — 35 cm Länge in Gebrauch gezogen werden. Das Caliber. der männlichen Harnröhre sinkt, wenn kein Harn entleert wird, auf Null, da die Wände der in Längsfalten gelegten Schleimhaut sich berühren. Geht dagegen Harn durch, so beträgt die Weite der Harnröhre 7 mm. Kann man daher mit einer Sonde von dieser Stärke leicht durch die Harnröhre in die Blase gelangen, so hat sie ihr normales Caliber. Die Harnröhre ist aber bis auf 10 mm erweiterbar, da bei der Steinzertrümmerung Instrumente von dieser Stärke eingeführt werden können. Die Weite der Harnröhre ist aber nicht an allen Stellen die gleiche. Am Eingang an der Eichel ist dieselbe, wie wir oben sahen, zu einem Längsspalt verengert, hinter welchem sie sich alsbald noch in dem Gebiete der Eichel zu der Fossa navicularis erweitert (Fig. 135. 2).

Regio uro-genitalis des Mannes. Männliche Harnröhre.

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Hinter der Eichel behält die Harnröhre ihr normales Caliber bis zu jener Stelle, an welcher sie in das Corpus cavernosum urethrae und zwar von oben eintritt. Hier also an jenem Abschnitt der Harnröhre, welcher oben als Pars praediaphragmatica der Urethra membranacea bezeichnet wurde, erweitert sich die Harnröhre, aber nicht gleichmässig, sondern mehr blindsackartig nach hinten gegen den Bulbus, eine Erweiterung, welche man bulbösen Blindsack, Recessus bulbosus, nennen kann. Für die Einführung des Katheters ist gerade diese Erweiterung die wichtigste, da, wenn das vordere Katheterende an der Stelle der Harnröhre angekommen ist, an welcher dieselbe in das Corp. cavern. urethrae eintritt, das hintere Katheterende gesenkt werden muss, um die Curvat. subpub. zu passiren. Wird diese Senkung nicht richtig ausgeführt, so gelangt das vordere Katheterende in den Recessus bulbosus. Da gerade an dieser Stelle die Harnröhre durch ihre Nachbargebilde am wenigsten geschützt ist, so kann bei energischer Vorschiebung des Katheters eine Zerreissung stattfinden, der Katheter in einen sogenannten falschen Weg, zunächst in den Bulbus corp. cavern. urethrae gerathen, was sich alsbald durch Austritt von Blut aus der Harnröhre ankündigt, und zu den lebensgefährlichen, durch Harninfiltration bedingten Harnabscessen Veranlassimg gibt. Der nun folgende Theil der Pars membranacea urethrae, der oben als Pars diaphragmatica bezeichnet wurde, weil derselbe ganz von dem Diaphragma uro-genit. umgeben ist, gehört zu den engsten Abschnitten der Harnröhre. Die hier vorhandene Verengerung ist weniger durch anatomische, als physiologische Verhältnisse bedingt. Dieselben sind einmal in der sehr festen und theilweise musculösen Beschaffenheit des Diaphragma uro-genit., besonders aber in der stark entwickelten, quergestreiften Ringmuskulatur, welche hier die Harnröhre umgibt, zu suchen. Der Tonus und besonders die in Folge der Berührung mit Fremdkörpern, mögen es nun Katheter, Sonden oder kleinere Harnsteine sein, eintretende reflectorische Contraction der Ringmuskulatur sind wohl die hauptsächlichsten Momente, auf welche die Verengerung dieser gegen 10 mm langen Strecke der Harnröhre zurückgeführt werden muss. Mit dem Uebergang der Pars membranacea in die Pars prostatica gewinnt die Harnröhre wieder jene Weite, welche sie in dem grössten Theilfe der Pars cavernosa besitzt, und die auch nur wenig durch den an der hinteren Wand vorspringenden Colliculus seminalis beeinträchtigt wird. Unmittelbar vor dem Uebergang in die Harn-

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Das Becken.

blase wird die Harnröhre wieder beträchtlich enger, jedoch beträgt die Länge dieses verengerten Abschnittes nur wenig über 2 mm. pars cavemosa Von den drei Abtheilungen der Harnröhre ist weitaus die längste urethrae. ¿¿e p a r s c a v ernosa. Dieselbe zeigt jedoch individuelle Verschiedenheiten rücksichtlich ihrer Länge, und auf denselben beruht wesentlich die wechselnde Länge der ganzen Harnröhre, da die Pars membranacea keinen und die Pars prostatica nur ganz geringen Abweichungen bei verschiedenen Personen in ihrer Länge unterliegt. Die Pars cavernosa ist durchschnittlich 13 cm lang, und ihre Schwankungen fallen in die Grenzen zwischen 12 und 14 cm. Auch die Länge dieses Abschnittes der Harnröhre kann an dem Lebenden bestimmt werden, und zwar dadurch, dass man den Katheter möglichst langsam in eine normale Harnröhre einführt, und darauf achtet, wenn dem geradlinigen Vorschieben des Katheters ein Hinderniss entgegentritt. Die Länge des bis zu dem Punkte eingeführten Katheterabschnittes, an welchem sich dem weiteren geradlinigen Vorschieben des Katheters ein Widerstand bemerklich macht, entspricht der Länge der Pars cavernosa urethrae. Für den Praktiker ist die Kenntniss dieser Länge wichtiger, als die der ganzen Harnröhre, da an dem hinteren Ende der Pars cavernosa die Curvatura subpubica beginnt, und demnach, wenn der Katheter auf 13 cm eingeführt ist, die Senkung seines hinteren Endes beginnen muss. Die Harnröhre liegt in dem Corp. cavern. urethrae nicht centrisch, sondern der grössere Theil des Schwellgewebes befindet sich unter, und der kleinere über der Harnröhre. Auch tritt die Harnröhre nicht in den hinteren freien Pol des Bulbus ein, sondern gelangt in denselben von oben her so, dass, je nach dem Volumen des Bulbus, oft ein 1,5 cm langes Stück des letzteren keine Harnröhre enthält. Die Harnröhrenschleimhaut der Pars cavernosa besitzt namentlich an ihrer oberen Fläche mehr oder weniger zahlreiche kleine Lakunen, die sogenannten Sinus M o r g a g n i i , welche kleine Recessus nach Art der Venenklappen darstellen. Der Eingang in dieselben ist immer dem Orificium cutaneum der Harnröhre zugewandt. Unmittelbar hinter der Fossa navicularis findet sich in der oberen Wand eine ziemlich constante grössere derartige Lakune, auf welche bei der Einführung kleinerer Sonden zu achten ist, welche in dieselbe eindringen und hier einen Widerstand finden können. In der Fossa navicularis scheint die Schleimhaut reicher an Nerven zu sein, da die Einführung des Katheters nur hier intensiver empfunden wird und bei Einzelnen sogar von heftigem Schmerz begleitet ist. Ausser

Regio uro-genitalis des Mannes. Männliche Harnröhre.

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der Schleimhaut besitzt die Harnröhre noch eine aus verdichtetem Bindegewebe bestehende Lage, deren reiches elastisches Fasernetz die Erweiterbarkeit der Harnröhre bei Einführung von Instrumenten stärkeren Calibers bedingt. Dazu gesellen sich noch glatte, unter der Schleimhaut liegende Muskelfasern mit longitudinalem Verlauf, sowie ein die Wand der Harnröhre umspinnendes, reich entwickeltes Venennetz. Der bei weitem kürzeste Theil der Harnröhre ist die Pars mem- p*« membranacea branacea oder nuda. Die Länge derselben beträgt kaum 1,5 cm, ist " aber bei Erwachsenen keinen individuellen Verschiedenheiten unterworfen. Die beiden hinteren Drittheile derselben sind als Pars diaphragmatica von dem Diaphragma uro-genit. umschlossen, während das vordere Drittheil als Pars praediaphragmatica vor dem Diaphr. urogenit. liegt und von oben her in das Corpus cavern. urethrae eintritt. Aber auch abgesehen von der Lage zeigen beide Abtheilungen der Pars membranacea wesentliche anatomische und pathologische Unterschiede. Die Pars diaphragmatica ist an ihrer äusseren Fläche von einer circulären Lage quergestreifter Muskeln umgeben, welche sich von dem gleichfalls quergestreiften, dem unteren sich verjüngenden Ende der Prostata angehörigen Sphincter vesicae externus auf die Pars membranacea fortsetzt. Die Stärke dieser Ringmuskulatur bestimmte ich bei dem Erwachsenen an Durchschnitten zu 4—5 mm. Ferner kommt hier der Muse, transversus perinei profundus in Betracht, welcher ganz dem Diaphr. uro-genitale angehört, und dessen Bündel theils über, theils unter der Pars diaphragmatica verlaufen. Auch die elastische Bindegewebeschichte der Harnröhre, an welche sich die Ringmuskulatur äusserlich anlegt, ist hier stärker als sonst, und ihre Dicke beträgt 1 mm. An der Pars praediaphragmatica verliert sich alsbald die Ringmuskulatur, und auch die elastische Bindegewebeschichte der Harnröhre wird schwächer. Nimmt man noch dazu, dass dieser Theil der Harnröhre, der freieste von der Umgebung, am wenigsten geschützte ist, so ist leicht einzusehen, wesshalb die Pars praediaphr. am meisten der Zerreissung durch eingeführte Instrumente ausgesetzt ist, besonders da in den Bereich derselben der Recessus bulbosus fällt, und die Senkung des Katheters nach seinem Austritt aus der Pars cavernosa vollführt werden muss, um denselben durch die enge Pars diaphragmat. durchzuführen. Die vorliegenden anatomischen Thatsachen erklären eine Reihe von Erscheinungen, welche ohne Kenntniss derselben dem Praktiker

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Das Becken.

vollkommen unverständlich bleiben. So kommt es nicht ganz selten vor, dass der Katheter bei dem Eintritt in die Pars diaphragmat. aufgehalten wird, ohne dass irgend welche Stricturen vorhanden sind. Wird das frisch beölte Instrument alsbald wieder eingebracht, so gelangt es widerstandslos in die Blase. Der Grund hievon liegt darin, dass bei der ersten Einführung die Berührung des Katheters mit Harnröhrenschleimhaut die Veranlassung von reflectorischer Contraction der starken Ringmuskellage der Pars diaphragmat. wurde, während bei der zweiten Einführung die Reizempfänglichkeit der Schleimhaut schon mehr abgestumpft war, und desshalb die reflectorische Contraction ausblieb. Einen andern hierher gehörigen Fall hatte ich Gelegenheit, ganz vor Kurzem zu beobachten. Ein an Steinkrankheit Leidender konnte bei starkem Harndrang, der intensiven Schmerz verursachte, keinen Urin entleeren. Der eingeführte Katheter konnte nur bis in die Pars diaphragmat. gebracht werden, wo er einem nicht zu überwindenden Widerstand begegnete. Nach einer Stunde ging von selbst ein runder, über 1 cm im Durchmesser haltender Stein ab, worauf Incontinentia urinae eintrat. Nach Verlauf von weiteren 7 Stunden wurde durch die Harnröhre ein zweiter, noch etwas grösserer Stein ohne den geringsten Schmerz entleert. Die Incontinentia urinae war nach 15 Stunden verschwunden. Hier wurde offenbar der erste Stein durch die Contraction der Musculatur in der Pars diaphragmat. zurückgehalten. Der Druck des Steines verursachte eine vorübergehende Paralyse der Muskeln, in Folge deren der zweite Stein mit Leichtigkeit durch die Harnröhre gehen konnte. Die Pars membranacea urethrae ist auch derjenige Theil der Harnröhre, welcher dem Mastdarm zunächst liegt. Dieselbe begrenzt das Trigonum recto-urethrale, von welchem später bei der Regio analis die Rede sein wird. Der etwas über das Nagelglied in das Rectum vorgeschobene Finger kann durch die vordere Mastdarmwand den eingelegten Katheter fühlen, pars prostatica. Die Pars prostatica ist bei dem Erwachsenen durchschnittlich 3 cm lang, kann aber bei älteren Personen durch die Volumenszunahme der Prostata etwas länger werden. An der hinteren Wand der Pars prostatica erhebt sich der längliche, leistenartige Vorsprung des Colliculus seminalis. Auf der Höhe desselben, welche etwas unter die Mitte der Pars prostatica fällt, findet sich eine spaltähnliche Oeffnung, die zu einem kleinen Recessus führt, der als Vesicula prostatica oder, mit Rücksicht auf dessen entwicklungsgeschichtliche

Regio uro-genitalis des Mannes.

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Männliche Harnröhre.

Bedeutung, als Uterus masculinus bezeichnet wird. In diesen Recessus können feine Sonden eindringen, sich darin fangen und eine Zerreissung seiner Wand veranlassen. Zu beiden Seiten des Colliculus seminalis bleiben zwei Rinnen, und in eine derselben legt sich der eindringende Katheter, so dass durch den letzteren der Colliculus weniger comprimirt, als mehr zur Seite geschoben wird, was auch

N.

1 2 3 4

*

1

Flg. 144. Die Pars prostatica urethrae und das Trigonum vesicale. Ureteren. nalls nach dem Orificium 7 Prostata. Trigonum vesicae. vesicale urethrae (Lingula). 8 M. sphincter vesicae exColliculus seminalis. 5 Uterus masculinus. ternus.. Faltenformige Verlange6 M. sphincter vesicae in9 Pars membranacea ureternus. thrae. rung des Colliculus semi10 CooperBChe Drüsen.

die weitere Folge hat, dass der Colliculus seminalis die Weite der Pars prostatica nicht wesentlich beeinträchtigt. In dem Alter und in Folge von excessivem Geschlechtsgenuss nimmt bekanntlich das Volumen der Prostata etwas zu, und zwar .theils gleichmässig, theils mehr local unter Bildung des sogenannten dritten oder H u n t e r ' s e h e n Lappens. Dieser dritte Lappen entwickelt G e r l a c h , Anatomie des Menschen.

48

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Das Becken.

sich an der hinteren Fläche gegen die Basis der Prostata und prominirt mehr oder weniger stark in das Orificium vesicale urethrae und in den Anfangstheil der Harnröhre hinein, wodurch dieser ^n sich schon enge Theil der Harnröhre mehr oder weniger verlegt und der Eintritt des Harns in die Urethra erschwert erscheint. Dadurch wird dieser dritte Lappen zu der wesentlichen Ursache der Harnbeschwerden älterer Leute. Interessant und bei der Einführung des Katheters wohl zu berücksichtigen Fig. 145. ist die Thatsache, dass die Dritter Lappen der Prostata. pathologischen Veränderun1 Mündung der Ureteren. 3 Dritter Lappen d. Prostata. 2 Trigonum vesicale. 4 Orificium vesicale urethrae. gen, welche den Katheterismus erschweren, gerade an den beiden engsten Stellen der Harnröhre vorkommen, an der Pars diaphragmat. in Form der Stricturen und an dem der Blase zunächst gelegenen Theile der Harnröhre in Form des dritten Lappens der Prostata.

Regio uro-genitalis der F r a u . Knöcherne Unterlage der weiblichen Reg. uro-genitalis.

Bevor wir zu der topographischen Betrachtung der weiblichen ,

Regio uro-genitalis übergehen, müssen wir die bedeutenden Differenzen (] er knöchernen Unterlage dieser Gegend in dem männlichen und weiblichen Körper noch einmal hervorheben. Abgesehen von den schon oben erwähnten Punkten, dass die Schambeinfuge der Frau niedriger und der Winkel des Schambogens bedeutend grösser ist, als bei dem Manne, kommt für die Gestaltung der Gegend noch in Betracht, dass der Abstand beider Sitzbeinhöcker in dem weiblichen Geschlecht nahebei um ein Viertheil grösser ist, als in dem männlichen. Ferner der Umstand, dass eine Linie, welche von dem unteren Rande der Schambeinfuge auf eine durch die Enden beider Sitzbeinhöcker gelegte Ebene gezogen wird, gleichfalls nahebei um ein Viertheil kürzer bei dem Weibe ausfällt , als . bei dem Manne. Hierdurch wird die knöcherne Unterlage der weiblichen Reg. urogenital. in der Richtung von vorn und oben nach unten und rückwärts verschmälert, dagegen in der Richtung von rechts nach links

Regio uro-genitalis der Frau.

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verbreitert. Auch die Crista diaphragm. ist wegen der geringeren Entwicklung des Diaphr. uro-genit. bei der Frau schwächer ausgesprochen, und ebenso sind an dem Knochen die Abgangsstellen der dünnen Corp. cavern. clitoridis kaum angedeutet. Die Reg. uro-genit. der Frau wird ganz von der Vulva ein- Vulva, genommen, welche die Mündung der Harnröhre, sowie den Eingang in die Scheide enthält, da die untere Commissur der grossen Schamlippen, die Navicula, in die Höhe der Linea interischiadica fällt. Das, was man als weiblichen Damm, Perineum femininum, bezeichnet, d. h. die nicht ganz 3 cm betragende Entfernung des unteren hinteren Endes der Schamspalte von dem vorderen Afterrande gehört bereits der Reg. analis an. Die Vulva hat der Hauptsache nach den Charakter einer in der Medianlinie befindlichen Längsspalte, zeigt aber nach dem Alter, sowie je nachdem eine Frau gar nicht, oder öfter geboren hat, zahlreiche individuelle Verschiedenheiten. Bei nicht stark abgemagerten Frauen beginnt von dem unteren Drittheile des Hypogastriums an die Haut sich vorzuwölben, eine Wölbung, die an dem oberen Rande des kleinen Beckens ihr Maximum erreicht und sich bis zur Hälfte der Höhe der Symphyse erstreckt. Diese Wölbung wird als Schamberg, Möns Veneris, bezeichnet und hat als Unterlage ein elastisches Fettpolster, während die das Fett deckende Haut mit den meist leicht gekräuselten Schamhaaren besetzt ist. In der Mitte der Symphysenhöhe befindet sich die sogenannte obere Commissur der grossen Schamlippen, zweier mächtiger Hautfalten, welche zu beiden Seiten die Spalte der Vulva begrenzen. Die grossen Schamlippen bilden zwei längliche, abgerundete Grosse schamVorsprünge, welche, durch eine tiefe Furche von der inneren Schenkel- 'comm^nren* haut getrennt, ihre medialen Flächen einander zuwenden, die sich in aufrechter Stellung bei Jungfrauen berühren. Die grossen Schamlippen sind oben und vorn stärker und verdünnen sich etwas gegen ihr unteres hinteres Ende; sie sind sowohl oben und vorn, wie unten und hinten durch Commissuren verbunden, welche mannigfache individuelle Verschiedenheiten zeigen. Was zunächst die obere Commissur betrifft, so vereinigen sich entweder beide Lippen unmittelbar unter einander unter einem, aber nur bei Eröffnung der Schamspalte sichtbaren leicht abgerundeten Winkel, oder die beiden Lippen hören an dem unteren Ende des Schambergs auf, und zwischen denselben bleibt eine schmale Erhöhung, welche sich nach unten bis zu der Vorhaut der Clitoris erstreckt. Die untere hintere Com48*

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Das Becken.

missur ist in einer dünnen Hautfalte gegeben, Frenulum labiorum, auch Navicula genannt, welche bei Jungfrauen sehr stark ausgesprochen, bei mehr gebärenden Frauen dagegen oft sehr reducirt erscheint. Hinter der Navicula befindet sich eine seichte Vertiefung, die Fossa navicularis, welche aus dem Grunde eine praktische Bedeutung hat, weil sie der gewöhnliche Sitz syphilitischer Geschwüre

1 Schamberg. 2 Grosse Schamlippen. 3 Kleine Schamlippen.

Fig. 146. Aeussere Schamtheiie der Frau. 4 Praeputium clitoridi« 7 Vorhof. 5 Frenulum clitoridi?. 8 Mündung der Harnröhre. 6 Glans clitoridiB. 9 Scheideneingang. 10 Fossa navicularis.

Regio uro genitalis der Frau.

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ist. Die äussere Fläche, sowie der freie Rand der grossen Schamlippen ist mit Schamhaaren besetzt, dagegen ist die mediale Fläche derselben glatt, leicht röthlich gefärbt und frei von Haaren, übrigens wie die äussere von der Cutis überzogen, die hier reich an Schweissund Talgdrüsen ist. Das unter der Haut befindliche subcutane Bindegewebe der grossen Schamlippen ist leicht fetthaltig und steht in Verbindung mit einem taschenartigen Gebilde, welches sich nach dem äusseren Leistenring zu stielartig verjüngt. Diese mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Tasche ist ganz mit Fettzellen gefüllt, was die Ursache der leicht elastischen Resistenz der Labia majora ist. Histologisch besteht diese Tasche nicht aus glatter Musculatur, ähnlich der Tunica dartos des Mannes, sondern aus leicht verdichtetem Bindegewebe. Geht man dem Stiel der Tasche nach, so kann man denselben das runde Mutterband umschliessend durch den Leistencanal bis zu der Fascia transversa verfolgen, und ich stehe daher nicht an, in dieser Tasche ein Analogon der Tun. vaginal, commun. des Mannes zu sehen, welche aber anstatt der Geschlechtsdrüse Fett enthält Damit wäre eine weitere Analogie der grossen Schamlippen mit dem Scrotum gegeben, welche übrigens entwicklungsgeschichtlich schon längst festgestellt ist und die auch in den Leistenbrüchen der Frau, welche fast ausschliesslich äussere sind, sich dadurch kundgibt, dass dieselben, wie bei dem männlichen Geschlecht in das Scrotum, so bei dem weiblichen in die Labia majora eintreten. Das dem Samenstrang des Mannes topographisch äquivalente Gebilde des Weibes ist bekanntlich das runde Mutterband, und es scheint hier der Ort, etwas näher auf das Verhältniss desselben zu den grossen Schamlippen einzugehen. Das runde Mutterband geht seitlich von dem Uterus ab und Rundes Muttersteht hauptsächlich mit der oberflächlichen Musculatur der Gebär- gche^ Divertikel mutter in directer Gontinuität, besteht demnach wesentlich aus glatten Muskelfasern. Von dem Peritoneum gedeckt, zieht sich dasselbe an der seitlichen und vorderen Rumpfwand nach dem inneren Leistenring und tritt hier in eigenthüraliche Beziehungen, einmal zu dem Peritoneum und dann zu der Fase, transversa. Das Peritoneum der Frau bildet in der grossen Mehrzahl der Fälle wie bei dem Manne einen kleinen Zipf an der medialen Seite des runden Mutterbandes in den inneren Leistenring, der aber auch sich vertiefen kann und dann den sogenannten Nuck'sehen Divertikel des Peritoneums darstellt als Analogon des Process. vaginal, periton. in dem männlichen

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Das Becken.

Geschlecht. Diesen Nuck'schen Divertikel findet man gar nicht selten bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen habe ich denselben mehrfach beobachtet, in einem Falle sich über den Leistencanal hinaus bis in den oberen Theil der grossen Schamlippen erstreckend. Das Vorhandensein des Nuck'schen Divertikels ist die Vorbedingung für die Entstehung des äusseren Leistenbruchs der Frau, der nicht nur Darm, sondern, wie ich bei einem halbjährigen Kinde sah, auch das Ovarium enthalten kann. Der Uterus ist dann nach der betreffenden Seite herübergezogen, und in dem erwähnten Falle war über die Hälfte des Ovariums mit dem Ostium abdomin. tubae in den Leistencanal eingetreten, was eine überraschende Aehnlichkeit mit dem Bilde hatte, welches in einer gewissen Phase der Descensus testicul. bietet. Ein anderer hierher gehöriger Fall findet sich in unserer anatomischen Sammlung. Der Nuck'sche Divertikel dieses Präparates zeigt an dem inneren Leistenring nur eine kleine Oeffnung, dehnt sich aber vor dem äusseren Leistenring blasenförmig in den oberen Theil der grossen Schamlippen aus. Diese Blase, welche an dem in Weingeist conservirten Präparate in ausgedehntem Zustand erhärtet ist, scheint Flüssigkeit enthalten zu haben und stellt das pathologisch-anatomische Substrat jener Erkrankung dar, welche französische Autoren Hydrocele de la femme nennen. Was das Verbältniss des runden Mutterbandes zu der Fase, transversa betrifft, so stülpt sich diese Fascie wie bei dem Manne durch den Leistencanal aus und umhüllt das runde Mutterband, verwächst aber mit demselben inniger, als dieses bei der Tunica vagin. commun. mit den Bestandteilen des Samenstranges der Fall ist. Das runde Mutterband verliert während seines Durchgangs durch den Leistencanal immer mehr seinen ursprünglichen Hauptbestandtheil, nämlich glatte Muskelfaserbündel, und wird in Folge der Verstärkung, welche es von der Fase, transversa aus erhält, mehr und mehr bindegewebig; dagegen erhält es in dem Leistencanal auf der Aussenseite einen weiteren Zuwachs quergestreifter Musculatur von Seite des Muse, obliq. int. abdom., ein Zuwachs, der aber keine andere Bedeutung hat, als die, welche dem Muse, cremaster des Mannes zukommt. Nach dem Austritt aus dem äusseren Leistenring geht der grösste Theil der jetzt ganz bindegewebigen Fasern des runden Mutterbandes in den Hals jenes taschenartigen Gebildes über, welches seine Lagerstätte innerhalb der Labia majora hat, während nur ein kleinerer Theil medial gegen den Schamberg ausstrahlt und sich hier in dem Fette verliert.

Regio uro-genitalis der Frau.

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Zieht man die Labia majora auseinander, so treten die kleinen Kleine schamSchamlippen, auch Nymphen genannt, in Sicht, welche den in der putfum^a Medianlinie sich vertiefenden Vorhof nach oben und seitlich be- Frenuium ciitorldis grenzen. Die kleinen Schamlippen, einfache Hautfältchen, meist ' ganz ohne oder nur mit minimaler Fetteinlagerung, gehen unten und hinten an der Stelle von den grossen Schamlippen ab, an welcher das Frenuium labiorum, die Navicula beginnt, wesshalb einige Anatomen die letztere auch nicht als Commissur der grossen, sondern der kleinen Schamlippen angesehen wissen wollen, was mir aber aus dem Giunde nicht ganz richtig zu sein scheint, weil das Frenuium in viel ausgedehnterer Verbindung mit den grossen, als mit den kleinen Schamlippen steht. Gegen 2 cm unterhalb des unteren Symphysenrandes, oft noch etwas tiefer, geht jede kleine Schamlippe spitzwinkelig in zwei neue Fältchen auseinander, von welchen das laterale, bis in die Höhe des unteren Symphysenrandes aufsteigend, mit dem gleichen Fältchen der anderen Seite zusammenfliesst, wodurch eine Art Kapuze entsteht, welche oben und seitlich die Glans clitoridis umgibt und Praeputium clitoridis genannt wird. Die mediale Falte dagegen trifft mit der gleichen der anderen Seite spitzwinkelig zusammen und inserirt sich unten an der Glans clitoridis, wesshalb man den Zusammentritt beider medialen Fältchen auch als Frenuium clitoridis bezeichnet. Die Clitoris besteht aus zwei kaum 0,5 cm starken und gegen ciitoris. 3 cm langen cylindrischen cavernösen Körpern, welche als den Schwellkörpern des Penis analoge Bildungen an den gleichen Stellen fest an die Knochen des Schambogens angewachsen sind. Gegen 1 cm über dem Schambogenwinkel vereinigen sich beide cavernöse Körper der Clitoris, die hier durch ein schwaches Ligamentsuspensorium der Symphyse zugezogen werden, um unter einem nahezu rechten Winkel nach vorwärts und etwas nach abwärts zu gehen. Die Clitoris endigt mit einer von der Haut überzogenen, gleichfalls aus cavernösem Gewebe bestehenden Anschwellung, der Glans clitoridis in der Vulva. Die Haut der Clitoriseichel ist dünn und sehr reich an Nerven, deren Primitivfasern in die gleichen Endkolben auslaufen, von welchen bereits früher bei der Haut der Glans penis die Rede war. Bei der Erection verschwindet der Winkel, welcher die Glans clitoridis mit den beiden zusammengetretenen Schwellkörpern des Organs bildet, und die vergrösserte Eichel ist dann direct nach vorn gerichtet. In dem nicht erigirten Zustand steht die Clitoriseichel ziemlich in gleicher Höhe mit dem unteren Sym-

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vestibulum.

Das Becken.

physenrand, und unmittelbar unter derselben beginnt das Vestibulum vaginae. Der sich nach einwärts und abwärts vertiefende Raum, der oben von dem Frenulum clitoridis, seitlich von der medialen Fläche der Labia minora und unten von der Navicula begrenzt ist, wird Vorhof, Vestibulum, genannt. In dem Verhältniss zu der Höhe ist die Breite des Vorhofs bei geschlossener Vulva eine geringe. Werden dagegen die Labia majora auseinandergezogen, so erweitert sich der

Fig. 147. Frontalschnitt durch die äusseren weiblichen Genitalien. 1 Schamberg. 2 Eichel der Clitoris. 3 Oberste Partie des Muse. constrictor cunni. 4 Cavernóse Körper der Clitoris.

5 Harnröhre. 6 Cavernoser Körper der Harnröhre. 7 Untere Partie des Muse. constrictor cunni. 8 Scheide.

9 10 11 12 13 14

Muse, ischio-cavernosus. Knochen d. Schambogens. Muse, levator ani. Cavum ischio-rectum. Muse, sphincter ani ext. Mastdarm.

Vorhof, da die kleinen Schamlippen dem an den grossen angebrachten Zuge folgen. Seine Bedeutung erhält der Vorhof dadurch, dass in der hinteren Wand desselben die äusseren Oeffnungen sowohl der Scheide, wie der Harnröhre gelegen sind. Mundung der Die Mündung der Scheide befindet sich unmittelbar über der scheide. F o g s a navicularis, zeigt aber in Weite und Gestalt grosse individuelle Differenzen, die mit den verschiedenen Phasen des weiblichen Geschlechtslebens in nächster Beziehung stehen. Bei Kindern erscheint die Scheidenmündung als längliche Spalte, die sich später bei Jung-

Regio uro-genitalis der Frau.

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frauen zu einer längsovalen erweitert und bei Frauen, die geboren haben, leicht queroval wird. Die Scheidenöffnung von Frauen, die sehr oft geboren haben oder sich einem excessiven Geschlechtsgenuss hingeben, wird grösser und rund. Der Eingang in die Scheide ist bei Frauen von narbenartigen Hymen. Excrescensen umgeben, Carunculae myrtiformes genannt, welche als Reste des bei Jungfrauen vorhandenen Hymens zurückbleiben. Das Hymen ist eine den Scheideneingang verengernde Hautfalte, deren äussere Lamelle dem Vorhof, deren innere bereits der Schleimhaut der Scheide angehört. Die gewöhnlichste Gestalt dieser Falte ist die halbmondförmige, in welchem Falle nur der untere hintere Theil des Scheideneingangs durch eine halbmondförmige Falte verlegt ist. Seltener ist die circuläre Form des Hymens, wobei der Scheideneingang mehr oder weniger durch einen Ring verengert ist, dessen untere hintere Hälfte aber in der Regel viel breiter ist, als die obere vordere. Auch franzenartige, bisweilen ziemlich tief gehende Auszackungen kommen an dem freien Rande des Hymens vor. Dieselben sind bei dem Neugebornen ziemlich häufig, erhalten sich in selteneren Fällen auch bis nach der Pubertät. Bei der ersten Begattung kommt es zu mit einer leichten Blutung verbundenen Einrissen des Hymens meist nach unten, nach rechts und links. Die eingerissenen Stellen verwachsen nicht mehr unter einander, sondern vernarben zu den Carunculae myrtiformes. Ist die Textur des Hymens derb und elastisch, so kann Begattung auch ohne derartige Einrisse erfolgen und die Fortdauer des Hymens ist dann bis zur Geburt möglich. Das Vorhandensein eines Hymens bildet daher kein absolutes Zeichen der Virginität, während auf der anderen Seite Mangel des Hymens auch für kein absolutes Zeichen der Defloration angesehen weisen kann, da Fälle von angeborenem Fehlen des Hymens sicher constatirt sind. Eine allerdings seltene, aber praktisch wichtige Form der Hymenbildung ist der vollständige Verschluss des Scheideneingangs, wodurch Retention der menstrualen Blutung bedingt wird, was durch Rückstauung nach den Tuben und der Abdominalhöhle selbst Veranlassung einer chronisch verlaufenden Peritonitis werden kann. Die Mündung der Harnröhre befindet sich in dem Vorhof un- Mündung der mittelbar über einem kleinen Höcker, der in der Medianlinie oben Harnrohreund vorn den Scheideneingang begrenzt. Dieselbe hat die Gestalt einer 4 — 5 mm langen Längsspalte, welche von einem schwachen, leicht eingezackten Wulste umgeben ist. Praktisch wichtig ist die Kenntniss der Entfernung der Eichel der Clitoris von der Harn-

762

Weibliche Perineaimuskein.

corpus cavernosum urethrae,

Das Becken.

röhrenmündung, welche 14—16 mm beträgt, da die Einführung des Katheters, ohne die Bedeckung der Kranken zu entfernen, vorgenommen wird und dabei die Berührung der nervenreichen Clitoriseichel durch das Katheterende zu vermeiden ist. Um sicher in die Harnröhre zu gelangen, legt man den Zeigefinger der freien Hand in den Eingang der Scheide, sucht den erwähnten kleinen Höcker zu fühlen, über dem sich unmittelbar die Harnröhrenmündung befindet. Entfernt man die Labia majora, sowie die den Vorhof begrenz e n c j e n Nymphen, so tritt, von einer dünnen, bindegewebigen Haut überzogen, zunächst jene Gruppe von Muskeln in Sicht, welche als weibliche Perinealmuskeln bezeichnet wTerden. Von denselben verhält sich der M. ischio-cavernosus ganz in derselben Weise, wie der gleiche Muskel des männlichen Geschlechts, und inserirt sich an das Corp. cavern. clitoridis. Auch der M. transvers. perinei superfic. und der profundus folgen in ihrem anatomischen Verhalten ganz dem männlichen Typus, indem der letztere auch bei der Frau in die Substanz des Diaphr. uro-genit. eintritt, während der erstere in dem AVinkel zwischen M. sphincter ani extern, und M. constrictor cunni, welcher in dem weiblichen Geschlecht dem M. bulbo-cavernosus des Mannes entspricht, seine Faserbündel mit jenen benachbarter Muskeln vermengt. Dagegen weicht der bereits erwähnte M. constrictor cunni wesentlich von dem ihm analogen M. bulbo-cavern. des Mannes ab. Die beiden Hälften desselben sind nämlich nicht durch ein Septum, wie bei dem M. bulbo-cavern. des Mannes vereinigt, sondern sind durch den Vorhof auseinander gedrängt, um welchen der Muskel eine Art Sphincter bildet. Hinten fliessen die Faserbündel des M. constr. cunni in der Medianlinie und deren nächster Umgebung zusammen mit dem vorderen Ende des M. sphinct. ani ext. und dem medialen des M. transv. perin. superfic., steigen dann medialwärts leicht concav zu beiden Seiten des Scheideneingangs nach vorn und aufwärts, um schliesslich in zwei Fascikel auseinanderzugehen, von welchen das schwächere laterale sich an das Corp. cavern. clitoridis der gleichen Seite kurz vor dessen Knickung inserirt, während das stärkere mediale in eine platte Sehne übergeht, welche in der Medianlinie unter der Haut des Frenulums clitoridis eine Verbindung beider Hälften des M. constr. cunni herstellt, Mit dem M. constr. cunni in nächster topographischer Beziehung s t e ht das Corp. cavern. urethrae, auch unter dem Namen der Vor-

Kegio uro-genitalis der Frau.

763

hofszwiebeln bekannt, welches man als anatomisch gleichwerthig mit dem Bulbus corp. cavern. urethrae des Mannes ansehen kann. Jede Vorhofszwiebel, aus cavernösem Gewebe bestehend, hat eine birnförmige Gestalt, und zwar ist das dickere Ende nach abwärts, das dünnere nach aufwärts gerichtet. Vermittelst der beiden dünneren Enden' sind in der Medianlinie die beiden Vorhofszwiebeln zu einem jochartigen Gebilde vereinigt, welches, unter der Haut der Wurzeln der kleinen Schamlippen gelegen und lateral auch gedeckt von dem M. constrictor cunni, den Vorhof oben und seitlich bis in die Nähe der Fossa navicularis umgibt. Die Commissur beider Vorhofszwiebeln liegt zwischen Harnröhre und Clitoris, mit welch' letzterer sie durch ein reichliches venöses Netz in Verbindung steht. Jenes Bündel des M. constrictor cunni, welches unter der Clitoris durch eine kurze, platte Sehne mit dem gleichen der anderen Seite zusammenhängt, überragt zwar die Commissur beider Vorhofszwiebeln, tangirt aber noch den oberen Rand derselben. Hinter dem Corp. cavern. urethrae und demnach auch hinter den weiblichen Perinealmuskeln ist das Diaphragma uro-genitale gelegen. Wegen der geringeren Höhe des weiblichen Schambogens ist dasselbe niedriger, als bei dem männlichen Geschlecht, und hat weiter aus dem Grunde eine geringere räumliche Ausdehnung, weil dasselbe nicht nur von der Harnröhre, sondern auch von der voluminösen Scheide durchbrochen wird. Die untere hintere Grenze dieses fibro-musculösen Verschlussmittels des weiblichen Beckens in der Höhe des Schambogens bildet äusserlich wahrnehmbar die Linea inter-ischiadica, welcher tiefer der Verlauf beider M. transv. perin. superfic. entspricht. An Stärke steht das Diaphr. uro-genit. der Frau jenem des Mannes nach; der dickste, gegen 5 mm starke Theil desselben liegt zwischen Clitoris und Harnröhre, und in diesem Theile sind auch am reichlichsten die Faserzüge des M. transv. perin.-profund. vertreten. In das Diaphr. uro-genit. der Frau sind zwei acinöse, oft bohnengrosse Drüsen eingelagert, welche von B a r t h o l i n zuerst beschrieben wurden und die man mit Recht als den Co op er'sehen Drüsen des Mannes analog betrachtet. Die Grösse dieser Drüsen ist nicht constant und oft auf beiden Seiten nicht gleich; auch habe ich oft vergebens nach denselben gesucht. Die B a r t h o l i n ' s e h e n Drüsen Hegen in der unteren Hälfte des Diaphr. uro-genit., und zwar ist ihr oberes Drittheil verdeckt durch das untere dickere Ende der Vorhofszwiebeln, während sich ihre beiden unteren Drittheile hinter dem M. constr.

Diaphragma ° y°'ftu|e d'

ur B

764

Das Becken.

cunni verbergen. Obgleich der Drüsenkörper der Scheidenwand anliegt, so mündet der 1,5 cm lange und nach vorn verlaufende Ausführungsgang nicht hinter, sondern vor dem Hymen, also in den Vorhof. Hinter dem weiblichen Diaphr. uro-genit. liegen, von sehr starker Ringmusculatur umgeben, die beiden oberen Drittheile der Harnröhre. Der zwischen Blase, vorderer Scheidenwand und Diaphr. uro-genit. übrig bleibende, von der Harnröhre durchzogene Raum wird von fetthaltigem Bindegewebe und venösen Geflechten ausgefüllt. Da die Prostata fehlt, schlägt sich bei der Frau die Beckenbinde in der Schambeinfuge direct auf die Blase und den derselben zunächst liegenden Theil der Harnröhren wand über, wesshalb die sich hierbei bildenden Falten der Beckenbinde als Ligament, pubovesicalia bezeichnet werden.' Weibliche Harnröhre.

Der wesentliche Unterschied der männlichen und weiblichen Harnröhre besteht in der verschiedenen Länge; denn die nur 3 cm lange weibliche Harnröhre besitzt nur den sechsten Theil der Länge der männlichen. Dagegen hat die weibliche Harnröhre nahezu die gleiche Weite der männlichen, nämlich 7 mm bei durchfliessendem Harn, während sonst ihr Caliber wegen der Längsfalten der Schleimhaut auf Null herabsinkt. An zwei Stellen ist die weibliche Harnröhre verengert, am meisten am Eingang, wo sie, wie wir oben sahen, mit einer nur 4 — 5 mm langen und 1 mm breiten Längsspalte in der Medianlinie in den Vorhof einmündet. Auch ist dieser Theil der Harnröhre wenig erweiterbar und erhält daher leicht bei der Einführung stärkerer Instrumente, sowie bei dem Ausziehen grösserer Steine mehr oder weniger beträchtliche Einrisse, wesshalb es vorzuziehen ist, vorher behufs Erweiterung kleine Einschnitte an der spaltförmigen Mündungsstelle anzulegen. Etwas, aber nur wenig verengt ist die Harnröhre unmittelbar vor ihrem Eintritt in die Harnblase. Die weibliche Harnröhre ist aber aussergewöhnlich stark erweiterbar und verhält sich in dieser Beziehung ganz wie die Pars prostatica der männlichen. Aus diesem Grunde kommt, abgesehen davon, dass Steine bei Frauen überhaupt viel seltener sind, der Steinschnitt bei dem weiblichen Geschlechte kaum vor. Die Steine der Frauen werden einfach durch die so erweiterbare Harnröhre ausgezogen.

Regio uro-genitalis der Frau.

Weibliche Harnröhre.

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Die Verlaufsrichtung der weiblichen Harnröhre (Fig. 150.7) ist fast gerade, mit einer minimalen Curvatur, deren Concavität nach vorn und oben gerichtet ist. Dieselbe liegt auf der vorderen oberen Wand der Scheide, von welcher sie durch eine Fortsetzung des Septum vesico-vaginale, das hier urethro-vaginale heisst und einen Theil der Beckenbinde der Frau darstellt, geschieden ist. Bei aufrechter Stellung bildet die Harnröhre mit der verticalen Ebene einen kaum 20° messenden Winkel, der nach unten und vorn offen ist. Während des Liegens ist die Richtung der Harnröhre die horizontale, so dass der Katheter, welcher fast ausschliesslich in der Rückenlage eingeführt wird, nur einfach von vorn nach hinten einzuschieben ist. Zwei Drittheile der weiblichen Harnröhre befinden sich noch innerhalb des Beckens, d. h. hinter dem Diaphr. uro-genit. Von dem letzten Drittheil liegen 5 mm in dem Diaphr. uro-genit., welches bei der Frau nicht die Stärke hat, wie bei dem Manne, und 5 mm vor demselben in der Vulva. Die Entfernung der weiblichen Harnröhre vom Schambogenwinkel in dem Diaphr. uro-genit. beträgt nur 8 bis 10 mm, ist also geringer, als bei dem Manne. Der weitaus stärkste Bestandtheil der weiblichen Harnröhre ist die Muskellage, welche von der Blasenmündung nach dem Diaphr. uro-genit. hin allmählig abnimmt, aber in dem Harnröhrenabschnitt, welcher das Diaphr. uro-genit. durchsetzt, immer noch vorhanden ist und sich erst in dem Vulvatheile verliert. Dieser Muskellage verdankt die Harnröhre ihre ungewöhnliche Dicke, welche an der Blasenmündung 25 mm und an dem Diaphr. uro-genit. 12 mm beträgt. Dadurch erhält die weibliche Harnröhre die grösste Aehnlichkeit mit der Pars prostatica der männlichen, die noch dadurch gesteigert wird, dass durch diese Muskelmasse die Harnröhre nicht centrisch durchtritt, sondern dass der grössere Theil der Musculatur hinter und der kleinere vor dem Lumen der Harnröhre liegt. An dem mir vorliegenden sagittalen Schnitt, welcher durch die Medianebene des weiblichen Beckens gelegt ist, hat in der Nähe der Blasenmündung die Musculatur hinter der Harnröhre eine Stärke von 11 mm, vor der Harnröhre eine solche von 7 mm.. Es bietet daher diese Musculatur, in welcher das alleinige Verschlussmittel der weiblichen Harnblase gegeben ist, eine vollständige Analogie mit der Musculatur der Prostata des Mannes dar, und ist dieselbe nur desshalb um ein Drittheil kleiner, weil ihr die Drüsensubstanz der Prostata fehlt. Aber auch diese letztere kommt allerdings in beschränk-

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Das Becken.

terem Maasse dem Weibe zu, nur tritt dieselbe an einem anderen Orte auf. Es finden sich nämlich an dem Orificium vesicale urethrae gegen die Mündung der beiden Ureteren zu, also in dem Bereiche des ßlasendreiecks, nicht ganz selten braungelbe Punkte, welche sich bei näherer Untersuchung als traubenförmigen Drüsen angehörig erweisen und dieselben gelblichen Concremente enthalten, wie man sie schon lange von der Prostata kennt. Die Muskelsubstanz der weiblichen Harnröhre besteht aus zwei Lagen, einer äusseren, weitaus stärkeren, aus quergestreiften Muskelbündeln bestehend, mit ringförmiger Anordnung, und einer inneren schwachen mit longitudilialem Verlaufe, welche der glatten Muskulatur angehört. Das submuköse Bindegewebe, welches die Muskellage an die Schleimhaut heftet, ist weitmaschig, fettlos und von Venen vielfach durchzogen. Die in Längsfalten gelegte grauröthliche Schleimhaut der weiblichen Harnröhre lässt namentlich in der Nähe der Vulva punktförmige OefEnungen erkennen, welche die Mündungen grösserer Ausführungsgänge traubenförmiger Drüsen darstellen, in denen sich gonorrhoische Katarrhe mit am längsten erhalten. Um dieselben zu constatiren, übt man einen gelinden Druck auf die obere Wand des Scheideneingangs aus, worauf etwas puriformer Schleim aus der Mündung der Harnröhre zum Vorschein kommt. Regio analis. Grenzen.

Aeussere Conflguration.

Di e Reg. analis, vorn von der Reg. uro-genit. durch die Linea interischiadica geschieden, hat als seitliche Grenzen die Ligam. tuberos-sacra und weiter nach vorn die Sitzbeinhöcker, welche beide jedoch von dem unteren freien Rande des M. glutaeus magnus überragt werden, der demnach als bestimmend für die seitliche Grenze der Analgegend betrachtet werden muss. Hinten springt die Spitze des Steissbeins etwas in die Gegend vor; doch ist dieser Vorsprung desshalb ganz unbedeutend, weil der Steissbeinursprung der untersten Bündel des M. glut. magn. sich fast bis zu der Spitze des Steissbeines erstreckt und demnach seitlich von der Steissbeinspitze auch sogleich die laterale Begrenzung der Gegend mit dem freien Rande des M. glut. magn. beginnt. Was die äussere Configuration der Analgegend betrifft, so ist dieselbe während des Stehens so reducirt, dass sie in der Rima ani, d. h. in jener Spalte, welche, von den beiden grossen Glutaealmuskeln umrandet, schon über der Steissbeinspitze beginnt und sich nach vorn bis nahe an die Wurzel des Scrotums erstreckt, so zu sagen

Regio analis.

767

verschwindet. Dagegen tritt die Analgegend in der Knie-Ellenbogenlage bei ausgespreizten Oberschenkeln vollständig in Sicht, und die Geschlechtsdifferenz macht sich dadurch geltend, dass der quere frontale Durchmesser derselben bei der Frau wegen des grösseren Abstandes beider Sitzbeinhöcker länger ist, als bei dem Mann. Zu fühlen sind in der Analgegend die Sitzbeinhöcker, die Steissbeinspitze und bei schwacher Ausbildung der Glutaealmuskeln und geringer Fettlage die Ligam. tuberoso-sacra. Der am meisten in die Augen springende Theil der Analgegend ist die Afteröffnung. Dieselbe, in der Medianlinie gelegen, ist ausser derZeit des Stuhlgangs geschlossen, schwach umwulstet und in sagittaler Richtung leicht längsoval. Die Lage der Afteröffnung ist bei verschiedenen Individuen nicht ganz gleich. Bei Männern wird dieselbe in der Regel durch eine quere Linie, welche die Scheitel beider Sitzbeinhöcker verbindet, halbirt, so dass ihr vorderes Ende.gegen 1cm von der Linea interischiadica und ihr hinterer Rand 1,5 cm von der Steissbeinspitze absteht. Bei der Frau ist die Afteröffnung etwas weiter nach vorn gerückt und etwas weniger tief zwischen die Sitzbeinhöcker eingesenkt als bei dem Manne. Die Reg. analis hat nicht den einheitlichen Character wie andere Gliederung der l^gg analis Körpergegenden, da sie in der Mitte das untere Ende des Rectums und dessen Endmündung, die Afteröffnung, seitlich zwei bedeutende mit Fett gefüllte Vertiefungen, die Cava ischio-recta in sich schliesst und vorn, der Medianlinie zunächst, in die Zusammensetzung einer praktisch ungemein wichtigen und in die Reg. uro-genit. eingreifenden Lokalität eingeht, welche als Trigonum recto-urethrale bei dem Manne, als Trigon. rectovaginale bei der Frau bezeichnet wird. Wir werden daher bei der Betrachtung der Analgegend abweichend von der sonst in der topographischen Anatomie üblichen schichtenweisen Behandlung zuerst die Afteröffnung nebst dem untersten Theile des Rectums, den man als Sphincterenabschnitt bezeichnen kann, berücksichtigen, dann das Cavum ischio-rectum erörtern und daran die Betrachtung der erwähnten Dreiecke reihen. Die Haut in der nächsten Umgebung der Afteröffnung ist bei dem Manne behaart, bei der Frau in der Regel nicht und wird mit der Annäherung an das Rectum immer dünner. Von dem Eingang in den After erstrecken sich peripherisch die sogenannten Radialfalten der Afterhaut, welche alsbald stärker hervortreten, wenn man die Haut in der Umgebung der Afteröffnung seitlich etwas anzieht oder an dem Lebenden, wenn man bei der Untersuchung in der

After,

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Das Becken.

Knie-Ellenbogenlage den Kranken zum Stuhle drängen lässt. An der After Öffnung Betzen sich diese Falten in die sogenannten Columnae M o r g a g n i i fort, wie man die in dem Sphincterentheil des Rectums befindlichen Longitudinalfalten der Mastdarmschleimhaut nennt. Zwischen den Columnae M o r g a g n i i finden sich hie und da horizontal gestellte Querfältchen, ähnlich jenen der Venenklappen, deren freier Rand nach oben sieht. In den Taschen dieser Fältchen können sich kleine Fremdkörper, namentlich Kerne von Beerenfrüchten verstecken, die in seltenen Fällen Veranlassung zu Eiterung und Abcessbildung geben. Ausser den wahren Hämorrhoidalknoten, d. h. seitlichen Erweiterungen der Venen des Mastdarms und der Afteröffnung, kommen an der letzteren am häufigsten längliche schmale Erosionen vor, welche sich von den radiären Falten in das Rectum erstrecken und oft gar nicht leicht aufzufinden sind. Dieselben, unter dem Namen der Fissurae ani bekannt, bewirken weniger während der Kothentleerung als kurze Zeit danach intensive Schmerzen, welche Stunden lang andauern können. Die Ursache dieser Schmerzen ist die starke Contraction der Schliessmuskeln des Afters nach der Kothentleerung, wesshalb dieselben alsbald nach einer forcirten Erweiterung des Afters schwinden. Auch kommen nicht selten, namentlich bei Frauen, die öfter geboren haben, Verlängerungen der Columnae M o r g a g n i i nach abwärts vor, welche periodisch anschwellen können und unter dem Namen von Schleimhämorrhoiden bis 1 cm weit über die AfteröfEnung hervorragen. Der Verschluss der AfteröfEnung geschieht durch die Wirkung der beiden Sphincterenmuskeln, von welchen der äussere quergestreift und willkürlich für den Verschluss weit weniger als der innere leistet, welcher aus glatter Muskulatur besteht. Der äussere Sphincter ist aus concentrischen Lagen von Muskelbündeln gebildet, die, unmittelbar unter der Haut gelegen, nach aufwärts an dem Rectum sich nur 1, lateralwärts von dem Rectum dagegen 2 cm weit erstrecken. Hinter dem After inseriren sie sich grossentheils an einen verdichteten Bindegewebestreifen, der von der Spitze des Steissbeins nach der Afteröffnung verlauft, vor dem After geht ein kleiner Theil an die Fase, perin. superf., die Mehrzahl aber biegt in die Bündel der anderen Seite desselben Muskels um, sich zugleich verwebend mit den Fasern der M. transv. perin. beider Seiten, des M. bulbo-cav. des Mannes und des M. constr. cunni der Frau. Seitlich verbinden sich mit dem äusseren Sphincter die schräg von oben herabkommenden

769

Regio analis.

Fascikel des M. levator ani. Der innere Sphincter ist nichts anderes, als die sehr stark entwickelte, bis 8 mm mächtige Lage der Ringschichte, d. h. der circulären glatten Muskelbündel des Rectums. Die Höhe des inneren Sphincter ist individuell verschieden, beträgt aber bei dem Erwachsenen durchschnittlich 4 cm. Die obere Grenze des Muskels ist an der Leiche nicht ganz leicht zu sehen, an dem Lebenden aber desshalb sicher zu bestimmen, weil, nachdem der eingeführte Finger die obere Sphincterengrenze überschritten hat, die Pressung auf den Finger aufhört, da derselbe in einer weiteren Partie des Mastdarms angelangt ist. Bei Injectionen in den Mastdarm ist die Canule immer über die Höhe des inneren Sphincter einzuführen, da ohne diese Vorsichtsmaassregel die Flüssigkeit seitlich von der Canule abfliesst und nicht in den Darm gelangt. Die die Mastdarmfissuren begleitenden Contractionen, welche, reflectorisch hervorgerufen, die Ursache der erwähnten intensiven Schmerzen sind, kommen wesentlich auf Rechnung des inneren Sphincterenmuskels. Der untere Theil des kleinen Beckens zwischen den beiden Sitzbeinknorren wird von dem unteren Viertheil des Mastdarms nicht vollständig ausgefüllt, sondern es bleibt zwischen Sitzbein und der lateralen Wand des Rectums in jeder Körperhälfte ein mit Fett ausgefüllter pyramidaler Raum, dessen Spitze nach oben sieht, während über die Basis desselben die äussere Haut weggeht. Dieser »Cavum ischio-rectum« genannte Raum, welcher am besten an frontalen Durchschnitten durch die Sitzbeinhöcker zur Anschauung gelangt, ist je nach dem Füllungszustande des unteren ampullaren Theiles des Rectums bald weiter, bald enger. Die ausfüllende Fettmasse berührt aber weder unmittelbar die äussere Wand des Rectums, noch den Knochen; von der ersteren ist sie getrennt durch den M. levator ani, von dem letzteren durch die untere Hälfte des M. obturator. intern, und noch weiter abwärts durch die über den Sitzbeinhöcker sich schlagenden mächtigen Fascikel des M. glutaeus magn. Der Grund, wesshalb das Cav. ischio-rectum an dem frontalen Schnitt oben spitz beginnt und unten weit endigt, liegt in der schrägen Verlaufsweise des M. levat. ani. Dieser dünne, flächenartig gestaltete Muskel entspringt nämlich von den seitlichen Knochen des kleinen Beckens bis nach rückwärts zur Spina ossis ischii oder streng genommen von der Umschlagsstelle der den sehnigen Theil des unteren Beckenverschlusses bildenden Fascia pelvis und verlauft schräg medial und abwärts, um mit dem M. sphincter ani ext. zusammenzufliessen. G e T l a c h , Anatomie dea Menschen.

49

cavum ischio-

Das Becken.

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Derselbe steht also zu dem Becken nicht horizontal, sondern exquisit schräg mit hohem lateralen Ursprung und tiefem medialen Ansatz. Seine grösste Länge erhält dieser Muskel, welcher mit dem Diaphragma urogenitale den musculösen Verschluss der unteren Beckenapertur bildet, in jener Phase des Kothactes, in welcher durch die Wirkung der Bauchpresse der After möglichst tief herabgedrückt wird. Er beginnt dann seine Wirksamkeit in der Art, dass er den i

Fig. 148. Frontaler Schrilgschnitt durch das kleine Becken zwischen Blase und Diaphragma uro-genitale des Mannes. 1 Schambeinfuge. 2 Horizontaler Ast d. Schambeins. 3 Canalis obturatorius mit Gefdfsen und Nerven. 4 Membrana obturatoria. 5 M. obturator, e x t 6 M. obturator, int. 7 Aufsteig. ÄBt des Sitzbeins.

8 9 10 11 12 13 14

M. glutaeus magnus. Crena ani. Mastdarm. Lig. arcuatum. Plexus venosus Santorini. Prostata. Harnröhre mit Colliculus seminalisunddurchschnittenen Ductus ejaculatoriis.

15 Fibröse Kapsel d. Prostat von R e t z l u s . 16 Fascia recto-vcsicnlis. 17 M. levator ani. 18 Rested. M. ßphinet.ani ext. 19 Fascia obturatoria. 20 Vasa pudenda, in der Fase. obturator, gelegen. 21 Cavum ischio-rectum.

M. sphineter ani ext. und damit die untere Rectalpartie nach oben über den dadurch frei werdenden Kothballen zieht. Die obere mediale Fläche des M. levat. ani ist von der starken Beckenfascie überzogen, die untere laterale, welche die mediale Wand des Cav. ischiorect. bildet, jedoch nur durch eine dünne zarte Bindegewebemembran von dem Fettinhalt des letzteren geschieden. Dagegen ist das Fleisch des die laterale Wand des Cav. ischio-rect. bildenden M. obturat. int.

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Regio analis.

mit einer mächtigen Bindegewebehaut überdeckt, welche den Namen Fascia obturatoria führt. Die Spitze des Cav. ischio-rect., welche in der Anlagerung des Ursprungs des M. levat. ani an den M. obturat. int. gegeben ist, steht von der durch die äussere Haut gebildeten Basis gegen 6 cm bei dem Manne und 4,5 cm bei dem Weibe ab. Dieser Abstand oder die Höhe des Cav. ischio-rect. verlängert sich aber um einige Centimeter, wenn während des Kothens der After nach abwärts getrieben wird. Nach vom und nach hinten dehnt sich das Cav. ischio-rect. blindsackartig aus, nach vorn unter dem M. transversus perinei superficialis und den hinteren unteren Rand des Diaphragma uro-genitale, nach hinten unter denjenigen Theil des M. glutaeus magn., welcher seinen Ursprung von dem Steissbein nimmt. Die einzige grössere Arterie, welche in der Nachbarschaft des Cav. ischio-rect. verlauft, ist die Art. pudenda. Dieselbe tritt jedoch nicht in das Cav. ischio-rect. ein, sondern verlauft an der Beckenwand, umgeben von den Fascikeln des M. obturat. intern., und ist demnach durch die starke Fascie, welche diesen Muskel deckt, von dem Cav. ischio-rect. geschieden. Nur ein kleiner schwacher Zweig der Art. pudenda, die Art. haemorrhoidalis infer., durchbricht die Fascia obturatoria und gelangt, das Fett des Cav. ischio-rect. durchsetzend, zu der unteren Partie des M. levat. ani und des Mastdarms. Die Arterie ist von mehreren Hämorrhoidalvenen, sowie von feinen Zweigen des Nerv, pudendus intern, begleitet. Eine unmittelbar praktische Bedeutung gewinnt das Cav. ischiorect. durch die nicht ganz seltenen phlegmonösen Entzündungen, in Folge deren der .fettige Inhalt dieser Localität rasch in Eiterung übergeht. Bricht der Eiter durch die äussere Haut, so ist damit eine incomplete Mastdarmfistel gegeben. Bahnt sich der Eiter seinen Weg aber nicht nur durch die Haut, sondern auch durch den M. levat. ani und die Wand des Rectums, so nennt man den Zustand eine complete Mastdarmfistel. Da diese phlegmonösen Entzündungen oft sehr rapid verlaufen und sich hinter dem Mastdarm vor dem Steissbein von dem Cav. ischio-rect. einer Seite auf das der andern Seite ausbreiten können, so empfiehlt es sich, die seitlich vorkommenden Abscesse möglichst früh, auch wenn die Fluctuation noch nicht ganz deutlich zu constatiren ist, durch einen langen, in sagittaler Richtung zu führenden Schnitt, der sich von dem M. transversus perinei superfic. bis zu dem Rande des M. glutaeus magn. erstreckt, zu öffnen. 49*

772 Trigonum rectourethrale.

Das Becken.

An dem sagittalen Medianschnitt des männlichen Beckens tritt Beobachter unmittelbar vor dem After ein dreieckiger Raum entgegen, dessen Spitze nach oben gerichtet ist, während dessen Basis nach unten sieht und, wie bei dem Cavum ischio-rect., von der Haut, und zwar von der unmittelbar vor der Afteröffnung gelegenen Hautpartie gebildet ist. Dieser Raum, das Trigonum recto-urethrale (Fig. 149. 13), gewinnt für den Praktiker dadurch Bedeutung, dass man an dessen Spitze durch das Rectum den in der Harnröhre befindlichen Katheter fühlen und auf die Richtung desselben durch Druck einwirken kann, was bei der schwierigen Einführung des Katheters bei Prostatahypertrophie wichtig wird. Auch die Anlage der sogenannten perinealen Boutonnière und des N e l a t o n sehen prärectalen Steinschnittes setzt eine genaue Kenntniss dieses Dreiecks voraus. Die Spitze des Trig. recto-urethrale ist dadurch gegeben, dass die Pars membranacea urethrae und der Sphincterentheil des Rectums divergiren. Dieselben liegen an der abgestumpften Spitze der Prostata ziemlich nahe an einander, weichen aber da unter einem Winkel von einander ab, der bei dem Erwachsenen stets ein spitzer ist; das Rectum zieht sich nach hinten, die Harnröhre nach vorn. Die hintere Wand des Dreiecks wird von dem Sphincterentheil des Rectums, die vordere Wand wird in der nächsten Nähe der Spitze von der Pars membran. urethr., der grösste Theil dieser Wand aber von dem Bulbus corp. cavern. urethr. und dem denselben deckenden M. bulbo-cavernosus gebildet. Die Basis des Dreiecks, welche, wie bereits erwähnt, die Haut darstellt, ist bald länger, bald kürzer, was mit dem stärkeren oder geringeren Volumen des Bulb. corp. cavern. urethr. in Beziehung steht. Daher ist die Basis bei Rindern relativ länger, als bei Erwachsenen; besonders kurz wird die Basis in dem höheren Alter, in welchem der Bulbus am stärksten entwickelt ist. Auch die Höhe des Dreiecks, d. h. die Entfernung des oberen Winkels von der Basis zeigt individuelle Verschiedenheiten. Bei dem Erwachsenen beträgt dieselbe durchschnittlich 3 cm, kann aber auch bei starker Entwicklung des Bulbus 5 cm erreichen. Der Inhalt des Dreiecks besteht in der Nähe der Spitze aus lockerem Bindegewebe, darunter folgt quergestreifte Muskulatur, welche aus der Vermengung von Faserbündeln beider M. transvers, perin. superfic. mit den Bündeln des M. sphinet. ani ext. und des M. bulbo-cavernos besteht; unterhalb dieser Muskellage findet sich das unter der Haut gelegene fetthaltige Bindegewebe.

Regio sacro-coccygea.

773

Grössere Gefässe enthält das Trigon. recto-urethr. nicht. Die in demselben vorkommenden sind Zweige der Hämorrhoidalarterien. Dagegen verlauft dicht an der vorderen Wand die Art. transversa perinei, der Basis des Dreiecks jedoch beträchtlich näher, als der Spitze. Schonung dieser Arterie, sowie des Bulbus corp. cavem. urethr. sind von dem anatomischen Gesichtspunkt die grossen Vorzüge des praerectalen Steinschnittes von N e l a t o n . An dem Medianschnitt des weiblichen Beckens ergibt sich aus Trigonum rectoder Divergenz des unteren Scheidentheiles und der Sphincterenregion vaginale, des Rectums das Trigonum recto - vaginale (Fig. 150. 15), dessen vordere Wand der Scheide, dessen hintere dem Rectum angehört. Die Höhe dieses Dreiecks beträgt durchschnittlich wenig mehr, als 2 cm. An der Spitze geht das Septum recto-vaginale, eine Lage stark verdichteten Bindegewebes, welches die beiden mittleren Viertheile der Scheide an das Rectum anheftet, in laxes Bindegewebe über, das mit der der Basis näher gelegenen Musculatur den Inhalt des Dreiecks bildet. Diese Musculatur besteht hinten aus dem M. sphinct. ani extern., vorn aus dem M. constrictor cunni, welche in dem Dreieck die Hauptmasse ihrer Bündel in Form von Achtertouren austauschen. Der in praktischer Beziehung wichtigste Theil des Trigon. recto-vaginale ist die in der Haut gegebene Basis, welche sich von dem Frenulum der grossen Schamlippen bis zur Afteröffnung erstreckt. Die hier meist unbehaarte Haut ist ziemlich dünn und stellt das weibliche Perineum dar, welches häufig bei Geburten mehr oder weniger tief einreisst. Die Länge des weiblichen Perineums ist individuell verschieden, überschreitet aber selten 3 cm. Regio sacro-coccygea. Die Grenzen der Gegend sind seitlich durch die" Abdachung Begrenzung, des Wulstes der Hinterbacken, d. h. durch den Kreuz- und Steissbein-Ursprung des M. glutaeus magn., und oben durch eine gerade horizontale Linie bestimmt, welche die hintersten fühlbaren Stellen beider Darmbeinkämme verbindet und den unteren Rand der Spitze des Dornfortsatzes des letzten Lendenwirbels schneidet. Die untere Grenze der Gegend bildet die stets fühlbare Spitze des Steissbeins. Was die Configuration der Reg. sacro-coccygea betrifft, so stellt Aeussere condieselbe ein Dreieck dar, dessen Basis nach oben und dessen Spitze flguration. nach unten gerichtet ist. Dieses Dreieck ist leicht nach hinten convex in dem frontalen und stärker convex in seiner unteren Hälfte, in dem verticalen Durchmesser. An der oberen Grenze der Gegend,

774

Das Becken.

d. h. zwischen dem Lenden- und Kreuzbeintheil der Wirbelsäule ist eine flache Vertiefung wahrnehmbar. An dieser Stelle, d. h. an dem stets fühlbaren Dornfortsatz des letzten Lendenwirbels wird das eine Ende des äusseren Beckenmessers von B a u d e l o c q u e angesetzt, während das andere den höchsten Punkt der Schambeinfuge berührt. Die Entfernung beider Ansatzpunkte soll nach Abzug von 9 cm, welche auf Rechnung des Abstandes der Rückenhaut von dem Promontorium kommen, der Ausdruck der Conjugata sein. Wenn auch feststeht, dass durch diesen Beckenmesser eine genaue Bestimmung der Conjugata vera nicht möglich ist, so können mittelst desselben jedenfalls Unregelmässigkeiten in den Durchmessern des knöchernen Beckens constatirt werden. Die Vertiefung der Crena ani erstreckt sich von unten her weit in die Gegend hinein und lässt sich bei aufrechter Stellung bis in die Mitte derselben verfolgen. Von Knochenvorsprüngen ist in der Gegend ausser den bereits erwähnten hintersten Theilen der Darmbeinkämme und der Spitze des Dornfortsatzes des letzten Lendenwirbels noch zu fühlen die Crista, welche die verwachsenen Dornfortsätze der Kreuzbeinwirbel in der Medianlinie bilden; bei mageren Personen wird dieselbe als leistenartiger Vorsprung auch dem Auge wahrnehmbar. Die an der unteren Grenze der Gegend in Form eines beweglichen Höckerchens stets fühlbare Steissbeinspitze steht bei aufrechter Stellung gegen 2 cm höher, als der Winkel des Schambogeiis, und wird demnach während des Sitzens durch das Körpergewicht, welches seinen Druck nur auf die vor der Steissbeinspitze 8 cm unterhalb des Schambogens gelegenen Sitzbeinhöcker ausübt, nicht belastet, sriiichten. Die verschiedenen Schichten der Regio sacro-coccygea liegen in folgenden Lagen untereinander: 1. Haut. 2. Unterhautbindegewebe. 3. Hochliegendes Blatt der Fascia lumbo-dorsalis. 4. Starke Sehnen und Fleisch des untersten Theiles des M. opistothenar. 5. Knochen des Kreuz- und Steissbeins. 6. Inhalt des Kreuzbeincanals. Haut. Die Haut hat in der oberen Hälfte der Reg. sacro-coccygea noch die dicke feste Beschaffenheit der Rückenhaut, von der Mitte an wird sie allmählich feiner und zarter in dem Uebergang zu der dünnen Haut, welche die Afteröffnung umgibt. Mit dem Unterhautbindegewebe ist sie ziemlich straff verbunden und daher nur wenig ver-

Regio sacro-coccygea.

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schiebbar. Das nur sparsam vorhandene Unterhautbindegewebe enthält selbst bei gut genährten Personen nur wenig Fett, und die Haut erleidet daher in den Theilen der Gegend, in welchen deren unmittelbare Unterlage in Knochen gegeben ist, bei der Rückenlage einen Druck, der nicht selten, namentlich bei gewissen fieberhaften Krankheiten (Typhus), Aufliegen, Decubitus, veranlasst. In dem Unterhautbindegewebe findet sich in der Höhe der beiden unteren Kreuzbeinwirbel häufig ein kleiner Schleimbeutel, die Bursa mucosa sacralis, der in Folge von lang andauernder Rückenlage sich vergrössern und sich geschwulstartig erheben kann. Die dritte Lage der Gegend bildet das hochliegende Blatt der Fascia lumbo-dorsalis oder der unterste Theil der Aponeurose des M. latiss. dorsi, welches nach abwärts durch das Fleisch der grossen Gesässmuskel immer mehr eingeengt wird, sich jedoch bis zu dem Steissbein erhält. Dieses die ganze Reg. sacro-coccygea einnehmende dreieckige, ziemlich starke Sehnenblatt ist nur in der Medianlinie fest mit der hier vorhandenen Knochenfirste verwachsen, seitlich dagegen nur durch lockeres Bindegewebe mit den unterliegenden Weichtheilen verbunden. Diese letzteren, welche die vierte Schichte der Gegend darstellen, sind zunächst unter dem hochliegenden Blatte der Fascia lumbo-dorsalis längssehnig, und zwar entspringen diese untersten Ursprungssehnen des gemeinsamen Rückenstreckers von der medialen Knochenfirste des Kreuzbeins. Das erst unter den Sehnensträngen gelegene Fleisch nimmt an Masse nach dem Steissbein zu immer mehr ab, so dass dieser Knochen an seiner hinteren Fläche ganz frei davon ist und nur seitlich und vorn (Muse, coccygeus), sowie an seinem unteren Ende (hinterste Bündel des M. levat. ani und des M. sphineter ani ext.) mit Muskulatur in Beziehung tritt. Die knöcherne Grundlage ist zum grössten Theile in dem Kreuzbein und nur in dem unteren Winkel auch in dem Steissbein gegeben. Die Verbindung beider Knochen ist in der Mehrzahl der Fälle durch eine Synchondrose der Hörner des Kreuzbeins mit jenen des Steissbeins und nur selten durch vollständige Gelenke vermittelt. Dagegen findet sich ziemlich häufig, und zwar mehr bei Männern, als bei Frauen, dass nicht nur die Synchondrosen zwischen Kreuzund Steissbein, sondern auch die zwischen den einzelnen Steissbeinwirbeln vorhandenen Synchondrosen verknöchert sind. Diese Synostosen gehören durchaus nicht allein dem Greisenalter an, sondern ich habe dieselben schon vor dem dreissigsten Lebensjahre beobachtet. Dieselben sind auch an dem Lebenden bei genauer Betastung der

Fascia lumbo^däninter"!;0 legenen sehnen un