Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786–1815 9783050094533, 9783050060156

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German Pages 1036 Year 2015

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Zur Einführung
Chronologisches Verzeichnis der im Handbuch beschriebenen oder erwähnten Berliner Vereine
Berliner Vereine und Gesellschaften
1 Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten
Société anonyme
Société amusante
Societas Alethophilorum
Nouvelle Société littéraire
Musikübende Gesellschaft
Gelehrtes Kaffeehaus
Gelehrte Journalgesellschaft
2 Berufsständische oder fachspezifische Vereine
2.1 Medizinische und pharmazeutische Vereine
Berliner Apotheker-Conferenz
Medizinischer Club
Pharmaceutische Gesellschaft
Sechs-Ärzte-Verein
Die Hufelandische Gesellschaft
Gesellschaft für Natur- und Heilkunde
2.2 Militärische Gesellschaft
2.3 Naturforschende Gesellschaften Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin
2.4 Ökonomische Gesellschaften Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam
2.5 Pädagogische Gesellschaften Pädagogische Gesellschaft
Berlinische Schullehrergesellschaft
2.6 Sprach- und literaturwissenschaftliche Vereine Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Kgl. Realschule
Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literaturforscher zu Berlin
Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles
Griechische Gesellschaft (Graeca)
Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache
3 Bildungs- und Geselligkeitsvereine
Montagsclub
Donnerstagskränzchen (1)
Berliner Mittwochsgesellschaft (Gesellschaft von Freunden der Aufklärung)
(Feßlersche) Mittwochsgesellschaft
Gesellschaft der Freunde der Humanität
Philomatische Gesellschaft
Der Schach-Club von 1803
Vierschach-Verein
4 Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften
Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten
Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten
Preußische Haupt-Bibelgesellschaft
Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden
Berlinische Missionsgesellschaft
Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden
5 Freimaurerlogen
Die Berliner Freimaurer vor 1786
Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“
Die Großloge Royal York
Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland
Der Gold- und Rosenkreuzerorden in Berlin
Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz
6 Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur
Tugendbund (um Henriette Herz)
Freitag-Gesellschaft
Polarsternbund (Nordsternbund)
Seraphinenorden / Serapionsbrüder
Maikäferklub
7 Kunstausübende Vereine
7.1 Berlinischer Künstler-Verein
7.2 Musik- und Gesangsvereine Konzert der Musikliebhaber
Sing-Akademie zu Berlin
Liedertafel
7.3 Privatgesellschaft junger Architekten
7.4 Privattheatergesellschaften
Privattheatergesellschaft Urania
Privattheatergesellschaft Melpomene
Privattheatergesellschaft Thalia
Privattheatergesellschaft Minerva
Privattheatergesellschaft Apollo
Donnerstagskränzchen (2)
Privattheatergesellschaft Polyhymnia
Privattheater der Ressource zur Harmonie
Privattheater der Ressource zur Concordia
Privattheater des Gastwirts Gentz in der Zimmerstraße
Gesellschaftstheater in der Jakobstraße
8 Lesegesellschaften
Lesegesellschaften in Berlin
Englische Lesegesellschaft
Bauersche Lesegesellschaft
9 Patriotisch-nationale Vereinigungen
Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund)
Reimersche und v. Chasôtsche Kreise
Fechtbodengesellschaft
Der deutsche Bund
Turngesellschaft
10 Patriotische Unterstützungsvereine während der antinapoleonischen Kriege / Frauenvereine
Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes
Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichs-Str. No. 101
Mädchenverein vom 20. April 1813
Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne
Weiblicher Wohlthätigkeitsverein
Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor
Männer- und Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Halleschen Tor
Privat-Lazareth in der Brüderstraße 21
Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der dritten Artillerie-Kaserne
Verein für das Lazareth in der Kaserne auf der Wiese am Weidendamm
Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner der unmittelbar durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder
(Berliner) Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz
Verein teutscher Mädchen
Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison
11 Ressourcen / Geselligkeitsvereine
Ressource zur Unterhaltung (Therbusch’sche Ressource)
Casino-Gesellschaft
Palmiésche Ressource
12 Studentenverbindungen
Corps Marchia
Corps Guestphalia
Corps Pomerania
Corps Silesia
Corps Vandalia
Corps Borussia
Corps Curonia
Corps Hanseatica
Corps Lusatia
Berliner Burschenschaft
Polonia / Bund der Freunde ?.?
Arminia
13 Tischgesellschaften
Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) (Die Zwanglose)
Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2)
Deutsche Tischgesellschaft
Eichlersche Gesellschaft / Belle-Alliance-Gesellschaft
14 Vereine in der jüdischen Gemeinde
Chewra Kadischa (Beerdigungsgesellschaft)
Bikur Cholim (Gesellschaft für Krankenbesuch)
Chebrath Mohalim (Gesellschaft der Beschneider)
Hachnassath Kallah (Gesellschaft zur Unterstützung armer Bräute)
Beth Hamidrasch („Haus des Lernens“)
Heiratsgesellschaft
Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung)
Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Wohltäter für die Vielen)
Chevrat Schocharej haTov wehaTuschia (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten
Gesellschaft der Freunde
Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung)
Ressource der jüdischen Kaufmannschaft
Ressource der Gesellschaft der Freunde
Ohel Jescharim (Miete-Gesellschaft)
Magine Rèim (Verein zu gegenseitiger Hilfe)
Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde)
Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion
Brüderverein
15 Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung
Französische Holzverteilungsgesellschaft
Deutsche Holzverteilungsgesellschaft
Holzsparende Gesellschaft
Leopold-Stiftung
Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen
Berlinisches Bürgerrettungs-Institut
Armen-Speisungs-Anstalt
(Berlinische) Gesellschaft der Armenfreunde
Verein zum Besten der Waisen im Großen Friedrichs-Hospital
Armenbeschäftigungsanstalt
Friedrichsstift
Luisenstift
Königin-Luise-Stiftung
16 Sonstige Vereine und Gesellschaften Schützengesellschaft
Gesellschaft Patrioten und Verehrer großer Männer
Geheimverbindungen
17 Geplante, aber nicht realisierte Vereine
18 Nicht genau bestimmbare Gesellschaften
Verzeichnisse
Alphabetisches Verzeichnis der im Handbuch genannten Vereine und Gesellschaften
Verzeichnis von Berliner Vereinen, Gesellschaften und Stiftungen, die im Zeitraum 1816–1848 entstanden
Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen
Abbildungsnachweis
Beiträger
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 9783050094533, 9783050060156

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Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786–1815

Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

Uta Motschmann (Hrsg.)

Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften  1786–1815

AKADEMIE FORSCHUNG

Dieser Band wurde im Rahmen der gemeinsamen Forschungsförderung im Akademienprogramm mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung des Landes Berlin erarbeitet.

ISBN 978-3-05-006015-6 e-ISBN 978-3-05-009453-3 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Satz: Frank Zimmer, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier

Printed in Germany www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis

Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Chronologisches Verzeichnis der im Handbuch beschriebenen oder erwähnten Berliner Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI Berliner Vereine und Gesellschaften 1 Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten 3 Société anonyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Société amusante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Societas Alethophilorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Nouvelle Société littéraire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Musikübende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Gelehrtes Kaffeehaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Gelehrte Journalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2 Berufsständische oder fachspezifische Vereine 2.1 Medizinische und pharmazeutische Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Berliner Apotheker-Conferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Medizinischer Club . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Pharmaceutische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Sechs-Ärzte-Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Die Hufelandische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Gesellschaft für Natur- und Heilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.2 Militärische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2.3 Naturforschende Gesellschaften Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.4 Ökonomische Gesellschaften Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2.5 Pädagogische Gesellschaften Pädagogische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Berlinische Schullehrergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2.6 Sprach- und literaturwissenschaftliche Vereine Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Kgl. Realschule . . . . . . . . . . . . 131 V

Inhaltsverzeichnis



Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literaturforscher zu Berlin . . . . . . . . . 135 Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Griechische Gesellschaft (Graeca) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

3 Bildungs- und Geselligkeitsvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Montagsclub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Donnerstagskränzchen (1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Berliner Mittwochsgesellschaft (Gesellschaft von Freunden der Aufklärung) 171 (Feßlersche) Mittwochsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Gesellschaft der Freunde der Humanität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Philomatische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Der Schach-Club von 1803 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Vierschach-Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4

Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 218 Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . 223 Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten 224 Preußische Haupt-Bibelgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden . . . . . . . 238 Berlinische Missionsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

5 Freimaurerlogen Die Berliner Freimaurer vor 1786 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ . . . . . . . . . . . 276 Die Großloge Royal York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 362 Der Gold- und Rosenkreuzerorden in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 6 Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Tugendbund (um Henriette Herz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Freitag-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Polarsternbund (Nordsternbund) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Seraphinenorden / Serapionsbrüder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Maikäferklub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 7 Kunstausübende Vereine 7.1 Berlinischer Künstler-Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 VI

Inhaltsverzeichnis

7.2 Musik- und Gesangsvereine Konzert der Musikliebhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 Sing-Akademie zu Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 Liedertafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 7.3 Privatgesellschaft junger Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 7.4 Privattheatergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 Privattheatergesellschaft Urania . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 Privattheatergesellschaft Melpomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Privattheatergesellschaft Thalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Privattheatergesellschaft Minerva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 Privattheatergesellschaft Apollo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Donnerstagskränzchen (2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Privattheatergesellschaft Polyhymnia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Privattheater der Ressource zur Harmonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Privattheater der Ressource zur Concordia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Privattheater des Gastwirts Gentz in der Zimmerstraße . . . . . . . . . . . . . . 567 Gesellschaftstheater in der Jakobstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 8 Lesegesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 Lesegesellschaften in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 Englische Lesegesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 Bauersche Lesegesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 9 Patriotisch-nationale Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund) . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 Reimersche und v. Chasôtsche Kreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 Fechtbodengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Der deutsche Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 Turngesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 10 Patriotische Unterstützungsvereine während der antinapoleonischen Kriege / Frauenvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663 Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichs-Str. No. 101 . . . . . . 680 Mädchenverein vom 20. April 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682 Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne . . . . . . . . . . . . . . . . . 684 Weiblicher Wohlthätigkeitsverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 Männer- und Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Halleschen Tor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 VII

Inhaltsverzeichnis



Privat-Lazareth in der Brüderstraße 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693 Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der dritten Artillerie-Kaserne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 Verein für das Lazareth in der Kaserne auf der Wiese am Weidendamm . . . 696 Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner der unmittelbar durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 (Berliner) Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698 Verein teutscher Mädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison . . . . 704

11 Ressourcen / Geselligkeitsvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707 Ressource zur Unterhaltung (Therbusch’sche Ressource) . . . . . . . . . . . . . 713 Casino-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 Palmiésche Ressource . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727 12 Studentenverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 Corps Marchia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 Corps Guestphalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741 Corps Pomerania . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742 Corps Silesia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742 Corps Vandalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 Corps Borussia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744 Corps Curonia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 Corps Hanseatica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 Corps Lusatia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 Berliner Burschenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 Polonia / Bund der Freunde Π.Κ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757 Arminia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 759 13 Tischgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) (Die Zwanglose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774 Deutsche Tischgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 Eichlersche Gesellschaft / Belle-Alliance-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 790 14 Vereine in der jüdischen Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792 Chewra Kadischa (Beerdigungsgesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797 Bikur Cholim (Gesellschaft für Krankenbesuch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801 VIII

Inhaltsverzeichnis

Chebrath Mohalim (Gesellschaft der Beschneider) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 804 Hachnassath Kallah (Gesellschaft zur Unterstützung armer Bräute) . . . . . . 805 Beth Hamidrasch („Haus des Lernens“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 807 Heiratsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 810 Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung) . . . . . . . . . 811 Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Wohltäter für die Vielen) . 820 Chevrat Schocharej haTov wehaTuschia (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827 Gesellschaft der Freunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 837 Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung) . . . . . . . . . . . . 844 Ressource der jüdischen Kaufmannschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 Ressource der Gesellschaft der Freunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 851 Ohel Jescharim (Miete-Gesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853 Magine Rèim (Verein zu gegenseitiger Hilfe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 854 Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde) . 857 Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion . . . . . . . . . . . . . . . . 864 Brüderverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866 15 Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 Französische Holzverteilungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 Deutsche Holzverteilungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 Holzsparende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 881 Leopold-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886 Berlinisches Bürgerrettungs-Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 Armen-Speisungs-Anstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 910 (Berlinische) Gesellschaft der Armenfreunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913 Verein zum Besten der Waisen im Großen Friedrichs-Hospital . . . . . . . . . 918 Armenbeschäftigungsanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921 Friedrichsstift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 926 Luisenstift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 930 Königin-Luise-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 939 16 Sonstige Vereine und Gesellschaften Schützengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 950 Gesellschaft Patrioten und Verehrer großer Männer . . . . . . . . . . . . . . . . . 953 Geheimverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954 17 Geplante, aber nicht realisierte Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 958 IX

Inhaltsverzeichnis

18 Nicht genau bestimmbare Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961 Verzeichnisse Alphabetisches Verzeichnis der im Handbuch genannten Vereine und Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965 Verzeichnis von Berliner Vereinen, Gesellschaften und Stiftungen, die im Zeitraum 1816–1848 entstanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 974 Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992 Beiträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1003

X

Zur Einführung „Ich kann Berlin nicht ohne die Bemerkung entlassen, daß es ein sehr angenehmer Aufenthalt für Fremde ist, deren Umgang nicht bloß auf die höhern Classen der Gesellschaft eingeschränkt ist. Ich weiß wohl, daß das in allen großen Städten mehr oder weniger der Fall ist; aber mich dünkt, daß Berlin sich ganz vorzüglich durch seine Mittelclassen auszeichnet, und daß man unter diesen, verhältnißmäßig, mehr wahrhaft gute Gesellschaft findet, als in Wien und vielen andern großen Städten.“ Carl Gottlob Küttner: Reise durch Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen und einen Theil von Italien, in den Jahren 1797. 1798. 1799. Erster Theil, Leipzig 1804, S. 250 „Der wahre Zweck des Menschen […] ist die höchste und proportionirlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen […] Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste, und unerlassliche Bedingung. Allein ausser der Freiheit erfordert die Entwikkelung der menschlichen Kräfte noch etwas andres, obgleich mit der Freiheit eng verbundenes, Mannigfaltigkeit der Situationen. Auch der freieste und unabhängigste Mensch, in einförmige Lagen versetzt, bildet sich minder aus.“ Wilhelm v. Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen (1792)

Das Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786 –1815 ist aus dem Projekt Berliner Klassik der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften hervorgegangen, in dessen Zentrum Forschungen zur ersten deutschen Großstadtkultur im genannten Zeitraum standen. Einer der Forschungsschwerpunkte galt dem geselligen Leben, speziell dem vielfältigen Vereinswesen der Haupt- und Residenzstadt Berlin um 1800, als dessen Ergebnis das vorliegende Handbuch anzusehen ist. Zweck des Handbuchs

Mit dem vorliegenden Handbuch wird der Versuch unternommen, das gesamte Vereinswesen in einem lokal und zeitlich begrenzten Untersuchungsraum zu erfassen.1 Als solcher kann er, rückwärts und vorwärts anschließbar, für sich stehen. Trotzdem bedarf die Wahl des Zeitabschnitts einer etwas genaueren Erklärung. Sie basiert, kurz gefasst, auf der historischen These, dass Berlin zwischen 1786 (dem Todesjahr Friedrichs II.) und 1815 (dem restaurativen Einschnitt durch den Wiener Kongress) eine wohl einmalige Kulturblüte erlebte, die allerdings im Gegensatz zur gleichzeitigen Kulturblüte von WeimarJena von der deutschen Kulturgeschichtsschreibung nicht definiert und beschrieben worden ist. Sie muss demzufolge grundlegend und quasi gegen die konventionelle Erinnerungskultur rekonstruiert werden. Eine zentrale Frage dieser Rekonstruktion lautet: 1

Vgl. Lothar Gall: Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, München 1993, S. 70. XI

Zur Einführung

was hält die vielen Berliner Genies und ihre Werke, die als einzelne durchaus bekannt sind, und die weniger prominenten Stadtbürger (wie die staatlichen Beamten und Militärs, das Manufaktur- und Finanzbürgertum, die Universitäts- und Gymnasialprofessoren, die Theologen und Künstler, teilweise auch kleinbürgerliche Handwerker, Gesellen und Dienstpersonal) zusammen; welche soziokulturelle Einheit oder Eigenart lässt sich ihnen zuschreiben; wie nahe stehen sie dem Geist der modernen Großstadtgesellschaft? Für die Beantwortung dieser Frage spielt neben besonderen Ideen- und Diskurskon­ stellationen die besondere Prägung des urbanen Kulturbetriebs eine entscheidende Rolle und hier wiederum – neben Journalismus, Verlagswesen, Publizistik, Theater, Schulen und Akademien –, vor allem die stadtbürgerliche Geselligkeit, für die das damalige Berlin deutschlandweit bekannt war. Geht man davon aus, dass Begriff und Funktion der frühneuzeitlichen Vereinsbildung grundlegend erforscht sind (z. B. bei Thomas Nipperdey, Otto Dann, Richard van Dülmen oder Wolfgang Hardtwig), die Erschließung markanter Einzelbeispiele hingegen Mangelware geblieben ist, dann darf die Hoffnung gehegt werden, dass das vorliegende Inventar mit seinen Sonderaspekten der Typenvielfalt, der sozialen Breite und der ausgeprägten Optionalität auch ein generelles Interesse beanspruchen kann. Illustriert es doch den Fragenkatalog jeder urbanen Geselligkeitskultur innerhalb der modernitätsgeschichtlich so wichtigen „Sattelzeit“. Was den Sonderfall der „Berliner Klassik“ betrifft, genauer: den virtuellen Zusammenhang zwischen einer ungewöhnlichen geistigen Mobilisierung und einem ungewöhnlichen Aufschwung der stadtbürgerlichen Selbstorganisation, so besteht an evidenten Fragen kein Mangel. Sie betreffen das bildungsbürgerliche Selbstverständnis, die Frauenemanzipation, die Judenemanzipation, die Differenzierung der Wissenschaften, die ‚verspätete Nation‘, die offene Gesellschaft und weitere Aspekte, die alle im schöpferischen wie im organisatorischen Bereich wiederzufinden sind. So gesehen erfüllt das Handbuch einen Doppelzweck: es veranschaulicht mit seiner Dokumentation einerseits Form und Inhalt der staatsunabhängigen bürgerlichen Vereinsbewegung um 1800, andererseits den Zusammenhang eines komplexen ästhetischen Freiheitsexperiments mit der sozialen Öffnung der kulturellen Infrastruktur im Zuge der modernen Verstädterung. Konkret geht es um ein erstes Gesamtbild einer großstädtischen Vereinslandschaft, um die Bedeutsamkeit ihres Statutenwesens, um die Erkennbarkeit ihrer konkurrierenden oder komplementären Funktionen und um die Möglichkeit, die einmaligen, wechselnden oder multiplen Optionen der meist namentlich bekannten Mitglieder zu verfolgen, woraus sich im Glücksfall individuelle Selbstentwürfe ableiten lassen. Quellenlage

Die Quellenlage ist disparat. Sie reicht von umfangreichen handschriftlichen Vereinsnachlässen über einzelne gedruckte Vereinschroniken, die einen begrenzten Zeitraum referieren, bis zu kurzen Hinweisen in Zeitungen, Briefen oder Tagebüchern. In vielen Fällen ging es darum, überhaupt erst Nachweise aufzuspüren. Geschlossene VereinsnachXII

Zur Einführung

lässe sind die Ausnahme, meist sind nur Bruchstücke überliefert, aus denen die Vereinsgeschichten mosaikartig zusammengesetzt werden mussten, – natürlich mit mehr oder weniger großen Fehlstellen dazwischen. Mitunter lagen aber auch bereits umfassende monographische Forschungen zu einzelnen Vereinen vor. In solchen Fällen wurden – wenn möglich – die Verfasser um Mitarbeit gebeten. Eine Unterstützung durch Experten war auch sonst unabdingbar, weil angesichts der interdisziplinären Ausrichtung des Unternehmens Sachkenntnisse aus vielen Gebieten erforderlich waren, die einen einzelnen Bearbeiter überfordert hätten. Auf diese Weise konnte immer wieder Breite durch Tiefe ergänzt werden. Rechtliche Rahmenbedingungen des frühen Vereinswesens

Unter Vereinen und Gesellschaften verstehen wir – ohne eine letztgültige Definition anzusteuern – alle Gruppierungen, in denen sich auf freiwilliger Basis Personengruppen von wechselndem Bestand und meist verschiedener sozialer Herkunft zu einem gemeinsamen, durch Gewohnheit oder Satzung festgelegten Zweck zusammengeschlossen haben. Sie weisen meist ein Gründungsdatum, einen Namen und ein gewähltes oder anders bestätigtes Mitgliederensemble auf. Der Begriff „Verein“ kam im zeitgenössischen Sprachgebrauch allerdings selten vor. Man bezeichnete die Vereinigungen syno­ nym auch als „Bund“, „Gesellschaft“, „Klub“, „Kränzchen“, „Zirkel“, „Kreis“ oder „Ressource“, auch als „Stiftung“ oder „Anstalt“, ohne dass diese Benennungen notwendig etwas über die Zielsetzung aussagten. In der verkürzten Fassung „Vereine und Gesellschaften“ sind daher die Vielfalt und die oft lose Struktur dieser frühen Assoziationsformen immer mitzudenken. Nicht in die Untersuchungen einbezogen wurden die Salons, die keine feste Organisa­ tionsstruktur besaßen, wie auch die königlichen Einrichtungen der Kunst- und der Wissenschaftsakademie in Berlin. Unberücksichtigt blieben auch Familienbünde und private Geselligkeiten, die in fast jedem bildungsorientierten Hause stattfanden. Allerdings sind die Grenzen zwischen institutionalisierten Vereinen oder Gesellschaften und manchen Freundesbünden fließend und konnten nicht immer eindeutig fixiert werden. Auch wenn keine vereinsmäßige Organisation, keine strengen organisatorischen Regeln und keine formelle Gründung gegeben waren, es sich jedoch um regelmäßige Zusammenkünfte von Gleichgesinnten zu einem bestimmten selbstgewählten Zweck mit einem dis­tinkten Teilnehmerstamm handelte, wurden diese Gruppierungen, die zumindest als Vorstufen von Vereinen angesehen werden können, mit erfasst. Die Vereinsfreiheit um 1800 kann nicht generell der heutigen gleichgesetzt werden. Gesellschaften, Vereine, Gruppen und Bünde waren in den preußischen Staaten zwar in der Regel nicht von der Obrigkeit behindert, sie mussten jedoch ihre Zwecke erklären und konnten jederzeit verboten werden. Die Legitimität der Vereine wurde von einer staat­lichen Erlaubnis abhängig gemacht, die nur in Übereinstimmung mit dem geltenden Polizeirecht erteilt wurde. Im 18. Jahrhundert galt die Rechtsmeinung: „Versammlungen und Vereine sind an eine jederzeit widerrufliche landesherrliche Genehmigung XIII

Zur Einführung

gebunden, politische Verbindungen aber und alle geheimen Gesellschaften sind strafbare Vergehen“.2 Vereine mit geheimer oder politischer Tendenz (auch wenn diese nur vermutet wurde) waren generell verboten. Eine Ausnahme stellten die drei preußischen Großlogen dar, die seit Friedrich II. ein staatliches Privileg genossen. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten [ALR] vom 1. Juni 1794 verstand unter Gesellschaften „Verbindungen mehrerer Mitglieder des Staats zu einem gemeinschaft­lichen Endzwecke“3 und unterschied „erlaubte“ und „unerlaubte“. Den Bürgern wurde das Recht zugestanden, sich in Gesellschaften zu organisieren, „in so fern dieser Zweck mit dem gemeinen Wohl bestehen kann“4. Diese Privatgesellschaften bedurften keiner staatlichen Genehmigung. „Gesellschaften aber, deren Zweck und Geschäfte der gemeinen Ruhe, Sicherheit und Ordnung zuwiderlaufen, sind unzuläßig, und sollen im Staate nicht geduldet werden. / Auch an sich nicht unzuläßige Gesellschaften kann der Staat verbieten, sobald sich findet, daß dieselben andern gemeinnützigen Absichten oder Anstalten hinderlich oder nachtheilig sind.“5 Neben den „erlaubten Privatgesellschaften“ bestanden „privilegirte Gesellschaften“, deren Rechte und Verhältnisse vom Staat ausdrücklich mit der Erteilung eines Privilegiums genehmigt waren. Das Aufsichtsrecht des Staates blieb immer erhalten; die Vereine waren verpflichtet, „sich über den Gegenstand und die Absicht ihrer Zusammenkünfte gegen die Obrigkeit auf Erfordern auszuweisen“6. Das Königlich Preußische Edict wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachtheilig werden könnten vom 20. Oktober 1798 brachte ein Verbot für alle Gesellschaften, „deren Zweck, Haupt- oder Neben­ geschäft darin besteht, über gewünschte oder zu bewirkende Veränderungen in der Verfassung oder in der Verwaltung des Staates, oder über die Mittel, wie solche Veränderungen bewirkt werden könnten, oder über die zu diesem Zweck zu ergreifenden Maaßregeln, Berathschlagungen, in welcher Absicht es sey, anzustellen“7. Unter dieses Verdikt fielen auch alle Vereine, die sich – die Freimaurer-Großlogen auch weiterhin ausgenommen – bewusst mit der Aura des Geheimnisses umgaben, eine hierarchische Organisation hatten und ihren Mitgliedern unbedingten Gehorsam abverlangten, welcher mit den Untertanenpflichten kollidieren konnte.8 Zehn Jahre später wurde das Edikt erneuert; am 18. November 1819 wurden alle geheimen oder ungenehmigten 2 3 4 5 6 7 8 XIV

Heinrich Hümpel: Entstehung des Vereinswesens in Berlin. Examensarbeit (masch.) Berlin 1970, S. 88 (als Diss. phil. Berlin 1973 u. d. T.: Die Entstehung des Vereinswesens in Berlin im 18. Jahrhundert. Bürgertum und Organisation). ALR, Zweyter Theil, 6. Titel, § 1. ALR, Zweyter Theil, 6. Titel, § 2. ALR, Zweyter Theil, 6. Titel, §§ 3–4. ALR, Zweyter Theil, 20. Titel, 4. Abschnitt, § 184. Friedrich Wilhelm III. von Preußen: Edict, wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachtheilig werden könnten. De Dato Berlin, den 20sten October 1798. Gedruckt bei Georg Decker, Berlin 1798, § 2, Punkt I, S. 4). Hümpel, a. a. O., S. 96.

Zur Einführung

studentischen Verbindungen, vornehmlich aber jene, welche der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft angeschlossen waren, verboten. Vereine in Berlin

Zusammen mit den Freimaurerlogen gab es in Berlin im Zeitraum 1786 bis 1815 ca. 160 vereinsartige Zusammenschlüsse. Die ungenaue Mengenangabe ist der dünnen Quellenlage bei einigen Vereinskategorien geschuldet, die keine konkreten Aussagen über die Einzelvereinigungen zulässt. Bei diesen ca. 160 Vereinigungen handelt es sich um 22 Freimaurerlogen (drei Großlogen mit ihren Tochterlogen), 22 Ressourcen (wie in Berlin die geselligen Zirkel genannt wurden), 22 Vereine in der jüdischen Gemeinde, ca. 20 berufsständische oder fachspezifische Vereine (dazu zählen u. a. medizinische und pharmazeutische Vereine, pädagogische Vereine, sprach- und literaturwissenschaftliche Vereine, eine naturforschende Gesellschaft wie auch eine militärische und eine ökonomische Gesellschaft mit dem Schwerpunkt Landwirtschaft), weiterhin elf Wohltätigkeitsvereine (Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung), ca. zehn kunstausübende („kulturelle“) Vereine (darunter mindestens sechs Privattheatergesellschaften), acht evangelische Vereine (Bibel-, Traktat- und Missionsgesellschaften), sechs Bildungs- und Geselligkeitsvereine, fünf Tischgesellschaften, fünf patriotisch-natio­nale, teilweise geheime und paramilitärische Gruppierungen sowie 22 Unterstützungs- und Lazarettvereine während der antinapoleonischen Kriege, weiterhin elf Studentenverbindungen und fünf Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur. 137 davon werden im Handbuch beschrieben. Sie sind in Gruppen bzw. Vereins-Kategorien zusammengefasst. Die Festlegung der Vereins-Kategorien erfolgte in Zweifelsfällen nach Maßgabe der Plausibilität, wobei auch andere Zuordnungen möglich gewesen wären. Durch die Stellung innerhalb einer Bezugsgruppe erhält ein Verein ein zusätzliches Charakteristikum. Die Vereins-Kategorien sind alphabetisch nach der Gruppen-Bezeichnung angeordnet; die Einzelbeispiele innerhalb einer Gruppe chronologisch nach dem Gründungsdatum. Ca. 44 Vereine wurden vor 1786 gegründet, bestanden aber im Untersuchungszeitraum noch weiter, ein Großteil davon waren Freimaurerlogen. 116 Vereine entstanden nach dem Tod Friedrichs II., davon 37 im Zeitraum 1786 bis zur Jahrhundertwende und 76 zwischen 1800 und 1815, davon 34, also fast die Hälfte, während der antinapoleonischen Kriege 1813/15. Die ältesten Vereine sind traditionelle jüdische Hilfs-Vereine wie sie in allen jüdischen Gemeinden zu finden sind (Vereine zum Tora-Studium, Sterbe- und Begräbnisgesellschaften, Unterstützungsvereine für Kranke, arme Bräute, Studenten, Wöchnerinnen), gefolgt von ersten berufsbegleitenden Vereinen (wie der Berliner Apotheker-Conferenz seit 1723), geselligen Vereinen (wie dem Montagsclub seit 1749), musikalischen Vereinen (wie der Musikübenden Gesellschaft 1749) und Freimaurerlogen (ab 1754). In den 1780er und 1790er Jahren kam es zur Gründung zahlreicher geselliger Ressourcen, beXV

Zur Einführung

deutender Aufklärungsgesellschaften, neuartiger Vereine der jüdischen Haskala sowie medizinischer, pädagogischer und literaturhistorischer Vereine. Ab etwa 1800 kommen Vereine und Stiftungen der Armenfürsorge hinzu, erste evangelische Bibelgesellschaften, zwanglose Tischgesellschaften, kulturelle Vereine und patriotisch-nationale Vereinigungen. Durch die Verankerung im Akademienprojekt „Berliner Klassik“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften war, wie schon angedeutet, das Handbuch an dessen zeitliche Eingrenzung 1786–1815 gebunden. Obwohl der Schwerpunkt der Darstellung auf den ca. 30 Jahren um 1800 liegt, greifen die Handbuchtexte doch über die Zeitspanne von 1786 bis 1815 hinaus und referieren auch die Vor- und Nachgeschichte der in der Regel über diesen Zeitraum hinaus existierenden Assoziationen. Einige Vereine waren bis zu 250 Jahre aktiv, nicht wenige bestehen bis in die heutige Zeit. Somit sind die Vereinsbeschreibungen zwar zeitlich gewichtet, die Vereinsgeschichten aber doch in Gänze, wenn auch kursorisch, erfasst. Um die Vereinsentwicklung in Berlin deutlicher kenntlich zu machen, wurde ein Kapitel, das die 1786 nicht mehr existenten Vereine zusammenfasst, dem Hauptteil vorangestellt. Eine Einschränkung musste bei der Verzeichnung der Mitglieder erfolgen. Soweit ermittelbar werden die Mitgliedschaften im Zeitraum 1786 bis 1815 vollständig wiedergegeben, darüber hinaus aber nur in Auswahl benannt. Eine vollständige Erfassung der Mitglieder hätte den Rahmen der vorliegenden Arbeit gesprengt, sowohl was den Umfang der Namen (vereinigten doch allein die Freimaurerlogen im Handbuchzeitraum in Berlin etwa 3000 Mitglieder) als auch die schwierige Ermittlung von Mitgliedschaften überhaupt anbelangt. Aufbau der Artikel

Die einzelnen Artikel unterscheiden sich nach Umfang und auch nach „Tiefe“, abhängig vor allem von den zur Verfügung stehenden Quellen. Die Artikel von Autoren, die sich bereits vorher forscherlich mit speziellen Vereinen beschäftigt haben, basieren auf ausführlichen Recherchen und referieren den aktuellen Forschungsstand. Den meisten Artikeln liegen Archivstudien zu Grunde; sie bieten primäres, teilweise unveröffentlichtes Quellenmaterial. Einige Vereine konnten nur in Umrissen dargestellt werden. „Diese Beiträge markieren in manchen Fällen lediglich eine Leerstelle oder bezeichnen ein Forschungsdesiderat.“9 Die monographischen Einzelartikel sind analog strukturiert; das schließt nicht aus, dass das Verhältnis der Artikelumfänge untereinander teils erheblich schwankt: stark verdichtete, abstrahierende Beiträge stehen neben ausführlich beschreibenden und die Quellen zitierenden Texten. Die anfänglich angestrebte strenge Lexikonform wurde zuneh9

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Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825–1933. Hg. von Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr. Stuttgart, Weimar 1998, S. XVI.

Zur Einführung

mend zugunsten detaillierterer Beschreibungen, in denen die Quellen selbst zu Wort kommen, aufgegeben. Die Artikel sind einheitlich in folgender Weise gegliedert: – Titel: Hauptname des Vereins mit Angabe einer Sigle, die im Text und im GesamtMitgliederverzeichnis verwendet wird. – Name: Vereint die wichtigsten Namensformen eines Vereins, auch Namensänderungen, Namenssynonyme, einschließlich umgangssprachlicher und in der zeitgenössischen Literatur verwendeter Varianten. – Gründung: Gründungsdatum oder -zeitraum. – Auflösung / Bestand bis: Datum der Auflösung bzw. Bestandszeitraum, der bis in die heutige Zeit reichen kann. – Sitz: Alle Lokalitäten in Berlin, in denen ein Verein während seiner gesamten Existenz zusammenkam, sowohl gemietete Räumlichkeiten wie eigene Häuser. – Programm oder Programmzitat: Ein Originalzitat aus den Satzungen, ein Gründungsaufruf oder sonstige programmatische Äußerungen sollen die Programmatik eines Vereins punktuell vorstellen und eine erste Charakterisierung geben. Der vollständige Wortlaut der Gesetzestexte wird an anderer Stelle zur Verfügung gestellt. – Geschichte und Programmatik: Bietet einen chronologischen Abriss der Vereinsgeschichte mit Schwerpunkt auf den Entwicklungen bis zum Jahr 1815; alles Weitere wird kursorisch zusammengefasst. Beinhaltet die Darstellung von Themen- und Diskus­ sionsschwerpunkten sowie die Zu- und Einordnung der jeweiligen Vereinigung zu kulturellen, literarischen, wissenschaftlichen und/oder politischen Bewegungen und Debatten und die Vorbildwirkung bzw. die Abgrenzung von anderen Vereinen. – Struktur und Organisation: Befasst sich mit dem „Innenleben“ eines Vereins, den Statuten, den Wahlmodi, dem Verwaltungsapparat, den Vereinsämtern, den Versammlungsabläufen, der Finanzierung, den Veranstaltungen und Festen sowie sonstigen Aktivitäten (wie vereinsspezifische Publikations- und Zeitschriftenprojekte, musikalische Aufführungen, Gründung von Schulen, Anstalten oder Stiftungen sowie von Tochtervereinen). – Mitglieder: Enthält in der Regel einen allgemeinen Teil mit der Beschreibung der Zusammensetzung und Entwicklung des Mitgliederspektrums, der Berufsgruppen und der Sozialstruktur der Mitglieder wie auch der Mitgliederzahlen, mit besonderer Berücksichtigung der Mitgliedschaft von Frauen und Juden. Genannt werden die Initiatoren oder Gründungsmitglieder, die Direktoren und sonstigen Funktionsträger, prominente Mitglieder und Gäste. In einem zweiten Teil folgt die namentliche alphabetische oder chronologische Auflistung der Einzelmitglieder bis zum Ende des Jahres 1815. Diese kann bei mitgliederstarken Vereinen, besonders aber bei den Freimaurerlogen, 25 und mehr Seiten beanspruchen. In diesen besonderen Fällen wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit und besseren Benutzbarkeit die Nachnamen halbfett gesetzt. – Querverweise auf andere Vereine: Verdeutlicht die Stellung des Vereins innerhalb des Berliner (und gegebenenfalls des deutschen und europäischen) Vereinswesens und benennt XVII

Zur Einführung

Vorbilder und Nachfolgeeinrichtungen, Beziehungen zu anderen Vereinen in Berlin und darüber hinaus, Parallelmitgliedschaften, Tochtergesellschaften, Neugründungen, mithin die Vernetzung in der zeitgenössischen Vereinskultur. – Bibliographie: Enthält den Nachweis der Quellen und Forschungsliteratur zum jeweiligen Verein. Unterschieden wird zwischen ungedruckten und gedruckten Quellen (Nachlässe, Polizeiakten, zeitgenössische Zeitschriften, Autobiographisches, Briefe, Dokumente, Drucksachen wie Festschriften, Chroniken, auch zeitgenössische Reiseführer). Die Forschungsliteratur bietet die wichtigsten wissenschaftlichen Titel zum Thema und gibt zugleich weiterführende Anregungen. Die gesamte Literatur ist vereinheit­lichend alphabetisch nach Verfassern geordnet, obgleich auch eine chronologische Ordnung, besonders bei der Verzeichnung der zeitgenössischen Literatur, durchaus überzeugend gewesen wäre, da eine solche die Rezeptionsgeschichte widerspiegeln würde. Den Artikeln sind zahlreiche Abbildungen zugeordnet (z. B. Siegel, Wappen, Mitglieds­ urkunden, Briefauszüge, Gebäudeansichten, zeitgenössische Zeichnungen oder Gemälde, Porträts von Gründungsmitgliedern). Es ist müßig zu sagen, dass in keinem der Artikel sein Gegenstand erschöpfend behandelt werden konnte. Wichtiger als die approximative Vollständigkeit war uns, dass er – wie das Handbuch insgesamt – neben seinem Informationsgehalt als Impulsgeber für weitere Forschung wirkt. Ergänzungen und Zusatzpublikationen

Der Typenkatalog mit den Einzelbeispielen wird ergänzt durch Hinweise auf sonstige Vereine und Gesellschaften, etwa geplante, aber nicht realisierte oder nicht sicher bestimmbare Vereine, sowie chronologische und alphabetische Verzeichnisse der im Handbuch genannten Vereine und Gesellschaften nebst einem Verzeichnis von nachfolgenden Berliner Vereinsgründungen von 1816 bis 1848. Ergänzungen zum Handbuch werden zwei weitere Publikationen bieten: Ein Gesamt-Mitgliederverzeichnis für alle im Handbuch dargestellten Vereine und Gesellschaften wird elektronisch auf dem edoc-Server der BBAW bereitgestellt werden. Es enthält die vollständigen Namensformen der Vereinsmitglieder, Lebensdaten, Berufsangaben sowie den Nachweis der jeweiligen Vereinsmitgliedschaften. Dadurch sind auf einen Blick die Mehrfachmitgliedschaften einer Person ersichtlich. Die Gesamtmitglieder eines Einzelvereins lassen sich anhand der Siglen mittels Suchfunktion ermitteln. Da die umfangreichen Daten nicht direkt im oder beim Handbuch Platz finden konnten, stellt diese elektronische Variante einen praktikablen Kompromiss dar. In einem ebenfalls im Verlag De Gruyter erscheinenden Dokumentenband werden die Vereins-Statuten, Gesetze und Konstitutionen, bzw. bei deren Nichtvorhandensein XVIII

Zur Einführung

Gründungsaufrufe oder sonstige Programmschriften als Ergänzung des Handbuch-Inventars verfügbar gemacht. Danksagung

Ein ganz herzlicher Dank gilt an erster Stelle allen Beiträgern, die selbstlos, neben ihren sonstigen beruflichen Verpflichtungen und häufig unter Zeitdruck am Handbuch mitgearbeitet und wertvolle Anregungen und Hinweise gegeben haben. Das Handbuch wäre ohne das Engagement der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und insbesondere des „Erfinders“ des Wissenschaftsprojekts „Berliner Klassik“, Conrad Wiedemann, nicht zustande gekommen. Danken möchte ich zugleich meinem Kollegen Klaus Gerlach für einen ständigen Erfahrungsaustausch, kritische Hinweise und aufmunternde Gespräche. Ein weiterer Dank gilt den Herausgebern des Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde im 19. und frühen 20. Jahrhundert (Stuttgart, Weimar 1998), Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr, deren überzeugende Handbuch-Konzeption und Artikel-Gliederung als Anregung und Muster modifiziert übernommen wurden. Ein besonderer Dank geht insbesondere an Frank Zimmer für seine geduldigen, unermüdlichen und großzügigen Arbeiten am Satz. Kurz nach Abschluss ihrer Artikel starben zwei hochgeschätzte, engagierte und besonders liebenswürdige Beiträger des Handbuchs, Paul Raabe (5. Juli 2013) und Walther Gose (24. August 2014). Ihnen gilt unser besonderer Dank und verehrendes Andenken.

Uta Motschmann

XIX

Chronologisches Verzeichnis der im Handbuch beschriebenen oder erwähnten Berliner Vereine

Die im Handbuch-Zeitraum neu gegründeten bzw. aus früherer Zeit noch bestehenden Vereine sind recte gedruckt; ältere Vereine, die 1786 nicht mehr existierten, kursiv.

1675 1703 1715 1720 1723 1731 1736 1740 1742 1743 1744 1745 1749 1752 1754 1755 1758 1761 1764 1765 1767 1769

Chevra Kadischa (Beerdigungsgesellschaft, jüdisch) Bikur Cholim (Gesellschaft der Krankenbesucher, jüdisch) Chevrat Mohalim (Gesellschaft der Beschneider, jüdisch) Hachnassath Kallah (Gesellschaft zur Unterstützung armer Bräute, jüdisch)

Société anonyme Berliner Apotheker-Conferenz

Société amusante Societas Alethophilorum (Gesellschaft der Wahrheitsfreunde) Freimaurerloge „Aux trois Globes“ (Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“) schottische Loge „L’Union“ (Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“) Beth Hamidrasch („Haus des Lernens“, jüdisch) Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“

Nouvelle Société littéraire Chevrat Naschim Zidkaniyot (Gesellschaft frommer Frauen, auch: Anstalt zur Unterstützung kranker Frauen unter Verschweigung des Namens, jüdisch) Montagsklub

Musikübende Gesellschaft Loge de l’Amitié Freimaurerloge „La petite Concorde“ (1764 „Zur Eintracht“) (Große NationalMutterloge „Zu den drei Weltkugeln“)

Gelehrtes Kaffeehaus schottische „Loge L’Harmonie“ (Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“) Freimaurerloge „De l’Amitié aux trois Colombes“ (Royal York)

Gelehrte Journal-Gesellschaft für Arzneikunde, Ökonomie und Naturgeschichte Donnerstagskränzchen (1)

La Loge Royale de l’Amitié Schottenloge strikter Observanz Friedrich zum goldenen Löwen (Große NationalMutterloge „Zu den drei Weltkugeln“) Andreasloge „Indissolubilis“ (Große Landesloge) Freimaurerloge „Zu den drei goldenen Schlüsseln“ (Große Landesloge) XXI

Chronologisches Verzeichnis

1770

1771 1773 1774 1775

1776

[vor 1777] 1778 1779 1780 1780er Jahre 1781

1782

1783 1784 1785 [um 1785] XXII

Freimaurerloge „Zum flammende Stern“ (Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“) Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland Konzert der Musikliebhaber Zanduko (auch: Zandekim) (Gevatter-Gesellschaft zur Unterstützung und Verpflegung notleidender Wöchnerinnen, jüdisch) Englische Lesegesellschaft Freimaurerloge „Zum goldenen Schiff“ (Großen Landesloge) Freimaurerloge „Zum Pegasus“ (Große Landesloge) Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin Freimaurerloge „Frédéric aux trois Séraphin“ (1796 „Zu den drei Seraphinen“; Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“) Freimaurerloge „Zur Beständigkeit“ (Großen Landesloge) Freimaurerloge „Zur Verschwiegenheit (zu den drei verbundenen Händen)“ (Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“) Freimaurerloge „Zum goldenen Pflug“ (Große Landesloge) Freimaurerloge „Zum Pilgrim“ (Große Landesloge) Freimaurerloge „Zum Widder“ (Große Landesloge) Gesellschaft zur Versorgung der französischen Hausarmen mit freier Feuerung (Französ. Brennholzgesellschaft) Heiratsgesellschaft (jüdisch) Die Ressource Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung, jüdisch) Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz (Deutsche Brennholzgesellschaft) Heliconus (Berliner Zirkel der Gold- und Rosenkreuzer) Rufus (Berliner Zirkel der Gold- und Rosenkreuzer) Neastes (Berliner Zirkel der Gold- und Rosenkreuzer) Palmiésche Ressource (auch: Große Ressource) Banderesius (Berliner Zirkel der Gold- und Rosenkreuzer) Hilarion (Berliner Zirkel der Gold- und Rosenkreuzer) Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Kgl. Realschule (1781/1788) Christlich-jüdische Loge zur Toleranz Deutsche Gesellschaft tätiger Beförderer reiner Lehre und wahrer Gottseligkeit (später: Deutsche Christentums-Gesellschaft) Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié Rettungsverein der Royal York Gesellschaft von Freunden der Aufklärung (Berliner Mittwochsgesellschaft) Chevurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Wohltäter für die Vielen, jüdisch) Ressource zur Unterhaltung (Therbusch’sche Ressource) Gesellschaft Patrioten und Verehrer großer Männer Leopold-Stiftung Bauersche Lesegesellschaft

Chronologisches Verzeichnis

1786

[um 1787] 1788 1790 1790er Jahre [vor 1791] 1791

1792

1793 1794 1795

1796

1797

1798

Casino-Gesellschaft (1786?) Chevrat Schocharej haTow weha Tuschuja (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten, jüdisch) Palmiésche Ressource (ca. 1786) Das Pis-aller (Ressource, um 1786 erw.; Gründung vermutl. früher) Die Unterhaltungs-Gesellschaft (Ressource, 1786 erw., Gründung vermutl. früher) Holzsparende Gesellschaft (Gesellschaft zur ökonomischen Feuerung) (1787 oder früher) Tugendbund Herz (Bund der Freunde) Gesellschaft der Deutschen Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin Die gelehrte Ressource (um 1790 erw., Gründung vermutl. früher) Die Ressource verschiedener Stände (um 1790 erw., Gründung vermutl. früher) Donnerstagskränzchen 2 (Privattheatergesellschaft) Medizinischer Club Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles (1791/92) Kgl.-Preuß. Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam Sing-Akademie Gesellschaft der Freunde (jüdisch) Machasikej lomdej tora (Verein zur Förderung des Torastudiums, jüdisch) Pädagogische Gesellschaft Privattheatergesellschaft Urania Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung, jüdisch) Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen Die neue Ressource (auch: Georgesche Ressource) (um 1793 erw., Gründung vermutl. früher) Ressource der jüdischen Kaufmannschaft (späterer Name: Ressource von 1794) Ressource der Gesellschaft der Freunde (jüdisch) (Feßlersche) Mittwochsgesellschaft Gesellschaft zur Rettung Berlinischer in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger (Berlinisches Bürgerrettungs-Institut) Pharmaceutische Gesellschaft (für die Bildung der Apothekergehilfen) Privattheatergesellschaft Melpomene Privattheatergesellschaft Thalia Allgemeine altschottische Loge (1800 Altschottische Loge Zum goldenen Löwen) (Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“) Gesellschaft der Freunde der Humanität Privattheatergesellschaft Minerva Große Loge Royal(e) York zur Freundschaft mit den Tochterlogen „Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit“, „Zur siegenden Wahrheit“, „Urania zur Unsterblichkeit“, „Pythagoras zum flammenden Stern“ Ohel Jescharim (Miete-Gesellschaft, jüdisch) Orden der Wahrheit (betrügerische Geheimgesellschaft) Privattheatergesellschaft Apollo XXIII

Chronologisches Verzeichnis

Erholungs-Gesellschaft (Ressource, um 1799 erw., Gründung vermutl. früher) Die Friedrichs-Ressource (um 1799 erw., Gründung vermutl. früher) Die Musikalische Ressource (um 1799 erw., Gründung vermutl. früher) Privatgesellschaft junger Architekten Ressource beim Koch Kramp[?] am Hausvogteiplatz (1799 erw., Gründung vermutl. 1799 früher) Ressource, die im Winter in der Breiten Straße im Empaitazschen Hause und im Sommer im Hirsekornschen Garten in der Holzmarkstraße ist (1799 erw., Gründung vermutl. früher) Ressource im Meerkatzschen Haus (um 1799 erw., Gründung vermutl. früher) Sechs-Ärzte-Verein [unbestimmt, Griechische Gesellschaft (Graeca) Ende 18. Jh.]

[vor 1800]

1800

1801 1802 1803 1804 1805

1806

1807

1808 um 1808 XXIV

Ressource zur Harmonie Armenspeisungs-Anstalt Jänicke’sches evangelisches Missions-Seminar (Anfänge der Berlinischen Missionsgesellschaft, siehe 1822) Philomatische Gesellschaft Privattheater der Ressource zur Harmonie Privattheatergesellschaft Polyhymnia Militärische Gesellschaft Freitagsgesellschaft Berlinische Gesellschaft der Armenfreunde Polarsternbund (Nordsternbund) Schach-Club Magine Rèim (Verein zu gegenseitiger Hilfe, jüdisch) Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten (= Bibelverein zur Verbreitung der Heiligen Schrift) Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) (ab 1826: Die Zwanglose) Die Jüdische Ressource (erw. 1806, Gründung vermutl. früher) Ressource auf dem Spittelmarkt (um 1806 erw., Gründung vermutl. früher) Ressource im Börsenhause (um 1806 erw., Gründung vermutl. früher) Ressource in der neuen Friedrichstraße (um 1806 erw., Gründung vermutl. früher) Ressource zur Eintracht (erw. 1806, Gründung vermutl. früher) Verein zum Besten der Waisen im Großen Friedrichs-Hospital (nach 1806) Freiwillige Armenbeschäftigungsanstalt des Barons v. Kottwitz Friedrichsstift (Eröffnung der Anstalt 1808) Luisenstift Privattheater des Gastwirts Gentz in der Zimmerstraße Privattheater der Ressource zur Concordia Berliner Fechtverein (Fechtbodengesellschaft) Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft hebräischer Literaturfreunde) (evtl. schon ab 1800) Tugendbund (Berliner Gruppe) Reimersche und v. Chasôtsche Kreise

Chronologisches Verzeichnis

1809

1810

1811

1812

1813

Geographischer Verein Gesellschaftstheater in der Jakobstraße (Privattheatergesellschaft) Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) (Zeltersche) Liedertafel Corps Guestphalia (Studentenverbindung) Corps Marchia (Studentenverbindung) Deutscher Bund Freimaurerverein der drei Großlogen zu Berlin (I. Große National-Mutterloge zu den drey Weltkugeln; II. Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland zu Berlin; III. Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié) Gesellschaft für Natur- und Heilkunde (auch: Gesellschaft für Erd-, Heil- und Naturkunde) Lehrervereinigung (von Prediger Friedrich Theodor Mann gegründete freie Vereinigung zum Zweck der Weiterbildung der Lehrer (1810 oder 1811) Medicinisch-chirurgische Gesellschaft (seit 1813: Hufelandische Gesellschaft) Corps Pomerania (Studentenverbindung) Corps Silesia (Studentenverbindung) Corps Vandalia (Studentenverbindung) Deutsche Tischgesellschaft Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den preußischen Staaten (Anfänge 1811; Konstitution 1814; Hauptverein 1816) Königin-Luise-Stiftung Schützen-Corps (gegr. nach Aufhebung der seit 360 Jahren bestehenden SchützenGilde der Haupt- und Residenzstadt Berlin) Turngesellschaft Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Juden in den Preußischen Staaten Pädagogische Konferenz- und Lesegesellschaft (gegr. von Gillet, Marot, Wilmsen; 1812 erw., Gründungsdatum nicht bekannt) Turnkünstlerverein zur wissenschaftlichen Erforschung und kunstgerechten Begründung des Turnens Berlinische Schullehrergesellschaft Dienstboten-Vereinigung (patriotischer Unterstützungsverein) Erster Frauen-Verein zum Wohl des Vaterlandes Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne (Friedrichs-Str. Nr. 107) Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichs-Str. Nr. 101 Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor Gesellschaft von Frauen nach der Bekanntmachung vom 28. März Mädchenverein der ungenannten Schwestern zum Besten der Verwundeten und Reconvalescenten (auch: Mädchenverein der ungenannten Schwestern zur Unterstützung der im Kampf für die Befreiung des Vaterlandes verwundeten Krieger) Mädchenverein vom 20sten April 1813 Mädchenverein zum Besten der Vaterlandsverteidiger Mädchenverein zum Besten der Verwundeten Mädchenverein zur Unterstützung der Verwundeten (auch: Verein von Töchtern unserer Stadt) Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der dritten Artillerie-Kaserne XXV

Chronologisches Verzeichnis

1813 (Forts.)

1814

1815

1816 1818 1819 1820 1822 1824

XXVI

Männer- und Frauen-Verein in der vormaligen v. Larisch’schen Kaserne Männer- und Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten am Halleschen Tor Männerverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor Privat-Lazareth in der Brüderstraße 21 Privat-Lazareth in der Friedrichstraße 129 Der stille Verein (patriotischer Unterstützungsverein) Töchterverein im Saal des Börsenhauses (patriotischer Unterstützungsverein) Verein für das Lazareth am Brandenburger Tor Verein für das Lazareth in der Kaserne auf der Wiese am Weidendamm Verein zum Besten der Landwehr Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner […] der durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder Weiblicher Wohltätigkeitsverein (Berliner) Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz Berlinischer Künstler-Verein Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten (Anfänge 1811) Preußische Haupt-Bibelgesellschaft Seraphinenorden (Serapionsbrüder) Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordener Krieger von der Berliner Garnison Weiblicher Verein für Soldaten-Wittwen und Kinder Belle-Alliance-Gesellschaft (auch: Eichlersche Gesellschaft) Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache (und Alterthumskunde) Brüderverein zu gegenseitiger Unterstützung (jüdisch) Corps Borussia (Studentenverbindung) Corps Curonia (Studentenverbindung) Frauenverein zur Sammlung von Verbandmaterial Der freundschaftliche Verein (Ressource in der Taubenstraße, um 1815 erw.; Gründung vermutl. früher) Maikäferklub (Maikäferei) (Ende 1815/Anfang 1816)- Vierschach-Verein Verein teutscher Mädchen Corps Lusatia (Studentenverbindung) Berliner Burschenschaft Polonia und Bund der Freunde π.κ. (Studentenverbindung) Arminia (Studentenverbindung) Berlinische Missionsgesellschaft von Jänicke und Rückert (siehe Vorläufergesellschaft 1800) Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden

Berliner Vereine und Gesellschaften

1  Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten

Das folgende Kapitel gibt einen Einblick in das Vereinsleben in Berlin vor dem Untersuchungszeitraum des Handbuchs und geht bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Die keine Vollständigkeit beanspruchende Zusammenstellung soll das Handbuch ergänzen, indem sieben dieser Gesellschaften in Form von Kurzporträts vorgestellt und die Verbindungs- und Traditionslinien zu den im Handbuch charakterisierten, später gegründeten Vereinen und Gesellschaften aufgezeigt werden. Die Société anonyme (1720), die Société amusante (1731) und die Nouvelle Société littéraire (1743) sind hinsichtlich der Form ihrer Vereinigung und ihrer Satzungen ähnlich. „Trotz der inhaltlichen Unterschiede spiegelte sich in ihnen eine […] an dem Vorbild der bekannten Akademien angelehnte Organisationsweise des wissenschaftlichen Umgangs wider“ (Häseler, S. 131). Diese Organisationsstruktur lebt in den Bildungsund Geselligkeitsvereinen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts fort ( Mittwochsgesellschaft [1783];  Gesellschaft der Freunde der Humanität [1797];  Philomatische Gesellschaft [1800]). Mit der Societas Alethophilorum (1736) wird erstmals eine Vereinigung aus einem konkreten Anlass gegründet (Döring, S. 99 f.); hier, um die Person Christian Wolff und die Leibniz-Wolffische Philosophie zu rehabilitieren und zugleich über den Kronprinzen politischen Einfluss zu nehmen. In allen diesen vier Gesellschaften spielten Hugenotten eine wichtige Rolle. Besonders die drei erstgenannten Sociétés waren von Mitgliedern der Berliner französischen Kolonie initiiert und entscheidend beeinflusst, was sich nicht zuletzt in der französischen Namensform widerspiegelt. Diese Gesellschaften waren von Franzosen für Franzosen und ihre Publikationsorgane für ein französischsprachiges Publikum bestimmt. Die zweite Generation der Refugiés bestimmte nicht nur das geistige Leben der Stadt Berlin, sondern besetzte auch Schlüsselfunktionen im preußischen Verwaltungsapparat (Fontius, S. 22). Waren die frühen Berliner Gesellschaften der Aufklärung von Hugenotten geprägt, so schwächt sich ihr Einfluss zur Jahrhundertwende hin ab. Mitglieder der französischen Kolonie sind zwar weiterhin in großer Zahl in den verschiedenen Gesellungsformen anwesend, doch sind sie dann nur noch Mitglieder wie andere auch und haben keine herausragenden Funktionen mehr inne. – Die Musikübende Gesellschaft (1749) eröffnet die Tradition der Berliner Musik- und Gesangsvereine, die mit ihrem Bestreben, durch Musik einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung zu leisten, mit dem  Konzert der Musikliebhaber (1770) und den singulären Ereignissen  Sing-Academie (1791) und  Liedertafel (1809) ihre Fortsetzung auf höchstem Niveau findet. – Beim Gelehrten 3

1  Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten

Kaffeehaus (1755) handelte es sich um eine gelehrte Gesellschaft, in der wissenschaftliche Vorträge gehalten, aber auch geselliger Umgang gepflegt wurde. Sie bot eine Mischung aus Gelehrsamkeit/Weiterbildung und ungezwungener Konversation, Zeitungsstudium, Karten- und Brettspielen. Dieser Vereinstyp wurde bald vorherrschend und war in Berlin in vielfältigen Varianten präsent. Die Aufmerksamkeit und Gründlichkeit, mit der man sich mit den Naturwissenschaften beschäftigte, ist ein inhaltliches Charakteristikum, das auch zahlreiche der späteren Vereine auszeichnet. Die erste Gesellschaft in Berlin, die sich ganz dem Studium der Naturwissenschaften widmen wollte, war die Gelehrte Journalgesellschaft (1764), die als Selbsthilfeeinrichtung besonders für Ärzte, Apotheker und Naturforscher fungierte und als Vorläufer der  Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin (1773) anzusehen ist. Sie war zugleich eine der ersten  Lesegesellschaften in Berlin, dieser massenhaft sich ausbreitenden Organisationsform des Bildungsbürgertums. Literaturnachweise: Döring, Detlef: Beiträge zur Geschichte der Gesellschaft der Aletophilen in Leipzig. In: Gelehrte Gesellschaften im mitteldeutschen Raum (1650– 1820). Hg v. Detlef Döring und Kurt Nowak; Teil 1. Stuttgart [u. a.] 2000, S. 95–150 (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse, 76,2). – Häseler, Jens: Ein Wanderer zwischen den Welten,

Charles Etienne Jordan (1700–1745). Sigmaringen 1993 (Francia: Forschungen zur westeuropäischen Geschichte, Beihefte, 28). – Fontius, Martin: Privilegierte Minderheiten als Instrument königlicher Kulturpolitik? In: Fontius, Martin / Mondot, Jean (Hg.): Französische Kultur – Auf klärung in Preußen. Akten der Internationalen Fachtagung vom 20./21. September 1996 in Potsdam. Berlin 2001, S. 17–30.

Uta Motschmann

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Société anonyme [San]

Société anonyme [San] Name: Société anonyme. Gründung: vor 1720. Bestand: Es ist nicht bekannt, wie lange die Gesellschaft existierte; vermutlich wurde sie mit dem Tod von Lenfant 1728 eingestellt. Sitz: Vermutlich im Haus von Jacques Lenfant. Geschichte und Programmatik: Der private Kreis wurde innerhalb der Berliner Kolonie der Hugenotten durch die Theologen Jacques Lenfant und Isaac de Beausobre gegründet und war ein Sammelpunkt der wissenschaftlich interessierten Männer Berlins. Die San veröffentlichte seit 1720 die französischsprachige Literaturzeitschrift Bibliothèque germanique, in der das gelehrte Schrifttum Deutschlands, der Schweiz und Nordeuropas angezeigt wurde. Die kleine wissenschaftliche Gesellschaft, vergleichbar der Spanheimschen Gesellschaft, bildete eine Art informelle Ergänzung zur Königlichen Akademie der Wissenschaften; ihre gesellige Tätigkeit fand wahrscheinlich mit dem Tod von Lenfant 1728 ein Ende. Struktur und Organisation: Der Hofprediger Jacques Lenfant lud Berliner Gelehrte montags zu einem wissenschaftlichen Salon ein, in dem eigene, unpublizierte Texte vorgetragen, Nachrichten ausgetauscht und Neuerscheinungen kommentiert wurden. Daraus entstand die Idee zur Veröffentlichung der französischsprachigen Literaturzeitschrift Bibliothèque germanique (1720–1740). Diese publizierte Originalabhandlungen, Rezensionen und „nouvelles littéraires“ aus dem deutschen Sprachraum und den Ländern des Nordens sowie später auch der Schweiz. Die Nähe zur Preußischen Akademie der Wissenschaften zeigt sich in auszugsweiser Vorabpublikation einzelner Mémoiren und den gut informierten „nouvelles“. Unter den Autoren bzw. Beiträgern, die mehrheitlich aktive Mitglieder der San waren, sind neben Jacques Len-

fant zu nennen: Isaac de Beausobre, Alphonse Desvignoles, Daniel Ernst Jablonski, PaulEmile de Mauclerc, Simon Pelloutier, Mathurin Veyssière de La Croze, Charles Etienne Jordan, Jacques de Pérard, Jean Henri Samuel Formey. Nach dem Tod von Lenfant wurde die Zeitschrift von I. de Beausobre und P. E. de Mauclerc weitergeführt. Verlegerwechsel zogen Titel- und ggf. Herausgeberwechsel nach sich, so dass Mauclerc, Pérard und Formey die Zeitschrift 1741–42 als Journal littéraire d’Allemagne und schließlich Pérard und Formey ab 1746 unter dem Titel Nouvelle Bibliothèque germanique (bis 1760) publizierten. Es handelt sich um eine der langlebigsten Gelehrtenzeitschriften des Typs der „Bibliothek“, deren Verdienst zweifellos darin besteht, der internationalen wissenschaftlichen Öffentlichkeit die wissenschaftlichen Neuigkeiten aus dem in Latein und Deutsch kommunizierenden, vor allem protestantischen Teil Europas mitzuteilen. Formey gelingt es ab 1748, als Alleinherausgeber die Zeitschrift zu modernisieren und als ein der Berliner Akademie der Wissenschaften nahe stehendes Publikationsorgan zu etablieren. Mitglieder: Herausragende Vertreter der Berliner Hugenotten-Kolonie und Mitglieder der Berliner Akademie der Wissenschaften, so die Hofprediger Jacques Lenfant und Isaac de Beausobre, Etienne Chauvin, Paul-Emile de Mauclerc, Simon Pelloutier, Mathurin Veyssière de La Croze, Daniel Ernst Jablonski, Alphonse Desvignoles. Querverweise auf andere Vereine: Mit ihrem starken Bezug zur Wissenschaftsakademie könnte die San als eine Art Vorläuferin der späteren und größeren  Nouvelle Société littéraire angesehen werden. Bibliographie: Bibliothèque germanique ou Histoire littéraire de l’Allemagne et des 5

1  Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten

pays du Nord. Amsterdam: Pierre Humbert, 1720–1740. – Häseler, Jens: Stratégies de publication et pratiques d’écriture des auteurs de la Bibliothèque germanique et de la Nouvelle Bibliothèque germanique. In: Journalisme et République des Lettres. L’élargissement vers les „Pays du Nord“ au dix-huitième siècle. Rédigé et publié avec une introduction par Christiane Berkvens-Stevelinck, Hans Bots et Jens Häseler. Amsterdam, Utrecht 2009, S. 83–152. – Kämmerer, Jür-

gen: Artikel »Bibliothèque germanique«. In: Dictionnaire des Journaux 1600–1789. Paris, Oxford 1991, S. 188–189. – Rétat, Pierre: Artikel „Jacques Lenfant“. In: Dictionnaire des journalistes 1600–1789. Paris, Oxford, 1999, S. 497. – Schillings, Jan: Elargissement de la République des lettres vers les ‚Pays du Nord‘. La Bibliothèque germanique et ses suites: profil thématique et géographique du journal. In: Journalisme et République des Lettres. A. a. O., 2009, S. 15–82.

Jens Häseler

Société amusante [Samu] Name: Société amusante. Gründung: 1731. Bestand: Die Samu stellte vermutlich spätestens nach dem Weggang der Gründungsmitglieder aus Berlin (darunter Jacques de Campagne 1733; Jean Deschamps 1736) ihre Aktivitäten ein. Sitz: Die Zusammenkünfte fanden im Haus des Ladvocat de Sauveterre, seit 1730 chargé d’affaires de France en Prusse, statt. Geschichte und Programmatik: Die in den 1730er Jahren bestehende Société amusante war ein geselliger Kreis junger, vor allem protestantischer Franzosen, die sich die Devise „S’instruire et se divertir en même temps“ gegeben hatte, damit das Horazische „prodesse et delectare“ aufnehmend, das zum Wahlspruch der Literatur der Aufklärung wurde. Ihrem Namen entsprechend wurde die Geselligkeit verbunden mit einem durch das Règle­ ment manifestierten Anspruch, die Organisation wissenschaftlicher Gesellschaften nachzuahmen. Dafür stellte die Samu differenzierte Statuten auf. Ausgehend von einem Vortrag wurde in den wöchentlichen Zusammenkünften über philosophische, moralische und literarische Themen diskutiert. Zwei Mitglieder waren beauftragt, regelmässig Neuerscheinun6

gen kritisch vorzustellen. Überliefert ist die Vorstellung von Henri de Boulainvilliers Vie

de Mahomet, avec des Réflexions sur la religion mahométane et les coutumes des Musulmans (London und Amsterdam 1730). Struktur und Organisation: Den Statuten entsprechend gab es „membres“ und „associés“. Die Mitglieder versammelten sich regelmässig mittwochs vor 15 Uhr im Haus des französischen Residenten Sauveterre. Verspätetes Erscheineng oder Abwesenheit bzw. Nichteinhalten der Redepflicht wurden mit Strafen (z. B. ein Gulden für das Fehlen) geahndet. Die Mitglieder wählten einen wöchentlich wechselnden „président“. Dieser vergab an die Mitglieder Themen für in der nächsten Sitzung zu haltende Vorträge („discours“). Jedes Mitglied hatte diese „discours“ zu kommentieren. Vorträge und Kommentare wurden vom Beständigen Sekretär („secrétaire perpétuel“) de Félix protokolliert. Zwei Mitglieder waren mit der Vorstellung von Neuerscheinungen betraut. Die Zuwahl von Mitgliedern erfolgte auf einen in der Sitzung gemachten Vorschlag durch Mehrheitswahl. Die „associés“ hatten weder Anwesenheitspflicht noch Stimmrecht und konnten nicht das Präsidentenamt ausüben. Sie hielten einmal im

Societas Alethophilorum [GdW]

Vierteljahr einen Vortrag und beteiligten sich an der Diskussion. Mitglieder: Erwähnungen folgender Mitglieder: [Charles-Louis] de Beausobre, Alexandre de Campagne, Jacques de Campagne, Jean Deschamps, d’Esparon, de Felix, Jean Henri Samuel Formey, [Isaac de] Milsonneau, [Jacques?] Peloux, Pins. Querverweise auf andere Vereine: Die Mitglieder der Samu kannten zweifellos nicht nur die Arbeitsweise der Berliner Akademie der Wissenschaften, sondern auch der durch französische Protestanten der vorhergehenden Generation dominierten  Société anonyme um Jacques Lenfant.

Bibliographie: Vereinsmaterialien der Samu sind nicht überliefert; bekannt sind lediglich eine Zeitschriftenerwähnung und die Angaben aus der Formey-Korrespondenz. – Quellen: SBB PK, Nachlass Formey, Briefe von A. und J. de Campagne, J. Deschamps, hier nach: Lettres à Formey (Auswahledition hg. durch Martin Fontius u. Rolf Geißler, in Verbindung mit Jens Häseler, in Vorbereitung). - La Correspondance de Jean Henri Samuel Formey (1711–1797): inventaire alphabétique. Etabli sous la direction de Jens Häseler, avec la Bibliographie des écrits de Jean Henri Samuel Formey établie par Rolf Geissler. Paris 2003. – Bibliothèque germanique, Bd. 24 (1732), S. 213–215.

Jens Häseler

Societas Alethophilorum (Gesellschaft der Wahrheitsliebenden) – Berliner Phase [GdW] xalogus Alethophilorum oder Gesetz-Tafel der Name: Societas Alethophilorum; Gesellschaft der Wahrheitsliebenden; Gesellschaft der Lieb- Wahrheit liebenden Gesellschaft, 1740). haber der Wahrheit; Die Alethophilen; Société des Aléthophiles; Aletophilische Gesellschaft. Geschichte und Programmatik: Die GdW Gründung: 1736. – Das Stiftungsfest wurde wurde 1736 von dem kursächsischen Dipam Geburtstag Manteuffels gefeiert. lomaten und Kabinettsminister Ernst ChrisBestand: Die GdW wurde 1740 nach Leip- toph v. Manteuffel begründet, um „der Phizig transferiert und ist dort mit dem Tod v. losophie des einst von den Halleschen PieManteuffels 1749 erloschen. tisten diffamierten und von Friedrich WilSitz: Die regulären Versammlungen fanden helm I. vertriebenen Christian Wolff – und im Haus des Verlegers Ambrosius Haude auf damit nach Verständnis der Gesellschaftsmitder Schloßfreiheit statt. Dort gab es einen glieder der Wahrheit – zu einer gewichtige„eigens zu diesem Zwecke ausgeschmückten ren Präsenz in den theologisch-philosophiRaum“, die ‚Alethophilacie“, gelegentlich schen Diskussionen seiner Zeit zu verhelfen“ auch als „Sanctuaire“ der Gesellschaft be- (Hölscher). Manteuffel, der 1730 nach hofinzeichnet (Bronisch, S. 128). ternen Streitigkeiten demissionieren musste, lebte in den 1730er Jahren als Privatmann in Programmzitat: „Lasset die Wahrheit den Berlin und engagierte sich fortan als Förderer eintzigen Zweck, den eintzigen Vorwurf eu- und Beschützer von Wissenschaft und Kultur. res Verstandes und Willens seyn. / Haltet Auf seinem pommerschen Familienbesitz hatnichts vor wahr, haltet nichts vor falsch, so te er sich ein Landhaus „Kummerfrey“ errichlange ihr durch keinen zureichenden Grund ten lassen. Nach der Gründung eines Ordre davon überzeugt seyd.“ (§§ 1 und 2 von He- de Sanssouci (1734) initiierte er zusammen mit 7

1  Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten

Abb. 1  Nachricht von der zu Berlin auf die Gesellschafft der Aletophilorum oder Liebhaber der Wahrheit geschlagenen Müntze, 1740, Titelblatt.

zösische Kolonie eine gewichtige Rolle spielte (Döring, 2000, S. 104). „Insgesamt gesehen kann sich der Kreis der Alethophilen gegen Ende der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. als großen Erfolg anrechnen, entscheidend zur offiziellen Anerkennung, ja fast zum Sieg der Wolffischen Philosophie in Preußen beigetragen zu haben“ (Döring, 2000, S. 128). Mit der Ausweisung Manteuffels aus Preußen wird der Hauptsitzt der GdW 1740 nach Leipzig verlegt, und die relativ kleine Gesellschaft der Berliner Phase transformierte sich in eine gelehrte „Tafelrunde“ im Hause v. Manteuffels, der vor allem Mitglieder der Leipziger Universität angehörten, personell vergrößert durch die Bildung von Filialgesellschaften in Weißenfels und Stettin (Bronisch, S. 143, 146). [Zur Geschichte der Leipziger Gesellschaft siehe Döring, 2000, S. 105 ff.; Bronisch, S. 141 ff.]. „Die Berliner Alethophilen verabschieden ihren Mäzen mit einem Gedicht: Adjeu des Alétophiles de Berlin sur le depart de leur illustre Mecene (Handschrift in: UB Halle. Ms Geneal. 2° 8, Bl. 280r–281v, datiert auf den 14.11.1740)“ (Döring, 1999, S. 105). Auch nach dem Weggang v. Manteuffels hielt die Berliner Gruppierung im „Sanctuaire“ noch Zusammenkünfte ab (an denen u. a. der junge Prinz August Ferdinand v. Preußen und auswärtige Gesandte teilnahmen – Bronisch, S. 136), löste sich jedoch nach diversen Streitigkeiten 1743 auf. Gründe dafür waren u. a. der Tod von Propst Reinbeck, der verbindenden Persönlichkeit der GdW, im August 1741, der öffentlich ausgetragene Konkurrenzkampf von Deschamps und Formey und die nach 1740 beginnende, durch Voltaire beeinflusste Abkehr Friedrichs II. vom Wolffianismus. „Am Ende verblieb von den Alethophilen in Berlin […] nur Jean Henri Samuel Formey“ (Bronisch, S. 140 f.).

Propst Johann Gustav Reinbeck die Gesellschaft der Aletophilen, in erster Linie, um „die Machinationen“ des Hallenser Theologieprofessors Joachim Lange, der 1736 die sich anbahnende Rehabilitation Wolffs am Berliner Hof zu hintertreiben suchte, abzuwehren (Döring, 2000, S. 100 f.). Dabei versuchte seine gelehrte Vereinigung, direkten Einfluss auf die Rehabilitierung Christian Wolffs und dessen Rückberufung nach Preußen zu nehmen. Die Aletophilen begriffen sich „nicht nur als Anwälte des Wolffianismus. Manteuffel selbst sah sich gegenüber dem zukünftigen König […] auch in der Rolle eines Prinzenerziehers“ (ebd.), sah man doch den Kronprinzen als Führer der „partisans“ gegen die Finsternis. Von den Aletophilen gingen verschiede- Struktur und Organisation: Als anerkanntes ne Unternehmungen aus, die Wolffische Phi- Oberhaupt der Gesellschaft fungierte Manlosophie zu propagieren und bei Hofe sowie teuffel. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft unter hohen Beamten und Klerikern zu ver- war die persönliche Bekanntschaft mit dem breiten, wobei die „wolffisch“ gesinnte fran- „Mäzen“ der Gesellschaft wie auch die Kennt8

Societas Alethophilorum [GdW]

nis und Anerkennung der Wolffischen Philosophie und dessen spezifischen Wahrheitsverständnisses (Bronisch, S. 158). – Nach Richard Newald besaßen die Aletophilen mit der Zeitschrift Berlinische Nachrichten von Staats- und Gelehrten Sachen (1740 ff.) sogar ein eigenes Publikationsorgan (Newald, S. 500).

gehend im Hintergrund. „Die ungefragte Inkorporation Wolffs als Mitglied hatte nichts anderes als eine symbolische Bestätigung dieser programmatischen Ausrichtung sein sollen“ (Bronisch, S. 135). Querverweise auf andere Vereine: 1741 wird eine Tochtergesellschaft in Weißenfels gegründet, 1742 tritt eine weitere in Stettin zusammen. In Berlin soll es „sogar zur Gründung einer Art von Jugendverband der Wahrheitsfreunde gekommen […] sein: Als die Gesellschaft der Alethophilen ‚in Berlin blühete, so entstund unter einigen Jünglingen eine Zusammenkunft aus gleicher Liebe zur Wahrheit. Sie erkennten die Oberherrschaft der wahrheitliebenden Gesellschaft, konnten aber doch nicht den Namen der Alethophilen erhalten, sondern mußten sich mit der Benennung der Wahrheitsuchenden begnügen, welche sich am besten für ihre Jugend schickte‘“ (Döring, 1999, S. 105; darin zitiert: Freymüth­ige Nachrichten von neuen Büchern, und andern zur Gelehrtheit gehörigen Sachen, Jg. 1744, VI. Stück, S. 42). – Formey und Deschamps waren bereits in der  Société amusante aktiv; Formey wirkte in den 1740er Jahren bei der Reorganisation der Wissenschaftsakademie mit  Nouvelle Société litteraire. [Der Text folgt Döring und Bronisch.]

Mitglieder: Bronisch weist bis 1740 zwölf aktive Mitglieder nach: neben den Gründungsmitgliedern Graf Ernst Christoph v. Manteuffel (Gesellschaftsname „Mäzen“), Propst Johann Gustav Reinbeck („Primipolaire“) und Buchhändler Ambrosius Haude („Doryphore“) traten noch im Gründungsjahr die hugenottischen Prediger Jean Henri Samuel Formey und Jean Deschamps bei. Haude blieb bis 1743 „vorrangiger Verleger der Schriften aus dem Alethophilenkreis“ (Bronisch, S. 128). Es folgten August Friedrich Wilhelm Sack (vermutlich 1739, noch während seiner Tätigkeit als Hofprediger in Magdeburg) und die drei in Leipzig ansässigen Carl Günther Ludovici, Johann Christoph Gottsched und dessen Frau Luise Adelgunde Victorie Gottsched (jeweils 1738) sowie die Leipziger Theologieprofessoren Romanus Teller und Christian Gottlieb Jöcher (1739). „Die zwölf feststellbaren Mitglieder bildeten eine durchaus heterogene, vielgestaltige Vereinigung, in der sich lutherische und französisch-reformierte Konfession, bürgerlicher und adliger Stand, jüngere und Bibliographie: Bronisch, Johannes: Der Määltere Generationen und – wenigstens durch zen der Aufklärung. Ernst Christoph von die Mitgliedschaft der Frau Gottscheds – auch Manteuffel und das Netzwerk des Wolffiadie Geschlechter mischten“, wobei die „Do- nismus. Berlin 2010 (= Frühe Neuzeit 147). minanz der Theologen“ auffällig ist (Bronisch, – Döring, Detlef: Beiträge zur Geschichte S. 135). Die Gottschedin war ein besonders ak- der Gesellschaft der Aletophilen in Leipzig. tives und geschätztes Mitglied; die Mitglied- In: Gelehrte Gesellschaften im mitteldeutschaft einer Frau blieb jedoch ein Einzelfall. schen Raum (1650–1820). Hg v. Detlef DöDer Gesellschaft standen weitere „alethophil“ ring und Kurt Nowak; Teil 1. Stuttgart [u. a.] gesinnte Personen in und außerhalb Berlins 2000, S. 95–150 (Abhandlungen der Sächsinahe, die jedoch nicht dem engeren Kreis an- schen Akademie der Wissenschaften zu Leipgehörten. Die GdW war offen für Gäste. – zig, Philologisch-Historische Klasse, 76,2). – Christian Wolff, um dessentwillen die Vereini- Döring, Detlef: Die Leipziger gelehrten Sogung gegründet worden war, erfuhr erst 1738 zietäten in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts von der Existenz der GdW und blieb weitest- und das Auftreten Johann Christoph Gott9

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scheds. In: Europa in der frühen Neuzeit, hg. v. Erich Donnert, Bd. 5: Aufklärung in Europa. Weimar [u. a.] 1999, S. 17–42. – Im Hof, Ulrich: Das gesellige Jahrhundert. Gesellschaft und Gesellschaften im Jahrhundert der Aufklärung. München 1982. – Hölscher, Steffen: Rez. von Bronisch: Der Mäzen der Aufklärung: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ rezensionen/2011-4-132 [Elektronische Quelle]. – Nachricht von der zu Berlin auf die Gesellschafft der Aletophilorum oder Liebhaber der Wahrheit geschlagenen Müntze. [Berlin]

1740. – Newald, Richard: Die deutsche Literatur vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit. 1570–1750. München 1951 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 5). – Wolff, Eugen: Gottscheds Stellung im deutschen Bildungsleben. Bd. 2, Kiel und Leipzig 1897, S. 215– 230. – Zedlers Universal-Lexicon: Art.: Gesellschafft der Alethophilorum, oder die Ale­ thophilische Gesellschafft, 52. Bd. [1747], Sp. 947–954 [verfasst von Carl Günter Ludovici, einem Mitglied der Aletophilen].

Uta Motschmann

Nouvelle Société littéraire [NSL] Name: Nouvelle Société littéraire; Société des belles-lettres, arts et sciences; auch nur: Société littéraire. Gründung: August 1743. Bestand: 1744 wurde die NSL mit der alten Wissenschaftsakademie zur Königlichen Akademie der Wissenschaften vereinigt. Sitz: Friedrich II. stellte der NSL ein Appartement im Schloss zur Verfügung (Harnack I,1, S. 268). Programmzitat: „Le principal objet de la Société étant de cultiver ce qu’il y a d’interessant et d’utile dans les differentes parties de la philosophie, des mathematiques, de l’histoire naturelle, civile et littéraire, aussi bien que de la critique, on ne s’arrétera point aux questions qui au lieu d’instruire et de perfectionner l’esprit, ne pourroient servir qu’à l’amuser inutilement“ (§ 1 der Statuten, 1743). Geschichte und Programmatik: Die Gründung der NSL stand im Zusammenhang mit den Bemühungen zur Einrichtung einer neuen Wissenschaftsakademie bzw. zur Reformierung der bestehenden alten. Friedrich II. unterstützte diese Bestrebungen, zögerte jedoch bei der konkreten Umset10

zung, so dass diese Unternehmung vorläufig ohne ihn auf den Weg gebracht wurde. Die Initiative zur Neubelegung der Wissenschaftsakademie ging hauptsächlich von Euler aus, der deshalb, ebenso wie Generalfeldmarschall Graf Schmettau, ein enger Vertrauter des Königs, direkte Verhandlungen mit Friedrich II. führte. Sie hatten die Unterstützung eines Kreises von hohen Staatsbedienten, die zu einem großen Teil aus Frankreich kamen. Graf Schmettau war „das anerkannte Haupt der ‚Société de Berlin‘, und er war entschlossen, diese ‚Société‘ in eine litterarische Gesellschaft, in eine Akademie, zu verwandeln. Ihm verdankt es die Akademie, dass die Frage ihrer Reorganisation wirklich in Fluss kam“ (Harnack, I,1, S. 265). Auch Mitglieder der alten Sozietät wünschten dringend eine Änderung der Verhältnisse. „Da traten von Borcke und von Schmettau im Juli 1743 zusammen, um eine ‚Société Littéraire‘ als dauernde Fortsetzung der zwanglosen Vereinigungen zu gründen, deren man sich während des Schlesischen Feldzuges in Breslau erfreut hatte“ (ebd., S. 265 f.). Die Gründungsversammlung der neuen Gelehrtengesellschaft fand am 1. August 1743 im Haus des Grafen v. Schmettau statt. Anwesend waren neben dem

Nouvelle Société littéraire [NSL]

Generalfeldmarschall v. Schmettau die Etat- derprivileg über hohe Einkünfte, während minister v. Podewils und v. Borcke, weiterhin der NSL keine Gelder zur Verfügung stanv. Stille, Colonel Keyserling, die Kammer- den. Auf Vorschlag v. Schmettaus stimmte der herren Poelnitz, D’Argens und Sweerts, Hof- König am 13. November 1743 einer Verbinrat Jordan, Direktor Jariges sowie Euler, Kies, dung der beiden Gesellschaften zu und setzte Naudé, Sack, Pelloutier, Lieberkühn, Ellert, eine Kommission zur Neuordnung ein. ObMarggraff, Ludolph jun. und Pott (Protokoll wohl damit die Vereinigung der beiden Soim Akademiearchiv, I-IV, 10 Protocolla Con- zietäten beschlossen war, zog sich die prakticilii, Bl. 7). Die Statuten wurden von Marquis sche Umsetzung noch einige Monate hin, da d’Argens, Sack und de Jariges erarbeitet und es Streitigkeiten um die Modalitäten gab. Die in der zweiten Sitzung am 8. August ange- NSL war gegen eine Konservierung der alnommen. „Die Statuten, die denen der Pari- ten Akademie und verlangte „die Aufhebung ser Akademie, zum Theil auch denen der al- der alten Societät und eine ganz neue Akadeten Societät, nachgebildet sind, legen auf die mie, die durch Auswahl aus der Zahl der bisfreie, demokratische Verfassung der Socie- herigen Mitglieder beider Societäten geschaftät grosses Gewicht, schliessen alles bloss Un- fen werden solle (in Wahrheit hätte die ‚Austerhaltende aus dem Kreise der Aufgaben aus, wahl‘ nur die Mitglieder der alten Societät ziehen aber Philosophie – sie steht voran – betroffen), dazu neue Statuten“ (Harnack I,1, Mathematik, Naturgeschichte, Geschichte, S. 270 f.). Die Zahl der Mitglieder der neuLitteratur und Kritik hinein“ (Harnack, I,1, en Akademie sollte auf 24 begrenzt (sechs für S. 267). „Sechzehn Membres honoraires wur- jede Klasse) und die „reinen“ Wissenschaften den in wenigen Wochen aufgenommen und von den angewandten scharf getrennt werden. zwanzig ordentliche Mitglieder, von denen Nach Schmettau wären an der Akademie „nur nicht weniger als zehn der alten Societät ange- solche Sachen abzuhandeln, welche ganz behörten“ (Harnack, I,1, S. 266). In den Sitzun- sondere Untersuchungen nöthig haben, dem gen, die absichtlich zur selben Zeit, donners- Publico nützlich sind und auf Schulen und tags Nachmittag, wie die Akademiesitzungen Universitäten nicht tractirt werden können. abgehalten wurden, sollte streng wissenschaft- Nur soviele Mitglieder sind aufzunehmen, als lich gearbeitet werden. Die überlieferten Pro- aus den Fonds rechtschaffen besoldet werden tokoll-Auszüge der 21 Sitzungen vom 1. Au- können, damit sie mit Lust arbeiten“. „Nicht gust 1743 bis 16. Juni 1744 geben einen Ein- Crethi und Plethi sind aufzunehmen, damit blick in die Arbeitsweise und die Vortragsthe- die Akademie nicht in Verachtung gerathe“ men (u. a.: 8. August: Rede über den Nutzen (zitiert nach Harnack I,1, S. 281). Die feierder literarischen Gesellschaften (d’Argens); liche Eröffnungssitzung der neuen Akademie 15. August: astronomische Mitteilungen (Eu- sollte am Geburtstag des Königs, d. 24. Januar ler); 19. Sept.: über den Pyrrhonismus in der 1744, erfolgen, doch der König erschien nicht Behandlung der Geschichte bei dem Jesui- – wie Harnack mutmaßt, wohl auch deshalb, ten Hardouin (d’Argens); 26. Sept.: Plan für weil Maupertuis, der vom König einzig für das ein philosophisches Wörterbuch (Formey); Präsidentenamt vorgesehen war, noch nicht in 8. Okt.: physikalische Experimente (Eller); Berlin war. Auch übernahm der König noch 24. Okt.: über Metall-Lösungen (Marggraf); nicht das Protektorat. An diesem Tag wur5. Dez.: Abhandlung über das Leben Hero- den jedoch die neuen Statuten der „vereinigdots (Jordan); 2. Jan. 1744.: über chemische ten Societäten“, die den Namen einer „KöUntersuchung der gemeinen Steine und Er- niglichen Akademie der Wissenschaften“ fühden (Pott). – Die alte Sozietät existierte ne- ren sollte, vorgelesen. Neu war u. a. die Bebenher weiter und verfügte durch das Kalen- stimmung, dass Preisaufgaben zu stellen seien 11

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(ebd., S. 287). „Eine der wichtigsten Neuerungen war die regelmäßige Wahl der Klassendirektoren und die Öffnung der Grenzen der Klassensitzungen. Insofern waren demokratische Impulse aus der neuen Gesellschaft wirksam geworden. Fachlich fand eine gewisse Bereinigung der Institution statt […]. Theologie und Rechtsgelehrsamkeit wurden ausgeschlossen, die Medizin erhielt einen Sonderstatus“ (Häseler, S. 132). Es blieben vier Klassen für Physik, Mathematik, Philosophie und Philologie. In den ersten drei Monaten verwaltete Schmettau das Präsidium, Vize-Präsident war Jordan. Schmettau war federführend an der Einrichtung der neuen Akademie beteiligt und konnte viele seiner Forderungen beim König durchsetzen. Nach dem zweiten schlesischen Krieg (der König kehrte erst Anfang 1746 nach Potsdam/Berlin zurück), wird der französische Gelehrte Maupertuis am 1. Februar 1746 vom König als président perpétuel eingesetzt und den vier Kuratoren, die höchste Staatsbeamte waren, übergeordnet; sämtliche Publikationen der Akademie erschienen nun in französischer Sprache. Im Mai 1786 traten die von Maupertuis neu verfassten Statuten in Kraft. Struktur und Organisation: Die NSL wurde geleitet von einem Direktor (aus der Zahl der Ehrenmitglieder) und einem Vizedirektor (aus der Zahl der Ordentlichen Mitglieder), die jedes halbe Jahr neu gewählt werden sollten. Der Direktor leitete die Sitzungen und hatte als einziger einen festen Sitzplatz. „Sonst gab es keine weltliche Rangordnung“ (Häseler, S. 131). Erster Direktor war v. Schmettau. Die NSL wollte Sitzungsberichte herausgeben, in denen die Abhandlungen der Mitglieder gedruckt werden sollten. Als Sprache war Französisch vorgesehen. „Neben Vorträgen, Abhandlungen, Beschreibungen von physikalischen und chemischen Versuchen, sollten sogar Rezensionen und Briefauszüge, wenn sie von eigenen Betrachtungen begleitet waren, Eingang in die geplanten Protokollbände fin12

den. Diese Strategie der Verbindung der drei erwähnten wissenschaftlichen Arbeitsstufen – Nachrichten, Rezensionen, Abhandlungen – mit der Publikation eines Periodikums erinnert an die Arbeitsweise der Société anonyme“ (Häseler, S. 131). Mitglieder (alphabetisch): die Brüder Antoine und François Achard (OM); Jean-Baptiste de Boyer Marquis d’Argens (OM); Jakob Friedrich Frhr. v. Bielfeld (OM); Generaladjutant Friedrich Ludwig Felix v. Borcke (EM); Staatsminister Kaspar Wilhelm v. Borcke, Kurator der Akademie (EM); Graf v. Dohna; Duhan de Jaudun (EM); Johann Theodor Eller (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Jakob Elsner; Leonhard Euler (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Johann Friedrich Faber; Graf v. Finckenstein (EM); Samuel Formey (OM); Joseph Du Fresne de Francheville (OM); Johann Gottlieb Gleditsch (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Generalmajor v. Goltz (EM); Gustav Adolf Graf v. Gotter (EM); Augustin Grischau (Grischow); Johann Philipp Heinius (Heine); Georg Karl Hering; Abraham v. Humbert (OM); Philippe Joseph de Jariges (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Charles Etienne Jordan (OM); Johannes Kies (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Lieutenant Colonel von Keith; v. Keyserlingk (EM); Hans Georg Wenzeslaus v. Knobelsdorff (EM); Georg Gottfried Küster; Jakob Friedrich Lamp­ recht; Johann Nathanael Lieberkühn (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Christian Friedrich Ludolff (Ludolff jun.) Michael Matthias Ludolff (Ludolff sen.) (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Andreas Sigismund Marggraff (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Graf v. Münchow (EM); Philippe Naudé (der Jüngere) (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Simon Pelloutier (OM); Heinrich Graf v. Podewils (EM); v. Pölnitz (EM); Johann Heinrich Pott (OM, gehörte auch der alten Akademie an); Wilhelm Sack (OM); Generalfeldmarschall Sa-

Musikübende Gesellschaft [MüG]

muel Graf v. Schmettau (EM); Oberst Stil- Bronisch, Johannes: Der Mäzen der Aufkläle (EM); Erst Maximilian Frhr. v. Sweerts rung. Ernst Christoph von Manteuffel und (Schwertz) (EM); Minister v. Viereck (EM); das Netzwerk des Wolffianismus. Berlin 2010. Johann Gotthilf Vockerodt (EM); Johann Wil- – Harnack, Adolf: Geschichte der Königlich helm Wagner. – Am 8. Oktober war Voltaire Preussischen Akademie der Wissenschaften als Gast anwesend. zu Berlin. Im Auftrage der Akademie bear[Die vorstehende Darstellung folgt den Angaben beitet. Erster Band, Erste Hälfte, Berlin 1900, besond. S. 261–293, und Zweiter Band: UrHarnacks.] kunden und Actenstücke zur Geschichte der Literatur: Ungedruckte Quellen: BBAW, Königlich Preussischen Akademie der WisAkademiearchiv, I-IV, N°10 Protocolla Con- senschaften, besond. Dokumente 149–153. cilii 1743–1745, vol. V (enthält u. a. Sitzungs- – Häseler, Jens: Ein Wanderer zwischen den protokolle; Discours et Dissertations, qui ont Welten, Charles Etienne Jordan (1700–1745). été lûes depuis l’etablissement de la nou- Sigmaringen 1993 (Francia: Forschungen zur velle Société Litteraire). – Darstellungen: westeuropäischen Geschichte, Beihefte, 28).

Uta Motschmann

Musikübende Gesellschaft [MüG] Name: Musikübende Gesellschaft. Gründung: 1. September 1749. Auflösung: Nach 1759. Sitz: „[…] an der Ecke der Brüderstraße, dem Königlichen Schlosse gegenüber“ (Wohnung des Domorganisten Johann Philipp Sack). Programm: Ziel war „die Beförderung der Tonkunst“. Das Anliegen bestand darin, durch die Abhaltung von Konzerten „zur Aufnahme dieser angenehmen Wissenschaft […] beyzutragen“ (Einleitung zum Reglement). Die Programmatik und ihre Hintergründe: Ein pädagogischer (oder gar ein kulturpolitischer) Impuls lag der Vereinsgründung selbst nicht zugrunde. Hierbei waren allein pragmatische Gesichtspunkte ausschlaggebend: Die Aufbringung und gerechte Verteilung der Kosten für die Musikübungen, außerdem die Regelung des Zugangs von Zuhörern. Doch war man von dem – letztlich moralischen – Nutzen des künstlerischen Tuns, sei es nun ausführender oder aufmerksam hörender Art, überzeugt. Zum einen knüpften

die Mitglieder hier an den aktuellen Empfindsamkeitsdiskurs an (Musik als Schule der Empfindungsfähigkeit), zum anderen sahen sie sich von der Kulturpolitik Friedrichs II. getragen, welche zur öffentlichen Aufwertung von Kunst und Musik, vor allem letzterer, geführt hatte. (Die Stilisierung des Königs zum Retter der Tonkunst in Preußen durch Wolff/Marpurg in diesem Zusammenhang ist allerdings überzogen.) Unausgesprochen verkörperten die Aktivitäten des Vereins ein Stück Gesellschaftsutopie: die Aufhebung der Grenzen zwischen den Ständen und Berufen im Zeichen der Kunstübung. Das Bewusstsein, durch musikalisches Handeln einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung zu leisten, macht verständlich, warum sich der Verein, der offenkundig auf Exklusivität Wert legte, in der Öffentlichkeit bekannt machte. Vergleichbare Gesellschaften wie die Akademie Johann Gottlieb Janitschs, die Assemblee Christian Friedrich Schales und das Konzert Johann Friedrich Agricolas unterließen dies; entsprechend wenig bzw. gar nichts ist über sie bekannt. So wissen wir von der Assem13

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blee lediglich durch eine Notiz in den Berli- zung dominierten Streicher, Flöten und Tasnischen Nachrichten von Staats- und gelehrten teninstrumente (Cembalo, Hammerklavier). Sachen, dass sie am 27. Sept. 1751 „ein Ita- Vokalmusik blieb außen vor. Immer wieder liänisches Oratorium von der Composition wirkten Musiker der Hofkapelle, durchreieines der berühmtesten Meister in der Mu- sende auswärtige Musiker oder anerkannte sic“ aufgeführt hatte (30. Sept. 1751). Johann Musikliebhaber aus Berlin bei den Konzerten Carl Conrad Oelrichs knappem Bericht zu- mit, außerdem Mitglieder des dem Hof nahefolge dürfte sie jedoch eine den anderen Mu- stehenden preußischen Adels. Einzig aus dem sikgesellschaften ähnliche Organisationsform Adel gelangten Musikerinnen in die ansonsgehabt haben: „In beyden [d. h. in der MüG ten reine Männergesellschaft. und in der Assemblee] lassen sich sowohl die Es sollten nur neue und qualitativ hochwertige geschicktesten Herren Musici hiesigen Orts, Stücke zur Aufführung gelangen. Vermutlich als auch Standespersonen hören. Es ist erlaubt, handelte es sich vorrangig um Werke der in daß verständige Liebhaber, und wahre Ken- der Hofkapelle tätigen Komponisten. Aus ihner der edlen ächten Tonkunst sich als Zu- rem Kreis kamen zwei der ordentlichen Mithörer ohnentgeldlich einfinden dürfen. […] glieder: der Flötist Friedrich Wilhelm Riedt Eben […] erfahre ich, daß auch noch andere und der Violinist Johann Gabriel Seyffarth, vorzügliche Musikverständige aus der königl. welcher auch für die Komposition der BalCapelle, alle Freytage, in des ruhmwürdigen lettmusiken am Hof zuständig war. Aber auch Componisten und königl. Musikus H. Jo- Dilettanten kamen in den Konzertprogramhann Gotlieb Janitsch Wohnung, hinter dem men zum Zuge. Die Stücke lagen entweder Jägerhof zusammen kommen; alwo eben- im Notenarchiv der Gesellschaft bereit oder fals sehr angenehme und wohlgesetzte Stü- wurden von den Musikern mitgebracht. Gecke aufgeführet werden; welche Geselschaft spräche über die Musik waren nicht vorgeehedem zu Reinsberg, von den vornehms- sehen. Bei einer durchschnittlichen Auffühten Gliedern, aus der damaligen Cronprintz- rungsdauer von 15 bis 20 Minuten pro Werk lichen Capelle, errichtet, und nachher alhier blieb bei einer Versammlungsdauer von drei fortgesetzet worden. Zuhörern, von oben ge- Stunden auch keine Zeit dafür. Die Satzung dachter Art, stehet hier der Zutrit gleichfals, verlangte vielmehr von Musikern wie Zuhörern die völlige Konzentration auf das musiumsonst, offen.“ kalische Geschehen. Dem entsprach die BeAktivitäten: Die Gesellschaft kam jede Wo- mühung um professionellen Maßstäben geche samstags, im Sommer um 18 Uhr und nügende Aufführungsbedingungen (werkgeim Winter um 17 Uhr in der Wohnung des rechte Besetzung, gemeinsames Einstimmen, Domorganisten Johann Philipp Sack in der Verbot des Präludierens). Jedes Jahr wurde Brüderstraße zusammen. Gelegentlich wur- neben den wöchentlichen Konzertveranstalden die Treffen auch in die Wohnungen an- tungen der Stiftungstag mit einem „grossen derer Mitglieder verlegt. Wesentlicher, wenn Concert“ begangen. Ob dies ein umfangreinicht einziger Inhalt der Zusammenkünf- cheres Programm, eine stärkere Besetzung te waren Konzerte, die nach einem festen der Stücke oder die Zulassung von VokalSchema sowie nach bestimmten program- stücken bedeutete, ist unbekannt. Die knapmatischen Vorgaben eingerichtet wurden. So pen Berichte über die Aktivitäten anlässlich stand am Beginn eine Ouvertüre oder eine des Stiftungsfestes in den Berlinischen NachSinfonie. Danach folgten in freier Folge Kon- richten von Staats- und gelehrten Sachen 1751 zerte, Trios und Solosonaten, im Ganzen sie- und 1753 geben darüber keine Auskunft. Ist ben bis acht Kompositionen. Bei der Beset- 1751 nur von „eine(r) vortreffliche(n) Music“ 14

Musikübende Gesellschaft [MüG]

die Rede (4. Sept. 1751), so erwähnt der Berichterstatter zwei Jahre später „vortreffliche Concerte“ (6. Okt. 1753). Daneben wirkte die MüG nachweislich am 26. März 1755 zusammen mit der Hofkapelle bei der Uraufführung von Carl Heinrich Grauns Passionskantate Der Tod Jesu (GraunWV B:VII:2) im Dom mit. Möglicherweise hatte es eine solche Kooperation bereits ein Jahr zuvor, nämlich am 11. April 1754, bei der Aufführung von Grauns Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld (GraunWV B:VII:4) am gleichen Ort gegeben. Weitere Aktivitäten sind nicht dokumentiert. Der von Friedrich Wilhelm Marpurg an Leonhard Cochius adressierte Brief weist darauf hin, dass die MüG zum Zeitpunkt der Publikation 1759 noch Bestand hatte, heißt es hier doch: „Die musikübende Gesellschaft hieselbst gedenket noch allezeit mit Vergnügen an die Zeiten zurück, da Sie in selbiger zugegen waren, und vermittelst ihres Exempels zeigten, daß es nicht unmöglich ist, zugleich an den ernshaftern Wissenschaften, und an den Reitzen der Tonkunst Geschmack zu finden, und in beyden vortreflich zu seyn.“ Danach verlieren sich ihre Spuren. Organisation: Die Leitung des aus maximal 20 Mitgliedern bestehenden Vereins bestand aus einem Direktor (allgemeine Aufsicht, im Falle von Verstößen Festsetzung von Strafgeldern, Einrichtung der Konzertprogramme), einem Sekretär (Protokoll, Schriftführung, Korrespondenz, Aufsicht über die Notenbibliothek) und einem Kassierer (Kassen- und Buchführung). Die Besetzung der Posten erfolgte jährlich durch Wahl der Mitglieder. Der Verein finanzierte die für seine Arbeit notwendigen Anschaffungen von Noten und Instrumenten sowie die Betriebskosten der Konzerte über das Eintrittsgeld (16 Groschen), eine wöchentliche Umlage (drei Groschen), je nach Bedarf ergänzende Umlagen sowie die Strafgelder. Vierteljährliche Mitgliederversammlungen dienten der Ausspra-

che über alle Vereinsangelegenheiten. – Die Unterscheidung von ordentlichen und Ehrenmitgliedern trug dem Umstand Rechnung, dass das Interesse an Musikübungen über den Kreis von aktiv Musizierenden (professionellen Musikern und Dilettanten) von musikliebenden Zuhörern geteilt wurde. Letztere waren sogar in der Mehrzahl: Acht ordentlichen Mitgliedern sollten zwölf Ehrenmitglieder gegenüberstehen. Allerdings dürfte auch das Standesbewusstsein der adligen Teilnehmer eine Rolle gespielt haben, welches eine Auflistung unter den ausübenden Musikern verbot. Kaum zufällig finden sie sich ausschließlich unter den Ehrenmitgliedern, auch wenn sie sich teilweise aktiv an den Konzerten beteiligten. Jedes Mitglied durfte einen bis zwei Zuhörer mitbringen, mit Erlaubnis der übrigen Mitglieder auch mehr. Doch scheint diese Regel den Zustrom fremder und auch störender Gäste nicht verhindert zu haben. So ging die MüG Ende 1753 dazu über, Billets an die Gäste auszugeben, ohne die der Eintritt nicht möglich war. Mitglieder: a) Allgemeines: Die Initiative zur Gründung der Gesellschaft ging von zwei Teilnehmern bei den regelmäßigen musikalischen Zusammenkünften beim Domorganisten Sack aus, dem Geheimen Registrator Adolph Friedrich Wolff und dem Sekretär bei der Oberrechenkammer Georg Friedrich Reinbeck. Wolff brachte das unter den Inter­ essenten mündlich besprochene Regelwerk in die Form einer schriftlichen Satzung, welche am 1. September 1749 durch Selbstverpflichtung der Mitglieder in Kraft trat. Eine 1750 revidierte Fassung wurde rückwirkend auf den 18. September 1749 datiert. Das Direktorenamt hatte bis November 1749 Leonhard Cochius, Prorektor am Friedrichswerderschen Gymnasium, inne. Danach wurde es von Friedrich Wilhelm Riedt, Flötist in der Hofkapelle, übernommen. Sekretär war von Anfang an Adolph Friedrich Wolff, Kassierer Georg Friedrich Reinbeck. – Bewerber 15

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um die Mitgliedschaft mussten sich nicht nur durch Unterschrift zur Einhaltung des Reglements verpflichten, sondern sich auch einer Abstimmung über ihren Antrag unterziehen. – b) Ordentliche Mitglieder: Hr. Bamberger (1749–1752), Hr. Bingert (1749–1750), Leonhard Cochius (1749), Gottlob Friedrich Pauli (ab 1749), Georg Friedrich Reinbeck (ab 1749), Friedrich Wilhelm Riedt (ab 1749), Johann Philipp Sack (ab 1749), Johann Gabriel Seyffarth (ab 1749), Adolph Friedrich Wolff (ab 1749). – c) Ehrenmitglieder: Georg Christoph v. Arnim (ab 1750), Paul Jeremias Bitaubee (ab 1755), Johann Abraham Caps (ab 1753), Mr. Giraud (1750–1753), Philip Bogislav v. Heyden (ab 1750), Carl Leveaux (ab 1754), Georg Friedrich v. Oppen (ab 1750), Hr. v. Ratzeler (1750–1752), Friederich Carl v. Schlieben (Reichsgraf) (ab 1750), Christoph Wilhelm v. Schwerin (ab 1750), Johann Adolph Ernst v. Winzingerode (ab 1750). Bibliographie: 1) Archivquellen: Die Vereinsunterlagen, insbesondere das in § 14 der Satzung erwähnte Buch mit den Konzertprogrammen, sind verschollen. Möglicherweise stammt aber ein Teil der über den Marien­ organisten Johann Samuel Harson (gest. 1792) überlieferten handschriftlichen Musikalien aus dem Archiv der Gesellschaft (heute in der Musiksammlung der Staatsbibliothek zu Berlin PK). Dafür sprechen die Verbindung des im Bestand prominent vertretenen Kopisten Holstein mit dem Gründungsmitglied Reinbeck und die auffällige Ansammlung darin von Werken einiger der MüG nahestehenden Komponisten wie etwa Cochius, Riedt und Uhde. – 2) Drucksachen: Hartung, August / Klipfel, Karl Wilhelm: Zur Erinnerung an Charlotte Wilhelmine Ka-

roline Bachmann, geb. Stöwe, Karl Friedrich Christian Fasch und Julie Pappritz, verehel. Zelter. Berlin 1818. – Marpurg, Friedrich Wilhelm: Brief an Leonhard Cochius. In: Ders.: Kritische Briefe über die Tonkunst. Bd. 1, Berlin 1759, S. 73–80. – Oelrichs, Johann Carl Conrad: Historische Nachricht von den akademischen Würden in der Musik und öffentlichen musikalischen Akademien und Gesellschaften. Berlin 1752, S. 47 f. – Wolff, Adolph Friedrich: Entwurf einer ausführlichen Nachricht von der Musikübenden Gesellschaft zu Berlin. In: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik. Bd. 1, Berlin 1754, S. 385–413. – 3) Forschungsliteratur: Fritzsch, Thomas: Johann Gottlieb Janitsch. Contraviolonist, Komponist und Akademiegründer. In: Die Rheinsberger Hofkapelle von Friedrich II. Musiker auf dem Weg zum Berliner „Capell-Bedienten“, hg. v. U. Liedke. Rheinsberg 2005, S. 181–200. – Henzel, Christoph: Quellentexte zur Berliner Musikgeschichte im 18. Jahrhundert. Wilhelmshaven 1999, S. 112–120 u. 188–190 (= Taschenbücher zur Musikwissenschaft 135). – Ders.: Das Konzertleben der preußischen Hauptstadt 1740–1786 (Teil 1). In: Jb. des Staat­ lichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz 2004, S. 216–291. – Ders.: Berliner Klassik. Studien zur Graunüberlieferung im 18. Jahrhundert. Beeskow 2009, S. 221–239 (= ortus studien 6). – Löwenthal, Siegfried: Die Musikübende Gesellschaft zu Berlin und die Mitglieder Joh. Philipp Sack, Fr. W. Riedt und Joh. Gabr. Seyffart. Basel 1929. – Schwinger, Tobias: Die Musikaliensammlung Thulemeier und die Berliner Musiküberlieferung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Beeskow 2006, S. 452–454 u. 567–572 (= ortus studien 3).

Christoph Henzel

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Gelehrtes Kaffeehaus [GKH]

Gelehrtes Kaffeehaus [GKH] Name: Gelehrtes Kaffeehaus. Gründung: Ende 1755. Auflösung: Vermutlich 1759. Sitz: Zwei angemietete Räume in der Gaststätte ‚Englisches Haus‘, Mohrenstr. 49. Geschichte und Programmatik: Anders als in den Handelsmetropolen Hamburg und Leipzig oder den süddeutschen Residenzstädten München und Wien spielten Kaffeehäuser im geselligen Leben Berlins in der Mitte des 18. Jahrhunderts noch eine untergeordnete Rolle. Von großer, wenn auch kurzzeitiger Bedeutung war jedoch das Zustandekommen einer als Gelehrtes Kaffeehaus bezeichneten Vereinigung, „welche nicht nur zur gesellschaftlichen Bildung, sondern auch nach der Lage der damaligen Zeit, zur Erweiterung gelehrter Kenntnisse unter den Mitgliedern sehr viel beitrug“ (Nicolai [1810], S. 168). Die Vereinigung unterhielt ein Lokal, in dem sich Mitglieder und deren Gäste täglich einfinden konnten, um preisgünstig Kaffee zu trinken, ausliegende Zeitungen und Journale zu lesen, Gespräche zu führen oder dem Spiel zu frönen. In denselben Räumlichkeiten veranstaltete die Vereinigung in regelmäßigen Abständen Zusammenkünfte, bei denen Mitglieder wissenschaftliche Vorträge hielten. Deren inhaltliches Spektrum reichte von Mathematik über Physik – in der zeitgenössischen Bedeutung von ‚Naturwissenschaften‘ – bis hin zu Philosophie (Nicolai [1799], S. 45). Auf unterschiedliche Weise bezeugt sind davon folgende: Die gedruckt vorliegenden Aufsätze Gedanken von der Wahrscheinlichkeit von Moses Mendelssohn und Versuch über das Genie von Friedrich Gabriel Resewitz gehen auf Vorträge im GKH zurück (ebd.). Bei der von Johann Albrecht Euler dort vorgelesenen Abhandlung Von der Bewegung zweyer Kugeln auf einer horizontalen Fläche (Nicolai [1794], S. 502) könnte es sich um eine frühe Fassung von dessen späterem Akademie-

vortrag zum selben Thema gehandelt haben. Nur dem Titel nach überliefert sind weitere im GKH gehaltene Vorträge „über die Elektrizität“ (Johan Carl Wilcke), „über die Hebezeuge“ (Friedrich Paul Jacobi) und „über die schaaligen Seethiere und Zoophyten“ (Friedrich Heinrich Wilhelm Martini) (Nicolai [1799], S. 45). Treibende Kraft bei der Einrichtung des GKH scheint der Pädagoge und Publizist Johann Georg Müchler gewesen zu sein (Brief Christian Nicolaus Naumanns an Georg August v. Breitenbauch vom 1[?].3.1756; Nicolai [1794], S. 503 u. [1799], S. 44), der sich auch selbst als dessen ‚Stifter‘ betrachtete (Brief an Georg August v. Breitenbauch vom 2.4.1756). Großer Anteil an der Gründung wird außerdem dem Theologen Friedrich Gabriel Resewitz zugesprochen (Nicolai [1810], S. 168). Die angeführten Zeugnisse legen als Gründungszeitraum das Ende des Jahres 1755 nahe, ohne dass sich der Termin präziser bestimmen ließe. Bereits Mitte des Jahres 1756 setzte die schleichende Auflösung der Gesellschaft ein, weil bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges die Militärangehörigen unter den Mitgliedern sich zu ihren Einheiten außerhalb Berlins begeben mussten. In den folgenden Jahren verließen weitere Mitglieder aufgrund beruflicher Beförderungen die Stadt. Im Zusammenhang mit dem allmählichen Mitgliederschwund wurde auch die Gründung anderer Vereinigungen angeführt, beispielsweise die – allerdings erst viel später erfolgte – Einrichtung der  Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin durch das ehemalige GKHMitglied Friedrich Heinrich Wilhelm Martini (Nicolai [1794], S. 503). Die endgültige Auflösung des GKH kann zeitlich nicht genauer als auf „Mitte des siebenjährigen Krieges“ festgelegt werden (Nicolai [1799], S. 45). Struktur und Organisation: Angesichts des kurzen Bestehens des GKH ist fraglich, ob 17

1  Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten

das Vorhaben, Statuten zu verabschieden (Brief Johann Georg Müchlers an Georg August v. Breitenbauch vom 2.4.1756), verwirklicht worden ist. Schriftlich überliefert sind jedenfalls keine. Nach dem Vorbild englischer Clubs vergab die Gesellschaft eine Reihe von Ämtern – „Secretaire, Stuarts, und Aufseher“ (ebd.) –, doch ist nicht bekannt, wer sie innehatte und welche Aufgaben damit verbunden waren. Finanziert wurde der Kaffeehausbetrieb durch einen einmaligen Aufnahmebeitrag von zwei Reichstalern (ebd.). Weitere Einnahmen sollen der Vereinigung durch einen eigens angeschafften Billardtisch zugeflossen sein (ebd.), womit gemeint sein dürfte, dass um Geld gespielt wurde. Neben Billard spielten die Besucher des GKH nachweislich auch Tarock (Nicolai [1794], S. 503). Um den Billardtisch versammelten sich die Mitglieder auch anlässlich der wissenschaftlichen Vorträge, zu denen die Vereinigung anfangs wohl einmal pro Woche (Brief Johann Georg Müchlers an Georg August v. Breitenbauch vom 2.4.1756), später alle vier Wochen (Nicolai [1794], S. 502 u. [1799], S. 45) zusammenkam. Erwiesenermaßen hat eine dieser Zusammenkünfte an einem Donnerstag stattgefunden (Brief Moses Mendelssohns an Gotthold Ephraim Lessing aus der ersten Hälfte Dez. 1756), doch fehlen weitere Belege dafür, dass Donnerstag der reguläre Versammlungstag war. Ebenso wenig gibt es Zeugnisse darüber, nach welchem Verfahren und mit welchem zeitlichen Vorlauf die vortragenden Mitglieder bestimmt wurden. Zumindest scheint man bei der Programmplanung so flexibel verfahren zu sein, dass es einem Mitglied gegebenenfalls ermöglicht werden konnte, zu einem Vortrag in der folgenden Versammlung mit einem eigenen Vortrag Stellung zu beziehen. Zu einem regelrechten Schlagabtausch binnen vierer Zusammenkünfte kam es zwischen Oktober 1756 und Januar oder Februar 1757, als Franz Ulrich Theodor Aepinus eine Widerlegung von Moses Mendelssohns Gedan18

ken von der Wahrscheinlichkeit vorlas und auf Mendelssohns Erwiderung neuerlich mit einer „Gegenantwort“ reagierte (Brief Moses Mendelssohns an Gotthold Ephraim Lessing vom 2.3.1757). Mitglieder: a) Allgemeines: Die Zahl der Mitglieder, die kurz nach Gründung der Gesellschaft schon vierzig Personen betrug (Brief Johann Georg Müchlers an Georg August v. Breitenbauch vom 2.4.1756), war auf hundert begrenzt (Nicolai [1794], S. 502 u. [1799], S. 44). Da nur fünfzehn namentlich bekannt sind, lassen sich kaum allgemeine Aussagen über das Mitgliederspektrum treffen. Frauen blieb der Zutritt zum GKH verwehrt; Juden hingegen waren zugelassen, wie die Mitgliedschaften von Aaron Emmerich Gumpertz und Moses Mendelssohn belegen. Die Behauptung, das GKH habe sich mehrheitlich aus „Gelehrten oder doch Freunden der Gelehrsamkeit“ (Nicolai [1799], S. 44) zusammengesetzt, findet sich nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass mit Franz Ulrich Theodor Aepinus, Johann Albrecht Euler und Friedrich Paul Jacobi mindestens drei ihrer Mitglieder zugleich Mitglieder der Königlichen Akademie der Wissenschaften waren. – Mitgliedern war es gestattet, Gäste mitzubringen (Brief Johann Georg Müchlers an Georg August v. Breitenbauch vom 2.4.1756), wobei unklar ist, ob diese Regelung nur für Auswärtige oder auch für Berliner galt. – b. Einzelmitglieder: Franz Ulrich Theodor Aepinus; Johann Peter Bamberger; Johann Albrecht Euler; Aaron Emmerich Gumpertz; Friedrich Paul Jacobi; Friedrich Germanus Lüdke; Friedrich Heinrich Wilhelm Martini; Moses Mendelssohn; Middle­ ton; Karl Friedrich v. Moller; Johann Georg Müchler; Christian Nicolaus Naumann; Friedrich Nicolai; Friedrich Gabriel Resewitz; Johan Carl Wilcke. Bibliographie: a) Archivquellen: SBB PK, Nachlass Nicolai I, Bd. 83, Mappe 7 (Brief

Gelehrtes Kaffeehaus [GKH]

S.  B. Wilckes an Friedrich Nicolai vom ten, 27). – Ders.: Ueber meine gelehrte Bil3.11.1788) u. Bd. 23, Mappe 9 (Brief Da- dung, über meine Kenntniß der kritischen vid Friedländers an Friedrich Nicolai vom Philosophie und meine Schriften dieselbe be8.3.1794). – b) Gedruckte Quellen: Men- treffend, und über die Herren Kant, J. B. Erdelssohn, Moses: Briefwechsel I, bearb. v. hard, und Fichte. Eine Beylage zu den neun Bruno Strauss, mit Nachträgen von Alexan- Gesprächen zwischen Christian Wolf und eider Altmann. Stuttgart-Bad Cannstatt 1974, nem Kantianer. Berlin, Stettin 1799, S. 44 f. S. 62 f., 82–88, 108 f. u. 402 f. (Briefe Gott- – Ders.: Fernere Bruchstücke aus Moses hold Ephraim Lessings an Moses Mendels- Mendelssohn’s Nachlasse. In: Neue Berlinisohn von Ende Okt. 1756, Mendelssohns sche Monatsschrift 24 (1810) H. 9, S. 168– an Lessing aus der ersten Hälfte Dez. 1756 192, hier S. 168 f., Anm. – c) Gedruckte u. vom 2.3.1757 u. Christian Nicolaus Nau- Vorträge: Mendelssohn, Moses: Gedanken manns an Georg August v. Breitenbauch von der Wahrscheinlichkeit. In: Vermischte vom 1[?].3.1756) (= Gesammelte Schrif- Abhandlungen und Urtheile über das Neuten. Jubiläumsausgabe, 11). – Lessing, Gott- este aus der Gelehrsamkeit 3 (1756), S. 3–26. hold (Hg.): Carl Robert Lessings Bücher- – Euler, Johann Albrecht: Recherches des und Handschriftensammlung, Bd. 2: Hand- mouvemens d’un globe sur un plan horizonschriftensammlung Teil 2. Deutschland, be- tal/Du mouvement d’un globe sur un plan arb. v. Arend Buchholtz. Berlin 1915, S. 197 f. horizontal. Mémoire second. In: Histoire de (Brief Johann Georg Müchlers an Georg Au- l’Académie Royale des Sciences et des Bellesgust v. Breitenbauch vom 2.4.1756). – Nico- Lettres de Berlin 14 ([1758] 1765), S. 284– lai, Friedrich: Anmerkungen zu Moses Men- 353 u. 16 ([1760] 1767), S. 261–284. – Redelssohns im Jahre 1789 gedrucktem Brief- sewitz, Friedrich Gabriel: Versuch über das wechsel mit G. E. Lessing. In: Gotthold Eph- Genie. In: Sammlung vermischter Schriften raim Lessings Briefwechsel mit Karl Wilhelm zur Beförderung der schönen Wissenschaften Ramler, Johann Joachim Eschenburg und und der freyen Künste 2/1 (1759), S. 131–179 Friedrich Nicolai. Nebst einigen Anmerkun- u. 3/1 (1760), S. 1–69. – d) Forschungslitegen über Lessings Briefwechsel mit Moses ratur: Altmann, Alexander: Moses MendelsMendelssohn. Berlin, Stettin 1794, S. 487– sohn. A biographical study. Alabama 1973, 520, hier S. 502–506 (= Sämmtliche Schrif- S. 74–78.

Rainer Falk

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1  Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten

Gelehrte Journalgesellschaft für Arzneikunde, Ökonomie und Naturgeschichte [JournG] Name: Gelehrte Journalgesellschaft für Arzneikunde, Ökonomie und Naturgeschichte; Gelehrte Journalgesellschaft. Gründung: 1764. Bestand: Bis 1778. Sitz: Die Mitglieder kamen vermutlich im Wohnhaus Martinis am Hackeschen Markt zusammen. Geschichte und Programmatik: Friedrich Heinrich Wilhelm Martini, der nach seinem Medizinstudium in Jena und Frankfurt/Oder sechs Jahre als Physicus in Artern gewirkt hatte, kam 1762 nach Berlin und ließ sich 1764 als praktizierender Arzt nieder. Seine Leidenschaft galt der Naturgeschichte insgesamt, besonders aber der Mineralogie und der Konchyliologie. Für seine Freunde und Kollegen und für alle wissenschaftlich und literarisch Interessierten gründete er 1764 eine Gelehrte Journalgesellschaft, deren Mitgliedern er seine umfangreiche Privatbibliothek zur Verfügung stellte. „Kann es für einen wahren Gelehrten und für alle, denen die Wissenschaften und schöne Künste lieb sind, wohl anders, als höchst reizend seyn, mit den Schätzen dieses weitläuftigen Reiches, mit den neuesten Erscheinungen und wichtigsten Entdeckungen in demselben immer in der genauesten Bekanntschaft zu stehen? Die periodische, historisch-kritische Wochenblätter, Monatschriften, Bibliotheken und Journale sind gleichsam die Führer, die uns den kürzesten Weg durch alle einzelne Gegenstände dieses unübersehbaren Reiches leisten, und uns von allen verdrüßlichen Irrwegen zurück scheuchen. Sie bieten uns liebreich die Hände, diese nothwendige Wegweiser im Reiche der gesammten Gelehrsamkeit!“ (Martini, 1775, S. IX). Mit der JourG verfolgte er eine zweifache Absicht: „theils andern um den billigsten Preis eine vortheilhafte Lektüre und Bekanntschaft mit allen neueren Schriften; sich 20

Abb. 2  Porträt Friedrich Heinrich Martini.

selbst aber die längst gewünschte Gelegenheit zu verschaffen, fast alle gute französische, englische, und deutsche Journale, Monathsschriften, und gelehrte Zeitungen frühzeitig zu lesen, und sich also in der neueren Litteratur, besonders in den neuesten Entdekkungen in der Arzeneykunde, Oekonomie, und Naturgeschichte umzusehen. Ein so wohl eingerichtetes und überdachtes Institut mußte nothwendig Beyfall und Liebhaber finden. Die Journalgesellschaft nahm den glücklichsten Anfang“ (Goeze, S. 46). Es waren v. a. die aktuellen Fachzeitschriften, die nicht leicht verfügbar und zudem nicht für jeden erschwinglich waren, die auf diese Weise schnell den Weg zu einem breiten Adressatenkreis fanden. Damit war die JournG ein Mittel zum Zweck, eine Selbsthilfeeinrich-

Gelehrte Journalgesellschaft für Arzneikunde, Ökonomie und Naturgeschichte [JournG]

tung besonders für Ärzte, Apotheker und Naturforscher. Während seiner Bemühungen um die Weiterentwicklung einer wissenschaftliche Lesegesellschaft war Martini auch noch mit zwei Zeitschriftenprojekten befasst: Berli-

nisches Magazin, oder gesammelte Schriften und Nachrichten für die Liebhaber der Arzeneywissenschaft, Naturgeschichte und der angenehmen Wissenschaften überhaupt (Berlin 1765–1768); fortgesetzt als Berlinische Sammlungen zur Beförderung der Arzneywissenschaft, der Naturgeschichte, der Haushaltungskunst, Kameralwissenschaft und der dahin einschlagenden Litteratur (Berlin 1768–1779), sowie Mannigfaltigkeiten, eine gemeinnützige Wochenschrift (Berlin 1770–73; Fortsetzung: Neue Mannigfaltigkeiten, 1774–1777; Neueste Mannigfaltigkeiten, ab 1778), die sein Vorhaben ebenso unterstützten wie widerspiegelten. Ausgehend von seinen Erfahrungen mit der JourG und auch mit anderen kurzlebigen Journalgesellschaften, die Martini vor seiner Berliner Zeit kennengelernt hatte, entwarf er 1771 einen allgemein gültigen Plan zu einer gemeinnützigen Journalgesellschaft, in der jeder Teilnehmer, genau wie der Stifter, sich für das Ganze verantwortlich fühlen müsse. (Einen Erste[n] Plan zur Journalgesellschaft hatte er bereits 1764 verfasst.) Den Plan hielt er nur in größeren Städten und besonders in Berlin für realisierbar, „wo Wissenschaften und Künste in ihrem vollen Glanze blühen […], wo die tiefsinnigste Gelehrsamkeit und die angenehmen Wissenschaften neben der feinsten Staatsklugheit mit auf dem Throne sitzen“ (Martini, 1771, S. 372). „Die Absicht einer solchen Gesellschaft kann entweder allgemein seyn, oder sich auf besondere Klassen von Gelehrten beziehen, oder man kann beyde Vortheile zugleich mit einander zu vereinigen suchen. Mein Entwurf zielt auf die Befriedigung wirklicher Gelehrten so wohl, als der Liebhaber unterschiedener Wissenschaften, und besonders auf eine beständige Abwechselung und genaue Verbindung des Nützlichen mit dem Angenehmen“ (Martini, 1775, S. XIV). Obwohl die JournG,

der Profession ihres Stifters entsprechend, ihren Schwerpunkt in der Naturgeschichte sah und wohl als die erste wissenschaftlich-medizinische Gesellschaft angesehen werden kann, ging es Martini um eine allseitige Bildung, zu der auch die schöne Literatur gehörte. Die Einteilung seiner Bibliothek in 14 Abteilungen unterstreicht dies anschaulich. 1775 umfasste seine „nach klaßischer Ordnung“ eingerichtete Bibliothek 4023 Titel. Den größten Raum nehmen die Periodischen Werke mit 1289 Nummern, die Naturlehre und Naturgeschichte mit 891 Nummern und die Medizinischen Schriften mit 435 Nummern ein. Allgemeine Grundwissenschaften (u. a. Reallexika und Wörterbücher) machen 200 Nummern aus und alles, was der Schönen Literatur zuzurechnen ist, 378 Nummern (darunter: Poetische Schriften: 95; Theatralische Werke: 97; Politisch-moralische Schriften, Unterricht und Erziehung, Satirische Schriften, empfindsame Modeschriften: 186). Hierzu sind auch noch die historischen Romane zu zählen, die unter den 347 Nummern der Historischen Werke mit erfasst sind. „Alterthümer, schöne Wissenschaften und freye Künste überhaupt, Musikalische Sachen, Maler-, Kupferstecher- und Bildhauerkunst, Philosophie und Sprachlehre“ umfassen 108 Titel. Die kleinsten Abteilungen machen „Oekonomie, Polizei- und Kameralwissenschaft“ (darunter auch Bienenzucht, Kunstbücher und Kochbücher) mit 60 Titeln und Theologische Schriften mit 32 Titeln aus. „Die Nutzung selbst wird jedem Mitglied unentgeltlich angebothen, und von allen im Verzeichniß enthaltenen Abtheilungen bloß das physikalische Fach, wovon ich täglichen und stündlichen Gebrauch zu machen genöthigt bin, ausgenommen“ (Martini, 1775, S. V). Mit den Beiträgen der Mitglieder wurde ein gemeinsamer Fonds eingerichtet, aus dem neue Zeitungen, Monatsschriften und Bücher angeschafft wurden, wobei die Auswahl der Neuanschaffungen gemeinsam getroffen wurde. „Doch fordert man billig von jedem Mitgliede, in einer 21

1  Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten

so vermischten Gesellschaft eine Verschiedenheit des Geschmackes gelten zu lassen“ (Martini, 1771, S. 384). Das Herz der Gesellschaft war und blieb Martini. „Jede Gesellschaft, wo Martini war“, so äußerte sich rückblickend der königl. Sekretär G. C. Kayser, „war vergnügt, und gegen einander gefällig“ (Goeze, S. 111). Die Gesellschaft löste sich demzufolge nach dem Tod Martinis 1778 auf, da sie „offenbar ganz aus der Organisationsleistung ihres Gründers lebte und fast folgerichtig mit seinem Tod erlosch“ (Lübken, 1991, S. 85). Struktur und Organisation: In der Gesellschaft galt der Gleichheitsgrundsatz; alle Mitglieder hatten die gleichen Rechte und Pflichten, einschließlich des Stifters und Bibliotheksbesitzers Martini. „Der wahre Nutzen einer solchen Gesellschaft macht es gewissermaßen nothwendig, daß jedes daran theilnehmende Mitglied sich als ihren Stifter und Beförderer betrachte, und nichts unterlasse, was zu ihrer Beförderung oder zur Verhütung aller Unordnung das mindeste beytragen kann“ (Martini, 1771, S. 387). Die JournG gliederte sich in Unterabteilungen, Zirkel genannt, in welchen die Schriften herumgereicht wurden. Die Anzahl der Mitglieder jedes Zirkels sollte nicht stärker sein, als die Anschaffung der nötigen Schriften erforderte, da die neuesten Schriften sonst veralten würden, ehe sie den ganzen Umlauf vollendeten. Um eine schnelle Zirkulation zu gewährleisten, brachte ein bezahlter Bote die Neuigkeiten von einem Mitglied zum anderen. Dabei sollte darauf geachtet werden, „daß für jedes Mitgliedes Geschmack allemal wenigstens etwas beygeleget werde“ (Martini, 1771, S. 387). Bei Erhalt der umlaufenden Schriften bestätigte jedes Mitglied die ordnungsgemäße Aushändigung mit seiner Unterschrift. Bei Versäumnissen erhielt der Bote einen Obolus. Martini hielt es für vorteilhaft, „die einzelnen zur Litteratur gehörigen Blätter in dreytägigen; die stärkern Schriften aber in sechs- oder neun22

tägigen Ablieferungen mitzutheilen, damit man […] sich mehrere und zugleich die bequemsten Stunden wählen könne“ (Martini, 1771, S. 388). Die vier Unterabteilungen waren: 1) Kritische Journale, 2) Gelehrte Zeitungen, 3) „Die neuern moralischen, satyrischen, historischen, poetischen, theatralischen, zu den schönen Wissenschaften überhaupt gehörigen, besonders die bekanntesten Wochen- Quartal- und Monatschriften“. In einem 4. Zirkel sollte neu eintretenden Mitgliedern, die wenig Zeit zur Verfügung hatten, „alles ohne Ausnahme, was in den drey ersten Abtheilungen den Umlauf vollendet, in etwas stärkern neuntägigen Ablieferungen zugeschickt, und öfters etwas von den neuesten Schriften beygelegt“ werden (Martini, 1771, S. 389 f.). Martini selbst übernahm die Sortierung der zirkulierenden Literatur. „Des Morgens um 5 Uhr war es seine erste Arbeit, die Vertheilung der für die Gesellschaft, auf denselben Tag bestimmten Bücher zu besorgen. Mit welcher Mühe und Genauigkeit er solches verrichtete, kann ich kaum beschreiben. Dennoch hatt’ er einmal das Unglück von einem betrügerischen Journalbothen [namens Ramsch], um einige hundert Thaler gebracht zu werden“ (Goeze, S. 48). – Finanzierung: Der finanzielle Beitrag der Mitglieder richtete sich nach der Anzahl der Mitglieder und dem Wert der Literatur. „Es ist indessen billig, zu Anschaffung derselben allemal einen vierteljährigen Vorschuß vestzusetzen“ (Martini, 1771, S. 387). „Für die dreytägigen Ablieferungen der vorzüglichsten gelehrten Zeitungen, Wochenblätter, Monatschriften und ausländischen Journale“ wurden jährlich „5 Thl. oder vierteljährig 1 Thl. 6 Gr.“ festgesetzt; für „die neuntägigen Ablieferungen der neuesten in den kritischen Blättern gerühmten Schriften aus den schönen und nützlichen Wissenschaften vierteljährig 1 Thl.“, für „beyde Ablieferungen zugleich aber nur auf jedes Vierteljahr 1 Thl. 20 Gr. Vorschuß bezahlet. Der Umläufer [Bote] bekommt monatlich für eine Ablieferung zween, für bey-

Gelehrte Journalgesellschaft für Arzneikunde, Ökonomie und Naturgeschichte [JournG]

de zugleich drey Groschen“ (Martini, 1771, S. 391 f.). Weiterhin waren jährlich acht Groschen für den Druck des Bücherverzeichnisses zu entrichten. Mitglieder: Laut Martini war der Eintritt in die Gesellschaft „unter angeführten Bedingungen, jedem Freund einer nützlichen Lektüre willigst verstattet“ (Martini, 1775, S. XXII). Namentliche Verzeichnisse sind nicht überliefert. Wie viele Mitglieder die Gesellschaft insgesamt hatte und ob auch Frauen die Bibliothek nutzen konnten, ist nicht bekannt. Querverweise auf andere Vereine: Enge Beziehungen bestanden zwischen der JourG und der ebenfalls von Martini 1773 gegründeten  Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. In Martinis Haus fanden die ersten Treffen der Naturforschenden Freunde statt; seine Bibliothek stand den GNF-Mitgliedern zur Verfügung. Nach seinem Tod gingen wahrscheinlich die Bücher zur Naturgeschichte an die GNF. Bibliographie: a) Quellen: Baldinger, Ernst Gottfried: Biographien jetzt lebender Ärzte und Naturforscher, 1. Bd., 3. St., Jena 1771,

S. 3–30 [von Friedrich Wilhelm Otto verfasste Biographie Martinis]. – Goeze, Johann August Ephraim: D. Friedrich Heinrich Wilhelm Martini’s Leben aufgesetzt von J. A. E. Goeze zum Besten der hinterlassenen Familie. Berlin 1779, S. 46–49. – Martini, Friedrich Heinrich Wilhelm: Plan zu einer gemeinnützigen Journalgesellschaft. In: Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnützige Wochenschrift 2 (1771), S.  367–373, 383–392. – Martini, Friedrich Heinrich Wilhelm: [Nachrichten]. In: Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnützige Wochenschrift 3 (1772), S. 237 u. 303 f. – Martini, Friedrich Heinrich Wilhelm: Verzeichnis der Martinischen Bibliothek, mit einem vollständigen Namen- und Sachregister, samt einem Entwurf zu einer gemeinnützigen Journalgesellschaft, Berlin 21775. – b) Literatur: Artelt, Walter: Die medizinischen Lesegesellschaften in Deutschland. In: Sudhoffs Archiv 37 (1953), S. 195–200. – Lübken, Wulf: Die Medicinischchirurgisch-pharmaceutische Privatgesellschaft in Stralsund 1773 bis 1940. In: Baltische Studien N.F. 77 [1991], S. 84–114. – Mann, Gunter: Die medizinischen Lesegesellschaften in Deutschland. Köln 1956 (Arbeiten aus dem Bibliothekar-Lehrinstitut des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 11).

Uta Motschmann

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2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

2.1 Medizinische und Pharmazeutische Vereine Berlin hatte um 1750 35 praktizierende Ärzte, 1786 waren es 40, 1800 stieg die Zahl auf 59 (Genschorek, 1985, S. 110). Ludwig Formey vermerkt in seiner medizinischen Topographie: „Berlin hat gewöhnlich zwischen 40 und 50 praktisirende Aerzte […]. Außer diesen haben alle Regimentschirurgi, deren Anzahl 8–10 ist, das Recht, zu praktisiren“ (Formey, 1796, S. 285). Ca. ⅔ der Ärzte war Mitglied in medizinischen Vereinen, die sich zu Sammelbecken für berufliche Weiterbildung und fachspezifischen Erfahrungsaustausch entwickelten. 1804 gab es in Berlin 24 Apotheken, in welchen außer den Betreibern noch ca. 53 Gehilfen tätig waren. Die Apothekenbesitzer, -pächter oder -verwalter wie auch die Apothekengehilfen und -lehrlinge waren zu fast 100 Prozent in einem pharmazeutischen Verein organisiert. Es bestand in Berlin ein dichtes Netz ärztlicher und pharmazeutischer Vereinigungen wie auch privater Zusammenkünfte von Ärzten, Apothekern und Naturforschern. Bereits 1723 vereinigten sich die Apothekenbesitzer zur  Berliner Apotheker-Conferenz. Der Vereinscharakter der Berliner Apotheker-Conferenz ist allerdings im Unterschied zu den anderen hier beschriebenen Assoziationen schwächer ausgeprägt, handelte es sich doch eher um eine Korpora­tion der Apotheker, einen freien Zusammenschluss einer Berufsgruppe, die über keinen anderen organisatorischen Rahmen verfügte. Wenngleich ihre Zusammenkünfte vorrangig wirtschaftlichen Interessen galten, wurde auch der wissenschaftliche Aspekt der Apothekerkunst nicht vernachlässigt sowie die Geselligkeit gepflegt. – 1764 fand sich eine Medizinische Lesegesellschaft zusammen und einige Jahre später trafen sich 23 Berliner Ärzte im  Medizinischen Club. 1796 wurde eine  Pharmaceutische Gesellschaft gegründet (die anfangs den Beinamen zur Harmonie führte). Es war eine Vereinigung der pharmazeutischen Angestellten, der „Gehilfen“ und Gesellen, die sich in ihrer Wissenschaft weiterbilden wollten. Im Januar 1799 gründeten sechs Ärzte ein Medizinisches Kränzchen, auch als  Sechs-Ärzte-Verein bezeichnet, das dem kollegialen Informa­ tionsaustausch dienen sollte und als Vorläufer der Medizinisch-chirurgischen Gesellschaft gesehen werden kann. 1810 entstanden zwei Ärzte-Vereine fast zeitgleich: Hufe­ lands bereits erwähnte Medizinisch-chirurgische Gesellschaft (die spätere  Hufelandische Gesellschaft), die ihren Zweck in der Vereinigung der bisher in der Praxis geschiedenen Medizin und Chirurgie sah und diese Programmatik auch in ihrem Namen verankerte, sowie die von Klaproth geleitete  Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, die Ärzte und Naturforscher, mithin die Medizin und alle Zweige des physikalischen Wissens vereinigen wollte. Die medizinischen Vereine sind vorrangig mit den Namen Christoph Wil24

2.1  Medizinische und Pharmazeutische Vereine

helm Hufeland, Ernst Ludwig Heim und Martin Heinrich Klaproth verbunden. Der Apotheker Klaproth war einer der führenden Chemiker und Mineralogen seiner Zeit, der 1810 eine Professur der Chemie an der neugegründeten Berliner Universität erhielt. Heim galt als einer der tüchtigsten und beliebtesten praktischen Ärzte in Berlin. Hufeland, der die königliche Familie ins Exil nach Ostpreußen begleitet hatte, kehrte mit dieser 1809 nach Berlin zurück und wurde bei der Universitätsgründung erster medizinischer Dekan, außerdem Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Staatsrat, Leiter des Collegium medico-chirurgicum und der Militärakademie, gleichzeitig auch Leiter der Abteilung Gesundheitswesen im Innenministerium. In den von Heim und Hufeland initiierten und maßgeblich geprägten Vereinen ging es neben Sozialhygiene und Gesundheitspolitik besonders auch um die Heranbildung des ärztlichen Nachwuchses und die ständige Fortbildung der älteren praktizierenden Ärzte unter Einbeziehung der Wund- und der Armenärzte. Hufeland war besonders darum bemüht, die eher handwerklich ausgebildeten Wundärzte in den wissenschaftlichen Fachaustausch mit einzubeziehen, wissenschaftliche und praktische Medizin zu verbinden. Ausgiebig diskutiert wurden u. a. Edward Jenners Pockenschutzimpfung, Samuel Hahnemanns Homöopathie, die Reiztheorie von John Brown sowie die Lehre Franz Anton Mesmers vom „tierischen Magnetismus“. Die Gründung der beiden Ärztevereine Anfang 1810 stand vermutlich in Beziehung zur 1809 erfolgten Auflösung des Collegium medico-chirurgicum (das 1811 von Johann Goercke als medizinisch-chirurgische Akademie für das Militär wieder reaktiviert wurde) wie auch mit der im Herbst 1810 gegründeten Universität. Am Collegium medico-chirurgicum lehrten sechs Professoren Naturwissenschaften, Chirurgie, Anatomie und Innere Medizin. Alle leitenden Ärzte der Charité waren zugleich Professoren am Collegium, „so daß in personeller Hinsicht die Einheit von Praxis und Lehre gewahrt wurde“ (Genschorek, 1985, S. 116). Nach Auflösung des Collegiums wirkten die beiden wissenschaftlichen Ärztevereine als Ersatz oder als Vorbereitung bzw. wissenschaftliche Begleitung für die genannten Institutionen. Außerdem richtete Hufeland im März 1810 ein Polyklinikum ein, das erste Institut dieser Art in Berlin für arme Kranke. Neben den großen, mitgliederstarken Vereinen gab es auch später immer wieder Vereinigungen im kleineren Kreis, so ab 1818 einen 12-Ärzte-Verein (dem u. a. Ernst Ludwig Heim, Friedrich Wilhelm Ferdinand Schultz, Johann Friedrich Alexander Mertz­dorff, Johann Christian Weitsch, Johann Nepomuk Rust, Johann Karl Horlacher, Eberhard v. Koenen, Georg Gustav Philipp Hauck angehörten), welcher sich nach den berühmten Ärzten Gerard van Swieten und Maximilian Stoll auch van SwietenStolliana und nach Heims Tod Heimia nannte, oder eine ab 1818 tätige Medizinische Monatsgesellschaft. In Berlin existierten demzufolge im Untersuchungszeitraum drei bis vier wissenschaftliche und gesellige Ärztevereine sowie zwei pharmazeutische Vereine parallel nebeneinander, wobei es zahlreiche Mehrfachmitgliedschaften gab. Hinzuzurechnen ist noch ein weiterer Verein, über den jedoch bisher wenig bekannt ist: der 25

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

von dem Arzt Karl Christian Wolfart (1778–1832) zur Verbreitung des „tierischen Magnetismus“ begründete Mesmerische Verein. Wolfart war seit 1807 in Berlin als Arzt tätig und wurde 1810 Privatdozent an der Universität, wo er die Lehre vom „tierischen Magnetismus“ wissenschaftlich und praktisch mit der gesamten Heilkunde zu verbinden suchte. 1812 wurde er von der preußischen Regierung zu Mesmer nach Frauenfeld in der Schweiz gesandt, um sich unter dessen Leitung mit dem „tierischen Magnetismus“ eingehend bekannt zu machen. Als Ergebnis seiner Studien erschienen die Bücher Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen, Theorie und Anwendung des thierischen Magnetismus (Berlin 1814) und Erläuterungen zum Mesmerismus (Berlin 1815). Wolfart gewann in Berlin einen großen Anhängerkreis für Mesmers Lehre. In der Behrenstraße errichtete er eine magnetische Heilanstalt, in der täglich über fünfzig Kranke durch die „englischen Doktoren“, wie man in Berlin die Magnetisten nannte, behandelt wurden (Siegerist, S. 22). Zu Wolfarts Kreis gehörte u. a. der Danziger Arzt Johann Schweitzer (1777–1824), der sich nach 1815 in Berlin niederließ und magnetische Kuren durchführte. Nach den Befreiungskriegen kam es zu erheblichen Differenzen unter den Mesmeristen. Vertiefte sich bei den einen die Gläubigkeit mit einem Hang zum Mystischen, schieden die Anhänger einer rationalistischen Anschauungsweise aus dem Verein aus, da sie im Magnetismus nur eine Aufgabe für die Naturforschung sahen. „So blieb Wolfart bald nur noch mit wenigen Getreuen übrig, an deren Spitze er bis an sein Lebensende am 18. Mai 1832 seine Sache verfocht; mit seinem Tode war sie aber auch verloren“ (Siegerist, S. 23). Darüber hinaus erwähnt Heim in seinen Tagebüchern noch eine „Schulzische medicinische Gesellschaft“ (18. August 1810), in der er gespeist habe und recht vergnügt gewesen sei, worunter vermutlich ein freundschaftliches Kränzchen mit einem medizinischen Gästestamm zu verstehen ist. Unterm 1. November 1810 notiert er erneut: „Mittags beim Hofr. D. Schulz gespeißt, und bis Abends um 8. Uhr da geblieben. Mursinna, Reil, Meyer, Merzdorff, Weitsch, Hauck, Horn, v. Koenen waren hier“ (SBB PK, Ms. Boruss. Quart 482). Ein beliebter Treffpunkt der Vereinsmitglieder und anderer Gäste waren die Feiern anlässlich von Doktor- und Dienstjubiläen, die in großem Rahmen begangen wurden. Ernst Ludwig Heim erwähnt u. a. ein „Pikknik“ von 70 Ärzten (Januar 1810); eine große Mittags-Gesellschaft von Ärzten beim Geh. Rat Formey (26. Sept. 1810) und Feste im Englischen Haus zu Ehren des Schutzblattern-Entdeckers Edward Jenner („Vaccinationsfest“), an denen mehr als 100 Ärzte teilnahmen (14. Mai 1811, 14. Mai 1817, 14. Mai 1818). Zu Goerckes 50-jährigem Dienstjubiläum fand eine Feier statt, die Heim am 16. Oktober 1817 wie folgt beschreibt: „Mittags auf der Börsenhalle von sämtlichen Reg. Chir. der Preußischen Armee, in Gesellschaft von 280 Personen, die die Dienstführung von 50 Jahren des General Chir. Goercke feyerten, bewirthet worden. Alle hiesigen Minister und Generale, und wohl an 30 Aerzte waren hier. Alles ging feyerlich und anständig zu. Noch nie ist wohl ein Arzt so als Goercke öfentlich 26

2.1  Medizinische und Pharmazeutische Vereine

geehrt worden, und es auch mit so vielem Recht, als er es verdiente.“ Unterm 2. August 1819 vermerkt Heim: „Mittags beim General-Chirurgus Goerike in Gesellschaft von 40 Personen, fast lauter Aerzte und Chirurgen gespeißt. Nächst dieser Gesellschaft hatten auch noch 120 Eleven der Pepiniere hier gespeißt. Es wurde nemlich heute der 25. Stiftungstag der Pepiniere gefeyert.“ Besonders bei diesen Festen, aber auch bei den zahlreichen Zusammenkünften im privaten Rahmen (so fanden regelmäßig ÄrzteMittagessen statt, zu denen reihum die Kollegen eingeladen wurden), waren die Berliner Ärzte nicht nur allein unter ihresgleichen; immer waren auch Ärzte und Apotheker aus anderen Städten und Regionen oder aus dem Ausland zugegen, außerdem gab es einen breiten Gedankenaustausch mit anwesenden Gästen anderer Profession. Ärzte und Apotheker bildeten sich nicht nur in ihren eigenen berufsspezifischen Vereinen weiter, sondern waren ebenso in großer Zahl Mitglieder in anderen Gesellschaften wie der seit 1773 bestehenden  Gesellschaft Naturforschender Freunde, der  Gesellschaft von Freunden der Humanität oder der  Philomatischen Gesellschaft. Literatur: [Einzeldarstellungen s. bei den jeweiligen Vereinen.] Formey, Ludwig: Versuch einer medicinischen Topographie von Berlin. Berlin 1796. – Genschorek, Wolfgang: Christoph Wilhelm Hufeland. Der Arzt, der das Leben verlängern half. Leipzig 1977. – Genschorek, Wolfgang: Ernst Ludwig Heim. Das Leben eines Volksarztes. Leipzig 31985. – Heim, Ernst Ludwig: Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1795 bis 1834 (SBB PK, Handschriftenabteilung, Ms. Boruss. quart 444 tt). – Kessler, Georg Wilhelm: Der alte Heim. Leben und Wirken Ernst Ludwig Heim’s. Aus hinterlassenen Briefen und Tagebüchern herausgegeben. Zweite, mit Zusätzen verm. Aufl. Leipzig 1846. – Körner, Wolfram (Hg.): Ernst Ludwig Heim, Tagebücher und Erinnerungen. Leipzig 1989. – Mann, Gunter: Die medizinischen Lesegesellschaften in Deutschland. Köln 1956 (Arbeiten aus dem BibliothekarLehrinstitut des Landes Nordrhein-Westfalen,

Heft 11). – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend. Berlin 1793, 1799, 1816. – Stürzbecher, Manfred: Beiträge zur Berliner Medizingeschichte. Quellen und Studien zur Geschichte des Gesundheitswsesens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Berlin 1966 (= Veröffentlichungen der Histor. Komm. zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, Bd. 18). – Prenzel, Klaus: Die Berliner wissenschaftlichen und geselligen Ärztevereine im 19. Jahrhundert. Diss. Berlin 1969. – Siefert, Helmut: Das naturwissenschaftliche und medizinische Vereinswesen im deutschen Sprachgebiet (1750–1850): Idee und Gestalt. Marburg 1967. – Siegerist, Georg (Hg.): Aus den Tagebüchern des alten Heim. Tagebuch-Aufzeichnungen Ernst Ludwig Heims aus den Jahren 1795 bis 1834, mitgeteilt und erläutert. [Berlin 1901].

Uta Motschmann

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2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Berliner Apotheker-Conferenz [BAC] Name: Berliner Apotheker-Conferenz; Berliner Apotheker-Verein; Apotheker-Verband Berlin. Gründung: Ein Gründungsdatum ist nicht bekannt. Am 26. November 1723 wandten sich die „privilegierten Apotheker der Königl. Residentzien“ in einer gemeinsamen Eingabe an König Friedrich Wilhelm I., um einen „Canon“ des Magistrats in Höhe von fünf Talern jährlich abzuwenden. Sie hatten Erfolg, und dieses Ergebnis gemeinsamen Handelns wird heute als Geburtsstunde der BAC angesehen. Bestand: Bis heute. – Die BAC wurde fortgesetzt als Corporation der Apotheker Berlins (1851–1856), Verein der Apotheker Berlins (1856–1902), Verein der Apotheker Berlins und der Umgebung (1902–1908) und Verein der Apotheker Berlins (1909–1923). Ohne die Organisationen der Angestellten in Apotheken bestanden in Berlin sieben Apotheker-Vereine, die 1923 zusammengelegt wurden: Berliner Apotheker-Verein (Gau Berlin des Deutschen Apotheker-Vereins) und Wirtschaftsverband der Vorort-Apotheker Berlins und Umgebung (Ringgau Berlin des Deutschen Apotheker-Vereins) (1924–1933). 1933 löste sich der Berliner Apotheker-Verein durch Beschluss der Mitgliederversammlung auf. Nach Ende des II. Weltkriegs beendete der Alliierte Kontrollrat die Arbeit der nationalsozialistischen Apothekerorganisationen, und der Berliner Apotheker-Verein (BAV) erhielt am 10. September 1949 die Lizenz des Magistrats von Groß-Berlin. Nach Mauerfall und Aufnahme der Apothekenleiterinnen und -leiter im Osten Berlins firmiert der Verein ab 1992 als Berliner Apotheker-Verein, Apotheker-Verband Berlin (BAV) e. V. Sitz: Ein Versammlungsort ist nur für die Zeit von 1774 bis 1784 belegt. Für die alle vier Wochen stattfindenden Zusammenkünfte wurde ein „Mieths Contract“ mit dem Gärtner Liebich [auch: Liebig] abgeschlossen. Der Tagungsort konnte nicht er28

mittelt werden. Die Zahl der privilegierten Apotheker in Berlin stieg von 13 im Jahre 1704 auf 24 im Jahre 1797. Sich reihum in den Häusern zu treffen, wie es die sechs Erfurter oder fünf Magdeburger Kollegen konnten, war in Berlin nicht möglich. Programm: Die Berliner Apotheker werden es ähnlich gehalten haben wie die Mitglieder der Magdeburger Apotheker-Konferenz von 1798, wo „alles glatt von Statten“ gegangen ist „ohne Statuten und geschriebene Gesetze, Kraft der alten Traditionen und des alten Geistes, der die Konferenz beherrschte“ (Hartmann, S. 41). Statuten sind erst von der Berliner Nachfolgevereinigung von 1851 bekannt. Dort heißt es u. a.: „§ 1. Die Besitzer und Verwalter der Apotheken Berlins bilden einen Verein unter dem Namen: ‚Corporation der Apotheker Berlins‘. § 2. Jeder Vorsteher einer Berliner Apotheke, sei er Besitzer oder Verwalter, ist verpflichtet, dem Verein beizutreten […]. § 3. Der Zweck des Vereins ist sowohl die Wahrnehmung der materiellen Interessen seiner Mitglieder, als auch die Förderung der wissenschaftlichen Seite der Apothekerkunst“ (Adlung, 1932, S. 32 f.). Geschichte und Programmatik: Die BAC entstand als Vereinigung der privilegierten Apothekenbesitzer in Berlin im frühen 18. Jahrhundert und ist eine der ältesten Korporationen der Stadt. Einen Zusammenschluss der Apotheker gab es seit 1723, mindestens ab 1774 fanden regelmäßige Zusammenkünfte statt. In dieser „Berufsgenossenschaft“ ging es hauptsächlich um wirtschaftliche Interessen der Apothekenbesitzer. Im Gegensatz zu anderen Gewerben bildeten die Apotheker keine Zunft oder Gilde. Wegen ihrer geringen Zahl und den Besonderheiten des Gewerbes zählten sie weder zu den Materialisten (Grossisten, die auch mit Apothekerwaren handelten) noch zu den Kaufleuten. Im 18. Jahrhundert gab es für

2.1  Berliner Apotheker-Conferenz [BAC]

Zusammenkünfte, zunächst wohl unregelmäßig und nach Bedarf, genügend Anlässe für gemeinsame Informationen, Beratungen und Beschlüsse: die Ansprüche aus den Privilegien waren zu verteidigen, Eingaben gegen neue Apotheken zu formulieren, Beschwerden gegen Steuern und Abgaben einzulegen, Rezepturen, Preise und Rabatte abzustimmen, wissenschaftliche Fragen zu klären, die Konkurrenz der Materialisten abzuwehren, gemeinsame Einkäufe zu organisieren, in Not geratene Kollegen zu unterstützen, Jubiläen zu feiern, besondere Gruppen der Bevölkerung, z. B. das Militär und die Berliner Armen, mit Arzneien zu versorgen und dem König durch einen Hausbau gefällig zu sein. Der sich verstärkende Einfluss der Behörden auf das Apothekenwesen, z. B. mit dem Königlich Preußischen Medicinal-Edict vom 27. September 1725, machte auch eine engere und regelmäßigere Zusammenarbeit der Apotheker in Form der Konferenzen nötig, ebenso die Entwicklung der Pharmazie, an der einige erfahrene und wissenschaftlich tätige Berliner Apotheker großen Anteil hatten. Von der BAC liegen erst ab 1790 Sitzungsberichte vor, die näheren Einblick in die Vereinsgeschäfte geben. Die Hauptquelle für das Wirken der BAC ist das

Protokollbuch der Berliner Apotheker-Conferenzen 1790–1819. Das 1898 in den Besitz des Berliner Apotheker-Vereins gelangte handgeschriebene Buch wurde erstmals von Manfred Stürzbecher übertragen und zum Deutschen Apothekertag 1967 veröffentlicht. Es gilt heute als verschollen. – Aufbau des Protokollbuchs: In dem 35 cm hohen und 21 cm breiten Folioband, eingebunden zwischen zwei mit Leinen bespannten Holzplatten, waren nur 100 Seiten beschrieben, das Register am Ende wurde nicht ausgefüllt. a) Eintragungen vor den Protokollen: Vorangestellt befinden sich unter dem Buchstaben A auf acht Seiten Auszüge aus verschiedenen Privilegien fast aller Berliner Apotheken, nach dem Alter aufgeführt und zurückgehend bis auf das Jahr 1488. Auch Privilegien von drei Apotheken in Küst-

rin, Brandenburg und Neuruppin sind hier verzeichnet, da 1779 zu klären war, ob Apotheker in Preußen die Erlaubnis hatten, auch den Material- und Gewürzhandel zu betreiben, und welche Waren das einschloss (es ging um den Verkauf von Kaffee und Tabak). Besitzerwechsel in Berlin wurden von anderer Hand zwischen 1807 und 1814 nachgetragen. Auf weiteren sechs Seiten hat der Schriftführer unter dem Buchstaben B eingegangene Briefe, Schriften, wichtige Dokumente, Verordnungen usw. verzeichnet, die ihm von Bell und Klaproth übergeben wurden: Da „dieses Buch dazu bestimmt ist, alles, was in unseren Conferenzen verhandelt worden, darinn aufzuführen, [habe ich] einen Auszug von unsren sämtlichen Acten hier bey zu fügen nicht ermangeln wollen“. Diese Unterlagen sind nicht mehr vorhanden, aber den Aufzählungen sind Daten, Angaben und Hinweise als Bausteine für die Entwicklung der Apotheken und der Apothekervereinigung in Berlin im 18. Jahrhundert zu entnehmen, wie z. B. Streitigkeiten zwischen Apothekern, Chirurgen und Badern aus den Jahren 1741–1744; „Acten in Sachen der hiesigen Apotheker wider den Magistrat, den jährlichen Canon von 5 Talern betreffend, so dem Magistrat abgesprochen worden, von 1723 und 1724“; das Edikt des Kurfürsten Joachim II. von 1557 zum Schutze der Apotheker gegen Materialisten, Zuckerbäcker und Gewürzkrämer, „wobei dem hiesigen Magistrat auf das Schärfste anbefohlen wird, die dazu privilegierte[n] Apotheker bey ihren Freyheiten und Gerechtsamen zu schützen“. Drei Abschnitte betreffen die beabsichtigte Reduzierung der Apothekenzahl in Berlin, die Situation der Magistratsprivilegien und den Konkurs der ältesten Apotheke Berlins, der „Tonnenbinderschen Apotheke“. Das Königlich Preußische Medicinal-Edict vom 27. September 1725 bestimmte zwar, dass „die bisher zugenommenen und überflüssig angewachsenen Apotheken hiesiger Residenzien bis auf 9 Teutsche und 3 Französische reducieret“ werden, aber diese Vorgabe blieb auf dem Papier stehen. 29

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Fast alle Apotheker verstanden es, zu gegebener Zeit das drohende Unheil der Kassation abzuwenden. Im Gegenteil, zwischen 1725 und 1819, dem Ende der Protokollbucheintragungen, wurden noch sieben Privilegien für Apotheken-Neuanlagen in Berlin erteilt, vier französische Apotheker mit Privilegien für ihre bestehenden Apotheken ausgestattet, und eine achte Apotheke auf der Grundlage eines Gewerbescheins eröffnet. – Wegen der Auslegung des Artikels 29 des „Materialisten-Privilegiums“ vom 10. Februar 1692 und Abgrenzung der Sortimente war es immer wieder zum Streit zwischen Apothekern und Materialisten gekommen, so dass im § 10 des Medicinal-Edicts den Letzteren vorgegeben wurde, womit sie handeln durften und welche Waren nicht zugelassen waren.Von den Materialisten wurde erwartet, dass sie sich der vorgeschriebenen Eidesformel gemäß betragen und danach handeln. Sie leisteten aber weder den Eid noch kannten sie das Medicinal-Edict. – Auch die privilegierten Apotheker beteiligten sich am Ausbau der Friedrichstadt und ließen in den Jahren 1732 und 1733 ein zweistöckiges Haus von „70 Fuß Fronte“ in der Friedrichstraße für 2.897 Taler bauen; sie beabsichtigten, dort eine gemeinsame Apotheke einzurichten. In einer Eingabe vom 11. Februar 1743, in der sie sich gegen ein neues Privileg für die Friedrichstadt aussprachen, erklärten sie, dass sie „vor Jahren aus eigenen Mitteln mit schweren Kosten ein Neuhaus von Grund aus auf der Friedrichstadt allhier erbauet und darauf ein allergnädigstes Privilegium zu Anlegung einer Apothecke alleruntertänigst zu erbitten, Bedenken getragen, weilen hiesige Residentzien mit Apothecken bereits überflüssig überhäufet sind“ (Adlung, 1932, S. 12 f.). Die französischen Apotheker waren am Hausbau nicht beteiligt. Die Lage des „Apothekerhauses“ konnte bisher nicht ermittelt werden. – Unter dem Buchstaben C werden auf drei Seiten 38 Schriftstücke und Vorgänge aus der Zeit von 1742 bis 1788 aufgeführt, die von den Apothekern zur Kenntnis genommen, über die bera30

ten oder Beschlüsse gefasst wurden. Einige Vorgänge sind unverständlich verkürzt, andere dagegen vermitteln Einblicke in die Problemlage der Apotheken in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Enthalten ist u. a. der Mietvertrag mit Gärtner Liebich für einen Versammlungsraum, in dem die Apotheker alle vier Wochen ihre Besprechungen abhalten konnten „über Sachen die zum Metie[r] gehören“. Johann Friedrich Bell als Schatzmeister hat von 1774 bis 1784 die monatlich und jährlich eingenommenen Beträge in Höhe von insgesamt 445 Talern verzeichnet und für Miete u. a. 449 Taler ausgegeben. Ausstellungsdatum und Inhalte des Mietvertrages, wie Dauer und Ort, bleiben unbekannt. Da die Zeitangaben der Amtszeit von Bell entsprechen, bleibt auch offen, wo früher oder später getagt wurde. – Christian Gottlieb Weinlich (im Privileg auch die Namensformen Weinlig und Weinling), zuvor „Leibapotheker Ihro Königlichen Hoheit der Frau Churprinzessin Marie Antonie“ und Mitbesitzer der „Löwen-Apotheke“ in Dresden, erhielt von König Friedrich II. am 2. August 1775 ein Privileg zur Anlegung einer neuen Apotheke. Durch Spezialbefehl des Königs an Bell und sämtliche Apotheker wurden diese aufgefordert, einen geeigneten Standort zu suchen. Weinlich kam dem zuvor. In einem Brief vom 4. September 1776 an den König klagen alle Apotheker, dass Weinlich, am Döhnhoffschen Platz zur Miete wohnend, angefangen habe, ein „Corpus pharmaceuticum“ anzulegen, die „Elefanten-Apotheke“. Die Fortsetzung dieser Angelegenheit befindet sich im Teil A: „Ein aus Dresden schuldenhalber entlaufener Apotheker Namens Weinlich“, der dem König als Arcanist für die Porzellanfabrik empfohlen worden war, als großer Gelehrter galt und 12.000 Taler ins Land bringen wollte, erhielt von König Friedrich II. ein Apothekenprivileg mit allen Gerechtsamen und Freiheiten der übrigen hiesigen Apotheker, jedoch: Er „fing seine gewohnte liederliche LebensArt hier wieder an, und ging, ob er gleich gute Geschäfte machte, dennoch zu

2.1  Berliner Apotheker-Conferenz [BAC]

Grunde“. – In einem weiteren Abschnitt unter C sind zehn Verordnungen des Königlichen Ober-Collegium medicum, der obersten preußischen Medizinalbehörde, aufgeführt. Sie betrafen u. a. die „Accuratesse“ bei der Anfertigung der Rezepte, die Anschaffung eines Herbarium vivum, die Aufbewahrung und Abgabe von Giften, die Verzinnung der Gefäße, die Abgabe von Giften durch Materialisten, die Einfuhr von aus weißem Tannenholz gefertigten Kisten, Schachteln und Fässern. Auch eine Verordnung der Königlichen Churmärkischen Kriegs- und Domänenkammer ist verzeichnet, mit der Apothekergehilfen oder -lehrlingen untersagt wurde, bei Materialisten in Dienst zu gehen. – In einem „Heft Acten“ finden sich u. a. „Papiere in Sachen des Herrn Supe 1769 und 70“. Provisor Johann Gottlieb Supe führte für die Witwe Giesecke die „Pelikan-Apotheke“ und bat am 6. März 1769 die Königliche Churmärkische Kriegs- und Domänenkammer um die Erlaubnis, eine „Medicin-Apotheke“ in der Kommandantenstraße anlegen zu dürfen; er wies 1.050 Taler Vermögen nach und war bereit, 50 Taler zur „Chargenkasse“ zu zahlen. Die um Stellungnahme Abb. 3  Das Königlich Preussische Medicinalgebetenen „sämtlichen privilegierten Apothe- Edict vom 27. September 1725 und die revidirte ker hiesiger Residenzien“ lehnten eine neue Apotheker-Ordnung vom 11. Oktober 1801. Apotheke am 28. Juni 1769 ab, führten die ho- Berlin 1801. hen Kosten des Warenlagers an, verwiesen auf die beschlossenen Reduzierungen im Medici- niglichen Ober-Collegium medicum aufgenal-Edict und gaben dem Königlichen Ober- fordert, Supe abzuweisen. – Unter dem BuchCollegium medicum den Hinweis, dass „die staben D wird ein 15-seitiges Verzeichnis der Vielheit der Offizinen dem publico mehr zum Medikamente genannt, die von sämtlichen Schaden als Vorteil gereiche“. Alle Apotheker- Berliner Apothekern im Jahre 1790 zur Köwitwen und Apotheker – die französischen niglichen Feld-Apotheke im Werte von 6.614 hatten inzwischen Privilegien erhalten – un- Talern geliefert wurden. Obwohl Preußen in terschrieben diesen Brief: Georg Friedrich der Vergangenheit mehrfach Kriege geführt Aschenborn, Rebelt für die Schraderschen Er- hatte, findet sich hier erstmals eine Angabe zur ben, Fabricius, Werneberg, Ludwig Aschen- gemeinsamen Armeebelieferung. Auszahlung born, Wwe. Giesecke, Jampert sen., Willde- und Verteilung wurde vermutlich über die now, Köhler, Bärensprung, Rose, Lohse, BAC vorgenommen. – b) Der Protokollteil: Flemming, Kobes, Vincent, Teuchert, Wend- Das eigentliche Protokollbuch beginnt mit der land, Bell und die französischen Apotheker „Conferenz im August 1790“ und enthält AusCarita, Wwe. Drague und Matthieu. Am 30. führungen zu folgenden Themen: Taxierung: Oktober 1769 wurde der Magistrat vom Kö- Bei Strafe verpflichtete das Königlich Preußische 31

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Medicinal-Edict vom 27. September 1725 die Apotheker, „die auf den Recepten verordneten Medicamente jedesmal […] weder über noch unter Unsere Apotheker-Taxe an die Patienten [zu] verkaufen“. Taxen waren 1704, 1714, 1715 und dann nochmals 1749 erschienen. Es dauerte aber ein halbes Jahrhundert, bis 1800 eine Nachfolgerin vorgelegt wurde. In der Zwischenzeit mussten sich die Apotheker in fast jeder Konferenz über Preiserhöhungen und Taxieren verständigen. Der Schriftführer notierte zwischen 1790 und 1800 mehr als 120 Preiserhöhungen, die Zahl der Reduzierungen lag unter zehn. Die Änderungen der Preise wurden dem Ober-Collegium medicum vorgeschlagen und von diesem dann genehmigt. Die Apotheker legten großen Wert auf einheitliche Berechnungen und Zubereitungen. Die Zirkulare, mit denen die Vorschriften bekanntgegeben wurden, mussten „die hiesigen Herren Apotheker durch ihre Unterschrift bestätigen“. Das Ober-Collegium medicum genehmigte im Dezember 1794 „die von sämtlichen Apothekern entworfene [vorläufige] Medicamenten Taxe“. Die von den Apothekern eingelegte Beschwerde gegen eine neue, 1800 erlassene Medikamenten-Taxe wurde vom Ober-Collegium medicum als gerechtfertigt angenommen und die Arzneimittelpreise entsprechend geändert. Im Dezember 1801 wurde den Apothekern vom Ober-Collegium medicum et Sanitatis, dem „nie unbekandt geblieben ist was unsere Conferenzen bezwecken“, per „Befehl“ aufgetragen, neben dem jährlich „zu erstellenden Bericht über gestiegene oder gefallene Preise“ auch zu den verabredeten Zubereitungen und Taxierungen neuer Medikamente die Zustimmung einzuholen. Mit der überarbeiteten Taxe für 1802/1803 erhielten die Apotheker auch ein „Verzeichnis sämtlicher Medicamente, die in denen Officinen großer Städte vorräthig gehalten werden sollen“. Die Konferenz am 16. Februar 1817 beschloss, eine Revision der Taxe vorzunehmen, weil „nicht allein die Nahrungsmittel, sondern auch ins besondere 32

[…] Arbeitslohn und Feuerung viel theurer geworden“. Zwei Apotheker erstellten den Entwurf einer kompletten Taxe für den Handverkauf, „damit wir alle nach gleichen Preisen verkaufen möchten“; er konnte im September in gebundener Form an jeden Konferenzteilnehmer ausgegeben werden. – Geldentwertung: In den acht Konferenzen des Jahres 1808 ging es hauptsächlich um angemessene Anpassungen der Medizinaltaxe an die Preissteigerungen (auch als Folge der von Napoleon verhängten Kontinentalsperre), um Aufbringung der Kontribution und um eine notwendige Reaktion auf die spürbare Geldentwertung. Die Einkaufsrechnungen der Apo­­the­ker waren in Courant (vollwertige Silbermünzen) ausgestellt, ebenso die Taxpreise; das Publikum zahlte aber überwiegend mit Scheide­münzen (unterwertige Groschen und Pfennige), so dass das Missverhältnis durch einen Aufschlag, der in den Konferenzen gemeinsam festgelegt wurde, auszugleichen war. Die Courant-Taler flossen hauptsächlich in französische Kassen und wurden so dem Umlauf entzogen. Die finanziellen Opfer und materiellen Belastungen schwächten die wirtschaftliche Situation Berlins und trafen vor allem die mittleren und unteren Schichten. Im Februar 1809 forderten die Apotheker das Ober-Collegium medicum auf, in den Zeitungen mitzuteilen, dass die Taxe die Preise in Courant ausweise, der niedrige Stand der Scheidemünzen aber die Berechnung nach Tageskurs erforderlich mache. Mit Edikt vom 14. Dezember 1811 wurde bekanntgegeben, dass 175 Talern Münze 100 Taler Courant entsprechen, alle Rezepte in Courant zu taxieren, die Preise in Courant auf das Rezept zu schrei­ben und die Rechnungen in Courant auszustellen seien. – Aufbringen der Kontribution: Während der französischen Besetzung lieferte die Stadt Berlin bis Juli 1807 Kontribution als Beitrag zu den Kriegskosten in Höhe von 2,7 Millionen Talern. Im April 1807 teilte der Älteste der Kaufmannschaft der BAC mit, dass 3.575 Taler von den Apothekern aufzubringen seien, und gab die Beträge

2.1  Berliner Apotheker-Conferenz [BAC]

für den einzelnen Apotheker schon vor, zahl- vom 27. September 1725 angestrebte Redubar zu drei Terminen mit 14 Tagen Abstand. zierung auf neun deutsche und drei französiIn mehreren Konferenzen versuchten die sche Apotheken in Berlin bedrohte zwar jeden Apotheker, das Verfahren zu beeinflussen und Apothekenbesitzer, gab aber auch ein Argudie Höhe der Kontribution zu senken. Bär- ment an die Hand, neue Anlagen abwenden wald und Rose folgten einer Einladung des zu können. Trotzdem wurden vier Privilegien „Comité administratif“, hatten eine harte Aus- für neue Apotheken in der Friedrichstadt ereinandersetzung mit den Kaufleuten und teilt. Es hat später an Versuchen nicht gefehlt, konnten nur erreichen, dass die Apotheker weitere zu eröffnen. Die Vorhaben der Aposelbst entscheiden durften, wie die ursprüng- theker Schwager 1748, Schwarz 1755, Kistenlich festgesetzte Summe aufzubringen sei. Je- macher 1757, Supe 1769, Ermisch 1783, Allder Apotheker hatte nun „auf Ehr und Gewi- ouchery und Matthes [d. i. Matthieu] 1794 ßen seine jährlichen Einnahmen an[zu]geben“, wurden allerdings abgelehnt. Die Apotheken, um so den auf jeden Einzelnen entfallenden die der französischen Kolonie zustanden, beAnteil berechnen zu können. Der Umsatz aller ruhten auf Konzessionen; erst nach dem Tod Apotheken im Jahr 1806 belief sich auf 171.000 des Apothekers Drague erhielten die Witwe Taler, die Beträge für den einzelnen Apotheker wie auch Carita in der Brüderstraße 1769 Prilagen zwischen 62 und 312 Talern. Bärwald vilegien für die bestehenden Apotheken. Trotz machte den Einwand, dass es Unterschiede Beschwerden an den König, das General-Digebe zwischen vermögenden Apothekern und rectorium, das Ober-Collegium medicum solchen, die noch nicht lange etabliert waren, und an den Magistrat verfügten die privileso dass er freiwillig den auf ihn entfallenden gierten Apotheker über kein wirksames Mittel, Anteil von 166 auf 300 Taler erhöhte. Sechs neue Apothekengründungen abzuwehren. – Kollegen folgten seinem Beispiel, und am Aufhebung der Privilegien: Nach dem Krieg Ende stand eine gerechtere Belastung. – Kon- Frankreichs gegen Preußen löste man das tribution für die Gehilfen: Die Apothekerge- Ober-Collegium medicum et Sanitatis auf und hilfen wurden ebenfalls zur Kontribution her- schuf als oberste Gesundheitsbehörde die angezogen. Bei einem jährlichen Einkommen „Section der MedicinalSachen“, geleitet vom von 300 Talern und mehr hatten sie zwei Taler, Geh. Oberstaatsrat Wilhelm v. Humboldt und bei 100 bis 299 Talern einen Taler und unter den Räten Christoph Wilhelm Hufeland und 100 Talern zwölf Groschen zu zahlen. Im De- Georg Adolph Welper. 1811 wurde der Aufzember 1807 verlangten die Ältesten der Kauf- gabenbereich des Stadtphysikus aufgeteilt und mannschaft binnen drei Tagen einen Nachweis zwei Ärzten übertragen: Dr. Meyer für das über die Beschäftigten in den Apotheken. In Kriminalwesen und Obermedizinalrat v. Koeder folgenden Konferenz beschlossen die Apo- nen für das Polizeiwesen mit Zuständigkeit für theker, dem „Comité administratif“ mitzutei- die Aufsicht der Apotheken. Die Ablösung der len, dass sie nicht in die Kategorie der Kauf- bisherigen „Real Gewerks Berechtigungen“, leute gehörten, die Ältesten der Kaufmann- darunter auch die Apothekenprivilegien, wurschaft keinerlei Kontrolle über die Apotheken de mit der Verordnung vom 7. September oder die Gehilfen hätten, und die Apotheker 1811 festgelegt. Erneut protestierte die BAC den Anforderungen auch ohne die Kaufmann- und hatte Erfolg. Am 26. Januar 1813 teilte der schaft genügen würden. Jeder Prinzipal ver- Geh. Staatsrat Friedrich v. Schuckmann den pflichtete sich, die auf seine Gehilfen entfal- vereinten Apothekern mit, „daß das Allgemeilenden monatlichen Beiträge unaufgefordert ne Policey Departement nach genommener einzusenden, was die meisten auch taten. – Rücksprache mit dem Königlichen GewerbeKonkurrenzabwehr: Die im Medicinal-Edict Policey-Departement beschloßen hat, diese 33

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Angelegenheit bei den gegenwärtigen Zeit­ gust 1814 sammelten die Apotheker 125 Taler umständen vor der Hand und bis auf weiteres in Gold und 165 Taler Courant. Im Mai 1815 gantz auf sich beruhen zu laßen“. Die Verwal- meldete sich der Generalstabschirurg wegen tung hatte die Preise der Apothekenverkäufe der Belieferung von fünf Feldlazaretten bei der zwischen 1791 und 1808 und die hypotheka- BAC. Nach Plan sollten immer fünf Apotherische Verschuldung der Apotheken ermittelt. ker ein Feldlazarett ausstatten und einer davon Die Ablösung der Privilegien wurde zwei Mo- das Hauptgeschäft übernehmen. Jeder der fünf nate vor Beginn der Befreiungskriege (1813– tätigte aber die Anfertigung der Arzneien al1815) aufgegeben und die Aufhebung abge- lein zu den Preisen der Medizinaltaxe abzügwendet, sie sollte aber die Apothekerschaft lich eines Rabattes von 50 Prozent. Die nicht noch Jahrzehnte beschäftigen. – Die erste mehr beteiligten Apotheker erhielten daraufApothekenkonzession in Berlin: Mit dem hin eine Entschädigung von insgesamt 255 TaGewerbesteuer-Edikt vom 2. November 1810 lern. – Armenwesen: 1801 lebten in Berlin wollten die Reformer um Karl August v. Har- 3.044 Arme in Armenhäusern, Waisenhäusern denberg das Wirtschaftsleben liberalisieren, die und Hospitälern, und 9.974 Personen waren allgemeine Gewerbefreiheit einführen und als Stadtarme registriert. 1802 beauftragte Köden Zunftzwang aufheben. Die Finanznot des nig Friedrich Wilhelm III. seinen Leibarzt, Staates sollte durch eine Gewerbesteuer über- den Direktor des Ober-Collegium medicum, wunden werden: Jeder konnte ein Gewerbe Christoph Wilhelm Hufe­land, das Armenwebetreiben, wenn er die Steuer im voraus be- sen neu zu organisieren und die Arzneien für zahlt hatte, eine polizeiliche Bescheinigung die Armen durch die Apotheken der Stadt anüber einen rechtschaffenen Lebenswandel so- fertigen zu lassen. Im Mai 1803 hatte die Konwie eine im öffentlichen Interesse liegende ferenz Hufelands Frage zu beantworten, ob die Qualifikation, z. B. die Approbation als Apo- Apotheker bereit wären, die Armen in der theker, vorzuweisen hatte. Trotz der Proteste Nachbarschaft zu versorgen und „bey der der BAC gelang es den beiden Apothekern Bezalung sich 1/3 Rabat wollten gefallen laHummel und Jänicke, auf diesem Wege 1811 ßen“. Dazu notierte der Schriftführer: „Einige eine Apotheke zu eröffnen. Resigniert notier- unter uns [hätten] diese Lieferung gerne allein te der Schriftführer im Protokollbuch: „und an sich gerißen“. Die Geldentwertung nach sie waren gemachte Berliner Apotheker“, die dem verlorenen Krieg gegen Napoleon zwang dann zu einer „extra­ordinaire(n) Conferenz“ die Apotheker, sich von der Armendirektion am 13. Dezember 1811 eingeladen wurden. – die Differenz zwischen Courant- und ScheiMilitär: In den Protokollen werden Arzneilie- demünzen ersetzen zu lassen und auf Zahlung ferungen im Jahre 1790 in Höhe von 6.614 „in klingenden Courant“ zu bestehen. 1812 Talern und 1792 in Höhe von 4.414 Talern er- forderte das Armendirektorium, dass die Rewähnt, ferner 1794 „patriotische Beyträge von zepte für die Armen nach der „wohlfeileren denen hiesigen Herren Apothekern für die be- Pharmacopoea pauperum“ angefertigt werden, schädigten Soldaten am Rhein“ angeführt. Im was die Apotheker jedoch ablehnten, da „dieFebruar 1802 wies der Magistrat die Apothe- se Sache dem Armen-Directorio gar nichts ker an, eine Liste mit den Namen der Gehilfen anginge“. – Ober-Collegium medicum: Das einzusenden, „welche Lust hätten, sich als 1685 gegründete Collegium medicum entwiFeld-Apotheker zu engagiren“. Im Oktober ckelte sich unter König Friedrich Wilhelm I. 1811 wurde wieder ein Verzeichnis gefordert von einer beratenden zu einer mehr wissen„von den zu Feld-Apothekern und Gehülfen schaftlichen Behörde und erlangte 1724 als tauglichen Subjeckten“. Zur Feier des Einzugs Ober-Collegium medicum die Zuständigkeit der siegreichen Truppen in Berlin am 7. Au- für alle preußischen Provinzen. Es hatte das 34

2.1  Berliner Apotheker-Conferenz [BAC]

Medizinalwesen in Stand zu halten und auch wurden besprochen und die Einhaltung dann die Apotheken zu beaufsichtigen. Als Ober- fest verabredet, Arbeitserleichterungen genehCollegium medicum et Sanitatis war es ab migt (wie z. B. 1794 das „zeither üblich gewe1799 auch für epidemisch auftretende Krank- sene unnütze und zeitverderbende Spalten heiten zuständig. Die Prüfungen zur Approba- [von Wurzeln] zu unterlaßen und selbe bloß tion der Apotheker wurden abgenommen, geschnitten zu verbrauchen“). War die Zubewenn der Kandidat zuvor sieben Jahre als Ge- reitung einer Tinktur unsicher, erhielt Klap­ selle „serviret“, ferner „Cursus pharmaceuti- roth den Auftrag zur Klärung und Bekanntgaco-chymicos“ besucht und besondere „Lec- be in einem folgenden Rundschreiben, „so tiones“ gehört hatte. Ein derart in Berlin Kur- wie jeder diese [Tinktur] verfertigen und in sierter war „Apotheker I. Klasse“ und konnte der Receptur gebrauchen soll, und wie es alle sich in den größeren Städten niederlassen, hiesigen Herren Apotheker durch ihre Unterwährend die „nichtkursierten“ II. Klasse-Apo- schrift zu machen versprochen haben“. In der theker in den Provinzen ihre Prüfungen ableg- Konferenz vom August 1800 hatte Klaproth ten und erst anschließend die Approbation „die Güte, uns eine Vorschrift zu der durch ihn durch das Ober-Collegium medicum erhiel- bekandt gewordenen Tinctura ferri Acetici aeten. Diese Regelung war erst möglich gewor- thera [Klaproths Eisentropfen] mitzuteilen […] den, nachdem sich 1742 die auswärtigen Kan- so wie Herrn Assessor Rose eine Vorschrift didaten über die Teilnahmepflicht in Berlin zur Bereitung des Natrii Carbonici aciduli und die damit verbundenen Kosten beim Kö- [Soda] gegeben […]“. Mit Rundschreiben nig beschwert hatten. – In dieser Behörde, die vom 24. Juli 1812 machte der Physikus v. Koe„den Apothekerstand aus einem handwerks- nen der BAC bekannt, dass Arzneien der Waimäßigen Gewerbe zu einem wissenschaftlich senhaus-Apotheke in Halle nur von approvorgebildeten Beruf emporgehoben“ (Adlung bierten und in Berlin ansässigen Apothekern [1929], S. 1612), waren auch zwei Apotheker in Kommission genommen und einige dieser als „assessores pharmaciae“ vertreten; dazu Arzneien nur nach ärztlicher Verordnung abwählte man erfahrene Apotheker, die als Besit- gegeben werden dürften. Aber auch Kleinigzer immer an den Versammlungen der BAC keiten wurden besprochen, um in allen Apoteilnahmen. Nach den Angaben in den Berli- theken gleiches Handeln zu erreichen, z. B. die ner Adresskalendern trugen folgende Apothe- Verwendung von vorrätiger Zitronensäure ker den Titel „assessor pharmaciae“: Johann oder von frisch gepresstem Zitronensaft, von Christian Schrader 1742–1744; Henning Bibergeil aus Kanada statt aus Sibirien oder die Christian Marggraff 1741–1753; Georg Fried- Zusammensetzung und Abgabe von arsenhalrich Aschenborn 1742–1772; Christian Fabri- tigen Mitteln gegen Ratten und Mäuse. – Gecius 1754–1767; Johann Friedrich Bell 1773– hilfen und Lehrlinge: Der Wechsel der Apo1791; Christian Friedrich Lohse 1773–1781; thekergehilfen in eine andere Apotheke führte Martin Heinrich Klaproth 1783–1799; Valen- zu der Vereinbarung, „daß kein Subjekt, so in tin Rose II 1797–1799; Christian Gottfried einer hiesigen Apotheke in Condition stehet, Flittner 1800–1828, ab 1824 Ober-Medizinal- in einer anderen Apotheke engagirt werden und Sanitäts-Assessor; Johann Heinrich Lud- darf, oder er müßte wenigstens ein Jahr lang wig Staberoh, 1826 Regierender Medizinal- außer Berlin servirt haben“. In AusnahmefälAssessor. – Medikamente: Die beiden „asses- len mussten sich beide „Principale“ einigen. sores pharmaciae“ bewirkten als Mitglieder Diese Angelegenheit wurde Jahre später erder BAC und des Ober-Collegium medicum neut diskutiert mit dem Ergebnis, dass „eine einen ständigen Informationsaustausch. Her- solche Wechselung jedesmal mit Zustimmung stellungsvorschriften für neue Medi­ kamente des Principals, wo der Gehülfe sich noch in 35

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Condition befindet, geschehen“ müsse. Wenn einheimische oder auswärtige Apotheker oder -kandidaten auf Stellensuche waren, übernahm der Senior „nach Versicherung von Schadloshaltung erweislicher Unkosten“ die Vermittlung. Das Dekret des Polizeipräsidenten vom August 1810, dass „kein Lehrling, der nicht bereits 3 Jahre in die [!] Lehre gestanden habe, weder Syrupi noch Kinderpulver dispensiren und verkaufen solle“, machte den Apothekern klar, dass nunmehr die städtische Polizei die Aufsicht über die Apotheken übernommen hatte.

de in Papier gewickelt, mit dem Namen versehen und dann in die Büchse gesteckt. In der letzten protokollierten Sitzung trug Staberoh Überlegungen zu einer Apotheken-Assekuranz vor. In der BAC waren auch Strafgelder üblich, z. B. hatte man beim Zuspätkommen acht Groschen zu zahlen. 1809 geriet die Kasse ins Minus, so dass von jedem Apotheker der doppelte Beitrag erbeten wurde; auch im Mai 1815 war der „Beitrag zur Casse in dublo zu entrichten“. – Die BAC wählte jährlich durch Stimmenmehrheit aus ihrer Mitte einen Vorstand, bestehend aus einem Vorsitzenden (Senior), einem Stellvertreter und eiStruktur und Organisation: Die während nem Schriftführer. Der Senior verwaltete ander Konferenzen geführten Protokolle be- fangs auch die Kasse des Vereins, bestimmte ginnen – soweit überliefert – im August 1790 die Tagesordnung und leitete die Debatten. und enden mit der Versammlung am 19. Au- Der Schriftführer war für das Protokoll zugust 1819. Es sind insgesamt 90 Sitzungen ständig und besorgte die Korrespondenz des verzeichnet; darunter sieben, über die notiert Vereins gemeinschaftlich mit dem Senior. Ab wurde: „selbe war bloße Conversation“ oder 1810 hatte immer der Physicus (Amtsarzt) an „nichts von Bedeutung vorgefallen; so ist auch den Konferenzen teilzunehmen. Seine Anweiter keine Notiz davon genommen worden“ wesenheit (erstmals am 12. November 1810) oder „fiel nichts von Bedeutung vor“. An- machte es erforderlich, dass der Sitzungstag fangs alle vier Wochen, ab 1774 alle drei Mo- von Freitag auf Montag verlegt wurde. Man nate wurde in den Konferenzen über die „in kam zu ordentlichen und „extraordinairen“ unser Fach einschlagende[n] Sachen gespro- Konferenzen zusammen, so am 13. Dezemchen“. Ein Abendessen (später: Mittagessen) ber 1811, um „die neu etablirten Apotheker beschloss die Sitzung, an der oft Gäste teil- Herrn Hummel und Jaenecke […] so wohl nahmen. Als Mitgliedsbeitrag war vierteljähr- mit dem Zweck unserer Conferenzen als belich ein Taler zur Kasse zu entrichten. Hin- sonders auch mit sämtlichen unter uns Apozu kam ein willkürlicher Betrag zur Unter- thekern feststehenden Verabredungen und stützung der verarmten Berliner Kollegen und Übereinkommen bekannt zu machen“. Eine durchreisender Apotheker, die etwas „aus die- solche Absprache vom November 1798 war ser Casse gereicht“ erhielten. Zwischen 1787 z. B. die Verwendung des Wortes „Polyanthes“ und 1813 unterstützten die Apothekenbesit- zur Verschlüsselung der Angaben bei einer zer 18 Brandopfer, neun alte oder behinder- Taxierung. Zwischen den Sitzungen kursierte Berufsgenossen bzw. deren Witwen, auch ten Rundschreiben oder Mappen, und jeder zwei auswärtige Apotheker, die zur Behand- Apotheker, der in der kommenden Konferenz lung die Charité aufsuchten, mit Geldspen- etwas vorzutragen hatte, „soll es vorher melden. Die gesammelten Beträge schwankten den, damit darüber ein Circulare herumgehen zwischen 22 und 170 Talern. Zunächst wur- kann, und Jeder sich dazu vorbereiten“. Zur den die Kollekten offen durchgeführt, ab 1790 Bearbeitung wichtiger Fragestellungen oder eine versiegelte Büchse benutzt; um sicher zu zur Erfüllung von besonderen Aufgaben bilgehen, dass auch jeder sich beteiligte, wurde dete man Kommissionen in unterschiedlicher auf Vorschlag von Klaproth ab 1797 die Spen- Zusammensetzung. – Die Funktionen des Se36

2.1  Berliner Apotheker-Conferenz [BAC]

nior, des Schriftführers und des Kassenwartes ne Stutzuhr mit Rauchfäßchen und Leuchwurden von zwei Apothekern übernommen tern für v. Koenen im Werte von 220 Talern. oder befanden sich, wie bei Bärwald, in ei- Alle 25 Apotheker beteiligten sich mit Beträner Hand. Als Vorsitzende der BAC werden gen zwischen 10 und 25 Talern. angegeben (Adlung [1932], S. XXX): Johann Christoph Schrader (vermutlich erster Vorsit- Mitglieder: a) Allgemeines: Mitgliederverzender der vereinigten privilegierten Apothe- zeichnisse existieren nicht, aber die Namen ker von Berlin, ca. 1724–1744, zugl. assessor der privilegierten Apothekenbesitzer („Prinpharmaciae); Georg Friedrich Aschenborn cipale“) finden sich in Adressbüchern, auf (1744–1772, zugl. assessor pharmaciae); Jo- Briefen, die von „sämtlichen hiesigen privilehann Friedrich Bell (1774–1784, zugl. asses- gierten Apothekern“ unterschrieben; oder auf sor pharmaciae); Johann Gottlieb Seidenberg Listen, die zu gemeinsamen Vorhaben, wie (1784–1794); Philipp Ferdinand Schwanfeld Hausbau oder Kauf von Geschenken, ange(1794–1796 und Kassenwart bis 1806); Mar- legt wurden. Mitglieder der BAC waren alle tin Heinrich Klap­roth (1796–1806, zugl. as- privilegierten Apotheker Berlins sowie die sessor pharma­ ciae); Friedrich Wilhelm Bär- Provisoren (Verwalter) der Apotheken, durchwald (1806–1819, auch Schriftführer und schnittlich ca. 20 bis 25 Personen. Der HofKassenwart). Apotheker war kein Mitglied. Die Kurfürsten Mehrfach veranstaltete die BAC größere Fes- und preußischen Könige vergaben zwischen te, u. a. 1796 anlässlich der 50-jährigen Zu- 1481 und 1797 insgesamt 27 Privilegien zur gehörigkeit des Apothekers Gabriel Hein- Anlegung von Apotheken in Berlin, zur Ablörich Wendland zum Fach; als Dank gab dieser sung der Magistratsprivilegien oder für schon im Juli 1796 „seinen sämtlichen Collegen mit bestehende Apotheken der französischen Koihren Gattinnen ein ebenso glänzendes Mit- lonie. Letztere existierten schon Jahrzehntagsmahl im Thiergarten bey Richardts“. Als te, ehe die Besitzer nach Erhalt der Privileder Inhaber der Leipziger Drogenhandlung gien an den Konferenzen teilnahmen. Drei Brückner, Lampe & Comp. für einige Wo- privilegierte Apotheken gingen im 18. Jahrchen Berlin aufsuchte, luden die Apotheker hundert in Konkurs. Zur Konferenz am 13. zu einem gemeinsamen Mittagessen am 30. Dezember 1811 kamen erstmals die ApotheNovember 1810 in der „Ressource“ ein, an ker Hummel und Jae­nicke, die ihre Apothedem auch der Geh. Rat Welper und der zu- ke nach Erhalt eines Gewerbescheins eröffneständige Physicus, Obermedizinalrat v. Koe- ten. – 1798 führten 21 Apotheker ihre Offinen, teilnahmen „und mit uns vergnügt und zin selbst, je ein Provisor verwaltete eine Apofröhlich waren“. 1816 wurde v. Koenen ver- theke für die Witwe, pachtete eine Apotheke abschiedet und Dr. Klug als Physicus einge- von den Erben oder leitete die Apotheke des führt. Beide Herren wurden zu „einem an- Schwiegervaters. In den 24 Apotheken waren ständigen Mittagsmal“ gebeten. Koenen be- des Weiteren 53 Gehilfen im Alter zwischen dankte sich umgehend mit einer Einladung 19 und 30 Jahren tätig. Die Apothekenleiter zum 11. April 1816 im gleichen Lokal, wo mitgezählt, befanden sich in drei Apotheken „derselbe uns […] ein sehr schönes Dinée zwei, in 15 Apotheken drei, in fünf Apothegab“. Im August dieses Jahres erhielten Wel- ken vier und in einer Apotheke fünf Pharmaper und v. Koenen „einen Beweiß unse- zeuten. In der Auseinandersetzung vor dem rer Verehrung durch ein Andenken“: einen „comité administratif“ im Jahre 1806 hatte VaTischaufsatz mit einer Punschbowle aus der lentin Rose d. J. vorgetragen, dass „wir ApoPorzellanmanufaktur für den Erstgenannten theker von diesem Geschäfte 24 Familien mit im Werte von 275 Talern und eine bronze- Frau, Kindern, Gehülfen und Gesinde erhal37

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

ten und wohl 130 Personen, das heißt Gehülfen und Arbeitsleute salariren [entlohnen] müßten“. – b) Einzelmitglieder: Die Entwicklung des Berliner Apothekenwesens im 18. Jahrhundert wurde nicht zuletzt von Wissenschaftlern bestimmt, die als Apothekenbesitzer oder Provisoren an den Versammlungen der BAC teilnahmen und großen Einfluss auf Beratungen und Beschlüsse hatten: Sigismund Friedrich Hermbstaedt war von 1783 bis 1784 Provisor der Apotheke zum weißen Schwan von Valentin Rose d. Ä. Nach Studienreisen gründete er in Berlin eine Lehranstalt mit chemischem Schwerpunkt für angehende Apotheker. Ab 1790 dort Hof-Apotheker, hielt er Vorlesungen am Collegio medico-chirurgicum, wurde ab 1794 Obersanitätsrat am Ober-Collegio medico et Sanitatis und Dozent am Haupt-BergwerksEleven-Institut, ab 1798 Generalstabsapotheker der Armee, 1800 Mitglied der Akademie der Wissenschaften und ab 1811 Ordinarius für Technologie an der neu gegründeten Universität Berlin. – Christian Gottfried Flittner unterrichtete in Berlin zunächst als Hilfslehrer an der Tierarzneischule und kaufte 1799 die Apotheke zum König Salomo in der Jägerstraße. 1808 wurde er Assessor am Collegium medico-chirurgicum, erwarb im gleichen Jahr eine Kuranlage auf dem Gesundbrunnen bei Berlin. Flittner verfasste auch populäre Bücher über Sexualaufklärung. Am 1. August 1810 hatte die BAC neue Preisveränderungen zu beraten, die von einer Kommission, der Flittner angehörte, erarbeitet worden waren. – Martin Heinrich Klap­ roths pharmazeutische Laufbahn führte von Quedlinburg, Hannover, Berlin und Danzig wieder nach Berlin, wo er in der Apotheke zum weißen Schwan bei Valentin Rose d. Ä. Beschäftigung fand und nach dessen Tod im April 1771 für die Witwe die Verwaltung der Apotheke und die Vormundschaft über Roses Kinder übernahm. 1780 kaufte er die Apotheke zum Bären (später Simons Apotheke), in deren Laboratorium er wissenschaftlich tätig war (Klap­ roth 38

Abb. 4  Tasse mit Darstellung der Apotheke zum schwarzen Adler, Neue Roßstraße 21, um 1850. Besitzer von 1846–1858: Johann Friedrich Wilhelm Sonntag.

entdeckte sechs neue chemische Elemente). 1782 wurde er Assessor am Ober-Collegium medicum und 1787 Professor für Chemie an der Artillerieschule Berlin, 1788 Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Den Verkauf der Apotheke an Georg Wilhelm Friedrich gab er während der Sitzung im Februar 1800 den Kollegen bekannt. 1810 wurde er Professor für Chemie an der neu gegründeten Berliner Universität. Die BAC lud im Anschluss an die Konferenz vom 11. Februar 1811 „Ritter Klaproth“, der am 18. Januar den Roten Adlerorden 3. Klasse erhalten hatte, zum Mittagessen ein. – Der experimental forschende Valentin Rose d. Ä. hatte 1761 die Apotheke zum weißen Schwan gekauft und entwickelte im Laboratorium eine Blei-Zinn-WismutLegierung mit niedrigem Schmelzpunkt, die als „Roses Metall“ bekannt wurde. – Valentin Rose d. J. übernahm als Provisor die väterliche Apotheke und kaufte sie 1791. Er entdeckte u. a. das doppeltkohlensaure Natron und das Inulin. Ab 1797 war er zweiter Assessor am Ober-Collegium medicum, von 1800 bis 1806 Referent für Chemie der  Phar-

2.1  Berliner Apotheker-Conferenz [BAC]

maceutischen Gesellschaft und deren Zweiter bzw. Erster Direktor von 1802 bis 1807. – In den Konferenzen im August 1799 und Februar 1800 berieten die Apotheker die von Hermbstaedt, Klap­roth und Rose d. J. miterarbeitete Pharmacopoea Borussica als Nachfolgerin des Dispensatorium Brandenburgicum von 1781. Nach dem neuen Arzneibuch waren nun vom 1. Januar 1800 an die „Medicamenta officinalia“ zuzubereiten. 300 einfache oder zusammengesetzte Arzneimittel, die man als nicht mehr angemessen oder überflüssig eingestuft hatte, kamen in Wegfall, während „die neue Nomenclatur“ eingeführt wurde. – Johann Christian Carl Schrader erwarb 1796 die Apotheke zum schwarzen Adler vor dem Königstor. Seine Antwort auf die Preisfrage der Nr. Datum des Privilegs 1 20.10.1481

Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften von 1799 „Von welcher Art sind die erdigen Bestandtheile, welche man durch Hülfe der chemischen Zergliederung in den verschiedenen inländischen Getreidearten findet? […]“ wurde mit 100 Dukaten belohnt. Obermedizinalrat Klap­ roth als Mitglied der Akademie gab in der Konferenz im August 1799 die Preisvergabe bekannt. Auch Schrader wurde als „assessor pharmaciae“ an das OberCollegium medicum berufen. – Folgende Liste verzeichnet die Namen aller Apothekenbesitzer von 1704 bis 1826. Darin werden ferner die Privilegierungsdaten, die Namen der Apotheken – in Klammern auch die bis zur Gegenwart geführten – und die Standorte im Jahre 1826 angegeben:

Namen der Apotheken und Standorte 1826 Tempelhoffsche Apotheke Poststraße Ecke Mühlendamm 1742 eingegangen Apotheke zum goldenen Adler (vorher: Apotheke an der langen Brücke, Apotheke zur goldenen Kugel, Apotheke zum Mohren) Gertraudtenstr. 14

2

10.06.1556

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10.06.1556

Apotheke in der Oranienburger Straße (vorher: Apotheke am Molkenmarkt, ab 1865: Dr. Brettschneiders Apotheke) Oranienburger Str. 37

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28.05.1658

Einhorn-Apotheke Kurstr. 34

Namen der Besitzer von 1704–1826 Johann Friedrich Tonnenbinder, Johann Carl Faber, Göbel (Prov.) Johann Christoph Märcker, Georg Friedrich Aschenborn, Brunner (Prov.), Scheunemann (Prov.), Winterfeld (Prov.), Georg Samuel Thormann, Samuel Friedrich Leddihn, Heinrich Stegemann, Georg Simon Friedrich Kirchhoff, J. H. B. Hitzig, Georg Simon Friedrich Kirchhoff [Kirchhoff verkaufte an Hitzig und kaufte dann wieder zurück], Johann Paul Erhard Friedrich Zorn, Johann Christoph Schrader, Dr. med. Georg Ernst Stahl, Damsdorff (Prov.), Johann Andreas Rebelt (Prov.), Joachim Heinrich Konrad Möring (Prov.), Justus Philipp Jüngken (Prov., dann Besitzer), Bergrat Johann Philipp Müller, Schödel (Prov.), Johann Ludwig Ackermann (Prov.), Rothé (Prov.), Ernst Ferdinand Julius Silway, Georg Anton Koch Georg Peter Rühde, Heinrich (Prov.), Samuel Leonhard Kubitz, Gottfried Pöhnert, Johann Christian Fabricius, Drescherling, Kraatz (Prov.), Johann Ludwig Nagel, Johann Georg Schönberg 39

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Nr. Datum des Privilegs 5 06.05.1682

Namen der Apotheken und Standorte 1826 Polnische Apotheke (ab 1933 Dorotheenstädtische Apotheke) Mittelstr. 56/Ecke Friedrichstraße Apotheke zum goldenen Engel Gertraudtenstraße um 1726 eingegangen Apotheke zum gekrönten schwarzen Adler (vorher: Rats-Apotheke, Akademie-Apotheke) Poststr. 4

6

15.11.1686

7

18.11.1691

8

24.02.1692

Pelikan-Apotheke Leipziger Str. 74

9

20.06.1696

Apotheke zum weißen Adler (vorher: Apotheke zum goldenen Reh) Friedrichstr. 206

10

08.08.1698

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18.05.1700

12

04.08.1700

Falckesche Apotheke Friedrichstadt um 1720 eingegangen Apotheke zum roten Adler (vorher: Apotheke unter den Linden, Rats-Apotheke, ab 1798 Lucaes Apotheke) Unter den Linden 53 Apotheke zum schwarzen Adler (ab 1939 Rathaus-Apotheke) Königstr. 51

13

02.05.1701

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Apotheke zum schwarzen Adler Neue Königstr. 42

Namen der Besitzer von 1704–1826 Christoph Edeboldt, Wilhelm Werneberg, Johann Heinrich Schenck, Friedrich Wilhelm Werneberg, Johann Friedrich Werneberg, Johann August Filter Friedrich Engel, David König

(1704 nicht im Kalender verzeichnet) Karl Wahl, Johann Christian Michaelis, Georg Friedrich Schmidt, Konrad Valentin Leonhardi, Ludwig August Aschenborn, Leopold Karl Raebel, Heinrich Daniel Friedrich Tiefensee, Dr. Franz August Oetzel, Conrad Heinrich Soltmann Joachim Linnemann, Johann Odenwald, Dr. med. Emanuel Friedrich Lentze, Johann Gerhard Sticker, Christian Justus Giesecke, Johann Friedrich Supe (Prov.), Johann Gottlieb Seidenberg (Prov., dann Besitzer), Philipp Ferdinand Schwanfeld, Johann Ludwig Friedrich (Prov., dann Besitzer) Philipp Reinhard Spener, Peter Christian Bernhard Jampert, Christian Ludwig Jampert, Johann Andreas Rebelt, Christian Valentin Träger (Prov.), Johann Jacob Bindheim (Prov.), Beyer (Prov.), Fritz (Prov.), Johann Friedrich Köhn, Dr. David Emilius Heinrich Koblank Johann Christian Michaelis

Georg Eckhardt, Daniel Wilcke, Georg Jetzke, Friedrich Stephani, Johann Karl Willdenow, Karl Ludwig Willdenow, Schulze (Prov.), Johann Christian Friedrich Lucae, Dr. August Friedrich Theodor Lucae Johann Adam Possard, Johann Balthasar Ring, Karl Friedrich Furch(t), Heinrich Sigismund Bärensprung, Heinrich Ferdinand Bärensprung, August Karl Lezius Christoph Schmedicke, Peter Koch, Johann Köhler, Johann Caspar Köhler, Monicke (Prov.), Johann Christian Carl Schrader

2.1  Berliner Apotheker-Conferenz [BAC]

Nr. Datum des Privilegs 14 23.08.1701

Namen der Apotheken und Standorte 1826 Apotheke zum weißen Schwan Spandauer Str. 77

15

06.06.1706

Apotheke zum roten Adler Roßstr. 26

16

17.02.1720

17

07.09.1732

18

26.08.1733

Apotheke zum schwarzen Bär (vorher: Apotheke zum weißen Bären, ab 1830 Simons Apotheke zum goldenen Bären, ab 1882 Simons Apotheke) Spandauer Str. 33 Rothe Apotheke (ab 1954 Berolina-Apotheke, ab 2006 BerlinApotheke Hackescher Markt) Rosenthaler Str. 47 Apotheke zum goldenen Hirsch Lindenstr. 86

19

13.07.1735

Apotheke zum goldenen Löwe (Löwen-Apotheke) Jerusalemer Str. 16

20

18.11.1739

21

03.08.1740

Apotheke zum Engel (Engel-Apotheke) Mohrenstr. 5 Apotheke zum schwarzen Adler Neue Roßstr. 21

Namen der Besitzer von 1704–1826 Johann Balthasar Rechenberg, Johann Friedrich Wesche, Valentin Rose I, Martin Heinrich Klaproth (Prov.), Johann Jacob Bindheim (Prov.), Johann Gottlieb Vierenklee (Prov.), Sigismund Friedrich Hermbstaedt (Prov.), Valentin Rose II (Prov., dann Besitzer), Conrad Heinrich Soltmann (Prov.), Johann Daniel Riedel (Prov.), Mühlmann (Prov.), Wilhelm Rose (Prov., dann Besitzer) Samuel Struve (Prov.), Johann Balthasar Ring, Gotthilf Margalitha, Dr. med. Jakob Christian Kolbe, Johann Caspar Giesel (Prov.), Johann Karl Endemann, Johann Friedrich Lohse, Christian Friedrich Lohse, Schumann (Pächter), Johann Friedrich Alberti (Prov.), Johann Gottlieb Martin Wilhelm Bergemann, Friedrich (Prov.), Christian August Friedrich Körber, A. F. Schmidt Henning Christian Marggraff, Andreas Sigismund Marggraff (Prov.), Joachim Friedrich Lehmann, Johann Christian Flemming, Martin Heinrich Klaproth, Georg Wilhelm Friedrich, Johann Eduard Simon Dr. med. Augustin Buddeus, August Friedemann Thierfelder, Karl Jakob Fritze, Carl Ludwig Kobes, Johann Carl Friedrich Kobes, Friedrich Wilhelm Erdmann Römhild Johann Gottfried Hesse, Friedrich Nikolaus Vincent, Immanuel Friedrich Ludwig Kunde (Prov., dann Besitzer), Friedrich Wilhelm Kunde Wilhelm Andreas Koch, Johann Gottlieb Emanuel Teuchert, Joachim Heinrich Konrad Möhring, Dr. Johann Gottfried Hempel, Johann Ludwig Ackermann (Pächter), Johann Heinrich Julius Staberoh Johann Friedrich Junge, Heinrich Gabriel Wendland, Friedrich Heinrich Jakob Wendland, Karl Friedrich Peter Bärwald Johann Caspar Giesel, Johann Friedrich Supe (Prov.), Johann Friedrich Bell, Dr. Johann Gottfried Hempel, Johann Heinrich Thiemann, Johann Gottfried Martin Wilhelm Bergemann, Friedrich Adolf Heinrich Appelius 41

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Nr. Datum des Privilegs 22 18.03.1769

23

18.03.1769

24

07.02.1770

25

02.08.1775

26

29.06.1796

27

28

Namen der Apotheken und Standorte 1826 Apotheke zum weißen Schwan (vorher: Apotheke zu den zwei Schwänen, ab 1878 Apotheke zum Schwan) Brüderstr. 34 Apotheke zur Krone (Kronen-Apotheke) Friedrichstr. 160 Schweizer Apotheke zum schwarzen Adler (Schweizer Apotheke) Friedrichstr. 173 Elefanten-Apotheke Leipziger Str. 54

Apotheke zur goldenen Sonne (ab 1860 Apotheke zur Sonne) Neuer Markt 14 15.03.1797 Apotheke zum König Salomo (ab 1938 Apotheke am Gendarmenmarkt) Jägerstr. 51 07.11.1811 Apotheke zum goldenen Strauß Gewerbeschein Stralauer Str. 46

Namen der Besitzer von 1704–1826 Louis Lamblet, Jean Carita, Paul Louis Carita, Friedrich Wilhelm Bärwald, Johann Samuel Becker

Drague, Johann Samuel Carita, Johann Gottfried August Helming Daniel Matthieu, Johann Daniel Hausmann, Johann Daniel Riedel

Christian Gottlob Weinlich (auch Weinlig oder Weinling), Johann Gottlieb Vierenklee (Prov.), Siegfried Wilhelm Paalzow (Pächter, dann Besitzer), August Wilhelm Behrend, F. Hertel Jean Louis Allouchery

August Karl Lezius, Dr. med. Christian Gottfried Flittner

J. C. F. Hummel und S. F. Jänicke

Auf Daten der Apothekenübernahmen wurde verzichtet, da sie sich auf den Kaufvertrag, die Übernahme oder die Privilegsausstellung beziehen können. Nr. 22, 23, 24 und 26 sind ehemalige Apotheken der französischen Kolonie; sie bestanden schon auf Grundlage einer Konzession. Ihre Anzahl schwankt zwischen sieben im Jahre 1704 und drei im Jah-

re 1770. Matthieu erhielt das Privileg für eine vierte Apotheke der französischen Kolonie; ebenso Allouchery, nachdem er die Konzession einer eingegangenen französischen Apotheke gekauft hatte. Nr. 1, 6 und 10 sind in Konkurs gegangene Apotheken. J. B. Ring und J. G. M. W. Bergemann besaßen zeitweilig zwei Apotheken.

Ähnliche Vereinigungen: Die älteste deutsche Apothekervereinigung, das Collegium pharmaceuticum Norimbergense, entstand bereits 1632 in Nürnberg. Mehr als 70 Jahre nach der BAC wurde 1798 die Magdeburger ApothekerKonferenz gegründet, 1809 gefolgt von dem – auf einen Vorläufer aus dem Jahr 1755 zurückgehenden – Erfurter Apothekerkränzchen. – Als Pendant zur BAC, die ein Zusammenschluss der Apothekenbesitzer war, entstand 1796 in

Berlin die  Pharmaceutische Gesellschaft als älteste Vereinigung der Apothekergehilfen, deren Gründung der Protokollführer im Rahmen der Februar-Konferenz dieses Jahres vermerkte: „Da die sämtlich hier in Condition stehende[n] Apotheker Candidaten ein Institut unter dem Namen Pharmaceutische Gesellschaft zur Harmonie errichtet, ihr Hauptzweck vorzüglich dahin abzweckt, sich in ihrer Wissenschaft zu vervollkommnen, so habe auf

42

2.1  Berliner Apotheker-Conferenz [BAC]

Zivilkabinett, Nr.  24555 (Deutscher Apothekerverein, 1825–1918). – GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, VIII A Ältere Medizinalregistratur, Nr.  1916–1917 (Einrichtung neuer Apotheken in Berlin; Gegenvorstellungen von Apothekern, Bd. 1–2, 1810–1830). – 2) Gedruckte Quellen: Stürzbecher, M[anfred] (Hg.): Protokollbuch der Berliner Apotheker-Conferenzen 1790–1819. Im Auftrage der Apothekenkammer Berlin und des Berliner Apotheker-Vereins herausgegeben. Frankfurt a. M. 1967. – 3) Literatur: Abe, Horst Rudolf: Über die grundlegende Bedeutung des „Erfurter Apothekerkränzchens“ von 1809 für die Geschichte des pharmezeutischen Vereinswesens in Deutschland. In: Beiträge zur Geschichte der Universität Erfurt, Bd. 21 (1987/88), S. 169–173. – Adlung, Alfred: Die Entwicklung des brandenburgisch-preussischen Apothekenwesens bis zum Erlass der Revidierten Apothekerordnung vom 11. Oktober 1801. In: Pharmazeutische Zeitung 74 (1929), S. 1159–1163, 1573–1577, 1611– 1614, 1641–1644, 1673–1677. – Adlung, Alfred: Der Berliner Apotheker-Verein in seiner geschichtlichen Entwicklung. BerlinCharlottenburg 1932, bes. S.11–31. – Adlung, A[lfred] / Urdang, G[eorg]: Grundriß der Geschichte der Deutschen Pharmazie. Berlin 1935. – Albrecht, Katharina: Magdeburger Apothekerkonferenz. 200 Jahre lokale Apothekengeschichte mit überregionaler Bedeutung. In: Pharmazeutische Zeitung 144 (1999), S. 35–38. – Albrecht, Katharina: Geschichte der Apotheken der Stadt Magdeburg. Freiberg (Sachsen) 2007 (Beiträge zur Geschichte der Pharmazie und Bibliographie: 1) Ungedruckte Quellen: Chemie, 1). – Dilg, Peter / Esser, Elmar: LA Berlin, A Rep. 016, Gewerbedeputa­t ion, Kompetenz und Tradition. Chronik zum Spezialia Apotheken 1622–1853, Nr.  113– 125jährigen Bestehen des Deutschen Apo3083. – GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusmi- thekerverbandes 1872–1997. Eschborn 1998. nisterium, Vc Sekt. 1 Tit. XII Nr. 43 (Orga- – Friedrich, Christoph: Pharmazeutische nisation des wissenschaftlichen Apotheker- Vereine im späten 18. und frühen 19. Jahrvereins im nördlichen Deutschland, 1822– hundert. In: Döring, Detlef / Nowak, Kurt 1826). – GStA PK, I. HA Rep. 89 Geh. (Hg.): Gelehrte Gesellschaften im mittel-

Ansuchen dieser jungen Leute [ich] es meinen sämtlichen Herrn Kollegen unterm 22. März 96 bekandt gemacht, welche Ihnen zur Bezeigung ihres Beifalls darüber und zur Anschaffung nützlicher Bücher […] in allen 88 Rth zu diesem Behuf geschenkt.“ Auch im Februar 1803 wird von einem weiteren „Beitrag für ihre Casse“ in Höhe von 73 Talern berichtet und im August 1814 in der BAC vorgeschlagen, dass die Pharmaceutische Gesellschaft „wieder wie vormals in jedem halben Jahre nur eine Morgenvorlesung halten mögte“. Der an den Konferenzen teilnehmende Physicus hatte „von der bestehenden pharmazeutischen Gesellschaft der Apotheker:Gehülfen Notiz [zu] nehmen und von dem Zustand derselben järlich [!] einmal seinem Bericht das Nötige bei[zu]fügen“. Im Übrigen wurden vor 1850 noch weitere lokale bzw. regionale Vereinigungen der Apothekenbesitzer gegründet: so 1815 der Pharmazeutische Verein in Bayern, 1819 der Hamburger Apothekerverein, 1820 der Apothekerverein in Westphalen, 1820 der Pharmazeutische Verein in Baden, 1822 der Pharmazeutische Verein in Württemberg, 1837 die Pharmazeutische Gesellschaft Rheinbayerns (bzw. der Pfalz) und 1839 der Apothekerverein im Großherzogtum Hessen (s. Hoff, S. 60–201). Davon erlangte die Westfälische Gründung als Apothekerverein im nördlichen Teutschland schon sehr bald überregionale Bedeutung: 1850 verband sich dieser Norddeutsche mit dem 1848 etablierten Süddeutschen Apothekerverein zum Allgemeinen Deutschen Apothekerverein, aus dem schließlich 1872 der bis heute bestehende Deutsche Apotheker-Verein (seit 1992: -Verband) hervorging (s. Dilg/Esser).

43

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

deutschen Raum (1650–1820). Teil II, Stutt- S. 1585–1588. – Peters, K[urt] (Hg.): Die gart / Leipzig 2002, S. 95–105 (Abhandlun- Gründung der Standesgemeinschaft Deutgen der Sächsischen Akademie der Wissen- scher Apotheker St. D.A.: Berlin, am 21. schaften zu Leipzig, Philolog.-histor. Klas- 22. und 23. April 1933. Schriftenreihe der se, Bd. 76, H. 5). – Gelder, Hermann: Zum Arbeitsgemeinschaft Deutscher Apotheker, 150jährigen Bestehen des Berliner Apothe- Heft 1, Stollberg i. Erzgeb. [1933]. – Pohl, ker-Vereins: I. Aus der älteren Geschich- Dieter: Zur Geschichte der pharmazeutite des Berliner Apotheker-Vereins [auch in: schen Privatinstitute in Deutschland von Apotheker-Zeitung 40 (1925), S. 80–81]. II. 1779 bis 1873. Nat.wiss. Diss. Marburg 1972. Zur Geschichte der privilegierten Apothe- – Reinhard, Friedhelm: Apotheken in Berken Berlins. In: Pharmazeutische Zeitung lin. Von den Anfängen bis zur Niederlas70 (1925), S. 107–111, 471–473, 1794. – Goß- sungsfreiheit 1957. Eschborn 1998. – Reinmann, Heinz: Das Collegium Pharmaceu- hard, Friedhelm: Die ‚Königlich privileticum Norimbergense und sein Einfluß auf gierte Engel-Apotheke‘ in Berlin. In: Phardas Nürnbergische Medizinalwesen. Frank- mazie in Berlin. Historische und aktuelle furt a. Main 1966 (Quellen und Studien Aspekte. Hg. v. Peter Dilg und Michael Enzur Geschichte der Pharmazie, 9). – Hart- gel. Berlin 2003, S. 74–88 (Stätten Pharmamann, G[ustav]: Die Magdeburger Apo- zeutischer Praxis, Lehre und Forschung, 2). theker-Konferenz 1798–1898. Festschrift – Ribbe, Wolfgang: Geschichte Berlins. 2 zur Gedenkfeier ihres hundertjährigen Be- Bde. München 1987. – Schelenz, Hermann: standes. Magdeburg 1898. – Hoff, Norbert: Geschichte der Pharmazie. Berlin 1904 Pharmazeutische Vereine und Gesellschaf- (Nachdr. Hildesheim 1965). – Schmitz, Ruten von 1774 bis 1872. Ihre Geschichte un- dolf: Geschichte der Pharmazie, Bd. II: Von ter besonderer Berücksichtigung der wis- der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Von senschaftlichen Leistungen. Nat.wiss. Diss. Christoph Friedrich und Wolf-Dieter MülMarburg 1975, S. 44–46. – Jegel, August: ler-Jahncke. Eschborn 2005. – Stürzbecher, Wissenschaftliche Apothekergesellenverei- Manfred: Berlins alte Apotheken. Berlin nigungen am Anfang des 19. Jahrhunderts. 1965. – Stürzbecher, Manfred: Die ApotheIn: Deutsche Apotheker-Zeitung 105 (1965), ke in Berlin im Laufe der Jahrhunderte. Hg. S. 1384–1387. – Klein, Carl: Christian Gott- von der Apothekerkammer Berlin. Franklob Weinlig (Aus dem bewegten Leben des furt/Eschborn 1987. – [Urban, Ernst]: BerGründers der Elefantenapotheke in Berlin). liner Apotheker-Verein †. In: PharmazeutiIn: Deutsche Apotheker-Zeitung 51 (1936), sche Zeitung 78 (1933), S. 581–583.

Friedhelm Reinhard

44

2.1  Medizinischer Club [MedC]

Medizinischer Club [MedC] Name: Medicinischer Club; Medizinische Gesellschaft; auch: Medicinisch-chirurgische Gesellschaft. Gründung: Unbestimmt, vor 1791. Bestand: Unbestimmt, bis nach 1828. Geschichte und Programmatik: Die gelehrt-gesellige Ärztevereinigung wurde vermutlich schon einige Jahre vor 1791 gegründet und ist der älteste nachweisbare Verein dieser Art in Berlin. Aussagen von Mitgliedern bzw. Besuchern geben nur bruchstückhaft Einblicke in das Vereinsleben. Ernst Ludwig Heim vermerkt 1791: „Abends beim D. Kurella in dem medicinischen Club gewesen, wo ich heiter und vergnügt war. Allison u. Richter sind ganz ehrliche Leute. Kurella u. Zenker hängen den Mantel nach dem Winde, u. Theden u. Gerike [Goercke] sind keine ehrlichen Leute. […] Ich bin gebeten worden, auch ein Mitglied in dem Klub zu werden – ich glaube aber, daß ich mich nicht dazu schikk. Theils weil ich oft zu fein rede, theils auch, da ich kein eigentlicher Gelerter bin, ich manche Blöse meiner Kenntnisse zeigen würde“ (Heim, Tagebücher, 25. Juni 1791). Einige Jahre später schildert Davidson seinen Besuch in dem MedC: „Den letzten Sonnabend war ich in dem medicinischen Club. […] Die Gesellschaft besteht aus einem Theil der geschicktesten praktischen Aerzte und Wundärzte in Berlin. Der würdige Generalchirurgus Theden steht an der Spitze, und es ist eine Freude, wenn man sieht, wie munter und gesellig dieser würdige Greis ist. Er hat noch erstaunend viel Interesse für seine Kunst und ist beständig thätig. […] Ich sah auch hier den General-Chirurgus Gericke [Goercke], der bey der Rhein-Armee Proben seiner Kunst und seines menschenfreundlichen Herzens gegeben hat, den Herrn Doctor Richter, Pellisson, Bremer und mehrere der hiesigen Aerzte. Ich mußte diesen

Abend vieles von der epidemischen Constitution, der herrschenden Krankheiten, von Operationen, Sectionen, Krankengeschichten u.sw. hören, das für einen Leyen nicht sehr erbaulich ist, aber im Ganzen amüsirte ich mich dennoch, weil ich lauter Männer sah, die sich alle auf das lebhafteste für ihre Kunst interessirten, sich ganz gegenseitig ihre Beobachtungen und Erfahrungen mittheilten, darüber sprachen und raisonirten, und dadurch ihre Kunst, die nur auf Erfahrungen beruht, mehr Festigkeit und Gewißheit geben können. Ich fand auch hier einen sehr würdigen Mann, den GeneralMünz-Direktor Genz, der einzige Laye, der ein Mitglied dieser Gesellschaft ist, und ihr pünktlich beywohnt“ (Davidson, 1798, S.  23–24). [Die geschilderte Zusammenkunft ist nicht datiert, hat aber vor Thedens Tod am 21.10.1797 stattgefunden.] Die Mitgliedschaft eines einzigen Laien in einer bei Rumpf 1804 genannten „Medicinisch-chirurgischen Gesellschaft“ lässt vermuten, dass hier ebenfalls der MedC gemeint ist. Heim erwähnt den Club noch 1828: 3. Januar. „Mittags im medizinischen Klub gespeist und wurde D. Steinrück statt dem verstorbenen Medicinal R. Erhard zum Mitglied erwählt.“ – 1. Oktober. „Mittags bei Jagor im medizinischen Klub gespeist. Wurde der Physikus Baretz an Stelle des verstorbenen Meyer zum Mitglied gewählt“ (Heim, Tagebücher). Der  Sechs-Ärzte-Verein scheint eine Ausgründung aus dem MedC gewesen zu sein mit dem Ziel, im kleineren Kreis medizinische Fachfragen diskutieren zu können. Die Gründung der beiden großen Vereine 1810, der  Gesellschaft für Natur- und Heilkunde und der  Medizinisch-chirurgischen Gesellschaft, kann als Neuorientierung der Ärzteschaft gesehen werden. Es ging nicht mehr um rein gelehrte medizinische Debatten, sondern um eine Zusammenschau von 45

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Medizin und Naturkunde insgesamt, um eine Verbindung von wissenschaftlicher und praktischer Medizin sowie um die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Der MedC existierte parallel dazu weiter.

son, Arzt in Berlin; Stephan Friedrich Barez (ab 1828); Johannes Nepomuk Bremer, der erste Impfarzt in Berlin; Johann Benjamin Erhard; Johann Friedrich Gentz, Generalmünzdirektor; Johann Goercke; Ernst Ludwig Heim; Christoph Wilhelm Hufeland (ab 1801?); Ernst Gottfried Kurella; Heinrich Meyer; Jacob Philipp Pelisson, Mitglied des Ober-Collegii medici; Christian Friedrich Richter; August Heinrich Steinrück (ab 1828); Johann Christian Anton Theden; Johann Gottlieb Zenker.

Struktur und Organisation: Über Struktur und Organisation dieser Ärztevereinigung ist nichts Näheres bekannt. Die Zusammenkünfte fanden abends in Privatwohnungen statt. Erwähnt werden auch gemeinsame Mittagessen im Klub. An der Spitze stand bis zu seinem Tod der General-Chirurgus Theden. Die Mitglieder, hauptsächlich Bibliographie: Quellen: [Davidson]: Briefe praktizierende Berliner Ärzte und Wund- über Berlin. Berlin 1798, S. 23–24. – Heim, ärzte, wurden per Wahl aufgenommen; es Ernst Ludwig: Tagebuchaufzeichnungen aus konnten aber auch interessierte Laien den den Jahren 1795 bis 1834 (SBB PK, HandMitgliederstatus erwerben. Gäste waren zu schriftenabteilung, Ms. Boruss. quart 444 tt). den Zusammenkünften zugelassen. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Berlin und Potsdam. Eine Vollständige Darstellung der Mitglieder: Von den Mitgliedern konnten merkwürdigsten Gegenstände. Erstes Bändnur einige namentlich ermittelt werden: Alli- chen, Berlin 1804, S. 494.

Uta Motschmann

Pharmaceutische Gesellschaft [PharmG] Name: Pharmaceutische Gesellschaft, kurzzeitig (1796/97) auch: Pharmaceutische Gesellschaft zur Harmonie; Pharmaceutische Gesellschaft zu Berlin; Ältere Pharmaceutische Ge-

gen Mittel, von denen weiter unten die Rede seyn wird“ (§ 2 der Einrichtung und Geset-

ze der pharmaceutischen Gesellschaft zu Berlin vom September 1804).

sellschaft. Gründung: 7. Februar 1796. Auflösung: Zwischen 1834 und 1840. Versammlungsort: Angemietete, möglicherweise wechselnde Räume in der Stadtmitte (Adresse unbekannt). Programmzitat: „Der Zweck der Gesellschaft ist: 1) Genuß aller der Vortheile, welche der Mensch aus dem geselligen Umgange zieht; 2) Ausbildung in der Pharmacie und ihren Hülfswissenschaften durch gegenseitige Mittheilung individueller Kenntnisse und Erfahrungen […] und durch Benutzung derjeni46

Geschichte und Programmatik: Auch gegen Ende des 18. Jahrhunderts war der Beruf des Apothekers im Allgemeinen noch rein handwerklich geprägt und die Ausbildung erfolgte demgemäß nach wie vor in der Apotheke; dabei schloss sich einer drei- bis sechsjährigen Lehrzeit eine ebenfalls unterschiedlich lange, in der Regel mit mehrfachen Ortswechseln verbundene Servier- oder Konditionszeit als Gehilfe an, bis man dann – eventuell auch als Provisor oder als Pächter – eine dauerhafte Anstellung fand bzw. nach dem (freilich schwierigen) Erwerb einer Apotheke zu den

2.1  Pharmaceutische Gesellschaft [PharmG]

Besitzern oder Prinzipalen gehörte. Abgesehen davon, dass sich manche Apotheker bereits vordem wissenschaftlich betätigt haben, auf freiwilliger Basis Vorlesungen an der Universität besuchten und speziell in Preußen der Unterricht am Berliner Collegium medicochirurgicum (1724–1809) für die künftigen sog. Apotheker I. Klasse sogar verpflichtend war, stellte damals die Pharmazie also noch keine akademische Profession dar; vielmehr erlangte sie erst im Laufe des 19. Jahrhunderts den Rang einer eigenständigen Hochschuldisziplin, für die allerdings schon im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts verschiedene Einzelinitiativen ebenso ambitionierter wie engagierter Apotheker den Weg bereitet hatten. Dies geschah zum einen durch Gründung pharmazeutischer Privatinstitute (ab 1779; in Berlin zunächst 1789), zum anderen durch die Herausgabe fachspezifischer Zeitschriften (ab 1780; Berlinisches Jahrbuch für die Pharmacie seit 1795) und schließlich durch Etablierung berufseigener Vereinigungen (ab 1723/1774  Berliner ApothekerConferenz), wobei – vor allem mit Blick auf die jeweilige Zielsetzung – zwischen den Organisationen der Apothekenbesitzer, Pächter, Provisoren und solchen der pharmazeutischen Angestellten unterschieden werden muss: Während nämlich erstere in der Regel standespolitische und wirtschaftliche Interessen verfolgten, sollten letztere der fachlichen Ausbildung – hauptsächlich in den „Hülfswissenschaften“ Chemie und Botanik – dienen, mithin die Vervollkommnung ebenjener Kenntnisse fördern, die bei der praktischen Tätigkeit in der Apotheke nicht die angemessene Berücksichtigung erfuhren. So kam es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wiederholt zur Gründung von Gesellschaften, die zu diesem Zweck von und für Apothekergehilfen ins Leben gerufen wurden. Die älteste derartige Vereinigung entstand jedoch schon 1796 in Berlin, deren Entwicklung der nun folgende Abriss anhand der Quellen-Chronologie wiedergibt.

Die früheste veröffentlichte „Nachricht von einer pharmaceutischen Gesellschaft zu Berlin“ findet sich im Journal der Pharmacie des Jahres 1797. Die dort abgedruckten Gesetze

der pharmaceutischen Gesellschaft zur Harmonie (wie sie nur an dieser Stelle und 1796 im Protokollbuch der Berliner Apotheker-Conferenz [Stürzbecher, S. 34] genannt wird) bestehen aus neun kurzen Abschnitten, die im Wesentlichen organisatorische Regelungen beinhalten. Demnach wurden Mitteilungen der Vorsteher im „Versammlungszimmer“ zur Einsicht und schriftlichen Meinungsäußerung ausgelegt bzw. in wichtigen Fällen durch Umlauf allen Mitgliedern bekannt gemacht, die sich ihrerseits zur Vermeidung von Streitigkeiten und zur pünktlichen Beitragszahlung verpflichten mussten, andernfalls ihnen der Ausschluss aus der Gesellschaft drohte; ferner hatten sie (wie auch in den Lesezirkeln anderer berufsbezogener Vereine üblich) Zeitungen, Journale und Bücher nach der Lektüre wieder an den dafür bestimmten Ort zu stellen und „Circuläre“, also Rundschreiben der Vorsteher, mit einem entsprechenden Vermerk möglichst bald weiterzuleiten. Die Einführung eines Freundes in die Gesellschaft – vorausgesetzt, er widmete sich der Pharmazie – war jedem Mitglied dreimal im Jahr möglich und bedurfte der Bestätigung durch die Vorsteher, während diejenigen, die Berlin verließen, ein Zertifikat erhielten und weiterhin Mitglieder blieben. Im Übrigen wurde dem geselligen Aspekt insofern Rechnung getragen, als man das Kartenspielen in der Gesellschaft ausdrücklich gestattete, sofern der Einsatz nicht mehr als einen Pfennig betrug; wer indes höher spielen wollte, dem stand „unten eine Tabagie“ zur Verfügung (was den Schluss zulässt, dass sich das Versammlungszimmer über einer Gaststätte mit Raucherlaubnis befand). Von wissenschaftlichen Aktivitäten ist in diesen ersten Gesetzen hingegen keinerlei Rede, obwohl es solche schon von Anfang an gegeben hat, wie aus zwei ebenfalls in Trommsdorffs 47

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Journal von 1797 veröffentlichten Zeugnissen der angestrebte wissenschaftliche Erfolg inhervorgeht. So wird zunächst in einem un- des noch nicht im gewünschten Maß erzielt datierten, jedoch offenbar vom 1. März 1796 werden konnte, erschien den Mitgliedern zustammenden Schreiben der PharmG an das nehmend eine „Erneuerte Einrichtung der Berliner Ober-Collegium Medicum darüber pharmazeutischen Gesellschaft in Berlin“ als berichtet, dass die bereits 1782 befohlene An- notwendig; unter diesem Titel stellte daher schaffung eines Herbarium vivum aller offi- ein kurzer anonymer Aufsatz im Berlinischen zinellen Pflanzen zwar durch „sämmtliche Jahrbuch für die Pharmacie von 1800 nun in Besitzer von Officinen“ getätigt worden, den der Tat entscheidend erweiterte und strenger konditionierenden Apothekern aber daraus formulierte Gesetze vor, die dann auch als „kein sonderlicher Nutzen“ erwachsen sei; Grundlage für die spätere Neufassung der diese hätten sich deshalb „in einer […] phar- Statuten dienten. Demnach war vorgesehen, maceutischen Gesellschaft verbunden“, um dass die Gesellschaft – die „nur die Pharmadie eigenen wissenschaftlichen Kenntnisse zu zie und die mit ihr verwandten Disciplinen mehren und ein derartiges Herbarium selbst zum Hauptgegenstande hat“ – sich „einen erzu sammeln, wofür man nun um Unterstüt- fahrnen und in Ansehen stehenden Mann als zung bitte. In der Antwort „an die hiesigen ihren Dirigens oder Curator“ wählt und sich Apothekergesellen“ vom 18. März 1796 er- „wegen der verschiedenen Tage, an welchen klärte sich die Königlich-Preußische Behör- die conditionirenden Pharmazeuten von ihde denn auch voll damit einverstanden, wies ren Geschäften dispensirt sind“, fortan in aber zugleich darauf hin, dass „zu dieser Ab- zwei Abteilungen mit jeweils einem Vorstesicht eine besondere Gesellschaft […] ganz her und einem Bibliothekar gliedert. Für eine unnöthig“ sei und eine solche „ganz und gar Aufnahme in die Gesellschaft – heißt es weinicht unter der Autorität des Ober-Coll[egii] ter – kommen allein solche Personen in FraMedici errichtet werden“ könne. Gleichwohl ge, die „entweder die Pharmazie erlernet haließen sich die Apothekergehilfen dadurch ben oder sich mit den dazu erforderlichen nicht von ihren Plänen abhalten: War es die- Wissenschaften beschäftigen“; Interessenten sen jungen Leuten – laut der im selben Jour- müssen zunächst ihre Zeugnisse vorlegen nal-Band abgedruckten Zuschrift eines und hierauf eine Probezeit von wenigstens „Herrn S[chrader?] in Berlin“ – doch „ein zwei Monaten absolvieren, die allerdings wahrer Ernst, sich in ihrem Fache zu vervoll- kürzer oder auch ganz ausfallen kann, wenn kommnen“, weshalb sie „bey einem Hermb- „der Competent bereits schon legitimirt“ ist. städt, Klaproth und andern würdigen Män- Präzise angegeben wurde nun auch der von nern ihre Kenntnisse zu erweitern“ suchten, jedem Mitglied zu leistende Beitrag, der aus an die 100 Reichstaler für eine Bibliothek zu- einem Eintrittsgeld von einem Reichstaler, sammengebracht und „auch von hiesigen einem vierteljährlichen Zuschuss von 18 wackern Leuten in ihren löblichen Unter- Groschen und der jährlichen Lieferung von nehmungen“ Förderung erfahren haben; zwölf Pflanzenexemplaren, die „dem Herbafrühmorgens von vier bis sieben Uhr veran- rio vivo einverleibt werden“, bestehen sollte; stalteten sie mit Beteiligung der Lehrlinge dafür gewährt die Gesellschaft, die „sich eine botanische Exkursionen, bezogen ausländi- eigene Wohnung [!] gemiethet“ hat, über ein sche Pflanzen von verschiedenen Gärten und besonderes „Entree-Billet“ Zutritt zu der verpflichteten in ihrer Gesellschaft jeden, dort „befindlichen von Zeit zu Zeit größer „eine chemisch-pharmaceutische Ausarbei- werdenden Bücher- und Pflanzensammlung, tung zu liefern, welche nach Ablesung der wie auch der Materia medica viva“. In wisPrüfung unterworfen“ wurde. Weil damit senschaftlicher Beziehung bedeutsam war in48

2.1  Pharmaceutische Gesellschaft [PharmG]

des vor allem die Festschreibung der schon seit 1797 angebotenen Lektionen, d. h. die erklärte Absicht, weiterhin „jedes Winterhalbejahr […] eine Vorlesung in der Chemie, und jedes Sommerhalbejahr eine dergleichen in der Botanik“ zu veranstalten, wofür sich die Gesellschaft einen Lehrer wählt, mit dem sie „in Vergleichung der wissenschaftlichen mit der ökonomischen Hinsicht am zufriedensten seyn zu können glaubt“; der Besuch dieser Vorlesungen steht jedem Mitglied frei, weshalb die Kosten auch nur auf die tatsächlichen Teilnehmer umgelegt werden. Was die üblichen eigenen Ausarbeitungen betraf, so hatte man künftig die Themen entweder selbst auszusuchen oder durch den Curator bestimmen zu lassen und an den entsprechenden Tagen in Gegenwart eines „Opponenten“ vorzutragen; dabei sollte der Curator die einer „öffentlichen Bekanntmachung werthen“ Abhandlungen herausstellen, und ein möglicherweise dadurch erworbenes Honorar der Gesellschaft zufallen – ein in den späteren Statuten nicht wieder auftauchender Passus, was nicht verwundert, da unmittelbar aus diesem Kreis hervorgegangene Publikationen auch nicht bekannt geworden sind. In organisatorischer Hinsicht forderte der Plan, dass die für die Kasse verantwortlichen Vorsteher zu gewissen Zeiten und besonders am jährlichen Stiftungstag Rechnung legen, wobei ein Überschuss der Gelder zur Vermehrung der Bibliothek oder sonst zum Nutzen des Ganzen verwendet und zudem dafür gesorgt werden sollte, das bereits vorhandene kleine Kapital zu vergrößern und „an sichern Orten gegen Zinsen“ unterzubringen. Ferner wurden im Fall anstehender Entscheidungen jedem Mitglied eine, jedem Vorsteher aber zwei Stimmen zugebilligt, während das letzte Wort über das mehrheitlich Beschlossene dem Curator vorbehalten blieb. Abschließend nimmt der Entwurf für eine Erneuerung der PharmG die Mitglieder noch in die Pflicht, stets auf deren „moralische Würde“ zu achten und insbesondere darauf zu sehen,

dass niemand „die Geschäfte seiner Condition auf irgend eine Weise vernachlässige, oder sonst durch unordentliches Betragen seinem Prinzipal eine Ursache zur Unzufriedenheit darbiete“, andernfalls er mit einem Ausschluss aus der Gesellschaft zu rechnen habe; ebendeshalb sei denn auch „jedes Mitglied verpflichtet, irgend eine Zusammenkunft in der […] gemietheten Wohnung noch vor 10 Uhr des Abends zu endigen und nach Hause zu gehen“. Dieses Konzept, das neben einer strafferen Vereinsführung betont den wissenschaftlichen Anspruch in den Vordergrund rückte, bildete die Basis für jene Statuten, die – präzisiert und teilweise erweitert – im September 1804 beschlossen wurden und dann fast zwei Jahrzehnte lang die Programmatik definitiv bestimmten. Die aus zwölf meist vielfach untergliederten Paragraphen bestehende Neufassung der Einrichtung und Gesetze der pharmaceutischen Gesellschaft zu Berlin, die Adolph Ferdinand Gehlen 1805 im Journal der Pharmacie (und im Rahmen einer größeren Abhandlung – gekürzt sowie formal und zum Teil inhaltlich abgewandelt – im Berlinischen Jahrbuch für die Pharmacie) veröffentlichte, wird mit einer kleinen „Geschichte der Gesellschaft“ eingeleitet, in der erstmals auch von deren eigentlichem Initiator die Rede ist. Demnach hatte am 11. Januar 1796 ein damals in Berlin angestellter junger Apothekergehilfe aus Sachsen namens Moebius (zu dem sich keine näheren Angaben ermitteln ließen) „auf den Wunsch mehrerer“ hin sämtliche dort konditionierenden Pharmazeuten in einem Rundschreiben eingeladen, „sich zur gemeinschaftlichen Thätigkeit in der Bemühung für ihre Ausbildung zu vereinigen“. Bereits am 7. Februar fand die erste Versammlung statt, am 18. März versicherte (wie eingangs erwähnt) das Ober-Collegium Medicum die Gesellschaft „der höchsten Zufriedenheit mit ihrem Bestreben“ und am 24. Mai wurde ihr in einem Schreiben auch die „besondere Billigung“ seitens der Apotheken49

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

besitzer mitgeteilt (die sich selbst 1723 in einem zunächst nur sehr lockeren Verbund, ab 1774 dann als  Berliner Apotheker-Conferenz zusammengeschlossen hatten); außerdem ließen die „Herren Principale“ der Gesellschaft 88 Taler zur Anschaffung von Büchern zukommen, die einzelne Apotheker noch um spezielle Sachgeschenke ergänzten. Ferner wird berichtet, dass schon im Wintersemester 1797 die ersten chemischen Vorlesungen und im Sommerhalbjahr 1798 solche über Botanik gehalten worden seien und sich diese Einteilung seither beständig fortgesetzt habe. Schließlich erklärten sich 1801 die Apothekenbesitzer zu einer „freywilligen bestimmten baaren Unterstützung“ pro Jahr bereit (mit Ausnahme des Dr. Christian Gottfried Flittner, dessen Kritikpunkte Gehlen in einer längeren, sehr aufschlussreichen Fußnote zu entkräften suchte [s. Klenke, S. 162]). – Im März 1822 erhielten die Statuten von 1804 eine neue Fassung, in der einleitend die Geschichte der Gesellschaft hinsichtlich der Stellenbesetzungen und des Vorlesungsangebots bis zu diesem Zeitpunkt fortgeschrieben wurde. Dass die PharmG (deren Ende in der älteren Literatur bisweilen mit dem Jahr 1812 angegeben wird) 1822 noch sehr aktiv war, belegen darüber hinaus mehrere Dokumente, die sich im selben Aktenbestand wie diese letzte, handschriftliche Aufzeichnung der Einrichtung und Gesetze finden. So hatte man das Preußische Kultusministerium „besonders wegen der hohen […] Miethe“ (für das nirgends näher genannte Vereinslokal) um Unterstützung gebeten, woraufhin der damals amtierende Erste Direktor am 13. März 1822 ein Schreiben an den Minister Karl Frhr. vom Stein zum Altenstein sandte, der eine genauere Auskunft über die Gesellschaft wünschte; beigefügt waren deren soeben verabschiedete Gesetze samt einem längeren Brief des Curatoriums vom 12. März, in dem zunächst darauf hingewiesen wird, dass „während der 26 Jahre, welche diese Anstalt nunmehr besteht, ohn50

gefähr 1200 bis 1300 der Pharmacie sich gewidmete [!] junge Männer ihre Kenntniße durch Hülfe dieses Vereins vermehrt und ausgebildet, und die Früchte davon im Inund Auslande verbreitet haben. Jetzt zählt die Gesellschaft 60 und einige wirkliche Mitglieder“. Ermutigt durch das bekundete Interesse des Ministers und in der Hoffnung auf dessen Protektion wird sodann um die Genehmigung der anliegenden Gesetze und die Bewilligung eines öffentlichen Siegels ersucht (wozu Altenstein am Rand des Briefes vermerkte, dass ihm „nicht deutlich“ sei, „was die Gesellschaft, die m. E. am besten eine Privatgesellschaft bleibt“, damit wolle). Der Minister wandte sich daraufhin an den König, dem er die Vereinigung – laut einem Briefentwurf vom 24. Juni 1822 – wie folgt vorstellte: „Es hat sich seit dem Jahre 1796 in der hiesigen Residenz eine pharmaceutische Gesellschaft gebildet, deren Zweck es ist, jungen Pharmaceuten, die kein hinlängliches Vermögen besitzen, um sich auf eigne Kosten mehrere Jahre dem Studium der Apothekerkunst ausschließend widmen zu können, die nöthigen hauptsächlich theoretischen Kenntniße ihres Fachs zu verschaffen und überhaupt das Feld ihres Wissens möglichst zu erweitern. Die Gesellschaft besteht aus den Besitzern [!] der Apotheken in Berlin, einigen Gelehrten dieses Faches wie dem Geh[eimen] Med[izinal] Rath Hermbstädt und jungen sich durch Bildung und gute Empfehlung auszeichnenden Pharmaceuten. Sämmtliche Mitglieder geben große Beyträge zur Erhaltung der Gesellschaft, und die ältern Mitglieder stehen den jüngern durch Unterricht und Belehrung zur Seite. Der Zweck ist im Allgemeinen bei den Mitgliedern der Gesellschaft bisher glücklich erreicht worden“. Sie verdiene daher „die Vorsorge des Staats für ihre Fortdauer und erfolgreiche Wirksamkeit, da die Bildung tüchtiger Pharmaceuten bey der bedeutenden Entwicklung der Hülfswissenschaften der Chemie und Naturlehre immer […] wichtiger wird“; zwar müsse die Gesell-

2.1  Pharmaceutische Gesellschaft [PharmG]

schaft die Mitglieder nach wie vor zur Be- großes Herbarium und eine pharmaceutigleichung der Unterhaltungskosten heranzie- sche Waaren-Sammlung“ (Zedlitz, S. 583– hen, doch würde ihr „eine besondere Er- 584). Die letzte Nachricht über diese Vereileichterung […] dadurch erwachsen, wenn nigung ist schließlich einer aus Anlass von ihr das zu ihren Versammlungen und zur Lucaes Tod (1848) verfassten Biografie zu Auf bewahrung der Bibliothek pp erforderli- entnehmen, die 1849 im Archiv der Pharmache Lokale unentgeldlich eingeräumt werden cie erschien und hinsichtlich der verschiedekönnte, wozu sich vielleicht späterhin ein pa- nen Mitgliedschaften des Verstorbenen auch ßendes Local wird ermitteln lassen“. Vorerst folgende Anmerkung (S. 217) enthält: „Die aber beantragte der Minister für die Gesell- hiesige pharmaceutische Gesellschaft, welschaft nur ein außerordentliches Geschenk cher er gleichfalls angehörte, und deren Vorvon 200 Talern, dessen Bewilligung ihr „zu- stand er zuletzt gewesen ist, gerieth schon gleich als Beweis der Anerkennung ihrer Ver- innerhalb der ersten Jahre seines Etablissedienste zur Aufmunterung gereichen“ werde. ments in Verfall, und hat es demselben, seiDie am 30. Juni 1822 erfolgte Genehmigung ner Bemühungen ungeachtet, nicht gelingen Friedrich Wilhelms teilte Altenstein am 7. wollen, deren gänzliche Auflösung zu verJuli dem Curatorium mit – nicht ohne auf des hindern, was ihn sehr betrübte“. Nach dieKönigs Erwartung hinzuweisen, dass „die sem Zeugnis darf es somit wohl als sicher Gesellschaft, welche den bisherigen Charac- gelten, dass die Gesellschaft – auch wenn ter eines Privat-Unternehmens beibehalten sich Lucaes Vorstandstätigkeit nicht genau muß, sich auch künftig wie bisher durch sich datieren lässt – spätestens um 1840 nicht selbst in ihren von dem Ministerio wohlge- mehr existierte. fällig anerkannten Bestrebungen erhalten Im Jahre 1846 konstituierte sich erneut eine werde“. Dementsprechend heißt es in dem Pharmaceutische Gesellschaft in Berlin, der als Dankschreiben des Curatoriums an Alten- „ordentliche Mitglieder“ allein die dort stustein vom 25. Juli 1822, man wolle sich, dierenden und konditionierenden Pharmawenngleich „unsere Wünsche für das Beste zeuten angehörten; die Statuten liefern jeder Gesellschaft nicht ganz erreicht sind“, doch keinerlei Anhaltspunkte für die naunvermindert darum bemühen, den durch heliegende Vermutung, es könne sich dabei das königliche Geschenk beabsichtigten Nut- vielleicht um eine Wiederbelebung der vorzen zu vervollkommnen und „vielleicht in ausgegangenen Gesellschaft von 1796 gehander Zukunft die gewünschte Allerhöchste delt haben. Im Übrigen scheint diese NeuBerücksichtigung zu verdienen“. Diese Zu- gründung – die in Organisation und Prokunft währte dann wenigstens noch zwölf grammatik weitgehend dem Münchener Jahre, wie aus einem Bericht von 1834 her- Verein studierender Pharmazeuten von 1831 vorgeht: Demnach führte damals der Berliner entsprach (Hoff, S. 209) – nicht sehr lange Apotheker Dr. August Friedrich Theodor aktiv gewesen zu sein; ihr Initiator und ersLucae als Direktor mit zwei Vorstehern das ter Präsident, der Apotheker Medizinalrat Curatorium, und die Versammlungen fanden Dr. Johannes Müller, stiftete nämlich 1856 jeden Mittwoch abends – gewöhnlich samt ein Stipendium, dessen Verwaltung er inVorträgen oder Examinationen – von 7 bis des dem Direktorium des Apotheker-Ver10 Uhr statt; auch die Vorlesungen über Che- eins in Norddeutschland und nicht – einem mie und Botanik wurden wie bisher fortge- ihrer deklarierten Zwecke („dürftige Collesetzt und die Gesellschaft unterhielt neben gen während ihrer Studienzeit in Berlin zu der Bibliothek weiterhin „einen Journalzir- unterstützen“) folgend – der von ihm zehn kel der lehrreichsten Blätter, ein ziemlich Jahre zuvor ins Leben gerufenen Gesellschaft 51

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

anvertraute, die in der Stiftungssatzung auch sonst keine Erwähnung findet. Struktur und Organisation: Gemäß den Statuten von 1804 bestand die PharmG aus dem „Curatorium“ und den „wirklichen Mitgliedern“, wobei sich ersteres aus zwei Direktoren, einem Obervorsteher und zwei Vorstehern zusammensetzte. Davon waren die Direktoren für alle wissenschaftlichen Belange wie überhaupt für „das Ganze der Gesellschaft“ zuständig und deren Stellen einem der ortsansässigen Apothekeninhaber oder einem „andern hiesigen Gelehrten“, der über hinreichende Kenntnisse in der Pharmazie verfügte, vorbehalten. Der Obervorsteher hingegen hatte die Kasse sowie die Akten in seiner Verwahrung und führte außerdem die Generalaufsicht über die verschiedenen Sammlungen. Die zwei Vorsteher schließlich, die vom Curatorium aus der Reihe der wirklichen Mitglieder gewählt wurden, zeichneten für die Einhaltung aller Bestimmungen in ihrer jeweiligen Abteilung verantwortlich; es gab nämlich zwei Sektionen, auf die sich die Mitglieder nach den verschiedenen „Ausgehtagen“ (Sonntag bzw. Montag) verteilten. Für eine Aufnahme in die Gesellschaft kamen nur solche Personen in Frage, „welche die Pharmazie wirklich erlernt haben“ und sich in Berlin „entweder als dienstthuende Gehülfen oder als Studirende“ aufhielten; Interessenten hatten sich unter Überreichung ihrer Zeugnisse bei dem Obervorsteher zu melden und zunächst als Gast eine Probezeit von zwei Monaten zu absolvieren, ehe man über die Aufnahme entschied, für die ein Gehilfe in der ihn betreffenden Abteilung mindestens ein Viertel der dort abgegebenen Stimmen benötigte. Wem schließlich alle Rechte und Verbindlichkeiten eines Mitglieds zugestanden wurden, der musste in die Kasse vier Groschen für ein Exemplar der Statuten, einen Taler Antrittsgeld und dann vierteljährlich einen Beitrag von 18 Groschen einzahlen. – Zur Pflege des „ge52

sellschaftlichen Umgangs“ besaß die Vereinigung ein „aus zwey Zimmern“ bestehendes „angemessenes Locale“, das „möglichst mitten in der Stadt in einer guten Gegend“ situiert sein sollte; dort waren die verschiedenen Sammlungen untergebracht und fanden auch „jeden Sonntag und Montag der Woche“ die Zusammenkünfte statt, die „an drey Ausgehetagen […] wenigstens ein Mal“ besucht werden mussten und deren wiederholtes Versäumnis (Krankheitsfälle ausgenommen) entsprechend sanktioniert wurde. Was hingegen den eigentlichen Zweck der Gesellschaft, nämlich die Ausbildung in der Pharmazie betraf, so bot das Curatorium – teils unter Mitwirkung einiger von außen zugezogener Referenten – jeden Winter Vorlesungen über Chemie und jeden Sommer solche über Botanik an, die auch Lehrlinge besuchen durften und die man gesondert zu bezahlen hatte. Außerdem hielt die Gesellschaft eine Reihe von Kollektionen bereit, die allen Mitgliedern zur Verfügung standen: so eine von zwei angestellten Bibliothekaren beaufsichtigte Büchersammlung einschließlich periodischer Schriften und gelehrter Zeitungen, die man untereinander zirkulieren ließ und deren Benutzung detailliert geregelt war; zum anderen eine Pflanzensammlung, die nicht nur aus dem Fonds der Gesellschaft vermehrt wurde, sondern auch durch besondere Sachspenden (etwa eine ‚Flora Berolinensis‘) einzelner Mitglieder sowie durch die Verpflichtung aller, jährlich zwölf tadellose und noch nicht im Besitz der Gesellschaft befindliche Pflanzenexemplare abzuliefern; schließlich eine Sammlung roher Drogen und chemisch-pharmazeutischer Präparate, die nicht zuletzt zur Demonstration im Rahmen der von den Vereinsangehörigen selbst gehaltenen Vorträge dienten. Um nämlich das wissenschaftliche Arbeiten zu üben, hatte jedes Mitglied – sofern seit einem Jahr in Berlin – zwei Abhandlungen über Gegenstände der pharmazeutischen Chemie bzw. der Warenkunde zu verfassen, wobei die Themen von

2.1  Pharmaceutische Gesellschaft [PharmG]

den Direktoren vorgegeben wurden; diese Gegenstande haben“, und die ZusammenVorträge mussten zwar keine „Meisterstücke“ künfte sollten „um halb 10 Uhr Abends besein und nicht unbedingt Neues bieten, soll- endigt seyn“. Abschließend wird den Mitten aber das Bekannte zumindest „in einer gliedern noch die Erlaubnis erteilt, interesguten Ordnung“ und vielleicht durch eigene sierte Fremde in die Gesellschaft einzufühErfahrung angereichert „in acht Zusammen- ren, was jedoch „bey einer Person nur einmal künften wenigstens zwey Mal und abwech- geschehen“ konnte. – Von all diesen Bestimselnd“ präsentieren. – Ihre Ausgaben bestritt mungen weicht die im März 1822 verabschiedie PharmG im Wesentlichen aus den Beiträ- dete Fassung der Statuten zwar nicht wesentgen der Mitglieder, wozu noch der jährliche lich ab, weist aber neben manchen NeureZuschuss seitens der Apothekenbesitzer kam; gelungen im Detail doch einige bemerkensfür außerordentliche Fälle stand ihr eine Re- werte Änderungen bzw. Erweiterungen auf. serve von 300 Talern zur Verfügung, die in- So bestand laut Paragraph 3 die Vereinigung des stets wieder ausgeglichen werden muss- außer dem Curatorium und den wirklichen te. Ferner unterhielt sie einen aus Teilen der Mitgliedern nun auch aus Ehrenmitgliedern, Beiträge und durch alle Strafgelder gespeis- deren Ernennung „den Beschluß des ganzen ten Armenfonds zur Unterstützung von in Vorstandes“ erforderte und wozu nur „MänNot geratenen konditionierenden Apothe- ner von anerkanntem Verdienst und besonkern. Im Übrigen stellte das Curatorium den ders tüchtige und wissenschaftliche Apothevon Berlin abgehenden Vereinsangehörigen ker des In- und Auslandes [!] gewählt werein mehr oder minder belobigendes Zeug- den“ konnten. Diesen hohen Anspruch der nis aus, das dazu befugte, bei einer Rück- Gesellschaft betont desgleichen ein jeweils kehr „ohne weitere Umstände wieder in alle neuer, längerer Abschnitt innerhalb der PaRechte und Pflichten eines Mitglieds“ ein- ragraphen 5 und 7, indem „das Vortragen zutreten, was ansonsten und zumal bei be- schriftlicher Bemerkungen über pharmaceustehenden „Verbindlichkeiten gegen die Ge- tisch-chemische oder botanische Gegensellschaft“ nicht möglich war. – Der vorletz- stände in den Versammlungen“ als „besonte Abschnitt der Statuten von 1804 ist der ders empfehlenswürdig“ herausgestellt wird, jährlichen Stiftungsfeier gewidmet, die stets denn „selbständige Umsicht und überhaupt in beiden Abteilungen an zwei aufeinander- höhere Bildung sind die Früchte durchdachfolgenden Sonntagen als Pflichtveranstaltung ter Aufsätze, vorzüglich wenn es möglich ist, begangen wurde und in deren Rahmen die prüfende Versuche damit zu verbinden“; um Namen verdienter Mitglieder, aber auch sol- den Zusammenkünften „mehr Interesse zu cher, die wiederholt getadelt oder gar ausge- geben“, hat man auch „die seit Jahren eingeschlossen worden waren, Erwähnung finden führten Examinatoria“ beibehalten, in deren sollten. Paragraph 12 führt dann noch „Eini- Rahmen das jeweils „wachhabende“ Mitge allgemeine Bestimmungen“ auf, die zu- glied Prüfer war und sich „mit den Anwenächst jeden zu einem „moralisch-guten und senden über verschiedene Gegenstände der anständigen Betragen“ auch außerhalb der Chemie und Pharmacie“ unterhielt, die „aus Gesellschaft verpflichten und insbesonde- der Pharmacopoe [also dem damals gültigen re die konditionierenden Apotheker ermah- preußischen Arzneibuch] nach alphabetischer nen, sich „keine Nachlässigkeit und Unacht- Ordnung ausgehoben“ wurden; dabei erwarsamkeit“ in ihren Dienstgeschäften zu Schul- tete man, dass sich der betreffende Examiden kommen zu lassen. Ferner durften „die nator „nach beßter Kraft“ dazu vorbereitegesellschaftlichen Unterhaltungen […] keine te, weil „nichts nachtheiliger als oberflächlihäuslichen Verhältnisse der Mitglieder zum ches Hinwegeilen über alle Gegenstände“ ist, 53

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

während andererseits das Curatorium „eine musterhafte Führung der Unterhaltung stets mit besonderem Lobe“ anerkannte. Mitglieder: Da keinerlei Mitgliederverzeichnisse existieren, sind weder alle der Gesellschaft angehörenden Einzelpersonen noch deren – im Lauf der Zeit überdies wechselnde – Gesamtzahl bekannt. Einen gewissen Anhaltspunkt für die ungefähre Größenordnung bietet indes zunächst eine (heute offenbar nicht mehr vorhandene) Liste, laut der es 1798 in den damals 24 Berliner Apotheken 55 Gehilfen und Lehrlinge gab (Adlung, S. 18), was in etwa auch für das Jahr 1804 zutrifft (Rumpf, S. 495); zum anderen ist 1806 davon die Rede, dass die Zahl der „aus den hier conditionirenden jungen Apothekern bestehenden“ Mitglieder bei den wöchentlichen Zusammenkünften „gewöhnlich 30 bis 50“ betrug (Gädicke, S. 453); schließlich wird 1822 in dem bereits zitierten Schreiben des Curatoriums an den Minister v. Altenstein auf die „ohngefähr 1200 bis 1300 […] jungen Männer“ verwiesen, die während der letztvergangenen 26 Jahre ihre Kenntnisse mithilfe der Gesellschaft vervollkommnet hatten, der zum damaligen Zeitpunkt etwas mehr als 60 „wirkliche Mitglieder“ angehörten. – Aus den unten aufgeführten Quellen wurden auch die folgenden Angaben (tunlichst mit Ergänzung der dort stets fehlenden Vornamen und dem Versuch einer [teilweise unsicheren] zeitlichen Einordnung) zusammengestellt, die einen, wenngleich nur unvollständigen, Überblick über die in der PharmG maßgebend aktiven Personen – darunter so prominente wie Gehlen, Hermbstaedt, Klaproth, Richter, Rose oder Sprengel – ermöglichen; bei diesen Mitgliedern handelt es sich allerdings nicht um solche der eigentlichen Zielgruppe, also Apothekergehilfen, sondern um mehrheitlich als Funktionsträger tätige Apothekenbesitzer bzw. Fachgelehrte, von denen die eingeladenen Referenten zudem nicht in jedem Fall auch „wirkliche Mitglie54

der“ der Gesellschaft gewesen sein müssen. – I. Curatorium: a) Erste Direktoren: Jere­ mias Benjamin Richter (1799–1805), Valentin Rose d. J. (1806–1807), Martin Heinrich Klaproth (1807–1816), Sigismund Friedrich Hermbstaedt (1817–1822). – b) Zweite Direktoren: Rose d. J. (1802–1805), Christian (?) Gottlieb Bergemann (1806–1822). – c) Obervorsteher: Bergemann (1802–1806), Johann Daniel Riedel (1822). – d) Vorsteher: Buck (bis 1804), Adolph Ferdinand Gehlen (1804), Johann Ludwig (?) Friedrich (ab 1805), Riedel (1814), Mühlmann (1814), Kindler (1822), Christian Gottlieb Wittstock (1822). – II. Referenten: a) für Chemie: David Ludwig Bourguet (1797), Richter (1799), Rose d. J. (1800–1806), Karl Daniel T(o)urte (1807–1821), Hermbstaedt (ab 1822). b) für Botanik: Christian Konrad Sprengel (1798– 1801), Bergemann (1802–1808), Friedrich Gottlob Hayne (1809–1822). – III. Sonstige: (Apothekergehilfe?) Bumke (Aufseher über die Pflanzensammlung), Johann Gottfried Hempel (von dem die Gesellschaft „einen schönen Schrank“ erhielt [Journal der Pharmacie, S. 205]), (Apothekergehilfe?) A. Meyer (Aufseher über die Pflanzensammlung), Apothekergehilfe Moebius (der „Stifter“ der Gesellschaft), Philipp Ferdinand Schwanfeld (der im Namen der Gesellschaft auswärtigen Mitgliedern „auf Verlangen in Berlin Konditionen“ verschaffte [Nicolai 1799, S. 156]), Heinrich Daniel Tiefensee (der sich um „die Anstellung unversorgter Apothekergehülfen“ kümmerte [Nicolai 1816, S. 166]), Gabriel Heinrich Wendland d. Ä. (dem die Gesellschaft „Ma[c]quer’s chemisches Wörterbuch“ zu verdanken hatte [Gehlen, S. 202 bzw. 37 f.]). Ähnliche Vereinigungen: Man hat die 1796 ohne Vorbild ins Leben gerufene Pharmaceutische Gesellschaft zu Berlin mit einigem Recht als „die erste, rein wissenschaftlichen Zwecken dienende [pharmazeutische!] Vereinigung“ in Deutschland bezeichnet (Adlung/ Urdang, S. 253), der dann schon sehr bald

2.1  Pharmaceutische Gesellschaft [PharmG]

(einschließlich des deutschsprachigen Auslandes) weitere derartige Gründungen durch und für konditionierende bzw. studierende Pharmazeuten folgten: so bereits 1801 die Gesellschaft deutscher pharmazeutischer Gehilfen in Bern (deren im Jahr zuvor angestrebte Kontaktaufnahme mit der Berliner Gesellschaft von dieser „der dabey obwaltenden Umstände wegen“ [Gehlen, S. 204 bzw. S. 54] verweigert wurde), 1802 die Pharmazeutisch-chemische Lesegesellschaft in Wien und 1803 die

Gesellschaft korrespondierender Pharmazeuten in Augsburg/Aschaffenburg; hierauf 1818 die Pharmazeutische Gesellschaft in Hamburg (die sich – wie schon ihre kurzlebige Vorgängerin von 1801 – „eng an das Vorbild der Berliner Gesellschaft“ [Hoff, S. 218] anlehnte), 1821 die Pharmazeutische Gesellschaft in Breslau und der Chemisch-pharmazeutische Leseverein in Prag, 1824 die Pharmazeutische Gesellschaft der Apothekergehülfen in Halle und 1831 der Verein studierender Pharmazeuten in München; später noch 1843 der Pharmazeutisch-naturwissenschaftliche Verein zu Jena, 1846 die (bereits genannte Müller’sche) Pharmazeutische Gesellschaft in Berlin, 1848 ein Verein konditionierender und studierender Pharmazeuten sowohl in Leipzig als auch (um dieselbe Zeit) in Dresden und andere mehr. – Nachdem im Jahre 1875 reichseinheitlich ein dreisemestriges Universitätsstudium für alle Pharmazeuten obligatorisch geworden war, gründete 1890 der Apotheker Dr. Hermann Thoms, damals wissenschaftlicher Leiter der Chemischen Fabrik von J. D. Riedel in Berlin, dort erneut eine Pharmaceutische Gesellschaft. Diese – bis heute aktive – Vereinigung hat jedoch mit der 1796 durch den Apothekergehilfen Moebius initiierten (und später oft als „Vorläuferin“ bezeichneten) Gesellschaft nur den Entstehungsort sowie den anfänglichen Namen gemein, der 1895 dann in Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft geändert wurde. Bibliographie: 1) Ungedruckte Quellen: GStA PK Berlin: I. HA Rep. 76 Kultusmi-

nisterium VIII A Nr. 2275, Bl. 1v–41v: Bl. 6r– 19r: Schrei­ ben Hermbstaedts an Minister v. Altenstein vom 13. März 1822 mit Anlage (Brief des Curatoriums der Gesellschaft an Altenstein vom 12. März 1822 samt „Einrichtung und Gesetze der Pharmaceutischen Gesellschaft zu Berlin“); Bl. 22r–23r: Entwurf eines Briefes von Altenstein an den König vom 24. Juni 1822 und dessen Antwort vom 30. Juni 1822; Bl. 23v–25v: Schreiben Altensteins an das Curatorium der Gesellschaft vom 7. Juli 1822 und dessen Antwort vom 25. Juli 1822. – 2) Gedruckte Quellen: Archiv der Pharmacie. Der ganzen Folge 98. Band. Hg. v. Heinrich Wackenroder und Ludwig Bley. 116–122: Statuten der Hannover 1846, S.  pharmaceutischen Gesellschaft in Berlin, entworfen vom Vorstande der Gesellschaft und den Mitgliedern derselben in der Versammlung am 8. Juni 1846; der ganzen Folge 107. Band. Hg. v. Heinrich Wackenroder und Ludwig Bley. Hannover 1849, S.  209–223: Zur Biographie Lucae’s; der ganzen Folge 139. Band. Hg. v. L[udwig] Bley. Hannover 1857, S.  228–230: Statuten der Müller’schen Stiftung für studirende Pharmaceuten. – Berlinisches Jahrbuch für die Pharmacie und für die damit verbundenen Wissenschaften auf das Jahr 1800. Sechster Jahrgang. Berlin (1800), S. 287–294: Erneuerte Einrichtung der pharmazeutischen Gesellschaft in Berlin. – Gädicke, Johann Christian: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend. Enthaltend alles Merkwürdige und Wissenswerthe von dieser Königsstadt und deren Gegend. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806, S. 452–453. – Gehlen, A[dolph] F[erdinand]: Einrichtung und Gesetze der pharmaceutischen Gesellschaft zu Berlin. In: Journal der Pharmacie für Aerzte, Apotheker und Chemisten. (Hg.) v. Johann Bartholmä Trommsdorff. Vierzehnten Bandes erstes Stück. Leipzig 1805, S. 201–234. – Gehlen, Adolph Ferdinand: Ueber die herrschende Tendenz zur Vervollkommnung der Pharmacie. In: Berlinisches Jahrbuch für die Pharma55

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

cie und für die damit verbundenen Wissenschaften auf das Jahr 1805. Elfter Jahrgang (= Neues Berlinisches Jahrbuch für die Pharmacie auf das Jahr 1805, Dritter Band). Berlin 1805, S. 31–81, hier S. 36–52. – Journal der Pharmacie für Apotheker, Aerzte und Chemisten. (Hg.) v. Johann Bartholmä Trommsdorff. Vierten Bandes zweytes Stück. Leipzig 1797, S. 37–42: Nachricht von einer pharmaceutischen Gesellschaft zu Berlin (S. 37–40: Gesetze der pharmaceutischen Gesellschaft zur Harmonie; S. 40–41: An das Ober-Collegium Medicum; S. 42: Antwort des OberColl[egium] Med[icum]); S.  205–206: [Zuschrift] Vom Herrn S** in Berlin. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend, enthaltend eine kurze Nachricht von allen daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. 2. Aufl. Berlin 1799, S. 156; 3. Aufl. Berlin 1816, S. 165–166. – Repertorium für die Pharmacie. Hg. v. [Johann Andreas] Buchner. 95. Band. Nürnberg 1847, S.  117–120: Pharmaceutische Gesellschaft in Berlin. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Berlin und Potsdam. Eine vollständige Darstellung der merkwürdigsten Gegenstände. Erstes Bändchen. Berlin 1804, S. 494–495. – Stürzbecher, M[anfred] (Hg.): Protokollbuch der Berliner Apotheker-Conferenzen 1790–1819. Frankfurt a. M. 1967, S. 33–34 und 82–83: Conferenz im February 1796 bzw. Conferenz am 19. August 1814. – Zedlitz, Leopold Frhr. v.: Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einheimischen und Fremden aller Stände. Berlin 1834, S. 583–584. – 3) Literatur: Adlung, Al-

fred: Der Berliner Apotheker-Verein in seiner geschichtlichen Entwicklung. Berlin-Charlottenburg 1932, S. 18. – Adlung, A[lfred] / Urdang, G[eorg]: Grundriß der Geschichte der deutschen Pharmazie. Berlin 1935, S. 157, 253, 512. – Drum, Gunter: Geschichte der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (1890–1986). Stuttgart 1990 (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, 60), S. 4–8: Berliner Pharmazeutische Gesellschaft [1796]. – Friedrich, Christoph: Pharmazeutische Vereine im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. In: Döring, Detlef / Nowak, Kurt (Hgg.): Gelehrte Gesellschaften im mitteldeutschen Raum (1650–1820). Teil II. Stuttgart/Leipzig 2002, S.  95–105, hier S. 101–102 (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philolog.-histor. Klasse, Bd. 76/H. 5). – Hoff, Norbert: Pharmazeutische Vereine und Gesellschaften von 1774 bis 1872. Ihre Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der wissenschaftlichen Leistungen. Nat. wiss. Diss. Marburg 1975, S. 202–209: Pharmazeutische Gesellschaft zu Berlin 1796. – Klenke, Nicole: Zum Alltag der Apothekergehilfen vom 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 2009, S. 158–162: Die Pharmazeutische Gesellschaft zu Berlin 1796; S. 174– 176, Tabelle 2: Übersicht über Vereine nichtbesitzender Pharmazeuten [1796–1920 einschließlich ausländischer Vereine] (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, 92). – Schmitz, Rudolf: Geschichte der Pharmazie. Bd. II: Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Von Christoph Friedrich und Wolf-Dieter Müller-Jahncke. Eschborn 2005, S. 780–781.

Peter Dilg

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2.1  Sechs-Ärzte-Verein [6ÄV]

Sechs-Ärzte-Verein [6ÄV] Name: Sechs-Ärzte-Verein; Medizinisches Kränz­ chen; Ärzte-Kränzchen; Kränzchen; Medizini-

de – könnte dies seyn – was für eine herrliche Gesellschaft musste das nicht seyn! Mit Welper, Boehr und Goericke bin ich in jescher Club. Gründung: 15. Januar 1799. der Hinsicht zufrieden, – aber mit Boehm Bestand: Ging vermutlich in der 1810 ge- und Hufeland nicht; diese beiden haben zu gründeten  Medizinisch-chirurgischen Ge- viel arrogance, und letzterer fast noch mehr als ersterer – da er unter uns 6 doch gewiß sellschaft auf. Zusammenkünfte: In den Privatwohnungen der schlechteste Practicus ist – aber freilich der beteiligten Ärzte. durch seine Schriften und als Königl. Leibarzt den größten Ruf hat“ (Heim, TagebüProgrammzitat: „Eine Gesellschaft von 6 cher: 3. Mai 1803). – „Abends bei Welper Aerz­ten, nämlich der General-Chir. Gerike im medicinischen Club gewesen – Boehm [Goercke], Doctores Boehm, Wall, Boer, Wel- sprach kein Wort und blieb zum Essen nicht per und ich [Heim] hat sich vorgenommen, alle da. Vor 14 Tagen hat sich dieser Jude tauMonate sich einmal zu versammeln, um sich fen lassen. Das Christenthum wird ihn nicht über medicinische Gegenstände zu unterhalten“ zu einem besseren Menschen machen. Wel(Ernst Ludwig Heim, Tagebücher: 15.1.1799). per und Hufeland beide sind schwach genug, um seine Freunde zu seyn. Sein Rath Geschichte und Programmatik: Anfang Ja- komme nicht in den meinigen“ (ebd.: 7. Fenuar 1799 fand sich im Haus von Dr. Boehm bruar 1804). – „Abends beim kranken Levy eine Gesellschaft von sechs Berliner Ärzten jun., den ich mit Formey in der Kur habe, zusammen, um einen monatlichen Gedan- auch noch den D. Boehm angefunden. Es ist kenaustausch über medizinische Gegen- schade, dass Boehm bei seinen sonst so gustände zu beschließen. Der Verein ging ver- ten medicinischen Kenntnissen kein humamutlich aus dem älteren  Medizinischen ner noch weniger urbaner Mann. ist. Ohne Club hervor. Man wollte sich wohl in ei- Streit, ich möchte fast sagen Zanken kann nem kleineren Kreis ungestörter und in- man sich mit ihm fast nie unterhalten – u. tensiver medizinischen Fachfragen widmen ist doch schon über 30 Jahre alt. Er ist ein und den kollegialen Gedankenaustausch be- getaufter Jude. Die Religion Christi aber fördern. Wortführer waren Ernst Ludwig hat noch keinen Einfluß auf ihn gehabt“ Heim und Johann Goercke; anfangs gehör- (ebd.: 4. September 1806). Die Auseinanten dem „Kränzchen“ weiterhin Dr. Boehm, dersetzungen innerhalb des Kreises ebbten Dr. Boehr, Dr. Wall und Welper an. Bald auf Grund von Konkurrenzneid und pernach seiner Übersiedlung nach Berlin am 5. sönlicher Anymositäten nicht ab. 1805 verMai 1801 trat Hufeland dem 6ÄV bei. Zwi- ließ Goercke die Gesellschaft: „Gen. Chir. schen Heim und Hufeland kam es immer Goerke hat das Kränzchen verlassen und wieder zu Spannungen. Auch dem getauf- auch der Mitgliedschaft desselben entsagt, ten Juden Boehm warf Heim charakterli- da Welper General-Stabs-Medicus zu werche Unzulänglichkeiten vor. Heim schreibt den sich brüstet“ (Heim, Tagebücher: 7. Mai dazu: „Ein medicinischer Club von 6 Ärz- 1805). Boehr und Wall starben 1805. Noch ten ist an und für sich eine vortrefliche Sa- am 1. April 1806 notiert Heim: „Abends che, so verschieden die Mitglieder auch bei Geh. R. Hufeland im Kränzchen geweimmer seyn sollten. Wären diese Mitglie- sen. Wegen dem D. Boehm kann mir diese der unter sich nun auch noch gute Freun- Zusammenkunft nicht mehr so gefallen, als 57

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

da noch Wall und Boehr lebten. Hufeland was Heim oftmals mit den Worten „recht verund Welper sind die ergebenen Diener und gnügt gewesen“ zusammenfasste. Bewunderer des Boehms, wozu ich mich aber keineswegens verstehe“ (ebd.: 1. Ap- Mitglieder: Dr. Carl Ferdinand Sigismund ril 1806). Obwohl der jüngere, erfolgreiche Boehm, Dr. Georg Heinrich Boehr, GeneralHufeland und der ältere, erfahrene Prakti- chirurg Johann Goercke, Ernst Ludwig Heim, ker Heim immer wieder Wege suchten und Christoph Wilhelm Hufeland, Abraham Wall fanden, Missstimmigkeiten aus dem Weg zu (Arzt bei der französischen Kolonie), Georg räumen und sich auszusprechen, blieb eine Adolph Welper. – Als Gäste werden genannt: gewisse Antipathie vorhanden. Dennoch er- Löhr, Karl Johann Christian Grapengießer kannte und würdigte jeder die Leistungen (seit 1803 Mitglied des Collegium medicodes anderen, sie wurden im Lauf der Jah- chirurgicum, dann Leibarzt des Kronprinzen), re sogar zu Freunden. Gemeinsam initiier- Christian Ernst Fischer (Arzt in Lüneburg). ten sie 1810 eine größere Ärzte-Organisation, die  Medizinisch-chirurgische Gesell- Bibliographie: 1) Archivquellen: Heim, schaft, die dem Anliegen des kollegialen Ge- Ernst Ludwig: Tagebuchaufzeichnungen aus dankenaustausches besser als ein kleines, den Jahren 1795 bis 1834; SBB PK, Handteilweise zerstrittenes „Kränzchen“ gerecht schriftenabteilung, Ms. Boruss. quart 444 tt. werden konnte. – 2) Forschungsliteratur: Genschorek, Wolfgang: Ernst Ludwig Heim. Das Leben eiStruktur und Organisation: Die kleine Ge- nes Volksarztes. Leipzig 31985, S. 139–140. – sellschaft versammelte sich monatlich einmal Körner, Wolfram (Hg.): Ernst Ludwig Heim, im privaten Kreis. Die Zusammenkünfte dau- Tagebücher und Erinnerungen. Leipzig 1989. erten oft bis spät abends. Es gab keine Sta- – Siegerist, Georg: Aus den Tagebüchern tuten, keine Ämterverteilung und keine Mit- des alten Heim. Tagebuch-Aufzeichnungen gliedsbeiträge. Die diskutierten medizinischen Ernst Ludwig Heims aus den Jahren 1795 bis Themen sind nicht überliefert. Man besprach 1834. Berlin 1901 (Archiv der „Brandenburnicht nur medizinische Fachfragen, sondern gia“ Gesellschaft für Heimatkunde der Problieb gesellig bei Speis und Trank beisammen, vinz Brandenburg zu Berlin, Bd. 7).

Uta Motschmann

Die Hufelandische Gesellschaft [HuG] Name: Ursprünglich Gesellschaft für die Medizin und Chirurgie bzw. Medizinisch-chirurgische Gesellschaft; anlässlich des 50. Doktorjubiläums Christoph Wilhelm Hufelands von Friedrich Wilhelm III. am 31. Mai 1833 in Hufelandische Gesellschaft (auch Hufelandsche Gesellschaft) umbenannt. Sie wurde später durch Fusionen mit der Balneologischen Gesellschaft und der Demonstrationsgesellschaft erweitert, behielt aber immer den Namen ihres Gründers bei: Hufelandsche Ge58

sellschaft ( für Demonstrationen und Vorträge aus der gesamten praktischen Medizin). Gründung: 1. Februar 1810. Bestand: Die wissenschaftliche Tätigkeit kam mit dem II. Weltkrieg zum Erliegen. Am 25. März 1965 wurde die Gesellschaft offiziell als erloschen erklärt. Sitz: Die Zusammenkünfte fanden bis zu Hufelands Tod in seinem Haus „Friedensthal“ im Tiergarten statt. Später kam man vermutlich in öffentlichen Lokalen zusammen,

2.1  Die Hufelandische Gesellschaft [HuG]

Nachweise darüber sind nicht bekannt. – 1910 ist als Versammlungsstätte die Medizinische Universitätspoliklinik genannt (Mamlock, S. 181). Programm: In der Einladung vom 5. Januar 1810, die Hufeland an einige Ärzte und Wissenschaftler Berlins schickte, bat er sie zum 1. Februar 1810 in sein Haus im Tiergarten, „um sich freundschaftlich und wissenschaftlich zu unterhalten“. Er wünschte während dieser Zusammenkunft eine „Gesellschaft für die Medizin und Chirurgie“ zu begründen, deren Aufgabe es sein sollte, die ärztliche Wissenschaft zu beleben, regen Gedankenaustausch über wichtige neue Ideen, Tatsachen und Erfahrungen zu führen sowie darüber hinaus das kollegial-freundschaftliche Band immer fester zu knüpfen. Hufeland lud die „Herren Armenärzte“ besonders dazu ein, „da sie am meisten Gelegenheit hätten, den Genius der herrschenden Krankheiten zu beobachten“. – „In dem Geiste und Bedürfniss der Zeit, und ähnlich der Form, in welcher andere gelehrte Vereine in mehreren grossen Städten bereits bestanden, wünschte Herr Staatsrath Hufe­ land auch in Berlin eine Gesellschaft für die Medizin und Chirurgie zu begründen, um zu fruchtbringenden Forschungen in der Wissenschaft und Kunst zu beleben, einen regern Austausch von neuen wichtigen Ideen, lehrreichen Tatsachen und Erfahrungen zu veranlassen, und zugleich um ein, auf wahre Würde und Liberalität der Kunst gegründetes, collegialisch-freundschaftliches Band immer mehr zu befestigen. Mit weisem Vorbedacht wurden hierbei so viel als möglich alle äusserlichen und störenden Formen vermieden, damit nicht, wie oft bei ähnlichen Gesellschaften wohl geschehen, durch die Form das Wesen, die höhere geistige Vereinigung zu edleren Zwecken und der Charakter eines freundschaftlichen Zusammenseins, einer freien Aeusserung und Wirksamkeit des Geistes, in irgend einer Art gestört oder wohl gehindert werde“ (Geschichtliche Darstellung, 1833).

Abb. 5  Porträt Christoph Wilhelm Hufeland zur Zeit der Aufnahme seiner Tätigkeit in Berlin. Stich von F. Müller nach einem Ölgemälde von J. F. A. Tischbein.

Geschichte und Programmatik: Christoph Wilhelm Hufeland versuchte unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Ostpreußen, wohin er die königliche Familie 1806 als Arzt begleitet hatte, mit verschiedenen Maßnahmen die wissenschaftliche und praktische Medizin in Berlin zusammenzuführen. Dazu gehörten die Eröffnung einer Poliklinik für arme Kranke im März 1810, die Übernahme der ordentlichen Professur für Medizin und des ersten Dekanats der Medizinischen Fakultät an der neu gegründeten Universität im Herbst 1810, die Leitung der „Medizinisch-chirurgischen Akademie für das Militär“ („Pépinière“) 1811 sowie die Fortführung seines 1795 begonnenen Jour-

nals der practischen Arzneykunde und Wundarzneykunst (ab Bd. 21: Journal der praktischen Heilkunde). Als erstes jedoch konstituierte sich unter seiner Leitung eine medizinischchirurgische Gesellschaft, die die Kluft zwi59

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

schen Medizin und Chirurgie schließen und ein wissenschaftliches Zentrum der gesamten Berliner Ärzteschaft werden sollte. Bis zum II. Weltkrieg vereinte die Gesellschaft alle namhaften Vertreter der deutschen Medizin, bot Vorträge aus allen medizinischen Fachgebieten und Weiterbildungsmöglichkeiten auf hohem fachlichen Niveau. Nachdem am 1. Februar 1810 der Plan für die Gesellschaft entworfen worden war, fand am 28. Februar 1810 eine konstituierende Sitzung statt, in der Hufeland den Mitgliedern die „Verfassung“ der „medizinisch-chirurgischen Gesellschaft in Berlin“ vorlegte, die in 15 Paragraphen Zweck, Zusammensetzung und Organisation behandelte. Der erste Paragraph beschreibt als den „Zweck der Gesellschaft“, „die practische Medizin und Chirurgie nach ihren Kräften zu fördern, und zugleich einen Mittelpunkt collegialischer Vereinigung für Berlin zu bilden“. „Daher möglichste Entfernung aller äußerlichen Formalitäten […] freundschaftliche Mittheilung und innere Thätigkeit soll ihr Charakter sein.“ Die Idee einer solchen Zusammenkunft ging vermutlich auf die von Goethe initiierte Freitagsgesellschaft in Weimar zurück, in der Hufeland aus seinem Werk Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern vorgetragen und freundschaftliche Kontakte u. a. zu Goethe, Schiller, Herder und Wieland geknüpft hatte. Zudem gab es in Berlin bereits seit längerem eine Ärztevereinigung, den  Medizinischen Club, aus dem Anfang 1799 ein  Sechs-Ärzte-Verein hervorgegangen war, in dem Hufeland nach seiner Übersiedlung nach Berlin 1801 Mitglied wurde. Dieser Verein kann als Vorläufer der HuG betrachtet werden. Im Gründungsjahr hielt die Gesellschaft bereits 14 Sitzungen ab, und der Kreis der Mitglieder erweiterte sich zunehmend. Seit 1810 führte Hufeland die Gesellschaft als primus inter pares, ab 1812 offiziell als Direktor. Als sein Stellvertreter fungierte der stadtbekannte Ernst Ludwig Heim, so dass diese beiden 60

berühmten Ärzte als Direktoren das Gesicht der HuG prägten. Nahezu vollständig traten die medizinischen Fakultätsmitglieder, Hufelands Kollegen an der neu gegründeten Universität, der HuG bei, wie auch später kaum ein namhafter klinischer Lehrer der Universität unter den Mitgliedern fehlte. Die Zusammenkünfte waren wenig reglementiert; „niemand sollte zum Halten von Vorlesungen verpflichtet sein, wohl aber sollte jeder, wenn die Reihe ihn traf, über irgend einen Fall aus der Praxis berichten, einen interessanten Brief oder ein Präparat oder ein Instrument vorlegen, ein Problem aufstellen oder über einen wichtigen Passus aus einer klassischen medizinischen Schrift unter dessen Vorlesung sich äussern“ (Sudhoff, S. 253). Mit dem Beginn der Befreiungskriege 1813 erlebte die HuG ihre erste Krise. Zahlreiche Mitglieder gingen als Ärzte an die Front oder waren in den Lazaretten mit der Verwundetenfürsorge betraut. Die in Berlin Verbliebenen versuchten herauszufinden, wie sich die verheerenden Epidemien und „contagiösen Nervenfieber“ eindämmen ließen. An der damals grassierenden „Kriegspest“ starben auch vier Mitglieder des Ärztevereins. 1822 fasste die HuG den Entschluss, ihre bisherigen Statuten einer Revision zu unterziehen, um sie den Anforderungen der Zeit anzupassen und ihren wissenschaftlichen Wirkungskreis zu erweitern, indem sie sich „mit dem Auslande […] mehr in Verbindung“ setze. Der kollegiale Austausch erfolgte nun nicht nur deutschlandweit, sondern erstreckte sich auch auf Frankreich, Italien, England, Schweden, Dänemark und Russland. Im Jahr 1824 wurde Christoph Wilhelm Hufeland mit Stimmenmehrheit zum Direktor auf Lebenszeit bestellt. Während der Kämpfe der Julirevolution war man mit der Choleraepidemie konfrontiert, die nicht nur in der preußischen Armee, sondern auch unter der Bevölkerung wütete und viele Opfer forderte. Diese verheerende

2.1  Die Hufelandische Gesellschaft [HuG]

Seuche wurde zum wichtigsten Gesprächsthema der HuG. Deshalb beschloss sie in ihrer Sitzung vom 26. August 1831, drei Tage nach dem Tod des an Cholera erkrankten Oberbefehlshabers Neithardt Graf v. Gneisenau, sich vom 27. August an „täglich von 1–2 Uhr“ im Hause des Bibliothekars zu versammeln, um „die mit der Behandlung der Cholera beschäftigten Ärzte aus allen Theilen der Stadt“ berichten zu lassen. Man wollte den Charakter und die Verbreitung der furchtbaren Krankheit sowie die Behandlungsmöglichkeiten erforschen sowie den Erfolg der angewandten Heilmethoden und den wissenschaftlichen Niederschlag in der Literatur diskutieren. Auch die Verwaltung des staatlichen Gesundheitskomitees wurde beraten, so dass dieses seinerseits der HuG sowohl seine besondere Anerkennung zuteil werden ließ, als auch anordnete, dass „die übrigen Ärzte Berlins vom Civil und Militair“ an diesen täglichen Beratungen der HuG teilzunehmen hätten. Ihre hervorragende Bedeutung während der Choleraepidemie manifestiert sich auch darin, dass zahlreiche ärztliche Besucher nach Berlin kamen, um von den Erfahrungen der HuG zu profitieren. Erst 1832 klang die Epidemie ab. Danach beschloss die HuG, um für die Zukunft gewappnet zu sein und die gewonnenen Erkenntnisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, eine Preisfrage zu stellen, die „eine historische Übersicht der zahlreichen, über die Cholera bekannt gewordenen Erfahrungen und ihrer Resultate“ erbringen sollte. In Anlehnung daran, wird heute noch von der Ärzteversicherung Köln ein „Hufeland-Preis“ zur Prävention ausgelobt. Im Mai 1834 beriet die Gesellschaft den Vorschlag, ein Zentralbüro zu errichten, in dem jederzeit Ärzte zur Hilfeleistung bei plötzlichen Krankheitsfällen anwesend sein sollten (Mamlock, S. 181), eine Art moderner Notfallambulanz. In den Dreißiger Jahren erlitt die Gesellschaft zwei große Verluste. Am 15. September 1834 verstarb der „alte Heim“, dem

Hufeland einen ehrenden Nachruf widmete, am 25. August 1836 folgte der Gründer und Namensgeber selbst. Hufelands Direktorenstelle übernahm im Jahr 1837 der bisherige Vizedirektor, der Geheime Obermedizinalrat Johann Nepomuk Rust. Diese Amtsüberlands nahme entsprach vollkommen Hufe­ Wünschen und Vorstellungen, wie aus einem diesbezüglichen Schreiben vom 19. Februar 1830 hervorgeht. Die Satzung der Gesellschaft wurde noch einmal im Mai 1851 modifiziert, nachdem die Gesellschaft einen starken Mitgliederrückgang, bis hin zur Frage der Auflösung, hinter sich hatte. Diese Satzung blieb mehr als 50 Jahre verbindlich. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden in Berlin neue medizinische Vereinigungen, neben denen sich die HuG behaupten musste. Die 1860 von Graefe und Virchow gegründete Berliner medizinische Gesellschaft (ein Zusammenschluss der 1844 gegründeten Gesellschaft für wissenschaftliche Medicin und dem 1858 entstandenen Verein Berliner Ärzte), wurde von den jüngeren Ärzten favorisiert, und auch zahlreiche Mitglieder der HuG wanderten zu ihr ab. Im Gründungsjahr betrug ihre Mitgliederzahl 204 und stieg in den folgenden Jahren rasch an. Die HuG hingegen zählte 1859 nur noch 55 Mitglieder. So wird verständlich, dass kleinere Gesellschaften zu fusionieren versuchten. Die HuG hatte 1878 eine balneologische Sektion gegründet, die erfolgreich arbeitete. Die eigentliche HuG jedoch veranstaltete jahrelang keine regelmäßigen Sitzungen mehr, bis es 1886 zur Verschmelzung mit der Gesellschaft für Heilkunde in Berlin kam. Martin Steinthal, seit 1860 Direktor der HuG, und Oskar Liebreich, Vorsitzender der 1855 gegründeten Gesellschaft für Heilkunde in Berlin, setzten sich für den Zusammenschluss dieser beiden medizinische Vereine ein, der zu einem erneuten Aufschwung beitrug. Der Name „Hufelandische Gesellschaft“ wurde beibehalten. Am 14. Mai 1908 fusionierte 61

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

die HuG mit dem Demonstrationsverein Ber- dik hervorgegangenen Gesichtspunkte. Von liner Ärzte und entwarf eine neue Verfassung, mikroskopischer Arbeit ist äusserst selten die die als Revidierte Statuten der Hufelandischen Rede. Den Veröffentlichungen in Hufelands Gesellschaft (für Demonstrationen und Vorträ- Journal sehen alle diese Arbeiten verzweifelt ge aus der gesamten Medizin) am 7. Mai 1908 ähnlich“ (Pagel, S. 6). zu Berlin erlassen wurde. Dennoch konnte Bis zum II. Weltkrieg war die Gesellschaft sie mit der Berliner medizinischen Gesellschaft, aktiv, konnte aber nach 1945 nicht mehr zu die zum Sammelpunkt der modernen Berli- einem regelmäßigen Erfahrungsaustausch ner Medizin wurde, nicht Schritt halten. zusammenfinden, so dass die HuG nach JahZum 50-jährigen Bestehen sah die HuG ihre ren einer komplizierten Abwicklung 1965 Leistung besonders auch darin, „mit sorgsa- als erloschen erklärt wurde. mer Treue eine gewisse medizinische Orthodoxie bewahrt und die von den Altvor- Themen und Diskussionsschwerpunkte: dern überlieferten Schätze der Erfahrung als Seit Beginn der HuG lassen sich die behanein wohl zu hütendes Erbteil betrachtet“ und delten Themen in folgende Schwerpunkte „der Kultivierung der Hilfswissenschaften gliedern: 1. Allgemeines – 2. Anatomie und das Wort“ geredet zu haben, „ohne in den Histologie – 3. Balneologie – 4. Botanik – 5. Kultus derselben zu verfallen“. Ihre Haupt- Chirurgie – 6. Dermatologie – 7. Epidemioziele waren weiterhin die „Bereicherung der logie – 8. Geburtshilfe und Gynäkologie – 9. ärztlichen Erfahrung“, der „Ausbau des kli- Gerichtsmedizin, Staatsarzneikunde und öfnischen Wissens“ und die „Sicherung des fentliche Gesundheitspflege – 10. Geschichtherapeutischen Handelns“ (Sudhoff, S. 253). te der Medizin – 11. Hals-Nasen-Ohren1910 beging die HuG ihren 100. Geburts- Heilkunde – 12. Instrumente und Apparatag, auf dem David v. Hansemann den Fest- turen – 13. Magnetismus – 14. Medizinische vortrag hielt, das bewegte Auf und Ab der Klinik – 15. Medizinische Physik und CheGesellschaft beschrieb und ihren Begrün- mie – 16. Ophthalmologie – 17. Orthopädie der würdigte. Der Berliner Arzt Julius Leo­ – 18. Pädiatrie – 19. Pathologie und Therapie pold Pagel fragte anlässlich des Jubiläums – 20. Pathologische Anatomie und Histolonach den Leistungen der HuG besonders gie – 21. Pharmakologie – 22. Physiologie – in den ersten 50 Jahren und kam zu einer 23. Psychiatrie und Neurologie – 24. Toxieher kritischen Einschätzung: „Welches wa- kologie – 25. Vaccination – 26. Venerologie ren nun die Resultate dieser fleissigen Ar- – 27. Zahn-Mund- und Kieferheilkunde – beit? Kann man auch das innere Leben der 28. Zoologie. – Bis auf wenige VeränderunGesellschaft als erfolgreich bezeichnen? Vom gen blieb die Thematik gleich. SchwerpunkStandpunkt der Gegenwart wird man diese te ergaben sich aus historischen Ereignissen beiden Fragen leider nicht ganz unbedingt oder dem fachlichen Spezialwissen bestimmbejahen dürfen, wenn man den Charakter ter Mitglieder oder Referenten. Von der Geder Medizin aus dem ersten Viertel des vori- schichte der Medizin über die Anatomie und gen Jahrhunderts im allgemeinen und spezi- Chirurgie bis zur Botanik, Zoologie, meell erwägt, wie er sich unter der Aegide eines dizinischen Physik und Chemie sowie meHufeland gestaltet hat. Reiche und an sich dizinischen Instrumenten und Apparaturen schätzenswerte Kasuistik, bunte Kleinarbeit wurden allen Fachrichtungen einbezogen. in allen Zweigen der Medizin, aber keine grossen, klärenden, bahnbrechenden vor al- Struktur und Organisation: Die Versammlem auf Experiment beruhenden, aus experi- lungen fanden regelmäßig 14-tägig freitags in menteller Forschung und rationeller Metho- der Zeit zwischen 17 und 19 Uhr statt, weil 62

2.1  Die Hufelandische Gesellschaft [HuG]

dies die „für Praktiker beste Zeit“ sei. Jähr- erforderlich, der mindestens vier Wochen lich wurde ein Ausschuss von zwölf Mitglie- vorher beim Vorstand einzureichen war. Eine dern gewählt, um die „Geschäfte der Gesell- Begrenzung der Mitgliederzahl gab es nicht. schaft zu besorgen, und wo es nöthig ist, zu- Laut § 2 der Statuten kannte die Gesellschaft erst zu stimmen“. Jedes Mitglied verpflichte- nur aktive Mitglieder. „Da ihr Zweck kein te sich, einen halbjährlichen Beitrag von „drei äußerer sondern ein innerer ist, so wählt sie Thalern Preussisch Courant (incl. Botenlohn)“ keine Ehrenmitglieder, aber korrespondiezu zahlen. In den ersten beiden Jahren wur- rende Mitglieder“. 1834 wurde erstmals eine de die HuG von einem Vorsteher-Gremium Frau, Madame Boivin in Paris, zum korregeleitet (1810 waren dies: Bremer, Goercke, spondierenden Mitglied ernannt. – Im JahGraefe, Hecker, Heim, Horn, Hufeland, v. re 1833 hatte die HuG 522 Mitglieder, daKönen, Mertzdorf, Reil, Rudolphi, Schulz). von 192 ordentliche (in Berlin ansässig) und 1811 wird das Amt des Sekretärs eingeführt, 330 korrespondierende (außerhalb Berlins). das Rudolphi übernimmt. 1812 wird durch Von den Korrespondierenden erwartete man, Abstimmung Hufeland offiziell zum Direktor dass sie die Interessen der Gesellschaft fördergewählt; zehn weitere Ärzte bilden den Vor- ten, indem sie die „Witterungs- und Gesundstand. Ab 1818 wird Heim das Amt des Cen- heitsconstitution entfernter Gegenden“ mitsors „zur Erhaltung der Ordnung in den Ver- teilten sowie „Benachrichtigung von einsammlungen“ (§ 6 der Statuten) übertragen. brechenden epidemischen und ansteckenden – Um den Mitgliedern die neuesten Ergeb- Krankheiten, neuen Mitteln und Kurmethonisse der medizinischen Forschung bekannt- den und allen die Heilkunst interessirenden zumachen sowie den Gedanken- und Erfah- Entdeckungen“ oder Ereignissen gaben (Starungsaustausch der Kollegen zu beleben, rich- tuten 1810, § 2). 1910 hatte die HuG 350 tete die HuG eine eigene Bibliothek ein, die Berliner Ärzte als Mitglieder. – b) Einzeldurch Ankäufe oder Geschenke ständig er- mitglieder: Für die Jahre bis 1833 sind keiweitert wurde. Den Grundstock bildete ein ne Mitgliederlisten überliefert. Folgende orbereits im Jahre 1816 angelegter Lesezirkel, dentlichen Mitglieder konnten für den Zeitder in- und ausländische Literatur sammelte. raum 1810 bis 1815 erschlossen werden: Dr. Jeweils am 1. Februar feierte die Gesellschaft Peter Ludwig Wilhelm Andresse; Baillif; Stemit Gästen ihr Stiftungsfest „durch ein frohes phan Friedrich Barez; Karl August Wilhelm Mahl“. Außerdem wurden jährlich drei Män- Berends (ab 1815); Johann Gottlob Bernstein; ner mit einer Feier geehrt, denen die Heil- Dr. Bock (1813 an der Kriegspest gest.); Jokunst ihre größten Entdeckungen verdan- hann Immanuel Bremer; Dr. Busse; Johann ke: William Harvey als Entdecker des Blut- Benjamin Erhard; Friedrich Ferdinand Flemkreislaufes am 1. August, Albrecht v. Haller ming (1813 an der Kriegspest gest.  Liederals Entdecker der Reizbarkeit als Grundgesetz täfler); Johann Friedrich Goercke; Karl Ferdes Lebens am 1. November und Edward Jen- dinand v. Graefe; Karl Johann Christian Graner als Vertilger der Pockenpest am 14. Mai. – pengiesser (1813 an der Kriegspest gest.); Im Jahr 1860, zur Feier des 50-jährigen Be- Georg Gustav Philipp Hauck; Justus Friedstehens der HuG, wurde der „Hufelandische rich Karl Hecker; Ernst Ludwig Heim; GePreis“ gestiftet, der alle drei Jahre an in- oder org Leberecht Helling; Sigismund Friedausländische Ärzte vergeben werden sollte. rich Hermbstaedt; Dr. Ludwig Hesse; Johann Horkel; Anton Ludwig Ernst Horn; ChrisMitglieder: a) Allgemeines: Neue Mitglie- toph Wilhelm Hufeland; Dr. Johann Adolf der mussten sich zwar keiner Ballotage stellen, Christian Karbe (gest. 1815); Martin Heindoch war ein schriftlicher Aufnahmeantrag rich Klaproth; Johann Christoph Fried63

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

rich Klug; Carl Alexander Ferdinand Kluge (ab 1814); Christoph Knape; Ludwig Ernst v. Koenen; Heinrich Kohlrausch; Joh. Heinrich Leberecht Kuntzmann; Martin Hinrich Karl Lichtenstein (ab 1813); Heinrich Link (ab 1815); Meier (Heinrich Meyer?); Johann Friedrich Alexander Merzdorf (Mertzdorff); Christian Ludwig Mursinna; David Oppenheimer; Emil Osann (Neffe und späterer Schwiegersohn Hufelands, ab 1815 Sekretär); Christian Gottfried Reich; Johann Christian Reil (1813 an der Kriegspest gest.); Dr. Georg August Richter; Dr. Rintel; Karl Asmus Rudolphi; Hofrat Schulz (Friedrich Wilhelm Ferdinand Schultz?); Friedrich August Schulz (ab 1814); Johann Schweitzer (ab 1814); Dr. August Heinrich Steinrück; August Wilhelm (v.) Stosch; Dr. Tesmer (ab 1814); Albrecht Daniel v. Thaer; Karl Daniel Turte (ab 1814); Dr. Karl Unger; Regimentschirurg Voelker (Andreas Voelker?); Geh. Rat Vogel (Samuel Gottlieb Vogel oder Heinrich August v. Vogel?); Johann Jacob Voeltzke; Johann Christian Weitsch (Assistent von Heim); Johann Wilhelm v. Wiebel; Karl Christian Wolfart[h]. – c) Direktoren: Der Vorsitzende der Gesellschaft sollte ursprünglich jährlich gewählt werden, doch schon 1824 wurde die Amtszeit auf die gesamte Lebenszeit festgelegt. Für die Jahre 1810 bis 1939 konnten folgende Direktoren ermittelt werden: Christoph Wilhelm Hufeland (1812–1836); Johann Nepomuk Rust (1837–1840); Emil Osann (1841– 1842); Friedrich Busse (1843–1844); Christoph Friedrich Klug (1845–1849); Wilhelm Heinrich Busch (1849–1858); Wilhelm Horn (1859–1867); Martin Steinthal (1868–1888); Emanuel Mendel (1889–1890); Oskar Liebreich (1890–1907); Karl Ewald (1908–1909); David v. Hansemann (1910–1911); Ferdinand Karewski (1912 als Vorsitzender genannt); Hermann Strauss (1913 als Vorsitzender genannt); Karl Ewald (1914 als Vorsitzender genannt; Vorsitzender der Balneologischen Gesellschaft war Ludwig Brieger); Friedrich Umber (1921 erwähnt); Hermann Strauss (bis 64

1933); Friedrich Umber (1933–1939) – d) Prominente Mitglieder 1816–1945 (Auswahl): Ernst Daniel August Bartels; Dietrich Wilhelm Heinrich Busch; Johann Arnold Joseph Büttner; Edmund Dann; Johann Friedrich Dieffenbach; Gottlieb Wilhelm Eck; Johann Ludwig Formey; (Karl?) Friedländer; Ernst Leopold Grossheim; Friedrich Hufeland; Hermann August Ludwig Klaatsch; Friedrich Wilhelm Georg Kranichfeld; Johannes Müller; Johann Nepomuk Rust; Johann Heinrich Julius Staberoh; August Wilhelm v. Stosch; Karl Wilhelm Ulrich Wagner. Querverweise auf andere Vereine: Im Jahr 1810, ebenfalls im Februar, wurde in Berlin die  Gesellschaft für Natur- und Heilkunde gegründet, in der neben dem Initiator Martin Heinrich Klaproth ebenso die beiden prominentesten Berliner Ärzte Heim und Hufeland führend tätig waren, sie also die beiden großen Berliner Ärztevereine entscheidend mit prägten. Bemerkenswert ist, dass sich zwei ähnliche Gesellschaften im selben Jahr und Monat konstituiert haben. Bemühte sich Hufeland, die verschiedenen, auch nichtakademischen medizinischen Berufe, z. B. aus der Militärlaufbahn, nach Möglichkeit einzugliedern und die gesamte praktische Medizin zu erfassen, hatte die GNH einen stärker naturwissenschaftlichen Charakter, waren ihre Mitglieder etwa zu gleichen Teilen Ärzte und Naturforscher. Die ausdrückliche Einbeziehung der Berliner Armenärzte durch Hufeland erklärt auch, dass ein eigener Verein der Armenärzte in Berlin erst verhältnismäßig spät (1853) zustande kam. (Medizinal-Konferenzen, d. h. periodische Zusammenkünfte der Armenärzte mit Vertretern der städtischen Armen-Direktion zum Zwecke eines wissenschaftlichen Erfahrungsaustausches, gab es aber bereits seit 1831; vgl. Pagel, 1904). Hufeland war zugleich Gründer einer Stiftung für notleidende Ärzte (1830) und einer zweiten Stiftung für die Versorgung von Arztwitwen (1836). – Zu den frühen Mitgliedern der HuG gehörten die

2.1  Die Hufelandische Gesellschaft [HuG]

Ärzte Wolfart und Schweitzer, die führenden Vertreter des Mesmerismus in Berlin. Wolfart gründete in Berlin einen Mesmerischen Verein (s. Einleitungstext). – Neben der HuG gründeten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts weitere Ärztevereine in Berlin: 1825 die Gesellschaft für praktische Medizin (Stosch; Dieffenbach); 1832 Verein für Heilkunde in Preußen; 1842 Deutscher Verein für Heilwissenschaften; 1844 Gesellschaft für wissenschaftliche Medizin; 1858 Verein Berliner Ärzte. 1860 verschmolzen die beiden letzteren zur Berliner Medizinischen Gesellschaft. – Nach dem Vorbild der Medizinisch-Chirurgischen Gesellschaft zu Berlin wurde 1819 in St. Petersburg ein Deutscher Ärztlicher Verein gegründet. Dabei wurden die ersten Paragraphen der Hufelandischen Statuten nahezu vollständig übernommen. Bibliographie: a) Quellen: Die Originalprotokolle der HuG wurden im II. Weltkrieg vernichtet. (Auszüge aus den Protokollen der Jahre 1864–1923 befinden sich in: Berliner Klinische Wochenschrift, und Klinische Wochenschrift.) – Heim, Ernst Ludwig: Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1795 bis 1834. (SBB PK, Handschriftenabteilung, Ms. Boruss. quart 444 tt). – Geschichtliche Darstellung der Hufelandischen Gesellschaft zu Berlin. Berlin 1833. – Geschichtliche Darstellung der Arbeiten und Leistungen der Hufelandischen Gesellschaft seit dem Jahre 1833. Zur Feier des 50jährigen Bestehens der Gesellschaft bearbeitet. Berlin 1860. – Verhandlungen der Hufeland’schen Gesellschaft im Jahre 1895–1896. Berlin 1897. – Veröffentlichungen der Hufelandischen Gesellschaft. Berlin 1889–1914. – b) Forschungsliteratur: Bruch, Rüdiger vom: Gelehrtenpolitik, Sozialwissenschaften und akademische Diskurse in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 2006. – Genschorek, Wolfgang: Christoph Wilhelm Hufeland. Der Arzt, der das Leben verlängern half. Leipzig 1977. – Genschorek, Wolfgang: Ernst Lud-

wig Heim. Das Leben eines Volksarztes. Leipzig 31985. – Hansemann, David v.: Hufeland und die Hufelandische Gesellschaft. Festrede bei der Hundertjahrfeier der Hufe­landischen Gesellschaft am 1. Februar 1910. In: Berliner Klinische Wochenschrift 47 (1910), Nr. 4, S. 243–248. – Mamlock, G.: Die Hundertjahrfeier der Hufelandischen Gesellschaft in Berlin. In: Deutsche medizinische Wochenschrift 36 (1910), S. 179–181. – Pagel, Julius: Zur ael­ teren Geschichte der Hufelandschen Gesellschaft. Eine Skizze. In: Janus. Archives internationales pour l’Histoire de la Médecine et la Géographie Médicale. Organe de la Société Historique Néerlandaise des Sciences Médicales, Exactes et Naturelles. Harlem, 15. Jg. (1910), S. 3–8. – Pagel, Julius: Zur Geschichte des Vereins Berliner Armenärzte. Ein Beitrag zur Geschichte der Medizin insbesondere des Armen-Medizinalwesens in Berlin. Berlin 1904. – Prenzel, Klaus: Die Berliner wissenschaftlichen und geselligen Ärztevereine im 19. Jahrhundert. Diss. med. Berlin 1969, S. 22–23, 79–80. – Rönnefarth, Sigrid: Die Hufelandische Gesellschaft (1810–1965). Diss. FU Berlin 1970. – Siefert, Helmut: Das naturwissenschaftliche und medizinische Vereinswesen im deutschen Sprachgebiet (1750–1850). Hannover 1969, S. 111–112, 141–142. – Stürzbecher, Manfred: Beiträge zur Berliner Medizingeschichte. Quellen und Studien zur Geschichte des Gesundheitswesens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Mit einer Einführung von Johannes Schultze. Berlin 1966. – Sudhoff, Karl: Christian [!] Wilhelm Hufeland (1762–1836) und die „Hufelandische Gesellschaft“ in Berlin, 1810–1910. In: Münchener medizinische Wochenschrift 57 (1910), Nr. 5, S. 250–253. – Zieger, Kristin: Die Bedeutung der deutschen Ärztevereine für das wissenschaft­liche Leben, die medizinische Versorgung und soziale Belange der Stadt St. Petersburg von 1819–1914. Diss. Mediz. Fak. der Universität Leipzig 2000 (URL: http://www.vifaost.de/ digbib/zieger-aerzte).

Sigrid Schwiderski 65

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Berlin [GNH] Name: Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Berlin; in der zeitgenössischen Reise- und Memoirenliteratur anfangs auch bezeichnet als Walthersche Gesellschaft; Klaprothsche Gesellschaft; Medizinisch-physikalische Gesellschaft; Physisch-medicinische Gesellschaft. Gründung: 6. Februar 1810. Bestand: Bis heute. Sitz: Die Versammlungslokale der Gründungszeit sind nicht übermittelt. Vermutlich wurden die Treffen aufgrund der kleinen Mitgliederzahl zunächst privat abgehalten. Die GNH besaß und besitzt bis heute (2014) kein eigenes Lokal. Die Chronik der GNH gibt Auskunft über die wechselnden Versammlungsorte: ab 1816 (oder früher) bis 1822: Hotel Stadt Paris, Brüderstraße; danach Börsenhalle, Köllnischer Fischmarkt 4, Brüderstraße 2; ab 1832: Café National, Unter den Linden; 1845: Café Royal, Unter den Linden; 1856 bis 1875: Englisches Haus, auch „Norddeutscher Hof “; 1876 bis 1909: Weinstube von Theophron Kühn, Werderscher Markt 4; danach bis 1916: Grand Hotel Bellevue, Königgrätzer Straße 12; Hotel Bristol und die Kaiser Wilhelm-Akademie, Ecke Invaliden- und Scharnhorststraße; 1918: Weinstuben der Deutschen Gesellschaft 1914; 1932 bis 1936: Weinstuben Haus Trarbach, Kantstr. 8, gefolgt von Weinhaus Huth, Potsdamer Straße; 1938: Deutscher Auslandsclub, Leipziger Str. 16; 1939: Weinhaus Ewest, Behrenstraße; 1941: Landwehrkasino; 1942: Militärärztliche Akademie, Scharnhorststr. 36/37; ab 1947: Klausner, Grolmannstraße; 1949: im Restaurant „Meilchen“, Sächsische Straße; ab Mai 1952: „Berliner Kindl Bräu“, Kurfürstendamm; 1967 bis 2009: Hotel Berlin; 2010: Seminaris Hotel; seit 2011: Hotel Steigenberger, Los-Angeles-Platz. Programm: Das Ziel der GNH wird in den „Gesetzen“, die im Verlauf der letzten 200 Jahre nur geringfügige Änderungen erfahren ha66

ben, zum Ausdruck gebracht: „1. Die Gesellschaft hat den Zweck einer wissenschaftlichen, belehrenden und erholenden Unterhaltung und gegenseitigen Belebung, ohne weiteren Anspruch.“ 1812 bekräftigte K. A. Rudolphi die Zwecke der Gesellschaft ausführlich: „Die Gesellschaft für Natur- und Heilkunde feiert heute ihr zweites Stiftungsfest. In Liebe und Einigkeit sind ihre Mitglieder zusammengekommen, mit einem freundlichen Händedruck jedes Mal auseinander gegangen. Ihr Zweck war nicht bloß, durch wechselseitige Belehrung den Kreis ihres Wissens zu erweitern. Was kann dem praktischen Arzte, was kann dem Lehrer willkommener sein, als nach einem treu durchgearbeiteten Tage am Abend mit gebildeten Männern desselben Faches zusammen zu treten. Hier empfängt er Belohnung für seine Mühe und Aufmunterung zur Arbeit des nächsten Tages. Der Mensch darf in dem Gelehrten nie untergehen. Er muß rein menschlich mit seinen Mitbrüdern zusammenkommen, um sich näher an sie anzuschließen. Wer das Buch eines Mannes gelesen, wer eine Vorlesung von ihm gehört, eine Operation oder eine Kur von ihm in Erfahrung gebracht hat, der weiß sehr wenig von ihm. Wer nach einem arbeitsvollen Tage denselben Mann am Abend sein Herz der Freude öffnen sieht, ihn unter Freunden im traulichen Kreise ohne Amtsmiene wiedersieht, der nur mag ihn menschlich beurteilen. Dessen haben wir alle not. Jenen doppelten Zweck haben wir vor Augen gehabt. Wir haben unser Wissen bereichert, wir haben uns vor Einseitigkeit, Pedanterei und Kälte zu bewahren gesucht. Jeder ist dem anderen mit Liebe entgegen getreten. Unsere gelehrten Ansichten und Meinungen müssen häufig verschieden sein, oder wir wären nicht wert, einen solchen Verein zu bilden; aber diese Verschiedenheit muß, statt zu trennen, näher anziehend wirken. Wir gehen neuen Arbeiten entgegen. Mögen sie für die Wissenschaft ersprießlich sein! Mögen die

2.1  Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Berlin [GNH]

Mitglieder der Gesellschaft noch viele Jahre in Freude und Friede zusammenbleiben!“ – Zu jedem Stiftungsfest werden Rudolphis Worte erneut zitiert. Damit bilden der wissenschaftliche Austausch unter den Mitgliedern und die freundschaftliche Begegnung auch heute noch die Basis für die Existenz der GNH. Geschichte und Programmatik: Die GNH in Berlin wurde am 3. Januar 1810 durch mehrere hoch angesehene Ärzte und Naturforscher gegründet. Anlass der Gründung war das fünfzigjährige Dienstjubiläum des Geheimrates Johann Gottlieb Walter sen., des Stifters des Anatomischen Museums in Berlin. Am 26. Januar fand eine konstituierende Sitzung statt, über die Heim in seinem Tagebuch berichtet: „Abends beim D. Grapengießer mit Aerzten, Apothekern und Naturkundigen einer Zusammenkunft beigewohnt, die zum Zweck hatte, eine Gesellschaft, die, dem alten Anatomico Walther zu Ehren, die Waltherische heißen soll, zu Stande zu brin- Abb. 6  Porträt Martin Heinrich Klaproth, gen. Ich war alles zufrieden, was beschlos- Kupferstich von J. S. L. Halle, 1809. sen werde.“ (Körner, S. 148–149). Walter sen. lehnte eine Mitglied- bzw. Präsidentschaft jedoch aus Alters- und Gesundheitsgründen ab in der Landwirtschaft; der Anatom Karl As(sein Sohn schloss sich an), so dass die Gesell- mund Rudolphi; Christoph Wilhelm Hufeschaft zu einer anderen als der ursprünglich land, Leibarzt der Königin Luise, und der Bovorgesehenen Gestalt finden musste. Zu den taniker Heinrich Friedrich Link hinzu. 1816 15 Gründungsmitgliedern zählten u. a. der berichtet ein Berliner Reiseführer über die Chemiker und Apotheker Martin Heinrich „physisch-medicinische Gesellschaft“, dass Klaproth; der Botaniker und Arzt Carl Wil- sich dieselbe unter dem Vorsitz des Obermehelm Willdenow, erster Direktor des Bota- dizinalrats Klaproth den ersten Dienstag jenischen Gartens in Berlin, Freund und Leh- den Monats in der „Stadt Paris“ in der Brürer Alexander v. Humboldts; der Begründer derstraße versammle. „Die Vorlesungen beder Militärärztlichen Akademie, der Pepini- treffen Gegenstände aus dem Gebiete der ère, Johann Goercke sowie der vierte Ehren- Physik und Arzneikunde“ (Wegweiser, 1816, bürger von Berlin, Ernst Ludwig Heim, bei- S. 165–168). Über die Aktivitäten der GNH de Leibärzte der königlichen Familie. Am 6. in den ersten Jahren nach Gründung ist kaum Februar 1810 konstituierte sich die Gesell- etwas bekannt, weder zu den Vortragstheschaft unter dem Namen Gesellschaft für Na- men noch zu sonstigen Veranstaltungen. Erst tur- und Heilkunde und wurde nach Anzeige ab 1884 ist die Gesellschaftsarbeit kontinuieram 11. Februar 1810 autorisiert. Unmittelbar lich dokumentiert (s. u.). Die Geschichte der nach Gründung der GNH kamen u. a. Alb- GNH verlief ruhig, ohne dass sie in der Stadt recht Thaer, Begründer des Fruchtwechsels und darüber hinaus öffentlich in Erscheinung 67

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

trat. Der Chronist des 100-jährigen Stif- Wissenschaften über den Zeitraum von 200 tungsfestes schildert sie als „nach der Eigen- Jahren wider. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs art derselben recht einförmig“. „Stets hat sie und danach sind der „Kriegschirurgie“ viele in stiller, vornehmer Zurückgezogenheit ge- Vorträge gewidmet worden. Im Fokus des Inlebt, nie ist sie nach außen auffällig hervor- teresses standen Infektionserkrankungen, die getreten, und leicht mag es unter der Berli- im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ner Ärzteschaft gar manchen geben, der nie dominierten (Syphilis, Tuberkulose). Auch von ihrem Dasein Kunde erhalten hat. Von Reiseberichte aus Afrika und Arabien sind irgendwelchen besonderen Vorkommnis- unter den Themen zu finden. Ebenso wursen ist sie nie betroffen worden. In friedlicher den prominenten Mitgliedern der GesellRuhe hat sie die beiden Seiten ihrer Tätig- schaft Vorträge gewidmet. Zoologische und keit ausgebaut, die gegenseitige wissenschaft- ethnographische Themen ergänzen das Spekliche Anregung und die Pflege der schönsten trum. Allen Vorträgen folgten intensive DisKollegialität.“ Die Gesellschaftsarbeit dauer- kussionen. Traditionell wurde nach den Vorte bis zum Zweiten Weltkrieg an. Die letzte trägen ein gemeinsames Abendessen einge„Kriegssitzung“ wurde am 27. Oktober 1943 nommen und weiter diskutiert. Welche Beabgehalten. Die erste „Nachkriegssitzung“ deutung die wissenschaftlichen Vorträge für fand am 19. Juli 1949 statt. Das erste Stif- die Berliner Medizin hatten und welche tungsfest nach elfjähriger Pause wurde am möglichen Kooperationen, Forschungsvor5. Februar 1950 gefeiert. Nach 1989 konn- haben oder Anregungen daraus entstanden ten erstmalig nach Jahrzehnten der Teilung sein könnten, sind nicht abschätzbar. Politider Stadt wieder Mitglieder aus dem Ostteil sche Debatten wurden in der GNH nicht geBerlins aufgenommen werden; zu den ersten führt. Die Gesellschaft hat es sich seit dem 6. gehörte der Anatom Johannes Staudt. Aus März 1810 (auf Heims Vorschlag) zum GeAnlass der Zweihundertjahrfeier der GNH setz gemacht, von Politik nicht zu sprechen. wurde 2010 ein öffentliches Jahresprogramm In jüngster Zeit wurde die Stellung der GNH abgehalten mit Vorträgen, Ausstellungen, In- zum Nationalsozialismus diskutiert und 2010 stituts- und Klinikbesichtigungen und ganz- eine Resolution erlassen. tägigen Exkursionen, deren Gestaltung und Durchführung Mitglieder der Gesellschaft Struktur und Organisation: Der Vorstand übernommen hatten. der GNH bestand (und besteht) aus dem Präsidenten, dem Sekretär und dem VizesekreThemen und Diskussionsschwerpunkte: tär, 2013 ist ein Programmbeauftragter hinzu Vorträge aus den frühen Jahren sind nur spo- gekommen. Die Amtsperioden waren nicht radisch bekannt, u. a. durch die Tagebücher festgelegt; manche Präsidenten waren JahrHeims. Danach las Heim am 4. Februar 1812 zehnte im Amt. Seit 2013 sind die Ämter auf eine Abhandlung über Schwangerschaft au- maximal zehn Jahre begrenzt; die Vorstandsßerhalb der Gebärmutter-Höhle; am 7. No- mitglieder werden auf fünf Jahre gewählt; vember 1815 wurden Haut- und Haarstücke eine einmalige Wiederwahl ist möglich. – Fieines Mammuts gezeigt, welches der russi- nanzierung: Die GNH ist bis heute kein einsche Zar dem preußischen König zum Ge- getragener Verein. Sie finanziert sich über die schenk gemacht hatte, und am 7. Mai 1816 Beiträge der Mitglieder und aus Spenden. – trug Link eine Abhandlung über Krankhei- Veranstaltungen: Vortragsabende mit Disten der Pflanzen vor. Die seit dem späten 19. kussion und anschließendem Abendessen Jahrhundert dokumentierten Vorträge spie- wurden und werden am ersten Dienstag des geln vor allem den Stand der medizinischen Monats abgehalten. Vortragende sind zumeist 68

2.1  Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Berlin [GNH]

Mitglieder der Gesellschaft. Der erste Sonn- täre. Waren in der Gründungszeit Mediziner tag im Februar ist der Tag des Stiftungsfes- und Naturforscher etwa zu gleichen Teilen tes. Zu den Stiftungsfesten hielten die jeweils vertreten, überwog später die Zahl der Ärzte amtierenden Präsidenten die Festreden, meist die der Naturwissenschaftler bei weitem. Eine mit historischen Rückblicken auf die vergan- Reihe prominenter Mitglieder gewann die genen Jahre und Jahrzehnte. Das Stiftungs- GNH Mitte des 19. Jahrhunderts während fest wurde in der Regel ohne die Ehefrau- der Blütezeit der Berliner Universität. Dazu en der Mitglieder durchgeführt. Es wurde je- zählten der Anatom, Physiologe und Patholodoch eine sogenannte „Baumkuchenrede“ ge Johannes Müller, der Naturwissenschaftler (eine Art Damenrede) gehalten, nach deren Christian Gottfried Ehrenberg; die Chirurgen Ende Baumkuchen zerteilt wurden, die die Johann Friedrich Dieffenbach, Robert Feranwesenden Mitglieder mit nach Hause neh- dinand Wilms, Bernhard v. Langenbeck und men konnten, sozusagen als Kompensation Ernst v. Bergmann; die Afrikaforscher Gustav dafür, dass die Frauen nicht beim Stiftungs- Nachtigal und Wilhelm Carl Hartwig Peters fest dabei sein durften. Frauen wurden nur sowie der erste Direktor des Zoologischen alle 25 Jahre zu den Stiftungsfesten geladen, Gartens in Berlin Martin Hinrich Karl Lichab 1960 alle fünf Jahre. Seit 2010 können sie tenstein. Diesen sowie weiteren Mitgliedern an jedem Stiftungsfest teilnehmen. Seit 1977 (u. a. von Bardeleben, Biesalski, Karl Bonwerden besondere Veranstaltungen mit Da- hoeffer, Ernst Bumm, Flaischlen, Heubner, men durchgeführt. Dabei werden in einem Kahl, Körte, Heinrich Laehr, Link, NordJahr Berliner Institutionen besucht oder kur- mann, Philippi, Riese, Waldeyer) sind Straze eintägige Wanderungen durchgeführt; im ßennamen gewidmet worden. Herausragenfolgenden Jahr organisiert der Vorstand zwei- de Mitglieder im 20. Jahrhundert waren u. a. einhalbtägige Reisen, meist ins Berliner Um- der Chirurg und Forstwirt August Bier, die land. Ein „Ritual“ der Stiftungsfeste ist die Chirurgen Werner Körte und Wilhelm Heim, jährliche Verlesung der Worte Rudolphis von der Hygieniker und langjährige Präsident des 1812 (s. o.). Die Vorstände gaben über die Robert-Koch-Institutes Georg Henneberg Jahrzehnte und zu den „großen“ Stiftungsfes- sowie der Pharmakologe Wolfgang Heubner ten Chroniken heraus mit Nachweis der Vor- und die Pharmazeuten Gerhard Schenk und tragsthemen und mit aktualisierten Daten zu Karl-Heinz Frömming. Die Aufnahme von Wissenschaftlerinnen ist erst seit 2013 mögLebensgeschichten der Mitglieder. lich. Die Aufnahme von Juden in die GNH Mitglieder: a) Allgemeines: Die Zahl der ist nicht bekannt. Das Spektrum der MitglieMitglieder in den ersten hundert Jahren war der setzt sich heute aus niedergelassen Ärzten, relativ klein. So waren es 1832 45 ansässige Krankenhausärzten (Chefärzten), Professoren (und 3 auswärtige) Mitglieder, 1909: 79 (6). an Krankenhäusern und Universitätsklinken, Von diesen 79 (6) Mitgliedern waren 19 (3) aus Pharmazeuten und Pharmakologen, Bowissenschaftlich tätig, 8 waren beamtete Ärzte, tanikern, Zoologen, Chemikern und Ingeni16 (2) Militärärzte und 36 (1) ärztliche Prak- eurswissenschaftlern zusammen. – b) Präsitiker. Im gesamten ersten Jahrhundert haben denten: 1. Martin Heinrich Klaproth (1810– 272 Mitglieder der GNH angehört. Zum 200. 1817); 2. Ernst Ludwig Heim (1817–1834); Stiftungsfest (2010) wurden 650 Mitglieder 3. Heinrich Friedrich Link (1834–1851); 4. seit Gründung der Gesellschaft gezählt, davon Christian Gottfried Ehrenberg (1851–1875); waren 109 ortsansässig (Berlin) und 17 Aus- 5. Eduard Wolff (1875–1878); 6. Karl Bogiswärtige. Die GNH hatte bis heute (2014) 16 laus Reichert (1879–1883); 7. Robert HartPräsidenten, 21 Sekretäre und 17 Vize-Sekre- mann (1884–1893); 8. Wilhelm v. Waldeyer69

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Abb. 7  Stiftungsurkunde der GNH mit den Unterschriften der Gründungsmitglieder.

Hartz (1893–1921); 9. Max Rubner (1921– 1932); 10. Albert Aschoff (1932–1945); 11. Walter Koch (1949–1952); 12. Carl Ruge (1952–1969); 13. Gerhard Schenck (1969– 1975); 14. Georg Henneberg (1975–1992); 15. Hans-Herbert Wegener (1992–2006); 16. Peter Reichart (ab 2006). – c) Einzelmitglieder: Bis Ende 1815 traten 29 Mitglieder der GNH bei, die ersten 15 gehörten der Gründungskommission an. Eintritte bis 1815 (chronologisch): 1. Martin Heinrich Klap­roth; 2. August Friedrich Hecker; 3. Ernst Ludwig Heim; 4. Johann Karl Heinrich Meyer; 5. Ernst Horn; 6. Carl Ludwig Willdenow; 7. Johann Wilhelm v. Wiebel; 8. Johann Jakob Voeltzke; 9. Johann Andreas Voelker; 10. Karl Johann Christian Grapengießer; 11. Sigismund Friedrich Hermb­staedt; 12. Johann Goercke; 13. Johann Friedrich Alexander Mertzdorff; 14. Christian Lud70

wig Mursinna; 15. Johann Immanuel Bremer; 16. Paul Erman; 17. Christoph Knape; 18. Christoph Wilhelm Hufe­land; 19. Johann Chris­tian Weitsch; 20. Ludwig Ernst v. Koenen; 21. Karl Asmund Rudolphi; 22. Albrecht Thaer; 23. Gottfried Christian Reich; 24. August Wilhelm v. Stosch; 25. Martin Hinrich Karl Lichtenstein; 26. Johann Heinrich Leberecht Kuntzmann; 27. Johann Gottlieb Bruckert; 28. Friedrich Christian Rosenthal; 29. August Heinrich Steinrück. Querverweise auf andere Gesellschaften: Zahlreiche Mitglieder der GNH gehörten auch anderen Gesellschaften oder Vereinen an. Es gab Parallelmitgliedschaften besonders mit der  Gesellschaft Naturforschender Freunde (GNF), der  Medizinisch-chirurgischen Gesellschaft (Hufelandische Gesellschaft), dem  Medizinischen Club, der  Gesellschaft der

2.1  Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Berlin [GNH]

Freunde der Humanität, der  Philomatischen ken und Festschriften: Die Gesellschaft für Gesellschaft, der Berliner Wissenschaftlichen Ge- Natur- und Heilkunde in Berlin 1810–1910. sellschaft. Da es sich die GNH zum Prinzip ge- Festschrift zur Jubelfeier ihres Hundertjähmacht hatte, nicht in der Öffentlichkeit wirk- rigen Bestehens am 6. Februar 1910. Bersam zu sein, sind gemeinsame Unternehmun- lin 1910. – Die Gesellschaft für Natur- und gen mit anderen Vereinen oder Gesellschaften Heilkunde in Berlin 1911–1935. Zur FeiBerlins kaum bekannt. Die  GNF fungierte er ihres 125jährigen Bestehens am 10. Febals eine Art ältere Schwestergesellschaft. Den- ruar 1935. Berlin 1935. – Die Gesellschaft noch hatten beide Gesellschaften ein eige- für Natur- und Heilkunde in Berlin 1810– nes Profil. Besonders auffällig ist die zeitglei- 1960. Festschrift zur Feier ihres 150. Geche Gründung von Hufelands Medizinisch-chi- burtstages am 6. Februar 1960. Berlin [ca. rurgischer Gesellschaft (Einladungsschreiben am 1959]. – Harndt, Ewald: Das Wirken der Ge5. Januar; erste Versammlung am 1. Februar sellschaft für Natur- und Heilkunde im 19. 1810) und der GNH (Gründung 6. Februar Jahrhundert. (Festvortrag auf dem 164. Stif1810). – Ähnliche Vereinigungen: Bereits seit tungsfest am 3.2.1974). Sonderdruck Berlin 20. März 1808 bestand in Erlangen eine Physi- 1974 (auch in: Festschrift 2010, B1–B17). – kalisch-Medizinische Sozietät, die mit dem Ziel Wegener, Hans-Herbert: Reflexionen über gegründet worden war, „Gedanken, Beob- die Gesellschaft für Natur- und Heilkunachtungen und Erfahrungen aus allen Gebie- de in Berlin. (Schrift mit Abbildungen zum ten der Naturwissenschaften, der Technik und 185. Stiftungsfest der GNH). Berlin 1995. – der Medizin auszutauschen“. In den folgenden Die Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Jahrzehnten entstanden mehrere ähnliche Ver- Berlin 1810–2010. Festschrift zur Feier ihres eine in anderen Städten: Gesellschaft für Natur- 200. Geburtstages am 7. Februar 2010. Hg. und Heilkunde zu Dresden (gegr. 1818); Nie- v. d. GNH. Berlin 2010. – c) Zeitgenössiderrheinische Gesellschaft für Natur- und Heil- sche Nachweise: Heim, Ernst Ludwig: Takunde zu Bonn (gegr. 1818); Gesellschaft für gebücher und Erinnerungen. Ausgew. u. hg. Naturwissenschaft und Heilkunde zu Heidel- v. Wolfram Körner. Leipzig 1989. – Nicolai, berg (gegr. 1818); Oberhessische Gesellschaft für Friedrich: Wegweiser für Fremde und EinNatur- und Heilkunde zu Gießen (gegr. 1833); heimische durch die königl. Residenzstädte Physikalisch-Medizinische Gesellschaft in Würz- Berlin und Potsdam und die umliegende Geburg (gegr. 1849; Mitbegründer war Rudolf gend […]. Berlin 1816, S. 167. – d) ForVirchow). Am 31. Juli 1832 wurde von J. N. schungsliteratur: Prenzel, Klaus: Die BerliRust der Verein für Heilkunde in Preußen ge- ner wissenschaftlichen und geselligen Ärztegründet. vereine im 19. Jahrhundert. Diss. FU Berlin 1969, S. 22–23, 79–80. – Siefert, Helmut: Das Bibliographie: a) Archivalien: Der Vereins- naturwissenschaftliche und medizinische Vernachlass befindet sich in zwei Stahlschrän- einswesen im deutschen Sprachgebiet (1750– ken in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung (ent- 1850). Hannover 1969, S. 111–112, 141–142. halten sind aus dem späten 19. und dem 20. – Stürzbecher, Manfred: Beiträge zur BerliJahrhundert u. a. Sitzungsprotokolle ab 1952; ner Medizingeschichte. Quellen und Studien Materialien zu Stiftungsfesten, Kassenbele- zur Geschichte des Gesundheitswesens vom ge, Redemanuskripte, Lebensläufe, Nachru- 17. bis zum 19. Jahrhundert. Mit einer Einfe, Mitgliederlisten, Briefe ab 1875, Baum- führung von Johannes Schultze. Berlin 1966. kuchenreden ab 1860, Fotografien, Bücher) – Website der GNH: http://www.gnh-berlin. (bislang nicht katalogisiert). – b) Chroni- de [Elektronische Quelle]. Peter Reichart 71

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

2.2 Militärische Gesellschaft [MilitG] Name: Militärische Gesellschaft. Gründung: 2. Juli 1801. Auflösung: 1805. Sitz: Mietsräume. Adresse zunächst unbekannt, ab Oktober 1803 Englisches Haus, Mohrenstraße 49. Programmzitat: „Der Zweck der Gesellschaft ist: durch wechselseitige Mittheilung in allen Zweigen der Kriegskunst auf eine Art zu belehren; welche, indem sie zur Erforschung der Wahrheit ermuntert, die Schwierigkeiten, so wie die leichtmögliche Einseitigkeit des Privat-Studiums vermeiden läßt, und am besten geeignet zu seyn scheint, Theorie und Praxis in das richtige Verhältnis zu setzen“ (§ 1 der Satzung vom Januar 1803). Geschichte und Programmatik: Die MilitG sollte der freiwilligen Weiterbildung des preußischen Offizierskorps dienen. Der pädagogische Grundimpuls der Gründung kam unter anderem darin zum Ausdruck, dass von den neun Gründungsmitgliedern sieben als Lehrkräfte an Militärschulen tätig waren. – Die MilitG kam immer mittwochs (ab dem 11.12.1804 immer dienstags) ab 17 Uhr in gemieteten Räumen zusammen. Inhalt der Treffen waren „freundschaftliche Unterhaltung über militärische Gegenstände, und Vorlesungen von Abhandlungen über solche Gegenstände der Kriegskunst, welche in unserer Zeit eine besondere Aufmerksamkeit verdienen, und Beziehung auf die Verrichtung des Officiers im Kriege haben“. Die offizielle Sitzung begann um 18 Uhr mit der Verlesung des Protokolls der vorhergehenden Sitzung und der Diskussion eventuell eingegangener Vorschläge. Es folgte der Hauptvortrag, dessen Thema jeweils in der vorangehenden Sitzung im Plenum festgelegt wurde, „damit man im voraus über den bestimmten Gegenstand seine Gedanken sammeln kann“. Grundlage für die Vorträge, die einschließ72

lich Diskussion spätestens 20 Uhr beendet sein sollten, waren 1. Abhandlungen, welche Neumitglieder zusammen mit ihrem Beitritts­ antrag einreichen mussten, 2. Antworten auf Anfragen zu militärischen Problemen, die von einzelnen Mitgliedern oder von der Vereinsleitung an das Plenum gestellt wurden, 3. Besprechungen neuester Werke der Militärliteratur, mit Schwerpunkt auf die in Frankreich und in Großbritannien erschienenen Publikationen, 4. Diskussionen ausgewählter Feldzüge der vorangegangenen Saison, wobei solche Diskussionen vorzugsweise im Winterhalbjahr stattfanden, und 5. Ergebnisse der vom Vorstand ausgeschriebenen Preisaufgaben, für deren Lösung allerdings kein Preisgeld ausgesetzt war. Pläne und Landkarten, die der Illustration des Themas dienten, waren vom Bibliothekar im voraus bereitzulegen. Zu den Rezensionen wurde angemerkt: „vorzüglich bey solchen [Werken], welche preußische Officiere zu Verfassern haben, wird die größte Delicatesse beobachtet“. Inhaltlich wurden die Vorträge in die Bereiche Elementartaktik, Angewandte Taktik, Strategie, Artillerie, Ingenieurwissenschaften, Kriegsgeschichte sowie Hilfswissenschaften (Topographie, Kartographie, Geographie und Trigonometrie) eingeteilt. Ab 1802 gab die MilitG eigene Denkwürdigkeiten heraus. In ihnen wurden Vorträge, eingesandte Manuskripte sowie Abhandlungen publiziert, die Mitgliedskandidaten als Teil ihres Aufnahmeantrags einsandten. Außerdem fanden hier Berichte von den jährlichen Stiftungfesten und Auszüge aus den Protokollen der wöchentlichen Sitzungen ihren Platz. Letztere fassten nicht nur den Inhalt der Vorträge zusammen, sondern informierten oft auch über die Reaktionen des Auditoriums. Allerdings spiegelt die Zeitschrift nur einen Teil des Vereinslebens wider, weil z. B. Aufsätze, die „die Verteidigung oder den Angriff“ Preußens betrafen, vom Druck ausge-

2.2  Militärische Gesellschaft [MilitG]

nommen wurden. Die Denkwürdigkeiten waren ausschließlich für den Mitgliederkreis bestimmt. Die Mitglieder wurden verpflichtet, „diese Aufsätze keinem andern mitzutheilen“. Entsprechend dem Grundsatz, „daß die Denkwürdigkeiten für kein Eigentum des Einzelnen angesehen werden können, sondern den Mitgliedern nur zum Gebrauch geliehen sind“, mussten sie nach dem Austreten aus dem Verein oder bei Tod an den Verein zurückgereicht werden. Für die Herausgabe der Denkwürdigkeiten waren zwei „Redakteurs“ zuständig. Ab 1803 feierte die MilitG jährlich ihr Stiftungsfest, zunächst mit Gästen, ab 1804 nur noch im Kreis der Mitglieder. Als Festtag wurde allerdings nicht der eigentliche Stiftungstag – der 2. Juli – gewählt, weil im Sommer oft ein Großteil der Mitglieder nicht in Berlin anwesend war. Mit der gleichen Begründung fielen regelmäßig die Augustsitzungen aus. Ob der Grund in den Sommermanövern zu suchen ist, wurde nicht ausgeführt. Für sein Stiftungsfest wählte der Verein stattdessen den Geburtstag Friedrichs II. – den 24. Januar. Das Programm bestand aus einem programmatischen Vortrag Scharnhorsts, einer statistischen Zusammenfassung des vergangenen Tätigkeitsjahres durch den Sekretär, einem Festvortrag, der meist eine herausragende militärische Persönlichkeit, z. B. Prinz Heinrich von Preußen, in den Mittelpunkt stellte, und weiteren Reden. Zudem wurde dieser Tag in der Regel für gegebenenfalls nötige Statutenrevisionen genutzt. Am Schluss stand ein Festmahl, bei dem von Mitgliedern verfasste Lieder gesungen und Gedichte vorgetragen sowie diverse Toasts ausgebracht wurden. Die Preisaufgaben wurden zu Jahresbeginn (ab 1803 auf dem Stiftungsfest) bekanntgegeben. Bis zum 30. September mussten die Beiträge beim Vorstand eintreffen, der für jede Preisfrage einen eigenen Referenten einsetzte. Die Arbeiten zirkulierten alsdann unter den Berliner und Potsdamer Mitgliedern bis Ende

Abb. 8  Siegel der Gesellschaft mit dem Bildnis der Pallas Athene.

November, anschließend folgte die Entscheidung. Die versiegelten Umschläge mit den Namen der Gewinner wurden schließlich auf dem nächsten Stiftungsfest geöffnet. Um den eigenen Wirkungskreis zu vergrößern, beschloss der Verein Anfang 1805 auf Anregung des Präses Ernst v. Rüchel, einen ausgewählten Teil der Texte in einer allgemein zugänglichen Zeitschrift unter dem Namen Berlinisches militärisches Journal zu veröffentlichen. Allerdings kam die Tätigkeit der MilitG durch die kriegerischen Aktivitäten im Jahr 1805 zunächst zum Erliegen. Mit dem militärischen Zusammenbruch des brandenburgisch-preußischen Staates 1806 fand sie ihr vollständiges Ende. Der Plan zur Herausgabe einer öffentlichen Zeitschrift wurde nicht mehr verwirklicht. Die intensive Auseinandersetzung mit Kriegsgeschichte und neuesten militärischen Entwicklungen zeitigte produktive Folgen in der preußischen Heeresreform 1807–1814. Die führend an dieser Reform beteiligten Militärs – neben Gerhard (v.) Scharnhorst handelte es sich um die Mitglieder der Militär-Reorganisationskommission August Neidhardt v. Gneisenau, Hermann v. Boyen, Carl v. Clausewitz und Karl v. Grolman – hatten alle der MilitG angehört. 73

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

1842 wurde auf Initiative und unter dem Vorsitz des inzwischen zum preußischen Kriegsminister avancierten Hermann v. Boyen eine neue Militärische Gesellschaft gegründet, die bis zum Ersten Weltkrieg bestand. [Alle Zitate sind, wenn nicht anders angegeben, den Statuten von Januar 1803 entnommen.] Struktur und Organisation: Der Vorstand bestand aus einem Directeur (Leitung der Sitzungen und Geschäfte, Ausführung der Beschlüsse), einem Secretair (Protokoll, Korrespondenz, Bekanntmachung der Propositionen und aller an die Gesellschaft gesandten Aufsätze), einem Regisseur (Verwaltung der ökonomischen Geschäfte) und einem Bibliothekar (Aufsicht über Bücher und Landkarten). Mit Ausnahme des Secretairs wurden alle Posten zu Beginn jedes Jahres per Mehrheitswahl durch die Mitglieder besetzt, wobei bisherige Amtsinhaber nicht sofort erneut kandidieren durften. – Die MilitG finanzierte ihre Arbeit (Raummiete, Druck der Denkwürdigkeiten, Porto, Anschaffung von Fachliteratur und Landkarten) über das Eintrittsgeld in Höhe von einem Friedrichsd’or (fünf Taler) und den monatlichen Mitgliedsbeitrag, der für Berliner Mitglieder einen, für auswärtige Mitglieder einen halben Taler betrug. Die Einnahmen sollten ab 1805 durch den Verkauf der geplanten öffentlichen Zeitschrift gesteigert werden, wozu es aber durch die Auflösung der Gesellschaft nicht mehr kam. Mitglieder: a) Allgemeines: Die Initiative zur Gründung der MilitG stammte von den Brüdern Reinhold und Moritz v. Schoeler, die bereits der ähnlich strukturierten Patriotischen Gesellschaft von Kriegskunst-Verehrern in Wesel angehört hatten, welche 1801 aber nicht mehr existierte. Am Gründungstreffen nahmen zudem die Offiziere Gerhard (v.) Scharnhorst, Georg Ludwig v. Reinbaben, Albrecht Karl v. Hake, Johann Heinrich Frhr. Menu v. Minutoli und F. W. Frhr. v. Aderkas 74

sowie die Professoren Christian August Stützer und Otto Kuhfahl teil. Scharnhorst wurde der Posten des Direktors übertragen. Kuhfahl übernahm bis 1805 die Obliegenheiten des Sekretärs der Gesellschaft. Im Jahr 1803 wurde Karl Ludwig v. Phull Direktor. 1804 hatte wiederum Gerhard v. Scharnhorst dieses Amt inne, der 1805 von Johann Adolf v. Lützow abgelöst wurde. Für die übrigen Vorstandsposten ließen sich folgende Amtsinhaber ermitteln: Regisseur – Moritz Ludwig Wilhelm v. Schoeler (1803), Reinhold Otto Friedrich August v. Schoeler (1804), Johann Heinrich Karl Frhr. Menu v. Minutoli (1805); Bibliothekar – Karl Wilhelm Georg v. Grolman (1803), Friedrich Wilhelm v. Funck (1805). – Redakteure der Denkwürdigkeiten waren Friedrich Wilhelm Karl v. Aderkas und Christian August Stützer (1803), Moritz Ludwig Wilhelm v. Schoeler und Wilhelm Ludwig Bogislaw v. Steinwehr (Anfang 1804) sowie Ernst August v. Leithold, Johannes Heinrich v. Textor, Carl v. Clausewitz (ab 4. April 1804). – Scharnhorst hatte sich schon seit 1792 mit der Idee einer ähnlichen Organisation beschäftigt. Entsprechend positiv reagierte er auf die Einladung der Initiatoren, an der Vereinsgründung teilzunehmen. Schnell erlangte er eine herausgehobene Stellung in der MilitG, die sich nicht nur in seiner Wahl als Gründungsdirektor und einer späteren Wiederwahl ins Direktorenamt ablesen lässt. Ebenso wichtig waren seine programmatischen Ausführungen auf den Stiftungsfesten, in welchen er die Stärken und Schwächen des Vereins analysierte, auf mögliche ungünstige Entwicklungen in der Zukunft hinwies, um anschließend Wege herauszuarbeiten, auf welchen diesen Entwicklungen vorzubeugen sei. Auch in anderen Bereichen war Scharnhorsts Tätigkeit allgegenwärtig: Er trug regelmäßig auf den wöchentlichen Treffen vor, übernahm die Leitung von Sitzungen bei Abwesenheit des jeweiligen Direktors, war Referent für Preisfragen und publizierte fortlaufend in den

2.2  Militärische Gesellschaft [MilitG]

Denkwürdigkeiten. – Die Funktion eines Prä- seinen auswärtigen Mitgliedern waren die ses, dem ein Einspruchsrecht bei allen Sat- Denkwürdigkeiten. Sie versorgten die Mitgliezungsänderungen und Publikationen vorbe- der mit einer Auswahl an Aufsätzen und Vorhalten blieb, bekam der Generalinspekteur trägen und informierten sie zudem durch der preußischen Militärerziehungsanstalten, Auszüge aus den Protokollen über die wöErnst v. Rüchel, übertragen. Auf diesem Weg chentlichen Treffen. Ein Teil der auswärtigen wurde sichergestellt, dass die Armeeleitung Mitglieder wiederum beteiligte sich durch nie die Befürchtung hegte, die MilitG könn- Einsendungen und Antworten auf die Preiste sich zu einer Konkurrenzinstitution entwi- fragen an der allgemeinen Kommunikation ckeln. – Eine Person, die Mitglied der MilitG und Diskussion innerhalb der MilitG. werden wollte, hatte einen Aufsatz zu einem 1804/05 gründete sich in Potsdam eine autoselbstgewählten militärischen Thema in ano- nome Sektion, die eigenständige Sitzungen nymisierter Form einzusenden, das heißt, abhielt. Zur Bildung weiterer Filialen in andass der Aufsatztext keinen Namen enthalten deren Orten kam es aufgrund der bald darauf durfte, der Name vielmehr in einem separat erfolgenden Auflösung des Vereins nicht versiegelten Zettel verborgen bleiben musste. mehr. – b) Einzelmitglieder: Militärs Befand die Gesellschaft die Arbeit, die bei ei- (Dienstort bei Eintritt) in Berlin: Friedrich ner wöchentlichen Sitzung vorgelesen wurde, Wilhelm Karl v. Aderkas, Christian Friedrich für nicht ausreichend, wurde der Text samt Prinz v. Anhalt-Köthen-Pleß, Friedrich Wilungeöffnetem Namenszettel verbrannt. Im helm v. Funck, Karl Wilhelm Georg v. Grolentgegengesetzten Fall wurde der Zettel ge- man, Albrecht Georg Ernst Karl v. Hake, öffnet und über den Kandidaten von den Gotthilf August v. Höpfner, Georg Wilhelm Mitgliedern ballotiert. Ein zentrales Kriteri- v. Hofmann, Ludwig Friedrich Günther Anum für die Aufnahme war somit die fachliche dreas v. Jagow, Friedrich Heinrich Ferdinand Qualifikation des Kandidaten. Für Prinzen Emil v. Kleist, Herr v. Kleist, Karl Anton Stedes preußischen Königshauses, Regiments- phan Paul Graf v. La Roche-Aymon, Johann chefs, Stabsoffiziere und Generaladjutanten Emanuel Ludwig, Johann Adolf v. Lützow, des Königs allerdings entfiel diese Prozedur; Carl v. Mecklenburg-Strelitz, Johann Heinsie wurden bei Wunsch automatisch Mitglied. rich Karl Frhr. Menu v. Minutoli, Friedrich – Aufgenommen wurden Offiziere in preußi- Magnus v. Nothardt, Johann Ferdinand v. schen Diensten sowie „geeignete“ Zivilper- Perlitz, Karl Ludwig August v. Phull, August sonen mit preußischer Staatsbürgerschaft. Prinz v. Preußen, Johann Georg Gustav v. Die Mitgliedschaft endete mit dem Tod, mit Rauch, Georg Ludwig v. Reinbaben, Wildem freiwilligen Austritt oder mit dem Ein- helm Karl Ferdinand v. Roeder, Nikolaus tritt in die Dienste eines anderen Staates. Al- Ludwig v. Rudolphi, Gerhard (v.) Scharnlerdings kam es in den wenigen Jahren der horst, Herr v. Schlotheim, Moritz Ludwig Existenz des Vereins nur selten zum Ausschei- Wilhelm v. Schoeler, Reinhold Otto Friedden von Mitgliedern. – Die Zahl der Berliner rich August v. Schoeler, Friedrich Wilhelm Mitglieder wurde Anfang 1802 „vorläufig auf Karl Graf v. Schmettau, Wilhelm Ludwig Bofunfzig“ festgelegt. Ende 1802 hatte die Ge- gislaw v. Steinwehr, Ferdinand Ludwig Streit, sellschaft allerdings bereits 120 Mitglieder. Christian August Stützer, Friedrich Bogislaw Bis zum Stiftungsfest 1805 stieg diese Zahl auf Emanuel (Graf) Tauentzien (v. Wittenberg), 182. Die Mehrzahl der Mitglieder befand sich Johannes Heinrich v. Textor, Friedrich Karl stets in anderen Garnisonsorten der branden- Heinrich Graf v. Wylich und Lottum, Chrisburgisch-preußischen Monarchie. Das we- tian v. Ziehen – in Potsdam: Ludwig Dietsentliche Bindeglied des Berliner Vereins zu rich Karl Wilhelm v. Below, Karl Ludwig 75

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

August v. Bergen, Florens Gottfried Ludewig Bockum genannt v. Dolffs, Karl Leopold Heinrich Ludwig v. Borstell, August Friedrich Philipp Graf v. Dönhoff, Friedrich Albrecht Gotthilf Frhr. v. Ende, Friedrich Wilhelm Graf v. Goetzen, Karl Friedrich v. Hirschfeld, August Ernst v. Kamptz, Karl Friedrich Frhr. v. d. Knesebeck, Karl Ludwig Jakob Edler v. LeCoq, Herr v. Liebhaber, Johann Jakob Otto August Rühle v. Lilienstern, Johann Friedrich Konstantin v. Lossau, Christian Karl August Ludwig Reichsfrhr. v. Massenbach, Karl Ludwig v. Oppeln-Bronikowski, Ernst Heinrich Wilhelm v. Perbandt, Christian Friedrich Wilhelm v. Plötz, Franz Ludwig Preuß, August Friedrich Ludwig Karl v. Reiche, Ernst v. Rüchel, Heinrich Wilhelm (Graf v.) Schlieffen, Louis Gustav v. Thile, Ernst Ludwig v. Tippelskirch, Wilhelm Ernst August Frhr. v. Wintzigerode – in Angerburg: Karl Ludwig Heinrich Friedrich Ehrenreich v. Brockhausen – in Ansbach: August Albert Friedrich Georg v. Korpff, Herr v. Seidel – in Aschersleben: Franz Joseph Prinz v. Anhalt-Bernburg-Schaumburg, Anton Ernst Gottfried Eberhard v. Schubaert, Werner Graf v. der Schulenburg – in Belgard/ Pommern: Hans Joachim Friedrich v. Sydow – in Braunsberg/Ostpreußen: Christoph Friedrich Otto v. Diericke – in Breslau: Johann Wilhelm v. Hagen, Karl Langwerth v. Simmern, Friedrich Gottlob Moritz v. Thielau, Justus Philipp Ludwig Frhr. v. Wolzogen – in Bromberg: Herr v. Below, Herr v. Preen, Hermann Johann Ernst v. Manstein, Carl Ludwig Heinrich v. Tiedemann – in Charlottenburg: Georg Leopold August Graf v. Hake, Wilhelm Ludwig Viktor Graf Henckel v. Donnersmarck, Karl Heinrich v. Prittwitz – in Danzig: Herr v. Clingenau, August Julius Gneomar Graf v. Krockow, Mathias Julius v. Laurens – in Dramburg/Pommern: Johann Rudolph Christoph Wilhelm Frhr. Hiller v. Gärtringen – in Elbing: Ernst Johann Karl v. Collrepp, Johann Sigismund Karl v. Tippelskirch – in Frankenstein/ 76

Schlesien: Karl Wilhelm v. Sanitz – in Frankfurt (Oder): Leopold Heinrich v. Hohendorff – in Freystadt: Levin Karl v. Heister – in Glatz: Franz August v. Albert, Julius August Reinhold v. Grawert – in Glogau: Albrecht Wilhelm Leopold Graf v. Dohna, Franz Ernst v. Dresler, Heinrich Konstantin Anton v. Poyda – in Graudenz/Westpreußen: Franz Georg v. Kleist, Hans Christoph v. Natzmer, Ernst Christian Friedrich Karl Ludwig v. Schramm, Franz Heinrich v. Streckenbach, Daniel v. Wilamowitz-Möllendorf – in Grüneberg: Leopold Wilhelm v. Dobschütz, Hans Ernst Sigismund Ludolf v. Studnitz – in Guhrau/Niederschlesien: Wilhelm Heinrich v. Rudorf – in Halberstadt: Herr Herwarth v. Bittenfeld – in Hildesheim: Adolf Friedrich v. Oppen – in Königs Wusterhausen: Karl Friedrich Hermann v. Beeren – in Magdeburg: August v. Bennigsen, C. G. v. Ebermayer, Hermann Ignaz v. Gaza, Friedrich Ludwig Heinrich v. Kleist, Friedrich Wilhelm v. Kleist, Ludwig Ernst Christian v. Kyckpusch, Friedrich Ferdinand David Karl von der Marwitz, Louis Ferdinand Prinz v. Preußen – in Minden: Georg Ludwig Wilhelm v. Grabowsky, Karl Heinrich v. Zielinski – in Mittenwalde: Georg Wilhelm v. Valentini, Johann David v. Yorck – in Münsterberg: Friedrich Wilhelm Magnus v. Eberhardt – in Neiße: Karl Ludwig v. Delius, Johann Friedrich Wilhelm v. Müffling, Herr Wolff v. Wolffsburg – in Neu-Bellin: Friedrich August v. Retzow – in Oschersleben: Wilhelm v. Vogelsang – in Pleß: Friedrich Ferdinand Herzog v. Anhalt-Köthen-Pleß – in Posen: Friedrich Wilhelm Christian v. Zastrow – in Prenzlau: Friedrich Wilhelm Herzog v. Braunschweig-Oels, Friedrich Jakob v. Rüchel-Kleist – in Ramslau/Schlesien: Ferdinand Wilhelm Hermann v. Kulisch, Friedrich August Frhr. v. Wolzogen – in Riesenburg/Westpreußen: Johann Heinrich Wilhelm Ernst v. Beneckendorf und Hindenburg – in Ruppin: Melchior Lebrecht v. Börncken, Carl v. Clausewitz, Johann Fried-

2.2  Militärische Gesellschaft [MilitG]

rich Graf v. Hülsen – in Schwedt: Karl Fried- erster Präsident der  Preußischen Haupt-Birich (Frhr. v.) Freystedt – in Schweidnitz/ belgesellschaft; Ku(h)fahl gehörte der Berliner Schlesien: Hans Georg v. Humboldt- Gruppe des  Tugendbundes an; Albrecht v. Dachroeden, Ernst August v. Leithold – in Hacke (Hake) der  Deutschen TischgesellSoldin: Friedrich Wilhelm Frhr. v. Gaudi – schaft und Friedrich Albrecht Frhr. v. Ende, v. in Stargard: Otto Karl Lorenz v. Pirch, Franz Maltzahn und Menu v. Minutoli der  GeWilhelm v. Steinäcker – in Stettin: Herr v. sellschaft der Freunde der Humanität. – Seit Maltzahn – in Stolpe: Ferdinand Christoph 1997 gibt es in Berlin eine Politisch-militäriLebrecht Wilhelm v. Proeck – in Thorn: An- sche Gesellschaft e.V., die sich als Nachfolgedreas Ernst Köhn v. Jeski – in Tyckozyn: rin der MilitG versteht. Friedrich Wilhelm Leopold v. Saint-Paul – in Warschau: Christian Wilhelm v. Chlebowski, Bibliographie: 1) Archivquellen: Der VerFriedrich Karl Otto v. Decker, Karl Friedrich bleib der Vereinsunterlagen ist unbekannt. v. Holtzendorff, Friedrich Wilhelm v. Nor- Sollten sie in das Militärarchiv gelangt sein, so mann, Karl Felix v. Pirch, Herr v. Raison, fielen sie vermutlich der weitgehenden VerHeinrich Friedrich Karl v. Roeder – in Wei- nichtung von dessen Archivalien durch Bommar: Karl August Herzog v. Sachsen-Wei- ben am Ende des II. Weltkriegs zum Opfer. mar-Eisenach – in Wesel/Kleve: Friedrich – 2) Drucksachen: Auszug aus der VerfasAugust v. Rummel, Johann Friedrich Wil- sung und den Gesetzen der militärischen Gehelm v. Schoeler – in den neuerworbenen sellschaft in Berlin. Berlin 1802 (in BibliotheGebieten (d. h. in den Gebieten, die Preußen ken nicht auffindbar). – Auszug aus der Ver1795 in der dritten polnischen Teilung zuge- fassung und den Gesetzen der militärischen fallen waren, mit Ausnahme Warschaus): Karl Gesellschaft in Berlin nach der Revision im August v. Beulwitz, Johann Ernst v. Bieber- Januar 1803. Berlin 1803. – Denkwürdigstein, Karl Anton Andreas v. Boguslawsky, Jo- keiten der Militärischen Gesellschaft zu Berhann Joseph Franz Maximilan v. Brixen, Jo- lin. Bd. 1–5, Berlin 1802–1805. – Einige Liehann Wilhelm v. Ernest, August Neidhardt v. der und Toasts zur Feyer des 24sten JanuGneisenau, Anton Wilhelm v. L’Estocq, Karl ars in der militärischen Gesellschaft zu BerFrhr. v. Müffling gen. Weiß, Ernst Philipp lin. 1805. – Nachricht für die Gesellschaft der Adolf v. Reitzenstein, Karl Friedrich Franzis- militärischen Wissenschaften in Berlin. o. D. kus v. Steinmetz – Ort unbekannt: Johann [1805?]. – Nachricht für die Mitglieder der Andreas v. Böhler, Karl August Ferdinand v. militärischen Gesellschaft. Berlin 1805. – RüBorcke, Hermann v. Boyen, Alexander Det- chel, Ernst Friedrich v.: Anrede an die mililof v. Buch, Herr v. Franken, Herr v. Gaugre- tärische Gesellschaft zu Berlin, bei ihrer erben, Johann Karl Leopold v. Larisch, Joachim sten Stiftungsfeier, an dem so merkwürdigen Friedrich Wilhelm v. Oppen, Johann Ernst v. 24sten des Jenner, gehalten in der VersammQuickmann, Friedrich Erhard v. Roeder, Jo- lung von dem General-Lieutenant von Rühann Ferdinand v. Studnitz. – c) Einzelmit- chel. Berlin 1803. – 3) Zeitgenöss. Berichglieder: Zivilisten: Johann Friedrich Goercke, te und Memoiren: Anzeige der PublikatiFriedrich Wilhelm Ernst Frhr. v. Knobels- on „Auszug aus der Verfassung und den Gedorff, Otto Christian Friedrich Kuhfahl, Karl setzen der militärischen Gesellschaft in Berlin. Reichsfrhr. vom und zum Stein, Christian 1802“. In: Neue allgemeine deutsche BiblioAugust Stützer. thek, Bd. 75 (1803), S. 342 f. – Reiche, Ludwig v.: Memoiren des Königlich preußischen Querverweise auf andere Vereine: Chris- Generals der Infanterie Ludwig von Reiche, toph Friedrich Otto v. Diericke war später hg. v. Louis von Weltzien. Leipzig 1857, vor 77

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

allem Teil 1, S. 118–122. – 4) Forschungsliteratur: Dilthey, Wilhelm: Zur Preußischen Geschichte. Leipzig 1936, S. 106 f. (= Gesammelte Schriften, Bd. 12). – Niemeyer, Joa­chim: Einleitung. In: Denkwürdigkeiten der Militärischen Gesellschaft zu Berlin. Neudruck der Ausgabe Berlin 1802–1805. Osnabrück 1985, S. V–LV. Enth. u. a. Statuten vom Januar 1803 (= Bibliotheca rerum militarium. Quellen und Darstellungen zur Militärwissenschaft und Militärgeschichte, Bd. 37). – Petter, Wolfgang: Die „Militärische Gesellschaft zu Berlin“.

In: Deutschland in Europa. Kontinuität und Bruch. Gedenkschrift für Andreas Hillgruber, hg. v. Jost Dülffer. Frankfurt/Main u. a. 1990, S. 293–310. – Weigert, Dieter: Denkwürdigkeiten der Militärischen Gesellschaft zu Berlin. Neudruck der Ausgabe Berlin 1802–1805, m. e. Einl. v. Joachim Niemeyer. Osnabrück 1985. Rezension; in: Berlinische Monatsschrift 9, Heft 8 (August 2000), S. 109–111. – White, Charles Edward: The enlightened soldier. Scharnhorst and the Militärische Gesellschaft in Berlin 1801–1805. New York 1989.

Sebastian Panwitz

78

2.3  Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin [GNF]

2.3 Naturforschende Gesellschaften Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin [GNF] Name: Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin; Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin; Berlinische Gesellschaft naturforschender Freunde; Berlinische naturforschende Gesellschaft; Naturforschende Gesellschaft; Naturforschende Freunde; Spitzname bei L. Heck: Die Unsterblichen (Lebensbeichte, 1938, S. 219); scherzhaft 20. Jh.: naturforschende Frösche. Gründung: 9. Juli 1773. Bestand: Die Gesellschaft existiert, abgesehen von einer Unterbrechung ihrer Aktivitäten 1945–1953, bis in die Gegenwart. Sitz: 1773–1778: Wohnräume des Initiators Friedrich Heinrich Wilhelm Martini am Hackeschen Markt; 1778–1788: Räume am Hackeschen Markt, möglicherweise bei der Witwe Martinis; 1788–1906: Haus der GNF, Französische Straße 29; ab 1906: Museum für Naturkunde Berlin; Sitzungen fanden sowohl im Museum als auch im Berliner Aquarium statt. Programmzitat: „Der Hauptendzweck der hiesigen Privatgesellschaft Naturforschender Freunde bestehet vornämlich in einem gemeinschaftlichen Bestreben aller Mitglieder, die Erscheinungen und Merkwürdigkeiten der Natur, so viel in ihrer Gewalt ist, genau zu erkennen, die Naturgeschichte in ihrem ganzen Umfange, besonders aber die Naturgeschichte unserer Lande, mit Beyhülfe einer guten Naturlehre, fleißig zu studiren und zum vorzüglichen Gegenstand ihrer Zusammenkünfte zu machen“ (§ 1 der Gesetze der hiesi-

gen Privatgesellschaft Naturforschender Freunde nach den Verbesserungen vom 3ten May 1774). – „Die Gesellschaft naturforschender Freunde ist eine freundschaftliche Privatverbindung zur Beförderung der Naturwissenschaft“ (§ 1 der Gesetze der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin, 1810).

Abb. 9  Siegel der GNF.

Geschichte und Programmatik: Die GNF war eine bürgerliche, private, gelehrte Gesellschaft mit dem Schwerpunkt Naturgeschichte. Ihre Bedeutung in der Berliner Wissenschaftslandschaft wurde wesentlich durch den Besitz einer umfangreichen Naturaliensammlung und eines eigenen Hauses bestimmt. Als Aufklärungsgesellschaft gegründet, in der sich interessegeleitet Bürger verschiedener Herkunft und Profession zusammenfanden, veränderte sich mit der Gründung der Berliner Universität 1810 und dem Aufbau universitärer Naturaliensammlungen ihre Position in Berlin grundlegend. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sie sich zu einer Fachgesellschaft für beschreibende Naturforschung mit hohem professionellem Anspruch. Die GNF wurde auf Initiative des Berliner Arztes und Naturforschers Friedrich Heinrich Wilhelm Martini (1729–1778) gegründet. Die Gründungssitzung fand am 9. Juli 1773 in der Wohnung von Martini am Ha79

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Abb. 10  Mitgliedsurkunde für Friedrich Heinrich Wilhelm Martini 1773.

ckeschen Markt statt. Zugegen waren sieben der späteren zwölf Ordentlichen Mitglieder. Zu den Gründungsmitgliedern zählten Ärzte, Apotheker, Kaufleute oder Staatsbeamte, die, wie aus der Beschreibung Berlins von Friedrich Nicolai hervorgeht, alle über umfangreiche Naturaliensammlungen verfügten. Wesentliche Gründungsintention war daher, die in Berlin verstreut vorhandenen privaten naturhistorischen Sammlungen institutionell zusammenzuführen. 80

An der vom preußischen König beeinflussten Akademie der Wissenschaften war das Fach Naturgeschichte in den Diskussionen und Tätigkeiten im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts offenkundig unterrepräsentiert. Auch fand Martini als Naturforscher auf dem Gebiet der Konchyliologie (Lehre von den Schnecken- und Muschelschalen) trotz der Förderung durch das Akademiemitglied Johann Gottlieb Gleditsch (1714–1786), Botaniker und Direktor des Botanischen Gartens, an der

2.3  Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin [GNF]

Abb. 11  Titelblatt von Tagebuch 1 mit dem Schriftbild Martinis und dem Siegel der GNF.

Akademie der Wissenschaften keine Anerkennung oder Aufnahme. Sowohl vor dem Hintergrund der großen Popularität der Naturgeschichte im 18. Jahrhundert als auch durch das Desiderat an der Wissenschaftsakademie wird der Charakter der GNF deutlich: Als private gelehrte Gesellschaft führte sie Bürger unterschiedlicher Profession in einem Kreis Gleichgesinnter zusammen, grenzte sich damit von der monarchisch geprägten Akademie ab und gewährleistete gleichzeitig den Zugang zu den privaten Sammlungen der anderen Mitglieder. Aus dem gemeinsamen Interesse an der Naturgeschichte speiste sich ein Freundschafts­ ideal, das auch im Namen der Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Die gemeinschaftliche Begeisterung für die Natur sollte auch einen Rückschluss auf die „seelische Verbundenheit“ zulassen. Dabei wurde die Geistesverwandtschaft als „ähnliche Denkungsart“ in der na-

turhistorischen Bildung, der Begeisterung für Naturobjekte und im (daraus folgenden) moralisch integren Charakter gesehen und stiftete gleichzeitig die emotionale Verbundenheit ihrer Mitglieder. Somit gewinnt die Bezeichnung Gesellschaft naturforschender Freunde programmatische Züge, in dem sie einen modernen, interessegeleiteten Freundschaftsbegriff zum Inhalt hat. Die „Freunde der Natur“ waren auch die „Freunde der Naturfreunde“ – so könnte eine verkürzte Formel lauten. Ausdruck dieses übergreifenden Interesses sind u. a. die zahlreich vorhandenen sogenannten Lebensbeschreibungen, die entweder bereits zu Lebzeiten oder postum durch Verwandte oder Freunde eingesandt worden sind. Bereits in den ersten Gesetzen von 1774 wird diese besondere Anteilnahme an den „Schicksalen so wohl, als an den gelehrten Beschäftigungen unserer sämmtlichen Mitglieder“ mit dem Status „Privatgesellschaft“ begründet. Das gegenseitige freundschaftliche Interesse brachte den ganzen Menschen in persönlichen Kontakt zu den anderen Mitgliedern und bestimmte deren Verbindung, in der Formen privater Kommunikation bestimmend waren. Dieser Status ist gleichzeitig Ausdruck eines spezifischen Anspruchs an die GNFMitglieder und die Formen der Kommunikation, die gelehrt und belehrend, zugleich privat und freundschaftlich sein sollten. Das zentrale Ziel der GNF war die Förderung der Naturgeschichte als Wissenschaft. Dieses Ziel verfolgte sie hauptsächlich durch den Aufbau einer eigenen, möglichst vollständigen Sammlung an Naturalien und Büchern und die Herausgabe einer eigenen Zeitschrift mit originären naturhistorischen Beiträgen. Die Naturaliensammlung wurde durch Ankauf und Tausch, hauptsächlich aber durch Geschenke auswärtiger Mitglieder, bereichert. Auch die Bibliothek erhielt einen Großteil ihrer Bestände durch Schenkungen und Tausch. Schenkungen spielten insbesondere dann eine Rolle, wenn neue Mitglieder einen Nachweis ihrer naturhistorischen Bildung erbringen 81

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

wollten, indem sie eigene Werke an die GNFBibliothek einsandten. Der Zeitschriftentausch spielte erst mit dem Aufkommen weiterer naturkundlicher Fachgesellschaften ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine größere Rolle. Der Umfang und Reichtum der Naturaliensammlung, in der alle drei Naturreiche der klassischen Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts – das Stein-, Pflanzen- und Tierreich – vertreten waren, legte den Grundstein für das Ansehen und die große Bedeutung der GNF am Ende des 18. und im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Die Bibliothek entwickelte sich zu einer bedeutenden Fachbibliothek für die beschreibende Naturforschung, war jedoch nur für die Mitglieder der GNF vor Ort zugänglich. Ergänzend soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch das Archiv der GNF, das von Anbeginn geführt worden ist, als Teil der gesellschaftlichen Sammlungen betrachtet werden muss. Darin wurden alle Unterlagen aufbewahrt, die im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Aktivitäten stehen. Grundsätzlich unterschieden werden können zum einen sämtliche Archivalien, die gleichsam die Dokumentensammlung der GNF darstellen. Zum anderen sind seit ihrer Gründung in den Tagebüchern die Sitzungen der GNF durchgängig protokolliert und der Umgang mit den in den Sammlungen vorhandenen Objekten (Briefe und Dokumente, aber auch Naturalien und Bücher) festgehalten worden. Damit gewinnen die Tagebücher eine identitäts- und traditionsstiftende Kraft, die für die Geschichte der GNF und ihre Mitglieder von Bedeutung ist. Die Öffentlichkeit des Ortes, die 1788 der Erwerb eines eigenen Hauses in die Gesellschaft einbrachte, führte bei den Mitgliedern offenbar zum Wunsch nach Verfestigung des privaten Charakters der GNF. Diesem Wunsch wurde mit der 1789 verabschiedeten, sogenannten Grundverfassung entsprochen, die als testamentarische Verfügung den Umgang mit den als Privatbesitz angesehenen Sammlungen, der Bibliothek und dem Haus 82

auch für folgende Generationen fixierte. Diese Urkunde war für die Ordentlichen Mitglieder bindend und spielte eine wesentliche Rolle für ihr Selbstverständnis. Sie koppelte für mehr als 100 Jahre den privaten Charakter der gelehrten Gesellschaft an die Bewahrung und Vermehrung ihres Besitzes und ihrer institutionelle Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. Mit Berufung auf ihre Gesetze sorgte sie vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für eine Abgrenzung von den in den Naturwissenschaften einsetzenden allgemeinen Popularisierungstendenzen, wie sie zum Beispiel in der  Philomatischen Gesellschaft zum Tragen kamen. Dabei betonte sie vor allem ihre Anforderungen an Belehrung und Gelehrsamkeit, welche im Verlauf des 19. Jahrhunderts in einen hohen Anspruch an Reputation und Professionalisierung der Ordentlichen Mitglieder mündete. Ihren Status als Privatgesellschaft betonte die GNF auch in ihren 1810 verabschiedeten, in wesentlichen Punkten überarbeiteten Gesetzen. Die Veränderungen in der Berliner Wissenschaftslandschaft, insbesondere die Gründung der Berliner Universität und auch die sich über Jahre hinziehenden Bemühungen um ein neues Akademiereglement veranlassten die GNF offenbar, ihre Position als unabhängige gelehrte Gesellschaft zu untermauern. Im Vorfeld und nach der Universitätsgründung gewann die GNF eine besondere Rolle als „Kandidatenpool“ für die naturkundlichen und medizinischen Ordinariate. GNF-Mitglieder wie Lichtenstein, Rudolphi, Klug, Weiss, Hermbstaedt, Reich, Link oder Willdenow waren Professoren der Universität und auch in der Gesellschaft aktiv. Dagegen führten der Aufbau der universitären Naturaliensammlungen, die den Differenzierungstendenzen in der Naturforschung institutionell gerecht wurden, und die langfristige Überforderung der OM bei der (ehrenamtlichen) Pflege der gesellschaftseigenen Sammlungsobjekte zu einem Bedeutungsverlust der GNF-Sammlung. Letztlich verzichteten die

2.3  Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin [GNF]

OM laut Beschluss vom November 1828 auf die Erweiterung ihrer Naturaliensammlungen und stellten stattdessen die Erweiterung ihrer Bibliothek in den Mittelpunkt der Aktivitäten. Ihr ungewöhnlich langes Bestehen unterscheidet die GNF von anderen derartigen Gründungen des 18. Jahrhunderts. Die Ursachen dafür liegen zum einen in den materiellen Grundlagen ihrer Geschichte (Sammlungen, Haus), welche die große Bedeutung der GNF in Berlin um 1800 bestimmten. Zum anderen aber förderte die Vorstellung, dass zur vollständigen Erkenntnis der Natur und ihrer unzähligen und vielfältigen (göttlichen) Geschöpfe die Zusammenarbeit vieler Naturforscher und mehrerer Generationen notwendig sei, die Genese von Traditionen. In der GNF äußerte sich ein charakteristisches Traditionsbewusstsein auf vielfältige Weise und kann anhand der im Archiv der GNF überlieferten Dokumente, Handlungen und Wertvorstellungen nachgewiesen werden. Dazu gehört zum Beispiel das langjährige Unterzeichnen und Besiegeln der Grundverfassung von 1789 bis 1918. Die Wurzeln dieses Traditionsbewusstseins liegen im Forschungsziel der Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts, die in der Analogie von göttlichem Geheimnis und Naturgeheimnis ein deistisch begründetes, naturkundliches Erkenntnisstreben ermöglichte. Struktur und Organisation: In der GNF wurde zwischen Ordentlichen und Ehrenmitgliedern unterschieden. Mit der Statutenänderung 1791 wurde eine weitere Kategorie – außerordentliches Mitglied – eingeführt, die oftmals als Vorstufe zur Ordentlichen Mitgliedschaft diente. Die Zahl der OM war auf zwölf begrenzt. Sie mussten ihren Wohnsitz in Berlin haben und ihr naturhistorisches Interesse durch den Besitz einer eigenen Naturaliensammlung, naturkundlichen Bibliothek oder durch ausgewiesene Leistungen auf dem Gebiet der Naturgeschichte nachweisen. Ehrenmitglieder konnten sowohl in Berlin ansässige als auch auswärtige Gelehrte werden; ihre

Anzahl war nicht begrenzt. Sie wurden in der Regel durch ein OM in Vorschlag gebracht und dann durch Ballotage gewählt. Die Wahl der OM erfolgte ebenfalls durch Ballotage; die Stellen wurden kooptativ besetzt. Der außerordentlichen Mitgliedschaft ging in der Regel eine Ehrenmitgliedschaft voraus. An den internen Sitzungen der OM, in denen organisatorische Belange der Gesellschaft (Finanzen, Korrespondenz, Aufbau und Pflege der Sammlungen, Bibliothek, Redaktion der Schriften, Haus) zur Sprache kamen, durften weder EM noch ao. Mitglieder teilnehmen. Sie waren nur zu den wissenschaftlichen Vorlesungen zugelassen, zu denen auch Gäste erlaubt waren. Bei diesen Zusammenkünften wurden von auswärtigen Mitgliedern eingesandte wissenschaftliche Abhandlungen verlesen, Vorträge durch anwesende Mitglieder gehalten, Naturalien betrachtet oder gelehrte Konversation geführt. Die Vorführung wissenschaftlicher Experimente in den Sitzungen fand nur selten statt. Die Sitzungsordnung zeigt die Grenze zwischen den Mitgliedsformen am deutlichsten. Statuarisch festgelegt, war der Versammlungstag der Dienstag, an dem sich wöchentlich am Nachmittag die OM versammelten. Gegen 18 Uhr fanden dann die „gelehrten Unterhaltungen“ statt, ohne dass deren Dauer begrenzt war. Bis zum Kauf des Hauses wechselten sich die Mitglieder als Gastgeber für die Gesellschaft ab, auch mit dem Ziel, die jeweiligen Naturaliensammlungen zu betrachten (z. B. die bedeutende Fischsammlung von Marcus Elieser Bloch). Ab 1789 fanden dann einmal monatlich Sitzungen in den Wohnungen der Mitglieder statt, wobei diese Zusammenkünfte als besonders wichtig für den Zusammenhalt und die Pflege des Freundschafts­ ideals angesehen wurden. An den anderen Versammlungstagen traf man sich im Sitzungszimmer des Hauses. Grenzverletzungen seitens der EM, die zu früh im Haus erschienen und damit die Zusammenkünfte der OM unterbrachen, veranlassten eine Änderung der Sitzungsordnung. So wurde ab 1811 eingeführt, 83

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

auf zwei Gesamtsitzungen eine Zusammenkunft folgen zu lassen, an der ausschließlich die OM ihre internen Verhandlungen führen konnten. Die Gesetze der GNF wurden erstmals 1774 fixiert, Statutenänderungen erfolgten 1784, 1791 und 1810 (dann erst wieder 1906). Bereits kurz nach ihrer Gründung erhielt sie die Protektion Friedrichs II., woraufhin sie ihre Gesetze drucken und ein eigenes Siegel führen durfte. Auch die Grundverfassung 1789 wurde vom preußischen König Friedrich Wilhelm II. bestätigt. Das Amt des beständigen Sekretärs hatte bis 1778 Martini inne. Für die Kasse der Gesellschaft war Siegfried verantwortlich. Nach dem Tod Martinis wurden unter den Ordentlichen Mitgliedern verschiedene Ämter verteilt: der Direktor im dreimonatigen Wechsel, der Hausbewohner für die Pflege der Sammlungen und des Archivs, der Redakteur der gesellschaftseigenen Schriften. Nach dem Tod Siegfrieds wechselte auch das Amt des Kassenwarts. Dem Direktor oblagen das Organisieren der Korrespondenz, das Protokollieren der Sitzungen und das Führen der Tagebücher, in die erst nachträglich das Sitzungsprotokoll übertragen wurde. Die in den Sitzungen verwendeten Utensilien wie Mitgliederverzeichnisse, Gesetze, Blanko-Diplome, Siegel, Siegellack, ein Hammer etc. sowie der aktuelle Tagebuchband wurden in zwei Missiven an den nachfolgenden Direktor weitergereicht. Die Kasse der GNF speiste sich größtenteils aus den Beiträgen der OM; es spielten aber auch gelegentliche Geldgeschenke der OM und EM eine Rolle. Einnahmen durch die Vermietung des Sitzungssaales wurden erst ab den 1830er Jahren erzielt. Ausgaben entstanden in erster Linie durch das Anwachsen der Bibliothek (Ankauf der Buchblöcke, Buchbinder). – Das Haus der GNF: Im Jahre 1788 erwarb die GNF mit finanzieller Unterstützung des preußischen Königs in Höhe von 10.000 Talern ein eigenes Haus in der Französischen Straße 29. Dieses Gebäude war fort84

Abb. 12  Haus der GNF in der Französischen Straße 29, um 1900.

an, bis zum Verkauf im Jahre 1905, Sitz der Gesellschaft. Es diente der Aufbewahrung der reichhaltigen Naturaliensammlungen, der Bibliothek und des Archivs; es wohnte ein Ordentliches Mitglied darin, und es fanden dort die Sitzungen statt. Dem im Haus wohnenden Mitglied oblagen die Betreuung der Bibliothek, die Pflege der Sammlung und das Führen des Archivs. Eine Vermietung des Sitzungssaals ist erst ab den 1830er Jahren nachweisbar. Vordem wurden Gesuche nach Vermietung (1788 durch die  Holzsparende Gesellschaft) mit der Begründung abgelehnt, dass die wertvollen Sammlungen eine fremde Nutzung nicht zuließen. Das Haus sollte in erster Linie die Erweiterung der Sammlungen ermöglichen und gleichzeitig durch seine Präsenz ihren Umfang und Reichtum bekannt machen. Von den Mitgliedern wurde diesem Besitz offenbar eine zentrale Bedeutung beigemessen, bestimmte er doch das Ansehen der GNF zu dieser Zeit. Als Aufbewahrungsort für die wertvollen Sammlungen war somit das Haus öffentliches Kennzeichen dieses Eigentums und symbolisierte den Reichtum des Naturalienkabinetts und der Bibliothek und folglich den Reichtum der Gesellschaft. Der Sammlungsbesitz und die wissenschaftlichen Aktivitäten bildeten die materiale Grundlage für die große Bedeutung der GNF im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

2.3  Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin [GNF]

Der Besitz des Hauses wurde zu einer Vor­ aussetzung für das lange Bestehen der Gesellschaft, in dem es auch in (späteren) Phasen geringer gesellschaftlicher Aktivitäten institutionelle Beständigkeit sicherte und nach Außen Kontinuität und Dauerhaftigkeit suggerierte. Es bewahrte damit auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die besondere Stellung, welche die GNF in der Berliner Wissenschaftslandschaft genoss. – Aktivitäten: a) Schriften: Seit 1775 gab die GNF eine eigene Zeitschrift mit wechselnden Titeln und Verlegern heraus, in welcher der Schwerpunkt beschreibende Naturgeschichte besonders deutlich wird. Es sollten vor allem solche Beiträge gedruckt werden, die neue Beschreibungen von Tier-, Pflanzen- oder Gesteinsarten oder eine Revision vorhandener Spezies enthielten. Die Beiträge waren meist mit Abbildungen auf Kupfertafeln illustriert, um den Untersuchungsgegenstand anschaulich zu machen. Die Zeitschriften erschienen unter folgenden Titeln: Beschäftigungen der Berlinischen Gesellschaft Naturforschender Freunde. Bd. 1–4, Berlin: Pauli, 1775–1779. – Schriften der Berlinischen Gesellschaft Naturforschender Freunde. Bd. 1–6, Berlin: Buchhandlung der Realschule, 1780–1785. – Schriften der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Bd. 7–11 (= Bd. 1–5 der Beobach-

tungen und Entdeckungen aus der Naturkunde von der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin), Berlin: Rottmann, 1786–1794. – Der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin Magazin für die neuesten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde. (Bd. 1–4 = Der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin neue Schriften), Berlin: Selbstverlag, 1795–1818. – Verhandlungen der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Berlin: Reimer, 1829. – Mittheilungen aus den Verhandlungen der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Berlin: Nicolai, 1836–1839. – Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin 1839–1859 [für die Herausgabe vorberei-

tet von H. Stitz]. Berlin: Friedländer & Sohn, 1912. – Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin [mit wechselnden Verlegern], ab 1860. – b) Preisfragen: Die GNF veröffentlichte zwischen 1777 und 1806 sechs Preisfragen zu unterschiedlichen naturkundlichen Themen wie zum Beispiel die Viehseuche (Rinderpest), die Möglichkeit eines Hagelableiters oder die „Natur des Basalts“. Das Preisgeld wurde in der Regel durch auswärtige Gönner gestiftet. Den Mitgliedern der GNF oblagen die korrekte Ausformulierung des Preisfragentextes und die Bewertung der Einsendungen. Im Vergleich der Einsendungen und prämierten Aufsätze, die in den Schriften gedruckt wurden, zeigt sich eine eindeutige Präferenz der Mitglieder für eine empirische, auf genaue Beobachtung und Experiment fußende wissenschaftliche Methode. Dabei rückte der methodische Ansatz in den Vordergrund der Auswahlkriterien. Den prämierten Autoren wurde nach der Preisvergabe die Ehrenmitgliedschaft angetragen. – c) Feste: Regelmäßig am 9. Juli wurde der Stiftungstag gefeiert, an dem sich alle Mitglieder in größerem Rahmen in einem Gasthaus trafen oder Ausflüge in die Umgebung Berlins mit anschließendem gemeinsamem Essen unternahmen. Meist wurden sie von ihren Frauen und auch Kindern begleitet. Zum 50. Jahrestag der Gesellschaft im Juli 1823 veranstaltete die GNF eine große Feier mit etwa 50 Personen. Sie nahm dieses Jubiläum unter anderem zum Anlass, 26 neue Ehrenmitglieder in die GNF aufzunehmen. Die ohne festes Programm, jedoch mit Reden und Gedichten bereicherten Stiftungsfeiern, schlossen auch die Familienangehörigen, später auch Gäste, die nicht GNF-Mitglieder waren, mit ein und waren ganz durch die Geselligkeit gebildeter Teilnehmer geprägt. – d) Nationale und internationale Beziehungen: Im Laufe ihres Bestehens baute die GNF ein Netz nationaler wie internationaler Kontakte sowohl zu Gelehrten als auch anderen wissenschaftlichen Gesellschaften auf. Im deutschen Sprach85

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

raum entstand bis in die 20er Jahre des 19. genommenen Mitglieder gab die Gesellschaft Jahrhunderts ein dichtes, aber weit gefächer- 1806 heraus. Darin sind bis November 1805 tes Netz an Einzelverbindungen mit nur we- (Ende des Berichtszeitraums) 482 Personen nigen Kontaktzentren wie zum Beispiel Bres- genannt. Bis zum Jahr 1906 (133 Jahre) wurlau, Dresden, Göttingen, Halle/Saale, Königs- den insgesamt 1250 Mitglieder aufgenommen, berg oder Leipzig, in denen eine sonst übli- wobei etwa die Hälfte bis zum Jahre 1823 geche Mitgliederzahl von drei bis fünf Personen wählt worden ist. – Die Konfession der Mitüberschritten wurde. Ab dem zweiten Drit- glieder spielte in den Sitzungen keine oder tel des 19. Jahrhunderts wurden die persön- nur eine untergeordnete Rolle, wie das Nelichen Verbindungen zu einzelnen Gelehrten beneinander von Christen und Juden zuminnach und nach durch die Kontakte zu anderen dest in der Anfangszeit belegt. Nach dem Rewissenschaftlichen Gesellschaften ersetzt. Auf ligionsedikt Friedrich Wilhelms II. vom Okinternationaler Ebene reichten die Kontakte tober 1788 waren Diskussionen zu religiösen von Österreich/Ungarn und der Schweiz bis Themen durch einen Beschluss der OM am nach Südamerika und Indien. Zusätzlich kris- 14. Oktober 1788 von den Versammlungen tallisierten sich mehrere Kontaktzentren her- ausgeschlossen worden; allein naturkundliche aus, bei denen es sich um die damaligen gro- und wissenschaftliche Inhalte sollten zur Spraßen europäischen Wissenschaftszentren han- che kommen. Diese Sitzung fand unter dem delt: London, Paris, St. Petersburg, Kopenha- Vorsitz des bekannten jüdischen Arztes und gen und Wien. Jedoch muss hier die Qualität Naturforschers Marcus Elieser Bloch in dessen der Kontakte beachtet werden. Danach un- Wohnung statt. – Frauen waren nicht grundterscheiden sich London und Paris grund- sätzlich von der Mitgliedschaft ausgeschlossen, legend von St. Petersburg, Kopenhagen und auch wenn im 18. und 19. Jahrhundert keiWien durch den Mangel an tatsächlichem wis- ne Frau zum Ordentlichen Mitglied gewählt senschaftlichen Austausch, der nicht über ei- wurde. Unter den Ehrenmitgliedern kann zum nen formalen Dankesbrief für die Wahl zum Beispiel die bekannte Naturforscherin KathaEM hinausging. Dagegen gestalteten sich die rina Helena Doerrien genannt werden, die auf Kontakte zu Gelehrten in den anderen ge- Vorschlag von Gleditsch im August 1776 als nannten Städten wechselseitig und rege. Seit „gelehrte Kräuterkennerin“ in die GNF aufihrer Gründung unterhielt die GNF hier ak- genommen worden ist. Bildete bei Frau Doertive Korrespondenz, erhielt Beiträge zu ihren rien die fachliche Eignung den Grund für ihre Schriften, Büchersendungen oder Naturalien- Wahl, so stehen bei der russischen Fürstin Kageschenke. Grundsätzlich wurden alle Kontak- tharina Romanowa Daschkowa andere Kritete zu auswärtigen Mitgliedern für den Aufbau rien im Vordergrund. Sie wurde 1785 von eiund die Vermehrung des Naturalienkabinetts nem russischen Gelehrten vorgeschlagen, der und der Bibliothek genutzt. gute Kontakte zur GNF unterhielt. In Rücksicht auf diesen Gelehrten erhielt Frau DaschMitglieder: a) Allgemeines: Bereits in den kowa ihre Mitgliedsurkunde kurze Zeit später, ersten Bänden der gesellschaftseigenen Schrif- auch wenn sie in fachlicher Hinsicht weniger ten wurden Mitgliederverzeichnisse abge- geeignet erschien. – b) Ordentliche Gründruckt, die Aufschluss über den Zuwachs an dungsmitglieder: Marcus Elieser Bloch; JoMitgliedern geben. So zählte die GNF im Jah- hann Elert Bode; Johann Christoph Ebell; re 1775 bereits 111, 1778 schon 184 Mitglie- Friedrich Heinrich Wilhelm Martini; Johann der. Ein gedrucktes Mitgliederverzeichnis von Andreas Rebelt; Balthasar Friedrich Reimari; 1791 weist insgesamt 247 Mitglieder aus. Ein Friedrich Wilhelm Siegfried; Johann FriedVerzeichnis aller bis zu diesem Zeitpunkt auf- rich Zückert. – Zur Gründung Ehrenmit86

2.3  Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin [GNF]

glieder, später dann Ordentliche Mitglieder: Karl Christian Brumbey; Johann Gottlieb Gleditsch; Jacob Philipp Pelisson. – c) Ordentliche Mitglieder bis 1816: Karl Sigmund Franz Frhr. vom Stein zum Altenstein; Johann Joachim Bellermann; Marcus Elieser Bloch; Johann Elert Bode; Carl August Brand; Karl Christian Brumbey; Friedrich August Ludwig v. Burgsdorf; Johann Christoph Ebell; Johann Jakob Ferber; Ernst Gottfried Fischer; Heinrich Gustav Flörke; Johann Gottlieb Gleditsch; Carl Ludwig Gronau; Johann Friedrich Wilhelm Herbst; Sigismund Friedrich Hermb­ staedt; Alexander v. Humboldt; Dietrich Ludwig Gustav Karsten; Martin Heinrich Klaproth; Johann Christoph Friedrich Klug; Jacob Heinrich Laspeyres; Heinrich Friedrich Link; Friedrich Heinrich Wilhelm Martini; Gottfried Adrian Müller; Friedrich Wilhelm Otto; Jacob Philipp Pelisson; Johann Andreas Rebelt; Gottfried Christian Reich; Balthasar Friedrich Reimari; Valentin Rose; Karl Asmund Rudolphi; Dietrich Friedrich Carl v. Schlechtendal; Johann Christian Carl Schrader; Friedrich Wilhelm Siegfried; Johann Esaias Silberschlag; Christian Samuel Weiss; Karl Ludwig Willdenow; Johann Friedrich Zöllner; Johann Friedrich Zückert. – Das vollständige Verzeichnis der Mitglieder und Ehrenmitglieder s. Zepernick 2009/2013. – d) Bewohner (= Verwalter) des Hauses Französische Straße 29 von 1789 bis 1890, chronologisch: Friedrich Wilhelm Siegfried (1788–1809); Heinrich Gustav Flörke (1809–1811); Dietrich Friedrich Carl v. Schlechtendal (1811–1814); Johann Christoph Friedrich Klug (1815–1856); Christian Gottfried Ehrenberg (1856–1876); Ernst Beyrich (1876–1890). Querverweise auf andere Vereine: Sowohl strukturell als auch inhaltlich sind für die GNF spezifische Parallelen zu der sich im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa ausbreitenden spekulativen  Freimaurerei charakteristisch. Sie zeigen sich vor allem durch die Verwendung von freimaurerischen Symbolen. Außerdem

waren einige der GNF-Mitglieder auch Freimaurer, wie z. B. Bellermann, Klaproth, Klug, Link, Zöllner, Ferber, Burgsdorf. Das lange Zeit verwendete Siegel der GNF zeigt ein auf einem Altar liegendes, aufgeschlagenes Buch mit der Aufschrift „NATUR“. In der Freimaurerei stellt dieses Buch zumeist die Bibel dar, die hier eine spezifische Ethik von Freiheit, Toleranz, Brüderlichkeit, Offenbarung und Geheimnis repräsentiert. Für die GNF ist es dagegen das „Buch der Natur“, das laut Statuten mit Hilfe einer guten Naturlehre gelesen werden könne. Über dem Altar befindet sich das Symbol für das „allsehende Auge Gottes“, ein mit drei Punkten verziertes Dreieck. Damit verweist das GNF-Siegel auf die Parallelen zwischen der Freimaurerei und der Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Für die Freimaurerei wie für die Naturgeschichte war die gemeinschaftsstiftende Funktion des Geheimnisses von großer Bedeutung. Das Geheimnis ist eine Ungleichverteilung von Wissen, dem sich Freimaurer wie Naturforscher durch eine schrittweise Teilhabe am Wissen annähern konnten, und sich auf diese Weise göttlicher Offenbarung näherten. So wird für den Naturforscher die Welt zur geheimnisvollen Natur, und konstituiert sich umgekehrt Naturforschung, um jene Geheimnisse zu entschlüsseln. Ziel des Naturforschers ist es demnach, die Rätsel der geheimnisvollen, weil göttlichen Natur zu lösen. Zu diesem Ziel führt ihn nicht nur rationale Erkenntnis, sondern auch die Suche nach der göttlichen Weisheit auf dem Wege sinnlicher Naturerfahrung und Erleuchtung. So steht für die Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts vor allem das Sammeln, Ordnen und die Erkenntnis von Naturobjekten im Mittelpunkt. Bibliographie: a) Archivalien: Das weitgehend vollständig überlieferte Archiv der GNF befindet sich im Museum für Naturkunde Berlin (Bestand GNF; ca. 50 lfm). Seit Bestehen der GNF wurden die Tagebücher der Gesellschaft von den sogenannten Beilagen zum 87

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Tagebuch unterschieden, welche durchgehend chen Residenzstädte Berlin und Potsdam und nummeriert und im Tagebuch an der betref- aller daselbst befindlicher Merkwürdigkeiten. fenden Stelle eingetragen sind. Diese „Beila- Nebst Anzeige der jetztlebenden Gelehrten, gen“ bestehen hauptsächlich aus der Korre- Künstler und Musiker […] Berlin 1779. – Plan spondenz der auswärtigen Mitglieder, Manu- und Gesetze nebst dem Verzeichnisse der jetztskripten, Rotuli, Briefentwürfen usw. Sie sind lebenden Mitglieder der Gesellschaft Naturin die verschiedenen Akten eingeordnet wor- forschender Freunde. Nach der Verbesserung den, so zum Beispiel Personalakten der Mit- vom 13ten April 1784. – Plan und Gesetze der glieder, Miscellen, Akten zu den Schriften, Gesellschaft naturforschender Freunde nebst zum Haus, zur Bibliothek oder zu den Samm- dem Verzeichnisse ihrer jetzigen Mitglieder. lungen. Darüber hinaus befinden sich u. a. die Nach der Verbesserung des 26ten Juli 1791. – in den Sitzungen geführten Protokolle und Verzeichnis der Bücher der Gesellschaft naturRechnungsunterlagen sowie verschiedene Ka- forschender Freunde in Berlin. Berlin 1828. – taloge der Bibliothek und der Naturalien- Verzeichniß der ordentlichen, wie auch der sammlung im Archiv. – GStA PK, I. HA Rep. hiesigen und auswärtigen Ehrenmitglieder der 96 A Geh. Zivilkabinett, ältere Periode, Tit. 36 Berlinischen Gesellschaft Naturforschender D: Gesellschaft naturforschender Freunde in Freunde. Vom Julius 1773 bis Januar 1775. – Berlin. – b) Gedruckte Quellen (Auswahl): Verzeichniss der sämmtlichen OrdentlichenAuszug aus der Lebensbeschreibung des seel. hiesigen Ehren- und Ausserordentlichen- so Herrn D. Martini. In: Beschäftigungen der wie auch der Auswärtigen-Mitglieder der GeBerlinischen Gesellschaft Naturforschender sellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Freunde 4 (1779), S. 642–647. – Denkmal der Von ihrer Stiftung an bis zum November 1805. Freundschaft: Von zwen ädlen Freunden un- Berlin 1806. – Zur fünfzigjährigen Stiftungsserm genesenen Martini an seinem 48. Ge- feier der Gesellschaft Naturforschender Freunburtstag gestiftet; unsern gemeinschaftlichen de in Berlin am 9ten Julius 1823. Berlin 1823. auswärtigen Freunden gewidmet von Joh[ann] – Schrifttum von Martini (Auswahl): Martini, Aug[ust] Ephraim Goeze. Berlin [1777]. – Friedrich Heinrich Wilhelm: Plan zu einer geFestschrift zur Feier des hundertjährigen Be- meinnützigen Journalgesellschaft. In: Mannigstehens der Gesellschaft Naturforschender faltigkeiten 2, (1771), S. 367–373; 383–392. – Freunde zu Berlin; mit Abb. Berlin 1873. – Ders.: Verzeichnis einer auserlesenen SammGesellschaft Naturforschender Freunde zu lung von Naturalien und Kunstsachen, auch Berlin, Dem Herrn D. Johann Elert Bode […] physikalischen Instrumenten, nebst einer syals er fünfzig Jahr das Amt des Königlichen stematischen Tabelle und Erklärung von desAstronomen allhier verwaltet hatte, von der sen Konchylienkabinette. Berlin 1774. – Ders.: Gesellschaft Naturforschender Freunde in Ber- Entstehungsgeschichte der Gesellschaft naturlin. Gedruckt am 3. Juli 1822. Berlin. – Geset- forschender Freunde zu Berlin. In: Beschäftize der hiesigen Privatgesellschaft Naturfor- gungen der Berlinischen Gesellschaft Naturforschender Freunde nach den Verbesserungen schender Freunde 1 (1775), S. I–XXVI. – Ders.: vom 3. May 1774. – Gesetze der Gesellschaft Anrede des beständigen Sekretärs der Gesellnaturforschender Freunde in Berlin. [Berlin] schaft an die beym ersten jährigen Stiftungs1810. – Karsten, Dietrich Ludwig Gustav: Tag versammlete Mitglieder den 9. Julii 1774. Festrede zum 25jährigen Bestehen am 9. Juli In: Beschäftigungen der Berlinischen Gesell1798. In: Zur fünfzigjährigen Stiftungsfeier der schaft Naturforschender Freunde 1 (1775), Gesellschaft Naturforschender Freunde in Ber- S. LIII–LXIV. – Ders.: Vorerinnerung. In: Belin am 9ten Julius 1823. Berlin 1823, S. 3–20. – schäftigungen der Berlinischen Gesellschaft Nicolai, Friedrich: Beschreibung der Königli- Naturforschender Freunde 2 (1776), S.  IX– 88

2.3  Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin [GNF]

XXVI. – Ders.: Anrede des beständigen Sekre- Berlin in der Ära des Dritten Reiches. In: Sittärs der Gesellschaft an die beym zweeten jäh- zungsberichte der Gesellschaft Naturforschenrigen Stiftungs-Tag versammlete Mitglieder der Freunde Berlin (N.F.) 38 (1999), S. 1–16. – den 9ten Julii 1775. In: Beschäftigungen der Heesen, Anke te: Vom naturgeschichtlichen Berlinischen Gesellschaft Naturforschender Investor zum Staatsdiener. Sammler und Freunde 2 (1776), S.  XXVII–XL. – Ders.: Sammlungen der Gesellschaft NaturforschenVorerinnerung. In: Beschäftigungen der Berli- der Freunde zu Berlin um 1800. In: Dies. und nischen Gesellschaft Naturforschender Freun- Emma C. Spary (Hg.): Sammeln als Wissen: de 3 (1777), S. III–XVI. – Ders.: Verzeichnis Das Sammeln und seine wissenschaftsgeder von 1774–1777 angesammelten Biblio- schichtliche Bedeutung. Göttingen 2001, thek der Gesellschaft Na­ tur­ forschender S. 62–84. – Herter, Konrad: Die Gesellschaft Freunde in Berlin. In: Be­schäf­tigungen der Naturforschender Freunde zu Berlin. In: SitBerlinischen Gesellschaft Naturforschender zungsberichte der Gesellschaft NaturforschenFreunde 3 (1777), S. 519–556. – Ders.: Ver- der Freunde Berlin (N.F.) 1, 1 (1961), S. 5–19. zeichnis des gesellschaftlichen Naturalienkabi- – Ders.: Die Gesellschaft Naturforschender nettes. In: Beschäftigungen der Berlinischen Freunde zu Berlin und der Berliner ZoologiGesellschaft Naturforschender Freunde 3 sche Garten. In: Sitzungsberichte der Gesell(1777), S. 557–572. – c) Forschungsliteratur schaft Naturforschender Freunde zu Berlin (Auswahl): Becker, Kurt: Abriß einer Ge- (N.F.) 9, 1 (1969), S. 9–14. – Ders. und Reinschichte der Gesellschaft Naturforschender hard Bickerich: Die Mitglieder der GesellFreunde zu Berlin. In: Sitzungsberichte der schaft Naturforschender Freunde zu Berlin in Gesellschaft Naturforschender Freunde zu den ersten 200 Jahren des Bestehens der GeBerlin (N.F.) 13 (1973), S. 1–58. – Böhme, sellschaft 1773–1972. In: Sitzungsberichte der Gottfried / Böhme, Katrin: „INDEX PE- Gesellschaft Naturforschender Freunde Berlin TREFACTORUM“ – Ein Katalog der Petre- (N.F.) 13 (1973), S. 59–160. – Jahn, Ilse: Die faktensammlung der Gesellschaft Naturfor- Rolle der Gesellschaft Naturforschender schender Freunde zu Berlin aus dem 18. Jahr- Freunde zu Berlin im interdisziplinären Wishundert. In: Mitteilungen aus dem Museum senschaftsaustausch des 19. Jahrhunderts. In: für Naturkunde in Berlin. Geowissenschaftli- Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforche Reihe / Institut für Paläontologie; Institut schender Freunde Berlin (N.F.) 31 (1991), für Mineralogie der Humboldt-Universität zu S. 3–15. – Dies.: Alexander von Humboldt Berlin 7 (2004), S. 61–67. – Böhme, Katrin: und die Schwierigkeiten eines ParadigmenGemeinschaftsunternehmen Naturforschung: wechsels. In: Jahrbuch 1994 der Deutschen Modifikation und Tradition in der Gesellschaft Akademie der Naturforscher Leopoldina (HalNaturforschender Freunde zu Berlin 1773– le/Saale) Leopoldina (R. 3) 40 (1995), S. 431– 1906. Stuttgart 2005. – Dies. und Sabine Hac- 453. – Dies.: Die Verbindung Alexander von kethal: Das „THEATRUM NATURAE„ von Humboldts zur Gesellschaft Naturforschender 1615: der Weg einer Bildersammlung. In: Mit- Freunde zu Berlin. In: Acta historica Leopolteilungen aus dem Museum für Naturkunde in dina 27 (1997), S. 31–39. – Manegold, AlBerlin, Zoologische Reihe / Institut für Zoo- brecht: Das Archiv der Gesellschaft der Naturlogie der Humboldt-Universität zu Berlin 76,1 forschenden Freunde – Besuch der Histori(2000), S. 155–156. – Correns, Carl Erich: schen Arbeitsstelle am Museum für NaturkunRückblick auf Botanik. In: Sitzungsberichte de. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft Nader Gesellschaft Naturforschender Freunde turforschender Freunde Berlin (N.F.) 38 (1999), Berlin 1924 (1926), S. 1–9. – Deichmann, Ute: S. 113–115. – Matschie, Paul: Aus der GeDie Gesellschaft Naturforschender Freunde zu schichte der Gesellschaft Naturforschender 89

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Freunde zu Berlin. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde Berlin 1923 (1925), S. 6–12. – Matzdorf, Karl: Erinnerungen an das Jahr 1889. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde Berlin. 1935 (1936), S. 170–177. – Stitz, Hermann: Aus der Geschichte der Gesellschaft naturforschender Freunde (1773– 1815). In: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde Berlin. 1916 (1917), S. 17–40. – Tornier, Gustav: Über den Erinnerungstag an das 150-jährige Bestehen der Gesellschaft. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde Berlin 1923 (1925), S. 1–6. – Ders.: Rückblick auf

Anatomie und Zoologie. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde Berlin 1923 (1925), S. 12–71. – Ders.: Rückblick auf die Palaeontologie. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde Berlin 1924 (1926), S. 9–36; Forts. in: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde Berlin 1925 (1927), S. 72–106. – Zepernick, Bernhard: Die Mitglieder der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin 1773 bis 1973, hg. v. Walter Sudhaus. Keltern 2013. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin N.F. Band 48 (2009) [erschienen 2013], 405 S.

Katrin Böhme

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2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

2.4 Ökonomische Gesellschaften Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG] Name: Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam; Churmärkische ökonomische Gesellschaft in Potsdam; Königlich Preußische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam und Frankfurt an der Oder (auch: Königlich Preußische Märkische Ökonomische Gesellschaften zu Potsdam und Frankfurth an der Oder; Königlich-Preußische Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam); 1842: Landwirthschaftlicher Central-Verein für den Regierungsbezirk Potsdam; ab 1843: Landwirthschaftlicher Provinzial-Verein für die Mark Brandenburg und die Niederlausitz. Gründung: 31. August 1791. Bestand: Ging 1842 im Landwirtschaftlichen Centralverein des Regierungsbezirks Potsdam auf. Sitz: Potsdam. – Die ersten Versammlungen von Februar 1792 bis 1793 fanden im Haus des Kaufmanns Dickow am Kanal statt, dann wurde das Pagenhaus in der kleinen Jägerstraße das Versammlungslokal (Jägerstraße 23 / Ecke Charlottenstraße); hier befand sich auch die Vereins-Bibliothek (vgl. Wimmer, S. 167).

Geschichte und Programmatik: Die am 31. August 1791 gegründete Potsdamer Gesellschaft lässt sich in einem breiten Spektrum patriotischer, ökonomischer und gemeinnütziger Gesellschaften verorten, die v.a. die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion und die Umgestaltung der Agrarverfassung zum Ziel hatten. Eine frühe Liste nennt 239 ökonomische Sozietätsgründungen im Zeitraum von 1723 (in Schottland) bis 1817 (vgl. Müller, S. 276–286, präzisiert vgl. Vierhaus, Im Hof, S. 259–263, van Dülmen, S. 150– 171). Generell wollten die Mitglieder patriotischer Gesellschaften gemeinnützig-praktisch tätig sein, „also nicht gelehrtes Wissen produzieren, sondern nützliches Wissen, neue wissenschaftlich-praktische Erkenntnisse verbreiten und anwenden, d. h. in die Praxis des gesellschaftlichen Lebens überführen“ (van Dülmen, S. 67). Dabei kam ein dreifacher Bedeutungshorizont zum Tragen: 1. das Umsetzen theoretischen Wissens in praktische Anwendung, 2. die Aktivierung bürgerlichen Engagements und damit die Teilhabe am öfProgrammzitat: Satzungsgemäß beschäftig- fentlichen Geschehen und 3. die Förderung te sich die gemeinnützige Vereinigung „pat- der Einsicht in die Reformbedürftigkeit und riotisch denkender Männer“ „nach dem Bei- Verbesserungsfähigkeit der Gesellschaft (vgl. spiele anderer ihrer Art, mit allen den Gegen- ebd., S. 69). Bei den zwei Hauptgründungsständen, die zur Aufnahme und Beförderung wellen der patriotischen Gesellschaften in den der einheimisch-ländlichen und städtischen 1760er und 1790er Jahren stellte die Potsdaa. um „die mer zeitlich gesehen eine späte Gründung Nahrungsgeschäfte dienen“, v.  Summe nützlicher, oekonomischer Kennt- dar. Während die erste Phase mit Gründunnisse zu vermehren, oder die schon vorhan- gen einer Physikalisch-ökonomischen Gedenen mehr in Umlauf zu bringen“. Dabei sellschaft seit 1759 in Zürich und Bern (vgl. sollte sie „alle Arten der Land- und Stadtge- Stuber), 1762 einer Dänischen Acker-Akawerbe zu ihrem vorzüglichsten Augenmerk“ demie auf Glücksburg verbunden ist, wird machen und „keineswegs die Bildung des auf deutschem Gebiet eine Gründungswelle Menschen zu diesen Geschäften, desgleichen in den 1760er Jahren im mittel- und norddie Anstalten, zur sichern und zweckmäßi- deutschen Raum erkennbar (Gesellschaften gern Betreibung derselben, von ihren Bemü- in Weißensee (Thüringen), Celle, Leipzig, hungen aus[schließen]“ (Statuten 1791, in: Hamburg, Kassel, Harburg, Bautzen und GoAnnalen, (1792), Bd. 1, H. 1, S. 3/4/6/4). tha), in Schlesien (Breslau und Schweidnitz) 91

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

sowie in West- und Süddeutschland (Ansbach, Karlsruhe, Burghausen und Kaiserslautern) (vgl. Schlögl, S. 66 f.; Popplow, S. 335– 382). Zur zweiten Welle gehörten seit 1786 die namhaft gewordenen Sozietäten in Altona, Lübeck, Seefeld (Bayern), Hamm, Mohrungen/Königsberg, Potsdam, Nürnberg, Güs­ trow, Rostock und als letzte im 18. Jahrhundert die 1799 eingerichtete in Wetzlar. Diese Gründungen folgten einer europäischen Bewegung und waren anfänglich durch sie wesentlich angeregt (vgl. Schlögl, S. 67). Die Entstehung der Potsdamer Sozietät muss als Gesellschaft „der 2. Phase im Zusammenhang mit einer Aktivierung neuer ökonomischer Kräfte zur Überwindung verkrusteter Wirtschafts- und Sozialstrukturen“ (van Dülmen, S. 67 f.) gesehen werden. Helga Eichler führt die Gründung erst in dieser späten Phase auch darauf zurück, dass die Behand- Abb. 13  Friedrich Eberhard v. Rochow, Direktor lung wichtiger ökonomischer Themen sowie der MÖG. Franz Hillner, Öl auf Leinwand (1794). die Gutachtertätigkeit über Erfindungen und Neuerungen „von der Physikalischen Klasse der Berliner Akademie der Wissenschaf- „Großen-Beeren bei Berlin“ [Großbeeren] am ten weitgehend übernommen worden ist, aus 12. Januar 1792 unter Verweis auf die Potsdaderen Reihen diverse Persönlichkeiten auch mer Aktivitäten: „Schon vor einem Jahre war Mitglieder der Märkischen Ökonomischen diese öffentliche Einladung zur Errichtung Gesellschaft wurden“ (Eichler 1995, S. 198). einer ökonomischen Gesellschaft zu PotsStellvertretend seien hier genannt: der Direk- dam entworfen. Da diese Sozietät bereits etator der Physikalischen Klasse der Akademie blirt ist; so hoffe ich, daß eine solche nützlider Wissenschaften zu Berlin, der Chemiker che Gesellschaft auch in Berlin errichtet werFranz Carl Achard (1753–1821) und der As- den könnte.“ Dabei werden u. a. Überleguntronom Johann Elert Bode (1747–1826) so- gen benannt, die in Potsdam wenig später das wie das Akademiemitglied, Medizinalrat Si- Leben der Gesellschaft bestimmen: „Korresgismund Friedrich Hermbstaedt (1760–1833). pondenz, Maschinerien, Modelle, ZeichnunNeben der personalen Verflechtung der Pots- gen, Instrumente, Bücher, Versuche, auszudamer Gesellschaft mit der Akademie der Wis- setzende Preise, Belohnungen, nothwendiger senschaften zu Berlin wurden auch in Berlin Aufwand bei kleinern und größern ökonomiselbst direkte Anstrengungen unternommen, schen Reisen, das Zusammenkunftshaus mit eine ökonomische Sozietät ins Leben zu ru- allen seinen Utensilien, und noch viele andere fen. Unter dem Titel: „Vorschlag, Einladung Dinge“ (Haude & Spenersche Zeitung Nr. 15, v. und Bitte an das patriotische Publikum zur 4. Februar 1792; Beilage zum 15. Stück). Errichtung einer ökonomischen Gesellschaft“ Das Bedürfnis, sich über neue wirtschaftliche schreibt ein Autor namens „Geist“ [vermut- und wissenschaftliche Fragen auszutauschen lich Hans Heinrich Arnold von Beeren, be- und die Erfahrungen zu popularisieren, hatkannt als „Geist von Beeren“, gest. 1812] aus te auch die Berliner Akademie der Wissen92

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

schaften aufgegriffen, denn auch sie veröffent- Gärtner Sello, Oberbaurat Schulze, Tischlichte ökonomische Neuerungen und begut- ler Matthes und der Feldprediger Kletschke achtete Erfindungen, Modelle und Verfahren. – allesamt aus Potsdam – die Gesellschaft (vgl. Ein Konzentrat aus dem damit einhergehenden ebd.). Das Statut wurde schon im darauffolumfangreichen ökonomischen Schrifttum stell- genden Monat am 10. September verabschiete das im deutschen Sprachraum herausragende det und die Gesellschaft mit KabinettschreiNachschlagewerk von Dr. Johann Georg Krü- ben vom König Friedrich Wilhelm II. vom nitz (1728–1796) dar, der auch Korrespondie- 3. November staatlich zugelassen. Anfang des rendes Mitglied der MÖG in ihrer Anfangspha- Jahres 1792 fand die erste Hauptversammlung se bis zu seinem Tode 1796 war. Seine Oeko- mit Friedrich Eberhard v. Rochow (1734– nomische Encyklopädie oder allgemeines System 1805) als erstem durch die Deputation geder Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft, wählten Direktor (nach einem „Regulativ für in alphabetischer Ordnung wurde zwischen 1773 die Deputation und deren Direktor“ (o. D. – und 1798 in Berlin in 73 Bänden herausgege- vgl. Küster, S. 11) statt. Rochow begriff seiben und wuchs bis zum Jahr 1858 – nun mit ne Leitungsfunktion von Anbeginn als Chance, die ökonomische Gesellschaft programanderen Autoren – auf 242 Bände an. Die MÖG belegt, dass die Gründungsorte pa- matisch und pragmatisch mitzuprägen, und triotisch-gemeinnütziger Gesellschaften in den plädierte für die effiziente Vorstellung, Disdeutschen Territorien vorrangig „nicht in den kussion, Umsetzung und Popularisierung Zentren von Wissenschaft und Bildung, son- vorrangig empirisch abgesicherter Erfahrundern eher an den Schwerpunkten der Macht gen und Befunde: „Denn so wie die Wissenund Verwaltung [entstanden]“ (Schlögl, S. 68). schaft, von der wir den Namen führen, so reMit Ausnahme von Leipzig, Breslau, Kiel und ell und sparsam sey auch unsre ZeitverwenKönigsberg verfügten diese Orte über kei- dung in unsern Zusammenkünften. Fern sey ne Universität. Damit übernahmen die patri- von uns die Jagd auf paradoxen Witz, und der otischen Vereinigungen auch Funktionen ge- litterarische Luxus mit künstlich gesponnelehrig-wissenschaftlicher Kommunikation, die nen Hypothesen auf Sophismen gestützt, so andernorts sich in akademischen Zirkeln ver- wie eine Projektmacherei, die die Natur der wirklichen konnte. Mehrheitlich waren die Dinge zur Gegnerinn hat“ (Rochow: Erste Gesellschaften in Residenzstädten, Neben- Rede, gehalten in der Churmärkischen ökonoresidenzen bzw. Verwaltungszentren vorwie- mischen Gesellschaft in Potsdam, am 7. Febr. gend kleinerer Territorien angesiedelt, und 1797, in: Annalen, (1792), Bd. 1, H. 1, S. 35). mit Blick auf die Konfession dominierten die Rochows materiell-finanzielles Engagement, protestantischen Gemeinwesen. insbesondere seine kontinuierlichen SchenDie MÖG war durch maßgebliche private Ini­ kungen und Stiftungen, erwiesen sich als Antiative des Pfarrers und landwirtschaftlichen reger und Stimuli im inneren EntwicklungsSchriftstellers Christian Friedrich Germers- prozess der MÖG. Stellvertretend sei hier hausen (1725–1810), einer der letzten Vertre- der Band Abrisse und Beschreibungen nützter der sogenannten Hausväterliteratur, ent- licher Maschinen und Modelle, welche in dem standen. Daneben wird auch dessen Schwa- Saale der Gesellschaft der Künste, Manufaktuger, der Oberbaurat und Garteninspektor ren […] zu London aufbewahret werden, […]. Johann Gottlob Schulze in Sanssouci als Mit- München und Leipzig 1780 (Zum Besten der initiator genannt (vgl. Schultze, S. 235). Un- Gesellschaft eingegangene Geschenke, in: Annater dem Vorsitz von Germershausen begrün- len, (1792), Bd. 1, H. 1, S. 168) genannt. Rodeten am 31. August 1791 Kriegsrat Stein, chows Buchgeschenk mit 55 Kupfertafeln Kaufmann Dickow, Feldpropst Kletschke, war ein didaktisches Material an die MÖG 93

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Abb. 14  „Perspectivischer Riss des H-Duckets Pflugs von dreyen Furchen“, in: Abrisse und Beschreibungen nützlicher Maschinen und Modelle, welche […] zu London aufbewahret werden […]. München u. Leipzig 1780.

und belegt, wie sehr er regionale und lokale Problemlagen mit publizierten internationalen Erfahrungen, Trends und Perspektiven in ein Beziehungsgeflecht zu setzen versuchte, und wie er aus dem Kreise der Gesellschaft Initiatoren und Investoren ermutigte, das vorliegende Buchwissen in praktische Reformen umzusetzen. Im Zentrum des Rochowschen Reformprogramms stand die kontinuierliche Vortrags-, Berichts- und Publikationstätigkeit in Kopplung mit der Auslobung von Preisgeldern. Mit Hilfe dieser Innovationsinstrumente versuchte er medial und motivational neue Anregungspotenziale und Problembewusstsein v. a. für bislang ungeklärte Fragen in der MÖG freizusetzen. An der ersten Preisaufgabe, einen leistungsfähigeren Pflug betreffend, wird Rochows Fähigkeit schon in seiner Ersten Rede 1792 deutlich, ein ihn selbst in seiner Gutsherrschaft zwei Jahrzehnte beschäftigendes – bislang ungelöstes – Problem ausgehend von einem Moment individuellen Erfahrungserwerbs über das Medium der Preisaufgabe nunmehr zu einem Instrument kollektiver Erfahrungsgenerierung einer öko94

nomischen Gesellschaft zu qualifizieren (vgl. Tosch 2001, S. 66; 2011, S. 317). Das erste Jahrzehnt der Gesellschaft muss als prosperierende Entwicklungsphase angesehen werden, war doch mit der MÖG auch die Durchsetzung zentraler landwirtschaftlicher Weichenstellungen wie z. B. die Abschaffung der Dreifelderwirtschaft mit sommerlicher Brache und die Einführung des Fruchtwechsels verbunden. „Nach 1800 erlebte die Gesellschaft einen dramatischen, wohl kriegsbedingten Mitgliederschwund […]. 1820 hatte die Gesellschaft nur noch oder wieder 80 ordentliche und 50 Ehrenmitglieder“ (Wimmer, S. 171). Danach setzte eine erneute deutliche Aktivitätsphase mit einem Mitgliederanstieg ein, die mit der Wiederbelebung von zwei Gründungsmerkmalen der Gesellschaft verbunden war: zum Einen das Erscheinen eines neuen Publikationsorgans: das Monatsblatt der Kgl. Preu-

ßischen märkischen ökonomischen Gesellschaft (1822–1843); zum Anderen das Instrument der Preisausschreiben. Diese waren auch nach 1820 ein öffentlicher Ausweis, die Er-

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

Abb. 15  Annalen der MÖG, Titelblatt Bd. 1, Heft 1, Potsdam 1792, mit Abb. eines Pflugs.

fahrungen sowohl zwischen den Vereinsmitgliedern als auch die Kompetenz sachkundiger Experten außerhalb der Gesellschaft auf eine neue Erfahrungsstufe zu heben, auch wenn es schwer blieb, hierzu immer die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen. Im Leben der Gesellschaft ragte 1829 besonders ein Plan hervor, in Potsdam einen Versuchsgarten – mit 1832 immerhin 253 Obstbäumen – (heute Gregor Mendel Straße 1–5) und eine landwirtschaftliche Lehranstalt einzurichten; der Versuchsgarten wurde allerdings nach 13-jährigem Bestehen aufgegeben. Die Entwicklungen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zeigten, dass vor allem die Spezialisierung in der Landwirtschaft die MÖG in ihrer bislang eher universalen Ausrichtung zunehmend entbehrlich machte. 1839 gab

es in Preußen schon 60 ökonomische Vereine; hinzu kamen 24 spezielle Vereine für Gartenbau, Seidenbau, Obstbau und Viehzucht, die den Prozess der Ausformung und Ausdifferenzierung des Vereinswesens widerspiegelten (alle Angaben vgl. ebd., S. 172–174). „Am 28. November 1842 wurde der Zusammenschluss aller Vereine zum ‚Landwirtschaftlichen Centralverein des Regierungsbezirks Potsdam‘ beschlossen. Die Potsdamer Gesellschaft sollte dabei die Rolle des Zentralvereins spielen und bekam dessen Eigentum übertragen. 1843 erfolgte außerdem der Zusammenschluss des Potsdamer Zentralvereins mit dem Zentralverein des Regierungsbezirks Frankfurt/Oder zum ‚Landwirthschaftlichen Provinzial-Verein für die Mark Brandenburg und die Niederlausitz‘“ (ebd., S. 174), der noch bis 1945 bestand. – Thematisch-publizistisches Programm der MÖG bis ca. 1800: Die MÖG befasste sich mit nahezu allen ökonomischen und sozialen Problemen der Zeit. Dennoch ist auch im durchaus breiten Spektrum der ca. 150 Abhandlungen in den drei Bänden der Annalen der Märkischen Oekonomischen Gesellschaft mit insgesamt 11 Heften zwischen 1792 und 1801 und in den 6 Jahrgängen des 1798 bis 1803 erschienenen Ge-

meinnützigen Volksblattes der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam – alle verlegt bei Carl Christian Horvath (1752–1837) – eine Schwerpunktsetzung auf Entwicklungen in der Landwirtschaft erkennbar. Dies entsprach der zentralen Zwecksetzung der Gesellschaft. Rochow unterstrich am 7. Februar 1792 in seiner Antrittsrede, dass die Veröffentlichungen nützlich sein mögen, namentlich „der Landwirthschaft und den städtischen Gewerben in ihrer Provinz aufzuhelfen, Fehler und Vortheile darinn zu entdecken, diese durch richtige Erfahrungen bekräftigt zur Wissenschaft der ausübenden Classen, nämlich des Volks zu bringen“ und durch „eine so wohlthätige Gesellschaft“ das Staatsvermögen zu mehren (Rochow: Erste Rede, in: Annalen, (1792), Bd. 1, H. 1, S. 34, 36). Thematische 95

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Schwerpunkte der von den Mitgliedern in derhaltung konnten die Bestände allmählich den Versammlungen zunächst vorgetragenen zunehmen, weil dieser Prozess mit der Ablöbzw. bei Nichtanwesenheit vorgelesenen und sung der bäuerlichen Frondienste einherging; dann veröffentlichten Beiträge waren Fragen v. Burgsdorf hob diese 1774 auf, während v. -  der Bodennutzung und -pflege; hier be- Rochow die Spann- und Handdienste seiner schäftigten sich eine ganze Reihe von Bei- Bauern in Dienstgeld verwandelte. Wiede­ trägen mit Fragen der Düngung, auch mit rum im Medium einer Preisaufgabe wurde künstlichen Düngemitteln (so Carl August das beste Vieharzneibuch gesucht; Hubert mit Gipsdüngung; Land- und Kam- - der Förderung der Seidenproduktion; merrat Johann Carl Christian Löwe mit Kalk- schließlich war Direktor Hertzberg schon düngung) und der Einführung neuer Acker- seit 1788 auch Direktor der Landesseidenbaugeräte, vor allem zum Tiefpflügen (hier war kommission und bestrebt, die Einfuhr teuRochow Vorreiter). Auch skurrile Geräte, rer Rohstoffimporte zu minimieren. In dieser wie die Erfindung eines „Hackespatens“, der Perspektive ging es auch um Ersatzstoffgewindurch Umstellen als Spaten, Hacke und Picke nung für Kaffee-, Öl- und Zuckersurrogate; zu gebrauchen war, gehörten zum Spektrum -  der Papiergewinnung aus Lumpen und Altder Erprobungen; papier (dafür setzte sich besonders der Potsda-  der Einführung der Koppelwirtschaft mit mer Buchhändler und Verleger Carl Christizweckmäßiger Fruchtfolge gegenüber der an Horvath als Herausgeber der Schriften der bis dahin weit verbreiteten Dreifelderwirt- MÖG, Mitgründer der Leipziger Buchhändlerschaft. Auch das Nachdenken über das bes- börse von 1797 und Vorläufer des Börsenverte Ackersystem war ein zentrales Modernisie- eins des deutschen Buchhandels ein) (alle Anrungselement; hier war mit Johann Christoph gaben vgl. Annalen, 3 Bde.: Bd. 1: 1794, Bd. 2: v. Woel­lner als Ehrenmitglied der MÖG die 1796, Bd. 3: 1802; Tosch 2011, S. 327–330). breite Rezension aller vorliegenden Erfah- Die MÖG war Katalysator für die Verbinrungen verbunden; dung von Wissenschaft und Praxis; die ein-  des erweiterten Feldfrüchte- und Futter- zelnen Güter waren vielfach Wirtschaftspflanzenanbaus (so z. B. dem Anbau von Lu- und zugleich Experimentierstätten, in dezerne bei Graf Ewald v. Hertzberg; auf ein- nen Neuerungen z. T. großflächig ausprobiert zelnen Gütern wurde mit Getreide-, Gras- und im Medium der Gesellschaft vorgestellt und Futterkräutern experimentiert, neue und diskutiert wurden, um sie einem breiteFruchtfolgesysteme debattiert, die dazu bei- ren Publikum zugänglich zu machen. Friedtrugen, schrittweise von extensiven zu in- rich Eberhard v. Rochow stellte die Aktivitätensiven Formen des Ackerbaus überzuge- ten und Ziele der MÖG wie folgt dar: „Der hen; ferner wurde der Anbau von Gewer- Zeit-Periode zu nützen, in der wir leben, die bepflanzen und die Anlage von Obst- und Verfassung der Provinz möglichst beyzubehalMaulbeer­alleen diskutiert; ten, nicht umstürzen zu wollen, unsre Vor-  der verbesserten Viehzucht und Tierhal- schläge zu Verbesserungen, selbst versucht zu tung, u. a. im Hinblick auf Bienen-, Rinder- haben, und den besonders in der Oekonomie und Schafzucht. Der Bienenzucht (vgl. die so gefährlichen Sprung-Schluß, vom KleiOberlausitzer Bienengesellschaft, bei der J. G. nen aufs Große, zu vermeiden – Und damit Krünitz u. a. Mitglied war) kam v. a. deshalb ich alles kurz zusammen fasse – durch Solidiso große Bedeutung zu, weil die Zuckerge- tät uns auszuzeichnen“ (Rochow: Erste Rede, winnung aus Rüben erst mit dem Chemi- in: Annalen, 1792, Bd. 1, H. 1, S. 36). Desker Achard zur technischen Massengewin- halb wurde satzungsgemäß beständig die Franung ausgereift wurde. Im Bereich der Rin- ge der „Bildung des Menschen“ kultiviert, 96

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

immer im Bewusstsein, dass Fortschritte in rich Germershausen, Mitglied der Naturforallen Wirtschaftsbereichen durch bessere Bil- schenden Gesellschaft zu Berlin, der ökonodung der Bevölkerung erreichbar seien. Ne- mischen zu Leipzig und München; Prediger ben Germershausen forderte u. a. Carl Fried- zu Schla­ lach bei Treuenbriezen“; „Johann rich Riemann (1756–1812) in den Annalen Gottfried Kletsch­ ke, Feldprobst der Königl. die Einrichtung von Industrieschulen, die Preußl. Armee, Assessor des Krieges-Consisv. a. eine zweckmäßige Ausbildung künftiger torii, Inspektor sämmtlicher Feld- und GarÖkonomen und Kaufleute besonders durch nisonprediger und des großen Potsdamschen Rechnen, Buchhalten, Geographie und Na- Militair-Waisenhauses; Beisitzer der gelehrturlehre erreichen wollten (siehe auch  Ge- ten Gesellschaft zu Frankfurt“; „Joh[ann] sellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen). Gottl[ob] Schulze, Königl. Ober-Hof-BauAuch Rochow stellte den Mitgliedern der Rath, Inspektor der Königl. Gärten; Rendent MÖG 1795 seine Gedanken über die Ein- zu Potsdam“ und als Sekretär „Benj[amin] richtung der niederen Stadt- sowie Land- Gotthilf Kletschke, Feldprediger bei dem Köschulen zur Aufmerksamkeit, Prüfung und nigl. Gren. Garde-Bataillon von Rohdich zu Anwendung vor. Hierzu bedurfte es aber ei- Potsdam“ (Mitgliederliste, in: Annalen, (1792), ner größeren und flächendeckenden Zahl an Bd. 1, H. 1, S. 9 f.). Hauptaufgabe war die orSchulen, die – wie die Reckahner Schule – ganisatorische und inhaltliche Vorbereitung als „Musterschule“ dienen sollten (vgl. Tosch der Mitgliederversammlungen. Kern des in2013). In der Oekonomischen Encyklopädie neren Lebens in den Frühjahrs- und Herbstvon J. G. Krünitz wird Rochow beim Stich- versammlungen (jeweils am 1. Dienstag nach wort Landschule insgesamt 47 Mal erwähnt, dem 1. Mai bzw. nach dem 1. November) wadabei nicht zufällig mehrheitlich mit dem ren v. a. freiwillige Vorlesungen, die vorrangig Rochowschen Kinderfreund in Verbindung von den Mitgliedern selbst gehalten wurden. gebracht. Germershausen, Rochow, Krünitz Die Deputierten kamen alle sechs Wochen und anderen war bewusst, dass der Weg der zusammen (vgl. Küster, S. 5). – Die MÖG praktischen Anwendung der populären Auf- wurde durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und klärungsideen längerfristig nur über den Weg Stiftungen finanziert und nach egalitären allgemeiner Volksbildung – und zwar in gut Prinzipien organisiert. Innerhalb der Gesellausgestatteten Elementar- bzw. Volksschulen schaft gab es Ordentliche, Ehren- und Kor– zu erreichen war. Hier lag der Schlüssel für respondierende Mitglieder. Von den Ordentdie Suche nach Antworten gelingenden Wis- lichen Mitgliedern wurde ein Eintrittsgeld senstransfers in alle ökonomischen Zweige von 5 Talern erhoben, hinzu kamen 2 ½ Taler der Gesellschaft hinein. Die MÖG war hier- als jährliche Beitragssumme. Ehrenmitglieder bei eine wichtige Agentur des Kommunika- konnten über ihren Beitrag selbst entscheiden. tionssystems der Aufklärung und Bindeglied – Bereits durch Friedrich Wilhelm II. „waren im Netz der Sozietätslandschaft an der Wen- der Gesellschaft zwei Siegel verliehen worde vom 18. zum 19. Jahrhundert. den, von denen besonders das größere von 39 mm Durchmesser durch seine künstleriStruktur und Organisation: Neben der Di- sche Anordnung und saubere Ausführung Berektion wählte die MÖG eine Geschäftslei- achtung verdient. Es enthält einen gekrönten tung – die sogenannte Deputation –, der vier, Adler mit Scepter und Palmen freischwebend später acht Personen angehörten. In der ers- über einer Gruppe, welche die ‚ländlichen ten Mitgliederliste werden als Deputierte ge- und städtischen Nahrungsgeschäfte‘ durch nannt: „Carl Friedrich Dickow, Kaufmann Ackergeräthe, eine Garbe und ein Schaf sound Fabrikant zu Potsdam“; „Christian Fried- wie durch einen Webstuhl und einen Waaren97

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

ballen darstellt, mit folgender Inschrift: FRIEDERICO WILHELMO. AUSPICE: 1791.

REG: SOC: OEC: MARCH BRANDENB:“ (Küster, S. 15).

Sekretäre 1791 bis zur Bildung des Centralvereins 1842 Name Kletschke Ditterich Schulze [Name unbekannt] Schulze

Amtszeit 1791–1794 1795–? 1805–1816 1817–1819 1820–1826

Wentz

1827–1844

Bemerkungen Feldprediger, Sohn des Feldpropstes Kletschke Geh. exped. Sekretär beim Königl. Hofbauamt Oberhofbaurat Stadtgerichtsassessor, später Justizrat, Sohn des o.g. Vorigen Regierungs-Hauptkassierer, später Rechnungsrat

Direktoren 1791 bis zur Bildung des Centralvereins 1842 Name Prediger Germershausen („Präses“) und Kaufmann C. F. Dickow sen. („Direktor“) Friedrich Eberhard v. Rochow

Amtszeit 1791 (die ersten Wochen!)

Lebensdaten

Bemerkungen

179[1]–1792

1734–1805

Graf Ewald Friedrich v. Hertz­ berg

1792–1795

1725–1795

Friedrich Eberhard v. Rochow 1795–1796 Christian Ludwig Grothe 1796–1798 Christoph Wilhelm v. Werdeck 1798–1799

1734–1805 1731–1801 1759–1817

Otto Carl Friedrich v. Voss Christian Friedrich Germershausen Carl August Hubert

1755–1823 1725–1810

Domherr zu Halberstadt Staatsminister, Besitzer des Rittergutes Britz bei Berlin Domherr zu Halberstadt Oberfinanzrat Kriegs-, Steuer- und Regierungsrat Staatsminister Pfarrer

Schröder Gustav Adolf Ewald Frhr. v. Brenn Friedrich Ludwig Augustin

1800–1807 1808–1809

1810–? [Lücke in ? Amtsrat in Zossen den Akten von 1811–1820] ?–1821 ? Regierungsrat 1821–1824 1772(?)–1838 Regierungsrat 1825–1844

Preisaufgaben: Für die Klärung bisher ungelöster ökonomisch-landwirtschaftlicher Probleme wurden Preisgelder als Stimuli ausgelobt. Diese entwickelten sich zu einem wichtigen Innovationsinstrument der MÖG und stellten 98

1776–1854

Regierungs- und Medizinalrat

einen wesentlichen Teil ihrer Binnen- und Außenraumkommunikation dar. Dafür soll folgendes Fallbeispiel stehen: In seiner Antrittsvorlesung wandte sich Rochow dem Pflügen zu und kritisierte vor allem, dass in

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

Abb. 16  Siegel der MÖG (1791).

der Brache und Streckfahre bisher kaum 2 ½ Zoll [1 Zoll in Preußen 2,62 cm] tief gepflügt werde, aber nach seinen praktischen Erfahrungen zumindest 6 Zoll tief erforderlich sind (u. a. bessere Unkrautentwurzelung, bessere Düngerbedeckung mit Erde). Zugleich kritisiert Rochow die Mangelhaftigkeit des bisherigen Pfluggerätes und kommt damit auf ein seit dem frühen 18. Jahrhundert diskutiertes Thema zu sprechen (vgl. Niemeck; Brunt). Er bekennt freimütig, dass er mit dem Sachstand eigener Erfahrungen in seiner Gutsherrschaft aus zwei Jahrzehnten bislang zu keiner zufriedenstellenden Lösung gelangt ist und benennt im Forum der MÖG sechs Eigenschaften an einen vollkommneren Pflug: 1. „Er muß nicht aus vielen künstlichen Stücken bestehen, also auch vom gemeinen Manne zu verfertigen seyn. – 2. Er muß nicht zu viel Eisen bedürfen, damit er leicht zu ziehen sey, und, bei hinlänglicher Haltbarkeit, nicht zu kostbar werde. – 3. Er muß sich leicht und doch fest stellen lassen, um damit tief und flach zu pflügen. – 4. Er muß eine reine Fahre machen. – 5. Er muß die Fahre umkehren, so, daß das unterste oben kömmt. – 6. Die mindest mögliche Friktion muß bei seinen Rädern angebracht werden“ (Rochow: Erste Rede, in: Annalen, 1792, Bd. 1, H. 1, S. 43 f.). „Um diese Verbesserung baldigst zu befördern“, legte

Rochow bei der MÖG eine Prämie von zehn Friedrichsd’or für denjenigen nieder, „dessen im Kleinen, nach verjüngtem Maasstabe richtig bezeichnetes […] Modell, ein Jahr lang im Großen die Probe dreyer erfahrnen Landwirthe, die ich zu benennen mir vorbehalte, nach obigen 6 Erfordernissen ausgehalten hat“ (ebd., S. 45). Zum anschaulichen Vergleich hatte Rochow der MÖG ein Modell eines gewöhnlichen Pfluges aus dem regionalen Einzugsgebiet gestiftet. Eine Kommission „aus lauter erfahrnen Landökonomen“ (Verhandlungen der Ökonomischen Gesellschaft, in: Annalen, (1793), Bd. 1, H. 2, S. XVI) kam am 5. November 1793 zu der Feststellung, dass keines der insgesamt zwölf eingesandten Modelle nach Begutachtung und den angestellten Versuchen der Erwartung entsprochen habe, selbst das Modell des Preisträgers Christoph Jäger aus Zerbst „hat diese Erwartung nicht ganz erfüllt“ (Preis-Ertheilung, in: Annalen, (1794), Bd. 1, H. 3, S. XXIII). Detailliert werden die Vorteile, aber auch die nach wie vor erkennbaren Mängel der eingereichten Modelle vorgestellt. Sogar die Ökonomische Gesellschaft zu Leipzig nahm die Entwicklungen um diese erste Preisaufgabe in der Potsdamer Sozietät wahr und unterließ es nicht, kritisch darauf hinzuweisen, dass schließlich ein Preis erteilt wurde für einen Pflug, der andernorts in Deutschland bereits in Gebrauch war (vgl. Eichler 1993, S. 202). Johann Riem, Sekretär der Leipziger ökonomischen Sozietät und zum Ehrenmitglied und Korrespondent der Potsdamer Gesellschaft schon auf ihrer ersten Versammlung gewählt, unterließ es ebenso nicht, das von ihm herausgegebene Werk Arndtisch-Riemisches Ackersystem „in devotester Ehrfurcht“ (Riem (Hg.) 1794, S. IV) der Potsdamer Sozietät zu widmen, auch, weil diese „einen Preis auf den leichtesten und einfachsten Pflug ausgesetzt“ (ebd., S. V) hat. Zugleich erinnert er aber im Vorwort seines Werkes vom Februar 1794 die ökonomische Gesellschaft in Potsdam an die erprobte Leistungsfähigkeit der darin vorgestellten Pflüge – 99

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

v. a. auch an seinen mehrscharigen Scharwenzelpflug – und schreibt: „Aber es dürfte meine Anpreißung zu partheyisch seyn: ich überlasse allso hochpreißlicher Gesellschaft zu entscheiden, ob ein simplerer und leichterer Pflug irgendwo existire, der zugleich zu allerley Gebrauch so componirt werden könne, […] so, daß er alles leistet, was man mit vielen andern einscharigen Pflügen zu unternehmen vermag“ (ebd., S. VI). Dennoch erscheint der hier von der Potsdamer Gesellschaft vertretene pädagogische Ansatz der Preisauslobung geradezu modern, dass sie nicht „nur das höchste Ideal als das einzige Ziel bei ihren künftigen [Preis-]Austheilungen ansehen würde“ (Preis-Ertheilung, in: Annalen, (1794), Bd. 1, H. 3, S. XXIII), sondern dass zugleich auch prozessual der Grad der Annäherung an die Erfüllung der Kriterien der Preisaufgaben einzuschätzen versucht wurde. Hier erlangte die Anregungs- und Schrittmacherfunktion der MÖG, „hauptsächlich zur Ermunterung mehrerer Conkurrenz bei allen ihren künftigen Preis-Aufgaben“, einen zentralen Stellen- Abb. 17  Preismodell eines von Rochow ausgelobwert. Da dem Gewinner folgerichtig nur „die ten Wettbewerbs um einen besseren Pflug, in: AnHälfte des Preißes zuerkannt [wurde], der ih- nalen der MÖG, Titelblatt Bd. 1, Potsdam 1794. rer Aufgabe am nächsten gekommen ist“, spricht es in dieser Situation für Rochow, dass die von ihm gestiftete und nun nicht ausge- (Eichler 1995, S. 201). Die Annalen wendeten lobte andere Hälfte des ursprünglichen Preis- sich vorrangig an die Mitglieder der MÖG, geldes sofort „zur Vergrößerung der Prämie wenngleich die Berichterstattung erkennen für das beste Vieh-Arzney Buch angewiesen lässt, dass von Anbeginn eine allgemein geworden“ ist (alle Zitate ebd.) (vgl. auch Küster, meinnützig-aufklärerische Perspektive mit der S. 41 f.). – Vereinsschriften: Bereits 1792– Publikationstätigkeit verfolgt wurde. Aber das 1794 erschienen die ersten drei Hefte der von Einstellen der Annalen mit dem fünften und der MÖG bei Carl Christian Horvath heraus- letzten Heft 1801 (und des Bandes 3 1802) gegebenen Annalen der Märkischen Oekono- war wohl mehr als nur ein äußerlicher Hinmischen Gesellschaft zu Potsdam. Diese drei weis, dass die Reichweite und Wirksamkeit Hefte bildeten 1794 zusammen herausgege- der MÖG in ihrem ersten Jahrzehnt vor allem ben Band 1; in den folgenden Jahren 1795– auf ihren Mitgliederkreis begrenzt war, wenn 1796 erschienen weitere drei Hefte (1796 zu- „die untere producirende Volksklasse gänzlich sammen als Band 2) sowie 1797–1801 fünf leeraus[gehet]“ (Avertissement, in: Annalen, Hefte (1802 zusammen als Band 3). Hier hat (1801), Bd. 3, H. 5, S. 129). Die SchlussfolgeRochow 27 Abhandlungen verfasst (vgl. rung, ein Märkisches, dann wenig später ein Tosch 2009, S. 42) und war damit „der pro- auch programmatisch breiter angelegtes – nun duktivste Mitarbeiter dieses Periodikums“ so genanntes – Gemeinnütziges bzw. Neues ge100

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

meinnütziges Volksblatt herauszugeben, mün- tischen Sach- und Namenregistern versehener dete in der Zielstellung, „sich mit der Beför- Katalog“ (Vorbericht, in: Verzeichnis 1828, S. I), derung des Wohls des Bürgers und Land- der vom Sekretär der MÖG, Regierungsmanns und mit allen Zweigen des vaterländi- Hauptkassierer Wentz zum Druck befördert schen Nahrungsstandes [zu] beschäftigen“ wurde, sind 1.072 Titel verzeichnet. Im Vor(ebd.). Auch dessen kurze Publikationsge- bericht der Deputation wurde mit Blick auf schichte in sechs Jahrgängen (Jg. 1: 1798 – Jg. die Zielsetzung dieser Ausgabe festgehalten: 6: 1803) verdeutlicht, dass der neuerliche An- „Zu den gemeinnützigen Zwecken, welche spruch „alles Gute und Nützliche, was bei uns die Königl. Märkische ökonomische Gesellschon hin und wieder im Einzelnen geübt schaft seit ihrer Stiftung zu erreichen strebte, wird“ (ebd.), allgemeiner zu verbreiten, zu- gehört auch die Sammlung einer, das Fach der nehmend in Widerspruch zur gesellschaftli- gesammten Ökonomie möglichst umfassenchen Wirklichkeit geriet. Überhaupt sollte den, Bibliothek, Behufs ihrer wissenschaftli„alles Gute, was in ökonomischen und Volks- chen Benutzung Seitens der Mitglieder, und schriften gefunden wird, und besonders auf nun bei dem Studium und der Bearbeitung die Mark anwendbar ist, darin aufgenommen der mannigfaltigen Gegenstände dieses Faches werden“ (ebd.). Detailliert wurden daher auch die nöthigen literarischen Hülfsmittel zu bedie erweiterten Arbeitsfelder dieses Periodi- sitzen“ (ebd.). kums – zum Preis von anderthalb Taler pro Jahr – in der Reihung „Menschenkunde“, Mitglieder: a) Mitgliederstruktur: Der Zu„Naturkunde“, „Landwirthschaft“, Stadt- tritt zur Gesellschaft stand satzungsgemäß jewirthschaft“ und Miscellaneen“ benannt. Fast dem „Manne, aus jedem Stande frei, dem es 20 Jahre lang sollte hierauf kein Vereinsorgan nicht an Kenntniß und Erfahrung über dererscheinen, ehe von 1822 bis 1843 das Mo- gleichen Dinge fehlt, und der also, wo nicht natsblatt der Kgl. preußischen märkischen öko- in mehrern, doch in einem oder dem annomischen Gesellschaft zu Potsdam – wieder- dern Fache, durch Nachrichten, Vorschläum bei Horvath – herausgegeben wurde. Wie ge und Beurtheilungen etwas nützliches leisbeim Volksblatt zwei Jahrzehnte zuvor wur- ten kann“ (Statuten 1791, in: Annalen, (1792), den auch hier nicht nur Originalbeiträge, son- Bd. 1, H. 1, S. 4). Während die MÖG am Bedern auch Auszüge aus anderen Veröffentli- ginn ihrer Tätigkeit 1791 69 Ordentliche Mitchungen zum Abdruck gebracht (vgl. Wim- glieder zählte, umfasste die Liste 1795 bereits mer, S. 171 f.). „Jährlich wurden ein Verzeich- 147 und nach einem Jahrzehnt um 1800 192 nis von Produktpreisen in Berlin und eine Ordentliche Mitglieder. Nimmt man die 114 metereologische [!] Statistik gedruckt“ (ebd., Ehren- bzw. Korrespondierenden Mitglieder – S. 172). Die MÖG besaß ferner eine Biblio- die vorrangig den Sach- und Erfahrungsstand thek, „deren Grundstock durch das Ver- von außen repräsentierten – zwischen 1791 mächtnis des Generalleutnants Friedrich Wil- und 1799 hinzu, so kommt eine Mitgliederhelm von Rohdich (1719–1796) gelegt wur- zahl von insgesamt 306 zusammen (alle Angade“ (ebd., S. 167) und bis 1840 auf 5.000 Bän- ben vgl. Eichler 1995, S. 197). Diese berechde anwuchs (vgl. ebd., S. 172). Nach 1821 (2. tigt dazu, die Potsdamer Gesellschaft neben Aufl. 1823) wurde 1828 erneut ein gedrucktes der Leipziger Sozietät (vgl. Braun; Schöne) Verzeichnis der Bibliothek der Königlichen mär- und der Patriotischen Gesellschaft in Hamkischen ökonomischen Gesellschaft in Potsdam burg (vgl. Kopitzsch) „zu den großen Wirtverfasst (vgl. auch Küster, S. 42 f.). In diesem schaftsvereinen in Deutschland im 18. JahrVerzeichnis, „ein mit Sorgfalt ausgearbeiteter hundert“ (Eichler 1995, S. 197) zu zählen. Das wissenschaftlich geordneter und mit alphabe- ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass 101

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

die ökonomischen Vereinigungen im Ausland – so in Dublin schon ab 1736 oder in London ab 1753 – größere Ausmaße erreichten; letztere hatte nach sechs Jahren immerhin 461 Mitglieder in ihren Reihen (vgl. Eichler 1993, S. 203). – Sozialstrukturell entstammten fast 75 Prozent der Ordentlichen Mitglieder dem

Bürgertum (vgl. Eichler 1995, S. 197); auch 84 Prozent der Ehren- bzw. Korrespondierenden Mitglieder waren bürgerlicher Herkunft; wie auch in anderen solchen Gesellschaften blieb dagegen die Mitgliedschaft der eigentlich Betroffenen – also der einfachen Bauern – eher die Ausnahme.

Berufliche Zusammensetzung der Ordentlichen, Ehren- und Korrespondierenden Mitglieder der MÖG von 1791 bis 1799 (Zahlenangaben nach: Eichler 1993, S. 206): Berufsgruppen Höhere und mittlere Beamte Geistliche Kaufleute, „Fabrikanten“, Handwerker Gutsherren Professoren, Lehrer, Privatgelehrte Amtmänner Juristen, Ärzte, Apotheker Militärs Jäger, Förster, Gärtner Baumeister ohne Angaben Gesamt Die größte Berufsgruppe bildete die höhere und mittlere Beamtenschaft, die überwiegend bürgerlicher Herkunft war. Eine zweite große Gruppe mit immerhin 14 Prozent war die Geistlichkeit, die mit den brennenden Fragen, Sorgen und Nöten der Bevölkerung in Stadt und Land vertraut war und einen gewichtigen Platz in der MÖG einnahm. Hierzu gehörte u. a. als frühes und Korrespondierendes Mitglied Johann August Ephraim Goeze [Götze] (1731–1793), seit 1762 „Pastor an der Kirche St. Blasii zu Quedlinburg und Hofkanonikus, [ferner] der Herzogl. deutschen Gesellschaft in Helmstädt, der Naturforschenden Gesellschaft in Halle und der Königl. Schwedischen patriotischen Gesellschaft zu Stockholm Mitglied“ (Mitgliederliste, in: Annalen, (1792), Bd. 1, H. 1, S. 14). Goeze besuchte zweimal die Reckahner Schule (20. Juni 1780; 14. Juli 1784) und vertrat einen Typus, der naturhisto102

OM 43 16 27 24 8 22 13 13 12 8 6 192

EM/KM 25 26 6 7 18 1 7 4 5 1 14 114

gesamt 68 42 33 31 26 23 20 17 17 9 20 306

% 22 14 11 10 8,5 7,5 6,5 5,5 5,5 3 6,5 100

rische Forschungen und theologische Beiträge zu vereinen wusste. Die dritte Gruppe bildeten insgesamt die Kaufleute, Händler, Lieferanten, Fabrikanten und Handwerker, v.a. aus Potsdam und dem nahen Berlin und weiteren märkischen Städten; unter den Ordentlichen Mitgliedern waren sie sogar die zweitgrößte Berufsgruppe. Dazu gehörten u.  a.: Carl Friedrich Dickow, Kaufmann und Fabrikant aus Potsdam; Peter Franz Bock, Hutfabrikant und Hoflieferant aus Potsdam; Kaufmann und Fabrikant Franz Heinrich Floto aus Holzmünden sowie die Fabrikanten Braumüller, Johann Friedrich Kaapke und Johann Lorenz Haf aus Berlin. Unter den Rittergutsbesitzern waren u. a. vertreten: neben Friedrich Eberhard v. Rochow auf Reckahn weitere vier Rochows (Rochus v. Rochow, „Erb- Lehnund Gerichtsherr auf Golzow“; Friedrich Ehrenreich v. Rochow, „Lieutenant bei der Gar-

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

Abb. 18  Ewald Graf v. Hertzberg, Direktor der MÖG, in: Annalen der MÖG, Bd. 1, Potsdam 1794.

de du Corps, Erb- Lehn- und Gerichtsherr auf Jeserick“ (Fortsetzung Mitgliederliste, in: Annalen, (1793), Bd. 1, H. 2, S. VI); Friedrich Ludwig v. Rochow, „Johanniter- Maltheser-Ordens-Ritter, und Erbherr auf Pleßov“ (ebd., S. VII) und Friedrich Adolph v. Rochow, „Königl. Cammerherr und Erbherr auf Stülpe […] bei Luckenwalde“ (Fortsetzung Mitgliederliste, in: Annalen, (1794), Bd. 1, H. 3, S. XIV); des Weiteren Otto Carl Friedrich v. Voss auf Gut Wartenberg im Niederbarnim sowie Graf v. Hertzberg auf Gut Britz bei Teltow. Letzterem muss sicherlich – neben seinem Direktorenamt – mit seiner Vortrags- und Publikationstätigkeit (vgl. Annalen, (1793), Bd. 1, H. 2; dem Titelblatt folgt

ein Kupferstich mit dem Bildnis von Hertz­ berg) in der von ihm verkörperten Einheit von Staatsmann, Diplomat und Gelehrten ein besonderes Aktivitätspotenzial für die MÖG bis zu seinem Tod 1795 zugesprochen werden. – Immerhin fünf ehemalige bzw. noch amtierende Staatsminister waren Mitglieder der MÖG: neben Ewald v. Hertz­berg und Otto v. Voss waren dies Carl August v. Struensee, Johann Christoph v. Woellner und Friedrich Wilhelm v. Rohdich. Schließlich soll noch auf die große Gruppe der Amtmänner verwiesen werden, meist bürgerliche Pächter von Domänengütern, welche „mit wichtigen polizeilichen und rechtlichen Vollmachten ausgestattet waren, relativ finanzkräftig und tonangebend auf dem Lande lebten und produktionstechnische Neuerungen in der Landwirtschaft ein besonderes Interesse entgegenbrachten“ (Eichler 1993, S. 207). Ein typischer Vertreter dieser sozialen Gruppe war Carl August Hubert, Amtsrat des Amtes Zossen (vgl. Müller, S. 246–250), der ein hervorragender Landwirt und Verfasser landwirtschaftlicher Bücher war. Er steht für einen Kreis von Personen, die auf ihren Gütern praktische Verbesserungen vornahmen und mit diesem dezidiert praktischen Erfahrungsschatz das Leben der Gesellschaft – ganz im Sinne des Statuts – bereicherten. Schon im ersten Heft der Annalen der MÖG beantwortete Hubert, der auch Ehrenmitglied der Leipziger Ökonomischen Gesellschaft war, die Fragen: „wodurch kann der Bewohner des platten Landes zur Anlegung öffentlicher Alleen und Plantagen von Obst-, Maulbeerund andern Laubbäumen aufgemuntert – und wie können diese Bäume gegen gewaltsame Beschädigung am besten gesichert werden?“ (Die zweite allgemeine Versammlung […] v. 8. Mai 1792, in: Annalen, (1792) Bd. 1, H. 1, S. 89). – Die in den Annalen im ersten Jahrzehnt mehrfach fortgeschriebene Mitgliederliste (vgl. Tosch 2011, S. 321, Fn. 70) verdeutlicht auch, dass eine Reihe von Personen mehrere Berufe oder Ämter ausübten, also lei103

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

tende Beamte waren und zugleich aktive Landwirte. Andere gingen akademischen Berufen nach und besaßen zugleich Landgüter. Für die MÖG kann ein durchaus breites Spektrum von Erfahrung und Weltkenntnis seiner Mitglieder festgestellt werden, gebunden an das gemeinsame Interesse an Bildung und Erfahrungsaustausch und orientiert am Merkmal der praktizierten gesellschaftlichen Gleichheit innerhalb der ökonomischen Gesellschaft. Dennoch gehörten Frauen der MÖG im hier untersuchten Zeitraum nicht an. – Als Indiz für den Radius der Integration von neuem Wissen und neuen Erfahrungen soll die regionale Herkunft der Mitglieder angeführt werden. Im ersten Jahrzehnt der Gesellschaft kam knapp ein Drittel der Mitglieder aus Berlin und Potsdam, 7 Prozent entfielen auf andere größere Städte wie Brandenburg, Breslau, Frankfurt/Oder und Cottbus. Bemerkenswert erscheint die große Prozentzahl von Mitgliedern aus kleinen Städten und ländlichen Gebieten in Brandenburg-Preußen, die immerhin 41 Prozent auf sich vereinigten (vgl. differenziert Eichler 1993, S. 209; Tosch 2011, S. 322). Hier liegt ein wichtiges quantitatives Indiz, dass die Gesellschaften eine zentrale Funktion erlangten, den ländlichen und kleinstädtischen Raum an die Erfahrungswelt und den ökonomischen Wissensstand der Zeit anzupassen, dass sie Zentren des regionalen Wissenstransfers darstellten. Von den 114 Ehrenbzw. Korrespondierenden Mitgliedern kamen 10 Prozent aus dem Ausland, u. a. aus Edinburgh, Marseille und Paris. Auswahlweise seien genannt: N. N. Anderson, „Professor und Mitglied vieler gelehrter Gesellschaften“ aus Edinburgh; G. Fr. Brasch, „Rusßisch Kaiserl. Kollegien-Sekretair, Erb-, Lehn- und Gerichtsherr“ aus Rasin [heute Rasina] bei Dorpat [Tartu]; G. v. Rehbinder, „Graf zu Reval [heute Tallin] in Liefland; F. Sauvage, „Königl. Preußl. Consul zu Marseille“ sowie ein „Bür113) aus Paris. ger Lasteyrie“ (vgl. hier S.  Gleich drei Namen werden mit Philadelphia in Verbindung gebracht: N. Centner, „Kom104

missarius und Agent zu Philadelphia“; William Wilmerding, „Kaufmann“ sowie Friedrich August Mühlenberg (vgl. Tosch 2011, S. 321, Fn. 70). Letzterer gehörte gemeinsam mit seinem Bruder Peter u. a. zu den führenden Männern der 1764 gegründeten ersten Deutschen Gesellschaft zu Philadelphia. Diese konnte mit dem 1765 verabschiedeten Gesetz zum Schutze der Einwanderer einen weitgreifenden Erfolg erzielen. Sie engagierte sich aber auch auf erzieherischem Gebiet u. a. für die Errichtung von Schulen für Kinder deutscher Einwanderer. Nach dem Unabhängigkeitskrieg profilierte sich die Gesellschaft als Träger deutscher Kultur und machte sich u. a. bei der Aufrechterhaltung und Ausbreitung der deutschen Sprache verdient. Unter den Ehren- bzw. Korrespondierenden Mitgliedern der MÖG ist auffällig, dass diese gehäuft selbst an ihren jeweiligen Wirkungsorten Mitglied einer Gesellschaft waren. Sozietätsmitgliedschaften waren ein wichtiger Ausweis für die Verankerung in einem vielgestaltigen Mitgliedernetz von arkanen wie nichtarkanen Aufklärungsgesellschaften (vgl. Zaunstöck, S. 209; Zaunstöck/Meumann 2003), die sowohl Reputation für den Einzelnen als auch für die jeweilige Gesellschaft bedeutete. Dieses Netz der Mitgliedschaften – und damit das sichtbar werdende Netz des Wissenstransfers – kann anhand der von den Mitgliedern der MÖG selbst angegebenen Mitgliedschaften in anderen Gesellschaften verfolgt werden. Dabei rücken 17 unter den 306 Mitgliedern in den Mittelpunkt, die der Angabe ihrer Mit­glied­ schaft(en) einen Stellenwert beimaßen und damit den Ausweis ihrer Verflechtung mit anderen Aufklärungsgesellschaften öffentlichen Ausdruck verliehen. Diese 17 Personen verkörpern insgesamt 45 weitere Mitgliedschaften in 22 gelehrten bzw. gemeinnützigen Sozietäten im In- und Ausland. Waren mit Achard, Friese, Glauber, v. Hertzberg, Hubert, Kletschke, Medicus, Tit(i)us und Zeplichal neun Mitglieder benannt, die neben ihrer Mitgliedschaft in der MÖG eine weitere Ge-

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

sellschaft erwähnten, so standen mit Löwe, Riem, Germershausen, Götze, Otto und v. Rochow sechs weitere Mitglieder in den Reihen der MÖG, die bis zu vier weitere Gesellschaften benannten. Immerhin lassen sich aus den Selbstangaben von Mitgliedschaften zwei Mitglieder der MÖG ausmachen, die – wie Krünitz und v. Burgsdorf – sogar acht bzw. zehn weitere Gesellschaften anführten und damit für übergreifende Kommunikationsprozesse funktional als frühe Netzwerkknoten identifiziert werden können (vgl. Tosch 2011, S. 324–326). – b) Ordentliche Mitglieder bis 1815 (Liste u. Mitarb. v. U. Motschmann): Kriminalrat Carl Ludwig Amelang (Berlin); Geh. Medizinalrat Dr. Augustin (Potsdam); Konrektor Heinrich Bauer (Große Stadtschule Potsdam); Schulinspektor Karl Friedrich Bauer (Zossen); Konrektor Ludwig Adolph Baumann (Brandenburg); Oberhofbaurat Friedrich Becherer (Berlin); Prediger Matthäus Friedrich Berendt (Altmersleben); Kriegsrat Carl Friedrich Wilhelm Beseke (Berlin); Kaufmann und Fabrikant Thomas de Bins (Luckenwalde); Amtmann Friedrich Traugott Birkner (Zinna); Major v. Blankensee (Trossin bei Königsberg i.d. Neumark); Hutfabrikant Peter Franz Bock (Potsdam); Prediger Johann Heinrich Bolte (Karwesee bei Nauen); Major v. Bölzig (Potsdam); August Heinrich Borg­ stede (Berlin); Geh. Oberbaurat Philipp Michael Boumann (Berlin); Fabrikant Johann Gottfried Braumüller (Berlin); Domherr Carl Ernst Adolph v. Bredow (Buchow und Karp­ zow); Lieutenant Friedrich Wilhelm v. Bredow (Pessin); v. Bredow (Bredow); Arzt Johann Immanuel Bremer (Berlin); Rendant Samuel Gottlieb Brendel (Berlin); Regierungspräsident Frhr. v. Brenn (Merseburg); Me­chani­ kus Gerhard Brexendorf (Brandenburg); Erb-, Lehn- und Gerichtsherr August v. Briest (Nennhausen); Erbherr v. Brösigke (Cammer); Geh. Legationsrat Adolph Friedrich v. Buch (Stolpe bei Angermünde); Großkanzler Johann Heinrich Casimir v. Carmer (Berlin); Amtmann Johann Friedrich Clare (See­hausen);

Amtmann Carl Friedrich Cochius (Pervenitz; Vater des Folgenden); Amtsrat Friedrich Ferdinand Cochius (Dreetz); Kriegs- und Domänenrat Johann Friedrich Heinrich Frhr. v. Cramer (Breslau); Kaufmann Carl Friedrich Dickow (Potsdam); Kaufmann Johann Christoph Ludwig Dickow (Potsdam); Geh. exped. Sekretär Philipp Ditterich (Potsdam; Sekretär der MÖG); Hofgärtner Heinrich Christian Eckstein (Potsdam); Kriegsrat Franz Friedrich Eichmann (Potsdam); Landesdirektor v. Eich­ stedt (Damm); Erb-, Lehn- und Gerichtsherr Georg Friedrich v. Eickstedt (Stettin  /  Rothen-Clempenow [Rothenklempenow] in Pommern); Bergrat Johann Christoph Eiselen (Berlin); Geh. Oberbaurat Johann Albert Eitelwein (Eytelwein) (Berlin); Französ. Prediger Johann George Ermann (Potsdam); Erbherr Otto Friedrich v. Erxleben (Selbelang); Handelsmann Daniel Christoph Falkenberg (Brandenburg); Hofgärtner Ferdinand Fintelmann (Pfaueninsel); Regimentschirurg Johann Flemming (Halberstadt); Maschinist Johann Fritze (Berlin); Oberamtmann Louis Christian Gansauge (Bornstedt); Oberfinanzrat Carl Abraham Gerhard (Berlin); Christian Friedrich Germershausen (Schlalach bei Treuenbrietzen); Geh. Oberbaurat David Gilly (Berlin); Oberamtmann David Carl Vollrath Gleim (Berge); Sekretär Jakob Christoph Göbeler (Berlin); Kaufmann Hermann Friedrich Goverts (Hamburg); Finanz-, Kriegs- und Domänenrat Christian Ludwig Grothe (Berlin); Bürgermeister Christian Karl Gulde (Cottbus); Landrat Wilhelm Joachim Friedrich v. Haake (Genshagen); Graf August Ferdinand v. Haeseler (Erbherr auf und zu Sacrow); Oberamtmann Carl Andreas Alexander Hagemann (Blankenfelde); von der Hagen (Hohennauen); Erb-Landmarschall Friedrich II. Frhr. v. Hahn (Remplin in Mecklenburg); Kämmerer Johann Wilhelm Hand (Brandenburg); Amtmann Hartmann (Roskow); Ratsmaurermeister Johann Friedrich Hecker (Potsdam); Obergerichtsadvokat (Christian Wilhelm Carl?) Hennings (Pinneberg); Predi105

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

ger Johann Jacob Ludwig Hensel (Linum); Prof. Sigismund Friedrich Hermbstaedt (Berlin); Kammerrat Hermes (Berlin); Major Ewald Eustachius v. Herzberg (Potsdam); Staatsminister Ewald Friedrich Graf v. Hertzberg (Berlin); Maler Carl Franz Hillner (Potsdam); Kammerdirektor Carl Christoph v. Hoffmann (Berlin); Oberamtmann August Benedikt Honig (Altenplatho); Buchhändler Carl Christian Horvath (Potsdam); Amtsrat Carl August Hubert (Zossen, später Reudnitz bei Beeskow); Hofrat Levin August Hübner (Berlin); Oberjäger Ike (Reedel [Raedel] bei Lehnin); Feuer-Bau-Inspektor Samuel Heinrich Jachtmann (Berlin); Feldprediger Karl Friedrich Janisch; Justizkommissar Johann Christian Jannasch (Potsdam); Kammerrat und Gutsbesitzer Johann Nicolaus Johannes (Karlshof/Oderbruch); Fabrikant Johann Friedrich Kaapke (Berlin); Hoflieferant August Kähne (Kaehne) (Petzow); Major Ernst Rudolph v. Kalkreuth (Potsdam); General der Kavallerie und Gouverneur von Danzig Friedrich Adolf Graf v. Kalckreuth (Danzig); Oberamtmann Philipp Heinrich Karbe (Chorin / Sieversdorf); Oberamtmann Wilhelm Karbe (Biegen); Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Roskow Herr v. Katte (Magdeburg); Landbaumeister Johann Christian Friedrich Keferstein (Brandenburg); Prof. Martin Heinrich Klaproth (Berlin); Feldprediger Benjamin Gotthilf Kletschke (Potsdam, Liebenwalde); Feldpropst Johann Gottfried Kletschke (Frankfurt); Lieutenant Otto v. Knobloch (Pessin); Oberförster Christian Friedrich Köhler (Liebenwalde); Kaufmann Johann Friedrich Köhler (Cöthen); Kaufmann Emanuel Wilhelm Kopisch (Breslau); Oberamtmann Carl August Körner (Lehnin); Pastor Krabbes (Ketzür); Prediger Christian Kramm (Retzow bei Nauen); Erbherr Carl George Wilhelm v. Krause (Pritzlow und Hohen-Zahden); Oberhofbaurat Andreas Ludwig Krüger (Potsdam); Oberförster Kühne (Cunersdorf; später Generalpächter von Fahlhorst, Amtsrat von Saarmund); Prediger Lahr (Zestow); Baron Adolf 106

Julius v. Lauer-Münchhofen (Plaue/Havel); Königl. Kammerherr Ernst Ahasverus Heinrich Graf v. Lehndorf(f) (Steinort/Ostpreußen); Amtmann August Friedrich Ferdinand Lenz (Zolichow); Dr. Levi (Potsdam); Forstmeister Andreas Ludwig Luft (Potsdam); Bauinspektor Heinrich Manger (Potsdam); Kaufmann Ludwig Heinrich Marnitz (Belitz); Kriegs- und Domänenrat Ludolph Dietrich Marquard (Berlin); Fabrikenkommissar August v. Marquard (Eberswalde?); Kriegsrat v. quardt (Potsdam); Kaufmann Maaßen Mar­ (Lands­ berg a.  d. Warthe); Tischlermeister Fried­ r ich Matthés (Potsdam); Syndikus Eh­ ren­ fried Benjamin Maurer (Brandenburg); Stadtphysikus Johann Christian Friedrich Immanuel Meier (Rathenau); Kaufmann und Fabrikant Wilhelm Metzel (Potsdam); Kriegs-, Domänen- und Forstrat Christian Friedrich Meyer (Brockhausen bei Unna); Karl Friedrich Titus v. Möllendorf (Wudeke bei Rathenow); Erb-, Lehn- und Gerichtsherr Friedrich Ludwig Frhr. v. Monteton (Priort); Direktor Johann Mützel (Potsdam); Kaufmann Johann Gottlob Nathusius (Magdeburg und Hundisburg); Lieutenant (Karl oder Johann Friedrich Wilhelm?) Neander (v. Petersheiden) (Berlin); Ratsmann Johann Gottfried Neumann (Brandenburg); Amtmann Neumann (Uiz); Kammerrat Carl August Nicolai (Berlin); Justizrat Daniel Heinrich Noeldechen (Neuruppin); Kammerreferendar George Philipp Heinrich Noeldechen (Berlin); Oberjäger Gottlieb Ollberg (Potsdam); Hauptmann Heinrich Ferdinand v. Oppen (Fredersdorf im Sächs. Ruhrkreis); Inspektor und Güterverwalter Franz August Otzel (Potsdam); Landrat Albrecht Wilhelm v. Pannwitz; Justizamtmann Johann Carl Pappelbaum (Potsdam); Postfiscal Johann Carl Friedrich Pfüzer (Brandenburg); Justizamtmann Samuel Friedrich Polchow (Saarmund und Lehnin); Amtskammerrat und Domänenpächter Georg Friedrich v. Raumer (Wörlitz); Ritterschaftsdirektor Wilhelm Leopold v. Retzow (Ruhlsdorf); Regimentsquartiermeister Johann Ernst

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

Heinrich Ribbach (Potsdam); Pastor Paul Ernst Ribbach (Zossen); Oberhofbauinspektor Johann Rudolph Heinrich Richter (Potsdam); Kunstgärtner Johann Heinrich Ritz (Potsdam); Kammerherr und Erbherr Friedrich Adolph v. Rochow (Stülpe bei Luckenwalde); Friedrich Eberhard v. Rochow (Reckahn, Halberstadt); Erb-, Lehn- und Gerichtsherr Friedrich Ehrenreich Adolf Ludwig v. Rochow (Jeserig); Ordensritter und Erbherr Friedrich Ludwig v. Rochow (Plessow); Erb-, Lehn- und Gerichtsherr Rochus v. Rochow (Golzow); Staats- und Kriegsminister Generalleutnant Friedrich Wilhelm v. Rohdich (Berlin); Gestütspferdearzt Rohlwetz (Neustadt/Dosse, später Straßburg i. U.); Obermedizinalassessor Valentin Rose d. J. (Berlin); Oberbergrat Friedrich Rothe (Berlin); Generallieutenant Ernst Philipp v. Rüchel (Potsdam); Nationalökonom Prof. Johann Christian Christoph Rüdiger (Halle); Prediger Stephan Rudolph (Crane bei Brandenburg); Oberamtmann Gottfried August Ruft (Lehnin); Oberamtsrat Sach (Königshorst); Hofgärtner Friedrich Zacharias Salzmann (Potsdam); Stuckateur Constanz Sartori (Potsdam); Landrat Franz Friedrich Christian Schierstedt (Görtzke bei Ziesar); Erb-, Lehn- und Gerichtsherr Friedrich Heinrich Wilhelm Carl Ernst Graf v. Schlabrendorf (Gröben); Prediger Karl Gottfried Schlee­ müller (Berlin); Oberamtmann Schlieck­mann (Ziesar); Postdirektor Gottlieb Schlinke (Potsdam); Hofmarschall Carl Ernst Graf v. Schlippenbach (Groß-Ziethen); Prof. Valentin Heinrich Schmidt (Berlin); Kanzleisekretär Friedrich Christian Schnackenberg (Berlin); Stadtgerichtsreferendar Valentin Schnackenburg (Berlin); Ratsdirektor Carl Schnieber (Liegnitz); Prediger Johann Friedrich Schröder (Boeke bei Ziesar); Oberkammerpräsident Friedrich Leopold Frhr. v. Schröt­ter (Königsberg); Geheimsekretär Christian Friedrich Schulz (Berlin); Garteninspektor Johann Gottlob Schul(t)ze (Potsdam-Sanssouci); Justiz-Commissionsrat Johann Friedrich Schulze (Calbe); Justizrat Karl

Ludwig Schulze; v. Seidlitz (Seydlitz) (Berlin, später Ritterschaftsrat zu Potsdam); Oberamtmann Johann Christian Selchow (Fahrland); Hofplanteur Wilhelm Sello (Potsdam); Prediger Heinrich Christoph Siebmann (Dechtow bei Fehrbellin); Major Friedrich Christian Sobbe; Amtmann Sonnenburg (Möser bei Brandenburg); Schmiedemeister Samuel Stargardt (Wildenbruch); Hofrat Constanz Leopold Ludwig Steffeck (Berlin); Kriegs- und Domänenrat Samuel Friedrich Stein (Glienicke, Potsdam); Hofgärtner Johann George Steinert (Potsdam); Justizrat Strube (Prenzlow); Staatsminister Carl August v. Struensee (Berlin); Kriegs- und Domänenrat Carl Wilhelm Sturm (Berlin); Erbherr Friedrich Ernst v. Thümen (Stangenhagen); Stallmeister Thümmel (Berlin); Regierungsrat Wilhelm v. Türck (Potsdam); Ober-Amtmann Johann Conrad Treplin (Saarmund); Amtmann Uebel (Paretz); Buchhändler und Buchdrucker Johann Friedrich Unger (Berlin); Ratszimmermeister und Stadtverordneter Johann Christoph Vogel (Potsdam); Staatsminister Otto Carl Friedrich v. Voß (Berlin); Hofkammerrat Warmholz (Alvensleben); Bürger- und Maurermeister Heinrich Warnholz (Potsdam); Kriegs- und Steuerrat Christoph Wilhelm v. Werdeck (Potsdam); Justizassessor Carl Friedrich Wiesiger (Treuenbrietzen); Erb-, Lehn- und Gerichtsherr Christian Ludwig v. Winnig (Groß Glienicke); Amtmann Wolf (Zeestow); Gastwirt Zechlin (Dürotz [Dyrotz/Wustermark]); Erb-Lehn- und Gerichtsherr v. Zielow (Dahlewitz bei Potsdam); Landrat v. Zieten (Wustrau); Oberkonsistorialrat Johann Friedrich Zöllner (Berlin). – c) Korrespondierende und Ehrenmitglieder (Auswahl) (Liste u. Mitarb. v. U. Motschmann): Der Direktor der physikal. Klasse der Akademie der Wissenschaften zu Berlin Franz Carl Achard (Berlin); Hofrat Heinrich Alverdes; Prediger und Naturforscher Johann Christoph Friedrich Bährens (Schwerte); Kunstgärtner Joseph Bernweiler); Forstinspektor hard Baumann (Boll­ Becker (Rövershagen); Prof. Johann Gottlieb 107

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Beseke (Mietau); Hauptmann v. Beust (Minden); Astronom Johann Elert Bode (Berlin); Oberforstmeister Friedrich August Ludwig v. Burgsdorf; Adelbert v. Chamisso; Kommissarius Centner (Philadelphia); Pfarrer Johann Ludwig Christ (Kronberg/Taunus); der Präsident der Societät der Wissenschaften Humphry Davy (London); Botaniker René Desfontaines; Brunnenarzt und Pomologe August Friedrich Adrian Diel (Ems); Prof. Johann Wolfgang Döbereiner (Jena); Fürst Dolgorucki (aus Russland zu Berlin); Erbpächter David Dortsche (Neutöplitz); Erbpächter Emanuel Dortsche (Neutöplitz); Gräfl. SchaumburgLippischer Hofrat und Leibarzt Bernhard Christian Faust (Bückeburg); Dr. der Arzneikunde und EM der Leipziger Ökon. Gesell. Friedrich Gotthilf Friese (Breslau); Hofgärtner David Garmatter (Paretz); Negociant Johann Christian Gerning (Frankfurt a. M.); Generalmajor Levin v. Geusau (Berlin); Johann Wolfgang v. Goethe (vgl. Brief Goethes an die MÖG, Goethes Werke (Weimarer Ausgabe), IV. Abt. Briefe, Bd.  34 (1905), S.  93–94, Nr. 87); Prof. Johann Christian Gotthard (Erfurt); Präpositus Christian Wilhelm Hacken (Stolpe); Fabrikant Johann Lorenz Haf (Berlin); Prof. Carl Renatus Haufen (Frankfurt/ Oder); Botaniker Johannes Hedwig (Leipzig); Prediger Johann Friedrich Wilhelm Herbst (Berlin); Prediger Christian Gottfried Hülfen (Stechow); Alexander v. Humboldt (Berlin); Botaniker Jacquin (Nikolaus Joseph Frhr. v. J. oder dessen Sohn Joseph Franz v. J.?); Botaniker Antoine Laurent de Jussieu; Landrat Karl Sigismund v. Kal(c)kreuth (Arensdorf/Neumark); Prof. Franz Christian Lorenz Karsten (Rostock); Prof. Christoph Knape (Berlin); Landrat Andreas Leonhard Köhn v. Jasky (Wittigwalde in Ostpreußen); Prediger Christian Kramm (Retzow); Oberforstmeister Carl Philipp v. Kropf (Berlin); Johann Georg Krünitz (Berlin); Regierungs- und Kammerpräsident Carl Friedrich v. Kruse (Wiesbaden); Bürger Lasteyrie (= Comte Charles Philibert Lasteyrie du Saillant) (Paris); Prof. Friedrich 108

Leonhardi (Leipzig); Prof. Justus Liebig (Gießen); Anton Alexander Graf v. Magnis (Eckersdorf/Niederschlesien); Regierungsrat und Direktor des Botanischen Gartens in Mannheim und Direktor der Physikal. Ökonom. Gesell. Heidelberg Friedrich Casimir Medicus (Heidelberg / Mannheim); Staatswirtschaftsprofessor Ludwig Wallrath Medicus (Mannheim); Lieutenant Meinert (Potsdam); Prediger Johann Samuel Meß (Schmerge); Buchhalter Carl Wilhelm Meyer (Berlin); Hofapotheker Johann Carl Friedrich Meyer (Stettin); Herr v. Meyersbach (Oehringen); Prof. Eilhard Mitscherlich (Berlin); Esqu. Friedrich August Mühlenberg (Philadelphia); Oberforstmeister Friedrich August Müller (Bromberg); Baumschulbesitzer Nathusius (Magdeburg); Botaniker Christian Gottfried Daniel Nees v. Esenbeck; Bauinspektor August Wilhelm Neidhardt v. Gneisenau (Breslau) (der Vater des Generalfeldmarschalls); Amtmann Christian Gebhard Nordmann (Poet­nitz); Prof. der Arzneiwissenschaft Bernhard Christian Otto (Frankfurt/Oder); Neumärk. Kriegsund Domänenrat Ludwig Friedrich Pappritz; Obermedizinalrat Jakob Philipp Pelisson (Berlin); Prediger Benjamin Georg Peßler (Vechelde bei Braunschweig); Oberforstrat Dr. Wilhelm Pfeil (Berlin); Prediger Johann Christian Ramdo(h)r (Großschierstedt bei Aschersleben); Kriegsrat George Eberhard Frhr. v. d. Reck (Marienwerder); Gustav v. Rehbinder Graf zu Reval (Reval in Liefland); Prediger Johann Samuel Richter (Anhalt in Schlesien); Erb-, Lehn- und Gerichtsherr Johann Wilhelm Rieben (Kettwitz bei Pirna); Bergassessor Benjamin Jeremias Richter (Berlin); Beständiger Sekretär der Leipziger ökonomischen Sozietät Johann Riem (Dresden); Prediger Rohrlak (Bochow); Direktor Rückert (Wien); Apotheker Peter Salzwedel (Frankfurt a. M.); Dorfschulze Johann Christoph Sasse (Dabendorf bei Zossen); Preuß. Konsul zu Marseille François Sauvage (Marseille); Prediger Samuel Peter Schaub (in den Bierhäusern bei Potsdam); Kriegsrat Johann George

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

Scheffner (Eberswalde); Rektor und Prof. Jo- Kammerkalkulator Friedrich Albert Zimmerhann Ephraim Scheibel (Breslau); Kriegsrat mann (Breslau). Georg v. Schenkendorf (Tilsit); Herzog Friedrich Karl Ludwig v. Schleswig-Holstein-Son- Querverweise auf andere Vereine: Neben derburg-Beck (Lindenau/Ostpr.); Prediger der personalen Verankerung im Netz der o. g. Friedrich Wilhelm Schliepstein (Herzogswalda – weit über 200 seit 1723 in Europa und Amei. Pr.); Oberstlieutenant v. Schmeller (Braun­ rika entstandenen – gemeinnützigen patriotischweig); Prediger Christian Zacharias Schmidt schen Gesellschaften unterhielten die Mitglie(Kottbus); Hauptbankobuchhalter Schnaken- der der MÖG eine umfangreiche Korresponberg (Berlin); Pfarrer Ludwig Heinrich Schön- denz auch mit entfernt beheimateten Sozietäfeld (Wendelsheim); Prof. Dr. Schübler (Tü- ten. Dazu gehörte auch die Übersendung von bingen); Geh. Oberfinanz-, Kriegs- und Do- Schrifttum, v. a. Periodika, die andere Sozietämänenrat Johann Friedrich v. Schütz (Schwedt); ten veröffentlichten. Auswahlweise seien unter Pastor Johann Moritz Schwager (Jöllenbeck); den eingegangenen Geschenken, mit denen Direktor v. Schwerz (Hohenheim); Prediger immer auch eine veröffentlichte ErfahrungsJohann Christian Bernhard Senberth (Klop- weitergabe dieser Gesellschaften verbunden penheim bei Wiesbaden); Baron Iean Sinclair, war, genannt: Acta der Ostpreußisch-MohrungiPrésident aux Seigneurs Commissaires du Bu- schen Gesellschaft 1tes Heft, Königsberg 1792; reau Britannique d’agriculture (London); Pas- Staatswirthschaftliche Vorlesungen der kurpfälzitor Johann Ernst Spitzner (Trebitz in Sachsen); schen physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Prof. Georg Stumpf (Greifswald); Hofrat und Heidelberg. 1ster Band. 1. und 2ter Abschnitt, Staatswirtschaftsprofessor George Adolph Mannheim 1791; Vorlesungen der kurpfälz. Suckow (Mannheim); Albrecht Thaer (Mög- physikalisch-ökonomischen Gesellschaft. 1ster lin); Prediger Thiele (Rathstock); Botaniker bis 5. Band, Mannheim 1785–91; Der freiAndré Thouin; Prof. der Naturlehre Johann en ökonomischen Gesellschaft zu St. Petersburg Daniel Titius (Wittenberg); Botaniker Leo- Auswahl ökonomischer Abhandlungen in teutpold Trattinnick (Österreich); Johann Bartho- scher Sprache, 4 Bände, St. Petersburg 1790– lomäus Trommsdorff (Erfurt); Kaufmann Si- 93; schließlich Anzeigen der Churfürstl. Sächs. mon Peter Turk (Elminghausen); Beamter der Leipziger ökonomischen Societät, 2 Hefte 1792 Deutsch-Ordens-Commende Johann Ludwig und 93 (vgl. Zum Besten der Gesellschaft eingeTürke (Burgau?); Kommissar Christian Ungar gangene Geschenke, in: Annalen, (1794), Bd. 1, (Krotoszyn in Südpr.); Oberpräsident Fried- H. 3, S. 151 f.). Umgekehrt wurde auswärtiges rich Ludwig Wilhelm Philipp v. Vincke Schrifttum auch genau rezipiert, denn Ro(Münster); Herzogl. Sachs.-Weimar. Rat chow berichtet: „Zum erstenmale ist unseChristian Daniel Voß (Weimar); Feldprediger rer Märkischen Annalen öffentlich mit AchSamuel Christoph Wagener (Rathenau); Dorf- tung und Beyfall gedacht in dem Buche“: Die schulze Christian Walter (Ahrensdorf bei Saar- ersten Gründe der Landwirthschaft, sofern sie in mund); Churfürstl. Rat Georg Friedrich Deutschland anwendbar sind. Zum Gebrauch Wehrs (Hannover); Domprediger Werkenthin akademischer Vorlesungen aufgesetzt, von Franz (Stendal); Pfarrer Johann Ernst Werner (Röda Christian Lorenz Karsten, Herzogl. Mecklenbei Erfurt); Bergkommissar Johann Friedrich burgischem Professor der Oekonomie zu RosWestrumb (Hameln); Kaufmann William Wil- tock. Berlin und Leipzig, bey Friedrich Nimerding (Philadelphia); Staatsminister Johann colai, 1795 (Rochow: Vermischte Nachrichten, Christoph v. Woell­ner (Heiligengrabe); Arthur in: Annalen, (1795), Bd. 2, H. 2, S. 140 f.). AlYoung (Esq. zu London); Direktor der Universi- lein die noch ausstehende differenzierte Austät Breslau Anton Michael Zeplichal (Breslau); wertung der im o. g. Verzeichnis der Biblio109

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

theksbestände der MÖG 1828 angeführten Titel – genannt sei hier nur die Rubrik Schriftsammlungen und Zeitschriften (§ 103) mit immerhin 87 Titeln – erzeugt eine Vorstellung, dass der Schriftenaustausch zu den prägenden Merkmalen des Beziehungsnetzes zu deutschen, europäischen und amerikanischen Personen und Sozietäten zählte. – Schließlich soll ein Beispiel für Mehrfachmitgliedschaften benannt werden: ein früher Multifunktionär gelehrter und gemeinnütziger Geselligkeit war Friedrich August Ludwig v. Burgsdorf (1747–1802). Er war nicht nur Mitglied zweier Akademien der Wissenschaften in Berlin und Mainz, sondern zugleich auch Mitglied in acht weiteren Gesellschaften in Berlin, St. Petersburg, Frankfurt, Celle, in Halle, Heidelberg und Leipzig, aber auch der Ackerbaugesellschaft der französischen Nation (vgl. Mitgliederliste, in: Annalen, (1792), Bd. 1, H. 1, S. 14). Seine Vernetzung versinnbildlicht zugleich die Brücke von gelehrten und gemeinnützigen Gesellschaften, deren Verhältnis zumindest aus der konkreten Fallperspektive dynamisch und weniger auf Grenzziehung hin angelegt war. Das Beispiel von Burgsdorf zeigt, dass gelehrtes Wissen in den Akademien ganz offensichtlich nicht auf die Kenntnisnahme gemeinnütziger Wissens­produktion in den ökonomischen Gesellschaften verzichten konnte; eben, um am Leben angesiedelte Fragen der Wissenschaft zu diskutieren. Aber auch umgekehrt wurden aus den Akademien heraus ganz unmittelbar gemeinnützige Projekte z. B. über Preisfragen initiiert, die wiederum den Fragehorizont in den ökonomischen Gesellschaften bereicherten. – Mehrere Mitglieder der MÖG (u.  a. Rochow, Burgsdorf, Zeplichal, Germershausen, D. B. C. Otto, Hermbstaedt) waren auch in der  Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin aktiv. Bibliographie: a) Quellen: Annalen der Märkischen Oekonomischen Gesellschaft zu Potsdam. Potsdam, Bd. 1: 1794 (Heft 1: 1792; Heft 2: 1793; Heft 3: 1794); Bd. 2: 1796 (Heft 110

1: 1795, Heft 2: 1795; Heft 3: 1796); Bd. 3: 1802 (Heft 1: 1797; Heft 2: 1798; Heft 3: 1800; Heft 4: 1800; Heft 5: 1801). Darin: [chronologisch]: Statuten der Märkischen Oekonomischen Gesellschaft zu Potsdam. In: Annalen, (1792), Bd. 1, H. 1, S. 1–8; Mitgliederliste. In: Annalen, (1792), Bd.  1, H.  1, S. 9–16; Rochow: Erste Rede, gehalten in der Churmärkischen ökonomischen Gesellschaft in Potsdam, am 7. Febr[uar] 1792. In: Annalen, (1792), Bd. 1, H. 1, S. 33–45; Die zweite allgemeine Versammlung der Mitglieder der Märk. Oekonomischen Gesellschaft v. 8. Mai 1792. In: Annalen, (1792) Bd. 1, H. 1, S. 83– 91; Zum Besten der Gesellschaft eingegangene Geschenke. In: Annalen, (1792), Bd. 1, H. 1, S. 168–171; Fortsetzung Mitgliederliste. In: Annalen, (1793), Bd. 1, H. 2, S. V–VII; Verhandlungen der Ökonomischen Gesellschaft. In: Annalen, (1793), Bd.  1, H.  2, S. VIII–XVI; Fortsetzung Mitgliederliste. In: Annalen, (1794), Bd.  1, H.  3, S.  XIII–XIV; Preis-Ertheilung. In: Annalen, (1794), Bd. 1, H. 3, S. XXII–XXV; Zum Besten der Gesellschaft eingegangene Geschenke. In: Annalen, (1794), Bd.  1, H.  3, S.  150–152; Rochow: Vermischte Nachrichten. In: Annalen, (1795), Bd. 2, H. 2, S. 139–141; Avertissment. In: Annalen, (1801), Bd. 3, H. 5, S. 129–130. – Gemeinnütziges Volksblatt der Märkischen Oekonomischen Gesellschaft zu Potsdam. Potsdam, Jg. 1 (1798) – Jg. 6 (1803) [dieser Titel ab Juli 1798; davor kurz „Märkisches Volksblatt“]. – Küster, A[lbert]: Die Königlich Märkische ökonomische Gesellschaft als landwirthschaftlicher Provinzial-Verein für die Mark Brandenburg und die Nieder-Lausitz. Festschrift zu der am 31. August 1891 zu Potsdam stattfindenden Feier des 100. StiftungsJahrestages der Gesellschaft. I. Teil. Berlin 1891. – Monatsblatt der Kgl. preußischen märkischen ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam. Potsdam, Jg. 1822–1843. – Riem, [Johann] (Hg.): Arndtisch-Riemisches Ackersystem: oder unsere Feldbestellung zu einträglicherem Ackerbau mit mehrscharigen Pflü-

2.4  Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam [MÖG]

gen. Leipzig 1794. – Verzeichnis der Bibliothek der Königl[ichen] märk[ischen] ökonomischen Gesellschaft in Potsdam. Potsdam 1821. 2. Aufl., Potsdam 1823. – Dass. [Potsdam] 1828. – b) Forschungsliteratur: Braun, Hans-Joachim: Die Sozietäten in Leipzig und Karlsruhe als Vermittler englischer ökonomisch-technischer Innovationen. In: Vierhaus, Rudolf (Hg.): Deutsche patriotische Gesellschaften (a. a. O.), S. 241–254. – Böning, Holger: Popularaufklärung – Volksaufklärung. In: Dülmen, Richard van / Rauschenbach, Sina (Hg.): Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft. Köln u.  a. 2004, S. 563–581. – Brunt, Liam: Mechanical Innovation in the Industrial Revolution: the case of Plough Design. In: Economic History Review 56 (2003) 3, S. 444–477. – Dülmen, Richard van: Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland. Frankfurt/ Main (1986), Neuausgabe 1996. – Eichler, Helga: Die Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam um 1800. In: Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte, N.F., (1993), Bd. 3, H. 2, S. 193–227. – Eichler, Helga: Pädagogische Bestrebungen in der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam um 1795. In: Hahn, PeterMichael / Hübener, Kristina / Schoeps, Julius H. (Hg.): Potsdam. Märkische Kleinstadt – europäische Residenz. Reminiszenzen einer eintausendjährigen Geschichte. Potsdam 1995, S. 195–205 (= Potsdamer Historische Studien; Bd. 1). – Im Hof, Ulrich: Das gesellige Jahrhundert. Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufklärung. München 1982, S. 259–263. – Kopitzsch, Franklin: Die Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe (Patriotische Gesellschaft von 1765) im Zeitalter der Aufklärung. Ein Überblick. In: Vierhaus, Rudolf (Hg.): Deutsche patriotische Gesellschaften (a. a. O.), S. 71–118. – Müller, Hans-Heinrich: Akademie und Wirtschaft im 18. Jahrhundert. Agrarökonomische Preisaufgaben und Preis-

schriften der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Versuch, Tendenzen und Überblick). Berlin 1975. – Niemeck, Bettina: Die Anfänge agrartechnischer Diskussionen in der gemeinnützig-ökonomischen Literatur und Publizistik des 18. Jahrhunderts. In: „Nützliche Künste“. Kultur- und Sozialgeschichte der Technik im 18. Jahrhundert. Münster u. a. 1999, S. 81–95 (= Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt; Bd. 13). – Popplow, Marcus (Hg.): Landschaften agrarisch-ökonomischen Wissens. Strategien innovativer Ressourcennutzung in Zeitschriften und Sozietäten des 18. Jahrhunderts. Münster u. a. 2010 (= Cottbusser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt; Bd. 30). – Schlögl, Rudolf: Die patriotischgemeinnützigen Gesellschaften: Organisation, Sozialstruktur, Tätigkeitsfelder. In: Reinalter, Helmut (Hg.): Aufklärungsgesellschaften. Frankfurt a. M. u. a. 1993, S. 61–81 (= Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“; Bd.  10). – Schmitt, Hanno  / Tosch, Frank (Hg.): Vernunft fürs Volk. Friedrich Eberhard von Rochow 1734–1805 im Aufbruch Preußens. Berlin 2001. – Schöne, Andreas: Die Leipziger Ökonomische Sozietät. In: Klingenberg, Anneliese u. a. (Hg.): Sächsische Aufklärung. Leipzig 2001, S. 73–91 (= Leipziger Studien zur Erforschung von regionenbezogenen Identifikationsprozessen; Bd. 7). – Schultze, Johannes: Die Märkische Ökonomische Gesellschaft. In: Ders.: Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte. Ausgewählte Aufsätze. Berlin 1964, S. 231–239 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin; Bd. 13). – Siegert, Reinhart: Der gemeinnützige Autor der Aufklärung im Spiegel der Paratexte. Mit einem Anhang: Die zitierten Paratexte im Wortlaut. In: Greiling, Werner / Schulz, Franziska (Hg.): Vom Autor zum Publikum. Kommunikation und Ideenzirkulation um 1800. Bremen 2010, S. 335–366 (= Presse und Geschichte – Neue Beiträge; Bd. 49). – Stuber, 111

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Martin u. a. (Hg.): Kartoffeln, Klee und kluge Presse und Geschichte – Neue Beiträge; Köpfe. Die Oekonomische und Gemeinnüt- Bd. 58; zugleich Philanthropismus und popuzige Gesellschaft des Kantons Bern OGG läre Aufklärung. Studien und Dokumente; (1759–2009). Bern, Stuttgart, Wien 2009. – Bd. 1). – Tosch, Frank: Zur Entdeckung von Tosch, Frank: „Beförderung der Nahrungsge- Kindheit und Jugend an Rochows philanthroschäfte“ und „Bildung des Menschen“ – pischer Musterschule in Reckahn. In: KulturFriedrich Eberhard von Rochow und die land Brandenburg e. V, Potsdam (Hg.): KindMärkische Ökonomische Gesellschaft zu heit in Brandenburg. Leipzig 2013, S. 30–39. – Potsdam. In: Schmitt, Hanno / Tosch, Frank Vierhaus, Rudolf (Hg.): Deutsche patriotische (Hg.): Vernunft fürs Volk (a. a. O.), S. 59–71. – und gemeinnützige Gesellschaften. München Tosch, Frank: Der Aufklärertypus Friedrich 1980 (= Wolfenbütteler Forschungen; Bd. 8). – Eberhard von Rochow und die Märkische Wimmer, Clemens Alexander: Die Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam. In: Ökonomische Gesellschaft (1791–1843). In: Schmitt, Hanno / Tosch, Frank (Hg.): Neue Haus der Brandenburgisch-Preußischen GeErgebnisse der Rochow-Forschung. Berlin schichte (HBPG) Potsdam (Hg.): Schön und 2009, S. 40–65 (= Bildungs- und kulturge- nützlich – aus Brandenburgs Kloster-, Schlossschichtliche Beiträge für Berlin und Branden- und Küchengärten. Berlin 2004, S. 166–174. – burg; Bd. 6). Erneut unter diesem Titel: In: Zaunstöck, Holger: Sozietätslandschaft und Popplow, Marcus (Hg.): Landschaften agra- Mitgliederstrukturen. Die mitteldeutschen risch-ökonomischen Wissens (a. a. O.), S. 155– Auf­klärungsgesellschaften im 18. Jahrhundert. 173. – Tosch, Frank: Programm, Praxis und Tübingen 1999 (= Hallesche Beiträge zur EuPersonen der Märkischen Ökonomischen ropäischen Aufklärung; Bd. 9). – Zaunstöck, Gesellschaft zu Potsdam um 1800: In: Schmitt, Holger / Meumann, Markus (Hg.): Sozietäten, Hanno / Greiling, Werner / Siegert, Reinhart Netzwerke, Kommunikation. Neue Forschun(Hg.): Die Entdeckung von Volk, Erziehung gen zur Vergesellschaftung im Jahrhundert der und Ökonomie im europäischen Netzwerk Aufklärung. Tübingen 2003 (= Hallesche Beider Aufklärung. Bremen 2011, S. 305–332 (= träge zur Europäischen Aufklärung; Bd. 21).

Frank Tosch

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2.5  Pädagogische Gesellschaft [PädG]

2.5 Pädagogische Gesellschaften Pädagogische Gesellschaft [PädG] Name: Pädagogische Gesellschaft. Gründung: 1792. Bestand: Es ist nicht bekannt, wie lange die Gesellschaft existierte; letzte ermittelte Erwähnung 1806. Sitz: Berlinisch-Köllnisches Gymnasium zum Grauen Kloster. Geschichte und Programmatik: Die PädG ist ein frühes Beispiel einer Schullehrergesellschaft zum Zweck der Fortbildung von Lehrern und angehenden Pädagogen einer einzelnen Schule. Die wenigen Kenntnisse über die PädG beruhen fast ausschließlich auf kurzen Erwähnungen in der zeitgenössischen Berlin-Literatur (Gädicke, S. 439– 440; Nicolai, S. 156; Rumpf, S. 507). Darin wird die Gründung einer Pädagogischen Gesellschaft im Jahr 1792 erwähnt. Wahrscheinlich entstand sie auf Initiative Friedrich Gedikes, dem 1792 in seiner Funktion als Direktor des Friedrich-Werderschen Gymnasiums auch die Seminaristen des Königlichen Seminariums für gelehrte Schulen unterstanden, deren Ausbildung der primäre Zweck der PädG war. Möglich wäre aber auch eine Beteiligung Anton Friedrich Büschings, des damaligen Direktors des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums, welches in der Folge Sitz und Versammlungsort der Gesellschaft wurde. Nach Büschings Tod im Mai 1793 übernimmt Gedike das Direktorat des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums, und mit ihm wechselt auch das Königliche Seminarium für gelehrte Schulen an diese Schule. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat Gedike auch die Leitung der PädG inne. Zweck der PädG war die praktische Aus- und Weiterbildung der Mitglieder des Königlichen Seminariums für gelehrte Schulen, in welchem angehende Pädagogen Erfahrungen im Schul- und Unterrichtsalltag sammeln konnten. Die PädG

sollte ein Forum zum Austausch über pädagogische Fragen wie auch zur Organisation des Schulalltags am Gymnasium sein, beispielsweise in Bezug auf „Disciplin, Lehrobjecte, Prüfungen, Censuren, Prämien, Strafen etc.“ (Gädicke, S. 440). Über die Umstände und den Zeitpunkt der Auflösung der PädG ist nichts Näheres bekannt. Sie muss aber mindestens bis in das Jahr 1806 bestanden haben (Gädicke, S. 439–440). Wahrscheinlich war sie auch noch im Jahr 1808 aktiv, da die Inhalte der in der Schulschrift von 1808 erwähnten Schulkonferenzen und Seminariumsarbeiten (Bellermann, 1808) fast wörtlich mit den bei Johann Christian Gädicke (Gädicke, S. 439–440) beschriebenen Inhalten der PädG übereinstimmen. Struktur und Organisation: Der Direktor des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums war zugleich auch der Direktor der PädG. Mitglieder waren sämtliche Lehrer des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums und der damit verbundenen Schulen sowie die Mitglieder des Königlichen Seminariums für gelehrte Schulen. Die Versammlungen fanden immer am ersten Montag im Monat statt. Bei diesen Treffen hielt der Reihe nach einer der Seminaristen einen pädagogischen Vortrag, welcher in den vorangegangenen Tagen bereits in schriftlicher Form unter den anderen Seminaristen zirkuliert hatte und von diesen mit Anmerkungen versehen worden war. Der Direktor sowie die anderen Lehrer gaben ihr Urteil im Anschluss an den Vortrag mündlich ab. Ein Beispiel eines Vortrags, die daraus entstehenden Diskussionen sowie deren Einfluss auf den Schulalltag findet sich in einer Schulschrift aus dem Jahr 1808: „Als vor einiger Zeit in einer unsrer monatlichen Konferenzen über Musik, und besonders über das Singen, als einen nothwendigen Gegenstand des öffentlichen Unterrichts, 113

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

ein Aufsatz vorgelesen wurde, so entstand in uns der lebhafte Wunsch, jene Kunst auf unsrer Anstalt allgemein geübt und ausgebildet zu sehen“ (Bellermann, 1808, S. 28). Tatsächlich begann man im März 1808 damit, zweimal wöchentlich Choräle u. Ä. mit den Schülern zu singen und in der Folge das Singen als Pflichtfach in den regulären Unterricht aufzunehmen. – In derselben Schulschrift von 1808 findet sich in Bezug auf den neuen außerordentlichen Lehrer C. F. Sternberg die Bemerkung, dass dieser „in dem letzten halben Jahre wöchentlich drei Stunden lehrte, um an unsern monatlichen Schulkonferenzen und Seminariumsarbeiten, an den übrigen zum Schulfach gehörigen Geschäften, an den Censuren, an den Versetzungs-Examinibus, Doktrinal- und Disciplinarverhandlungen etc. sogleich Antheil zu nehmen“ (Bellermann, 1808, S. 26). Dies kann als Beleg für die Qualität der Diskussionen in der PädG gelesen werden, zeigt aber vor allem die untrennbare Verflechtung von PädG und Berlinisch-Köllnischem Gymnasium. Mitglieder: a) Allgemeines: Zu den Mitgliedern der PädG gehörten sämtliche Lehrer und Seminaristen des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums zum Grauen Kloster sowie der damit verbundenen Berlinischen und Köllnischen Stadtschulen. Hinzu kamen Seminaristen des Seminariums für die gelehrten Schulen in Neu-Ost- und Südpreußen, welche ab 1802 meist für etwa ein Jahr dem BerlinischKöllnischen Gymnasium in Berlin angehörten. Unklar ist, ob auch einige Pröpste oder der Chordirektor, die mit dem Gymnasium und den Schulen in enger Beziehung standen, aber keine eigentlichen pädagogisches Stellen besetzten, zu der Gesellschaft gehörten. Die folgende Zusammenstellung der Mitglieder basiert auf den ein- bis zweimal jährlich erschienenen Schulschriften des Friedrichswerderschen und Friedrichsstädtischen Gymnasiums (1791–1793) und des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums (1794–1815). Darin sind 114

einzelne Lehrer und Seminaristen im Zusammenhang mit von ihnen gehaltenen Reden bei verschiedenen Schulveranstaltungen erwähnt sowie Ab- und Neuzugänge beim Lehrpersonal veröffentlicht. In einzelnen Schriften finden sich darüber hinaus Listen des gesamten zu diesem Zeitpunkt beschäftigten Lehrpersonals, zum Teil unter Angabe der Fächer und Lehrinhalte. Ergänzt wurde die Liste durch das Klosteralbum (Zelle, 1904), in welchem die Lehrer und Schüler des Berlinischen Gymnasiums von 1804 bis 1903 verzeichnet sind. Da das Datum der Auflösung der PädG nicht bekannt ist, ist es schwierig, die Zahl ihrer Mitglieder genau zu bestimmen. Sicher gehörten die Seminaristen ab 1792 bis 1806 sowie die Lehrer des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums und der damit verbundenen Schulen ab 1793 bis 1806 dazu. Für die Zusammenstellung der folgenden Liste wurde ein erweiterter Zeitraum von der Gründung der PädG bis zum Ende des Untersuchungszeitraums des Handbuchs gewählt. – b) Einzelmitglieder 1792–1815 (alphabetisch): Amberg, Johann/Th. (ao. Lehrer 1790–1821); Aldefeld, Joh. Ludw. (Lehrer am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium ab 16.5. 1814); Barby, Johann Heinrich Christian (Seminarist ab 1790/91); Barth (Bahrdt), Friedrich Wilhelm (Seminarist 1793/94–1794/95); Bartholdy, Christian (Seminarist ab 1793/94); Bartoldy, Georg Wilh. (Seminarist 1796 erw. bis Ostern 1797); Bauer, Johann Gottfried (Seminarist 1792/93 – Michaelis 1797); Becker, Karl Friedrich (Seminarist 1798/99–1805/06); Bellermann, Johann Joachim (Direktor des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums 1804 bis Michaelis 1828); Bernhardi, August Ferdinand (Seminarist 1790/91 bis Michaelis 1793); Bethke, C. F. (Seminarist Michaelis 1814 bis 1817); Boeckh, August (Seminarist 1806–1807); Bote (Seminarist bis 1796); Bouvier, F. L. (ao. Lehrer 1797–1823); Bredow, Gottfried Gabriel (Seminarist 1796 erw. bis Michaelis 1796); Breisig, J. (Seminarist bis 1808/09); Brohm, C. F. A. (Lehrer 1810–1817) [vermutlich identisch mit dem Folgenden]: Brohm, Karl Friedr.

2.5  Pädagogische Gesellschaft [PädG]

(Seminarist 1800/01 bis Michaelis 1803); Brunnemann, Karl Heinr. (Seminarist 1809/ 1810–1810/11); Bubliz, Karl Heinr. U. (Seminarist 1800/01–1801/02); Bucher, A. Leop. (Lehrer 1813 bis Ostern 1815); Bucky, N. (Lehrer ab März 1797; ao.Lehrer ab 1804); Burgund (Seminarist des Seminariums für die gelehrten Schulen in Neu-Ost- und Südpreußen 1801/02–1803/04); Büsching, Anton Friedrich (Direktor 1766 bis 28.5.1793); v. Czarnecki (Seminarist des Seminariums für die gelehrten Schulen in Neu-Ost- und Südpreußen 1802–1804/05); Delbrück, Johann Friedrich Ferdinand (Seminarist ab 1797; o. Lehrer 1804 erw. bis August/September 1809); v. Dluzniewski (Seminarist des Seminariums für die gelehrten Schulen in Neu-Ost- und Südpreußen 1804/05–1805/06); Droit (Doit), J. C. (ao. Lehrer 1796 erw.); Falbe, Gotthilf Samuel (Seminarist 1792/93 bis Michaelis 1793); v. Falcowski (Seminarist des Seminariums für die gelehrten Schulen in Neu-Ost- und Südpreußen 1803/04–1804/05); Fischer, Ernst Gottfried (o. Lehrer am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium und an der Berlinischen Schule 1782–1829); Frisch (Lehrer 1811 erw.); Gattermann, S. M. D. (o. Lehrer der Köllnischen Schule 1777–1822); Gedike, Friedrich (Direktor des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums 1793–1803); Giesebrecht, Karl Heinrich Ludwig (Seminarist 1803–1805; Lehrer 1812–1832); v. Godlewski (Seminarist des Seminariums für die gelehrten Schulen in NeuOst- und Südpreußen 1804/05–1805/06); Gölbe (Seminarist ab 1797/98); Gotthold, Friedrich August (Seminarist ab 1801; o. Lehrer der Köllnischen Schule 1804 bis Michaelis 1806); Habermaß, Gottfr. Heinr. Wilh. Karl (Seminarist 1806–1812); Hahn (Seminarist ab 1801/02); Harl, Johann Paul (ao. Gehilfe bis 1804/05); Hartung, Eberhard L. (Lehrer 1815– 1822); Hasselbach, Karl Friedrich Wilhelm (1801/02–1803/04); Heidemann, Theophilus (Seminarist 1792/93–1796); Heindorf, Johann Friedrich (Subrektor und Patron, später Prorektor des Berlinisch-Köllnischen Gymnasi-

ums 1769–1796); Heindorf, Ludwig Friedrich (Kollaborator 1796–1810); Heinecke (Heineke), C. (Seminarist bis 1804/05); Heinicke (Heinike), G. (ao. Lehrer 1796 erw.); Heinsius, Theodor (Lehrer 1801–1847); Heß, Johann Wilh. (Seminarist 1806/07–1807/08); Himmerlich (ao. Lehrer der Köllnischen Schule und Kollaborator 1796 erw.); Hoffmann (Hofmann), Carl Wilhelm (Seminarist ab 1797/98; Lehrer und Subrektor der Köllnischen Schule 1800/01–1803/04); Holthoff, W. (Seminarist 1804–1809); Horn, Franz (Seminarist 1803– 1805); Hünefeld, Joh. Heinr. Ludw. (Seminarist ab 1809/10); Ideler, Ludwig (ao. Lehrer erw. 1793/94 bis Michaelis 1812); Jahn, Friedrich Ludwig (Seminarist 1810–1812); Janzen, Joh. Heinr. (Seminarist 1800/01–1802/03); Kaiser, Karl Ferd. (Seminarist 1798/99–1799/ 1800); Kalau (Seminarist 1797–1798); Kannegiesser, Karl Friedrich Ludwig (Seminarist 1812); Keil, Karl Heinr. (Seminarist 1805/ 06 bis Neujahr 1807); Kinderling (Seminarist 1798/99–1801/02); Klette, J. Th. Fr. (Seminarist 1807/08–1808/09); Klose, Ernst Gottlob (Seminarist 1790/91–1792/93); Köpke, Friedrich Karl (Seminarist 1807–1808); Köpke, Georg Gustav Samuel (Seminarist ab 1793/94; Lehrer 1797–1837); Krüger (Seminarist 1796 erw.); Landschulz, D. J. (Seminarist ab 1801; Subrektor an der Köllnischen Schule 1806/07– 1811/12); Lange (Seminarist 1801/02 bis Neujahr 1804); Laurent (Lehrer Weihnachten 1814 bis Ostern 1815); Lehmann, J. G. (Seminarist 1812–1814); Leonini, J. (ao. Lehrer 1793/94 bis Ostern 1809); Levezow, Konrad (Seminarist 1797–1797/98); Liba, Daniel (Seminarist ab 1811; interimistischer Kollaborator 1813–1819); Lindau, Aug. Ferd. (Seminarist 1800/01–1804/05); Lindemann (Seminarist 1798/99–1800/01); Lindemann, Heinr. Ludw. Ernst (Seminarist 1809–1812); Lindes (Seminarist bis 1804/05); v. Maciejowski (Seminarist des Seminariums für die gelehrten Schulen in Neu-Ost- und Südpreußen 1801/02–1802); Madlinger (ao. Lehrer ab 1793/94); Mann, Fr. (Seminarist 1804–1809); Maréchaux, Samuel 115

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

(Lehrer am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium 30.4.1801–3.4.1814); Mat­ thisson, Karl (Seminarist 1809–1813; interimistischer Kollaborator 1813 bis Ostern 1815); Maurer, Ernst (Seminarist 1804/05–1805/06); Michelsen, Johann Andreas Christian (Lehrer am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium 2.12.1778  – 8.8.1797); Nachtigall, C. C. F. (Seminarist ab Ostern 1810); Niräse (Seminarist 1801/02– 1802/03); Noël (Lehrer 1813 bis Weihnachten 1814); OReilly (ao. Lehrer ab 1793/94); Passow, Franz (ao. Lehrer 1814–1815); Pfund, K. J. G. (Seminarist 1805–1808); Prox, Joh. Heinr. (Seminarist 1800/01–1801/02); Rambach, M. (Seminarist 1793 erw.; ao. Lehrer ab Michaelis 1793); Reuscher, Fr. (Seminarist für ein halbes Jahr 1810/11); Rhau (o. Lehrer an der Köllnischen Schule 1788–1800/1801); Ritschl, Georg Carl Benjamin (Seminarist ab 1805; Lehrer an der Köllnischen Schule 1807/08–1827); Saunier (Lehrer bis 1813); Schabe, J. F. (o. Lehrer 1793–1830); Schefner (ao. Lehrer an der Köllnischen Schule 1796 erw.); Schilbach (ao. Lehrer an der Köllnischen Schule 1796 erw.); Schleiermacher (Seminarist 1793/94–1794/95); Schmidt, Friedrich Wilhelm Valentin (Seminarist bis 1809; Kollaborator an der Köllnischen Schule 1809–1822); Schmidt, J. G. (Kollaborator und o. Lehrer an der Köllnischen Schule, 1796 erw.); Schmidt, Karl (Lehrer ab 1815); Schmidt, Heinrich Valentin (o. Lehrer an der Köllnischen Schule, 1796 erw.); Schmidt, K. Ph. (Seminarist 1812–1815); Schneider, Friedrich Konrad Leopold (Seminarist 1807– 1808/09); Schneider, Karl Aug. Ferd. (Seminarist 1808–1810); Schultze, Friedr. Siegm. (Lehrer 1815–1817); Schulz, Joh. Christian (Seminarist 1808/09–1810/11); Schulz, G. D. L. (Seminarist bis 1812; o. Lehrer am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium ab 1812); Schulz, Joh. Otto Leopold (Lehrer 1811–1826); Schwarz (Schwarze/Schwarzc), J. Frank Jak. (Seminarist ab 1811; interimistischer Kollaborator 1813– 1816); Seger, Joachim Julius Gottlob (Seminarist 1790/91–1792/93); Seidel, Günther Karl Friedrich (Seminarist bis 1792; o. Lehrer am 116

Berlinisch-Köllnischen Gymnasium und der Berlinischen Schule 1792 bis 09.04.1800); Seidel, Johann Friedrich (Konrektor am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium und an der Berlinischen Schule 1782–1822); Siebenhaar, Karl Friedr. Heinr. (Seminarist 1809–1809/10); Spalding, Georg Ludwig (o. Lehrer am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium und an der Berlinischen Schule 1787 bis 07.06.1811); Spalding, Johann Joachim (Propst, Konsistorial­ rat, Lehrer am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium, 1793 erw., bis 22.05.1804); Spiker, Samuel Heinrich (Königl. Bibliothekar und Lehrer 1812–1815); Spilleke, Gottlieb August (Seminarist 1798/99–1801/02); Stahn, J. G. (ao. Lehrer, Kollaborator, Lehrer an der Köllnischen Schule Ostern 1797 bis Ende 1807); Stein, Christian Gottlieb Daniel (Seminarist ab 1794; ao. Kollaborator 1797/98–1830); Steinberg, H. (ao. Lehrer 1796–1818); Sternberg, C. F. (ao. Mitglied des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums und der daran angeschlossenen Schulen 1807–1809); Stoephasius (Seminarist bis 1801/02); Stolze, Karl Wilhelm (Lehrer Ostern 1815 bis 1822); Süvern, Johann Wilhelm (Seminarist 1797 bis Ostern 1800); Szweikowski (Szweykowski) (Seminarist des Seminariums für die gelehrten Schulen in Neu-Ost- und Südpreußen 1802–1804/05); Thieme, Martin Heinrich (o. Lehrer an der Berlinischen Schule, später am Berli­ nischKöllnischen Gymnasium 2.12.1782 bis Ostern 1797); Tölken, E. H. (Lehrer 1815–1820); Wähner (Seminarist ab 1812; interimistischer Kollaborator 1813–1813/14); Wagner (Wagener), Georg (Seminarist 1809–1809/10); Walch, Georg Ludwig (Lehrer 1811–1825); Weißer, C. G. (ao. Lehrer ab 1810/11); Worbs, Joh. Aug. (Seminarist 1797–1797/98); Zernack, Joachim August Christian (Seminarist 1804/05–1805/06); v. Zawadzki (Seminarist des Seminariums für die gelehrten Schulen in Neu-Ost- und Südpreußen 1803/04–1805/06); Zernial (Seminarist ab 1812); Zesch, C. Fr. Leop. (Seminarist 1810/11–1812); Zeune, Johann August (Seminarist 1804–1805); Zim-

2.5  Pädagogische Gesellschaft [PädG]

mermann (ao. Lehrer bis 1796/97). – c) Unsichere Mitgliedschaft: Büsching, Johann Stephan Gottfried (Scholarch, 1810 erw.); Müller, Casimir Gottfried (Scholarch bis 1809/10); Hanstein, Gottfried August Ludwig (Oberkonsistorialrat/Propst ab 1804); Lehmann, J. G. (Chordirektor und ao. Lehrer, 1796 erw.); Ribbeck, Konrad Gottlieb (Oberkonsistorialrat/Propst 1804/05–1805); Teller, Wilhelm Abraham (Oberkonsistorialrat/Propst bis 8.12. 1804); Zöllner, Johann Friedrich (Oberkonsistorialrat/Propst bis 12.9.1804). Querverweise auf andere Vereine: Im Jahr 1813 wurde mit der  Berlinischen Schullehrergesellschaft eine übergreifende, nicht an den Arbeitszusammenhang einer einzelnen Schule gebundene Lehrervereinigung gegründet. Beziehungen zwischen dieser und der PädG, sofern diese 1813 noch existierte, sind nicht bekannt. Bei den Mitgliedern gibt es kaum Übereinstimmungen. – Der erste Direktor der PädG, Friedrich Gedike, war zugleich auch Mitglied im  Montagsclub und in der  Berliner Mittwochsgesellschaft (Gesellschaft von Freunden der Aufklärung); sein Nachfolger, Johann Joachim Bellermann, war Mitglied in der  Gesellschaft Naturforschender Freunde, in der  Philomatischen Gesellschaft, in der  Sing-Akademie und in der  Gesellschaft der Freunde der Humanität. Zwischen der PädG und der ca. vier Jahre später gegründeten Humanitätsgesellschaft gibt es besonders viele personelle Verbindungen. Gedikes Nachfolger im Amt des Direktors am Berlinisch-Köllnischen Gymnasium waren allesamt Mitglieder in der Humanitätsgesellschaft. Mit insgesamt 19 Pädagogen des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums zum Grauen Kloster, darunter zahlreiche ehemalige Seminaristen, kam eine ganze Berufsgruppe in die Humanitätsgesellschaft. Bibliographie: a) Schulschriften: Gedike, Friedrich: Einige Gedanken über die Ordnung und Folge der Gegenstände des jugend-

lichen Unterrichts. Womit zu der öffentlichen Prüfung welche auf dem vereinigten Friedrichswerderschen und Friedrichsstädtischen Gymnasium Mittwoch den 27ten April 1791 Vormittag von 8 und Nachmittag von 3 Uhr an veranstaltet werden soll, alle Beschützer, Gönner und Freunde des Schulwesens ehrerbietigst einladet. Berlin 1791. – Ders.: Einige Gedanken über deutsche Sprach- und Stilübungen auf Schulen. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] Mittwoch den 3ten April 1793 […] einladet. Berlin 1793. – Ders.: Nachtrag zu der Geschichte sowohl des Friedrichswerderschen als des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums. Womit zu seiner Einführung als Direktor des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums wie auch zu der durch die Streitsche Stiftung verordneten Gedächtnisfeier der Wohlthäter dieses Gymnasiums auf Freitag den 4. Oktober […] einladet. Berlin 1793. – Ders.: Nachricht von Siegismund Streit und seiner Stiftung für das Berlinische Gymnasium. Womit der von Streit verordneten jährlichen Gedächtnisfeier des Wohlthäters dieses Gymnasiums welche Mittwoch den 29. Oktb. 1794 Vormittags von 9 Uhr an im großen Hörsaal des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums angestellt werden soll, alle Beschützer, Gönner und Freunde des Schulwesens ehrerbietigst einladet. Berlin 1794. – Ders.: Rede bei Uebernehmung der Direktion des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1794. – Ders.: Erinnerung an Büschings Verdienste um das Berlinische Schulwesen. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1795. – Ders.: Rede bei der vorjährigen Gedächtnisfeier der Wohlthäter des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums. Womit zu der diesjährigen Feier […] einladet. Berlin 1795. – Ders.: Kurze Nachricht von der gegenwärtigen Einrichtung des BerlinischKölnischen Gymnasiums. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1796. – Ders.: Rede bei der diesjährigen Gedächtnisfeier der Wohlthäter des Berlinisch-Kölni117

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

schen Gymnasiums. Womit zu der diesjährigen Feier […] einladet. Berlin 1796. – Ders.: Zum Andenken des verstorbenen Professors Johann Friedrich Heindorf. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1797. – Ders.: Rede bei der vorjährigen Gedächtnisfeier der Wohlthäter des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums. Womit zu der diesjährigen Feier […] einladet. Berlin 1797. – Ders.: Zum Andenken des verstorbenen Professors M. Joh. Andr. Chr. Michelsen und des verstorbenen Prorektors Martin Heinrich Thieme. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1798. – Ders.: Rede bei der vorjährigen Gedächtnisfeier der Wohlthäter des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums. Womit zu der diesjährigen Feier […] einladet. Berlin 1798. – Ders.: Ueber den Begrif einer Bürgerschule. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1799. – Ders.: Rede bei der vorjährigen Gedächtnisfeier der Wohlthäter des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums. Womit zu der diesjährigen Feier […] einladet. Berlin 1799. – Ders.: Beantwortung der Frage: Haben wir zu wenige oder zu viele Schulen? Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1800. – Ders.: Rede bei der vorjährigen Gedächtnisfeier der Wohlthäter des Berlinisch-Kölnischen Gymnasiums. Womit zu der diesmaligen Feier […] einladet. Berlin 1801. – Ders.: Ueber die Hülfswörter und über die Tempora des Verbums. Ein Beitrag zur Philosophie der Sprache. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1801. – Ders.: Ueber den Begrif einer gelehrten Schule. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1802. – Ders.: Zwei Schulreden bei der Sekular-Feier der Preußischen Königswürde. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1803. – Bellermann, Johann Joachim: Einladung aller Beschützer, Gönner und Freunde des Schulwesens zu der öffentlichen Prüfung, welche auf dem Berlinisch-Köllnischen Gymnasium Montags den 26sten März 1804 […] und auf der Köllnischen Schule Mittwochs, den 118

28sten März 1804 […] gehalten werden soll. Mit der kurzen Nachricht von den Veränderungen auf dem Gymnasium in dem verflossenen Schuljahre, und der Rede bei der Uebernahme der Direktion des gedachten Gymnasiums von Johann Joachim Bellermann […]. Berlin 1804. – Ders.: Bemerkungen über den Anbau der Einbildungskraft und Phantasie, in pädagogischer Hinsicht. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1805. – Ders.: Versuch einer Erklärung der punischen Stellen im Pönulus des Plautus. Erstes Stück. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1806. – Ders.: Versuch einer Erklärung der punischen Stellen im Pönulus des Plautus. Zweites Stück. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1807. – Ders.: Versuch einer Erklärung der punischen Stellen im Pönulus des Plautus. Drittes Stück. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1808. – Ders.: Phoeniciae linguae vestigiorum in Melitensi Specimen I. Quo ad examen publicum […] invitat. Berlin 1809. – Ders.: De Phoenicum et Poenorum Inscriptionibus cum duarum explicationis periculo. Quo ad examen publicum […] invitat. Berlin 1810. – Ders.: Einige Nachrichten von dem jetzigen Zustande des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1811. – Ders.: Rede bei der vorigen Gedächtnißfeier der Wohlthäter des Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums, womit zu der diesjährigen Feier […] einladet. Berlin 1812. – Ders.: Bemerkungen über die phönizischen und punischen Münzen. Erstes Stück. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1812. – Ders.: Ueber den kunstvollen Plan im Buch Hiob, und drei Reden bei der Einweihung der neuen Köllnischen Lehrzimmer. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1813. – Ders.: Bemerkungen über die phönizischen und punischen Münzen. Zweites Stück. Womit zu der öffentlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1814. – Ders.: Bemerkungen über die phönizischen und punischen

2.5  Berlinische Schullehrergesellschaft [BSLG]

Münzen. Drittes Stück. Womit zu der öffent- mische durch die königl. Residenzstädte Berlichen Prüfung […] einladet. Berlin 1815. – b) lin und Potsdam […]. Berlin 1799. – Rumpf, Weitere Quellen: Gädicke, Johann Christi- Johann Daniel: Berlin und Potsdam. Eine an: Lexicon von Berlin und der umliegenden vollständige Darstellung der merkwürdigsten Gegend. Enthaltend alles Merkwürdige und Gegenstände. Erstes Bändchen. Berlin 1804. Wissenswerthe von dieser Königsstadt und de- – Zelle, Friedrich: Klosteralbum des 19. Jahrren Gegend. Ein Handbuch für Einheimische hunderts. Verzeichnis der Lehrer und Schüund Fremde. Berlin 1806, S. 439 f. – Nicolai, ler des Berlinischen Gymnasiums zum grauen Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einhei- Kloster 1804–1903. Berlin 1904.

Nina Alice Schuchardt / Uta Motschmann

Berlinische Schullehrergesellschaft [BSLG] Name: Berlinische Schullehrergesellschaft; auch: feste: 1814 Englisches Haus (Mohrenstraße Berlinische Schullehrer-Gesellschaft, Berlinischer 49); 1815–1821 Deutsches Haus (HausvogSchullehrer-Verein; ab 1837 Berlinischer Schul- teiplatz). – Reformationsfest: 1817 Loge zu lehrerverein für deutsches Volksschulwesen; nach den drei Weltkugeln; Gutenbergfest, Feier der Erfindung der Buchdruckerkunst: 1840 1840 Älterer Berliner Lehrerverein. Urania; Pestalozzi-Fest: 1845 und 1846 EngGründung: 6. Juli 1813. lisches Haus, Mohrenstraße 49; Schillerfeier: Auflösung: 1892. Sitz: Versammlungen bis 19.11.1813 in einem 1859 Arnims Lokal. Zimmer der Garnisonschule (Neue Friedrichsstraße 46); ab 26.11.1813 in einem Klas- Programmzitat: „Der Zweck der Gesellsenzimmer des Friedrich-Werderschen Gym- schaft im Allgemeinen ist folgender: Die Vernasiums; nach 1835 öffentliche Lokale, u. a. besserung des Schulwesens in ihrem Kreise Lokal des Vereins Urania (möglicherweise nach Kräften zu befördern; Eifer und Treue in das Gesellschaftstheater in der Kommandan- ihrem Amte und Berufe zu beleben; über die tenstraße); Günthersches Lokal (= ehemaliges Wahl der Lehrgegenstände und die GegenKempersches Lokal im Tiergarten); Lokal des stände selbst, so wie über die Art und WeiTivoli (am Kreuzberg); Wollanks Weinberg se, sie vorzutragen, d. h. über Lehrmethode (vor dem Rosenthaler Tor); Sommersches immer klarere Begriffe zu erhalten; die wahLokal (Potsdamer Str. 9); Café d’Holland (in re Schuldisciplin und überhaupt die Bedinder großen Friedrichstraße nahe den Linden); gungen einer Schule näher kennen zu lernen, Werderstraße (heute: Werderscher Markt); mit dem Geiste der Pädagogik fortzuschreiSchützenhaus (Linienstraße); Mehlhaus ten, und mit den wichtigsten Schriften der(heute: Museumsinsel); Concordia (Ressour- selben sich bekannt zu machen, so wie endce in der Lehmgasse); Stadtschullehrersemi- lich ihre Erfahrungen, Meinungen, Wünsche, nar (Oranienburger Straße); Englisches Haus Hoffnungen, Besorgnisse und Pläne schrift(Mohrenstraße 49); Liesens Garten und Lo- lich und mündlich sich mitzutheilen“ (§ 1 der kal (Chausseestraße beim Oranienburger auf den 6. Juli 1813 datierten Statuten). Tor); Teichmanns Blumengarten (Tiergartenstraße 21), Mielentz im Tiergarten; Schö- Geschichte und Programmatik: Die BSLG neberger Schloßbrauerei (Unter den Linden hat unter wechselnden Bezeichnungen über 8); Raehmel (Markgrafenstraße). – Stiftungs- das 19. Jahrhundert hinweg existiert und die 119

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Abb. 19  (Erstes) Protokoll-Buch der BSLG vom 6ten Juli 1813 bis 18ten Novbr 1814, 1–66 Versammlung, Einband.

Höhen und Tiefen der Lehrergeschichte erlebt. Im Kontext der preußischen Bildungsreformpolitik um Bernhard Christoph Ludwig Natorp entstanden, war sie anfangs regelrecht Avantgarde, in ihrer Hauptphase zwischen 1837 und 1849 eine Repräsentantin der Lehrerbewegung und nach einer Phase der versuchten Neuorientierung am Ende eine Art Auslaufmodell der frühen Lehrervereine mit Distanz zu den neuen Standesorganisationen (wie dem Deutschen oder auch dem Berliner Lehrerverein). Die BSLG hat zehn Protokollbücher mit handschriftlichen Protokollen der anfangs wöchentlichen, später monatlichen Versammlungen hinterlassen, die seine Arbeit im Zeitraum von 1813 bis 1892 dokumentieren. Lediglich für die Zeit zwischen 1875 und 1882 gibt es eine Lücke von sieben 120

Abb. 20  Faksimile des Gründungsprotokolls der BSLG.

2.5  Berlinische Schullehrergesellschaft [BSLG]

Jahren, ein Band fehlt. – Laut erstem Protokoll hatten sich am Abend des 6. Juli 1813 19 Schullehrer „in einem Saale“ der Königlichen Garnisonschule eingefunden, „um sich wegen Errichtung einer Schullehrer-Conferenz mit einander zu besprechen“. Sie waren einer Einladung des Brigadepredigers Dr. Friedrich Theodor Mann gefolgt, der die Prediger Berlins um die Entsendung von Schuldeputierten ihrer Parochie gebeten hatte. Die Vorgeschichte hat mit Bestrebungen zur Verbesserung des Elementarschulwesens zu tun, die im Rahmen der preußischen Bildungsreform ab 1808 forciert worden waren. Bernhard Christoph Ludwig Natorp, 1809 aus Westfalen als Schulrat in die kurmärkische Regierung berufen, hatte auf seinen Inspektionsreisen durch die Schulen der Provinz „fast keinen gebildeten Schulmeister“ angetroffen, wie er seinem Freund Gottschalk Diederich Bädeker schrieb. Fortan setzte er sich für die Gründung von Lehrerkonferenzgesellschaften ein, in denen er ein Mittel zur Fortbildung der zwar amtierenden, aber kaum ausgebildeten Lehrer sah. Dass bis zum Ende seiner Amtszeit 1816 im Brandenburgischen nachweislich 103 Schullehrerkonferenzgesellschaften entstanden, ist größtenteils auf seinen Einfluss zurückzuführen. In Statuten und Organisation folgten diese Vereine häufig jenen Mustern, die Natorp 1811 in seinem Briefwechsel einiger Schullehrer und Schulfreunde beschrieben hatte. – Natorp, für Berlin eigentlich nicht zuständig, hatte sich 1813 mit dem Berliner Oberkonsistorialrat Johann Wilhelm Heinrich Nolte in Verbindung gesetzt und die Gründung solcher Schullehrerkonferenzgesellschaften auch für die preußische Hauptstadt angeregt. Er schrieb, dass er von einer Vereinigung von Lehrern um die Berliner Prediger Marot und Wilmsen erfahren hätte, was man zum Anlass nehmen könne, um mehr dergleichen in Berlin zustande zu bringen. Die daraufhin von Nolte befragten Superintendenten reagierten distanziert und führten für Berlin eigentümliche Schwierigkeiten ins Feld. Die Verhältnisse in Berlin sei-

en andere. Was im Ländlichen wohl nützlich sei, sei in der Hauptstadt eigentlich nicht notwendig. Die BSLG ist gleichwohl zustande gekommen. Ganz von der Hand zu weisen waren die Bemerkungen der Superintendenten freilich nicht. – Im Vergleich mit anderen, insbesondere ländlichen Lehrerkonferenzgesellschaften (in denen die Lehrer auch Aufsätze schrieben, die in einem Circularbuch herumgingen und von den Geistlichen des jeweiligen Amtsbezirks kommentiert wurden), bildete die BSLG durch ihre lokale Einbindung in die preußische Hauptstadt sowie im Selbstverständnis einen durchaus exklusiven städtischen Bildungszirkel – obwohl sie in den ersten Jahren mehrheitlich der Fortbildung von Elementarschullehrern diente, ähnlich wie der von den Pestalozzijüngern Johann Wilhelm Matthias Henning und Christian Wilhelm Harnisch 1814 in Breslau gegründete Breslauer Schullehrerverein. Obwohl später gegründet als die Lehrervereine in den Freien Städten Hamburg und Lübeck, gehört die BSLG mit zu den ältesten städtischen Lehrervereinen des 19. Jahrhunderts in Deutschland. In Hamburg existierte seit 1805 die Gesellschaft der Freun-

de des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens, in Lübeck seit 1809 der Lübecker Lehrerverein. In anderen Städten gründeten sich Lehrervereine mit vergleichbarer Entwicklung erst später, 1821 z. B. in Nürnberg und 1846 in Leipzig. – Für die Zeit vor 1800 sind für Berlin zeitlich begrenzte Schullehrergesellschaften an einzelnen Schulen zum Zweck der Ausbildung von Gehilfen oder zur Fortbildung von Lehrern einer Schule oder einer Parochie überliefert, so die von Johann Julius Hecker, dem Gründer der Berliner Realschule, bereits um 1748 für seine Lehrer und Seminaristen einberufenen Konferenzen oder die 1792 am Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster gegründete  Pädagogische Gesellschaft. Von sogenannten „freien“, nicht an den Arbeitszusammenhang einzelner Schulen gebundenen Konferenzen weiß die Überlieferung nichts Genaues zu berichten. 1810 oder 121

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1811 soll Friedrich Theodor Mann, jener Prediger, der 1813 die Gründungskonferenz der BSLG einberufen hatte, schon einmal eine freie Vereinigung zum Zweck der Weiterbildung für Lehrer gegründet haben. Für die gleiche Zeit gibt es den Hinweis auf einen ähnlichen Verein um den Parochialschullehrer Michaelis, der wohl nur wenig Erfolg hatte. Schließlich taucht die von Natorp erwähnte Lehrervereinigung um die Prediger Marot und Wilmsen in Berlin (siehe oben) in den Akten unter dem Aktentitel „Verein für deutsche Volksschulen/Verein für Schulfreunde“ auf. Darüber hinaus scheint archivalisch nichts überliefert zu sein. Das Amtsblatt der königlich churmärkischen Regierung berichtete 1812 von dieser pädagogischen Konferenz- und Lesegesellschaft, sie bestehe aus 24 Mitgliedern (Schullehrern und Schulamtspräparanden) und sei von dem Superintendenten Gillet ins Leben gerufen worden. Laut C. A. L. Pretzel (1921) soll sie mehrere Jahre neben der BSLG bestanden haben. Eine Verbindung zwischen den beiden ist nicht nachweisbar. Die ersten Monate der BSLG waren die intensivsten ihrer Geschichte. Man traf sich wöchentlich am Freitag zu zweistündigen Versammlungen, die anfangs von Prediger Mann, dann von Carl Friedrich Wilhelm Grell (Prediger und Rektor der Garnisonschule) geleitet wurden. In den Versammlungen wurden einerseits Vorträge gehalten (über Religion, das Katechisieren, Schreibregeln und Sprache, Geographie, Geschichte, Singen, Naturlehre oder den Rechenunterricht) und andererseits in freien Unterhaltungen über unterschiedlichste Fragen, die Erziehung, Schule und Unterricht betrafen, gesprochen. Über die Zeit hinweg reihten sich Unterhaltungen über die beste Art des Lesenlehrens zwanglos an Klagen über die lästigen „Weiberschulen“, Vorträge über sittliche Vergehen der Schuljugend (Onanie) an solche über den Dreisatz (Regel de Tri), pädagogische Reiseberichte und Buchempfehlungen an Vorträge über die 122

Verdeutschung von Fremdwörtern oder die Diskussion über Versetzungen, Strafen und die Nützlichkeit von Zeugnissen. Da bereits in der ersten Sitzung die Einrichtung eines Lesezirkels als beschlossen galt, wurde in den darauf folgenden Versammlungen auch mehrfach über die Bücher gesprochen, die die Mitglieder anschaffen und zirkulieren lassen wollten. 1813 und 1814 fanden an vier Tagen der Woche (Montag, Dienstag, Mittwoch und Sonnabend) schließlich noch „methodologische Lehrkurse nach pestalozzischen Grundsätzen“ statt, die von Karl August Gottlieb Dreist und Peter Friedrich Theodor Kawe­rau, zwei der preußischen „Pestalozzi-Eleven“, gegeben wurden. In diesen Kursen unterwiesen die beiden, die nach ihrer Rückkehr aus der Schweiz übergangsweise eine Anstellung an der nach pestalozzischen Grundsätzen organisierten Plamannschen Anstalt erhalten hatten, die Lehrer in eben solchen Methoden. Zu den Lehrkursen fanden sich außer den Mitgliedern der BSLG auch die zwölf Seminaristen des privaten Küsterschen Lehrerseminars ein. Als Dreist im Januar 1814 erkrankte, und auch Kawerau wegen eines erneuten Schweizaufenthalts ausfiel, wurden die Kurse von dem Lehrer Hellwich (oder Hellwig) und dem Prediger August Pischon weitergeführt. Hellwich, Lehrer am Joachimsthalschen Gymnasium, selbst nicht Mitglied der BSLG, führte in die Gesanglehre nach Hans Georg Nägeli und Pischon in den Unterricht der Deutschen Grammatik ein. Das Kultusministerium hatte der Gesellschaft für die Kurse, die zunächst in der Wohnung des Lehrers Carl Gottlieb Böhme, dann im Friedrich-Werderschen Gymnasium stattfanden, 48 Taler für Heizung und Licht bereitgestellt. Die Gründergeneration der BSLG war stark daran interessiert, das gute Verhältnis zu den Unterrichtsbehörden, denen sie Zuspruch und auch finanzielle Unterstützung zu verdanken hatte, zu bewahren. Die gegenseitige Verbundenheit war anfangs noch kaum

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von Spannungen belastet, wie sie im Zuge der Emanzipationsbestrebungen in den 1840er Jahren aufkamen. So war es selbstverständlich, dass zu den jährlichen Stiftungsfesten, die meist im Juli oder August gefeiert wurden, Persönlichkeiten aus der Unterrichtsverwaltung eingeladen wurden, die auch mehr oder weniger regelmäßig teilnahmen, z. B. Johann Wilhelm Heinrich Nolte aus dem Oberkonsistorium, der sich in der Anfangszeit auch an den regulären Versammlungen beteiligt hatte, oder Staatsrat Georg Heinrich Ludwig Nicolovius aus dem Kultusministerium bzw. Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten. Des Öfteren konnte die Gesellschaft auch Gäste begrüßen. Zu den Bekannteren unter diesen gehörten der Prinzenerzieher (von Friedrich Wilhelm IV. und dessen Bruder) Johann Friedrich Gottfried Delbrück, August Zeune (der Direktor der Berliner Blindenanstalt), Hofrat Christian Heinrich Wolke (Philanthrop, Mitarbeiter an Basedows Elementarwerk und engagierter Sprachverbesserer, der in der Gesellschaft Vorträge über Wortverkürzungen im Deutschen hielt) oder Johann Philip Grüson (Dr. der Philosopie und Professor der Mathematik an der Berliner Universität). Die BSLG, die in ihren ersten Jahren als Lehrer-Schule fungierte, um die mangelnde Ausbildung zu kompensieren, wurde durch die Veränderungen auf dem Gebiet der Lehrerbildung, die sich in Berlin in der Errichtung des Stadtschullehrerseminars ausdrückten, deutlich beeinflusst. Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg, der 1832 nach Berlin gekommen war und den Direktorposten des neu gegründeten Berliner Stadtschullehrerseminars übernommen hatte, wurde ein Jahr später auch Mitglied der BSLG und regte eine neue Programmatik, inhaltlich andere Vorträge und neue Formen des Umgangs an, die schließlich bald zu einem veränderten Vereins- und Berufsverständnis der

Mitglieder führten. Der allmähliche Zustrom neuer Mitglieder, die bereits über eine grundlegende Ausbildung zum Lehrer verfügten, machte die Lehrer-Schule der ersten Phase überflüssig. – 1837 beschlossen die Mitglieder der BSLG neue Statuten und die Umbenennung in Berlinischer Schullehrerverein für deutsches Volksschulwesen, was nationale wie demokratische Orientierungen signalisierte und mit einem zunehmend emanzipatorischen Berufsbewusstsein der Lehrer einherging. Dem war 1835 der demonstrative Verzicht auf die ministeriellen Unterstützungen und die offizielle Einladung behördlicher Gäste vorausgegangen. Beides war maßgeblich auf Diesterweg zurückzuführen, der 1832 zudem eine „eigene“ Pädagogische Gesellschaft gegründet hatte. Als Mitglied der BSLG wurde er nach 1834 zweimal zu deren Ordner und neunmal zu deren 1. Vorsteher gewählt. Mit Diesterweg wurden die vormals wöchentlichen Versammlungen auf monatliche Treffen reduziert und eine Modifikation der Geselligkeit herbeigeführt. Hatten die Versammlungen bis 1835 noch in Schulen stattgefunden – Diesterweg erinnerte sich, dass er sich bei seinem ersten Besuch der BSLG noch „in eine der Quintanerbänke“ des Friedrich-Werderschen Gymnasiums gezwängt hatte – trafen sich die Mitglieder fortan in Gasthäusern und Cafés. Zudem konnten nach 1839 zu den Stiftungsfesten auch Damen (Gattinnen und Töchter) mitgebracht werden, was von allen freudig begrüßt und in den Berichten über die Stiftungsfeste jährlich neu überschwänglich beschrieben wurde. Neben der von Diesterweg 1832 gegründeten Pädagogischen Gesellschaft waren in Berlin nach 1840 in kurzer Folge zwei weitere Lehrervereine, der Gesellige Lehrerverein und der Jüngere Berliner Lehrerverein, entstanden. Zur Abgrenzung von letzterem, der vornehmlich aus den Absolventen des Berliner Stadtschullehrerseminars bestand, und zur Vereinfachung des Sprachgebrauchs bürgerte sich für den Berlinischen Schullehrerverein für deutsches 123

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Volksschulwesen nach 1840 die Bezeichnung Älterer Berliner Lehrerverein ein. Durch Diesterweg und weitere Mitglieder einer neuen Lehrergeneration (August Breter, Carl Böhm, Ferdinand Schmidt oder Eduard Hintze) wurde der Berlinische Schullehrerverein jetzt auch öffentlich wirksam. Der Versuch zur Gründung eines Provinziallehrervereins, Lehrerfeste, Pestalozzi-Feiern und Lehrerpetitionen charakterisieren diese Phase des Vereins, in der es zu standespolitischen Aktionen kam, auf die behördliche Restriktionen folgten. Gemessen an seinen Aktivitäten war der Verein im Vormärz auf dem Höhepunkt seiner (berufs)politischen Entwicklung. Das Interesse für die Lage der Handwerker wie insgesamt für die soziale Frage, dem sich Vorträge und Gespräche widmeten, entsprach einem wachen, an gesellschaftlichen Entwicklungen spürbar teilnehmenden Lehrerverein. Das fünfzigjährige Vereinsjubiläum 1863 gab Anlass zur Selbstreflexion. Die einstige Funktion schien erfüllt, der Lehrerdiskurs war polarisiert, die Lager etwa hinsichtlich der Frage nach konfessionellem oder nicht konfessionellem Religionsunterricht weit voneinander entfernt. Politisch hochsensibilisiert, aber durch behördliche Verwarnung und Überwachung von Lehrern nach 1848 besonders vorsichtig geworden, hatte sich der Verein immer mehr vom öffentlichen Wirken verabschiedet. Auf vereinte standespolitische Aktionen ließen sich die Mitglieder nicht mehr ein, zumal in der personellen Zusammensetzung die älteren, etablierten Bürgerschullehrer, Mädchenschullehrer, Hauptlehrer und Seminarlehrer das Übergewicht erhielten. Die Debatten berührten aktuelle bildungspolitische und pädagogische Fragen (über Lehrerinnenbildung, den möglichen Einsatz von Lehrerinnen an Knabenschulen, Turnunterricht für die weibliche Jugend oder Gesundheitspflege und Hygiene an Schulen), und nach 1880 immer häufiger Themen von allgemeinem Interesse (naturwissenschaftliche Entde124

ckungen, Virchows Ansichten und die Darwinsche Descendenz-Theorie, Erkenntnisse über den Nordpol, Lichttheorien und optoelektronische Anwendungen oder Erdbebentheorien). An dem 1880 entstandenen Berliner Lehrerverein, der eine Standesorganisation moderner Art verkörperte, zeigten die Mitglieder des Älteren Berliner Lehrervereins kein Interesse. Nach 1890 entwickelte sich der Ältere Berliner Lehrerverein zu einem Kreis alter Herren, von dem Hermann Gallee (1843– 1918, Gründer des Deutschen Schulmuseums) scherzweise behauptete, dass immer vier Mitglieder des Vereins 300 Jahre alt seien. Otto Pautsch (1905) zufolge trafen sich die letzten Mitglieder des Älteren Lehrervereins nach 1900 noch alle Monate in der Weinstube von Steinert und Hansen in der Leipziger Straße. Struktur und Organisation: Das erste Statut umfasste 18 Paragraphen und bestimmte neben dem Zweck der Gesellschaft auch die Formen der Zusammenkünfte. Die Mitglieder verständigten sich, „meistentheils ein Conversatorium“ zu bilden, in dem die Unterredungen „dem Geiste einer gebildeten Gesellschaft angemessen sein“ mussten. Die „verschiedenen Meinungen und Urtheile sollten von der einen Seite „weder mit Eigensinn und Hartnäckigkeit durchgesetzt, noch von der anderen Seite mit Lieblosigkeit und Bitterkeit bestritten werden“ (§ 2). Man wollte „durchaus keiner Parthei“ angehören (§ 3), und es sollte „einzig und allein nur über pädagogische Gegenstände“ gesprochen werden (§ 4). Zudem sollte „ein praktischer Lehrkursus über einen zu bestimmenden Gegenstand“ stattfinden (§ 6). Der „Direktor“ der BSLG hatte jeweils anzuzeigen, was „vorgenommen“ werden sollte (§ 5), „im Anfange der Conferenz einen kurzen Vortrag über irgend einen pädagogischen Gegenstand“ zu halten, über den zu disputieren sei (§ 6) und „während des Streites“ die Unterhaltung zu leiten, „damit sie nicht in geräuschvollen Zwist ausarte“ (§ 9). Beiträge von anderen Mitgliedern waren willkom-

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men (§ 7), ebenso „schriftliche Aufsätze über pädagogische Materialien“ (§ 8). Man wollte sich wöchentlich am Freitag nach sechs Uhr abends für etwa zwei Stunden in einem Zimmer der Garnisonschule treffen. – Ein Mitgliedsbeitrag war ursprünglich nicht vorgesehen. Stattdessen sollte in jeder Sitzung „eine freiwillige Collekte“ stattfinden, die für einen Fonds bestimmt war, aus dem nach und nach eine Bibliothek und eine Journalgesellschaft gebildet werden sollten. Einmal jährlich (am Samstag, der auf den 30. Juni folgt) sollte ein Stiftungsfest gefeiert werden. Der Vorstand wurde ebenfalls jährlich gewählt. Er bestand aus acht „Beamten“: dem Direktor (später Ordner), drei Vorstehern, einem Schreiber (Sekretär), seinem Stellvertreter, einem Buchwart (Bücherbewahrer/Bibliothekar) und einem Schatzmeister. – Das erste Statut hat zunächst 1814 (auf Anregung der Regierung) und dann noch einmal 1816 einige Änderungen erfahren, die eher organisatorischer Art waren und in der Tendenz zu Normierungen des Versammlungsablaufs (in der ersten Stunde allgemeine Unterredungen, in der zweiten zusammenhängende Vorträge oder Kurse) und zur Einführung vereinsrechtlicher Standards (wie Rechenschaftspflicht von Vorstand und Schatzmeister, Regelung von Vereinsangelegenheiten in vierteljährlichen Rats- und monatlichen Nebenversammlungen) führten. Die Organisation wurde zunehmend formalisiert. Regeln und Gesetze – als Ordnungsprinzipien von Beginn an geschätzt – übten einen starken Reiz freiwillig auferlegter Disziplinierung aus, deren Einhaltung sich die Mitglieder regelmäßig versicherten. Die Statuten wurden vierteljährlich überprüft, wirklich gravierende Revisionen aber nicht vorgenommen. 1814 sollte die Vorbereitung der Konferenzgegenstände jeweils drei (neuen) Mitgliedern auferlegt werden, was bald darauf als Zwang empfunden und ein Jahr später wieder rückgängig gemacht wurde. Fortan wurde monatsweise oder für länger im Voraus geplant, wer einen Vortrag übernehmen wollte. Da durch die frei-

willige Collekte kaum etwas zusammenkam, wurde 1814 ein Mitgliedsbeitrag in Höhe von zwei guten Groschen monatlich eingeführt. Die 1816 beschlossene Gesetzurkunde wurde 1817 gedruckt und blieb 20 Jahre lang in Kraft. Ein Statut dieser Fassung ist nicht erhalten geblieben. Bekannt ist nur, dass der Regierung ein Exemplar vorgelegen hat und es genehmigt wurde. In den Folgejahren bekam jedes Mitglied dieses Statut ausgehändigt und verpflichtete sich mit seiner Unterschrift zur Einhaltung der „Gesetze“. – Lesezirkel: Für den mit der BSLG verbundenen Lesezirkel hatte der Prediger Grell bereits in der zweiten Versammlung eine Gesetzurkunde vorgelegt, in der „Ausbildung in der Pädagogik überhaupt und Bekanntschaft mit dem pädagogischen Bücherwesen insbesondere“ als Zweck festgehalten war. Der Lesezirkel sollte allein Mitgliedern der BSLG offen stehen. Wer teilhaben wollte, hatte dem Vorsteher ein Buch anzuzeigen, das er für den Lesezirkel kaufen wollte und das „nach geendigtem Umlauf sein Eigenthum“ bleiben sollte. Wer bereits ein Buch besaß, das er zirkulieren lassen wollte, musste kein neues Buch kaufen. „Schulbücher, welche in die Hände der Kinder gehören, und Kinderlesebücher“ waren „von diesem Kreise ganz ausgeschlossen“. Die Mitglieder wählten die Bücher größtenteils nach Natorps Kleiner Schulbibliothek gemeinsam aus. Neben allgemeinen Schriften über Pädagogik oder vorteilhafte Methoden beim Unterricht (in der Kalligraphie, im Lesen, Buchstabieren und in der Deutschen Sprache, in Weltgeschichte, christlicher Religion oder Arithmetik) wurde mit Schlez’ Gregorius Schlaghart (1795) auch pädagogische Unterhaltungs- und Erbauungsliteratur für nützlich befunden. 1813 beteiligten sich 29 Mitglieder mit 37 Büchern an dem Lesezirkel, dessen Zirkulationsfolge nach den Wohnungen der Mitglieder festgelegt wurde. Für die Weitergabe der Bücher nach jeweils drei Wochen wurde ein Bote bestellt. Das Verfahren erwies sich bald als zu kompliziert, so dass man sich 1814 einigte, den 125

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Lesezirkel durch eine Bibliothek zu ersetzen, zu der dann jedes Mitglied Zugang hatte und die allen gemeinsam gehörte. Die von den Mitgliedern bereits angeschafften Bücher gingen in das Eigentum der Gesellschaft über. 1816 belief sich der Bestand auf 42 Bücher, 1831 waren es mehr als 400. Allen Erwartungen zum Trotz wurde die Bibliothek v. a. in den Anfangsjahren nur wenig benutzt. Aufbewahrt wurde sie bis 1854 zumeist in der Wohnung des Bücherbewahrers oder Buchwarts. Schließlich war der Verein über das Angebot von Wilhelm Thilo (Direktor des Berliner Seminars für Stadtschullehrer), die Bücher in der Bibliothek des Seminars in der Oranienburger Straße aufzustellen, wo sie allgemein für Lehrer zugänglich waren, froh. – Die BSLG unterhielt drei Selbsthilfe­ organisationen: 1838 wurde der fons caritatis als Unterstützungsfonds für hilfsbedürftige, alte und kranke Lehrer gegründet, 1844 der Pischonsche Pensionsfonds und 1846 die Lutherstiftung für Lehrerwaisen. Mitglieder: a) Allgemeines: Laut Statut stand die Gesellschaft (neben Schullehrern) „jedem Schulfreunde“ offen. Jedes Mitglied hatte zudem das Recht, fremde Schulfreunde in die Gesellschaft einzuführen. Von diesem Recht wurde in den ersten Jahren vielfach Gebrauch gemacht. Wollte jemand Mitglied werden, war das dem Direktor eine Woche vorher anzukündigen. In der darauf folgenden Versammlung erfolgte die Wahl durch Ballotage; wenigstens zwei Drittel der Gesellschaft mussten dafür stimmen. Auf dieses Verfahren wurde aus Zeitgründen schon bald verzichtet. Am 22.10.1813 wurde die Ballotage durch ein Vetoverfahren ersetzt. Nach Bekanntgabe derjenigen, die Interesse an einer Mitgliedschaft angemeldet hatten, wurde eine achttägige Widerspruchsfrist eingeräumt. Schließlich einigte man sich darauf, dass, wer viermal hintereinander unentschuldigt fehlte, als Mitglied der Gesellschaft gestrichen wurde. – In der Anfangsphase der Gesellschaft 126

gab es Debatten um die Aufnahme von Hilfslehrern und jüdischen Lehrern. In Bezug auf die Hilfslehrer war das der Versuch einer Exklusivitätsbehauptung, mit denen sich die Parochialschullehrer von den (noch) weniger Gebildeten absetzen konnten. Gegenüber jüdischen Lehrern herrschte allgemein Reserviertheit. Nach dem Aufnahmeersuchen des jüdischen Schulvorstehers und Buchhändlers Jeremias Heinemann 1819, tat man sich zunächst schwer und es wurde befunden, dass Heinemann lediglich an den Versammlungen des (für christliche Lehrer vorgesehenen) Vereins teilnehmen durfte. 1820 wurde die Frage, ob jüdische Lehrer aufgenommen werden konnten, grundsätzlich positiv entschieden – wenngleich mit Einschränkungen: Jüdische Personen wurden als zur Aufnahme fähig angesehen. Sie sollten aber auch nur so lange Mitglied bleiben dürfen, wie sie tatsächlich Lehrer oder Erzieher waren, und die Anzahl jüdischer Mitglieder durfte den zehnten Teil der Mitgliederschaft nicht überschreiten. Heinemann, der erst mit diesen Vorbeugebestimmungen, gleichwohl mehrheitlich aufgenommen wurde, blieb das einzige jüdische Mitglied der BSLG. – Im ersten Vereinsjahr 1813/14 zählte die BSLG 74 Mitglieder. In den Protokollen ist nicht für alle der Status mitnotiert worden, aber: 55 Mitglieder sind als Schullehrer (Parochial-, Militär-, Erwerb-, Armen- oder Privatschullehrer) und elf Mitglieder mit ihrem geistlichen Amt (Prediger, Student der Theologie, Domkandidat, Küster oder Kantor) vermerkt worden. Der Anteil der „Geistlichen“ in der Schullehrergesellschaft lag bis 1837 bei zehn bis fünfzehn Prozent und ging erst zurück, als sich im Zuge der Seminarausbildung im Elementarschullehrerberuf eine neue Konstellation ergab, die ab den 1840er Jahren Wirkungen zeigte. Zum Ende der BSLG kamen die Mitglieder hauptsächlich aus der gehobenen Volksschullehrerschicht, d. h. sie waren mehrheitlich Hauptlehrer, Lehrer Höherer Mädchenschulen, Rektoren oder Vorsteher privater Schu-

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len. – Aussagen über den Anteil der Mitglieder der BSLG an der Gesamtzahl der Lehrer Berlins sind nur sehr vage möglich und Berechnungen mit Vorsicht zu genießen. Für den Beginn der BSLG lässt sich eine Modellrechnung aufmachen, wenn man die Daten aus dem Berliner Adresskalender über die Anzahl der Elementarschullehrer hinzuzieht. Danach standen den 58 Vereinsmitgliedern des Jahres 1814 110 verzeichnete Lehrer in Berlin gegenüber. Aus diesen Zahlen ergibt sich eine mehr als fünfzigprozentige Beteiligung der Berliner Elementarschullehrer an der BSLG. Ein Vergleich der Lehrernamen aus den Protokollen mit den im Adresskalender aufgeführten hat allerdings für nur 29 Personen Übereinstimmung ergeben. Diese Zahl 29 mit den 110 registrierten Lehrern ins Verhältnis gesetzt, ergibt nur noch gut fünfundzwanzig Prozent. Die tatsächliche Relation dürfte irgendwo zwischen den beiden weit auseinander liegenden Werten gelegen haben. – b) Einzelmitglieder: Mit Karl August Gottlieb Dreist und Peter Friedrich Theodor Kawerau, zwei der preußischen „Pestalozzi-Eleven“, die 1813 und 1814 in der BSLG methodische Lehrkurse veranstalteten, Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (ab 1832 Seminardirektor in Berlin), dem „1848er“ Seminarlehrer Eduard Hintze, dem Verfasser der Geschichte der deutschen Jugendliteratur August Merget oder Wilhelm Thilo als Diesterwegs Nachfolger im Amt des Seminardirektors finden sich unter den Mitgliedern über die Zeit hinweg weithin bekannte Repräsentanten der Lehrer- und Schulgeschichte. Andere Mitglieder des Vereins waren v. a. aufgrund ihrer lokalen Vernetztheit auf der Ebene von Gesellschaften und Vereinen von Bedeutung (siehe unten). – Der Vorstand der BSLG gruppierte sich anfangs um die Garnisonschule herum. Friedrich Theodor Mann (Direktor der Gesellschaft) stand als Brigadeprediger mit der Garnisonschule in Verbindung, Carl Friedrich Wilhelm Grell (erster Vorsteher und Buch-

wart) war deren Rektor, Friedrich Wilhelm Ferdinand Bauer (Schatzmeister) Kantor und Lehrer an der Garnisonschule und Johann Heinrich Hudtloff (stellvertretender Schreiber) ebenfalls dort als Lehrer angestellt. Dazu kamen (als 2. Vorsteher) Karl August Gottlieb Dreist, Lehrer an der Plamannschen Anstalt, und (als Schreiber) der Lehrer Carl Gottlieb Böhme. Später sind einzelne Vorstandsämter (besonders auffällig das des Ordners, Schreibers und Schatzmeisters) über Jahre von denselben Personen ausgeübt worden. Friedrich August Pischon, der 1815 zunächst zum ersten Vorsteher gewählt worden war, hatte von 1817 bis 1841 ununterbrochen das Ordneramt inne. Bis 1837 setzten sich die Vorstände der BSLG vornehmlich aus Schulvorstehern und Predigern zusammen. „Einfache“ Lehrer waren nicht vertreten. – Offizielle Mitgliederverzeichnisse sind nicht überliefert. Die nachstehende (alphabetische) Zusammenstellung der bis 1815 in die BSLG aufgenommenen Mitglieder erfolgte nach den Versammlungsprotokollen, in denen sie mit ihren Nachnamen und Wohnungen, manchmal auch mit ihrer beruflichen Stellung verzeichnet wurden. Die Rekonstruktion der vollständigen Namen wurde durch einen Vergleich mit den Daten versucht, die die Prediger 1815 auf Veranlassung der Schulkommission über die unter ihrer Aufsicht stehenden Elementarschullehrer gesammelt hatten, die in den (dann 1818 erschienenen) Adresskalender aufgenommen werden sollten. Für mehrere Mitglieder sind unterschiedliche Schreibweisen des Namens auszumachen, in der Auflistung ist das entweder durch Klammer oder Schrägstrich gekennzeichnet. Einzelmitglieder 1813–1815 (alphabetisch): Johann Friedrich Barsekow (Parochialschullehrer Dreifaltigkeitskirche); Friedrich Wilhelm Ferdinand Bauer (Kantor d. Garnisonkirche und Lehrer an der Garnisonschule); Johann Friedrich Bellert (Militärschullehrer); Friedrich Wilhelm Bernhardi (Rektor der Königlichen Garnisonschule); D. B. Büttner/Bitt127

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ner (Privatlehrer); Wilhelm Alexander Blenz (Parochialschullehrer Jerusalemer und Neue Kirche auf der Friedrichstadt); Carl Gottlieb Böhme (Schullehrer); Andreas Christian Brandt (Parochialschullehrer Marienkirche); Georg Friedrich Wilhelm Braun(e) (Parochialschullehrer); F. Cornand (Lehrer an der École de charité); Carl Friedrich Corneli/ Cornely (Parochialschullehrer Georgenkirche); Czeyka (Lehrer zu Bockshagen); Fr. Dähn (Erwerbsschullehrer); Karl August Gottlieb Dreist (Lehrer an der Plamannschen Schulanstalt); Johann Gottlieb Elsner (Parochialschullehrer Dreifaltigkeitskirche); Wilhelm Engel (Studiosus der Philologie, Lehrer in der Schule des Herrn Marggraff große Präsidentenstaße 1); C. W. Ferbitz (Erwerbsschullehrer); Johann Heinrich Franke (Parochialschullehrer Luisenkirche); Johann Friedrich Friebezeiser (Parochialschullehrer Luisenkirche); Fürstenau (Lehrer); Gluth (Kandidat der Philosophie); Carl Dietrich Grahl (Kantor an der Dreifaltigkeitskirche); Carl Friedrich Wilhelm Grell (Prediger, Rektor Marienkirche, Rektor Garnisonschule); Grünwald; Johann Heiß (Armenschullehrer); Carl Heinrich Hiltmann (Parochialschullehrer Petrikirche); Johann Gottfried Hof(f) mann (Parochialschullehrer Nicolaikirche); Daniel Gottlieb Hornung (Lehrer an einer Erwerbschule); Johann Heinrich Hud(t)loff (Hilfslehrer Garnisonschule); Carl Hungar/ Hunger (Lehrer); Christian Friedrich Jahrmark (Hilfslehrer an der Realschule); Johann Friedrich Joho (Parochial- und Elementarschullehrer Georgenkirche); Kain/Kein (aus der Anstalt des Professor Zeune); Kaplick (reformierter Schullehrer auf d. Neustadt); Peter Friedrich Theodor Kawerau (Lehrer an der Plamannschen Schulanstalt); August Friedrich Kersten (Lehrer, Kantor, Küster im Invalidenhaus, Invalidenhauskirche); Johann Nicolaus Kirchner (Parochialschullehrer Sophienkirche); Daniel Wilhelm Ferdinand Krüger (Vorsteher einer Privatschule); Carl Kuhne/ Kühne (Lehrer an der 8. Erwerbschule); Carl 128

Friedrich Kupsch (Parochialschullehrer); W. Lemme (Lehrer); Gottlieb Samuel Lichterfeld (Organist, Küster, Schullehrer im Arbeitshause, Kirche im Arbeitshause); Wilhelm Lohsie/ Lohse(e) (Parochialschullehrer Nicolaikirche); August Wilhelm Mahling (Parochialschullehrer am  Luisenstift); Dr. Friedrich Theodor Mann (Brigadeprediger, Stifter der Gesellschaft); Franz Eberhard Marggraf(f) (Kandidat der Theologie, Vorsteher einer Vorbereitungsschule zum Gymnasium sowie Erziehungsanstalt f. Knaben); Me(t)zner (Studiosus theol.); Mix (Schullehrer); Conrad Morgenroth (Privatlehrer); Johann Andreas Müller (Parochialschullehrer Georgenkirche); Johann Gottlob Neuendorf (Parochialschullehrer Jerusalemer und Neue Kirche auf der Friedrichstadt); Johann Wilhelm Neumann 1 (Parochialschullehrer); Johann Friedrich Neumann 2 (Lehrer der 4. Erwerbschule); Neumann 3 (Lehrer der 3. Erwerbschule); Carl Friedrich Neumann senior (Parochialschullehrer in der Georgen-Parochi); Johann Gottfried Pahl (Parochialschullehrer); Friedrich August Pischon (Prediger, Lehrer am Kadettencorps Große Friedrichs Hospital Kirche); Daniel Rieck (Brigade-Küster); Sack (Domkandidat); Friedrich Schilling (Parochialschullehrer); Schlathau (Parochialschullehrer); Johann Friedrich Schmidt (Parochialschullehrer); Carl Friedrich Wilhelm Schmidt (Parochialschullehrer Dreifaltigkeitskirche); Schmitz (Lehrer); Carl Friedrich Schubert (Parochialschullehrer); Schulz (Gehilfe an der Schule des verstorbenen Herrn Schlathau); Johann Joachim Dietrich Schulz (Parochialund Elementarschullehrer Georgenkirche); Johann Friedrich August Schulz(e) (Parochialund Elementarschullehrer Georgenkirche); Schulze (Lehrer); Schwarz (Lehrer); Senz (Militärschullehrer); Seydel (Privatlehrer); Johann Carl Stäglich (Hilfslehrer an der Realschule, Zeichnen- und Schreiblehrer); Peter Vogel (Parochialschullehrer Luisenkirche); Karl Wandel(t) (cand. theol., Privatlehrer); Carl Weg(e)ner (Lehrer/Militärschullehrer);

2.5  Berlinische Schullehrergesellschaft [BSLG]

Carl Westphal (Parochialschullehrer Dreifaltigkeitskirche); Gottfried Heinrich Wilberg (Parochialschullehrer Marienkirche); Friedrich Phil. Wilmsen (Kand., 2. Prediger Parochialkirche); Johann August Zeune (Direktor der Berliner Blindenanstalt). – Einzelmitglieder nach 1815 in Auswahl (alphabetisch): Charles Jean Beccu; Daniel Alexander Benda; Hermann Bohm; August Breter; Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg; Eduard August Friedrich Flashar; Moritz Fürbringer; Eduard Hintze; Ferdinand Maßmann; Johann Wilhelm Melcher; August Merget; August Hermann Möbus; Ludwig Pomptow; Heinrich August Reinbott; Ferdinand Schmidt; Wilhelm Steinert; Wilhelm Thilo. – Ordner nach Amtsjahren: Friedrich Theodor Mann (1813–1816); Friedrich August Pischon (1817–1841); Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (1842, 1849); August Merget (1850, 1853–1857, 1859–1875); Her­ mann Albert Adolf Bohm (1882–1885); F. Sieb­mann (1886–1888). Querverweise auf andere Vereine: Friedrich Theodor Mann war nicht nur Stifter der BSLG, sondern (wie viele andere Mitglieder auch) ebenso Mitglied der  Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft. Diese konnte ihre Interessen an der Verbreitung der Bibel und der Verbesserung der Sitten bei den Lehrern anbringen wie die Lehrer wiederum von der Bibelgesellschaft durch Bibel- und andere Buchgeschenke Unterstützung für ihre Schulen bekamen. Kontakte unterhielt die BSLG genauso zur  Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache, in deren Vorstand z. B. Friedrich August Pischon tätig war, parallel zu seiner Vorstandstätigkeit in der BSLG. Die BSLG konnte hier ebenso profitieren, da zum Beispiel Bücher, die die Sprachgesellschaft übrig hatte, ihrer Bibliothek zugute kamen, und Vorträge, die in der Deutschen Gesellschaft gehalten worden waren, noch einmal in der BSLG vorgetragen wurden und umgekehrt. Friedrich

Ludwig Jahn, der wie Johann August Zeune (Mitglied der BSLG seit 1814) zu den Gründern und führenden Köpfen der Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache gehörte, schenkte der BSLG über deren Ordner (Friedrich Theodor Mann) 1816 seine Bücher Deutsche Turnkunst, Katechismus für den deutschen Wehrmann und Dank- und Denklieder zur Jahresfeier der Leipziger Schlacht. Jahn, zu dieser Zeit Lehrer an der Plamannschen Anstalt, wurde im Verein schon früh mit seinen Schriften über Turnkunst und Deutsches Volkstum rezipiert. Auch fiel am 18. August 1816 wegen der Feier des Jahrestages der Schlacht bei Leipzig auf dem Turnplatz in der Hasenheide, an der die Lehrer teilnehmen wollten, die reguläre Versammlung der BSLG aus. Ob es unmittelbare Beziehungen zu den Turnern um Jahn oder zum 1810 gegründeten  Deutschen Bund gegeben hat, ist den Protokollen der BSLG nicht zu entnehmen. Mitglied der BSLG war Jahn nicht. Zwei seiner Mitstreiter, Heinrich Wolke und Ferdinand Maßmann, traten später in die BSLG ein. Der Stifter der BSLG Friedrich Theodor Mann war seit 1807 auch aktives Mitglied der  Gesellschaft der Freunde der Humanität. Grell und Zeune waren in den Jahren ab 1813 wiederholt bei den Versammlungen der Humanitätsgesellschaft als Besucher anwesend. An den Zusammenkünften der BSLG nahmen auch Lehrer der Erwerbschulen teil (siehe  Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen). Bibliographie: 1) Archivquellen: Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung / Archiv: Berlinische Schullehrergesellschaft (BBF/DIPF/Archiv: BSLG) [enthält die insgesamt 10 Protokollbücher der BSLG: 1813–1875 (9 Bde.) sowie 1882–1892 (1 Bd.)]. – BLHA Potsdam: Rep 34, Nr. 1191: Der Verein für deutsche Volksschulen [enthält u. a. Briefe von Natorp, Nolte und den Berliner Superintendenten aus 129

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

dem Vorfeld der Gründung der BSLG 1813, Berichte über das erste Vereinsjahr und die methodologischen Kurse 1813–1814, Berichte und Mitgliederverzeichnisse späterer Jahre, u. a. 1844/45]. – 2) Gedruckte Quellen: a) Festschriften: Merget, August: Geschichte des Berlinischen Schullehrer-Vereins für deutsches Volksschulwesen (älteren Berliner Lehrer-Vereins). Eine Jubelschrift, im Auftrage der Gesellschaft nach den Protokollen gearbeitet. Berlin 1863 (darin S. 4–7: Statut von 1813). – Pautsch, Otto: Der Berliner Lehrerverein. Festschrift zum 25jährigen Jubiläum 1905. Berlin 1905 (darin S. 9–12: Statut der BSLG von 1813). – b) Zeitgenössische Literatur: Breter, August: Fünf und zwanzigjährige Stiftungsfeier des Berlinischen Schullehrer-Vereins am 30. Juni 1838. In: Preußische Volksschulzeitung 6 (1838), S. 229. – Diesterweg, Friedrich Adolph Wilhelm: Naumann. Nach dem freiwilligen Tode desselben, im Berlinischen Schullehrerverein vorgelesen (1847). In: Diesterweg Sämtliche Werke Bd. 7. Berlin 1964, S. 142–147. – Geschichte des Berlinischen Schullehrer-Vereins für deutsches Volksschulwesen (des älteren Berliner Lehrer-Vereins. In: Schulblatt für die Provinz Brandenburg 1 (1863), S. 349–388 (darin S. 350–353: Statut von 1813). – Gesetzurkunde des Berlinischen Schullehrervereins

für deutsches Volksschulwesen. Berlin 1837. – Natorp, Bernhard Christoph Ludwig: Briefwechsel einiger Schullehrer und Schulfreunde. Erstes Bändchen. Duisburg und Essen 1811. – Natorp, Bernhard Christoph Ludwig: Kleine Schulbibliothek. Ein geordnetes Verzeichnis auserlesener Schriften für Lehrer an Elementar- und niederen Bürgerschulen mit beygefügten Beschreibungen. 4., verb. u. verm. Aufl. Essen 1811. – Pischon, August: Ueberblick ueber die Geschichte des Berlinischen Schullehrervereins. In: Pädagogische Blätter. Bd. 1. Berlin und Landsberg a.d.W. 1827, S. 1–11. – Schulz, Otto: Zur Geschichte des Berlinischen Lehrerverein für deutsches Volksschulwesen. In: Schulblatt für die Provinz Brandenburg 1843, S. 147–164. – c) Forschungsliteratur: Kemnitz, Heidemarie: Lehrerverein und Lehrerberuf im 19. Jahrhundert. Eine Studie zum Verberuflichungsprozeß der Lehrertätigkeit am Beispiel der Berlinischen Schullehrergesellschaft (1813– 1892). Weinheim 1999. – d) Darstellungen: Pretzel, C. L. A.: Geschichte des Deutschen Lehrervereins in den ersten fünfzig Jahren seines Bestehens. Unter Benutzung von Robert Rissmanns Geschichte des Deutschen Lehrervereins. Leipzig 1921. – Rissmann, Robert: Geschichte des Deutschen Lehrervereins. Leipzig 1908.

Heidemarie Kemnitz Siehe auch  Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen (1793);  Friedrichsstift (1807);  Luisenstift (1807);  Königin-Luise-Stiftung (1811).

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2.6  Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Königlichen Realschule [LgRSch]

2.6  Sprach- und literaturwissenschaftliche Vereine Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Königlichen Realschule [LgRSch] Name: Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Königlichen Realschule; Lese-Institut. Gründung: Michaelis 1788 (mit einer Vorläufer-Einrichtung von 1781). Bestand: Wie lange die Einrichtung existierte, konnte nicht ermittelt werden. Ob sie nach dem Weggang des Vorstehers E. J. Koch im April 1793 noch weitergeführt wurde, ist nicht bekannt. Sitz: Pädagogium der Königlichen Realschule, Kochstraße/Ecke Friedrichstraße. Programmzitat: „Damit aber die Interessenten zweckmäßig lesen, und die Vorsteher davon überzeugt werden mögen, daß dies wirklich geschehen, so ist jedes Mitglied verbunden, von der Lectüre eines jeden Buches eine schriftliche Rechenschaft abzulegen. Zu dieser Absicht muß sich jeder ein wohleingerichtetes Buch halten, welches er Resultat, Journal, Uebersicht meiner Lectüre oder auf irgend eine andere passende Art benennen kann. Hierin muß er / a) den Titel, in so fern er das Buch charakterisirt, genau beschreiben, mit Bemerkung des Druck- und Verlag­ ortes, der Jahreszahl, des Formates und der Bogen- oder Seitenzahl. / b) Muß er die Absicht des Verfassers entweder aus der Vorrede, oder aus der sie vertretenden Einleitung entwickeln. Sollte beides mangeln, so muß das Verlangte aus dem Werke selbst herausgezogen werden. / c) Um eine allgemeine Uebersicht des Ganzen zu haben, muß die Inhaltsanzeige mit Bemerkung der Seitenzahl angegeben werden. / d) Der specielle Plan des Ganzen muß aus dem Buche selbst gezeichnet werden, und wo dieser nicht entwickelt werden kann, muß zum wenigsten ein gedrängter Auszug geliefert werden. / e) Diejenigen Stellen, welche dem Leser vorzüglich gefallen, oder seine Aufmerksamkeit am meisten auf sich gezogen haben, müssen aus-

gehoben und abgeschrieben, oder, wenn sie dazu zu lang seyn sollten, genau angemerkt und dem allgemeinen Sinne nach bestimmt angegeben werden. / f) Zuletzt muß der Leser ein allgemeines Urtheil über das Ganze und ein besonderes über einzelne Stellen niederschreiben, aber damit eine genaue Angabe der Gründe des Beifalls oder des Tadels verbinden“ (aus den Statuten, 1788). Geschichte und Programmatik: Das LeseInstitut wurde 1788 für die Schüler des Pädagogiums der Königlichen Realschule gestiftet und stand in enger Beziehung zur ebenfalls 1788 dort gegründeten  Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styls. Beide Einrichtungen wurden wesentlich von Erduin Julius Koch geprägt (zu Koch siehe auch die folgenden Artikel). Bereits 1781 war an der Schule erstmals eine Lesegesellschaft eingerichtet worden, die der „seit dem Philan­ thropinischen Erziehungsunfuge“ grassierenden „Lesesucht, welche durch die Yoriksche, Siegwartische, und Wertherische Magazine reichlich genährt“ ward, gegensteuern wollte, indem „die gerechte Neigung zur Lectüre bei der ihm vertrauten Jugend geweckt und richtig geleitet werden“ sollte (Schulprogramm 1791, S. 17). Die durch den vormaligen Direktor Johann Elias Silberschlag zusammen mit dem Lehrer Sander gegründete Anstalt konnte jedoch aus Personalgründen ihre Arbeit bald nicht mehr fortsetzen. Zu einer Wiederbelebung des Lese-Instituts und zugleich zu deren Reform kam es Michaelis 1788 durch E. J. Koch. Die Schüler sollten bei der Auswahl ihres Lesestoffs beraten werden und die Lektüre gründlich durcharbeiten, exzerpieren und bewerten, d. h. eine literaturwissenschaftliche Analyse anfertigen und diese mündlich diskutieren. Es ging nicht, wie bei vielen anderen Lesegesellschaften, allein 131

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

um die Bereitstellung und Zirkulation von Li- ge an bis auf des Ungenannten Gedicht auf teratur, sondern um die Auswertung dersel- Karl den Großen nach seinem Compendium ben nach verschiedenen Gesichtspunkten, um der Deutschen Literaturgeschichte entwickelt“ die Herausbildung ästhetischer Wertmaßstäbe (Schulschrift 1792, S. 23). 1792/93 erläuterund um Argumentationsmuster. Das Lesein­ tete Koch in der „Ersten Klasse Deutsche stitut war Teil des pädagogischen Programms Sprache“ die literarische Einleitung der Hoder Realschule, wenngleich es außerhalb des degetik, ließ die Oden und Elegien aus seiregulären Unterrichts stattfand und den äl- nem System der lyrischen Dichtkunst interteren bzw. befähigsten und fleißigsten Schü- pretieren und trug „die Geschichte der schölern vorbehalten blieb. Nach der Reform war nen und wissenschaftlichen Deutschen Litees gleichsam als „eine allgemeine Vorberei- ratur in scientifisch-chronologischer Ordnung tungsklasse für die sogenannten Rhetorischen von den ältesten Zeiten bis 1781, theils nach Classen, oder vielmehr als eine solche Lec- seinem Compendium der Deutschen Literation anzusehen, in welcher diejenigen Punc- turgeschichte, theils nach eigenen, noch unte, der Styl- und Denkbildung bearbeitet wer- gedruckten Dictaten vor“ (Schulschrift 1793, den, welche wegen Zeitmangel in den bishe- S. 12). Einer resümierenden Einschätzung des rigen Deutschen Lectionen übergangen wer- Direktors Hecker im Jahresbericht 1792 zuden mußten. Es wird daher der Vorsteher der folge, wurde das Lese-Institut 1791/92 noch Lesegesellschaft mit den Lehrern jener Rhe- weiter ausgebildet. Folgende Zwecke solltorischen Classen stets die gemessenste Rück- ten erreicht werden: „a) gewisse Uebungen sprache nehmen, und so werden beide Thei- der Schüler zu veranlassen und zu leiten, welle einander bei den gemeinsamen Bemühun- che in den rhetorischen Lectionen theils wegen um die Cultur der Deutschen Sprache gen des Zeitmangels, theils an sich und weund des Vaterländischen Geschmacks in die gen der Natur des dort ertheilten Unterrichts Hände arbeiten können. Zu diesem Zwecke nicht möglich sind. / b) den Schülern brauchsind schon die classischen Werke der Deut- bare Hülfsmittel in die Hände zu geben, zur schen aus den verschiedenen Fächern der Vorbereitung und Wiederholung des öffentlischönen und speculativen Wissenschaften aus- chen Unterrichts, und zu den mit demselben gewählt worden, und sie sollen nun nach ei- in Verbindung stehenden schriftlichen Arbeinem feststehenden Plane, und den Bedürf- ten z. B. für die historischen und rhetorischen nissen und Fähigkeiten jedes einzelnen Mit- Klassen. / c) den Schülern, die zu den vergliedes gemäß so vertheilt werden, daß jeder schiedensten Bestimmungen vorbereitet werLeser bei seiner Lectüre vom Leichtern zum den sollen, solche Bücher bekannt zu machen, Schwereren, vom Einfachen zum Zusam- durch deren Lectüre sie sich zu ihrer künfmengesetzten und vom Historischen zu dem tigen Berufswissenschaft vorbereiten können“ mehr Ab­stracten fortschreiten kann“ (Schul- (Schulschrift 1792, S. 26). schrift 1791, S. 22). So hat Koch im Schuljahr In der Schilderung von seinem unterrichtli1791/92 in der sogenannten ersten rhetori- chen Vorgehen in der „Deutschen Klasse“ teilt schen Klasse „einige Deutsche Oden und Ele- Koch mit, dass seine Schüler „sich gründliche gien nach seinem System der lyrischen Dicht- Kenntnisse von der alten Sprache des Mutkunst interpretiren und aus dem Gedächtniß terlandes erworben“ und beim Studium „eideklamiren lassen, die Theorie des einfachen nen seltenen Patriotismus“ bewiesen hätten und deutlichen Vortrages in wöchentlichen (Schulschrift 1791, S. 46). Der von Koch hier Ausarbeitungen von den Schülern selbst auf- verwendete zentrale Begriff „Patriotismus“ suchen lassen, und die Geschichte der Alt- „lenkt die Aufmerksamkeit auf übergreifendeutschen Sprache vom Verdunschen Vertra- de Intentionen, die Koch mit der deutschen 132

2.6  Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Königlichen Realschule [LgRSch]

Sprach- und Literaturgeschichte verbindet, und damit zugleich auf den Zusammenhang mit dem weiten Spektrum der zeitgenössischen Nationalerziehungspläne. Den ‚Nutzen‘ der deutschen Literaturgeschichte allgemein sieht Koch darin, daß sie ‚das wirksamste Mittel [darstellt], den Nationalsinn zu veredeln, und den literarischen Patriotismus zu wecken und zu leiten.‘ Analoges gilt für die Beschäftigung mit der Sprachgeschichte. Der Umfang der deutschen Literatur ‚geht so weit, als der Umfang der Deutschen Nation, deren ausschließendes Eigenthum sie selbst ist‘“ (Meves, S. 484). Struktur und Organisation: Die Mitglieder zahlten anfangs monatlich vier Groschen, ab 1788 zwei Groschen. „Dieser Beitrag wird monatlich an den Factor des Buchladens [der Realschul-Buchhandlung] vorausbezahlt. Ganz arme Schüler sind, wie bisher immer der Fall war, von diesem Beitrage eximirt“ (Schulschrift 1791, S. 21). Die Lesebibliothek umfasste 1791 300 Bücher, die unterteilt waren in: 1. Werke für Studierende, a) Theologen, b) Juristen, c) Mediziner; und 2. für Nichtstudierende, a) Künstler, b) Kaufleute, c) Departementsarbeiter. Koch, als Leiter der Einrichtung, waren vielfältige fachliche und erzieherische Aufgaben übertragen, wofür die dafür vorgesehene eine Wochenstunde bei weitem nicht ausgereicht haben dürfte: „Der Vorsteher wird […] wöchentlich Eine Stunde dem Institute widmen, die Aufsätze über die gelesenen Bücher durchsehen, jeden Leser auf die ihm eigen­ thümlichen Fehler und Vorzüge bei der Lectüre und im Style aufmerksam machen, jene verbessern, diese autorisiren, und überhaupt ein kurzes Examen über das Gelesene anstellen. Dann wird er Vierteljährlich eine Conferenz mit dem Director der Schule über die Leser halten, die die schriftlichen Aufsätze zu Hause noch einmal und genauer durchlesen, seine Bemerkungen darüber schriftlich hinzufügen, und dann in einer besondern Versammlung

aller Mitglieder die Fortschritte und Rückschritte eines jeden einzelnen angeben, und zuletzt seine Grundsätze über zweckmäßige Lectüre mittheilen. Vorzüglich wird er ihnen in einer jeden vierteljährigen Versammlung einen Abschnitt seiner Theorie der Lectüre erklären, welche nächstens im Verlage unserer Schule erscheinen wird. Endlich übernimmt er es, durch häusliche Besuche, besonders der außerhalb dem Schulhause wohnenden Schüler, zu untersuchen, ob die Mitglieder, außer diesen, noch eine andere vielleicht entbehrliche oder schädliche Lectüre treiben“ (1791, S. 22 f.). Die Mitglieder sollten sich einzig und allein auf das schulische Leseinstitut beschränken, keine anderen Lesegesellschaften besuchen und möglichst auch keine anderen Bücher, als die ihnen empfohlenen, andernorts entleihen: „Da es mit zum Zwecke des Instituts gehört, eine schlecht gewählte und regellose Lectüre zu verhüten, so wird es hiermit einem jeden Mitgliede zur Pflicht gemacht, an jeder andern Lesegesellschaft keinen weitern Antheil zu nehmen, auch kein anderweitiges Buch zur Lectüre zu leihen, ohne vorher darüber den Vorsteher des Lesecirkels consultirt zu haben“ (1791, S. 23). Jedes entliehene Buch sollte mindestens 14 Tage lang bei einem Leser bleiben. Flüchtig gearbeitete Aufsätze wurden zurückgegeben und die Verfasser aufgefordert, diese umzuarbeiten und das entsprechende Buch erneut zu studieren. Mitglieder: 1791 hatte die Lese-Gesellschaft 50 Mitglieder. Sie war anfänglich „auf alle Classen unserer gelehrten Schule ausgedehnt“ (1791, S. 20); ab 1788, seit E. J. Koch dieser Einrichtung vorstand, wurde sie „nur auf die 3 ersten rhetorischen Classen und allenfalls auf die fähigsten und geschicktesten Mitglieder der vierten Classe dieser Disciplin eingeschränkt“. „Die Mitglieder der genannten Classen sind eben dadurch Mitglieder des Leseinstitutes, und müssen ihren Beruf in demselben mit demselben gewissenhaftesten Fleiße, den sie jeder andern öffentlichen Lection 133

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

schuldig sind, abwarten“ (1791, S. 21). Namentlich lobend hervorgehoben werden 1791 die Primaner Knoblauch (danach Student in Halle), Schitting, Pelkmann, Nüske, Franz Arnold Halfmann, Lindes, Meyer; die Sekundaner Carl Friedrich Becker, Heinrich Daniel Bierdemann (später Student der Rechte in Halle), Hecker I, August Theodor Kummer (später Student der Theologie in Erlangen), Friedrich Heinrich Tubenthal, Friedrich Heinrich Rauhe (später Student der Rechte in Halle); die Tertianer Johann Carl Homann (später Student der Theologie in Halle) und Kienig III (Eleve beim königl. Bauamt), v. d. Graaff I, Carl Wilhelm Ludewig Berg (später Student der Rechte in Halle); die Quartaner Zernik und Hecker II. Die meisten davon nahmen auch an Kochs Stylübender Gesellschaft teil. Bibliographie: 1) Schulschriften: Gedanken über die zweckmäßigste Methode, junge Leute auf Schulen öffentlich zu prüfen. Womit zu der öffentlichen Prüfung und Redeübung, welche am 28sten und 29sten April in dem Pädagogium der hiesigen Königl. Realschule veranstaltet werden soll, alle Gönner und Freunde des Schulwesens ehrerbietigst einladet Andreas Jakob Hecker, Direktor der Königlichen Realschule. Berlin 1791, S. 17– 23. – Johann Elias Silberschlags Charakter, als theoretischer und praktischer Schulmann. Womit zu der öffentlichen Prüfung und Redeübung welche am 20sten und 23sten April in dem Pädagogium der hiesigen Königlichen Realschule veranstaltet werden soll, ehrerbietigst einladet Andreas Jakob Hecker, Königlicher Ober-Consistorial-Rath und Direktor der sämmtlichen Anstalten der Königlichen Realschule. Berlin 1792, S. 25. – Nachricht von der Verbindung des Unterrichts in den alten Sprachen mit dem in der Muttersprache

für die erste Classe des Pädagogiums. Womit zu der öffentlichen Prüfung und Redeübung welche am 12ten und 15ten April in dem Pädagogium der hiesigen Königlichen Realschule veranstaltet werden soll, ehrerbietigst einladet Andreas Jakob Hecker, Königlicher OberConsistorial-Rath und Direktor der vereinten Anstalten der Königlichen Realschule. Berlin 1793. – 2) Druckschriften von Erduin Julius Koch: Compendium der Deutschen Literatur-Geschichte von den ältesten Zeiten bis auf das Jahr 1781. Berlin 1790 (2., verm. u. berichtigte Ausg. u. d. T. Compendium der deutschen Literatur-Geschichte von den ältesten Zeiten bis auf Lessings Tod. 2 Bde. Berlin 1795–1798 [= Grundriß einer Geschichte der Sprache und Literatur der Deutschen von den ältesten Zeiten bis auf Lessings Tod]). – Hodegetik für das Universitäts-Studium in allen Facultäten. Berlin 1792. – System der lyrischen Dichtkunst in Beispielen. Berlin 1792. – Abschieds-Rede von seinen Schülern auf dem Königlichen Pädagogium zu Berlin. Berlin 1793. – Encyclopädie aller philologischen Wissenschaften, für Schulen und Selbst-Unterricht. Völlig umgearb. aus Johann Georg Sulzers Kurzer Inbegriff aller Wissenschaften. Abt. 1. Berlin 1793. – Ueber Deutsche Sprache und Litteratur. Ein Aufruf an sein Vaterland. Nebst einer ausführlichen Nachricht von dem öffentlichen Aufritte der Gesellschaft Deutscher Sprach- und Litteratur-Forscher zu Berlin. Berlin 1793. – 3) Forschungsliteratur: Martin, Dieter: Artikel „Koch, Erduin Julius“. In: Internationales Germanistenlexikon, Bd. 2. Berlin 2003, S. 964–966. – Meves, Uwe: Zur Rezeption der altdeutschen Literatur an den Gelehrtenschulen in Preußen am Ausgang des 18. Jahrhunderts. In: Mittelalter-Rezep­ tion. Ein Symposion. Hg. v. Peter Wapnewski. Stuttgart 1986, S. 473–498, hier: 479–487.

Uta Motschmann unter dankbarer Benutzung der Forschungs­ ergebnisse von Uwe Meves

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2.6  Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur–Forscher zu Berlin [GDSF]

Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur–Forscher zu Berlin [GDSF] Name: (Gelehrte) Gesellschaft für deutsche Sprache und Literatur (1792); Gesellschaft Deutscher Sprachforscher zu Berlin; Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin (1793); Deutsche Gesellschaft zu Berlin (1794). Gründung: 1788. Erstes Auftreten in der Öffentlichkeit: 1792. Bestand: Letzte Erwähnung: 1794. Sitz: Berlin, bei der Georgenkirche (Pfarrhaus der Eltern von Erduin Julius Koch). Programm: Die GDSF setzte sich zum Ziel, die Zusammenarbeit der Gelehrten bei der Erforschung der deutschen Sprache und Literatur zu befördern, bisherige Kenntnisse von gedruckten und ungedruckten Sprachund Literaturdenkmälern zu revidieren, neue Quellen zu entdecken, zu erschließen, bibliographisch zu verzeichnen und bekannt zu machen. Diese Ziele waren zu hoch gesteckt. Die Arbeit der zukunftsweisenden Gesellschaft kam über einen Anfang nicht hinaus. Geschichte: Die GDSF wurde 1788 in Berlin gegründet. „Mehrere hiesige und auswärtige Philologen und Literatoren, welche das Studium der bedeutendsten Sprachen und Literaturen seit Jahren als Ihr Lieblingsgeschäft getrieben hatten, [wurden] veranlasst, sich zu einer gesellschaftlichen Verbindung zu vereinigen“, heißt es im zweiten Teil der programmatischen Schrift Über Deutsche Sprache und Literatur. Ein Aufruf an sein Vaterland (Koch1, S. 17), die im Frühjahr 1793 bei dem Buchhändler Friedrich Franke auf der Schlossfreiheit in Berlin mit dem weiterführenden Titel

Ausführliche[ ] Nachricht von dem öffentlichen Auftritte der Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin erschien. Nach einer Bibliotheksreise war dem jungen Gelehrten Erduin Julius Koch klar geworden, dass am Anfang einer Erforschung der deutschen Sprache und Literatur analog zu den

klassischen Philologien die Sichtung der bisherigen Kenntnisse stehen müsse. „Es wurden deswegen alle bis dahin vorhandenen zerstreueten Beyträge und die eigentlichen Quellen und Hülfsmittel für jenes Fach mehrere Mahle von Mehreren durchgelesen und excerpirt, die Sprachdenkmale nebst den undeutschen Quellen der Deutschen Literaturgeschichte kritisch untersucht und interpretirt, und über diese gemeinsame Bemühungen wurden mündliche und schriftliche Unterredungen gehalten“ (Koch1, S. 17). Über die Teilnehmer der Gespräche, also der Mitglieder, ist nichts überliefert. Dann fährt Koch fort: „Die erste Frucht dieser Vereinigung war das Compendium der Deutschen Literaturgeschichte von E. J. Koch, Berlin 1790. 8°. Dieses Werke sollte ein möglichst vollständiges und genaues Repertorium der Deutschen Sprache und Literatur-Geschichte von den ältesten Zeiten bis auf das Jahr 1781, d. h. bis auf des großen Lessings Tod, und zugleich ein Vorläufer seyn von speciellern Untersuchungen über alle Gegenstände jenes Faches, welche eben wegen ihrer Spezialität anziehender und genugthuender werden können“ (Koch1, S. 17 f.). Für Koch stand die Bibliographie am Anfang der Forschung. Für seine Bemühung, sein Werk – der 1. Band erschien 1795 in zweiter Auflage, der 2. Band erst 1798 – als Leistung seiner Gesellschaft zu verstehen, gibt es in den Vorworten keine Hinweise. Das bahnbrechende Compendium mit dem Nebentitel Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung ist der Vorläufer von Karl Goedekes gleichnamigem Werk von 1859–1881. – Zwei Jahre später war für Koch „der glückliche Zeitpunct da, um aus der mehrjährigen Verborgenheit hervortreten zu können“ (Koch2, S. 91). Ein erster Oeffentlicher Auftritt einer neuen Deutschen Sprachgesellschaft erschien 1792 im 2. Semester von Kochs kurzlebiger Halbjahrszeitschrift Literarisches Magazin für Buchhänd135

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

ler und Schriftsteller, oder Sammlung von Vor- Sprache und Literatur mit aller Strenge forschlägen und Entwürfen zu Büchern, die bisher dern kann“ (Koch2, S. 93). Aber es blieb bei noch nicht geschrieben und verlegt worden sind der Ankündigung; die Zeitschrift ist nicht er(Koch2, S. 90–94). In erweiterter Form steht schienen. Sie wäre das erste Fachorgan eider Text 1794 in der hier eingangs genannten ner Germanistik gewesen, die es dem Namen Denkschrift Für Deutsche Sprache und Litera- nach noch nicht gab. Eben so wenig wurde tur. Ein Aufruf an sein Vaterland. Nach Koch die ebenfalls im Literarischen Magazin vorhätten sich die Mitglieder schon vor fünf Jah- geschlagene Preisaufgabe eingelöst. Ausgeren zusammengeschlossen, „um auf ein kri- schrieben war ein Wörterbuch der ostfräntisches Studium der Deutschen Sprache und kischen Sprache. Auch zu einem angekünLiteraturgeschichte bey Ihrer Zeitgenossen- digten Briefwechsel kam es nicht. Nur eine schaft zu wirken, und dazu es für nöthig [ge- Veröffentlichung brachte die Gesellschaft unhalten], zuvor selbst dieses Studium Jahre lang ter ihrem Namen heraus: Für deutsche Sprache, zu treiben, ehe sie öffentlich mit der Miene zu Literatur und Cultur-Geschichte. Eine Schrift solchen Entschlüssen und Wirkungen aufträ- der Deutschen Gesellschaft zu Berlin. Herausten“ (Koch1, S. 18 f.). Koch fährt fort: „Der gegeben von J. F. A Kinderling, J. P. WillenbüHauptzweck, welche wir in dieser Verbin- cher und E. J. Koch. Berlin: Nauck 1794. Diedung zu erreichen hoffen, sind Revision der se „Gesellschaftsschrift“ (Kinderling) vereibisherigen Bemühungen für Deutsche Spra- nigte nach einem einleitenden Aufsatz Teutche und Literatur und Versuche ganz neuer, sches Volk, teutsche Sprache des damaligen bisher noch nicht geahndeter Entdeckungen Mainzer Koadjutors Carl Theodor v. Dalin diesen Fächern. Die Mittel, welche wir zur berg vier Beiträge: Johann Peter WillenbüErreichung dieser Absichten anwenden wer- cher hatte vor seinem Tode brandenburgische den, sind: 1) Eine Vierteljahrschrift, welche Urkunden ediert, Erduin Julius Koch gab eiauf Kosten der Gesellschaft gedruckt, und zur nen Lobgesang des Neides von Martin Opitz Unterhaltung derselben öffentlich verkauft heraus und teilte einen Brief aus Italien mit, wird. / 2) Preisaufgaben, welche die Gesell- den er 1790 von Georg Ernst Waldau erhalschaft jährlich bekannt machen wird. / 3) Ein ten hatte. Die einzige wichtige Abhandlung rascher und ununterbrochener Briefwechsel, steuerte Johann Friedrich August Kinderling welchen die Gesellschaft auf ganz eigene Kos- bei: einen Literaturbericht zur plattdeutschen ten nach den fernsten Gegenden Deutschlan- und niedersächsischen Sprache. Eine Fortsetdes und des Auslandes führt“ (Koch1, S. 19 f.). zung mit Beiträgen zur deutschen Sprache und Literatur wollten Kinderling, Daniel JeDie Zeitschrift hatte Koch in seinem ge- nisch und Koch 1795 herausgeben. Sie kam nannten Magazin angekündigt als: Viertel- nicht mehr zustande. Seit 1795 gab es keijahrsschrift für Deutsche Sprache und Litera- ne Nachrichten mehr über die Gesellschaft. tur. Herausgegeben von der Gesellschaft Deut- Am 3. März 1796 schrieb Kinderling an Ernst scher Sprach- und Literaturforscher zu Berlin Theodor Langer in Wolfenbüttel: „Von Koch (Koch2, S. 92–94). Er hatte strenge Vorsät- ist seit fast einem Jahre stille […]. Vielleicht ze, „dass kein Mitarbeiter und noch weni- hat seine junge Frau alle seine Luftschlösser ger ein Gesellschaftsmitglied zugelassen wer- zerstört“ (Herzog August Bibliothek Wolfenden wird, von welchem man nicht nur eine büttel, Hss. Bibliotheksarchiv). kritische Kenntnis und Fertigkeit der Deutschen Sprache und Literatur, sondern auch Struktur und Organisation: Auch wenn eine mehr als oberflächliche und historische nicht eindeutig festzustellen ist, ob die GDSF Kenntnis der Griechischen und Römischen tatsächlich handelte, so ist doch die Organisa136

2.6  Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur–Forscher zu Berlin [GDSF]

Abb. 21  Gedrucktes Einladungsformular von Erduin Julius Koch an Christoph Friedrich Nicolai, Berlin, 29. März 1793 [mit Anmerkung Nicolais: „Ich kann und mag mit beid. nichts zu thun haben“]; SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Nicolai, Bd. 41, Bl. 215.

tion, wie sie Koch in seiner Schrift Für Deutsche Sprache und Literatur darstellt, mitteilenswert. Danach wurde die Gesellschaft geleitet von einem „Vorsteher“, der auch „Geschäfts-

verweser“ genannt wird. Sie setzte sich zusammen aus Mitgliedern, Mitarbeitern und aus Mitgliedern & Mitarbeitern. Die Gesellschaft führte wöchentliche Sitzungen durch 137

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

und baute eine Gesellschaftsbibliothek auf. großen Aufgaben, die er vor sich sah, war Die Mitglieder unterstützten die Aufgaben er psychisch nicht gewachsen. Er verfiel eider Gesellschaft durch Mitarbeit und durch ner unheilbaren Trunksucht, wurde schließfinanzielle Zuwendungen. Aus den Aufgaben lich 1810 entlassen, lebte dann in Breslau und ergeben sich die Pflichten und Rechte der starb am 21. Dezember 1834 in dem LandesMitglieder und Mitarbeiter: „a) Ein Mitglied armenhaus in Kreuzburg (Schlesien). – Der zahlt einen jährlichen Mitgliedsbeitrag, stif- junge Koch war in der Berliner Spätaufklätet Bücher für die Gesellschaftsbibliothek und rung ein erfolgreicher Pädagoge, zugleich erhält einen Anteil an jährlichen Einkünften. aber mit seinen Ideen, Plänen und VeröfEs nimmt, sofern ortsansässig, Anteil an den fentlichungen ein bewundernswerter Vor­ wöchentlichen Sitzungen, erwirbt Bücher für läufer in der systematischen Erforschung der die Gesellschaftsbibliothek, erforscht in „aus- deutschen Sprache und Literatur, ein leidenwärtigen Bibliotheken […] Incunabeln und schaftlicher, oft exzentrischer Verfechter eiManuscipte“. / b) Ein Mitarbeiter der Vier- ner zu begründenden Fachwissenschaft, der teljahrschrift erhält ein Honorar. / c) Ein „deutschen Philologie“ (Koch2, S. 90), die Mitglied, das zugleich Mitarbeiter ist, „kann sich erst 30 Jahre später konstituierte. Er ist seine Beyträge an Geld und Büchern gleich- nicht als Bibliograph, sondern vor allem als sam als ein Darlehn ansehn, welches er von vielseitiger Projektemacher in die Wissender Gesellschaft theils verzinset, theilweise schaftsgeschichte eingegangen. Seine Gesellwieder ersetzt erhält“. schaft Deutscher Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin war einer seiner genialen Pläne. – b) Mitglieder: a) Der Stifter: Erduin Julius Einzelmitglieder: Die Namen der Mitglieder Koch, der sich 1792 als „Stifter der Gesell- sind nicht überliefert. Mit einiger Sicherheit schaft“ bezeichnete, wurde am 13. Juni 1764 kann man annehmen, dass sich folgende Perals Sohn des Pastors Johann Christian Koch in sonen der Gesellschaft zugehörig verstanden: Loburg bei Magdeburg geboren. Er besuch- Groskurd, Christian Heinrich (1747–1806), te das Joachimsthaler Gymnasium Berlin, wo Rektor des Gymnasiums Stralsund; Jenisch, inzwischen der Vater Prediger an der Geor- Daniel (1762–1804), Schriftsteller und Predigenkirche war, und studierte danach an der ger an der Nicolaikirche in Berlin; KinderUniversität Halle Theologie, aber auch klas- ling, Johann Friedrich August (1743–1807), sische Philologie bei Friedrich August Wolf. Pastor in Calbe bei Magdeburg, Sprachfor1787–93 war er Lehrer am Pädagogium der scher; Wallenius, Jakob (1761–1819), PriRealschule in Berlin, unterrichtete griechi- vatdozent für griechische Sprache und Lische und lateinische Literatur und hielt auch teratur an der Universität Greifswald, MitVorlesungen über deutsche Sprache und Li- glied seit 1793; Willenbücher, Johann Peter teratur. Zu seinen Hörern zählten Wilhelm (1748–1794), Lehrer der schönen WissenHeinrich Wackenroder und Ludwig Tieck. schaften am Rittercollegium Brandenburg an Koch, der literarhistorische und pädagogische der Havel. Auch Carl Theodor v. Dalberg ist Bücher und Aufsätze veröffentlichte, promo- im Umkreis der Gesellschaft zu sehen. vierte 1794 in Wittenberg mit einer Dissertation De historia poeseos lyricae Germanorum, Fazit: Die GDSF war ein erfolgloser Verseiner letzten wissenschaftlichen Arbeit. Seit ein, der sich in der Spätaufklärung die Er1791 im kirchlichen Dienst, war er seit 1792 forschung der deutschen Sprache und LiteraHilfsprediger, seit 1798 Diakon an der Ma- tur zur Aufgabe machte, die in dieser Form rienkirche in Berlin. Er heiratete am 16. Juli zwischen Utopie und Wirklichkeit bis heu1795 die Tochter des Kriegsrats Randel. Den te nicht verwirklicht wurde. Er ist das Werk 138

2.6  Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles [GStyl]

eines ideenreichen, patriotischen, aber labilen, sich selbst überschätzenden Gelehrten, der in jungen Jahren Bahnbrechendes geleistet hat, dem es aber nicht gelang, seine zukunftsträchtigen Ideen in sichere Bahnen zu lenken. Querverweise auf andere Vereine: Vgl. Kochs zweite Vereinsgründung 1791/92 

Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles sowie die 1815 gegründete  Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache. Bibliographie: 1) Archivquellen: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Bibliotheksarchiv (Briefe von J. F. Kinderling an E. Th. Langer). – SBB PK, Nachlass Nicolai, Bd. 41 (Brief Kochs an Nicolai vom 29. März 1793). – 2) Gedruckte Quellen: [Koch1] = Koch, Erduin Julius: Ueber Deutsche Sprache und Literatur. Ein Aufruf an sein Vaterland. Nebst einer ausführlichen Nachricht von dem öffentlichen Auftritte der Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur-Forscher zu Ber-

lin. Berlin 1793. – [Koch2] = Koch, Erduin Julius: Öffentlicher Auftritt einer neuen deutschen Sprachgesellschaft. In: Literarisches Magazin für Buchhändler und Schriftsteller [Jg. 1], 2. Semester, 1793. – Für Deutsche Sprache Litteratur und Cultur-Geschichte. Eine Schrift der deutschen Gesellschaft zu Berlin. Hg. v. M. Joh. Fr. Aug. Kinderling, Johann Peter Willenbücher, M. Erduin Julius Koch. Berlin 1794. – 3) Forschungsliteratur: Martin, Dieter: Art. „Koch, Erduin Julius“. In: Internationales Germanistenlexikon, Bd. 2. Berlin 2003, S. 964–966. – Meves, Uwe: Zur Rezeption der altdeutschen Literatur an den Gelehrtenschulen in Preußen am Ausgang des 18. Jahrhunderts. In: Mittelalter-Rezeption. Ein Symposion. Hg. v. Peter Wapnewski. Stuttgart 1986, S. 473–498, hier: 479–487. – Raabe, Paul: Erduin Julius Kochs Pläne zur Erforschung der deutschen Sprache und Literatur. In: Studien zur deutschen Literatur. Festschr. f. Adolf Beck zum 70. Geburtstag. Hg. v. Ulrich Fülleborn und Johannes Krogoll. Heidelberg 1979, S. 142–157.

Paul Raabe

Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles [GStyl] Name: Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles; Stylübende Gesellschaft; Stylübendes Institut; Litterarische Gesellschaft. Gründung: 29. August 1789 (Stiftungstag). Bestand: Es ist unklar, wie lange die Gesellschaft existierte. Vermutlich verlor sie mit dem Weggang von Erduin Julius Koch von der Schule im Frühjahr 1793 ihre tätige Leitfigur. Sitz: Pädagogium der Königlichen Realschule. – Die Zusammenkünfte fanden anfangs in der Wohnstube des Schülers Schitting statt; nach dessen Abgang auf die Universität stellte der Schuldirektor Hecker ein eigenes Zimmer in seiner Amtswohnung in der Kochstraße zur Verfügung.

Geschichte und Programmatik: Die „stylübende Gesellschaft“ geht auf eine Idee Erduin Julius Kochs zurück, die er während seiner Lehrtätigkeit an der Königl. Realschule zu verwirklichen suchte. Er fand hier gute Ausgangsbedingungen und vielfache Unterstützung, besonders durch den Direktor Andreas Jakob Hecker. Kochs Bemühen stand im Zusammenhang mit seinen zahlreichen germanistischen Aktivitäten, zu denen die Gründung der  Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin und die Planung eines wissenschaftlichen Fachorgans gehörten, wie auch seine  Lesegesellschaft auf dem Päda­gogium der Königlichen Realschule. Wie letztere war auch die Stylübende Gesellschaft 139

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

für die Schüler (hier speziell für die Primaner) des Pädagogiums bestimmt, an dem Koch von 1786 bis 1793 als Lehrer der Griechischen und Lateinischen Sprache und der Deutschen Literatur tätig war. Die Wurzeln für Kochs „weit ausgreifende[ ] Beschäftigung mit der deutschen Sprach- und Literaturgeschichte“ liegen in seiner Schulzeit am Joachimsthalschen Gymnasium (Meves1, S. 479). Koch war ein Schüler von Christoph Heinrich Müller, der, von Bodmer in Zürich ausgebildet, als einer der Ersten altdeutsche Dichtungen herausgegeben und die mittelalterliche Literatur wohl auch in seinen Unterricht am Joachimsthalschen Gymnasium einbezogen hat. „Von Koch erfahren wir, daß er durch ‚Beispiel und Zureden‘ seines Lehrers Müller […] aufgemuntert, das Studium der deutschen Sprache aus ihren Quellen von den ältesten Zeiten unserer Nationalexistenz an bis auf die neuesten Classiker derselben‘ aufgenommen habe“ (Meves1, S. 476 f.; darin zitiert: Andreas Jakob Hecker: Schulschrift 1793, S. 7). Wesentliche Einflüsse zur Gattungspoetik kamen des Weiteren von seinen anderen Lehrern Johann Heinrich Ludwig Meierotto und Johann Jakob Engel. Während seines Studiums der Theologie in Halle hatte sich Koch auch in besonderem Maße mit der klassischen Philologie Friedrich August Wolfs beschäftigt und schließlich den Magister an der Universität Wittenberg mit der Schrift De historica poeseos lyricae Germanorum erworben. Während seiner anschließenden Lehrtätigkeit setzte Koch die Anregungen Müllers fort, die Werke der Muttersprache als literarische oder sprachgeschichtliche Zeugnisse einer bestimmten literarischen Epoche zu begreifen, und sie nicht nur „als Hilfsmittel für die Einübung rhetorischer Fertigkeiten“ zu gebrauchen. War Müller für seine Samlung deutscher Gedichte von Friedrich II. noch geschmäht worden, wurde nun Deutsche Literatur erstmals im Unterricht vermittelt. Unter dem Direktorat Andreas Jakob Heckers wurden an der Realschule „die Classiker der Nation“ gelesen, „welcher man 140

noch vor ebenso langer Zeit aller Fähigkeit zu einer gewissen Klassizität absprach; eine solche philosophischbestimmte und dichterischschöne Sprache verdienet doch wohl das würdigste Gegenbild von den alten Sprachen zu seyn“. Der „deutsche Jüngling“ sollte „keine Sprache mit gleichem anhaltenden Fleiße und mit gleicher Gründlichkeit in allen ihren Theilen und Rücksichten neben den alten Sprachen studiren, als gerade diese“ (Schulschrift 1791, S. 6). Als Lehrer der deutschen Klassen erarbeitete Koch im Auftrag Heckers einen entsprechenden Plan zur Erreichung dieses Zweckes: „1. Er suchte seine Lehrlinge mit den verschiedenen Gattungen des Styls und mit den besondern Eigenschaften jeder besondern Gattung theoretisch und praktisch bekannt zu machen. / 2. Mittel zum Zweck waren ihm: / a. schriftliche Aufsätze, welche er selten in der Classe selbst verbesserte, öfter sie von den Mitschülern des jedesmaligen Verfassers schriftlich und mündlich censiren ließ, und am häufigsten sie selbst zu Hause bis ins kleinste Detail schriftlich corrigirte, und mit einem allgemeinen schriftlichen Urtheil begleitete. / b. Theoretischer Unterricht, bei welchem er weder dictirte noch aus einem Lehrbuche vordocirte, sondern seine eigenen Ideen auf eine katechetische Art und bei den vielfachsten Anlässen, welche ihm entweder die bevorstehenden Themata, oder die schon schriftlich corrigirten Aufsätze oder andere Umstände hergaben, mit seinen Schülern verarbeitete. / c. Lectüre und Declamation Deutscher Classiker, welche zuvor, wie er dieses beim Homer, Horaz und Cicero in den ersten Classen des Unterrichts in den alten Sprachen zu thun gewohnt gewesen war, grammatischkritisch und ästhetisch zugleich so interpretirt wurden, daß das gehörige Verhältniß zwischen Idee und Sprache und Ausdruck der Nachempfindung dem gemeinsten Schüler noch vor der eigentlichen Declamation deutlich und leicht zu beobachten werden mußte. / d. Uebung im mündlichen extemporellen Vortrage. Hier konnte er es, weil er theils nicht dieselben guten und fähigen

2.6  Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles [GStyl]

Schüler lange genug bei sich behielt, theils rische Poesie als die älteste und festeste Grundselbst nicht lange genug mit dieser Classe in lage aller übrigen Gattungen für den ersten Verbindung blieb, nur dahin bringen, daß er Anfang wählte. Hülfsbuch war ihm hier sein jeden Lehrling, dem er irgend ein Stück un- System der Lyrischen Dichtkunst in Beispielen, vorbereitet zu interpretiren auftrug, frei und Berlin 1792. Bei der Entwickelung dieser BeiAllen sichtbar auftreten und einen mündlichen spiele ließ er den Schüler selbst würken, und Vortrag über ein ihm vorher ungelesenes und dadurch erhielt ihr Geschmack Festigkeit und unbekanntes Dichterstück halten ließ. / 3. ihre Seele eine gewisse Behülflichkeit, welche Alle diese Mittel griffen unter dieser zweck- selbst in spätern Jahren noch wohl thut. / 5. mäßigen Leitung so in einander, daß die An- Indem er die so erklärten Beispiele von den wendung des einen durch die des andern vor- Schülern zuweilen auswendig lernen ließ, um bereitet und erleichtert wurde. Sie waren ver- mit Mienenspiel und Gebehrdensprache zueint harmonische Theile eines Ganzen, und gleich declamiren zu können (welches beim konnten so eine Bildung der Jünglinge erzeu- Declamiren aus dem Buche nicht thunlich ist), gen, welche Einheit und Schöne und Gründ- so wurden Theorie der schönen Künste und lichkeit zugleich als ihre Hauptvorzüge aufge- ihre äußere Praxis, nebst der Kunst gut zu lewiesen haben. / 4. Weil ein fremdes Lehrbuch sen innigst vereinigt. / So wurde in der ersten dem selbstthätigen Geiste nicht die ihm ange- deutschen Classe verfahren [in der ersten Klasmessenen Dienste leistet, so suchte er einem se verweilten die Schüler 2 bis 4 Jahre], und eigenen von ihm in strenger Hinsicht auf seine dabei eben so sehr auf den Geist der Griechijedesmaligen Schüler angelegten und durch- schen und Römischen Sprache und Literatur dachten Plan zu folgen. Er bemühte sich in Rücksicht genommen, als dieses in einem umdiesem Plane, nicht bei den äußern Formen gekehrten Verhältnisse beim Unterricht in den des Styls, z. B. Briefstyl, Gesprächstyl u. s. w. alten Sprachen, in Beziehung auf die Mutterstehen zu bleiben, sondern in das Wesen jedes sprache, geschahe“ (Schulschrift 1793, S. 8–11). Styls d. h. in die dabei concurrirenden Ideen Die Fortsetzung und Vertiefung dieses Unterund Empfindungen einzudringen. Diesen richts erfolgte in der stylübenden Gesellschaft. Plan hat er in seiner Hodegetik für das Univer- Den ersten Anlass zu deren Einrichtung habe sitätsstudium in allen Facultäten, Berlin 1792, „die theologische Encyklopädie, welche in weiter ausgebildet, und allen reifen Studiren- dem Winterhalbenjahre 1788 und 89“ von den zur Befolgung empfohlen. Diesen Plan Koch vor den Primanern vorgetragen wurde, suchte er nicht durch demonstrirte Regeln gegeben. „Es wurde nemlich in dieser Lection und durch Beispiele, welche die vorhergegan- den damaligen Abiturienten ein Plan mitge­ gene Demonstration zu illustriren pflegen, theilt, nach welchem sie sich auf der Universisondern durch zweckmäßige Entwickelung tät mit noch einigen Studirenden aus den verder Regeln aus vorher kennen gelernten Bei- schiedensten Facultäten vereinigen möchten, spielen zu realisiren. In der Anreißung und um wöchentlich zu und in einer bestimmten Durchnahme dieser Beispielstheorie verfuhr er Zeit über alle diejenigen wissenschaftlichen nicht nach Maaßgabe der Vorzüglichkeit der Gegenstände, welche einen jeden Freund des Stylgattungen, begann folglich nicht mit dem soliden Geschmacks und allgemeiner Bildung simpeln und bestimmten prosaischen Style, interessiren, sich mündlich und schriftlich zu um so bis zum höchsten lyrischen fortzuge- unterhalten. Auf die Zurückbleibenden jener hen; sondern er folgte umgekehrt diejenige Zuhörer scheint dieser Vorschlag tiefern und chronologische Ordnung, welche die Natur in wohlthätigern Eindruck gemacht zu haben, als allen Jahrhunderten und bei allen Nationen auf die damals zur Universität abgehenden. auch hier vorgezeichnet hat, indem er die Ly- Wenigstens vereinigten sich die erstern so141

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

gleich im folgenden Sommer zu einer solchen einem bestimmten Mitgliede auf eine Zeit von Gesellschaft. Sie wählten nicht den in jener vier Wochen durch die Mehrheit der Stimmen Lection vorgezeichneten Wirkungskreis, wel- übertragen wurde“ (Schulschrift 1791, S. 24– cher, außer den mündlichen und schriftlichen 25). [Die Wiedergabe der Quellen erfolgte in Verhandlungen über Geschichte jeder Art, dieser Ausführlichkeit, da dieselben kaum classische Philologie, Mathematik und Physik, noch zugänglich sind.] Koch führte diese ArPhilosophie und schöne Wissenschaften, auch beiten mit seinen Schülern bis Frühjahr 1793 noch ganz eigentliche Disputirübungen in fort. Mitte April 1793 ging er von der Königdeutscher und lateinischer Sprache und end- lichen Realschule ab, um ein Predigtamt an lich die gemeinsame Lectüre der vorzüglichs- der Marienkirche zu übernehmen. Er wurde ten gelehrten Zeitungen, verbunden mit der mit großem Lob von der Schule verabschiedet: hierdurch veranlaßten mündlichen Unterre- „Sein Andenken wird allen seinen gewesenen dung, enthielt. Sie machten vielmehr die Aus- Schülern, die ihn nicht nur wegen seiner ausbildung des deutschen Styls zu dem Haupt- gebreiteten Kenntnisse, sondern auch wegen zwecke ihrer vereinigten Bemühungen. Zur seines durchaus rühmlichen und thätigen EiErreichung dieses Zweckes ward festgesetzt, fers ihnen nützlich zu werden, innigst gedaß jedes Mitglied an jedem Dienstage einen schätzt und geliebt haben, und die ihm so viel Aufsatz einreichen sollte, den ein anderes be- verdanken, stets unvergeßlich bleiben“ (1793, urtheilen mußte, und noch ein anderes nahm S. 16). Seine Zeit an der Realschule war hinalsdann eine nochmalige Revision des Aufsat- sichtlich seiner Bemühungen um die deutsche zes und der über ihn gelieferten Recension Sprache und Literaturgeschichte die produkvor. An jedem Sonnabende, dem ein für alle tivste. Auf Dauer konnte er jedoch die selbstMahle bestimmten Versammlungstage der Ge- gestellten Ansprüche und Ziele nicht erfüllen; sellschaft, wurden die Aufsätze und deren zahlreiche seiner Projekte blieben unausgeschriftliche Beurtheilungen von den Verfas- führt. Wenige Jahre später wird er wegen seisern und Recensenten vorgelesen, und das nes Alkoholismus aus dem Kirchendienst entWeitere darüber mündlich verhandelt. Die Ge- lassen. Obwohl er danach in der wissenschaftgenstände der Aufsätze waren bisher philoso- lichen Öffentlichkeit verstummte, wirkten seiphischen, historischen und belletristischen In- ne Bemühungen um die deutsche Sprach- und halts. Die Einkleidung war gewöhnlich Prosa, Literaturgeschichte durch einige seiner Schüler selten metrischer Vortrag. Um den jedesmali- nach. „Sein bekanntestes Werk, das Compengen Recensenten irgend eines Aufsatzes vor dium der Deutschen Literatur-Geschichte von jeder Einschränkung zu sichern, wurden sol- den ältesten Zeiten bis auf das Jahr 1781 bildeche Anstalten getroffen, daß der Verfasser nie te die ‚wissenschaftliche Grundlage für die vorher es erfahren konnte, wer seine Arbeit Germanistik der Romantik‘“ (Meves1, S. 480; beurtheilen würde. Auch wurden zur Verhü- darin zitiert: Robert F. Arnold: Allgemeine tung dieser und ähnlicher Anomalien namhaf- Bücherkunde zur neueren deutschen Literate Strafen bestimmt, welche durch die vorher- turgeschichte. 3. Aufl. Berlin und Leipzig gegangene Abrede und Uebereinkunft aller 1931, S. 86). Mitglieder die unverbrüchlichste Sanction erhalten hatten. Um endlich jedesmahl, wenn es Struktur und Organisation: Die Zusammennöthig war, eine allgemeine Uebersicht der künfte fanden wöchentlich unter der Leitung gesellschaftlichen Producte zu haben, ward von Koch statt. Ab 1791 standen sie unter der gleich Anfangs ein Journal angelegt, dessen speziellen Aufsicht des Direktors Hecker, der Aufsicht zugleich mit der wöchentlichen Ver­ die Gesellschaft auf verschiedene Weise zu untheilung der Aufsätze an die Hauptrecensenten terstützen suchte. – Themen der Schüler142

2.6  Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles [GStyl]

Aufsätze (Auswahl): Ein Vorschlag von ei- terhaltung gehörten. Er machte zugleich bei nem jungen Patrioten der Gelehrtenrepub- dieser Wahrnehmung die richtige Bemerkung, lik (Knoblauch); Von dem Einflusse politischer daß Uebung im extemporellen mündlichen Begebenheiten in die Phänomene der litera- Ausdrucke ein noch immer zu sehr vernachrischen Welt (Schitting); In wie fern können läßigter Punct unsers Schul- und Universitätseingeführte Gebräuche unsere Handlungen Unterrichtes sei“ (Schulschrift 1791, S. 27 f.). lenken? (Nüske); Sollte es wohl besser seyn, – Preisaufgaben: Hecker lobt in der öffentlidie Todesstrafen ganz abzuschaffen? (Nüske); chen Jahresversammlung der Schule die GeWelches sind die Pflichten eines guten Ueber- sellschaft ausdrücklich und muntert „die vorsetzers? (Nüske); Vortheile und Nachtheile der trefflichsten Mitglieder für ihre gesellschaftliGeselligkeit in 2 Fortsetzungen (Nüske); Ist chen Bestrebungen durch besondere Prämien es recht, daß man Verbrecher in fremde Län- bei der öffentlichen Censur“ auf (1791, S. 28). der verweiset? (v. Einem); Ist Güte des Her- Entsprechend Heckers Ausführungen in der zens an Volk und Religion gebunden? (Pelk- Schulschrift 1792 erfuhr die GStyl unter Aufmann); Was ist deutscher Patriotismus? (Wie- sicht Kochs im vorangegangenen Jahr folgengensdorf); Ueber Findelhäuser (Wiegensdorf); de Veränderungen: „a) Die Gesellschaft, welGedanken über den Clavigo (Wiegensdorf). che aus neun der vorzüglichsten und geschick– „Wenn gleich diese Arbeiten keine Muster- testen Mitglieder des Pädagogiums besteht, ist stücke seyn können“, heißt es in der Schul- in drey Klassen getheilt worden – in die histoschrift 1791, „wenn sie gleich voll Verirrun- rische, philosophische und schönwissenschaftgen des jugendlichen, sich selbst eine Bahn su- liche. Jede hat ihren eigenen Plan und specielle chenden Verstandes seyn müssen; so sind sie Instruction schriftlich erhalten. Jedes Mitglied doch unleugbare Beweise der glücklichsten ist nach seinen Talenten und Bedürfnissen in Selbstthätigkeit von Jünglingen, die noch un- die eine oder die andere Klasse auf so lange ter der Bildung und Leitung ihrer Lehrer ste- Zeit gesetzt worden, bis es die ihm noch fehhen, und dabei nicht immer an dem Gängel- lende Bildung erhalten hatte, um in einer anbande des Classenunterrichts einherwanken dern dasselbe zu versuchen. Jeden Sonnabend wollen. Wie viele Seiten der öffentlichen Lec- Nachmittags haben sich sämmtliche Mitglietionen bleiben unvollendet, weil es an dieser der auf drey bis vier Stunden in meiner Amtseigenen ungeleiteten Thätigkeit der Schüler wohnung versammelt, und gemeinschaftlich selbst fehlt; und wie viele Seiten unsers Un- die eingelieferten Arbeiten jeder Klasse mündterrichts werden eben dadurch für die Lehrlin- lich und schriftlich beurtheilt. / b) Zur mehge anziehender und verständlicher, weil sie da- reren Ermunterung dieses Institutes habe ich her Stoff und nähern Aufschluß für ihre Pri- im vorigen Jahre einen Fonds zur halbjährivatthätigkeit nehmen können! Einer von den gen Preisvertheilung ausgemittelt und beLehrern unsers Pädagogiums hat einige Mahle stimmt. Die Preise bestehen aus Geldsummen, den Versammlungen dieser Gesellschaft beige- für welche sich der Sieger diejenigen Bücher wohnt, und die gerechteste und ungetheiltes- selbst anschafft, welche er sich wünscht, und te Freude über den guten Erfolg ihrer münd- deren er gerade bedarf. Das erste Thema, wellichen Unterhaltungen über ihre schriftlichen ches ihnen dazu gegeben wurde, war: Der Arbeiten empfunden. Einige sprachen mit vie- Charakter des Ritters Götz von Berlichingen ler Fertigkeit im richtigen und gefallenden mit der eisernen Hand. Sieger bey dieser PreisAusdrucke und in dem gemessensten Zusam- bewerbung waren für die Hauptpreise: Pelkmenhang ganz unvorbereitet über Gegenstän- mann und Uhde, und für das Accessit Becker de, die nicht etwa zu dem Kreise des gemei- und Hecker. Für das nächste Sommerhalbjahr nen Lebens und der gewöhnlichen Schülerun- ist folgende Aufgabe ihnen bekannt gemacht 143

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

worden: Welches sind die Theile der Deutschen Sprachwissenschaft, und warum muß der Deutsche diese mehr cultiviren, als jede fremde?“ (Schulschrift 1792, S. 27).

Universität gehen zu können); Heinrich Daniel Bierdemann, aus Berlin (später Student der Rechte in Halle); v. Einem; Franz Arnold Halfmann, aus Berlin; [Friedrich Heinrich?] Knoblauch; Lindes; Nüske; Pelkmann; [Johann Friedrich Wilhelm?] Schitting; Schmähling; A. E. D. Schneider, aus Berlin (später Student der Theologie in Königsberg); Uhde [dem späteren Kammerreferendar – nicht identisch mit dem Staatsrat Uhden (1763–1835) – stattet Koch in seinem Compendium seinen Dank für die Beschaffung zahlreicher „altdeutscher Drucke und anderer literarischer Seltenheiten“ ab ]; Wiegensdorf.

Mitglieder: Mitglieder waren ausschließlich Schüler des Pädagogiums der Königlichen Realschule unter Leitung des Lehrers Koch. „Die Zahl der Mitglieder war nie auf eine bestimmte Anzahl eingeschränkt, und mußte natürlich sehr abwechselnd seyn, da jährlich mehrere von den bisherigen die Universität bezogen. Ihre Wahl wurde bisher immer, so wie jede Angelegenheit der Gesellschaft, durch Stimmenmehrheit bestimmt. Am 29. August, dem Stiftungstage dieses Ins- Bibliographie: 1) Schulschriften: Gedanken tituts, waren die Mitglieder: Schitting, Knob- über die zweckmäßigste Methode, junge Leulauch, von Einem, Pelkmann und Nüske. te auf Schulen öffentlich zu prüfen. Womit Noch in demselben Jahre kamen Wiegensdorf zu der öffentlichen Prüfung und Redeübung, und Schmäling hinzu. Im Jahr 1790 gingen welche am 28sten und 29sten April in dem PäKnoblauch und von Einem auf die Univer- dagogium der hiesigen Königl. Realschule versität, und Schmäling verließ die Verbindung. anstaltet werden soll, alle Gönner und FreunStatt der Abgegangenen wurden Becker und de des Schulwesens ehrerbietigst einladet AnLindes aufgenommen; und in dem gegenwär- dreas Jakob Hecker, Direktor der Königlichen tigen Jahre traten Bierdemann, Halfmann und Realschule. Berlin 1791. – Johann Elias SilberUhde zur Gesellschaft hinzu. Von diesen Mit- schlags Charakter, als theoretischer und prakgliedern haben Schitting 13, Knoblauch 17, tischer Schulmann. Womit zu der öffentlichen von Einem 14, Pelkmann 11, Nüske 19, Wie- Prüfung und Redeübung welche am 20sten gensdorf 10, Schmäling 9, Becker 6, Lindes und 23sten April in dem Pädagogium der hie4, Bierdemann 3 Aufsätze in verschiedenen sigen Königlichen Realschule veranstaltet werFortsetzungen geliefert. Schittings, Knob- den soll, ehrerbietigst einladet Andreas Jakob lauchs und Pelkmanns Arbeiten zeichnen sich Hecker, Königlicher Ober-Consistorial-Rath vorzüglich durch gute Darstellung, diejenigen und Direktor der sämmtlichen Anstalten der dagegen, welche Nüske, v. Einem und Wie- Königlichen Realschule. Berlin 1792. – Nachgensdorf geliefert haben, durch Gründlich- richt von der Verbindung des Unterrichts in keit und Fleiß in Auffindung von Ideen aus“ den alten Sprachen mit dem in der Mutter(Schulprogramm 1791, S. 25 f.). Im Schuljahr sprache für die erste Classe des Päda­gogiums. 1791/92 bestand die Gesellschaft „aus neun Womit zu der öffentlichen Prüfung und Reder vorzüglichsten und geschicktesten Mit- deübung welche am 12ten und 15ten April glieder des Pädagogiums“ (Schulschrift 1792, in dem Pädagogium der hiesigen Königlichen S. 27). Jedes Mitglied des kleinen überschau- Realschule veranstaltet werden soll, ehrerbiebaren Kreises wurde individuell gefördert und tigst einladet Andreas Jakob Hecker, Königauf das anschließende Universitätsstudium licher Ober-Consistorial-Rath und Direkvorbereitet. – Einzelmitglieder: Carl Fried- tor der vereinten Anstalten der Königlichen rich Becker, aus Berlin (der beste der 1793er Real­schule. Berlin 1793. – 2) Druckschriften Abiturienten, aber zu arm, um sofort auf die von Erduin Julius Koch: Geschichte der Alt144

2.6  Griechische Gesellschaft [Graeca]

deutschen Sprache vom Verdunschen Vertrage an bis auf des Ungenannten Gedicht auf Karl den Großen nach seinem Compendium der Deutschen Literaturgeschichte entwickelt. In: Schulprogramm der Königl. Realschule von 1792. – Koch (Hg.): Literarisches Magazin für Buchhändler, Schriftsteller und Künstler oder Sammlung von Vorschlägen und Entwürfen zu Büchern, die bisher noch nicht geschrieben und verlegt worden sind. St. 1–2. Berlin 1792–93. – Compendium der Deutschen Literatur-Geschichte von den ältesten Zeiten bis auf Lessings Tod. Bd. 1, zweite vermehrte und berichtigte Ausgabe. Berlin 1795 (= Grundriß einer Geschichte der Sprache und Literatur der Deutschen von den ältesten Zeiten bis auf Lessings Tod, Bd. 1). Die erste Auflage erschien Berlin 1790 (noch ohne Reihentitel). Der zweite Band, zugleich Bd. 2 des „Grundrisses“, kam 1798 heraus. – 3) Forschungslite-

ratur: Martin, Dieter: Art. „Koch, Erduin Julius“. In: Internationales Germanistenlexikon, Bd. 2. Berlin 2003, S. 964–966. – [Meves1] = Meves, Uwe: Zur Rezeption der altdeutschen Literatur an den Gelehrtenschulen in Preußen am Ausgang des 18. Jahrhunderts. In: Mittelalter-Rezeption. Ein Symposion. Hg. v. Peter Wapnewski. Stuttgart 1986, S. 473–498, hier: 479–487. – [Meves2] = Meves, Uwe: Programmatische Ansätze zur Begründung einer wissenschaftlichen Disziplin „Deutsche Philologie“ in Berlin an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. In: Internationale sprachwissenschaftliche Konferenz. Sprache, Mensch und Gesellschaft – Werk und Wirkungen von Wilhelm von Humboldt und Jacob und Wilhelm Grimm in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Arwed Spreu in Zusammenarb. m. Wilhelm Bondzio. Teil II, Berlin 1986, S. 301–318.

Uta Motschmann unter dankbarer Benutzung der Forschungs­ergebnisse von Uwe Meves

Griechische Gesellschaft [Graeca] Name: Graeca; Griechheit; Griechische Gesellschaft; Griechischer Zirkel, Griechische Lese-Gesellschaft; Gesellschaft herodotliebender Freunde. Gründung: Ende des 18. Jahrhunderts; ein genaues Datum ist nicht bekannt. Bestand: Wie lange die Gesellschaft existierte, ist unbekannt. Die letzte Druckschrift stammt aus dem Jahr 1876; zu dieser Zeit soll die Gesellschaft noch in voller Blüte gestanden haben. Sitz: Die Zusammenkünfte fanden reihum in alphabetischer Reihenfolge in den Wohnungen der Mitgliedern statt. Geschichte und Programmatik: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fanden sich mehrere Kenner und Freunde der griechischen Sprache und Literatur in einer Griechischen

Gesellschaft, der sogenannten Graeca, zum Lesen und Übersetzen der antiken Texte und zum akribischen Studium der hellenischen Idiome zusammen. In den späteren Jahren betrieb man darüber hinaus auch Studien zur neuhochdeutschen Sprachforschung. Zu den ältesten Mitgliedern gehörten Ideler, Spalding, Buttmann, Heindorf und Boeckh, bald kamen Hirt, Schleiermacher, Süvern und Niebuhr hinzu. Barthold Georg Niebuhr nannte die Graeca eine „wahre kleine Akademie“ der klassischen Studien (An Dore Hensler, Berlin, 10. November 1810. In: Niebuhr, Bd. 2, S. 167, Nr. 357). Anspielend auf die Gelehrsamkeit der Mitglieder und deren zielstrebiges Arbeiten heißt es weiter: „Weniger Gewäsch und weniger Schläfrigkeit kann in einer gemischten Gesellschaft nicht leicht sein“ (An Dore Hensler, Berlin, 19. März 1811. In: 145

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

ebd., S. 193, Nr. 371). In den Zusammenkünften würde „wirklich viel Gelehrtes und Verständiges bei guter Laune und mit herzlichem Wohlwollen der Teilnehmenden gesprochen“ (An Dore Hensler, Berlin 27. Okt. 1810. In: ebd., S. 163). Ein Gründungsdatum für den kleinen Griechisch-Kreis ist nicht bekannt, wie es überhaupt schwierig ist, die Geschichte der Gesellschaft zu referieren, da keine Vereinsmaterialien überliefert sind. Die meisten Hinweise finden sich in einem 1861 gedruckten Manuskript des späteren Mitglieds Gustav Parthey, das jedoch bei Namensund Datums­angaben mitunter ungenau und fehlerhaft zu sein scheint. (In einer launigen Rezension der Schrift monierte Moriz Haupt 1862 in der Berlinischen privilegirten Zeitung denn auch: „Aber Kritik ist überhaupt des Verf. Stärke nicht. Er gleicht weit mehr dem Märchen erzählenden Herodot als dem prüfenden Thucydides“). Bereits Parthey wusste nichts Genaueres mehr über die Gründung des griechischen Zirkels und gibt diese vage mit Ende des 18. Jahrhunderts an. Die Graeca scheint sich aus kleinen Anfängen allmählich zu einem festen Kreis von Griechisch-Kennern, der Philologie und Geselligkeit zu verbinden suchte, entwickelt zu haben. Ihren Ursprung leitete die Gesellschaft aus der gemeinsamen Lektüre Spaldings und Idelers ab, die mittwochs und sonnabends in der Frühstunde von 6 bis 7 Uhr als „Urgriechen“ den Manilius lasen. Manilius, der auch Astrologe war und ein größeres, Astronomica genanntes Gedicht hinterlassen hat, war wahrscheinlich für den Astronomen Ideler von besonderem Interesse. Doch sind Zweifel an dieser Legende angebracht, denn warum sollte eine griechische Gesellschaft als erstes gerade einen römischen Dichter gelesen haben. Anders lauten die Erinnerungen Bekkers, wonach zuerst Buttmann und Spalding frühmorgens, vor ihren eigentlichen Berufsgeschäften, den Aristophanes studierten. („Mit Spalding wurde eine gemeinschaftliche Lesung griechischer Autoren verabredet, wozu ich an gewissen Ta146

gen zu ihm, der ein eignes Hauswesen hatte, Sommer und Winter in den ersten Frühstunden mich begab“, erinnert Buttmann in 43  f.). Diese Beseiner Selbstbiographie, S.  schäftigung stand wahrscheinlich im Zusammenhang mit Buttmanns Erarbeitung einer Griechischen Grammatik, deren erste kleinere Ausgabe 1792 erschien und in den folgenden Jahren stetig ergänzt und verbessert wurde. Um 1805/06 ging man zur Lektüre der Dichter Aratus von Soloi und Pindar über. Zu dieser Zeit fanden die Zusammenkünfte bereits Freitag abends in den Wohnungen der Mitglieder statt, wobei jeweils ein griechischer Schriftsteller gelesen und eigene Editions- und Übersetzungsarbeiten diskutiert wurden. Niebuhr hebt dabei die völlige Neidlosigkeit unter den Gelehrten hervor. Boeckh und Niebuhr behandelten besonders Alltagsfragen der Antike, denn diese sei nicht nur edle Einfalt und erhabene Form. Ab etwa 1810 widmete man sich intensiv der Lektüre des Herodot, des „Vaters der Geschichtsschreibung“, wofür spöttisch das Verb „herodoten“ geprägt wurde. „Zur ersten Lesung des Herodot brauchten die Urgriechen Heindorf, Hirt, Buttmann, Spalding, Ideler u. s. w. volle neun Jahre“ (Parthey, S. 9 f.). „Nicht zünftige Gelehrsamkeit wurde von den Eintretenden verlangt, aber Liebe zu den Alten und feiner Sinn für classische Bildung“ (Hertz, S. 211). Während des Vortrags hielt der Vorleser immer wieder inne, um Zeit für „Fragen über Construction, Apposition, Interpretation, Accentation“ zu lassen, „zu denen dann jeder noch seinen Senf an Sach- und Sprachbemerkungen beitragen konnte“ (Parthey, S. 9). 1813 wurde Immanuel Bekker, der bereits als 19-jähriger Student 1804 bei einer „Griechheit“ hospitiert hatte, Mitglied; 1854 feierte er sein 50-jähriges Mitgliedschafts-Jubliäum. Seit seinem Eintritt wurde auch der Schriftsteller und Geograph Pausanias studiert, dessen Beschreibung Griechenlands besonders für die Kunstgeschichte eine unschätzbare Quelle darstellt. Vermutlich beschäftigte man sich auch mit Quin-

2.6  Griechische Gesellschaft [Graeca]

tilian, da das Graeca-Mitglied Spalding seit 1792 an einer kritischen Ausgabe arbeitete und „Belehrung und hohes Interesse in den gleichsam mikroskopischen Theilen der Sprache“ fand (Buttmann: Denkschrift auf Spalding in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften, 1814, S. 36). Nach 19 Jahren Arbeit hinterließ er ein unvollendetes Werk von drei Bänden. 1810 las Spalding „seine Übersetzung vom König Ödipus […] in den alten Silbenmassen“ vor (Niebuhr an Dore Hensler, Berlin 24. Nov. 1810. In: Niebuhr, Bd. II, S. 174). In den Jahren 1812/13 lassen sich auch kritische Töne vernehmen: Spalding war gestorben, Heindorf hatte Berlin verlassen, Buttmann sei „zu flüchtig, ohne festes litterarisches Interesse, und ohne Sinn für die Zeit“, wie Niebuhr schreibt. „Unsre philologische Gesellschaft kommt noch immer zusammen, aber niemand hat etwas vorzubringen, und wenn ich etwas vorbringe so weckt es doch keinen. Man hat es so geradehin abgeleugnet, und die Erfahrung beweist es doch daß die großstädtischen Gesellschaften den eigentlichen Fleiß des Gelehrten zerstören“ (An Dore Hensler, Berlin, 11. Juli 1812 und 9. Januar 1813, ebd., S. 287 und S. 358). In der Graeca wurden nicht nur griechische Originaltexte gelesen, sondern auch zahlreiche Detailfragen im historischen Kontext diskutiert, die dann wiederum Gegenstand gelehrter Abhandlungen wurden. So ist für Ende 1819 eine fachliche Auseinandersetzung mit dem Hauptwerk des französischen Archäologen und Kunsthistorikers Quatremère de Quincy, Le Jupiter Olympien, ou l’art de la

sculpture antique considéré sous un nouveau point de vue (1814), belegt, in der Hirt dessen Vorstellung vom Thron des Amyclaeus anhand der literarischen Quellen kritisierte und zu berichtigen suchte. An den befreundeten Altphilologen Karl August Böttiger in Dresden schreibt Hirt am 8. Januar 1820: „Das nächstemal ist beschloßen, außer der Ordnung den Kasten des Cypselus vorzunehmen […]. Ich soll zugleich auch meine Idee dabey in Zeichnung vorlegen

[…] – vielleicht ergeben sich hieraus auch Beyträge zu Ihrem Journal“ [der Amalthea] (SLUB Dresden, Mscr. Dresd. h 37, Bd. 87, Bl. 37v). Die Auseinandersetzung mit Quatremère fand ihren Niederschlag dann auch im 3. Band von Hirts Geschichte der Baukunst bei den Alten: Die

Lehre der Gebäude bei den Griechen und Römern enthaltend (Berlin 1827). Die Zusammenkünfte der Graeca hatten einen geselligen, familiären Rahmen. Man traf sich gegen 18:30 Uhr. Nach dem Austausch von Tagesneuigkeiten und Kritik an den „Maassregeln des geistlichen Ministeriums“ (Parthey, S. 8) bei einer Tasse Tee war ein Vorleser an der Reihe. Anderthalb Stunden waren für die wissenschaftliche Arbeit festgesetzt. 21 Uhr wurde die „durch Zuckerwasser versüsste“ Vorlesung geschlossen, „und die Gesellschaft verwandelte sich in ein geheimes Comité“. Anschließend wurde unter Vorsitz der Hausfrau das Abendessen eingenommen, bestehend aus „zwei Schüsseln“ und ausreichend Wein. Hirt durfte als einziger Junggeselle seinen Gästen üppiger auftischen. Er soll „nicht selten die Griechen mit Braunschweiger Kaffeekuchen und selbstgemachtem Bischoff [eine Bowle aus Rotwein und Pomeranzen] bewirthet haben, welcher aber nicht immer den griechischen Feinschmeckern munden wollte“ (Parthey, 1876, S. 10 f.). An der Abendtafel herrschte eine ausgelassene Stimmung, die besonders von Philipp Karl Buttmanns deftigem Humor geprägt war. Die Gespräche seien mit „aristophanischen starkgepfefferten doppelten Buttmannsschnapse versetzt“ gewesen: „Der Ton, welcher ehemals beim Abendessen herrschte, war ein solcher, dass, wie Buttmann sich ausdrückte, ein Ungebildeter daruber erschrecken würde; er entbehrte jedoch niemals des aus den besten attischen Schriftstellern gezogenen Salzes […], das Gelag verlängerte sich nicht selten, besonders wenn Lachmann die Göttinger Professoren aufmarschiren liess, bis nach Mitternacht, worauf dann Schleiermacher häufig Gelegenheit nahm zu fragen: ist 147

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

es noch heute oder schon morgen?“ (Parthey, 1876, S. 11). Parthey referiert weiter: „Nach einer unverbürgten aber sehr glaubwürdigen Tradition soll es einmal sogar vorgekommen sein, dass man eine ganze Sommernacht bis an den hellen Morgen verjubelte, dann einen Spaziergang durch den Thiergarten machte, und gegen 4 Uhr früh nach Buttmanns Wohnung zurückkehrte, um sich in der Küche an einem selbstgemachten Kaffee zu stärken. Hirt spaltete mit nervigen Händen das Holz, und Schleier­ macher sass, die Kaffeemühle zwischen den Knien haltend, auf einem umgestürzten Waschkorbe, während Buttmann sich abmühte, aus dem damals gebräuchlichen sehr primitiven Feuerzeuge durch Pinken und Pusten einen Funken hervorzulocken.“ Sollte auch manche tradierte Erinnerung von Parthey ins Anekdotische überhöht worden sein, so lässt die Schilderung doch das enge freundschaftliche Klima erkennen, in dem vorbehaltlose, offene Gespräche, einschließlich konstruktiver kritischer Auseinandersetzungen, nicht nur möglich, sondern selbstverständlich und erwünscht waren. Struktur und Organisation: Die Zusammenkünfte fanden nach anfänglichen Lesungen durch nur zwei Altphilologen bald im größeren Kreis von neun Personen am Freitagabend in den Wohnungen der Mitglieder statt und wurden von diesen „Griechheit“ genannt. Man traf sich zuerst wöchentlich, dann „alle neun Wochen“ (Boeckh an seine Frau, 2. April 1811), später wieder wöchentlich. Die Festlegung auf den Freitag als Versammlungstag soll von Buttmann herrühren, „der dadurch den Buss- und Fasttag seines katholischen Freundes Hirt in einen Freuden- und Schmaustag umwandelte“ (Parthey, S. 8). Von jeder Sitzung wurde ein Protokoll angefertigt, das in der folgenden Zusammenkunft verlesen wurde. Jeweils ein Mitglied übernahm das Vorleseramt für die griechischen Texte; lange Jahre war dies Bekker. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, be148

sonders seitdem Haupt dieses Amt ausübte (er trat 1853 der Graeca bei), wurde rascher gelesen, „nur noch kursorisch, oft sogar mit Eisenbahnflugkraft“. „[D]ie dritte Lesung des Herodot“, meinte man, würde „wohl mit drei Jahren beendigt sein“ (Parthey, S. 10). Das Lesen begann in jenen Jahren erst nach 19:30 Uhr, an der Abendtafel herrschte ein gesetzterer Ton, serviert wurden feinere Speisen und erlesene Weine, dazu Kuchen und Sahne, und es wurde geraucht. Man trennte sich gegen 22:30 Uhr. Wenn Lachmann die Graeca bei sich empfing, dann wurde zuerst bei ihm zu Hause gelesen, danach lud er, dessen Junggesellenwohnung sich nicht für Gäste eignete, in eines der besten Restaurants ein und liess oft „Champagner fliessen, die frohe Stimmung zu erhöhen. Davon wird auch in einem Scherzblate aus dem August 1839 berichtet, dessen Veranlassung und Ausführung ebenso sehr Lachmann als den Ton charakterisirt, der zwischen ihm und den Freunden herrschte. Das Blatt ist ein litterarisches Curiosum […]. Lachmann hatte behauptet, dass das Wort ‚jedenfalls‘, dem er durchaus keinen Geschmack abgewinnen konnte, vor 1810 nicht vorkomme und für jeden Fall früheren Gebrauchs, den man ihm nachweise, eine Flasche Champagner versprochen: auf die hingeworfene Aeusserung aber, wenn man es etwa im Jöcher auffinde? für einen jeden solchen Fund zwei Flaschen. Zwei der Freunde griffen das auf, ein Artikel im Stil des Jöcher über Lachmanns Leben wurde verfasst, sein Name, damit der Scherz nicht gleich augenfällig sei, in den griechischen ‚Gelasander‘ übertragen, das entsprechende Blatt des Jöcher (Th. II, Leipz. 1750, Col. 905–908) durch Interpolation dieses Artikels und Ausmerzung einiger anderen für einen neuen Abdruck hergerichtet; mit Mühe wurden die entsprechenden Typen, das gleiche Papier aufgetrieben: in der nächsten ‚Griechheit‘ ward ein Exemplar des Jöcher mit dem eingeschobenen Blatte zur Stelle gebracht und unter allgemeinem Jubel, indem einer nach dem andern den Spass merkte, ver-

2.6  Griechische Gesellschaft [Graeca]

lesen. Lachmann lachte am Unbändigsten und zahlte für die ‚jedenfalls‘ willig den versprochenen Champagner“ (Hertz, S. 212 f.). Mitglieder: a) Allgemeines: In den ersten etwa 20 Jahren wurde die Graeca von Altphilologen dominiert. Hirt hatte nach eigener Aussage als „armer Archaeologe manchmal mit den gewaltigen Philologen mächtigen Kampf zu bestehen, um [s]eine Ansichten durchzusetzen“ (Hirt an Böttiger, 22. Dez. 1821 – BSB München, Autogr. Hirt, Aloys, Bl.  27). Die frühen Graeca-Mitglieder waren Gymnasial- und Universitätsprofessoren, die meisten zugleich Mitglieder der Akademie der Wissenschaften. Süvern war als Staatsrat in der Sektion für Kultus und Unterricht tätig. Der Theologe Schleiermacher und der Althistoriker Niebuhr vervollständigten den Kreis, der das ganze Feld des klassischen Altertums als sein Forschungsgebiet betrachtete. – Der Altphilologe Friedrich August Wolf, von dessen Schülern mehrere der Graeca beitraten, nahm an den Zusammenkünften nicht teil; er war kränklich und eigenwillig geworden (Hoffmann, Lebensbeschreibung von Boeckh, 1901, S. 26). – b) Einzelmitglieder bis 1815: Immanuel Bekker; August Boeckh (Mitglied 1805–1825); Philipp Karl Buttmann, Johann Friedrich Ferdinand Delbrück; Ludwig Friedrich Heindorf (gest. 1816), Aloys Hirt, Christian Ludwig Ideler; Barthold Georg Niebuhr (verlässt 1816 Berlin); Friedrich Schleiermacher; Georg Ludwig Spalding (gest. 1811), Johann Wilhelm Süvern. Niebuhr nennt auch Savigny, ohne dass klar ersichtlich ist, ob er der Graeca als Mitglied angehörte oder nur Gast war. – Die kleine Gesellschaft sollte laut Niebuhr „nicht ausarten, sondern hat sich schon [im Herbst 1810] durch glimpfliche Entfernung eines [nicht genannten] halb Unwürdigen gereinigt“ (Niebuhr an Dore Hensler, 10. Nov. 1810 – Niebuhr, Briefe, S. 167). – c) Einzelmitglieder ab 1816: Hermann Bonitz (ab 1867); Theodor Brüggemann (1838); Christian Friedrich

Dillmann (ab 1823); Johann Friedrich Ludwig Göschen (geht 1822 nach Göttingen); Moriz Haupt; Rudolf Hercher (ab 1862); Carl Gustav Homeyer (1841–nach 1858); Peter Wilhelm Heinrich Hossbach; Johann Wilhelm Adolph Kirchhoff (ab 1862); Clemens August Karl Klenze; Karl Wilhelm Kortüm (1835); Karl Lachmann (1824); Johann Albrecht Friedrich August Meineke (1826); Theodor Mommsen (1853–1865); Justus Olshausen (1859–1866); Gustav Parthey (1835); Georg Heinrich Pertz (1841); Otto Pfleiderer (ab 1875); Moritz Eduard Pinder (1837); Carl Ferdinand Ranke (1842); Leopold Ranke (nur kurzzeitig); Christian Friedrich Rühs (gest. 1820); Eduard Sachau (ab 1876); Conrad Eberhard Schrader (ab 1875); Johannes Karl Hartwig Schulze (um 1820–1825); Gottlieb August Spilleke (vor 1820); Friedrich Adolf Trendelenburg (1840); August Detlev Christian Twesten (ab 1868); Johannes Vahlen (ab 1874); Friedrich Wilken; Johann Gottfried Woltmann (vor 1820). – Zu den Diskussionen waren auch auswärtige Gelehrte, die sich zeitweise in Berlin aufhielten, eingeladen. 1822 sollte der Altertumswissenschaftler Karl August Böttiger als Ehrenmitglied aufgenommen werden, „was bis iezt noch keinem andern auswärtigen Gelehrten wiederfahren ist“ (Hirt an Böttiger, 6. Febr. 1822 – SLUB Dresden, Mscr. Dresd. h 37, Bd. 87, S. 142). Querverweise auf andere Vereine: Buttmann, Boeckh, Delbrück, Ideler, Süvern, Hirt, Parthey, Rühs, Schulze, Spilleke, Trendelenburg, Wilken, und Woltmann waren auch Mitglieder der  Gesellschaft der Freunde der Humanität. – 1809 gründet Buttmann die  Gesetzlose Gesellschaft (Nr.  2), deren erster „Zwingherr“ er wird. Die meisten der frühen Graeca-Mitglieder treten ebenfalls in die Gesetzlose 2 ein: Bekker, Boeckh, Göschen, Heindorf, Hirt, Ideler, Niebuhr, Schleiermacher (ab 1829 dritter „Zwingherr“), Spalding, Süvern, Wilken, später auch Lachmann (ab 1840 fünfter „Zwingherr“), 149

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Meineke, Homeyer, Kortüm. – Parallelmitgliedschaften gibt es ebenso mit dem  Montagsclub (u. a. Lachmann, Homeyer, Kortüm). – Eine Griechische Gesellschaft formierte sich auch 1798 in Leipzig unter Aufsicht von Gottfried Hermann. Bibliographie: 1) Archivquellen: Die Protokolle, die bei jeder Zusammenkunft angefertigt wurden, konnten nicht ermittelt werden. Parthey vermerkt dazu: „Das älteste Protokoll, jetzt in Boeckhs Besitz, ist von Idelers Hand in klein 4. Es beginnt ‚Tagebuch der Lektüre des Herodot d. 26. Okt. 1810, bei Buttmann. II, 7 […] Mehrere Foliobogen Protokoll von Boeckhs Hand, ohne Daten, beginnen mit Herodot 4,2 und gehen bis 8,20. Es finden sich darin einzelne Stückchen von Niebuhrs, Buttmanns, Schleiermachers Hand“ (Parthey, S. 5 und 6). – Archiv der BBAW, Schreibkalender Friedrich Schleiermachers (keine inhaltlichen Aussagen; nur Angabe, wann und wo Zusammenkünfte stattfanden). – Archiv der BBAW, Nachlass A. Boeckh, S. [10] (Böckh, Wolfgang: Biographische Niederschrift zu August Boeckh; masch.-schriftliche Abschrift). – Briefe Aloys Hirts an Karl August Böttiger: 8. Dezember 1819 (SLUB Dresden, Mscr. Dresd. h 37, Bd. 87); 8. Januar 1820 (SLUB Dresden, ebd., Bl. 37); 22. Dezember 1821 (BSB München, Autogr. Hirt, Aloys, Bl. 27); 6. Februar 1822 (SLUB Dresden, a. a. O.; S. 142). – 2) Gedruckte Quellen: Boeckh, August: Brief an seine Frau, Berlin, 2. April 1811. In: August Böckh. Lebensbeschreibung und Auswahl aus seinem wissenschaftlichen Briefwechsel von Max Hoffmann. Leipzig 1901, S. 26. – Briefwechsel Friedrich Schleiermachers mit August Boeckh und Immanuel Bekker. 1806– 1820. Berlin 1916 (kurze Erwähnungen S. 20,

S. 86). – Hertz, Martin: Karl Lachmann. Eine Biographie. Berlin 1851, besond. S. 208 ff. – Niebuhr, Barthold Georg: Die Briefe. Hg. v. Dietrich Gerhard und William Norvin. Bd. 2, Berlin 1929, besond. S. 162/63, 167, 168, 174, 193, 211, 228, 287, 358, 638. – Parthey, Gustav: Origines Graecitatis Berolinensis. Zur Geschichte der Berliner Griechheit; als Manuskript gedruckt. [Berlin] 1861. Dass. 21861; 3 1876 (hg. v. Rudolf Hercher, Buchdruckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften). – [Das Schauspiel Die Griechheit. OriginalLustspiel in fünf Aufzügen von Julius von Voß (Berlin: Johann Wilhelm Schmidt, 1807) hat, obgleich der Titel es vermuten lassen könnte, keinerlei Bezug zur Graeca.]. – Widmungen und Erinnerungen ehemaliger Mitglieder an ihre Freunde in der Graeca: Buttmann, Philipp Karl: Selbstbiographie. In: M. S. Lowe (Hg.): Bildnisse jetzlebender Berliner Gelehrten mit ihren Selbstbiographieen. Dritte Sammlung. Berlin 1806, S. 43 f. – Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. Erster Theil, Vorwort. Berlin 1811, S. XIII. – Rühs, Friedrich: Ausführliche Erläuterung der zehn ersten Kapitel der Schrift des Tacitus über Deutschland. Berlin 1821 [Widmung und Vorwort von 1818]. – Steffens, Henrich: Was ich erlebte. Aus der Erinnerung niedergeschrieben. 6. Band, Breslau 1842, S. 277. – 3) Literatur: Boeckh, Walther: Ernst Moritz Arndt und sein Berliner Freundeskreis aus der „Gesetzlosen“ und „Griechischen Gesellschaft“ von Reichswirtschaftsgerichtsrat a. D. Walther Boeckh. In: Zs. d. Vereins f. d. Geschichte Berlins, 54 (1937), Heft 3, S. 83–86. – Hertz, Martin: Karl Lachmann. Eine Biographie. Berlin 1851, S. 210–214 und XXXIII– XXXIX. – Ziolkowski, Theodore: Berlin. Auf­stieg einer Kulturmetropole um 1810. Stuttgart 2002, S. 222–223.

Uta Motschmann

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2.6  Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache [BGfdS]

Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache [BGfdS] Name: Bei Gründung Sprachverein […] zum Besten der deutschen Gesamtsprache; kurz danach Umbenennung in: Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache; ab 1825 Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache und Alter­ thumskunde. – Abweichende Namensformen: Deutsche Gesellschaft für Sprache und Literatur (Karl Friedrich Klöden: Von Berlin nach Berlin); Gesellschaft für deutsche Sprachkunde (Nicolai: Wegweiser, 1816). Gründung: 9. November 1814. Bestand: Erloschen um 1880. Sitz: Die Vereinsversammlungen fanden an wechselnden Orten statt: Privathäuser, Deutsches Haus am Hausvogteiplatz, Börsenhaus, Raum der Stadtverordneten, Großer Hörsaal im Grauen Kloster; Feierlichkeiten im Englischen Haus, Gartenlokal Heissler. Programm: „§ 1. Die Berlinische Gesellschaft für Deutsche Sprache hat zu ihrem ausschließlichen Zweck die wissenschaftliche Erforschung der Deutschen Sprache nach ihrem ganzen Umfange. § 2. Sie gebraucht bei allen ihren mündlichen und schriftlichen Verhandlungen lediglich die Deutsche Sprache“ (Gründungsstatut (Gesetzurkunde), 1815). – „§ 1. Die Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache hat zu dem ausschließlichen Gegenstande ihrer Bemühungen die deutsche Sprache in ihrem ganzen Umfange, und zu ihrem Hauptzwekke die Kenntnis und Ausbildung derselben erwählt, und bedient sich bei allen ihren Verhandlungen lediglich der deutschen Sprache“ (2. überarbeitetes Statut (Gedruckte Gesetzurkunde), 1816). Geschichte und Programmatik: Am Abend des 9. Novembers 1814 um 6 Uhr kamen in der Wohnung des Philanthropen Christian Hinrich Wolke an der Eisenbrücke Nr. 6 in Berlin der Freimaurer Karl Christian Friedrich Krause, der Turner Friedrich Ludwig

Abb. 22  Siegel der BGfdS.

Jahn, der Blindenpädagoge Johann August Zeune, der Lexikograph Otto Theodor Heinsius, der Gymnasialprofessor August Leopold Bucher und der Prediger Karl Samuel Jakob Heineke zusammen, um einen „Spracherverein [sic!] (nämlich zur Verbesserung der deutschen Sprache)“ zu gründen (Protokoll der Gründungsversammlung), der am 27. Januar 1815 nach Anmeldung durch Lazarus Bendavid als Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache durch den Polizeipräsidenten zugelassen wurde. In seiner Gesetzurkunde bestimmte der Verein seinen Zweck in der „wissenschaftlichen Erforschung der deutschen Sprache nach ihrem ganzen Umfange“. Die Mittel dazu glaubte man „in einem freien, aber doch geordneten Gange wissenschaftlicher Untersuchung“ zu finden, „bei denen Wahrheit mit Freimut und geselliger Würde als das Höchste erscheinen“. Zur Mitgliedschaft wollte man diejenigen einladen, „die als wahre Freunde der Deutschheit und der Muttersprache bekannt worden wären“ [sic!] (Protokoll der Gründungsversammlung). Die BGfdS – anfänglich als sprachpuristische Gesellschaft konzipiert – verlegte sich einige Jahre später auf die systematische Erfor151

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

schung der deutschen Sprache mit dem Ziel, gemeinsam eine Sprachlehre, ein Wörterbuch und eine Sprachgeschichte zu verfassen. Mit der Übernahme des Ordneramtes durch Friedrich Heinrich v. d. Hagen 1825 erfuhr die Gesellschaft eine deutliche Themenerweiterung hin zu den Altertumswissenschaften, die sich auch in dem veränderten Namen (Ber-

linische Gesellschaft für deutsche Sprache und Alterthumskunde) niederschlug. Sie löste sich damit von ihrem ursprünglich vorgegebenen Forschungsprogramm, was sich u.  a. daran zeigte, dass ihr in den Statuten festgeschriebenes dreifaches Vorhaben nicht weiter verfolgt wurde. Mit dieser Erweiterung über „Sprache“ hinaus zu den Altertümern war eine bildungs- und kulturwissenschaftliche Wendung angelegt, denn ab jetzt beschränkte sich das Themenspektrum nicht mehr nur auf die historische und zeitgenössische Sprachwissenschaft, sondern umfasste auch das Studium der deutschen Literatur, der „Deutschen Altertümer“, der Sitten, der Gebräuche und Religion im Sinne einer historischen Kulturwissenschaft. Diese thematische Veränderung der Ausrichtung des Vereins verhielt sich durchaus analog zur Entwicklung der Deutschen Philologie (z. B. Jacob Grimm). Die Auswertung der Vortragsthemen und Artikel in der Germania zeigt, dass sich in den 1860er Jahren eine Umschichtung dieses Themenspektrums abzeichnete. Die Beschäftigung mit zwei Kernbereichen der BGfdS, den sprachwissenschaftlichen und altertumswissenschaftlichen Themen, nahm deutlich ab. Das inhaltliche Spektrum wurde nun von literaturwissenschaftlichen Gegenständen (vor allem Schiller) und einem kleinteiligen Interesse an deutscher Kulturgeschichte, vor allem Sittenund Volkskunde, Volksliteratur und Sachkunde, dominiert; mit Muttersprachunterricht und regionalen Themen traten neue Aspekte hinzu. Struktur und Organisation: Das von Krause verfasste erste Statut der Gesellschaft vom Ja152

nuar 1815 fixierte den puristischen Ansatz des Sprachvereins. Diese sogenannte Gesetzurkunde verpflichtete die Mitglieder, zur Ausbildung der deutschen Sprache beizutragen und den „als zweckmäßig erkannten Sprachverbesserungen bei dem deutschen Volke Eingang zu verschaffen“ (Gesetzurkunde 1815). Gerade in ihrer Anfangsphase war die Gesellschaft bemüht, in den Diskussionen zu gemeinsamen, übereinstimmenden Ergebnissen zu gelangen. Ganz im Sinne eines aufklärerischen Rationalismus sollte dabei letztlich das bessere Argument entscheiden. Das Ziel war hoch gesteckt: Im Gespräch sollte jeder Gegenstand so lange erörtert werden, bis ein befriedigendes Ergebnis gefunden war. Die systematische Durcharbeitung der deutschen Sprache bezweckte eine vollständige Erfassung des Gegenstandes und sollte ihren Niederschlag in einer Geschichte der deutschen Sprache, einem Wörterbuch sowie in einer Sprachlehre finden und entsprach damit einem alten Desiderat Leibniz’. Ausführlicher als den Gegenstand beschrieb Krause in dem Statut jedoch die Organisationsstruktur und den Modus des gemeinsamen Arbeitens. Die einzelnen Sitzungstypen (Arbeits-, Rats- und Gesprächsversammlungen) waren streng formalisiert. Alle Mitglieder der Gesellschaft waren laut Satzung „gleich“ – was auch der Grund dafür war, dass der Verein anfangs auf Ehrenmitgliedschaften verzichtete. Explizit wurde festgehalten, dass sich die Mitglieder achtungsvoll gegeneinander zu verhalten hätten. Die postulierte freiheitliche Grundbestimmung stand jedoch im direkten Widerspruch zur strengen Reglementierung der Versammlungsabläufe und den spezifischen Funktionen und Rechten des Vereinsvorstandes. So hatten die acht „Beamten“ eine herausgehobene Stellung innerhalb der Gesellschaft. Gleich zu Beginn übernahm die Riege der Gründungsmitglieder sämtliche Ämter selbst. Augenscheinlich wird die hierarchische Struktur des Vereins auch bei der Sitzordnung im Versammlungssaal. Hier wurde nicht nur

2.6  Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache [BGfdS]

klar zwischen dem Vorsitzenden, dem soge- gen“ vorgesehen. Ab 1834 gliederte sich die nannten „Ordner“, und den übrigen Beam- BGfdS in einen „engeren“ und „weiteren“ ten unterschieden, sondern auch zwischen Kreis. Der „engere Kreis“ bestand in der Reden sonstigen Mitgliedern, Besuchern und gel aus zwölf Mitgliedern, die sich zum größbloßen Zuhörern, die auf die hintersten Bän- ten Teil aus Lehrern am Grauen Kloster und ke verwiesen wurden. Angehörigen der Berliner Universität rekruSchon wenige Monate später – im Dezember tierten. Zu den bekannteren Mitgliedern ge1815 – wurde nach Krauses Weggang aus Ber- hörten der Pädagoge Friedrich Adolf Diesterlin ein Ausschuss zur Umarbeitung der Gesetz­ weg, die Philologen Friedrich Heinrich v.  d. urkunde gebildet. Die von den Mitgliedern ge- Hagen und Hans Ferdinand Maßmann soäußerte Kritik lässt darauf schließen, dass ihnen wie der Geograph und Gründer der Berliner die Unvereinbarkeit von strenger Reglemen- Lehranstalt für Blinde August Zeune. – Zutierung einerseits und Liberalität andererseits dem plante die Gesellschaft zunächst die Hebewusst war. Krauses Festschreibung des ge- rausgabe eines „Tagblattes“ und später die eiselligen, achtungsvollen Miteinanders wurde nes Jahrbuchs, allerdings allein letzteres wurde, daraufhin ebenso aus den Statuten gestrichen wenn auch in unregelmäßigen Abständen, unwie die durch ihn in die Struktur der Gesell- ter dem Namen Germania realisiert. Gemeinschaft eingeflossene aufklärerische und maure- schaft innerhalb des Vereins wurde vor allem rische Ausrichtung. Mit der Umformulierung durch das Feiern der Stiftungsfeste hergestellt, der Statuten ließ die BGfdS somit schon Ende die feierlich mit Gästen und Gesängen nach 1815 den egalitären Anspruch fallen und hob fast immer gleich gefassten Ritualen begangen damit die Differenzierung von Innen- und Au- wurden. Die Vernachlässigung dieser Feiern ab ßenraum auf. Zwar wurde die BGfdS in einer 1855 läßt auf ein abnehmendes Traditionsbeprivaten Sphäre initiiert – die ersten Treffen wusstsein schließen. fanden in den Wohnhäusern ihrer Mitglieder An der Reform der BGfdS 1856, die sich vor statt –, doch wurde sie schon bei ihrer offiziel- allem in der Einrichtung der drei Abteilungen len Gründung in eine beschränkte Öffentlich- „Sprache“, „Schriftthum“ und „Alterthum“ keit überführt. Die neue, 1816 im Druck er- zeigt, lässt sich das Bemühen ablesen, dem Verschienene gestraffte Gesetzurkunde akzentuier- ein ein klares Profil zu geben. Ab Mitte der te die Wissenschaftlichkeit des Unternehmens. 1860er Jahre ist dieses allerdings nicht mehr ausDer Sprachverein spezialisierte sich, insofern er zumachen; die behandelten Themen basierten Ausschüsse bildete und die Mitglieder auffor- nicht mehr auf einer inhaltlichen Programmaderte, sich jeweils einem der genannten drei tik der Gesellschaft, sondern auf den BildungsProjekte anzuschließen. Diese Ausschüsse, die interessen der sie bearbeitenden Mitglieder. der „Werkthätigkeit“ des Vereins dienen sollten, wurden in den Statuten als die „Sammler, Mitglieder: Die verschiedensten lokalen und Sichter, Vorbereiter und Zurichter des Stof- überlokalen Netzwerke der sieben Grünfes für die gesellschaftlichen Untersuchungen“ dungsmitglieder wurden eingesetzt, um in definiert (Gesetzurkunde 1816). Reihum stell- den Gründungsjahren den personalen Beten die Teilnehmer der jeweiligen Ausschüs- stand des Vereins zu sichern. Als besonders se in den wöchentlichen Arbeitsversammlun- wirksam erwiesen sich politische Vereinigungen ihre Ergebnisse vor. Die Zusammenarbeit gen (Turner ( Turngesellschaft),  Tugendin diesen Versammlungen wurde über Vor- bund,  Deutscher Bund, Akteure der antiträge und anschließende Diskussion organi- napoleonischen Befreiungsbewegung usw.), siert. Neben den Arbeitsversammlungen wa- berufsbezogene Netzwerke (Schulmänner ren „Raths-“ und „Gesprächsversammlun- der höheren Schulen Berlins, v. a. Gymnasi153

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

um zum Grauen Kloster und Vertreter der reformpädagogischen Bewegung) und in Berlin existierende gelehrte und gesellige Kreise (hier vor allem die  Freimaurerlogen). Dies führte dazu, dass es sich in den Gründungsjahren um eine alles andere als homogene personale Konstellation handelte, dementsprechend unterschiedlich war auch die Verweildauer der einzelnen rekrutierten Gruppen. Nach kurzer Zeit verließen vor allem Logenbrüder und Turner die BGfdS. Für ihre Gründungszeit kann die BGfdS als bürgerliche Vereinigung fachlich gebildeter Männer bezeichnet werden, die politisch in sich heterogen war und sich programmatisch als apolitisch bezeichnete. Durch die Bindung an den Gegenstand „deutsche Sprache“ und die Setzung organisatorischer Rahmenbedingungen wurde versucht, diese Unterschiede formal zu entschärfen. – Gründungsmitglieder: August Leopold Bucher; Karl Samuel Jakob Heineke; Otto Theodor Heinsius; Friedrich Ludwig Jahn; Karl Christian Friedrich Krause; Christian Heinrich Wolke; August Zeune. – Weitere Eintritte bis Ende 1815: Ernst Ferdinand August; Lazarus Bendavid; August Ferdinand Bernhardi; Wilhelm Bornemann; Karl August Gottlieb Dreist; Johann Ludwig Christoph Wilhelm v. Döderlein; Felix-Henri Dubois[-Reymond]; Ernst Wilhelm Bernhard Eiselen; Theodor Heinrich Friedrich; Friedrich Christoph Förster; Karl Heinrich Ludwig Giesebrecht; Karl Wilhelm Goettling; Joachim Ephraim Ludwig Graßhoff; Karl Friedrich Wilhelm Christoph Grell; Friedrich Heinrich von der Hagen; August Hartung; Lebrecht Hartung; Franz Horn; Daniel Hornung; Friedrich Ludwig Jahn; Johann Gottlieb Klein; Karl Friedrich v. Klöden; Georg Gustav Samuel Köpke; Friedrich Heinrich Wilhelm Lange; Franz Eberhard Marggraff; Friedrich Wilhelm Mosqva; Willibald Karl Müller; Franz Passow; Johann Gottfried Pfund; Friedrich August Pischon; Johann Ernst Plamann; Ludwig Purgold; Ernst Friedrich Gabriel Ribbeck; Friedrich Ferdinand Adolf 154

Sack; Friedrich Wilhelm Valentin Schmidt; Friedrich Konrad Leopold Schneider; Johann Otto Leopold Schulz; Johann Schulze; Franz Schwarz(e); Gottlieb August Spilleke; Ludewig Steckling; Karl Daniel Turte; Karl Detlev Vetter; Georg Ludwig Walch; Christian Friedrich Gottlieb Woh­lers; Karl Ludwig v. Woltmann; Karl Gottlob Zumpt. – Ordner (in der Reihenfolge ihrer erstmaligen Amtsübernahme): Karl Christian Friedrich Krause; Johann August Zeune; Willibald Karl Müller; Friedrich August Pischon; Ernst Friedrich Gabriel Ribbeck; Karl Heinrich Ludwig Giesebrecht; Friedrich Heinrich v. d. Hagen; Ernst Ferdinand August; Hans Ferdinand Maßmann; Karl Wilhelm Eduard Bonnell; Karl Wilhelm Kläden; Franz Felix; Adalbert Kuhn; Karl Theodor Odebrecht; Gustav Georg Wolff. – Prominente Mitglieder: Ernst Moritz Arndt; August Ferdinand Bernhardi; Joachim Heinrich Campe; Friedrich Adolf Diesterweg; Ernst Wilhelm Bernhard Eiselen; Johann Joseph Görres; Friedrich Heinrich v. d. Hagen; Albert Hoefer; Franz Theodor Kugler; Hans Ferdinand Maßmann; Franz Pfeiffer; Johann Ernst Plamann; Leopold v. Ranke; Rudolf v. Raumer; Jean Paul (Johann Paul Friedrich Richter); Karl Simrock; Ludwig Uhland; August Friedrich Christian Vilmar; Wilhelm Wackernagel; Karl Gottlob Zumpt. – Ehrenmitglieder: Alexander v. Humboldt; Jakob und Wilhelm Grimm. – Frauen: Weibliche Mitglieder kannte die Gesellschaft nicht, obwohl die Statuten dies nicht ausdrücklich ausschlossen. Die Bereitschaft, „verwandte Gefühle für das deutsche Vaterland und gleiche Liebe für die deutsche Sprache“ zu empfinden, schrieb man Frauen offensichtlich nicht zu. Als Teilnehmerinnen an Festen, die dann, wie in den Jahrbüchern zu lesen steht, „durch ihre Anwesenheit die Stiftungsfeste verschönen“, waren sie allerdings willkommen. – Zusammensetzung und Entwicklung des Mitgliederspektrums: Der erste Protokollband für die Zeit bis 1850 ist verschollen, so dass die Vereinstätigkeit und Mitgliederbewegung

2.6  Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache [BGfdS]

nur unvollständig aus anderen Quellen re- vertretenen Turnern kam es 1818 zum teilkonstruiert werden können. Zudem erschwe- weisen Bruch; allerdings blieben, trotz Ausren die inkonsistente Schreibung der Namen tritt von Jahn und anderen, Turner wie Maßund das Fehlen von Vornamen häufig eine ge- mann, August, Passow oder Eiselen weinaue Identifizierung der einzelnen Mitglieder. ter Mitglieder. – Personelle Verflechtungen Mit diesen Einschränkungen lässt sich Fol- gab es in der Frühzeit mit der  Gesetzlogendes sagen: Die eigentliche Trägerschaft der sen Gesellschaft (Nr. 2), später vor allem mit BGfdS bildeten die Lehrkräfte und Direkto- dem Verein für die Geschichte der Mark Branren der Berliner Gymnasien sowie vergleich- denburg, insbesondere durch Adolph Riedel barer Bildungsstätten (wie z. B. Kadettenan- und Friedrich Heinrich v. d. Hagen. stalt, Plamannsche Anstalt, Lehrerseminar). So konnten ca. 70 der bisher 350 erfassten Mit- Bibliographie: Quellen: a) Nachlässe: Karl glieder als Lehrer oder Schuldirektoren nach- Christian Friedrich Krause (SLUB Dresden, gewiesen werden. Ein großer Teil dieser Lehr- Rep. DH l 35, l 262). – Christian Heinrich kräfte gehörte im weitesten Sinne der reform- Wolke (SLUB Dresden, Mscr.Dresd.e.166). – pädagogischen Bewegung um Pestalozzi und August Zeune (Blindenmuseum der AugustBasedow an. Viele Mitglieder hatten, wie da- Zeune-Schule, Berlin). – Friedrich Heinrich v. mals üblich, Theologie studiert. Immerhin d. Hagen (SBB PK, Handschriftenabteilung). – bildeten Berufstheologen wie Dom- oder b) Polizeiakten: LA Berlin, Polizei-PräsidiFeldprediger fast 1∕₁₀ der Mitgliedschaft. Die um Berlin – Vereine A. Pr. Br. Rep. 030-04. – Gesellschaft verzeichnete eine große Menge c) Vereins-Zeitschriften: Jahrbuch der BerliPhilologen, darunter auch Indogermanisten. nischen Gesellschaft für deutsche Sprache, hg. Der größte Teil von ihnen betrieb klassische v. Johann Otto Leopold Schulz. Berlin 1820. Philologie und arbeitete sprachvergleichend. – Germania. Neues Jahrbuch der Berlinischen In den späteren Phasen der Gesellschaft wurde Gesellschaft für deutsche Sprache und Aldas Profil mehr und mehr von deutschen Phi- terthumskunde (1836–1853). Berlin: Plahn / lologen bestimmt. Eine zentrale Rolle spiel- Leipzig: Schultze. – d) Dokumente: Akten te dabei Friedrich Heinrich v. d. Hagen. – der BGfdS 1815–1867 (10 Konvolute, ArZahlreiche Mitglieder strebten eine akademi- chiv der BBAW). – Protokoll der Grünsche Karriere an, d.h. eine feste Anstellung an dungsversammlung (Nachlass Wolke, SLUB der Berliner Universität als ordentlicher Pro- Dresden, Mscr.Dresd.e.166). – Gründungsfessor oder als Mitarbeiter. Die meisten blie- urkunde, Protokollband 1850–1870 (SBB ben allerdings Privatdozenten oder -gelehr- PK, Handschriftenabteilung). – Briefwechte. Deutlich höher als bei den Berliner Mit- sel der Brüder Grimm mit Mitgliedern der gliedern war die Zahl der Universitätsprofes- BGfdS (SBB PK). – Gesetzurkunde der Bersoren bei den auswärtigen Mitgliedern. Auch linischen Gesellschaft für deutsche SpraMitglieder der Berliner Wissenschaftsakade- che. Entworfen und ausgearbeitet von Kraumie gehörten zur Gesellschaft (Karl Gottlob se und unverändert genehmigt von der BerZumpt, Franz Felix Adalbert Kuhn, Gottlieb linischen Gesellschaft für deutsche Sprache Graff und Friedrich Heinrich v. d. Hagen). im J. 1814 und 1815. (Nachlass Karl ChrisEine kleinere Gruppe bildeten die Mitglieder tian Friedrich Krause, SLUB Dresden, Rep. aus der Administration oder Verwaltung der DH l 262). – f) Gedruckte Quellen: BellerStadt Berlin oder Preußens. mann, Johann Joachim: Das Graue Kloster in Berlin, mit seinen alten Denkmälern. Berlin Querverweise auf andere Vereine: Mit den 1823. – Gesetzurkunde der Berlinischen Gevon Anfang an durch F. L. Jahn prominent sellschaft für deutsche Sprache. Berlin 1816. – 155

2  Berufsständische oder fachspezifische Vereine

Karpeles, Gustav: Die alte Berliner deutsche lung. Berlin 1894 (= Wissenschaftliche BeiSprachgesellschaft. In: Vossische Zeitung, 314, lage zum Jahresbericht des Dorotheenstäd1. Beil. vom 8.7.1894. – Übersicht der in den tischen Realgymnasiums zu Berlin). – MarJahren 1853–1862 in der Berlinischen Gesell- ker, Johann: Die alte Berlinische Gesellschaft schaft für deutsche Sprache gehaltenen Vor- für deutsche Sprache. Ein (fast) vergessener träge. Hg. v. Carl Gustav Kuhlmey. Berlin geistiger Sammelpunkt. In: Jb. f. branden1862. – Zelle, Friedrich: Klosteralbum des burgische Landesgeschichte 22 (1971) Berlin, 19. Jahrhunderts. Verzeichnis der Lehrer und S. 35–50. – Schildt, Joachim / Schmidt, HartSchüler des Berlinischen Gymnasiums zum mut (Hg.): Berlinisch. Geschichtliche EinGrauen Kloster 1804–1903. Berlin 1904. – führung in die Sprache einer Stadt. Berlin g) Forschungsliteratur: DFG-Projekt „Die 1986, 21992. – Schmidt, Hartmut: Die BerBerlinische Gesellschaft für deutsche Sprache. linische Gesellschaft für deutsche Sprache an Sprachwissenschaft zwischen Schule, Aka- der Schwelle der germanistischen Sprachwisdemie und Universität“. http://www.uni- senschaft. In: Zeitschr. f. Germanistik, 4. Jg., potsdam.de/u/germanistik/ls_dia/bgfds/in- H. 3, 1983, S. 278–289. – Ureña, Enrique M.: dex.htm – Hachtmann, Rüdiger: Berlin 1848. K. C. F. Krause. Philosoph, Freimaurer, WeltEine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der bürger. Eine Biographie. Stuttgart-Bad CannRevolution. Veröffentlichungen des Insti- statt 1991. – Von der gelehrten zur disziplinätuts für Sozialgeschichte e. V. Braunschweig / ren Gemeinschaft. Sonderheft der Deutschen Bonn 1998. – Kirkness, Alan: Zur Sprachrei- Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft nigung im Deutschen. 1789–1871. Eine his- und Geistesgeschichte, hg. von Jürgen Fohrtorische Dokumentation. Tübingen 1975 (= mann und Wilhelm Voßkamp, Bd. 61, 1987. Forschungsberichte des IDS, 26 1.2). – Koch, – Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im John: Die ehemalige Berlinische Gesellschaft 19. Jahrhundert. Hg. v. Wilhelm Vosskamp für deutsche Sprache und ihre Büchersamm- und Jürgen Fohrmann. Stuttgart 1994.

Joachim Gessinger

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3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

In der Kategorie Bildungs- und Geselligkeitsvereine werden diejenigen Vereinigungen zusammengefasst, die in ihren regelmäßigen Versammlungen vorrangig einem „Bildungsgeschäfft“ (Theodor Heinsius, 1802) nachgingen, das in Form eines breitgefächerten Vortrags- und Diskussionsprogramms realisiert wurde. Dazu gehörten wissenschaftliche Vorträge zu allen Wissensgebieten, das Vorführen naturwissenschaftlicher Experimente, Lesungen literarischer Texte oder Mitteilung von Neuerscheinungen, aber auch die Konzentration auf einen Denksport wie das Schachspiel. Sie gehören in die spätaufklärerische Tradition der Lese- und Diskussionsgesellschaften und verstanden sich selbst auch als solche, was sich nicht selten in einer Namensumschreibung wie „literarische Lesegesellschaft“ ausdrückte. Ihre Wirksamkeit reichte von der Mitte des 18. Jahrhunderts (der  Montagsclub wurde 1749 gegründet, das  Donnerstagskränzchen 1765) bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts (die  Gesellschaft der Freunde der Humanität stellte ihre 64-jährige Tätigkeit 1861 ein); umspannte demzufolge mehr als 100 Jahre. Löste sich die  Gesellschaft von Freunden der Aufklärung (Berliner Mittwochsgesellschaft) infolge des Dekrets vom 20. Oktober 1798, das geheime Gesellschaften in Preußen verbot, selbst auf, gründete sich die Humanitätsgesellschaft gerade in dieser Zeit, was sie veranlasste, alles „Geheimnißvolle“ (Theodor Heinsius, 1803) aus dem Gesellschaftsleben zu entfernen und sich für Besucher zu öffnen. Dennoch verstand sie sich als „geschlossene Gesellschaft“, zu der Gäste nur auf Einladung und nach Anmeldung zugelassen waren. Je größer der Grad der Öffentlichkeit, umso größer war auch das Mit­ glieder­ensemble: die (geheime) Berliner Mittwochsgesellschaft hatte anfangs 12, später 24 Mitglieder; der  Schach-Club verzeichnete 136 Mitglieder, wobei weitere, nicht in Listen erfasste Mitglieder hinzuzuzählen sind; die Humanitätsgesellschaft vereinte zwischen 1797 und 1815 172 Mitglieder und im gesamten Zeitraum ihres Bestehens mehr als 300 Freunde der Humanität. Waren die älteren Klubs wie der Montagsclub und das Donnerstagskränzchen noch mehr der geselligen Erholung von den Alltagsgeschäften verpflichtet, was eine belehrende Unterhaltung einschloss, strebten die Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegründeten Vereine verstärkt einem selbstgegebenen Bildungsauftrag nach, ganz im Sinne der Verpflichtung des Individuums nach permanenter Selbstbildung, wie sie von W. v. Humboldt gefordert wurde (Wienfort). Ein entscheidender Charakterzug dieser Gesellschaften war die „Selbstverpflichtung der Mitglieder auf den Wissensfort157

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

schritt der Zeit“ (Wiedemann, S. XVII), weshalb sie bestrebt waren, die Gesamtheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihre Diskussionen einzubeziehen. Auffällig ist dabei das immense Interesse an den Naturwissenschaften – allen voran der Chemie – und ihrer praktischen Nutzbarmachung. Bei ihren Aktivitäten schöpften die Vereine aus sich selbst. So gelehrt, kenntnisreich und spezialisiert die Einzelmitglieder waren, so abwechslungsreich und gebildet war auch das Profil des jeweiligen Vereins. Dabei verfolgten sie keine bestimmten fachwissenschaftlichen oder praktischen Zwecke. Jedes Mitglied konnte und sollte abwechselnd Lehrer und Schüler, Fachexperte und Dilettant sein. Mit seinen Vereinen schuf sich das Bildungsbürgertum Diskussionsforen für Wissenschaft und Kunst wie für alle Belange des Lebens und zugleich Trainingsmöglichkeiten für eine Teilhabe am gesellschaftlich-politischen Leben. Themen aus allen Wissensgebieten wurden in Vereinen wie beispielsweise der Humanitätsgesellschaft vordiskutiert, um oftmals später als Druckschrift an die Öffentlichkeit zu gelangen. Träger der sogenannten Bildungsgesellschaften war die Berliner Beamtenschicht, darunter zahlreiche Gymnasiallehrer und -professoren, Literaten, Künstler, Mediziner, Naturwissenschaftler; die wenigen Adligen gehörten dem Militär bzw. dem Beamtenadel an. Es waren Gesellschaften von Gelehrten, in denen sich das großstädtische Bildungsbürgertum zur Aus- und Weiterbildung traf. Diese Selbstbildung der Bürgergesellschaft war jedoch den Männern vorbehalten. Frauen blieben Bildungsvereine und Fachgesellschaften verschlossen; mitunter konnten sie als Gäste bestimmte Festlichkeiten besuchen, allerdings keinen Mitgliederstatus erwerben. Eine Ausnahme bildete die  Feßlersche Mittwochsgesellschaft, die als „literarische Lesegesellschaft“ auch gebildeten und musisch begabten (Ehe-)Frauen offen stand, und die mit ihren literarisch-musikalischen sogenannten „gesetzfreien“ Tagen noch stark der Salonkultur verhaftet war. Das viele neue Mitgliedsanwärter und Besucher anziehende Klima in den Berliner geselligen und gelehrten Zirkeln zeigte sich auch im Umgang mit den jüdischen Mitbürgern, die als Gelehrte, Ärzte oder Künstler einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Gesellschaften ausübten. Der Humanitätsgesellschaft stand der jüdische Privatgelehrte Lazarus Bendavid zehn Jahre lang als Direktor vor. Kann man die Humanitätsgesellschaft als einen der ersten interdisziplinären Vereine bezeichnen, die sich einer umfassenden Selbstbildung verschrieben hatten, so erprobten auch andere Vereine Neues oder waren sogar die Ersten ihrer Art im deutschen Raum: in Berlin gründeten sich die erste  Philomatische Gesellschaft (1800) wie auch die erste deutsche Schachgesellschaft ( Schach-Club, 1803). In den genannten Vereinen gehörten „Arbeit“, Erholung, Geselligkeit und Unterhaltung zusammen, oder – wie es in den Gesetzen der Humanitätsgesellschaft von 1813 formuliert ist – der Zweck der Zusammenkünfte war „innere Fortbildung und aufheiternde Erholung“ (Statuten 1813, § 1). Obwohl auch in diesen Gesellschaften gemeinsame Mahlzeiten und ein geselliges Beisammensein zur Vereinskultur gehörten, stand die 158

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Mittags- oder Abendtafel nicht im Vordergrund, wie es bei den Tischgesellschaften der Fall war. Essen und Trinken, die reine, unreglementierte Geselligkeit, fand erst nach den geistigen „Arbeiten“ statt. Die Aufmerksamkeit galt zuerst der gelehrt-intellektuelle Fortbildung, erst danach folgte die lockere, immer aber auf Niveau bedachte Unterhaltung im geselligen Kreis.

Literatur: Heinsius, Theodor, 1802: Zur Geschichte der Gesellschaft der Freunde der Humanität in Berlin. Vorgelesen den 16ten Januar 1802 bei Gelegenheit der Stiftungsfeier der Gesellschaft (LAB, A Rep. 06040, Nr. 6). – Heinsius, Theodor, 1803: Uebersicht der literarischen Beschäfftigungen der Gesellschaft der Freunde der Humanität im Jahre 1802. Vorgelesen den 15ten Januar 1803 bei Gelegenheit der Stiftungsfeier der Gesellschaft (LAB, A Rep. 06040, Nr.  6). – Wiedemann, Conrad: Das Archiv, die Stadt und die „Wonne des Lernens“. Annäherungsversuche an einen Ber-

liner Vereinsnachlaß der klassischen Zeit. In: Motschmann, Uta: Schule des Geistes, des Geschmacks und der Geselligkeit. Die Gesellschaft der Freunde der Humanität (1797–1861). Hannover 2009, S. XI–XXXIII (Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800, Bd. 14). – Wienfort, Monika: Rez. zu: Gall, Lothar: Wilhelm von Humboldt: ein Preuße von Welt. Berlin 2011. URL . – Statuten der Gesellschaft der Freunde der Humanität vom 26. Juni 1813 (LAB, A Rep. 06040, Nr. 1).

Uta Motschmann

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3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Montagsclub (MC) Name: Der Klubb; seit 1780: Montags-Klubb; scherzhaft auch: Der lachende Klub; Klubb der Unsterblichen; Gelehrten-Klubb; später Montagsklub; Montagsgesellschaft. Gründung: Oktober 1749. Bestand: Bis heute. Zusammenkünfte: Anfangs in verschiedenen öffentlichen Lokalen (bei der Speisewirtin Oelschläger, bei den Köchen Molitor, Inaroti, Bianchi, Jouanne, Krapp auf der Schinkenbrücke, bei Sander); 21. September 1789 – 1. April 1907: im Englischen Haus, Mohrenstraße 49; April 1907 – September 1934: im Hotel Prinz Albrecht; Oktober 1934–1942: im Harnack-Haus in Dahlem; während des II. Weltkrieges im Hotel Kaiserhof; in der „Klause“, Kant/Ecke Leibnizstraße; im „Christlichen Hospiz“ in der Albrechtstraße; in den Räumen des Deutschen Clubs von Berlin, Jägerstraße 2. – Am 5. September 1945 fand das erste Treffen nach dem Krieg im Hause „Bail“ statt, dann monatliche „Frühstücke“ u. a. im Hotel Adlon, bei „Borchardt“ oder in Privatwohnungen der Mitglieder; ab Oktober 1949 in der Gaststätte Schlichter, danach in verschiedenen öffentlichen Lokalen. – Heute: monatliche Treffen abwechselnd mittags oder abends in einem Berliner Restaurant. Programmzitat: Der MC wollte eine Stätte ungezwungener geselliger Vereinigung sein, wo „geistvolle[r] Frohsinn in begrenztem Kreise wahlverwandter Männer der verschiedensten Lebens- und Berufsstellungen“ vorherrschte. Die Gesellschaft versammelte sich wöchentlich zu erheiternder und belehrender Unterhaltung bei einem frugalen Abendessen, „ohne politische, literarische oder sonstige Tendenz, bloß mit dem Zweck freundschaftlicher freimüthiger Unterhaltung; und vorzüglich nach keiner Zelebrität strebend, als welche der unbefangenen einträchtigen Heiterkeit nicht recht zuzusagen scheint“ (J. E. 160

Biester: Johann Georg Schultheß, Pfarrer zu Mönchaltorf, in: Neue Berlinische Monatsschrift (1804) 2, S. 413). Geschichte und Programmatik: Der anfänglich nur Der Klubb genannte gesellige Verein gehört zu den ersten in der Geschichte Berlins überhaupt. Er wurde im Oktober 1749 durch den Schweizer Theologiestudenten Johann Georg Schultheß gemeinsam mit dem Schweizer Theologen, Philosophen und Mathematikprofessor Johann Georg Sulzer und dem Dichter und Philosophen Karl Wilhelm Ramler begründet. Es handelte sich ursprünglich um eine Freundesgesellschaft, zu der noch der Polizeiregistrator Lucas Friedrich Langemack, der Konrektor beim Köllnischen Gymnasium Johann Georg Sucro, der Registrator Johann Wilhelm Bergius, der Advokat und Musikkenner Christian Gottfried Krause sowie der Porträtmaler Gottfried Hempel gehörten. Dass der Verein nicht an die Person Schultheß gebunden war, sondern schnell seinen Platz in der Berliner Bürgerschaft gefunden hatte, zeigte sich, als Schultheß ein Jahr später Berlin wieder verließ. Der MC bestand weiter, die Mitglieder trafen sich wöchentlich, zuerst in verschiedenen Restaurationen, ab 1789 im „Englischen Haus“, einem Gesellschaftslokal in der Mohrenstraße 49, zu einem frugalen Abendessen und zum geselligen Austausch über alle Gebiete der Wissenschaften und Künste; politische Themen waren ausgeschlossen. Man sah sich in der Tradition der Tischgesellschaften der Spartaner. Das Motto des MC lautete: „Unsre Wissenschaft ist Freude, / Unsre Kunst, Geselligkeit“. „Es herrschte eine völlige Freiheit oder Rhapsodie in Ansehung der Gegenstände und der Art darüber zu reden“, urteilte Schultheß im Rückblick (Neue Berlinische Monatsschrift (1804) 2, S. 436), jedoch sollte nichts, was im MC gesprochen wurde, an die Öffentlichkeit dringen. Bei einer ersten Bestandsaufnahme 1789

Montagsclub (MC)

stellte Gedike fest: da der Plan zu der Vereinigung dem Kopf eines Republikaners entsprungen sei, sei es auch kein Wunder, „dass noch itzt der Republikanische Geist der Freimüthigkeit in dieser Gesellschaft lebt und webt“ (Kalender, 1789, S. 4). Auf der 1798(!) begangenen 50-Jahrfeier wurde dies mit den Versen bekräftigt: „Der Stifter unsers Klubs ist ein Republikaner, / Wie eine Republik noch jetzt die Stiftung ist, / Und jedes Glied ein ächter Royalist; / Sonst aber gelten hier nicht -isten und nicht -aner“. Der MC verstand sich nicht als wissenschaftliche Vereinigung, Lesegesellschaft oder Salon, sondern als Stätte einer „freien heiteren Conversation“ geistesverwandter Männer. Frauen war die Mitgliedschaft verwehrt. In den 1750er bis 1780er Jahren entwickelte er sich mit dem Beitritt von Lessing, Ramler und Nicolai, von Theden, Teller, Biester, Gedike, Klein, v. Oesfeld und Rosenstiel zu einem Zentrum der Berliner Aufklärung und stand in Verbindung mit der seit 1748 von den beiden Gründungsmitgliedern Sulzer und Ramler herausgegebenen Zeitschrift Kritische Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit. Die Herausgeber der bekanntesten Journale der deutschen Aufklärung – der Berlinischen Monatsschrift und der Allgemeinen Deutschen Bibliothek –, Gedike, Biester und Nicolai, gehörten dem MC an. Von Anbeginn bot der Verein, der ab 1780 den Versammlungstag in seinen Namen aufnahm, ein Forum der Geselligkeit und Diskussion über Standes- und Berufsschranken hinweg. Die Mitglieder gehörten verschiedenen Religionsparteien und verschiedenen Freimaurersystemen an, Kantianer saßen neben Anti-Kantianern. Staatsmänner, Juristen, Theologen, Philologen, Künstler, Mediziner, Literaten, Buchhändler trafen sich wöchentlich zu gemeinsamem Mahl und angeregter freier, heiterer Konversation. „Nicht Gelehrte allein, sondern auch Geschäftsmänner, Juristen und Aerzte, Dichter und Musiker und bildende Künstler mußten in den Kreis eintreten, wenn der Unterhaltung die ge-

wünschte Mannigfaltigkeit gegeben werden sollte. Ein gewisser Grad geistiger Begabtheit und Bildung, die sich unbefangen mitzutheilen, in scherzhafter Weise auszudrücken und wenigstens den Spaß harmlos aufzunehmen verstand, wurde von den Personen gefordert, die zur Aufnahme in die Gesellschaft in Vorschlag gebracht werden durften“ (Historische Notizen aus den Urkunden des Montagsklubbs, 1849). Da der MC einer der ersten seiner Art war, setzte die Formalisierung seines Bestehens und Wirkens relativ spät ein. Erst 1787 wurden Statuten verfasst. Diesen Satzungen entsprechend wurden die Mitglieder durch Ballottement (Kugelung) mit höchstens einer Gegenstimme gewählt. Gäste konnten jederzeit eingeführt werden. Spiele – mit Ausnahme des Schachspiels – und das Tabakrauchen waren verboten. Mit der Annahme der Gesetze wurde der MC „ein festbegründeter Verein von tüchtigen Gelehrten und hervorragenden Staatsmännern mit den fleißigsten Arbeitern im Fache der litterarischen Kritik und der ausübenden Kunst; alle Fremde von verwandter Sinnesart freuten sich, an einem Ort so viele bekannte Namen beisammen zu finden und jedes Mitglied beeiferte sich den versammelten Freunden bedeutende Männer zuzuführen“ (ebd.). Nach dem Selbstverständnis der Gesellschaft sei unter den Mitgliedern nie „das geringste Missverständniss noch weniger Zwiespalt vorgefallen“ (Kalender 1798). Im 19. Jahrhundert durchlief der MC einen deutlichen Wandel, indem der schichtenübergreifende Charakter, der die Anfangsphase geprägt hatte, zunehmend verschwand. Während der Anteil der Kaufleute und Gewerbetreibenden zurückging, stieg die Zahl hochgestellter Staatsbeamter und Militärs, damit einhergehend auch das Durchschnittsalter. Man traf sich nicht mehr so häufig im Klub, dafür öfter bei öffentlichen Festlichkeiten. Die Mitglieder waren zunehmend national-konservativ und staatstragend; die Zusammenkünfte dem rein geselligen Verkehr gewidmet. Der MC bot den hohen Vertretern aus Staatsver161

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

waltung und Armee die Möglichkeit, in regelmäßigen Abständen mit Standesgenossen zu speisen und zu diskutieren. Zu allen Zeiten jedoch sollte die Unterhaltung auch der Belehrung dienen, war die freie Aussprache auf unbedingtes gegenseitiges Vertrauen gegründet. Im II. Weltkrieg kam die Klubtätigkeit weitestgehend zum Erliegen, konnte ab 1949 jedoch neu belebt werden. Struktur und Organisation: Versammlungstag war ursprünglich der Donnerstag, wobei es aber in den ersten Jahren wohl gar keinen feststehenden Termin gegeben hat. Anscheinend versammelte man sich auch eine Zeitlang freitags, wie einem Brief Lessings an Ramler, den dieser am 6. Dezember 1760 aus Breslau schrieb, zu entnehmen ist: „Und alsdann, unsern Klub nicht zu vergessen! Alle Freytag Abends klopft mir das Herz, und ich weiß nicht, was ich darum gäbe, wenn ich mich noch itzt alle Wochen einmal in Gesellschaft so vieler rechtschaffener Leute satt essen, satt lachen, und satt zanken könnte; […]. Mein großes Kompliment an die Herren Quanz und Agricola“. Vermutlich hat dieser Brief zu der Annahme beigetragen, es hätte einen eigenständigen „Freitagsclub“ gegeben, dessen Gründung mit dem Beginn von Lessings drittem Berlin-Aufenthalt im Mai 1758 in Verbindung gebracht wurde. Doch bereits Nicolai hat in seiner Ausgabe des Briefwechsels Lessings mit Ramler, Eschenburg und ihm selbst ([1794], S. 13) diese Stelle mit dem MC identifiziert. – 1765 wurde der Montag als Versammlungstag festgelegt, doch erst ab 1780 schlug sich dies auch im Namen nieder. Anfangs kam man wöchentlich abends zwischen 18 und 19 Uhr zusammen, um 20 Uhr mit der Mahlzeit zu beginnen. Das Abendessen wurde im Laufe der Jahrzehnte immer später eingenommen; in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dauerte es von 21 bis 23 Uhr. Die Zeit davor wurde dem Schachspiel gewidmet (tradiert ist, dass dies auf Lessings Anregung hin 162

geschehen sei). – Die Zusammenkünfte wurden durch den „Senior“ – das Mitglied, das dem Klub am längsten angehörte – geleitet. Neben diesem dirigierten weitere „Beamte“, der sogenannte „engere Ausschuß“, die Klubgeschäfte; dazu gehörten ein Subsenior, ein Rechnungsführer, ein Sekretär und ein Archivar. Die Klub-Beamten wurden alle drei Jahre nach Mehrheit der Stimmen gewählt. In den Jahren bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die wöchentlichen Sitzungen im Durchschnitt von zehn Mitgliedern besucht. Während der französischen Besetzung mussten die Zusammenkünfte von Ende Oktober 1806 bis 26. Januar 1807 ausfallen. – Vierteljährlich fanden Generalversammlungen statt, in denen Vereinsinterna besprochen und Wahlen vorgenommen wurden. An den Quartalstagen wurden die Mitglieder mit „Kardinal“ bewirtet, einem Punsch aus Rheinwein, Champagner und Ananas, weshalb auch die Bezeichnung „Kardinalstag“ oder „Quartals-Kardinal“ aufkam. – Der MC war nie ein eingetragener Verein. Am 7. April 1787 wurden erstmals schriftlich die Gesetze des Montags-Klubbs aufgestellt, die in der unterm 3. Januar 1814 erlassenen Gestalt im wesentlichen bis heute Geltung haben. Seit 1787 wurden Protokollbücher geführt, in denen originell und launig die Vorkommnisse der wöchentlichen Sitzungen vermerkt waren. 1789, 1798, 1828, 1850 druckte der Klub Kalender bzw. Taschenbücher, um seine fortschreitende Geschichte zu dokumentieren. – 1814 wurde jedes Mitglied per Statut aufgefordert, „zur Fortsetzung und Vervollständigung der angelegten Bildnißsammlung […] sein in Kupfer gestochenes, gemaltes oder gezeichnetes Portrait, oder wenigstens seinen Schattenriß, nebst einer eigenhändigen, kurzen biographischen Notiz, dem Archivar zuzustellen“. Ein Sachverzeichnis des MC von 1899 weist Sammlungen von Bildnissen der Klubmitglieder von 1749 bis 1826 auf (zwei Lederbände in Großformat) sowie drei Bände einer Fotografie-Sammlung der Klubmitglieder von 1828 bis 1899, über deren Verbleib je-

Montagsclub (MC)

Abb. 23  Denkmünze des Montagsclubs aus dem Jahr 1798.

doch nichts bekannt ist. – Finanzierung: Der MC finanzierte sich über Mitgliedsbeiträge: in den ersten Jahrzehnten waren vierteljährlich ein Taler und außerdem für jede Mahlzeit zehn Groschen zu zahlen; neu aufgenommene Mitglieder hatten fünf Taler pro Quartal zu entrichten. Finanzielle Überschüsse ließ der Verein regelmäßig wohltätigen Zwecken zukommen, so beispielsweise 1806 der Armenspeisung, 1807 der Bekleidung armer Schulkinder, 1811 den Opfern des Königsberger Stadtbrandes und 1813 den durch den Krieg verarmten Bewohnern der Kurmark; weiterhin den Witwen und Waisen verschütteter Bergleute der Grube Gontay bei Aachen, den durch Überschwemmungen von Oder und Elbe oder durch Sturmfluten an der Ostsee Betroffenen; daneben finden sich Spenden für patrio­ tische Zwecke, z. B. für den Kölner Dombau oder für die Invaliden der Befreiungskriege. Im November 1806 wurde beschlossen, „das Vermögen der Gesellschaft zur Befriedigung der französischen Kontributionen dem Vaterlande zum Opfer zu bringen. Man übergab die vorhandenen 500 Thaler Seehandlungsobligationen dem Comité administratif und erhielt dafür 500 Thaler verzinsliche Berliner Stadtobligationen“ (Festschrift 1899, S. 16). In den Rechnungsbüchern sind weiterhin Aus-

gaben für Schachspiel und Schachbrett (1770– 1787), „um die Künste eines Vogels zu sehen“ (1769) oder „um einen Harfenisten zu hören“ (1771) verzeichnet, auch wurden kleinere Ausflüge unternommen („Streiferey“ 1781) und Schauspieler oder Musikvirtuosen eingeladen. In den Schriften des Vereins wurde wiederholt betont, dass im MC stets ein ausgeprägter Sinn für Humor herrschte, weshalb der Verein auch lachender Klub, froher Klub oder Republik der Freude genannt wurde. Ein Beispiel dafür war ein von 1814 bis 1819 dauernder Briefwechsel, den die Mitglieder Hermb­ staedt und Rudolphi mit einem gewissen Stukenbrock in Quedlinburg führten, welcher dem MC sein Geheimmittel, Gold zu machen, überlassen wollte. Der Scherz wurde mit einer Zahlung von acht Friedrichsd’or an den Alchemisten beendet. Nachvollziehbar ist der lustige Umgangston auch in den für die Jubiläen entstandenen Gedichten, Liedern und Ansprachen. – Das Versammlungslokal: Der MC besaß zu keiner Zeit ein eigenes Haus, sondern kam in öffentlichen Lokalen zusammen. Für 118 Jahre blieb das Englische Haus, ein vornehmes Gesellschaftslokal, in dem auch andere gesellige Vereine ihre Versammlungen abhielten, seine „Wohnstätte“. „In dem im Erdgeschoß, rechts vom Haupteingang, abgesondert gelegenen Doppelraum von mäßiger Höhe, dessen einer Teil als Kleiderablage und als Anrichte diente, während der andere größere der Abendtafel auskömmlichen Platz bot, besaß der Klub eine Art von eigenem Kasino […]. Die Quartalsversammlungen fanden entweder in einem größeren Raume – Saal wäre zuviel gesagt – des ersten Stocks, oder in dem hohen, farbenfrohen Festsaal statt, der doch nicht protzig war“ (Der Montagsklub in Berlin 1899 bis 1955, S. 8). – Feste: Jährlich wurde das Stiftungsfest gefeiert, zu dem auch weibliche Angehörige der Mitglieder eingeladen waren. Zum 50-jährigen Jubiläum des MC im Jahr 1798 (zu dieser Zeit ging man noch von 1748 als Gründungsjahr aus) erschien eine in Silber und in Gold ausgeprägte Denkmünze, 163

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

dessen Hauptseite den Januskopf zeigte, „an dessen jugendlicher Hälfte der immer grünende Epheu emporwächst, und sich über den Kopf des Alters herabsenket. Die beiden Epochen der Dauer der Gesellschaft sind mit I und L. (I und 50.) bezeichnet, und durch Epheuranken getrennt. Der Punkt bei der Zahl L deutet auf den Anfang einer neuen Periode“ (Idee und Zeichnung: J. W. Meil; Ausführung: Hofmedailleure Loos, Vater und Sohn) (Kalender 1798). – Am 11. Dezember 1785 lud Nicolai die Klubmitglieder und deren Frauen zur Feier seiner silbernen Hochzeit in den Korsika’schen Saal ein, die mit Ansprachen, Gedichten und Liedern begangen wurde und in der Vereinsgeschichte noch lange nachwirkte. Weiterhin wurden die Dienstjubiläen bzw. runden Geburtstage von Theden 1787, Biester 1812, Goercke 1817, Woldermann 1823, Rosenstiel 1828, Schuckmann 1829, Stägemann 1835, Eichhorn 1842 und Goedeking 1848 gemeinsam begangen. Mitglieder: a) Allgemeines: Bei seiner Grün­ dung hatte der MC acht, dann zwölf bis 15 Mitglieder; 1787 wurde die zulässige Zahl auf 24 und 1809 auf 30 erhöht. Heute gibt es keine Beschränkung der Mitgliederzahl, doch wird die Zahl 30 nicht überschritten. In den ersten 50 Jahren wechselte das Personal fortwährend, da viele nur kurzzeitig der Gesellschaft beitraten; ab etwa 1798 änderte sich dies zugunsten langjähriger Mitgliedschaftszeiten. Von den insgesamt 92 Mitgliedern der ersten 50 Jahre waren 58 Reichs-, Staats- und sonstige Beamte, fünf Künstler, 20 Universitätslehrer, Theologen, Mediziner und sonstige Gelehrte, acht Kaufleute und Gewerbetreibende, einer Privatmann. Das Durchschnittsalter betrug 42,5 Jahre. In den zweiten 50 Jahren waren von insgesamt 83 Mitgliedern 58 Beamte, zwei Künstler, 17 Gelehrte, drei Kaufleute, drei Gutsbesitzer bzw. Privatmänner, mit einem Durchschnittsalter von 53 Jahren. Gar nicht vertreten waren Offiziere. In den nächsten 50 Jahren (1849–1899) hatte der MC ins164

gesamt 114 Mitglieder, davon 69 Beamte, 18 Offiziere, sieben Künstler und 20 Gelehrte. Das Durchschnittsalter erhöhte sich auf 60 Jahre. Berufsoffiziere sind demzufolge erst sehr spät in den MC eingetreten, während Kaufleute, Gewerbetreibende, Gutsbesitzer und Privatmänner zu dieser Zeit gar nicht mehr vorkommen. – Dass nicht jeder Interessent in den Klub aufgenommen wurde, belegen punktuell überlieferte Protokolleinträge vom 7. Januar 1828 („Ueber 6 wurde gestimmt und alle wurden verworfen“) oder vom 5. Juli 1835 („Heute sind 5 Personen durchgefallen“). Andererseits war der MC aber auch nicht für jeden attraktiv, wie der Eintrag vom 29. November 1841 zeigt: „Ranke will nicht; der kleine, närrische Kerl will bloß in Gesellschaft sein, wo junge Damen sich befinden.“ – b) Einzelmitglieder: Eintritt 1749 bis 1815 (chronologisch; mit Angabe der Mitgliedschaftszeiten): Johann Georg Schultheß (1749– 1750); Johann Georg Sulzer (1749–1763); Lucas Friedrich Langemack (1749–1760); Wilhelm Hempel (1749–1754); Johann Georg Sucro (1749–1751); Karl Wilhelm Ramler (1749–1798); Johann Wilhelm Bergius (1749– 1764); Christian Gottfried Krause (1750– 1770); Johann Friedrich Agricola (1750– 1768); Johann Joachim Quantz (1751–1764); Christian Friedrich Voß (1752–1771); Gotthold Ephraim Lessing (1752–1761); Gottlob Nathanael Jaeschke (1753–1769); Joachim Andreas Schlüter (1754–1764); Johann Friedrich Ernst Schlichting (1756–1766); Christoph Friedrich Nicolai (1756–1811); Johann Wilhelm Meil (1756–1803); Theodor Christian v. Clermont (1757–1763); Thomas Abbt (1761– 1761); David Sigismund August Büttner (1761–1762); Carl Gotthelf Lessing (1761– 1771 oder 1772); Ludwig v. Gasc (1761–1765); Johann Heinrich Wloemer (1762–1778); Christoph Albrecht Kanitz (1763–1775); Christian Anton Schultze (1764–1772); Samuel Benjamin Stiller (1765–1770); Wilhelm Nicolai (1766–1767); Leopold Schönberg v. Brenckenhoff (1766–1767); Friedrich Christi-

Montagsclub (MC)

an Albrecht (1766–1767); Johann Ludwig Dieterich Gilbert (1767–1775); Johann Christian Anton Theden (1768–1797); Johann Friedrich Winckelmann (1769–1770); Johann Wilhelm Bernhard v. Hymmen (1769 oder 1770–1775); Matthias Wilhelm v. Madeweiß (1771–1772); Johann Daniel Gardemin (1771 oder 1772–1775); August Mylius (1772– 1776); Otto Nathanael Baumgarten (1772– 1792); Georg Wilhelm Jacob Friese (1772– 1786); Johann Justin Ernst Arends (1772–1776 oder 1777); Albrecht Heinrich v. Arnim (1773–1774); Johann Gottfried Braun (1773 oder 1774–1777); Carl Abraham Gerhard (1774–1794); Carl Anton Wilhelm Frhr. v. Schleinitz (1775–1777); Johann Jacob Engel (1775–1776); Johann Friedrich Reichardt (1775–1776); Wilhelm Ferdinand v. Stechow (1776–1787); Carl Leopold Graf v. Geßler (1776–1779); Johann Abraham Caps (1777– 1797); Johann Erich Biester (1777–1816); Friedrich Wilhelm v. Benicke (Benecke?) (1777–1783); Bernhard Georg Walch (1777– 1778); Friedrich Philipp Rosenstiel (1778– 1832); Carl Ludwig v. Oesfeld (1778–1803); Christian Wilhelm v. Dohm (1779–1786); Johann Siegfried Wilhelm Mayer (1779–1783); Johann Bernoulli (1780–1781); Johann Carl Conrad Oelrichs (1781–1798); Johann Christoph (von) Woellner (1781–1792); Karl Friedrich Leopold v. Gerlach (1781–1786); Friedrich Wilhelm Utrecht (1782–1797); Carl Ferdinand Wilhelm Beseke (1782–1798); Wilhelm Abraham Teller (1782–1803); Bernhard Friedrich Mönnich (1784–1800); Friedrich Wehling (1785–1809); Ludwig Olivier v. Marconnay (1786–1800); Johann Gottlieb Gleditsch (1786–1786); Ernst Ferdinand Klein (1786–1810); Friedrich Gedike (1786–1803); Johann Jacob Ferber (1787–1790); Johann Christoph Andreas Mayer (1787–1801); Johann Daniel Woldermann (1787–1825); Johann Friedrich Heinrich Graf v. Carmer (1788–1792); Georg Friedrich Stielow (1788– 1793); Peter Villaume (1788–1793); Johann Görcke (1792–1822); Wilhelm Albrecht Fer-

dinand Philippi (1792–1816); Friedrich Philipp Eisenberg (1792–1804); Dorotheus Friedrich Eberhard Ferdinand v. Massenbach (1793– 1808); Leopold Friedrich Günther v. Göckingk (1793–1810); Dietrich Ludwig Gustav Karsten (1794–1810); Carl Gottlieb Jaeschke (1795–1816); Sigismund Friedrich Hermb­ staedt (1796–1833); Johann Christoph Eiselen (1797–1816); Johann Friedrich Schultz (1797– 1806); Heinrich August Riedel (1797–1810); Martin Heinrich Klaproth (1798–1815); Heinrich August Rottmann (1798–1802); Johann Friedrich Unger (1798–1804); Philipp Karl Buttmann (1798–1810); Otto Christian Leopold v. Quast (1798–1824); Wilhelm Anton v. Klewitz (1799–1822); Gustav Ferdinand Wilckens (1799–1827); Friedrich Parthey (1799–1814); Johann August Sack (1799– 1816); Georg Ludwig Spalding (1800–1810); Ernst Ludwig Graf v. Podewils (1800–1804); Peter Ludwig Friedrich Graf v. Itzenplitz (1800–1834); Karl Ludwig Willdenow (1809– 1812); Georg Carl v. Frank, gen. La Roche (1809–1810); Heinrich Philipp Friedrich Klügel (1809–1824); Heinrich Schmedding (1809–1846); Johann Daniel Wilhelm Uhden (1809–1810); August v. Schultz (1809–1821); Friedrich Pfeiffer (1809–1812); Friedrich v. Schuckmann (1811–1832); Christian Friedrich Goedeking (1811–1842); Ernst Ludwig Wloemer (1811–1814); Johann Carl Ludwig Gerhard (1811–1824); Karl Asmund Rudolphi (1811–1822); Heinrich Albrecht Wilkens (1811–1827); Franz Wilhelm Salingré (1811– 1844); Johann Friedrich Wilhelm Himly (1811–1817); Georg Jakob Decker (1811– 1818); Friedrich August v. Stägemann (1811– 1829); Johann Wilhelm Süvern (1814–1822); Friedrich Theodor Poselger (1815–1825). – c) Eintritt 1816 bis 1900 (Auswahl): Heinrich Friedrich Link (1816–1851); Karl Friedrich Zelter (1816–1832); Martin Hinrich Lichtenstein (1816–1857); Leopold v. Buch (1818– 1853); Samuel Heinrich Spiker (1818–1858); Friedrich Wilken (1818–1829); Karl Johann Bernhard Karsten (1820–1853); Johann Nepo165

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

muk Rust (1821–1838); Johann Gottfried Schadow (1821–1832); Christian August v. Bredow (1821–1835); Albrecht Friedrich Eichhorn (1822–1838); Carl Friedrich Friccius (1822–1856); Christian Philipp Köhler (1822– 1841); Friedrich Wilhelm Leopold v. Bärensprung (1825–1841); Johann Franz Encke (1826–1864); Ignaz v. Olfers (1829–1844); Ludwig Samuel Bogislaw Kühne (1831–1864); Johann Gottfried David Busse (1833–1858); Ernst Heinrich Carl v. Dechen (1834–1841); Gerhard Franz Xaver v. Düesberg (1834– 1848); Heinrich Gustav Magnus (1835–1867); Friedrich Benjamin Heinrich Bode (1837– 1871); Karl Lachmann (1839–1851); Carl Gustav Homeyer (1841–1874); Carl Albrecht Alexander v. Uhden (1841–1844); Karl Friedrich Wilhelm Dieterici (1842–1859); Heinrich Wilhelm Dove (1842–1853); Carl v. Oeynhausen (1842–1847); August Twesten (1845– 1876); Peter Christian Wilhelm Beuth (1846– 1853); Carl August Costenoble (1846–1866); Wilhelm v. Scharnhorst (1850–1854); Georg Wilhelm v. Raumer (1851–1855); Friedrich August Stüler (1853–1862); Alexander Braun (1853–1858); Georg Ritschl (1855–1858); Heinrich Johann Wilhelm Rudolph Abeken (1855–1872); Karl Wilhelm Moritz Snethlage (1857–1862); Richard Lepsius (1859–1875); Albrecht Thaer (1867–1871); Paul Gustav Alexius Homeyer (1867–1894); Hermann Ludwig Ferdinand v. Helmholtz (1871–1874); August Heinrich Friedrich Drake (1871–1880); Leo Georg Graf v. Caprivi (1885–1888). – d) Leiter („Senior“; in der jüngeren Zeit „Sprecher“ genannt): 1. Johann Georg Schultheß (1749–1750); 2. Johann Georg Sulzer (1750– 1763); 3. Carl Wilhelm Ramler (1763–1798); 4. Christoph Friedrich Nicolai (1798–1811); 5. Johann Erich Biester (1811–1816); 6. Friedrich Philipp Rosenstiel (1816–1832); 7. Sigismund Friedrich Hermbstaedt (1832–1833); 8. Peter Ludwig Friedrich Graf v. Itzenplitz (1833–1834); 9. Heinrich Schmedding (1834– 1846); 10. Heinrich Friedrich Link (1846– 1851); 11. Martin Hinrich Lichtenstein (1851– 166

1857); 12. Samuel Heinrich Spiker (1857– 1858); 13. Johann Franz Encke (1858–1864); 14. Ludwig Samuel Bogislaw Kühne (1864); 15. Heinrich Gustav Magnus (1864–1867); 16. Friedrich Benjamin Heinrich Bode (1837– 1871); 17. Carl Gustav Homeyer (1871–1874); 18. August Twesten (1874–1876); 19. Rudolph Ludwig v. Decker (1876–1877); 20. Lauchlan Mac Lean (1877–1879); 21. August Wilhelm Heffter (1879); 22. Paul Leopold v. Schuhmann (1879–1886); 23. Hermann Fr. Al. v. Dechend (1886–1890); 24. Paul Gustav Alexius Homeyer (1890–1894); 25. Franz Reuleaux (1894–1905); 26. Hermann Frhr. v. d. Goltz (1905–1906); 27. Carl v. Neidhardt (1906– 1909); 28. Richard Eduard Koch (1909–1910); 29. Carl Julius Eduard Donner (1910–1912); 30. Carl Wilhelm Julius Aschenborn (1912); 31. Friedrich v. Schulz-Hausmann (1913– 1925); 32. Friedrich Reinhold v. Sydow (1925– mind. 1935); 33. Friedrich Schmidt-Ott; 34. Arwed Blomeyer; 35. Kurt von Eicken; 36. Uwe Jessen; 37. Manfred Waetke; 38. Horst Grysczyk; 39. Dieter Beuer­mann (ab 2006). Seit 2012 ist Prof. Dr. Klaus Neumann Sprecher des MC. – e) Besucher: 1787 wurde ein Gästebuch angelegt (Verzeichniß der Freunde,

so den Berlinischen Montags-Klubb mit ihrer Gegenwart beehret haben), fortgesetzt mit dem Verzeichniß der Fremden (1809–1848) und dem Fremdenbuch No. 3 (1848–1899). Von 1787 bis 1809 betrug die Zahl der Gäste 2.239, pro Jahr durchschnittlich 97. In den ersten 150 Jahren nahmen über 5.000 Gäste an den Zusammenkünften teil. – Gäste Ende 1787 bis April 1798 (Auswahl): Jens Juel Graf von Ahlefeld-Laur­ wig aus Dänemark; Joseph Bonifacio de An­ drada aus Brasilien; Hauptmann v. Archenholz aus Hamburg; Prof. und Inspektor der Antikengallerie W. G. Becker aus Dresden; Kaiserl. Königl. wirkl. Hofrat J. M. v. Birckenstock aus Wien; Buchhändler Bohn aus Hamburg; Legationsrat v. Brinckmann aus Schweden; Carl Graf v. Brühl; Obrist Graf Moritz v. Brühl aus Dresden; Bergkadett L. v. Buch aus der Uckermark; Buttmann aus Frankfurt a. M.; Camper

Montagsclub (MC)

aus Leiden; Dr. Chladni aus Wittenberg; Repet. Conz aus Tübingen; Refer. Heinrich Frhr. v. Dankelmann aus Breslau; Maler Darbes aus Petersburg; Legationsrat H. Fr. v. Diez, später Gesandter in Konstantinopel; Eberhard aus Halle; Frhr. v. Einsiedel aus Sachsen; Oberbergfaktor J. G. F. Eiselen aus Bromberg; der Generaldirektor der Spanischen Bergwerke in Amerika Eljugar; Dr. Erhard aus Nürnberg; Gelehrter J. D. Falk aus Danzig; Fichte (1793); Fischer aus Halberstadt; Forster, Vater und Sohn; Buchhändler Frommann aus Züllichau; Garve aus Breslau; Prediger C. F. Germershausen aus Schlalach bei Treuenbrietzen; Gessner aus Zürich; Göckingk; Hofmaler Graf [!] aus Dresden; Schriftgießer Haas aus Basel; Regierungsassessor Hanstein aus Magdeburg; Frhr. v. Hardenberg aus Braunschweig; Berghauptmann Frhr. v. Heinitz aus Freiberg; Universitätskanzler v. Hoffmann aus Halle; Dr. und Prof. M. Hufeland aus Jena; Dr. F. G. T. Hufeland aus Weimar; A. v. Humboldt (1791, 1794, 1805); G. O. A. v. Igelström aus Liefland; Magister Jacobi aus Quedlinburg; Edler v. Jaquin aus Wien; Regisseur des Hoftheaters J. F. Jünger aus Wien; Legationsrat Franz v. Kleist; Bergrat v. La Roche aus Schönebeck bei Magdeburg; Münzdirektor C. G. Lessing aus Breslau; Frhr. v. Lestwitz aus Schlesien; Kammerherr Graf Lichnowski aus Oberschlesien; Generalsuperintendent Löffler aus Gotha; Kammerherr v. der Lühe aus Gotha; K. Dän. Kammerherr F. U. Graf zu Lynar aus Lübbenau in der Lausitz; Capt. und Quartiermeister Lieutenant v. Massenbach aus Potsdam; Prof. Meisner aus Prag; Historienmaler H. Melchior aus Mannheim; Prof. Meyer aus Göttingen; Meyer v. Knonau aus Zürich; Buchhändler Nicolovius aus Königsberg i. Pr.; Justizrat Noel­dechen und Referendar Noeldechen aus Ruppin; Prof. Otto aus Greifswald; Hofkupferstecher v. Pechwill aus Wien; Prof. E. Plattner aus Leipzig; Frhr. v. Racknitz aus Sachsen; Geh. Kanzleisekretär A. W. Rehberg aus Hannover; Prof. Med. Reil aus Halle; Abt Resewitz aus Kloster-Bergen; H. C. Rosenstiel,

Consul der französischen Republik zu Elbingen; F. v. Rotenhan aus Franken; Fr. Schlegel aus Jena (1797); Schlegel aus Kopenhagen; Kapellmeister Schultz aus Kopenhagen; Syndicus Sieveking aus Hamburg; Rektor M. Sonntag aus Riga; Frhr. v. Stein aus Weimar, später Gesandter zu Mainz; Heinrich Graf zu Stolberg; Rat Tischbein aus Dessau; D. Titius aus Dresden; Dr. med. Usteri aus Zürich; Musikdirektor Abt Vogeler aus München; Geh. Regierungsrat C. G. Voigt aus Weimar; Bergsekretär Voigt aus Weimar; Akademieinspektor Werner aus Freiberg i. Sachsen; Preuß. Agent Willemer aus Frankfurt a. M.; Prediger C. Witte aus Lochau bei Halle; Prof. C. H. Wolke aus Petersburg. – Später besuchten den MC u. a.: Friedrich Delbrück, Johannes Müller (beide 1804), Adelbert v. Chamisso (1812, 1818), Christian Rauch (1818, 1820), Hegel (1818). Querverweise auf andere Vereine: Starke personelle Überschneidungen gibt es mit der 1797 gegründeten  Gesellschaft der Freunde der Humanität, dem  Schach-Club und der 1809 gegründeten  Gesetzlosen Gesellschaft (2). Mehrere namhafte Mitglieder der  Gesellschaft naturforschender Freunde (wie Hermb­ staedt, Rudolphi, Link, Lichtenstein, v. Buch oder Joh. Müller) besuchten den MC ebenso wie die Freimaurerbrüder der drei großen  Mutterlogen. – Von den Mitgliedern der frühen Jahre waren Nicolai, Biester, Teller, Wloe­ mer, Goeckingk, Dohm, Engel, Benecke, Gedike, Klein, Spalding, Mayer und Siebmann gleichzeitig Mitglieder der  Gesellschaft von Freunden der Aufklärung (Geheime Mittwochsgesellschaft). Wie im MC war auch hier die freie Unterhaltung oberstes Prinzip, doch konnten in der Mittwochsgesellschaft auf Grund fehlender Öffentlichkeit und einer strengen Geheimhaltung auch politische Fragen behandelt werden. Anders als im MC gab es eine regelmäßige Vortragstätigkeit mit einer praktisch-reformerischen Zielsetzung. – Enge personelle Verbindungen gab es zwischen Mitgliedern des MC (u. a. Schultheß, Sulzer, Spalding, Teller, En167

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

gel, Sucro, Langemack, Krause) und den Halberstädter aufklärerischen Netzwerken um J. W. L. Gleim sowie zur 1785 gegründeten Literarischen Gesellschaft zu Halberstadt. Bibliographie: 1) Archivquellen: Handschriftliche Vereinsmaterialien sind nicht überliefert. Rechnungsbücher wurden ab 1765, Protokollbücher und Gästebücher ab 1787 geführt. In einer Vereinschronik von 1955 wird mitgeteilt, dass das Klublokal in Dahlem im II. Weltkrieg von Bomben verschont und das Archiv intakt geblieben sei. Nach dem Krieg wurde das Lokal „von den Amerikanern in Anspruch genommen und sein Archiv gewissermaßen sequestriert“. Seitdem scheint das Archiv verschollen. – 2) Vereinsschriften: Bericht über die 150jährige Gedenkfeier des Montagsklubs in Berlin am 23. Oktober 1899. Berlin 1900. – Devisen bei der 50jährigen Jubelfeier des Montag-Clubbs d. 16. April 1798. Berlin 1798. – Fortsetzung des Verzeichnisses der Mitglieder des Montags-Klubbs als Ergänzung zum Kalender von 1828, Januar 1843. Berlin 1843. – Gedike, Friedrich: An den Montagsklub bei seiner Jubelfeier den 16. April 1798. Parodie des Göthischen Liedes „Kennst Du das Land …“. Berlin 1798. – Kalender des Montags-Klubbs in Berlin. Berlin 1828. – Kalender des Montag Klubbs zu Berlin auf das Jahr 1789. Berlin 1789. – Kalender des Montag Klubbs zu Berlin auf das Jahr 1798. Berlin 1798. – Lisco, Friedrich Gus­tav: Der Montags-Klub. 1748. In: Ders.: Das Wohlthätige Berlin. Berlin 1846, S. 95 f. – Der Montags-Klub. Abgeschlossen am 29. October 1866. Verzeichnis der Mitglieder seit seinem Bestehen. Berlin 1866. – Montagslieder. Als die Montagsgesellschaft den 23. November den Geburtstag ihres Senioren I. E. Biester feierte. Berlin 1812. – Neue Gesetze des Berlinischen Montags-Klubs vom 3. Januar 1814. Berlin 1814. – Sachse, Gustav Adolf / Droop, Eduard (Hg.): Der Montagsklub in Berlin 1749–1899. Fest- und Gedenkschrift zu seiner 150sten Jahresfeier. Berlin 1899. [Mit

Verzeichnis der von 1749 bis 1898 eingetretenen Mitglieder]. – [Schmidt-Ott, Friedrich / Hagens, Walter v.]: Der Montagsklub in Berlin 1899 bis 1955. Berlin 1955 [Separatdruck für die Mitglieder. Mit Verzeichnis der von 1869 bis 1955 eingetretenen Mitglieder]. – Sydow, Reinhold v.: Der Montagsklub in Berlin in den Jahren 1899 bis 1924. Berlin 1924. – Sydow, Reinhold v.: Der Montagsklub in Berlin 1899 bis 1924. Neudruck und Fortsetzung bis 1935. Berlin 1936. [Mit Verzeichnis der von 1869 bis 1935 eingetretenen Mitglieder]. – Taschenbuch des Montag Klubbs zu Berlin als Manuskript für die Mitglieder und Freunde des Klubbs. Berlin 1789. – Zur Feyer der 50jährigen Stiftung der Montags-Gesellschaft [Gedichte]. Berlin 1798. – Zur Feyer der 55jährigen Stiftung der Montags-Gesellschaft [Lieder]. Berlin 1803. – Zur Feier der fünf und siebenzigjährigen Dauer des Montagclubs in Berlin. Am 18. October 1824. Berlin 1824. – 3) Literatur (Auswahl): Abegg, Johann Friedrich: Reisetagebuch von 1798, hg. v. Walter und Jolanda Abegg. Frankfurt a. M. 1987, S. 281– 285. – Allihn, Ingeborg: Der Berliner Montagsklub (1749–1935). In: Carl Philipp Emanuel Bach Konzepte 4 (1990). – [Davidson, Wolf]: Briefe über Berlin. Landau 1798, S. 21. – Keeton, Kenneth: The Berliner Montagsklub, a centre of German enlightenment. In: Germanic Review 39 (1961), New York, S. 148– 153. – Möller, Horst: Aufklärung in Preussen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai. Berlin 1974, S. 229–230. – Oesfeld, Max v.: Zur Geschichte des Berliner Montags-Klubs. Ein Beitrag zur preußischen Kulturgeschichte des vorigen Jahrhunderts. In: Zeitschr. f. preußische Geschichte und Landeskunde 16 (1879), S. 328–352. – Sonnenfels, J[oseph] v.: An die Freunde des Montagklubs zu Berlin. In: Berlinische Monatsschrift 10 (1787) Oktoberheft, S. 350–355. – Steffen, Erich: Ein Klub im alten Berlin (Montagsklub). In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 27 (1910), S. 119–121.

Uta Motschmann 168

Donnerstagskränzchen [Do1]

Donnerstagskränzchen [Do1] Name: Donnerstagskränzchen, auch: Donnerstagsgesellschaft, Predigerkränzchen. Gründung: 1765. Auflösung: Nach 1798. Sitz: Die Vereinigung besaß keine eigenen Räume. Die Zusammenkünfte fanden abwechselnd in den Häusern der Mitglieder statt.

dungsjahr. Gründer waren die Oberkonsistorialräte August Friedrich Wilhelm Sack, Johann Joachim Spalding und Johann Samuel Diterich; ihnen schlossen sich bald Theodor Christian v. Clermont und Georg Ernst Stahl d. J. an. Letzterer wurde auch als Stifter einer Gesellschaft namhaft gemacht, die sich ab 1763 dienstags in seinem Haus versammelte und der mit Sack, Spalding und Wilhelm Abraham Teller spätere Mitglieder des Do1 angehörten (Nicolai [1808], S. 361). Die Behauptung, dieses habe seinen Ursprung in jener Vorgängervereinigung gehabt, blieb allerdings nicht unwidersprochen (Brief Georg Ludwig Spaldings an Friedrich Nicolai vom 22.02.1808). Auf einem klaren Missverständnis beruht hingegen die Auffassung, mit dem „ältere[n] Kränzchen“ (Küster [1790], S. [4]) sei die erste Generation seiner Mitglieder gemeint (Liese, S. 82). Von der Geschichte des Do1 sind neben den Feiern des Gründungsjubiläums in den Jahren 1790 bis 1793 nur die Ein- und Austritte dokumentiert, darunter das Ausscheiden der Gründungsmitglieder Sack und Spalding „[a]us bewegenden Gründen“ (Küster [1790], S. [6]). Wann die Vereinigung sich auflöste, ist nicht bekannt; das späteste Zeugnis für ihr Bestehen stellt ein Brief Friedrich Nicolais an seine Tochter Wilhelmine Parthey vom 11. Mai 1798 dar.

Geschichte und Programmatik: Das Do1 zählte zu den locker organisierten freundschaftlich-geselligen Zirkeln ohne programmatische Zielsetzung. Sein Zweck erfüllte sich für die Mitglieder in anregenden Gesprächen im Kreise Gleichgesinnter. Entsprechend wenig war man um Öffentlichkeit bemüht. Bei den Zusammenkünften wurde auf Einfachheit gehalten. Ausdrücklich distanzierte man sich von den „nächtlichen Fest[en] im prunkenden Saale der Großen“ (Küster [1790], S. [3]). Beabsichtigt mag auch eine Abgrenzung von den ebenfalls donnerstags stattfindenden Picknicks gewesen sein, bei denen üppige Mahlzeiten im Mittelpunkt standen. Ihren Namen erhielt die Vereinigung erst im Laufe ihres Bestehens, wohl durch die Ehefrau oder Tochter eines Mitglieds (ebd., S. [4]). Eine ebenfalls  Donnerstagskränzchen genannte Pri­ vattheatergesellschaft (siehe dort) stand in keinerlei Beziehung zu dem hier beschriebenen geselligen Zirkel. Als Gründungstag des Do1 wird in der Forschung der 27. Mai 1765 angegeben (Geiger Struktur und Organisation: Zwar gab sich [1890] u. Geiger [1895], S. 202; ihm folgend das Do1 nachweislich Statuten („Gesetze“ bzw. Liese, S. 75). Diese Datierung beruht auf der „Verträge“; Küster [1790], S. [5]), doch sind Annahme, die mit der Festschrift zum 25-jäh- diese – falls sie überhaupt jemals schriftlich rigen Bestehen bezeugte Feier am 27. Mai festgehalten wurden – nicht überliefert. Fest1790 habe am tatsächlichen Jahrestag stattge- steht, dass die Zusammenkünfte allwöchentfunden. Dagegen spricht aber, dass die Grün- lich am Donnerstagabend stattfanden, und dung dann an einem Montag hätte erfolgt sein zwar abwechselnd in den Häusern der Mitmüssen; auch sind spätere Jubiläen, wie wei- glieder. Pausiert wurde in den Sommermonatere Festschriften belegen, an anderen Termi- ten, während derer sich viele Angehörige der nen, wenn auch stets an Donnerstagen began- Vereinigung auf Brunnenkur außerhalb Berlins gen worden. Verbürgt ist somit nur das Grün- befanden (ebd.). Einen Vorstand oder sonsti169

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ge Ämter scheint es nicht gegeben zu haben. – Die Zusammenkünfte bestanden in Gesprächen und einem sich anschließenden gemeinsamen Essen. Wie in vielen ähnlichen Zirkeln waren Glücksspiele nicht gestattet; nur Schach durfte gespielt werden. Das Rauchen von Tabak war im Falle des Do1 hingegen erlaubt, denn mit „[d]es Nikotischen Krautes Weihrauch“ (ebd.) wurde auf nicht näher erläuterte Weise an die Gründung der Vereinigung erinnert. Um die angestrebte Schlichtheit zu wahren, war die Zahl der Gänge auf zwei Schüsseln begrenzt; die bei Zuwiderhandlung fälligen drei Gulden Strafe scheinen aber selten gezahlt worden zu sein (ebd., S. [5]f.). Mitgliedsbeiträge wurden offenbar nicht erhoben. Mitglieder: a) Allgemeines: Die Zahl der Mitglieder war auf mindestens zehn und höchstens zwölf festgelegt (Küster [1790], S. [5]), wobei unklar ist, wie die Aufnahme von Neumitgliedern vollzogen wurde. Frauen war die Mitgliedschaft nicht gestattet, auch wenn die Ehefrau des jeweiligen Gastgebers für die Bewirtung zuständig war. (Die gegenteilige Annahme beruht auf einer Fehllektüre von Geiger [1895], S. 201–203.) Zu der alljährlichen Feier anlässlich des Gründungsjubiläums wurden die Ehefrauen aber eingeladen. Als Gäste durften sowohl Auswärtige als auch Berliner an den Zusammenkünften teilnehmen. Schon seit ihrer Gründung befanden sich unter den Mitgliedern der Vereinigung viele Theo­logen; scherzhaft wurde sie deshalb auch „Prediger-Cränzchen“ genannt (Brief Christian Garves an Christian Felix Weiße vom 15. Januar 1781). Daneben war die höhere Beamtenschaft zahlreich vertreten. Außerdem bestanden unter den Mitgliedern und Gästen auch verwandtschaftliche Beziehungen: Sie waren Brüder (Buchholz), Schwiegervater und Schwiegersohn (Georg Ernst Stahls d. J. und Theodor Christian v. Clermont; Johann Samuel Diterichs und Johann Friedrich Zöllner) sowie Vater und Sohn (Johann Joachim und Georg Ludwig Spalding). Von 170

ihrer Geisteshaltung her waren die Mitglieder der Aufklärung zuzurechnen. Zu korrigieren ist deshalb der aufgrund eines Druckfehlers – „Wöllner“ statt „Wlömer“ (Geiger [1895], S. 202) – entstandene Irrtum, der ab 1786 als Aufklärungsgegner agierende Johann Christoph v. Woellner habe dem Do1 angehört. – b) Einzelmitglieder: Offizielle Mitgliederlisten sind nicht überliefert. Aus den Festschriften lassen sich die Angehörigen der Vereinigung zwar vollständig ermitteln, die Zeitpunkte ihres Ein- und Austritts sind darin aber nicht dokumentiert. In der Forschung finden sich verschiedentlich Personen falsch identifiziert (Parthey, S. 43 f.; Liese, S. 82–86). Vor 1790 schieden aus (in alphabetischer Reihenfolge): David Bruhn, Brüder Buchholz, Anton Friedrich Büsching, Theodor Christian v. Clermont, Johann Daniel Dietrich, Christian Konrad Wilhelm v. Dohm, Johann Friedrich v. Goldbeck, Otto Carl Hartmann, Ludwig Samuel Noltenius, August Friedrich Wilhelm Sack, Johann Joachim Spalding, Georg Ernst Stahl d. J. – Zwischen 1790 und 1793 waren Mitglied (in der Reihenfolge ihres Beitritts): Johann Samuel Diterich, Wilhelm Abraham Teller, Friedrich v. Danckelmann (gest. 1792; Küster [1793], S. [4]), Johann August v. Beyer, Samuel Christian Gottfried Küster, Johann Heinrich Wloemer, Carl August v. Struensee, Ernst Gottlob v. Maltitz, Johann Friedrich Zöllner, Friedrich Nicolai, Carl Gotthard Langhans, Friedrich Wilhelm Utrecht (Beitritt 1792; ebd., S. [3]). (Da die Reihenfolge, in der diese Mitglieder in den Festschriften aufgelistet werden, genau wiederholt wird [vgl. Küster (1790), S. [7]–[10] u. Küster (1791), S. [4]], ist anzunehmen, dass damit die Reihenfolge gemeint ist, in der sie beigetreten sind.) – c) Gäste: Namentlich bekannte Gäste waren: Carl Maximilian Ferdinand v. Mauschwitz, Christian Garve, Johann Erich Biester, Johann Elert Bode, Friedrich Gedike, Joachim Friedrich v. Lamprecht, Johann Carl Conrad Oelrichs, Carl Wilhelm Ramler, Georg Ludwig Spalding.

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Bibliographie: 1) Archivquellen: LAB, Hg. v. Johann Kaspar Friedrich Manso und E Rep. 200-02 Nachlass Nicolai-Parthey, Jens Schneider, Bd. 1. Breslau 1803, S. 157– Bd. IX, Nr. 85, 116 u. 128 (Briefe Friedrich 162 (Brief Christian Garves an Christian Felix Nicolais an seine Tochter Wilhelmine Parthey Weiße vom 15.01.1781). – Nicolai, Friedrich: vom 30.04.1796, 24.03.1797 u. 11.05.1798). Fortsetzung der Berlinischen Nachlese. XXIV. – SBB PK, Nachlass Nicolai I, Bd. 71 (Brief Gleim und Spalding. In: Berlinische MonatsGeorg Ludwig Spaldings an Friedrich Ni- schrift 6 (1808), S. 345–373. – Gronau, Wilcolai vom 22.02.1808). – 2) Festschrif- helm: Christian Conrad Wilhelm von Dohm ten: K[üster], S[amuel Christian Gottfried]: nach seinem Wollen und Handeln. Ein bioDer Freundesbund. Eine Erzälung zur Fei- graphischer Versuch. Lemgo 1824, S. 121 f. – er des 27. Mai 1790. Berlin [1790]. Wieder- Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Handabgedruckt in: Berlinischer Musenalmanach schrift für Freunde. Hg. v. Ernst Friedel, Bd. für 1791. Hg. v. Karl Heinrich Jördens. Ber- 1. Berlin 1907, S. 43 f. – 4) Forschungsliteralin, S. 110–129, u. in: Liese, S. 77–81. – Ders.: tur: Geiger, Ludwig: Berliner DonnerstagsgeDer Freundesbund. Erste Fortsetzung zur Fei- sellschaften vor hundert Jahren. In: Vossische er des 26jährigen Stiftungstages den 8. Sep- Zeitung Nr. 351 vom 31.07.1890, 1. Beilatember 1791. Berlin [1791] (LAB, E Rep. ge. – Ders.: Berlin 1688–1840. Geschichte 200-02 Nachlass Nicolai-Parthey, Bd.  VIII, des geistigen Lebens der preußischen HauptNr. 25). – Ders.: Der Freundesbund. Zwei- stadt, Bd. 2: 1786–1840. Berlin 1895, S. 202 f. te Fortsetzung zur Feier des 27jährigen Stif- – Liese, Josef: Das klassische Aachen II. Mit tungstages den 31. Mai 1792. Berlin [1792] zahlreichen Abbildungen. Theodor Christian (LAB, E Rep. 200-02 Nachlass Nicolai-Par- von Clermont, Helene Elisabeth Jacobi geb. they, Bd. VIII, Nr. 26). – Ders.: Der Freundes- von Clermont, Goethes „Dorothea“. Aachen bund. Dritte Fortsezung zur Feier des 28jäh- 1939, S. 75–88 (= Aachener Beiträge zur Heirigen Stiftungstages den 20. Juni 1793. Berlin matkunde, 20). – Maurice, Florian: Freimau[1793] (LAB, E Rep. 200-02 Nachlass Nico- rerei um 1800. Ignaz Aurelius Feßler und die lai-Parthey, Bd. VIII, Nr. 27). – 3. Gedruckte Reform der Großloge Royal York in Berlin. Quellen: Garve, Christian: Briefe an Chris- Tübingen 1997, S. 147 (= Hallesche Beiträge tian Felix Weiße und einige andere Freunde. zur Europäischen Aufklärung, 5).

Rainer Falk

Berliner Mittwochsgesellschaft [BMg] Name: Mittwochsgesellschaft (nach außen zu gebrauchender Name); Gesellschaft von Freunden der Aufklärung (interner, geheim zu haltender Name). Gründung: 5. November 1783. Auflösung: Bald nach dem Edikt wegen Ver-

hütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachtheilig werden könnten (20. Oktober 1798). Sitz: Die Gesellschaft hatte kein Versammlungslokal. Die Zusammenkünfte wurden

von der Wohnung oder dem Dienstsitz des Sekretärs Johann Erich Biester aus organisiert und fanden reihum in den Wohnungen des jeweils vortragenden Mitglieds statt. Programmzitat: „1. Jedes Mitglied verspricht auf seine Ehre: strenge Verschwiegenheit über alles in der Gesellschaft vorgetragene, auch selbst von gleichgültigen, die Gesellschaft betreffenden Dingen; ja von ihrer Existenz nicht viel zu sprechen. / 2. Jedes Mitglied verspricht 171

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auf seine Ehre vollkommene Toleranz aller Meinungen, selbst derer, die ungereimt scheinen möchten, und keine Art von Anfeindung darüber weder in noch außerhalb der Gesellschaft“ (Aus der Einrichtung der Gesellschaft, unmittelbar nach dem 5. November 1783 – SBB PK, Ms. Boruss. fol. 443, Bl. 1r). Geschichte und Programmatik: Die BMg war sowohl in ihrer Arbeitsform wie in den Themenbehandlungen die vielleicht anspruchsvollste unter den gelehrten Gesellschaften im Berlin des ausgehenden 18. Jahrhunderts, verkörperte sie doch auf das Reinste den Typus der gelehrten Privatakademie. Obwohl sie im Stillen wirkte, gilt sie heute als eine Art Zentrum der Spätaufklärung in Preußen. Hier versammelten sich „Männer, die praktisch-reformerischen Zielsetzungen in bezug auf Staat, Gesellschaft, Recht, Schulwesen usw. hatten“. Dabei war sie „von bedeutendem, aber im Einzelnen schwer zu belegenden Einfluß“ (Möller, S. 234 u. 230). Ein wichtiges Mittel dazu war zweifellos die enge Verflechtung mit der Berlinischen Monatsschrift, dem wirkmächtigsten Periodikum der Berliner Spätaufklärung. Beide Herausgeber (Biester und Gedike) waren tätige Mitglieder der BMg, und eine Reihe bedeutender Vorträge und Voten aus der Gesellschaftsarbeit wurde in der Berlinischen Monatsschrift veröffentlicht. Allerdings ist das Zutreffende der Behauptung, die Zeitschrift sei ein Organ der BMg gewesen, nicht belegbar und von der Sachlage her auszuschließen. Die zentrale Absicht der BMg, sich Aufklärung über die Aufklärung zu erarbeiten, spiegelt sich bereits in ihrer Gründungsgeschichte. Im Herbst 1782 erging von Oberkonsistorialrat Karl Franz v. Irwing die Einladung zur Gründung einer Gesellschaft von Freunden der Aufklärung in Deutschland. Über deren Echo findet sich keine Nachricht. Nach Vorbesprechungen – zumindest mit späteren Gründungsmitgliedern – erneuerte v. Irwing am 3. Oktober 1783 seinen Vorschlag zur Grün172

dung einer Gesellschaft von Freunden der Aufklärung in Deutschland und gab ihn nur wenigen, nicht bekannten Adressaten zur Kenntnis. Zu vermuten ist, dass es sich im Wesentlichen um die Personen handelte, die spätestens bereits am 6. Oktober die Gründung beschlossen, also v. Irwing, Biester, Gedike und Zöllner. Unter diesem Datum verschickten sie das Cirkulare mit der Ankündigung einer Gesellschaft von Freunden der Aufklärung an Dohm, Teller, Nicolai, Selle, Moses Mendelssohn, Engel, Dieterich, Ramler, Klein und Möhsen. Außer Moses Mendelssohn gaben Sämtliche der Befragten schriftlich ihre Zusage. Es folgten Wochen der wechselseitigen Beratung, auch teilten Moses Mendelssohn und Ramler mit, an der Gesellschaft aus Gesundheitsgründen nicht teilnehmen zu wollen. Die eigentliche Gründungssitzung am 5. November im „Englischen Hause“ (nach Nicolai zu dieser Zeit: „in der breiten Straße“) währte nur eine halbe Stunde, woraus sich eine breite, im Voraus gegebene Zustimmung zu den im Protocoll dieser Sitzung aufgeführten Satzungspunkten ergibt. Demnach lag dieses als Arbeitspapier bei Beginn der Sitzung vor, in deren Verlauf einige Punkte daraus wieder gestrichen wurden. Aus diesem Protocoll wurde – vermutlich von Biester – die undatierte, aber unmittelbar im Anschluss formulierte Einrichtung der Gesellschaft abgefasst. An ihrem Ende waren weitere Namen von Einzuladenden notiert: Schmid, Svarez, Wloemer, Struensee, v. Benicke, Leuchsenring, Gebhard und Siebmann. Zum schriftlichen Teil der Gesellschaftsarbeit heißt es hier noch, dass der Vortragende seinen Beitrag schriftlich in der Sitzung einzureichen habe, damit dieser „zu den Akten“ komme. Die mündlichen Voten werden zu Protokoll gegeben: „Nachher kann dasselbe bei den Gliedern cirkuliren“. Noch vor der ersten Dezembersitzung 1783 wurde dementgegen beschlossen, dass der Vortrag in einer Kapsel nach einer bestimmten Ordnung zu zirkulieren habe, und somit jedes Mitglied die Gelegenheit erhält, nun auch schriftlich zu

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Abb. 24  Einrichtung der Gesellschaft (1783) (SBB PK, Möhsen-Papiere: Ms.boruss. fol. 443: fol. 1r). 173

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votieren. Die erste überlieferte Sitzung, in der vorgetragen wurde, ist die vom 3. Dezember 1783. Möhsen verlas einen Vortrag über Wis-

senschaft und Aufklärung, am Beispiel brandenburgischer Brakteaten. Da er hier aber „eigentliche“ Münzwissenschaft vertrat, fand dieser bei den Mitgliedern nur mäßiges Interesse. Anders sein Aufsatz, der nicht vorgetragen, aber am 17. Dezember in den Umlauf gegeben wurde, Was ist zu thun zur Aufklärung unserer Mitbürger. Mit dessen schriftlicher Diskussion, die vom 17. Dezember 1783 bis zum 30. April 1784 währte, war die innergesellschaftliche Debatte über Aufklärung und über die Aufgaben der Gesellschaft eröffnet: Achtzehn Mitglieder beteiligten sich im „Cirkulare“ an dessen Erörterung, darunter auch Moses Mendelssohn (s. u.). Die ersten Jahre waren im Wesentlichen bestimmt von der Frage nach Begriff und Wesen der Aufklärung. Die gesellschaftsinterne Diskussion verlief parallel zu der öffentlichen, die von dem Gründungsmitglied Zöllner – gleichzeitig mit den Vorbereitungen zur BMg – mit der berühmt gewordenen „Zöllner-Frage“ Was ist Aufklärung? in der Berlinischen Monatsschrift eröffnet worden war (Bd. 2, 1783, S. 516). Diese wurde von Möhsen in seinem Aufsatz wiederholt und stand dann für die nächsten zwei Jahre im Vordergrund der Gesellschaftsarbeit. Dabei wurde die Erörterung – seit Möhsen – in zwei (hier eng zusammenhängenden) Richtungen geführt: Einmal ging es um die Begriffsklärung, sodann aber wurde Aufklärung auch als Praxisbegriff diskutiert. Als solcher wurde er hier fast immer als Fremdaufklärung (Ober- und Unterschichten-Aufklärung) begriffen, wodurch dem Praxisbegriff stets auch paternale Züge anhaften. Gedike sprach es in seiner ersten Vote offen aus: „Der eigentliche Punkt von wo die Aufklärung anfangen muß, ist der Mittelstand als das Centrum der Nation, von wo die Strahlen der Aufklärung sich nur allmählig zu den beiden Extremen, den höhern und niedern Ständen hinverbreiten. Wir dür174

fen indeßen schwerlich hoffen, oder fürchten, daß beide im ganzen genommen je den Grad der Aufklärung erreichen werden, deßen der Mittelstand fähig ist“ (SBB PK, MP fol. 131r). Mehrheitlich ging man davon aus, dass Aufklärung eine Sache der Schriftstellerei sei, womit zugleich Presse- und ZensurFreiheit in den Blick geriet. Sie bildete den nächst wichtigen Themenkomplex, bis Svarez seine Vorschläge zu Censurgesetzen vorlegte (17. Mai 1784). Das Programm der BMg waren Idee und Praxis der Aufklärung. Deren philosophischen, politischen und sozialen Bedingungen folgten nicht nur Regeln für die Praxis (wobei auch Vorsicht anmahnende Beiträge diskutiert wurden, so beispielsweise solche über die von der Aufklärung ausgehenden Gefahren), sondern die Aufklärung wurde immer mehr und vor Allem zum Synonym für vernünftige Kritik und vernünftige Reformen. Dabei machte es die Geheimhaltung möglich, auch politische Fragen zu behandeln: Wiederholt wurden die sozialen Auswirkungen der preußischen Militärverfassung diskutiert, Fragen des Ständesystems, des Rechts und – eher am Rande – der kirchlichen Ordnung. Verhandelt wurden aber auch Fragen der theoretischen, eher aber der praktischen Philosophie. In dem weitgefassten Themenkatalog kamen auch Fragen der kommunalen Hygiene, des Gesundheitswesens und des Schwärmertums zu Wort. Vortragsthemen in Auswahl: Teller: Über die Reinigung der Religion vom Aberglauben (19. Nov. 1783). – Engel: Von den letzten Gründen der Moral (19. Nov. 1783). – Gedike: Über Aufklärungsgesellschaften (4. Febr. 1784). – v. Irwing: Die Freyheit zu denken, ein unschädliches Recht aller Menschen (18. Febr. 1784). – Selle: Versuch eines Beweises, daß es keine reine von der Erfahrung unabhängige Vernunftbegriffe gebe (7. Apr. 1784). – Engel: Über die Bekämpfung der Schwärmerei durch Wiederherstellung der deutschen Philosophie (2. Juni 1784). – Gedike: Über die Schwärmerei (7. Juli 1784). – Ge-

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Abb. 25  Eigenh. Unterschrift von Moses Mendelssohn unter sein Votum zu den Aufklärungsvorträgen von Zöllner und Selle (21. Jan. 1784), Urfassung seines Aufklärungsaufsatzes (SBB PK, Möhsen-Papiere: Ms.boruss. fol. 443: fol. 188r, letzter Absatz).

dike (?): Verlesung von Kants Aufsatz „Idee zu tet haben (vor Jahresmitte 1788). – Teller: einer allgemeinen Geschichte in weltbürger- Über das Recht der Gemeinen in Glaubenslicher Absicht“ (1. Sept. 1784). – Biester (?): sachen und ihren religiösen Angelegenheiten Verlesung von Kants Aufsatz „Was ist Aufklä- (nach 9. Juli 1788). – Möhsen: Über eine Verrung?“ (20. Okt. 1784). – v. Irwing: Welches ordnung des Armen-Directoriums (nach 9. sind die sichersten Quellen, woraus die Mo- Juli 1789). – Svarez: Über den Einfluß der Geral für die Menschen geschöpft werden muß setzgebung in die Aufklärung (1. Apr. 1789). (16. Febr. 1785). – [Unbekannt:] Giebt es na- – Möhsen: Die größte Sicherheit gegen Getürliche Anlagen zum Laster? (1785). – Nico- walt und Unrecht beruht mehr auf die Gesetlai: Ist Kant’s Moralprincip bei der Ausübung ze des Staats, nicht aber auf die ReligionVorin allen Fällen hinreichend, wo uns die bishe- schriften (1788 bis Jahresmitte 1789). – Möhrigen Grundsätze zuweilen verlassen hatten sen: Über Kornpreisentwicklung und Mor(1. Aug. 1785). – Biester: Die Verbindung der talität in Berlin und der Kurmark (um 1789). Stände bei den Alten, und deren Absonderung – Möhsen: Darf ein Arzt einem soeben Hingein neuern Zeiten (spätestens 16. Nov. 1785). – richteten ärztliche Wiederbelebung leisten? (6. Selle: Über Wahrheit und Gewisheit (2. oder Okt. 1790). – Svarez: Über die Befreiung von 16. Apr. 1786). – Dohm: Plan zu einer gesetz- Staatsabgaben insofern dieselbe als ein Privilelichen Einrichtung der Totenschau (vor Juni gium gewisser Stände im Staat betrachtet wird 1785). – v. Struensee: Kann eine Positive Re- (21. Dez. 1791). – Möhsen: Versuch einer Geligion ohne Nachtheil von einem Regenten schichte der Abgaben in der Mark Brandenals Hülfsmittel zur Ausarbeitung guter Sitten burg (21. März 1792). – Möhsen: Was bleibt im Volk angewendet werden? (4. Okt. 1786). – vor ein Mittel übrig, die menschliche Natur Selle: Über die Gehorsamspflicht des Untertan eine andere Richtung zu geben, da Religion, (um 1785/1786). – Möhsen: Über den Selbst- Philosophie und Erziehung nicht hinreichend mord in Berlin und seine Beweggründe (7. sind? (5. Febr. 1793). – Gebhard: Über die Febr. 1787). – Svarez: Inwiefern können und Aufhebung oder Reform der Universitäten müssen Gesetze kurz sein? (11. März 1788). – (vor 1. Juli 1795). – Teller: Noch etwas über v. Struensee: Warum die aufklärenden Schrif- Universitäten, ihre Aufhebung oder gänzliche ten bei dem großen Haufen so wenig gefruch- Umwandlung (1. Juli 1795). 175

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Einen erheblichen Platz in der Gesellschaftsarbeit nahm die Auseinandersetzung mit der kantischen Philosophie ein, insbesondere dadurch, dass eine Reihe seiner Schriften hier verlesen oder behandelt wurde: Kritik der reinen Vernunft, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und mehrere seiner kleinen Schriften, vor allem der hier – vor der Veröffentlichung – besprochene Aufsatz Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Der letzte scheint sogar die gesellschaftsinterne Diskussion um den Aufklärungsbegriff beendet zu haben, jedenfalls sind spätere Erörterungen dazu nicht überliefert. Problematisch für unsere Kenntnis der BMg ist die Überlieferung: Von ca. 300 Sitzungen, die insgesamt stattgefunden haben dürften, sind nur wenig mehr als siebzig der Themenbehandlungen bekannt. Von den mehr als zweitausend abgegebenen Voten erhielten sich mehr als zehn Prozent. Beides zusammen genügt zwar, um sich ein zuverlässiges Bild von der Arbeitsweise der BMg zu machen, aber dieser Bestand gibt kein hinreichendes Bild von den behandelten Themenfeldern. Dabei ist auch festzustellen, dass in den neunziger Jahren – wohl aus politischer Vorsicht – die Aufsätze und Voten zu bestimmten Sachgebieten (z. B. preußische Rechtsreform, kantische Philosophie und Religionspolitik) fast vollständig ausgesondert wurden. Von außen gesehen war die Geschichte der BMg ereignisarm. Fast jede der mehr als 300 Sitzungen wurde, soweit wir wissen, nach der gleichen Ordnung abgehalten. Wohl ebenso viele Vorträge wurden gehalten und zuerst mündlich sowie nach der Sitzung schriftlich diskutiert. Einige Mitglieder verstarben während der Zeit der Gesellschaftsarbeit – der erste und besonders schmerzhafte Verlust war der Tod von Moses Mendelssohn. Gelegentlich wurde einer der Freunde zu neuen Aufgaben in der Provinz befördert oder zu diplomatischen Diensten an einen fremden Hof entsandt; in Berlin wurden entsprechend nacheinander 176

drei neue Mitglieder gewählt. Die Gleichförmigkeit der Gesellschaftsarbeit veranlasste Engel zu der Bemerkung: „unser Eifer [ist] erkaltet, weil die Gesellschaft an Intereße verliert“ (4. Jan. 1787). Dem wurde zwar entschieden widersprochen, dennoch scheint sich etwas gewandelt zu haben, denn die Themen galten in der Regel nun nicht mehr der eigentlichen Aufklärungsproblematik, sondern wandten sich verstärkt der Moral, den Staatsaufgaben und der sozialen Wirklichkeit zu. Falls Engel den Ausspruch mit Recht tat, so erholte sich die Gesellschaft aber wieder: In den letzten Jahren stieg die Anzahl von Voten zu den Vorträgen, und die Diskussionen verloren nichts an Gründlichkeit und Umsicht. Vereinzelt wurde sogar auf einen Vortrag nicht nur mittels Voten reagiert, sondern mit einem eigenen Gegenvortrag. In solch einem Fall war anschließend zu beiden Vorträgen zu votieren. Wichtig waren den Mitgliedern immer eine freie Unterhaltung und ein fortdauernder Gedankenaustausch über die vorgetragenen Themen. „Nie aber ward weder ein Resultat gezogen, noch irgend ein Beschluß von irgend einer Art gemacht.“ Zweck der Unterhaltungen war, „durch die Gegeneinanderstellung verschiedener Meinungen, deutlicher zu denken“ und die behandelten Themen „von allen Seiten zu betrachten“ (Nicolai, 1799, S. 64). Gegen Ende der Gesellschaftsarbeit häuften sich die Anzeichen dafür, dass bei den Mitgliedern sich zunehmend eine Skepsis gegenüber herrschenden Verhältnissen zu Wort meldete: Möhsens Vortrag über die Vergeblichkeit von Religion, Philosophie und Erziehung bei der Besserung der menschlichen Natur (1793) liest sich wie ein Abschied von den einstigen Erwartungen an die Aufklärung. Dieses Ende entsprach aber auch einer allgemeinen Entwicklung, denn trotz der nur fünfzehnjährigen Gesellschafts-Geschichte war inzwischen in Berlin ein grundlegender geistiger Wandel vollzogen. Der Reformbedarf hatte sich (gegenüber dem in der Regierungszeit Friedrichs II. diskutierten) tiefgreifend verän-

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dert, weitgehend auch die Formen der Geselligkeit, vor allem aber auch die intellektuellen und ästhetischen Bedürfnisse bei den bürgerlichen Führungsschichten in der Hauptstadt. Undeutlich sind die Umstände der Selbstauf­ lösung im Herbst 1798. Nach dem Edikt we-

gen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen vom 20. Oktober 1798 diskutierte die Gesellschaft, ob sie unter die neuen Bestimmungen falle, oder nicht. Bei der Regelung des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 (II, 6 §§ 3–10) herrschte offenbar Einigkeit über das Unzutreffende der Bestimmungen, nun aber waren sich die Mitglieder über die Folgen des Edikts für die BMg uneins. Formal sah man sich mehrheitlich wohl auch jetzt als nicht betroffen, dennoch beschloss man aus Gründen der Vorsicht die Selbstauf­ lösung. Für die Wirkungsgeschichte dieser einmaligen Gesellschaft ist ein besonderer Umstand ausschlaggebend: Im Zusammenhang mit der Auflösung, vielleicht aber auch schon ein paar Jahre vorher, ist ein Gutteil der Manuskripte beseitigt worden (möglicherweise im Zusammenhang mit der sogenannten Aera Woellner?). So wissen wir, dass zwei Themenbereiche besonders häufig und gründlich behandelt wurden: die kantische Philosophie und die preußische Rechtsreform. Vom ersten Thema sind in dem Teilnachlass Möhsen, der wichtigsten Quelle für unsere Kenntnis der BMg, sämtliche Spuren beseitigt worden, nicht einmal der Name Kants ist in den Papieren zu finden. In gleicher Weise fehlen die Erörterungen zur Rechtsreform, abgesehen von einigen Vorträgen von Svarez, die sich fast sämtlich nur mittelbar auf diesen Problemkomplex beziehen. Für diese Umstände dürften politische Probleme die Ursache gewesen sein. Ganz unklar hingegen sind die Gründe, warum einige Mitglieder (vor allem Biester und Nicolai), von deren Vorträgen wir zum Teil wissen, sämtliche ihrer Vortragstexte entfernt haben oder entfernen ließen. Auch von anderen fehlen sämtliche Vortragstexte, so auch

von Spalding, dessen zahlreiche Voten ihn als besonders tätiges Mitglied ausweisen. Struktur und Organisation: Zusammenkünfte waren „von Michaelis bis Ostern monatlich zweimal, von Ostern bis Michaelis monatlich einmal; immer respective den ersten oder den ersten und dritten Mittwochen des Monats: Die Sitzung fängt an um halb 6 Uhr, und dauert bis 8, wo gegeßen wird“ (Aus der Einrichtung der Gesellschaft, unmittelbar nach dem 5. November 1783 – SBB PK, MP fol. 443, Bl. 1). Für die Sitzungen galt: „Wenn der Vortrag geendet ist, sprechen oder votiren die Glieder darüber, in der Ordnung, nach welcher sie gerade sitzen. Der Vortragende kann jedem Votirenden antworten. Der Votirende kann nur einmal reden, bis die Reihe ganz herum ist, und wieder an ihn kömmt.“ „Die Reihe des Vortrags unter den Mitgliedern ist unten bestimmt, nach Nummern. – Unter den Gegenständen sind ausgenommen: eigentliche Theologie, Jurisprudenz, Medicin, Mathematik, philologische Kritik und Zeitungsnachrichten; nicht aber die daraus gefolgerten Resultate zur Aufklärung und zum Wohl der Menschheit. – Der Vortrag besteht, wie man will, entweder in eigentlichen Vorlesungen, die aber nicht zu lang seyn, und immer Punkte zum disseriren enthalten müssen, oder es werden Materien zum discutiren aufgeworfen, wobei aber der Vortragende diese Punkte schriftlich mit bringen muß, damit sie zu den Akten kommen.“ Nach dem Vortrag zirkulierte das Manuskript der Vorlesung unter den Mitgliedern in einer verschlossenen Kapsel, zu der alle einen Schlüssel besaßen, so dass jeder die Vorlesung nacharbeiten und schriftlich votieren konnte. Die BMg zeichnete sich durch einen besonders geringen Organisationsgrad aus. Auf einen Vorsitz oder Vorstand wurde verzichtet, lediglich ein Sekretär (Biester) bestimmt. Die Aufgaben des Sekretärs waren auf die Einhaltung der Regularien sowie auf die wenigen Verwaltungsgeschäfte beschränkt: Versen177

Abb. 26  Johann Karl Wilhelm Möhsen, erste Seite des Entwurfes einer Vote (Reinschrift verschollen) zu einem unbekannten (verschollenen) Aufklärungsaufsatz von Moses Mendelssohn (1785) (SBB PK, Möhsen-Papiere: Ms.boruss. fol. 443: fol. 316r).

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dung der Vortragsmanuskripte in den Umlauf, Korrespondenz sowie die Verwahrung der Beitragsgelder (pro Mitglied 16 Groschen monatlich). Die Zuwahl neuer Mitglieder musste einstimmig per Ballotage durch sämtliche Mitglieder erfolgen; die Gesamtzahl war auf höchstens vierundzwanzig festgelegt. Die Statuten (Einrichtung der Gesellschaft) von Anfang November 1783 galten wohl über die gesamte Zeit und wurden nur zweimal geändert: im April 1784 durch die Festlegung der Reihenfolge, in der Vorträge und Voten zu zirkulieren hatten, und um die Jahreswende 1784/1785 durch die Einführung von Nummernsiglen statt namentlicher Unterzeichnung. („Es haben Mitglieder geglaubt, daß, aller Sicherheit wegen, Nummern statt Namen unterschrieben würden.“) Diese Regelung war nur bis zum Januar 1787 gültig. Nur eine einzige, nach außen gerichtete Initiative der BMg ist bekannt, die seinerzeit viel beachtete und erfolgreiche  Herzog LeopoldStiftung. – Aus Gründen allgemeiner Wohltätigkeit unterstützte die BMg in späteren Jahren die Sonntagsschule in Spandau und bestimmte bei der Auflösung 1798 den finanziellen Restbesitz für diesen Zweck. Mitglieder: Die Zahl der Mitglieder war auf 24 beschränkt, von einer Zuwahl ausgeschlossen waren „Exzellenzen“. Einheimische Gäste waren nicht zugelassen, für auswärtige musste die Zustimmung per Rundschreiben eingeholt werden. Wie oft und welche Gäste an Sitzungen teilnahmen, ist nicht bekannt. Überliefert ist nur der Besuch von Georg Forster am 5. Oktober 1785. – Neben dem Initiator Karl Franz v. Irwing waren die Gründungsmitglieder Biester, Gedike und Zöllner. An der Gründungssitzung am 5. November 1783 (bei der v. Irwing verhindert war) nahmen außerdem teil: Teller, Engel, Nicolai, Dohm, Möhsen, Dieterich, Klein und Selle. Die ebenfalls eingeladenen Moses Mendelssohn und Ramler hatten inzwischen mit Verweis auf ihre Gesundheit abgesagt. „Kon­r[ek­tor] Moritz sollte für itzt

noch nicht aufgenommen werden.“ Moses Mendelssohn war dann vor dem 17. Dezember 1783 von Biester die Ehrenmitgliedschaft angetragen worden. Diese stellte ihn von der Sitzungsteilnahme frei, eröffnete ihm aber die Möglichkeit zur schriftlichen Teilnahme. Insgesamt war er wohl nur gelegentlich Teilnehmer an einer Sitzung (nachzuweisen ist sein Besuch nur zwei Mal), beteiligte sich aber lebhaft an den schriftlichen Diskussionen. Eine Reihe seiner kleineren Abhandlungen haben hier ihren Ursprung und sind weitgehend nur aus diesen Zusammenhängen verständlich. Ein Beitrag zur Gesellschaftsarbeit (16. Mai 1784) war auch sein im September 1784 in der Berlinischen Monatsschrift veröffentlichter Aufsatz Ueber die Frage: was heißt aufklären? – Aus dem Kreis der 24 Mitglieder gehörte die Mehrheit der hohen Staatsbedienung an: Der ranghöchste Verwaltungsbeamte (erster Justitiar des Generaldirektoriums) J. H. Wloemer (Studienfreund von I. Kant); der erste Mitarbeiter des Großkanzlers und Hauptautor der preußischen Rechtsreform C. G. Svarez; J. E. Biester, zur Gründungszeit der enge Mitarbeiter des Ministers K. A. v. Zedlitz; C. W. Dohm, der erste Mitarbeiter im Staatsministerium; der Direktor der Seehandelsgesellschaft und ab 1791 Geh. Staatsminister C. A. v. Struensee; die Mehrheit des Oberkonsistoriums (v. Benicke, Dieterich, v. Irwing, Spalding, Teller, Zöllner) und die beiden hochrangigen Mediziner C. W. Möhsen und J. G. Selle (beide auch Leibärzte des Königs). Dazu kamen Gelehrte wie J. J. Engel und F. M. Leuchsenring, die ebenfalls zur öffentlichen Bedienung zählten, aber eher als Literaten wirkten. Dem eigentlichen Zivilstande zugehörig waren einzig Moses Mendelssohn und Friedrich Nicolai. – Die Mitglieder im Einzelnen (die erste Berufsangabe bezieht sich auf die Stellung bei Eintritt in die BMg): Friedrich Wilhelm von Benicke (1752–1793), Kammergerichtsrat, 1785 Ernennung zum Präsidenten der Ostfriesischen Regierung. Eingeladen 3. Dez. 1783. Ob mit der Versetzung nach Aurich die 179

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Mitgliedschaft nur ruhte oder ganz endete, ist unklar. – Johann Erich Biester (1749–1816), Sekretär bei Staatsminister Karl Abraham v. Zedlitz-Liepe, 1784 zweiter, 1795 erster Bibliothekar (Direktor) der Kgl. Bibliothek. Gründungsmitglied und (bis zum Schluss der Gesellschaftsarbeit) Sekretär der BMg. – Albrecht August Heinrich Borgstede (1758– 1814), Geh. Oberfinanzrat. Eingeladen wohl nach 1789. – Johann Samuel Diterich (1721– 1797), Erster Prediger an der Marienkirche, Oberkonsistorialrat. Gründungsmitglied, Mitglied bis zu seinem Tode 1797. – Christian Conrad Wilhelm Dohm (1751–1820), Geh. Kriegsrat im Kabinettsministerium, 1786 Ernennung zum Herzoglich Clevischen Geh. Kreis-Direktorialrat, Bevollmächtigter Gesandter bei dem Niederrheinisch-Westfälischen Kreis, akkreditierter Preußischer Minister am Kurkölnischen Hof und Resident bei der Freien Reichsstadt Aachen. Gründungsmitglied, ob mit der Versetzung nach Köln die Mitgliedschaft nur ruhte oder ganz endete, ist unklar. – Johann Jakob Engel (1741–1802), Professor der Philosophie und der Schönen Wissenschaften am Joachimsthalschen Gymnasium, 1787 Mitdirektor des Nationaltheaters, dessen Leitung er ab 1793 allein übernahm, 1791 Vorlesungen über Philosophie vor dem Kronprinzen, 1794 entlassen. Eingeladen am 6. Okt. 1783, 1794 Weggang nach Parchim, ob er 1798 nach seiner Rückkehr die BMg wieder besuchte, ist ungewiss. – Johann Jakob Ferber (1743–1790), ab 1782 Oberbergrat, 1787 Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Mitglied frühestens 1786. Der Nachruf in der Berlinischen Monatsschrift lässt vermuten, dass er bis zu seinem Tode Mitglied war. – Johann George Gebhard (1743–1807), Zweiter, ab 1790 Erster reformierter Prediger an der Jerusalems- und Neuen Kirche (heute Deutscher Dom), 1801 Kirchenrat und Mitglied des reformierten Kirchendirektoriums. Eingeladen am 5. Nov. 1783, jedoch ist eine Beteiligung erst für den 3. Juni 1784 bezeugt, gehörte der BMg bis zu 180

ihrer Auflösung an. – Friedrich Gedike (1754–1803), Rektor des Friedrichswerderschen Gymnasiums, weltlicher Oberkonsistorialrat, 1787 Mitglied des Oberschulkollegiums. Gründungsmitglied und Mitglied bis zur Auflösung. – Leopold Friedrich Günther v. Goeckingk auf Daldorf und Günthersdorf (1748–1828), Geh. Finanzrat im Generaldirektorium, 1797 Mitglied der Gesetzkommission, 1803/04 hatte er die Verwaltung im (ehemaligen) Fürstbistum Fulda einzurichten. Mitglied seit 1793 bis zur Auflösung. – Karl Franz v. Irwing (1729–1801), Weltlicher Oberkonsistorialrat, Rat beim Direktorium des Joachimsthalschen Gymnasiums, 1787 Mitglied und 1797 Präsident des Oberschulkollegiums. Gründungsmitglied bis zur Auflösung. – Ernst Ferdinand Klein (1743–1823), Wirklicher Assistenzrat bei der Breslauer Oberamtsregierung (jedoch Mitarbeiter des Großkanzlers in Berlin), 1786 Kammergerichtsrat, 1792 ao., 1800 o. Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 1792 Berufung an die Universität Halle, 1799 Mitglied der Gesetzkommission, 1800 Geh. Obertribunalrat, 1803 Mitglied der Oberrevisionsdeputation, 1809 Geh. Oberjustizrat. Eingeladen am 6. Oktober 1783, votiert zur Abhandlung Möhsens vom 17. Dezember 1783. Ob er nach seinem Abgang nach Halle noch Mitglied blieb, ist ungewiss. – Franz Michael Leuchsenring (1746–1827), Hofmeister, 1783 in diplomatischen Diensten des Landgrafen von HessenHomburg, 1785 Abschied mit Ernennung zum Geheimrat, 1784 Philosophielehrer des Prinzen Friedrich Wilhelm (des späteren Königs Fr. W. III.), 1789–1791 ohne Beschäftigung, 1792 Ausweisung aus Berlin, Emigration nach Paris. Mitglied nach April 1784, hat vielleicht nach seiner Rückkunft nach Berlin 1787 die Teilnahme nicht wieder aufgenommen, allerdings behandelt ihn Klein in Freyheit und Eigenthum (1790) als Mitglied, Abgang von Berlin 1792. – Johann Siegfried Wilhelm Mayer (1747–1819), Kammergerichtsrat, 1791 Kurmärkischer Lehns­ archivar,

Berliner Mittwochsgesellschaft [BMg]

1795 Geh. Obertribunalrat. Mitglied spätestens seit März 1792 bis zur Auflösung. – Moses Mendelssohn (1729–1786), Geschäftsführer der Seidenfabrik des verstorbenen Isaak Bernhard, gemeinsam mit dessen Witwe. Ehrenmitglied spätestens ab 3. Dez. 1783 bis zu seinem Tode. – Johann Karl Wilhelm Möhsen (1722–1795), Adjunkt des Kreisphysikus Cothenius im Kreis Teltow, 1789 dessen Nachfolger, Leibarzt des Königs, Mitglied des Ober-Collegium Medicum und des OberCollegium Medicum et Sanitatis, Hofrat. Eingeladen am 6. Oktober 1783, Mitglied bis zu seinem Tode. – Christoph Friedrich Nicolai (1733–1813), Buchhandelslehre in Frankfurt/ Oder, Inhaber der väterlichen Buchhandlung, Verleger, 1799 ao. und 1804 o. Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Eingeladen am 6. Oktober 1783, Mitglied bis zur Auflösung. – Friedrich Philipp Rosenstiel (1784–1832), Bergrat und enger Mitarbeiter des Ministers Friedrich Anton v. Heinitz. Mitglied seit 1785, wohl vor dem Zutritt Goeckingks (1793) ausgeschieden. – Gottlieb Ernst Schmid (1727–1814), Prediger an der Simultankirche des Kgl. Friedrichshospitals und am Kalandhofe. Eingeladen am 5. November 1783, Mitglied bis zur Auflösung. – Johann Friedrich Schultz (1745–1806), Geh. Finanzrat. Eingeladen vor 1795. – Christian Gottlieb Selle (1748–1800), Arzt (später Oberaufseher) an der Charité sowie Professor (1798 zweiter Direktor) am Ober-Collegium Medico-Chirurgicum und Vorsitzender der Examinationskommission, 1785 Königlicher Leibarzt (Friedrich II., Friedrich Wilhelm II. u. Friedrich Wilhelm III.), 1786 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, gehörte dem Berliner Armendirektorium an. Eingeladen am 6. Okt. 1783, Mitglied bis zur Auflösung. – Christian Ludwig Siebmann (1748–1802), Geh. exped. Sekretär im Kabinettsministerium, 1782 Kriegs- und Domänenrat sowie Expedient in der Geh. Staatskanzlei, 1796 Geh. Kriegs- und Domänenrat. Einladung frühestens nach dem 3. Dez. 1783, ob und wann er

eventuell ausschied, ist nicht bekannt. – Johann Joachim Spalding (1714–1804), Erster Prediger an der Nikolaikirche in Berlin, Oberkonsistorialrat und Propst, gehörte dem Berliner Armendirektorium an, legte 1788 (wegen des Religionsediktes) das Amt als Propst und Prediger nieder. Eingeladen am 5. Nov. 1783, Mitglied bis zur Auflösung (dürfte sich aber zum Schluss aus Altersgründen nicht mehr an der Gesellschaftsarbeit beteiligt haben). – Carl August Struensee ([ab 1789] v. Carlsbach) (1735–1804), Direktor der Berliner Kgl. Seehandelsgesellschaft, 1791 Mitglied des Generaldirektoriums sowie Staatsminister des Accise-, Zoll-, Commercial und Fabrikenwesens, 1798 Leiter der Kommission zur Überprüfung der Steuerexemtionen des Adels. Eingeladen am 5. November 1783, Mitglied bis zur Auflösung. – Carl Gottlieb Svarez (1746–1798), Erster Mitarbeiter des Großkanzlers Johann Heinrich Kasimir v. Carmer, Geh. Justizrat und Mitglied der Gesetzkommission, 1787 Geh. Oberjustizrat, 1798 o. Mitglied und ao. Direktor der Akademie der Wissenschaften. Eingeladen am 3. Dez. 1783, Mitglied bis zu seinem Tode. – Wilhelm Abraham Teller (1734–1804), Pastor Primarius an der Petrikirche, Propst zu Kölln, Oberkonsistorialrat und Inspektor des Vereinigten Berliner und Köllner Gymnasiums, 1786 o. Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Eingeladen am 6. Okt. 1783, Mitglied bis zur Auflösung. – Johann Heinrich Wloemer (1726–1797), Geh. Finanzrat, Erster Justitiar des Generaldirektoriums, 1796 Kommissar des Generaldirektoriums für Südpreußen. Eingeladen am 5. Nov. 1783, Mitglied bis zu seinem Tode. – Johann Friedrich Zöllner (1753–1804), Diakon an St. Marien, 1788 Oberkonsistorialrat, 1798 Nachfolger Spaldings als Propst und Inspektor von Berlin, Pastor an St. Nikolai, Kurator des Schindlerschen Waisenhauses und der Schindlerschen Legatenkasse, 1797 erster Prediger an St. Marien (Archidiakon), 1800 Mitglied des Oberschulkollegiums, 1791 o. Mitglied der Aka181

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

demie der Wissenschaften. Gründungsmitglied bis zur Auflösung. Querverweise auf andere Vereine: Große personelle Überschneidungen gab es mit dem  Montagsclub (v. Benicke, Biester, Diterich, Dohm, Engel, Ferber, Gedike, v. Goeckingk, Klein, Mayer, Mendelssohn, Nicolai, Rosenstiel, Schultz, Teller, Wloemer), mit dem  Donnerstagskränzchen (Biester , Diterich, Dohm, Nicolai, Spalding, Struensee, Teller, Wloemer, Zöllner) und mit der  Bauerschen Lesegesellschaft (Dohm, Engel, Klein, Zöllner). Durch Einzelmitgliedschaften war die BMg auch mit dem  Gelehrten Kaffeehaus verbunden (Nicolai, Mendelssohn), der  Gesellschaft naturforschender Freunde (Ferber), der  Märkischen Ökonomischen Gesellschaft (Borgstede) oder der  Gesellschaft der Freunde der Humanität (v. Irwing). – Querverbindungen bestanden auch zu den Freimaurerlogen:  Große Nationalmutterloge zu den drei Weltkugeln (v. Benicke, Rosenstiel , Zöllner );  Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland (Biester );  Johannisloge Zur Eintracht (Nicolai, Rosenstiel, Zöllner ); 

Johannisloge Pythagoras zum flammenden Stern (Siebmann );  Großloge Royal York (Klein );  Orden der Gold- und Rosenkreuzer (Zöllner); Loge Zum aufrichtigen Herzen (Frankfurt/Oder) (Zöllner). In Berlin wurden im 18. und 19. Jahrhundert mindestens fünf Mittwochsgesellschaften gegründet, die im Folgenden kurz benannt werden, um einer Verwechslung vorzubeugen: 1. Die hier beschriebenen BMg, gegr. 1783. 2. Die  Feßlersche Mittwochsgesellschaft, gegr. 1796. 3. (Literarische) Mittwochsgesellschaft, gegr. am 26. Oktober 1824 durch Julius Eduard Hitzig, musisch-literarische Vereinigung. 182

4. Mittwochsgesellschaft, gegr. am 19. Januar 1863 durch Moritz August v. BethmannHollweg, exklusiver Verein, tätig bis 1945. 5. Mittwochsgesellschaft, gegr. im Oktober 1871 im Kreis der Französischen Kirche, tätig bis in den II. Weltkrieg, Wiederbegründung 1953. Bibliographie: a) Handschriften: SBB PK, Ms. Boruss. fol. 443 (Möhsen-Papiere); Briefnachl. Nicolai 292, Bl. 11r–19r (Vorträge Teller mit Voten). – GStA PK, VI. HA, NL Svarez (Nachlass Svarez). – LA Berlin: FamilienNachlass Parthey: Nicolai, Briefe an seine Tochter Wilhelmine: E Rep. 200-02, Bd. IX., Nr. 22, 40, 69, 90. – Archiv der Franckeschen Stiftungen, Halle/Saale, Nachlass Tholuck (Reste aus dem Gesellschaftsarchiv). – Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Votenumlauf zu Vortrag von Selle. – Universität Hamburg, Thea­ tersammlung, Fachbereichsbibliothek Sprache, Literatur, Medien (Vote von Engel zu Vortrag von Selle). – b) Texteditionen: Conrad, Hermann / Kleinheyer, Gerd (Hg.): Vorträge über Recht und Staat von Carl Gottlieb Svarez . Köln, Opladen 1960, S. 627– 644 (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 10). – Gose, Walther / Krause, Peter / Delfosse, Heinrich P. (Hg.): Die Gesellschaft von Freunden der Aufklärung. Papiere der Berliner ‚Mittwochsgesellschaft‘ 1782–1798. Unter Mitarb. v. Michael Trauth. Stuttgart (Bad Cannstatt) [in Vorbereitung]. – Haberkern, Ernst: Limitierte Aufklärung. Die protestantische Spätaufklärung in Preußen am Beispiel der Berliner Mittwochsgesellschaft. Marburg 2005, S. 349–414. – Hümpel, Henri: Was heißt aufklären? – Was ist Aufklärung? Rekonstruktion eines Diskussionsprozesses, der innerhalb der Gesellschaft von Freunden der Aufklärung in den Jahren 1783–1789 geführt wurde. Ein Editionsbericht. In: Jb. f. d. Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 42 (1994), S. 185–228. – Keller, Ludwig: Die Ber-

Berliner Mittwochsgesellschaft [BMg]

liner Mittwochsgesellschaft. Ein Beitrag zur Studien. XVIII). – Goldenbaum, Ursula: Der Geschichte der Geistesentwicklung Preussens „Berolinismus“: Die preußische Hauptstadt am Ausgange des 18. Jahrhunderts. In: Mo- als ein Zentrum geistiger Kommunikation natshefte der Comenius-Gesellschaft 5 (1896), in Deutschland. In: Förster, Wolfgang (Hg.): S. 67–94. – Mendelssohn, Moses: Gesammel- Aufklärung in Berlin. Berlin 1989, S. 339– te Schriften. Jubiläumsausgabe. Bd. 6,1 (bearb. 362. – Gose, Walther: Volksaufklärung und v. Alexander Altmann). Stuttgart-Bad Cann- Rechtspädagogik in politischer Absicht. In: statt (1981), S. 89–102, 109–162. – Möhsen, Gose, Walther / Würtenberger, Thomas (Hg.): Johann Carl Wilhelm: Betrachtungen über Zur Ideen- u. Rezeptionsgeschichte des Preudie Berliner Selbstmörder unter den Solda- ßischen Allgemeinen Landrechts. Trierer Symten. Nach dem Manuskript aus den Materi- posion zum 250. Geburtstag von Carl Gottalien der Berliner Mittwochsgesellschaft hg. v. lieb Svarez. (Stuttgart-Bad Cannstatt) 1999. Hans-Uwe Lammel. Hannover-Laatzen 2004. S. 9–37. – Gose, Walther: Zwanglose Gesel– Stölzel, Adolf: Die Berliner Mittwochsgesell- lung. Zu ihrer Theorie und Praxis in der deutschaft über Aufhebung oder Reform der Uni- schen Spätaufklärung. In: Zwanglose Beiträge. versitäten . In: Forschungen zur Bran- Ekkhard Verchau zur Vollendung seines achtdenburgischen und Preußischen Geschich- zigsten Lebensjahres. Hg. von den Zwanglote 2 (1889), S. 203–222. – c) Weitere Quel- sen. Mainz 2007, S. 79–100. – Gose, Walther / len: Goeckingk, Leopold Friedrich Günter Krause, Peter: Aufklärung und Gesetzgebung. v. (Hg.): Friedrich Nicolai’s Leben und lite- 200 Jahre Entwurf eines Allgemeinen Gesetzrarischer Nachlaß. Berlin 1820. – Gronau, buchs für die Preußischen Staaten. Eine DoC[hristian] Wilhelm: Christian Wilhelm von kumentation. Trier 1988 (AusstellungskataloDohm nach seinem Wollen und Handeln. Ein ge Trierer Bibliotheken, 17). – Gose, Walther: biographischer Versuch. Lemgo 1824. – Ni- Forsters Besuch in der Berliner Mittwochsgecolai, Friedrich: Ueber meine gelehrte Bil- sellschaft. In: Georg Forster und die Berliner dung, über meine Kenntniß der kritischen Aufklärung. Kassel 2013, S.  17–32 (GeorgPhilosophie und meine Schriften dieselbe be- Forster-Studien, XVIII). – Hellmuth, Eckart: treffend und über die Herren Kant, J.  B. Er- Aufklärung und Pressefreiheit. Zur Debathard, und Fichte. Berlin und Stettin 1799, te der Berliner Mittwochsgesellschaft. In: Zs. S. 64–66. – Tholuck, Friedrich August Gott- f. historische Forschung 9 (1982), S. 215–245. treu: Die Gesellschaft der Freunde der Aufklä- – Hinske, Norbert [Hg.]: Was ist Aufklärung? rung in Berlin im Jahre 1783. In: Litterarischer Beiträge aus der Berlinischen Monatsschrift. Anzeiger für christliche Theologie und Wis- In Zusammenarb. m. Michael Albrecht aussenschaft überhaupt 1 (1830), S. 57–64, 86–87. gew., eingel. u. m. Anm. versehen. Darmstadt – d) Forschungsliteratur: Birtsch, Günter: 1973 (41990). – Hinske, Norbert: Kants BezieDie Berliner Mittwochsgesellschaft. In: Bö- hungen zu den Schaltstellen der Berliner Aufdeker, Hans Erich / Herrmann, Ulrich (Hg.): klärung. In: Edmundts, Dina (Hg.): Immanuel Über den Prozess der Aufklärung in Deutsch- Kant und die Berliner Aufklärung. Wiesland im 18. Jahrhundert. Personen, Instituti- baden 2000, S. 50–59. – Krause, Peter: Keionen und Medien. Göttingen (1987), S. 94– ne Mystifikation. Der Briefwechsel zwischen 111 (Veröffentlichungen des Max-Planck-In- dem Reichsfreiherrn von Monster und Mostituts für Geschichte, 85). – Godel, Rainer: ses Mendelssohn im Frühjahr 1785. In: MenDie Form der Auseinandersetzung. Forster, delssohn-Studien 5 (2011), S. 49–69. – Krüdie Berliner Mittwochsgesellschaft und die ger, Gerhard: Ernst Ferdinand Klein. Das allBerlinische Monatsschrift. In: Georg Forster gemeine Landrecht und die Mittwochsgesellund die Berliner Aufklärung, S. 1–16 (Forster schaft. In: Quatuor-Coronati-Jb. 17 (1980), 183

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

S. 175–196. – Lohmann, Uta: David Friedländers Freundschaft mit dem Kreis der Berliner Mittwochsgesellschaft und seine ‚Aufklärung über Juden‘. In: Berliner Aufklärung. Kulturwissenschaftliche Studien, Bd.  4, Sonderdruck. Hg. v. Ursula Goldenbaum und Alexander Košenina. Hannover 2011, S. 95–133. – Meisner, Heinrich: Die Freunde der Aufklärung. Geschichte der Berliner Mittwochsgesellschaft. In: Festschrift zur 50jährigen Doktorjubelfeier am 14. Januar 1896. [Hg.] von Oskar Brunner, Finner Johnsson, Friedrich Kluge [u. a.]. Straßburg 1896, S. 13–54. – Möller, Horst: Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai. Berlin 1974, S. 230–238. – Nehren, Birgit: Aufklärung – Geheimhaltung – Publizität. Moses Mendelssohn und die Berliner Mittwochsgesellschaft. In: Alb-

recht, Michael [u. a.] (Hg.): Moses Mendelssohn und die Kreise seiner Wirksamkeit. Tübingen 1994, S. 93–111 (Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, 19). – Stölzel, Adolf: Carl Gottlieb Svarez. Ein Zeitbild aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Berlin 1885 (über BMg S. 178–187). – Vierhaus, Rudolf: Friedrich Nicolai und die Berliner Gesellschaft. In: Fabian, Bernhard (Hg.): Friedrich Nicolai 1733–1811. Essays zum 250. Geburtstag. Berlin (West) 1983, S. 87– 98. – Weber, Peter: „Was eben jetzt noch zu sagen oder zu verschweigen sei, müsst ihr selbst entscheiden.“ Publizistische Strategien der preußischen Justizreformer 1780 bis 1794. In: Goldenbaum, Ursula: Appell an das Publikum. Die öffentliche Debatte in der deutschen Aufklärung 1697–1786. Sieben Fallstudien. Berlin 2004, S. 729–812.

Walther Gose

(Feßlersche) Mittwochsgesellschaft [FMg] Name: Gesellschaft edler Vergnügungen; Lite- re Frauen Von, ein Oberconsistorialrath, ein rarische Mittwochsgesellschaft; Feßlersche Mitt- Prediger, Schulleute, Geschäftsleute, Künstler, Kaufleute pp die aber alle ihren Stand wochsgesellschaft; Feßlersche Lesegesellschaft. Gründung: Oktober 1796. zu Hause lassen u. sich Mittwochs von 5 bis Auflösung: Nach 1806 (in den 1840er Jah- 10 oder 11 Uhr mit Litteratur u. verwandten ren wird berichtet, dass sie „schon lange“ Gegenständen beschäftigen“ (Sander an Bötnicht mehr existiere). tiger, 26. Nov. 1796; zitiert nach: Maurach, Sitz: Englisches Haus, Mohrenstraße 49. Bd. 1, Nr. 11, S. 54 f.). Programmzitat: In der Geselligkeit, „die wirklich durch Humanität einige Aufmerksamkeit verdient“, kamen Männer und Frauen zusammen, „um zu lesen, dann zu plaudern, Musik zu machen u. am Ende frugal zu essen“. Es genügte „den Mitgliedern, Menschen zu sein; und es ist ihnen gleichgültig, ob diese Menschen Juden, ob sie Christen sind. Außer denen, die ich Ihnen schon genannt habe, sind auch ein Paar Töchter des alten Itzig (kluge, gebildete Weiber) in der Gesellschaft; u. daneben nun einer oder mehre184

Geschichte und Programmatik: Die Versammlungen der von Ignaz Aurelius Feßler und dem Schulmann Georg Wilhelm Bartholdy gegründeten FMg, während derer sowohl das Tabakrauchen als auch jedwedes Spiel verboten waren, wurden in „gesetzförmige“ und „gesetzfreye“ eingeteilt. Während der „gesetzförmigen“ Sitzungen wurden Abhandlungen aus allen Teilen des humanen Wissens, zum Beispiel der Geschichte, Physiologie, Ästhetik, Moralphilosophie oder Kunst, vorgetragen, wobei Politik und die

(Feßlersche) Mittwochsgesellschaft [FMg]

„Fakultätswissenschaften“, vor allem Theologie, ausgeschlossen bleiben sollten. Das Mitglied Johann Daniel Sander berichtete am 24. Dezember 1796 an Karl August Böttiger in Weimar: „Alles soll populär vorgetragen seyn, weil auch Frauenzimmer und männliche Dilettanten in der Gesellschaft sind. Bis jetzt behält den Preis Marcus Herz mit seinen physikalischen Vorlesungen, die er regelmäßig alle vierzehn Tage hält, und die er Theils durch seinen Vortrag, Theils durch Experimente so anziehend macht, daß Alle, besonders die Weiber und Mädchen, rings um ihm her stehen und jedes Wort von ihm auffangen“ (zitiert nach: Maurach, Bd. 1, Nr. 14, S. 72). Die „gesetzfreyen“ Sitzungen wurden genutzt, um gemeinschaftlich Schauspiele, Gedichte, Musik- oder Gesangsstücke vorzutragen. Sander führt aus: „Es ist ein Pianoforte im Saal, das Zelter oder eine Dame spielt; auch haben wir ein paar gute Sängerinnen“ (ebd.). Als Jean Paul erstmals eine Sitzung der FMg besuchen wollte, wurde über Zelter ein Teil der  Sing-Akademie zum feierlichen Empfang bestellt. Henriette Herz, eines der ersten Mitglieder, erinnerte sich Jahre später in ihren Memoiren: „[Marcus] Herz las hier wissenschaftliche Abhandlungen aus verschiedenen Fächern, Fischer physikalische, die er durch Experimente erläuterte. Schönwissenschaftliches fehlte auch hier ebensowenig als Dramatisches, und keiner las das letztere schlechter als der, welcher der erste Stern an einem damals wahrhaft glänzenden Theaterhimmel war, als Fleck. Ihn inspirierten nur die Bretter. […] Freilich mußte man auch in dieser Gesellschaft hinsichts der geistigen Kost bisweilen genügsam sein; immer aber hinsichts der leiblichen, denn man aß nach dem Lesen ungemein schlecht. Und dies bei einigen Talglichten, die kaum mehr als einen Dämmerschein über einen Saal, lang und schmal wie ein Darm, verbreitete. Aber keiner war anspruchsvoll, keiner tat vornehm, und so störten uns denn diese Äußerlichkeiten nicht.“ Das Beisammensein wurde übli-

Abb. 27  Porträt Ignaz Aurelius Feßler, Gemälde von Wassiljew, nachgezeichnet und gestochen von Rossmässler, 1826.

cherweise mit einem gemeinsam gesungenen Lied beschlossen. Da bald nach der Gründung die Mitgliederhöchstzahl von 50 erreicht war, gründeten Berliner, denen der Zugang zur FMg deshalb verschlossen blieb, im Januar 1797 eine andere Literarische Gesellschaft (die spätere  Gesellschaft der Freunde der Humanität) und boten der FMg den gegenseitigen Besuch der jeweiligen Vereinstreffen an, was von dieser jedoch unter Hinweis auf satzungsmäßige Beschränkungen abgelehnt wurde. Da die Humanitätsgesellschaft im Laufe ihrer Vereinsentwicklung gegenüber der älteren Gesellschaft eine größere Solidität und Ernsthaftigkeit gewann und die Frauen aus ihren Versammlungen ausschloss, wurde sie anscheinend attraktiver für die nach umfassender Bildung strebenden Männer. Vermutlich ging die FMg so185

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gar sukzessive in der Humanitätsgesellschaft auf (Löschburg, S. 55). Struktur und Organisation: Die ersten Statuten wurden von Feßler und Bartholdy entworfen, sind aber, ebenso wie alle folgenden Fassungen, nicht überliefert. Die Treffen fanden immer mittwochs, 17 bis 22 Uhr statt. Die Versammlungen waren wechselweise „gesetzlich“ und „gesetzfrei“. „An den gesetzlichen Tagen“, berichtet Sander an Böttiger, „liest dieser oder jener etwas Eigenes vor, bald einen historischen, einen ästhetischen, einen moralphilosophischen, artistischen Aufsatz, u.s.w. (Politik u Theologie sind durch einen stillschweigenden Vertrag aus diesen gesetzlichen Zusammenkünften verbannt). […] An den gesetzfreien Tagen kommt man (wie an den andern) um 5 Uhr zusammen, u. unterhält sich bis nach 8, oder gegen 9 Uhr bald mit Musik […] bald mit Lesen eines Schauspiels, dessen Rollen vertheilt werden, bald mit Gesprächen in verschiedenen Gruppen. Gelesen hat man bis jetzt Emilia Galotti, Nathan den Weisen; deklamirt u. am Forte-Piano gespielt: Ariadne u. Medea von Benda. Am vorigen Mittwoch sollte Kapellmeister Schulz […] seine Chöre aus der Athalia spielen; er befand sich aber noch weniger wohl, als gewöhnlich, u. man mußte etwas andres an deren Stelle setzen“ (Sander an Böttiger, 24. Dez. 1796, in: Maurach, Bd. 1, Nr. 14, S. 72 f.). Mitglieder: a) Allgemeines: Die FMg legte ihre Mitgliederzahl auf höchstens 50 fest. Auch verheiratete und unverheiratete Frauen sowie Juden waren als reguläre Mitglieder zugelassen. Ein Neumitglied galt bei weniger als vier Gegenstimmen als aufgenommen. Als Gäste waren lediglich Durchreisende, nicht jedoch in Berlin ansässige Personen zugelassen. Erster Vorsitzender des Vereins war 1796/97 Carl Franz v. Irwing, Sekretär Georg Carl Walther v. Waltershausen. Im Januar 1797 bestand „der ganze Zirkel […] aus ungefähr 50 Personen, Männern und Frauen 186

verschiedenen Alters, Glaubens und Geschäftes“ (NTM 1797, März, S. 283). „Man sieht darin auch fast alle bedeutende Fremden, die sich in Berlin aufhalten; u. die, welche länger hier bleiben u. einmal dagewesen sind, bitten gewöhnlich um Erlaubniß, alle Mittwoche kommen zu dürfen. Das haben unter andrem gethan: Kapellmeister Schulz, mit seiner Frau […]; Hofmahler Klotz aus München; Miniaturmahler Greve u. seine Frau aus Holland; Landschaftsmahler Kügelchen aus Bacherach, ein junger Mann, in dem die Weiber ein Apostelgesicht finden; ein Herr Aveson aus England, u.s.w.“ (Sander an Böttiger, 24. Dez. 1796, in: Maurach, Bd. 1, Nr. 14, S. 74). – b) Einzelmitglieder: Offizielle Mitgliederverzeichnisse der FMg sind nicht überliefert; es lassen sich jedoch aus Briefen, Zeitungsartikeln und Memoiren die Namen von gut vierzig Mitgliedern erschließen. Dabei ist allerdings nicht auszuschließen, dass es sich bei einigen von ihnen lediglich um mehrfach anwesende Gäste handelte: Georg Wilhelm Bartholdy; Friedrich Magnus v. Bassewitz; Friedrich Becherer und dessen Frau; Daniel Berger und dessen Tochter; Esther Bernard, geb. Gad; Karl August v. Beulwitz; Georg Wilhelm Cavan; Friedrich August Darbes; Isaac Abraham Euchel; Ignaz Aurelius Feßler; Caroline Feßler, geb. Henrici; Johann Gottlieb Fichte; Ernst Gottfried Fischer; Johann Friedrich Ferdinand Fleck; David Friedländer; Johann Christoph Frisch; Johann Friedrich Fürstenberg; Henriette Herz; Marcus Herz; Aloys Hirt; August Wilhelm Iffland; Carl Franz v. Irwing; Fräulein v. Irwing; Sara Levy, geb. Itzig (Tochter von Daniel Itzig); Johann Siegfried Wilhelm Mayer; Johann Wilhelm Meil; Jean Paul; Friedrich Eberhard Rambach; Friedrich Philipp Rosenstiel; Johann Daniel Sander; Sophie Sander, geb. Diederichs; Johann Gottfried Schadow; Marianne Schadow, geb. Devidels; Friedrich Schlegel; Friedrich Schleiermacher; Herr v. Schwerin; Johann Carl Philipp Spener; Ernestine Voitus (Tochter von Si-

(Feßlersche) Mittwochsgesellschaft [FMg]

donie Voitus); Sidonie Voitus, geb. Pappritz (mit weiterer Tochter); Georg Carl Walther v. Waltershausen; Frau v. Warkatz, geb. v. Bosse (Witwe des Majors v. Warkatz); Friedrich Ludwig Zacharias Werner; Zippora (Cäcilie) Wulff, geb. Itzig (Tochter von Daniel Itzig, später verheiratete v. Eskeles); Karl Friedrich Zelter; Julie Zelter, geb. Pappritz. Querverweise auf andere Vereine: Die drei Monate später gegründete  Gesellschaft der Freunde der Humanität war ganz nach dem Vorbild der FMg angelegt und strebte mit der älteren Gesellschaft eine Symbiose an. Man lud zum wechselseitigen Besuch der Sitzungen ein und gestattete deren Mitgliedern jederzeit freien Zutritt zu den Versammlungen, ohne dass der Mitgliederstatus erworben werden musste. Die FMg lehnte eine enge Zusammenarbeit jedoch ab, „eines Theils, vermöge ihrer Gesetze und andern Theils, wegen der Beschräncktheit ihres gegenwärtigen Locals“. In der Folge kam es allerdings zu zahlreichen Parallelmitgliedschaften. Feßler besuchte die Schwestergesellschaft seit ihrer Gründung und trat ihr schließlich im September 1797 als wirkliches Mitglied bei. Zwischen den beiden Gesellschaften entwickelte sich in der Folge eine Konkurrenzbeziehung; sie existierten bei ähnlicher Organisationsstruktur und inhaltlicher Ausrichtung mehrere Jahre nebeneinander, ohne dass es zu einer freundschaftlichen Angleichung kam. Einige Personen pendelten eine Zeitlang zwischen beiden Gesellschaften hin und her; es gab Übertritte in beide Richtungen.

Bibliographie: 1) Archivquellen: LAB, A Rep. 060-40, Nr. 11 (Brief der Humanitätsgesellschaft an die FMg vom 25. Jan. 1797 und die Antwort v. Irwings vom 30. Jan. 1797). – 2) Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur: Beaulieu-Marconnay, Carl v.: Berliner Skizzen vom Jahre 1797. In: Im neuen Reich. Wochenschrift für das Leben des deutschen Volkes in Staat, Wissenschaft und Kunst 6,2 (1876), S. 65–75. – [Davidson, Wolf]: Briefe über Berlin. Landau 1798, besond. S. 17–20. – Gädicke, Johann Christian: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend. Enthaltend alles Merkwürdige und Wissenswerthe von dieser Königsstadt und deren Gegend. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806, S. 385. – Herz, Henriette: Lese­ gesellschaften. In: Dies.: Henriette Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnissen. Leipzig/Weimar 1984, S. 46–52. – Herz, Markus: Fragmente aus einer Abendunterhaltung in der Feßlerschen Mittwochsgesellschaft. In: Der Neue Teutsche Merkur 2 (1798), S. 305– 311, 3 (1798), S. 3–10, 215–222. – [Sander, Johann Daniel; mit Anmerkung Karl August Böttigers]: Inländische Korrespondenz. Berlin den 29. Jan. 1797 [über die kürzlich gegründete Feßlersche Mittwochsgesellschaft]. In: Neuer Teutscher Merkur (1797) März, S. 281–284. – Löschburg, Winfried: Die Berliner Mittwochsgesellschaften. Bemerkungen zur Berliner Kulturgeschichte. In: Berliner Heimat. Berlin (Ost) 1957, S. 53–55. – Maurach, Bernd (Hg.): Die Briefe Johann Daniel Sanders an Carl August Böttiger. Bd .1, Bern u. a. 1990, besond. S. 54 f., 72–74.

Sebastian Panwitz / Uta Motschmann

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3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Gesellschaft der Freunde der Humanität [HG] Name: anfänglich Zweite litterarische Gesellschaft oder Literarische Gesellschaft zur Beförderung der Humanität genannt; ab 1798: Gesellschaft der Freunde der Humanität; kurz: Humanitätsgesellschaft. Gründung: 10. Januar 1797. Auflösung: 28. Dezember 1861. Sitz: 1797–1850 im Logenhaus der Freimaurerloge  Royal York zur Freundschaft, Palais Kameke, Letzte Straße 24 (später Dorotheen­ straße); 1851–1861 Café National des Gastwirts Fr. Maeder, Unter den Linden 23. Programmzitat: „Die Humanitaets-Gesell­ schaft ist eine Verbindung von gebildeten Männern aus allen Ständen, welche den Zweck hat, unter ihren Mitgliedern eine wissenschaftlich begründete Freundschaft zu stiften, und durch wechselseitigen Austausch ihrer Gedanken, Kenntnisse und Erfahrungen innere Fortbildung und aufheiternde Erholung zu veranlassen“ (§ I der Statuten, 1813). Geschichte und Programmatik: Die HG war eine einflussreiche und langlebige Bildungsvereinigung mit einem akademisch-universitären Interessenspektrum. In der Gründungszeit hatte sie noch mehr den Charakter einer Lesegesellschaft, verstand sie sich doch lediglich als Schwestergesellschaft der seit Herbst 1796 bestehenden  Feßlerschen Mittwochsgesellschaft. Da diese sich eines so großen Zulaufes erfreute, dass die statutenmäßig festgelegte Höchstzahl von 50 Mitgliedern bald erreicht war und weitere Interessenten nicht mehr zutreten konnten, schlossen sich einige der Nichtaufgenommenen auf Initiative des Stadtsekretärs und Meisters vom Stuhl der Freimaurerloge Royal York de l’amitié, Carl Friedrich Ludwig Schlicht, zu einer ähnlichen Vereinigung zusammen. Am 10. Januar 1797 fand die Gründungsversammlung statt, auf der der Vorstand gewählt und die Statuten festgelegt wurden. 20 Herren unterschrieben das Gründungspa188

pier. Das Kooperationsangebot an die Feßlersche Mittwochsgesellschaft, gegenseitig die Sitzungen zu besuchen und eng miteinander zusammenzuarbeiten, wurde von dieser mit Hinweis auf ihre Statuten abgelehnt. Daraufhin wechselten einige der Mitglieder der älteren Gesellschaft, unter ihnen auch ihr Gründer Ignaz Aurelius Feßler, zur HG, die in einem zähen Selbstfindungsprozess, der von lähmenden Satzungsdiskussionen und einer starken Fluktuation der Mitglieder gekennzeichnet war, schließlich zu einem eigenständigen Profil fand. Ziel und Zweck der Vereinigung war der freie Zusammenschluss von Gleichgesinnten über Standesgrenzen hinweg zu einem „Bildungsgeschäft“, das Fortbildung und Erholung im Einklang sah – eine Erziehung zur Humanität durch gesellige Bildung. Mittel zum Zweck waren das Gespräch und der humane Umgang miteinander. Jede Woche sollten die Konversations- und Umgangsformen neu erprobt und die Geselligkeit trainiert werden. Dabei wurde die individuelle Ausund Weiterbildung, die „Bildung des Herzens durch den Geist“, auch als gesellschaftliche Bildung verstanden. Es handelte sich um eine geschlossene Gesellschaft, die nur eine eingeschränkte Öffentlichkeit in Form ausgewählter Gäste zuließ. Die HG war ständeübergreifend, konfessionell ungebunden und staatsfern, vereinte Gelehrte, Künstler, Beamte, Militärs und Freiberufler, schloss die Frauen jedoch aus. Sie war eine Selbstbildungsanstalt, eine freie Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, wobei jedes Mitglied sowohl Lehrender als auch Lernender sein konnte und sollte. Mit ihr schuf sich der Mittelstand der Gesellschaft ein eigenes Bildungszentrum in Berlin. Die HG verstand sich als ein Sammelbecken für „gebildete Männer aus allen Ständen“, für alte und neue Bildungseliten, unabhängig von Alter, Stand und Religion. Es gab keine Trennung zwischen Adligen und Bürgerlichen, sondern nur zwischen Gebildeten und Ungebildeten.

Gesellschaft der Freunde der Humanität [HG]

Die HG fühlte sich einem „Bildungsgeschäft“ verpflichtet, dessen Ziel der allseitig humanistisch gebildete Staatsbürger war. Die rund 1.070 Vortragsthemen, die in den Jahren 1797 bis 1815 diskutiert wurden, belegen, dass sich die Gesellschaft nahezu aller gesellschaftlich relevanten Themen annahm und auf aktuelle Ereignisse reagierte. Dazu gehörten die Antikerezeption, die Entwicklung der deutschen Kunst und Literatur, die stadtplanerische Umgestaltung Berlins und die Suche nach einem modernen Architekturstil, der ökonomischtechnische Fortschritt, Geschichte, Gegenwart und Zukunft Preußens, die Reflexion der nationalen Ereignisse von 1806 und 1813, die Hinwendung zur deutsch-nationalen Vergangenheit sowie die preußischen Reformbestrebungen in den Bereichen Bildung, Militär, Verwaltung und Finanzen. Dabei waren die Mitglieder selbst in der Bildung, in Handel und Gewerbe, in der Medizin, in Kunst und Architektur, in der Wissenschaft, in der Verwaltung, im Militär oder in kirchlichen Einrichtungen tätig. Die Vortragsthemen zeichneten sich zunehmend durch große Vielfalt, auch durch Aktualität und Freude am fachlichen Disput aus. Hauptsächlich wurden Themen aus den Gebieten Literatur, Altphilologie, Kunst, Archäologie, Philosophie, Bildung und Schulwesen, Theologie, Bauwesen, Medizin, Landwirtschaft und Forst und den Naturwissenschaften – hier vor allem der Chemie, Physik, Astronomie, Geologie und Mineralogie – diskutiert. Gefragt waren interessante Gegenstände aus allen Wissensgebieten und Abwechslung bei der Themenwahl. Die Wahl und die Behandlung eines Themas waren völlig frei; vermieden werden sollte jedoch eine nur Eingeweihten vertraute Fachsprache. Die HG grenzte sich von rein geselligen Kreisen ebenso ab wie von wissenschaftlichen Fachgesellschaften, da sie keine unmittelbare Wirkungsabsicht hatte und ihre Versammlungen nicht auf ein bestimmtes Ergebnis zielten. Sie war staatsunabhängig und entstand, „ohne sich an die Institutionen des Staats oder der

Kirche anzuschließen“. Sie sah sich als Ersatz für fehlende oder unzureichende Möglichkeiten der Mitwirkung des Bürgertums in Staatsbelangen und diente sowohl der Einübung eines bürgerlichen Selbstbewusstseins als auch der Karriereförderung. Obwohl die HG eine relativ geschlossene Einheit bildete, die erst nach strengen Auswahlkriterien den Mitgliederstatus gewährte, war sie in Berlin eine Institution. Sie wurde in den zeitgenössischen Reiseführern beschrieben und von Hunderten von Gästen aus allen Teilen des deutschen Reiches und dem Ausland besucht. Ihre größte Wirksamkeit und Anziehungskraft hatte die HG in den 1810er bis 1840er Jahren. Danach nahm die Mitgliederzahl ständig ab. Die Vereinslandschaft in Berlin hatte sich gravierend verändert, es gab ein Überangebot unterschiedlichster Geselligkeitsformen. Die interdisziplinär ausgerichtete HG mit ihrer strengen Wahlordnung und einer regelmäßigen Vortragstätigkeit, die die verschiedensten Wissensgebiete abzudecken versuchte, war nicht mehr zeitgemäß. Am 28. Dezember 1861 fand die letzte in den Präsenzbüchern protokollierte Sitzung mit vier Anwesenden statt. Damit endete eine 64-jährige Vereinstätigkeit im Namen der Humanität. Struktur und Organisation: Die Mitglieder versammelten sich wöchentlich, anfangs freitags, dann am Sonnabend, um 19 Uhr, im repräsentativen Logenhaus der Royal York. Auf jeder Sitzung wurde zuerst das Protokoll der vorhergehenden Versammlung verlesen. Danach hielt ein Mitglied einen Vortrag, der im Anschluss diskutiert wurde. Den Abschluss bildete ein gemeinsames Abendessen in ungezwungener Atmosphäre. Dieser Ablauf wurde für die gesamte Zeit des Bestehens beibehalten. Auch der wöchentliche Turnus blieb Jahrzehnte lang bestehen, erst mit sinkender Teilnehmerzahl versammelten sich die Mitglieder ab 1851 nur noch einmal pro Monat, wie auch die Stiftungsfeste in den letz189

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

ten zehn Gesellschaftsjahren nicht mehr regelmäßig stattfanden. Die HG hatte ordentliche („wirkliche“) Mitglieder und Ehrenmitglieder. Zu den Versammlungen waren Gäste zugelassen, wenn sie von einem Mitglied eingeführt und betreut wurden. Nur ordentliche Mitglieder konnten neue Kandidaten zur Wahl vorschlagen. Über diese wurde nach dem Mehrheitsprinzip geheim ballotiert. Ordentliche Mitglieder mussten in Berlin wohnhaft sein. Um einen geregelten Ablauf der Geschäfte zu gewährleisten, gab es in der HG eine streng-funktionale Ämterverteilung. An der Spitze stand ein Direktor, assistiert von mehreren „Beamten“ (Vizedirektor, Sekretär, Vizesekretär, Rendant). Eine Amtsperiode dauerte ein halbes Jahr. Die Amtsinhaber unterlagen dem Rotationsprinzip. Die Aufgaben der Amtsinhaber sind in den Statuten detailliert beschrieben. In den Anfangsjahren waren die Sitzungen nach dem Vorbild der Feßlerschen Mittwochsgesellschaft in „gesetzförmige“ und „gesetzesfreie“ gegliedert, wobei in den ersteren nur eigene Abhandlungen der Mitglieder aus den Gebieten der Schönen Wissenschaften und Künste und der Mathematik in deutscher Sprache allgemeinverständlich vorgetragen wurden, während in den anderen, „von Gesetzen freien“ Versammlungen Gedichte, Lieder oder Schauspiele rezitiert und vor allem Vereinsinterna besprochen wurden. Mit der zunehmenden Bereitschaft der Mitglieder, Vorträge auszuarbeiten und in der Gesellschaft zu diskutieren, fiel in den Folgejahren diese Teilung zugunsten der „gesetzförmigen“ Versammlungen weg. Die HG öffnete sich zunehmend allen Wissensgebieten, bedingt durch die breitgefächerten Berufs- und Interessengebiete ihrer Mitglieder. Von jedem Mitglied wurde verlangt, sich aktiv an der Gesellschaftsarbeit zu beteiligen und mindestens einmal im Jahr einen Vortrag zu halten, da jährlich rund 50 Sitzungen auszugestalten waren. Um die notwendige Anzahl von Beiträgen sicherzustellen und zugleich die Attraktivität der Gesellschaft 190

Abb. 28  Der von Johann Gottfried Schadow 1813 gestaltete Tischhammer für den Präsidenten der HG.

für neu zu gewinnenden Mitglieder zu erhöhen, wurden Vortragslisten geführt und die Namen der in den anstehenden Versammlungen lesenden Mitglieder protokolliert. Eine besondere Einrichtung „zur Belebung der Sitzungen“ war der sogenannte Moniteur, der bis 1801 existierte. Die HG verstand darunter einen kleinen Kasten, der sich im Versammlungszimmer befand und jedem Mitglied dazu diente, seine Bemerkungen, Vorschläge, Anfragen usw. schriftlich, ohne Namensnennung, darin niederzulegen. Er war ein Sammelbecken für Gesetzesanträge, für Fragen aller Art und für Vortragswünsche. Dabei wurde mehr gefragt, als beantwortet werden konnte, so dass der Moniteur in seiner ursprünglichen

Gesellschaft der Freunde der Humanität [HG]

Bedeutung abgeschafft und später nur noch als bekannte aus dem Bürgertum wie Lehrer, SeRegistrator für protokollarische Dokumente kretäre, Theologen, Militärangehörige, selbverwendet wurde. Satzungsdiskussionen wa- ständige Kaufleute und Unternehmer. Sie karen seitdem auf die beiden ökonomischen Sit- men aus dem Bildungs- und dem künstlerizungen im Januar und Juli beschränkt. schen Bereich, dem Militär, der Verwaltung, Die HG finanzierte sich über Mitgliedsbeiträ- dem Bauwesen, aus theologischen, medizige. Mietzahlungen an die Freimaurerloge sind nischen, naturwissenschaftlichen Bereichen, in den Kassenbüchern zumindest für die ers- aus Handel und Gewerbe. Nach Selbstaussaten Jahre nicht verzeichnet; dafür zahlte die gen fand sich ein „friedlicher“ und „neidloser Gesellschaft in die Armenkasse der Royal York Kreis“ zusammen, „in welchem der Arzt neein. Die HG verstand sich nicht als Wohltä- ben dem Rechtsgelehrten, der Naturforscher tigkeitsverein; dennoch sind größere „vater- neben dem Alterthumskundigen, der Philoländische“ Spenden dokumentiert. Zur finan- soph neben dem Historiker sich gesellig erziellen Absicherung des Vereinslebens wur- heitert, und einer auf den andern durch die den Rücklagen gebildet (Obligationen bei der Mittheilung seiner geistigen Erzeugnisse entPreußischen Seehandlungsbank). weder belehrend oder ergötzend einzuwirken Nach dem Vorbild der Akademie der Wissen- bemüht ist“ (Rede auf dem Stiftungsfest 1810). schaften und anderer gelehrter Gesellschaften Durch den geforderten Bildungsstand waren wurden von 1799 bis 1807 insgesamt sieben das niedere Bürgertum, Handwerker und GePreisfragen ausgeschrieben, jedoch nur drei sellen, Landarbeiter, Tagelöhner, DienstpersoAntworten prämiert. Da diese öffentlichen nal, einfache Soldaten und kleine AngestellAktivitäten sehr zeitaufwändig waren, und die te ausgeschlossen. Als ordentliche Mitglieder Antworten außerdem oft unbefriedigend aus- konnten nur „gebildete und von sich selbst fielen, wurde von dieser Form bald wieder abhängige Männer“ aufgenommen werden, Abstand genommen. „welche entweder einen öffentlichen vortheilHöhepunkt des Vereinslebens waren die jähr- haften Ruf haben, oder der Gesellschaft durch lich im Januar stattfindenden Stiftungsfeste, zu Mitglieder empfohlen, und durch vorgängige denen auch Frauen und Ehrengäste eingela- Einführung der Gäste persönlich bekannt geden wurden. Die Feiern waren künstlerisch worden sind“. Damit kamen nur Adlige, Bilumrahmt. In den späteren Jahren fand zusätz- dungsbürger und Offiziere in Betracht. Dieser lich ein Sommer- oder Beamtenfest statt. Kreis wurde nochmals eingeengt, indem gesellschaftliches Renommee und persönliche Mitglieder: a) Allgemeines: Im Zeitraum Bekanntschaft als Aufnahmekriterien hinzu1797 bis 1815 traten der HG 172 Mitglieder kamen. Entscheidend war der Bildungsstand, bei; im gesamten Zeitraum ihres Bestehens weniger die soziale Herkunft. hatte sie mehr als 300 Mitglieder. Ihre höchs- Die Gründungsmitglieder waren zu einem te Mitgliederzahl erreichte die HG um 1835 großen Teil Freimaurer. Bereits Ende 1797/ mit mehr als 80 Mitgliedern; 1855 gehör- 1798 traten prominente Künstler, Wissenten ihr nur noch 22 Personen an. Frauen wa- schaftler, Publizisten und Gymnasiallehrer wie ren als Mitglieder nicht zugelassen. Die Män- David Ludwig Bourguet, Theodor Heinsiner der HG gehörten ausnahmslos der relativ us, Aloys Hirt, Friedrich Eberhard Rambach, kleinen Bevölkerungsschicht an, die ein gesi- Lazarus Bendavid oder Ignaz Aurelius Feßler chertes Einkommen und die Möglichkeit hat- der HG bei. Diese Tendenz setzte sich in den te, sich Bildung anzueignen. Neben bekann- folgenden Jahren mit Johann Gottfried Schaten Namen von Professoren, Gelehrten, Offi- dow, Karl Friedrich Schinkel, Martin Heinzieren und Künstlern finden sich auch weniger rich Klaproth, Johann Elert Bode, Sigismund 191

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Friedrich Hermbstaedt, Philipp Karl Buttmann, August Boeckh oder Louis Catel fort. Die zahlenmäßig größte Gruppe der Mitglieder kam aus dem gebildeten Bürgertum, eine kleine Gruppe ist dem Beamtenadel, eine weitere dem Militär zuzurechnen. Nach Berufen gegliedert sind Wissenschaftler aller Fachgebiete und Künstler am stärksten vertreten, hier vor allem Bildende Künstler, Architekten und Kunstsachverständige. Dazu gesellten sich eine große Zahl von Gymnasiallehrern und (ab 1810) von Professoren der Universität, weiterhin Ärzte, Juristen, Techniker, Verwaltungsbeamte und Unternehmer. Vom BerlinischKöllnischen Gymnasium zum Grauen Kloster und dem ihm angegliederten Königlich Preußischen Seminarium für gelehrte Schulen in Berlin kam eine ganze Berufsgruppe in die HG. Es waren einerseits schon bestehende Netzwerke, die sich in der HG fortsetzen, andererseits entstanden dort neue Freundschaftsund Interessenbünde. Bei den nach 1806 eingeleiteten preußischen Reformen haben ihre Mitglieder besonders an der Bildungsreform und der Reform der Finanzverwaltung mitgewirkt. – Die HG war einer der wenigen nichtjüdischen Vereine, in denen Juden gleichberechtigt mitwirken konnten. Insgesamt zählte sie zehn Männer jüdischer Herkunft, Ärzte und Privatgelehrte, zu ihren Mitgliedern. Es ist durchaus als ein Politikum anzusehen, wenn Lazarus Bendavid fast zehn Jahre lang als Direktor der Gesellschaft bestätigt wurde. Eine große Zahl von Humanitätsmitgliedern war Träger des Roten Adlerordens, einige erhielten den Orden Pour le Mèrite, das Eiserne Kreuz oder den Luisenorden verliehen. – b) Einzelmitglieder (alphabetisch): Eintritt bis 1815 (vollständig): Jakob Ezechiel Aronsson; Axt; v. Balthasar; Joachim Wilhelm Augustin Bando(w); Johann Heinrich Christian Barby; Jakob Ludwig Salomo Bartholdy; Bein; Johann Joachim Bellermann; Lazarus Bendavid; Benicke; Bennemann; Christian Gottlieb Bergemann; August Ferdinand Bernhardi; Johann Elert Bode; August Boeckh; Christian Lud192

wig Bohm; Friedrich Heinrich Bothe; David Ludwig Bourguet; Johann Braun; Johann Immanuel Bremer; Karl Heinrich Brunnemann; August Leopold Bucher; Simon Christoph Buddée; Erdmann Friedrich Bülow; (G. Friedrich?) v. Bülow; Johann Gustav Gottlieb lipp Büsching; Ernst Friedrich Bussler; Phi­ Karl Buttmann; Franz Ludwig Catel; Ludwig Friedrich (Louis) Catel; Friedrich August Cochius; Joseph Friedrich August Darbes; Wolf Davidson; Johann Friedrich Gottlieb Delbrück; Siegismund Gottfried Dittmar; Heinrich Ludwig Graf zu Dohna; Dubois; Johann Benjamin Erhard; Paul Erman; Ernst Adolph Eschke; Johann Albrecht Eytelwein; Tobias Christoph Feilner; Buchhändler Finck; Ignaz Aurelius Feßler; Johann Karl August Christian Fischer; Gotthelf Benjamin Flaschner (v. Ruhberg); Christian Gottfried Flit(t)ner; Johann Joseph Freidhoff; Daniel Gottlieb Friderici; Joachim Christian Gass; Johann Heinrich Gen(t)z; Ludwig (v.) Gen(t)z; Gottlieb Benjamin Gerlach; Karl Heinrich Ludwig Giesebrecht; David Gilly; Ephraim Wolfgang Glasewald; Karl Wilhelm Friedrich Grattenauer; Friedrich Siegesmund Siebmann (1813 geadelt: v. Grunenthal); Friedrich Wilhelm Gubitz; Karl Friedrich Hagemann; Friedrich Heinrich von der Hagen; Georg Ludwig Hartig; August Friedrich Hecker; Otto Friedrich Theodor Heinsius; Georg Leberecht Andreas Helling; Sigismund Friedrich Hermbstaedt; Hille; Aloys Hirt; August v. Hoff; Johann Erdmann Hummel; Christian Friedrich Hundt; Christian Ludwig Ideler; Karl Franz v. Irwing; Karl Friedrich Ludwig Jochmus; Friedrich Wilhelm Jungius; Johann Josef Klamt; Martin Heinrich Klaproth; Ernst Ferdinand Klein; Johann Gottlieb Klein; Karl Wilhelm Klipfel; Johann Christoph Friedrich Klug; Heinrich Philipp Friedrich Klügel; Erduin Julius Koch; Friedrich Karl Köpke (jun.); Georg Gustav Samuel Köpke (sen.); Georg Friedrich Krause; Karl Christian Friedrich Krause; Ludwig Krause; Johann Heinrich Leberecht Kun(t)zmann; Karl Ludolph Friedrich Lachmann;

Gesellschaft der Freunde der Humanität [HG]

Adolph Gottlob Lange; Friedrich Heinrich Wilhelm Lange; Friedrich Langner; Laubmeyer; Lehmann; Jakob Andreas Konrad Levezow; Martin Hinrich Karl Lichtenstein; Karl Gottlob Bernhard Livius; Daniel Friedrich Loos; Friedrich Wilhelm Loos (Loos Sohn); Gottfried Bernhard Loos; (Gustav Friedrich Carl Frhr.) v. Maltzahn; Friedrich Theodor Mann; Johann Georg Marmalle; Ernst Maurer; Johann Gottfried May; Nathan Mendelssohn; Johann Heinrich Karl Menu v. Minutoli; Garlieb Hellwig Mer(c)kel; Joseph Aloys Mercy; Wilhelm Mila; Jens Christian Müllertz; Christian Friedrich Ludwig Mursinna; C. F. Nachtigal(l); August Ludwig Natorp; Johann Georg Naumann; Nicolai; David Oppenheimer; Emil Osann; Pappenheim; Jean Barthélemy Pascal; August Heinrich Petiscus; Johann Gottfried Pfund; Friedrich Theodor Poselger; Johann Georg Wilhelm Prahmer; Heinrich Friedrich Ferdinand v. Puttkamer; Martin Friedrich Rabe; Friedrich Eberhard Rambach; Christian Ratzeburg; Gottfried Christian Reich; Johann Gottlieb Rhode; Ernst Friedrich Gabriel Ribbeck; Karl Friedrich Richter; Georg Karl Benjamin Ritschl; Johann Gottlob Samuel Rösel; Christian Conrad Röver; Karl Asmus Rudolphi; Sartorius; Heinrich Saunier; Johann Gottfried Schadow; Alexander Nikolaus Scherer; Karl Friedrich Schinkel; Karl Friedrich Ludwig Schlicht; Friedrich Conrad Leopold Schneider; Johann Christian Carl Schrader; Leopold Friedrich Heinrich Baron v. Schrötter; Friedrich Wilhelm Ferdinand Schultz; Johann Otto Leopold Schulz; Johann (Giovanni) Anton Selvino; Karl Otto Friedrich Sigismund; Paul Ludwig Simon; Karl Wilhelm Ferdinand Solger; Gottlieb August Spillecke; Samuel Heinrich Spiker; Johann Heinrich Julius Staberoh; Daniel Steglich; Christian Gottfried Daniel Stein; Stieler; Johann Wilhelm Süvern; (Gustav?) Troschel; Andreas v. Tschebotarew; Karl Daniel Tourte (Turte); Friedrich Christoph Ludwig Ungefug; Ludwig v. Voss; Georg Ludwig Walch; Bernhard Anselm Weber; Friedrich

Georg Weitsch; Karl Friedrich Wichmann; Johann Wilhelm v. Wiebel; Gustav Ferdinand Wilckens; Wilmanns (Wilmans); Ulrich Ludwig Friedrich Wolf; (Johann Philipp?) Wollstädt; Johann Gottfried Woltmann; Alexander Jakob v. Wulffen; Heinrich Friedrich Zähr. – Eintritt 1816 bis 1861 (alphabetisch, Auswahl): Karl Ludwig Abeken; Ferdinand Moritz Ascherson; Ernst Ferdinand August; Ludwig Bardua; Stephan Friedrich Barez; Johann Friedrich Bellermann; Friedrich Eduard Bene(c)ke; Heinrich Böcking; Karl Wilhelm Eduard Bonnell; Franz Bopp; Johann Wilhelm Jakob Bornemann; Karl Friedrich Bres­ cius; Leopold Frhr. v. Buch; Johann Ludwig Casper; Edmund Dann; Ernst Heinrich Carl v. Dechen; Karl Friedrich Wilhelm Dieterici; Enno Heeren Dirksen; Heinrich Eduard Dirksen; Karl Friedrich Ferdinand Wilhelm Dorow; Heinrich Wilhelm Dove; Christian Gottfried Ehrenberg; Franz Karl Leonhard Elsner; Johann Franz Encke; Friedrich Albrecht Frhr. v. Ende; Carl Gottlieb Heinrich Erdmann; Ernst Gottfried Fischer; Karl Friedrich Friccius; Emil Gottlieb Friedländer; Robert Friedrich Froriep; Hermann Friedrich Karl v. Gansauge; Friedrich Wilhelm Eduard Gerhard; Johann Karl Glaser; Heinrich Girard; Heinrich Rudolf Hermann Friedrich v. Gneist; Joachim Christoph Ludwig Grasshoff; Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen; Robert Hermann Heinrich Hagen; August Otto Johann Georg v. Harlem; Theodor Hartig; Johann Gottfried Hoffmann; Albrecht Theodor Ferdinand Hörschelmann; Karl Wilhelm Ideler; Karl Wilhelm Heinrich Keibel; August Karl Friedrich Hermann Klaatsch; Heinrich Wilhelm Krausnick; Ludwig Samuel Bogislav Kühne; Heinrich Friedrich Link; Heinrich Gustav Magnus; Philipp Konrad Marheineke; Ernst Theodor Mayerhoff; Eilhard Mitscherlich; Johann August Wilhelm Neander; Wilhelm Nöldechen; Friedrich Wilhelm Nottebohm; Karl August Frhr. v. Oeynhausen; Ignaz Franz Werner Maria v. Olfers; Johann Georg Wilhelm Pape; Gustav Friedrich 193

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Konstantin Parthey; Julius Heinrich Petermann; Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil; Rudolf Amandus Philippi; Johann Christian Poggendorff; Johann Georg Pölchau; Johann David Erdmann Preuß; Karl Friedrich August Rammelsberg; Karl Heinrich Traugott Frhr. v. Rheinbaben; August Ferdinand Ribbeck; August Heinrich Ritter; Karl Georg Ritter; Gustav Rose; Heinrich Rose; Wilhelm Rose; Friedrich Philipp Rosenstiel; Friedrich Wilhelm Röstell; Christian Friedrich Rühs; (Franz Gotthardt Joseph Johann Karl Maximilian) Graf Schaffgotsch; Karl Heinrich Schellbach; Friedrich Wilhelm Valentin Schmidt; Johann Ferdinand Schnackenburg; Ernst Ludwig Schubarth; August Wilhelm Ferdinand Schultz; Johannes Karl Hartwig Schulze; Johann Eduard Simon; David Karl Splittgerber; Jakob Steiner; Christian Heinrich Eustachius Stobwasser; Adolph Friedrich Karl Streckfuß; Albrecht Wilhelm v. Sydow; Heinrich Anton v. Tenspolde; Anton Thilo; Ernst Heinrich Tölken; Friedrich Adolf Trendelenburg; August Detlef Christian Twesten; Friedrich Gottlob Uhlemann; Francesco Cosma Damiano Valentini; Christian Samuel Weiß; Karl Heinrich Albert Wendt; Friedrich Wöhler; August Wilhelm Zumpt; Karl Gottlob Zumpt. Querverweise auf andere Vereine: Die HG hatte zu verschiedenen parallel existierenden Gesellschaften enge Kontakte. In 26 Berliner Vereinen waren Humanitätsmitglieder zeitgleich oder zeitlich versetzt ebenfalls Mitglieder, desgleichen in der Wissenschafts- und der Kunstakademie. Besonders enge Verbindungslinien bestanden zur Freimaurerloge  Royal York, zur  Feßlerschen Mittwochsgesellschaft, zur  Philomatischen Gesellschaft, zu den beiden  Gesetzlosen Gesellschaften Nr. 1 und Nr. 2, zum  Schach-Club, zum  Montagsclub, zur  Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache, zur  Gesellschaft Naturforschender Freunde, zur  Graeca und zur  Deutschen Tischgesellschaft. – 36 Jahre nach Gründung der Berliner HG wurde am 24. 194

Dezember 1833 in Posen eine Schwestergesellschaft gegründet, die die Statuten der älteren Berliner Vereinigung übernahm. Bibliographie: 1) Archivquellen: LAB, A Rep. 060-40, Nr. 1 bis 23 (23 Akteneinheiten: Statuten, Mitgliederverzeichnisse, Denkschriften und Jahresberichte, Sitzungsprotokolle, Kassenbücher, Briefwechsel, Gästebuch). – Stiftung Stadtmuseum Berlin, Dokumentensammlung, Signatur: IV 83/325 Q a–c (8 Akteneinheiten: Gesetzentwürfe, Preisfragen, Briefwechsel, Präsenzbücher 1818– 1861). – 2) Druckschriften (Auswahl): Die HG gab kein eigenes Journal heraus, veröffentlichte jedoch in anderen Zeitschriften die auf den Stiftungsfeiern gehaltenen Festvorträge sowie die Preisschriften. Darüber hinaus veröffentlichten die Mitglieder oftmals ihre Vorträge als eigenständige Publikationen. – Bartholdy, J. L. S. (?): Kunstnachricht aus Berlin [Über das Aquarellbild „Die Ermordung des Probstes Nikolaus von Bernau vor der Berliner Marien­kirche im Jahr 1323“ von Franz Catel; vorgestellt in der HG am 11.01.1806]. In: Neuer Teutscher Merkur (1806) April, S.  303–309. – [Bendavid, Lazarus]: Über den Nutzen literarischer Gesellschaften. Eine Rede am Stiftungstage der literarischen Gesellschaft der Freunde der Humanität. In: Berlinische Monatsschrift 1 (1799), S. 369–383. – [Bendavid, Lazarus]: Ueber Liebe und Eifersucht, mit Bezug auf deren Darstellung auf der Bühne. (Vorgelesen in der feierlichen Sitzung der Gesellschaft der Humanitätsfreunde, d. 14 Jänner 1804.). In: Berlinische Monatsschrift 11 (1804), S. 292– 318. – [Bendavid, Lazarus]: Ueber die Hofnung. (Vorgelesen in der Gesellschaft der Humanitätsfreunde am Stiftungsfeste d. 11 Jän. 1806.). In: Berlinische Monatsschrift 15 (1806), S. 346–366. – [Delbrück, J. F. F.]: Aufwärts! Und Vorwärts! Bruchstück einer Vorlesung in der Gesellschaft der Freunde der Humanität, Berlin den 30. Dezember 1809, zur Feier der Rückkunft des Königli-

Philomatische Gesellschaft [PhilG]

chen Hauses. In: Berlinische Monatsschrift 24 (1810), S. 3–10. – Merkel, Garlieb: Was heißt Humanität? Eine Rede, bei der öffentlichen Sitzungsfeier der Humanitäts-Freunde in Berlin. In: Eunomia (1801), Bd. 1, S. 193– 208. – Michaelis, C. F.: Versuch einer Beantwortung der von der Berliner Gesellschaft der Freunde der Humanität aufgegebenen Preisfrage: In welchem Verhältniß steht der gegenwärtige Zustand der Philosophie, der Gesetzgebung, der schönen Künste und der Literatur zur Humanität? In: Eunomia (1802), April, S. 289–306, und Mai, S. 385–419. – 3) Forschungsliteratur: Buchholz, Rudolf: Die

Humanitäts-Gesellschaft von 1797 in Berlin. In: Brandenburgia 10 (1901/02), S. 385– 387. – Streckfuß, Karl: Vom Werden, Wachsen, Wirken und Vergehn der zu Berlin am 10. Januar 1797 gestifteten literarischen Gesellschaft, welche sich seit Anfang des Jahres 1798 Gesellschaft der Freunde der Humanität nannte. In: Beiträge zur Geschichte Berlins. Berlin 1939, S. 92–104. – Motschmann, Uta: Schule des Geistes, des Geschmacks und der Geselligkeit. Die Gesellschaft der Freunde der Humanität (1797–1861). Hannover 2009 (Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800, Bd. 14).

Uta Motschmann

Philomatische Gesellschaft [PhilG] Name: Philomatische Gesellschaft; Philomatie. Gründung: 16. Oktober 1800. Auflösung: 9. März 1828. Zusammenkünfte: 1800–1818 im Englischen Haus in der Mohrenstraße; ab Oktober 1818 beim Restaurateur Dietrich an der Ecke Jäger- und Wallstraße; in den 1820er Jahren in verschiedenen öffentlichen Lokalen, u. a. 1824 und 1828 bei den Gastwirten Frenzel und Simon oder im Börsenhause. Programmzitat: „Austausch der Gedanken ist der Hauptzweck der Gesellschaft. Der Name Philomathie zeigt ihre Liebe zu Kenntnissen überhaupt und zu allem Wissenswürdigen an. Sie soll keine Fakultäts-Verbindung sein; sondern jeder mit Wissenschaften und Künsten ernstlich sich beschäftigende Mann kann als Mitglied vorgeschlagen werden“ (Neue Berlinische Monatsschrift 11 (1804), S. 231–235). – Dem Namen der Gesellschaft entsprechend, Freunde des Wissens zu sein, nimmt sie „das Wissen in dem ausgedehntesten Sinne des Wortes: Wir sind Menschen, und alles, was ihn angeht, und auf sein Wohl und Weh bezug hat, soll uns nicht fremd bleiben, muß einen Ge-

genstand unseres Wissens ausmachen“ (Quartalsbericht 1. Juli 1803: SBB PK, Ms. germ. fol. 1034, Bd. 1, Bl. 8). Geschichte und Programmatik: Im Sommer 1800 fanden sich mehrere naturwissenschaftlich interessierte Männer, darunter zahlreiche Mitglieder der  Gesellschaft Naturforschender Freunde, zu einer losen Vereinigung um den Chemiker und Obermedizinalrat Martin Heinrich Klaproth zusammen, um sich mit Gegenständen aus der Experimentalchemie zu beschäftigen. Im Haus des Arztes Johann Emanuel Bremer wurden Versuche mit der Volta’schen Säule vorgeführt, die im März desselben Jahren von Alessandro Volta kon­ struiert worden war und großes Aufsehen erregte. Angeregt durch diese Experimente entstand der Wunsch, sich wöchentlich an einem Abend im Kreise Gleichgesinnter zu versammeln, um „das Neueste auch in solchen Zweigen der Wissenschaften zu erfahren, die nicht in das Hauptfach jedes Einzelnen schlagen, und die er folglich nicht selbst bearbeiten kann“ (Neue Berlinische Monatsschrift (1804), S. 231 f.). Am 8. Oktober 1800 beriet man 195

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

über die Gesetze einer solchen Gesellschaft merkwürdige und noch nicht allgemein beund übertrug die Ausarbeitung dem künftigen kannte Aufsätze in bereits gedruckten SchrifSekretär Lazarus Bendavid. Am 16. Oktober ten, Vorzeigen von Kunstsachen und Natur1800 wurde die PhilG eröffnet und die Geset- erzeugnissen, u. dgl. m.“ konnten den Geze angenommen, mit dem Vorbehalt, dass sie genstand der Vorlesung ausmachen (Neue nur für ein Jahr gültig sein sollten und dann Berlinische Monatsschrift (1804), S. 233). Die abgeändert werden könnten. Dies geschah PhilG befasste sich mit allen Gegenständen in der Folgezeit auch in vielen äußerlichen des Wissens, besonders aber mit NaturgePunkten. „Nur der Zweck der Gesellschaft, schichte, Physik, Chemie und Philosophie; der Donnerstag als Versammlungstag, und der keine bedeutsame Erscheinung der Zeit sollBeitrag jedes Mitgliedes“ blieben unverändert te unbesprochen bleiben. Bedingung für die (ebd., S. 232). Die anfangs auf 24 begrenzte Aufnahme als Mitglied waren entsprechenMitgliederzahl wurde allmählich auf 40 (1806) de Fachkenntnisse. Unabhängig von gesellerweitert. Erster Direktor der PhilG war der schaftlicher Stellung und Religion konnChemiker Martin Heinrich Klaproth, Sekre- te jeder Gebildete, der fähig war, wissentär der jüdische Privatgelehrte Lazarus Benda- schaftliche Vorträge zu halten, sich zur Wahl vid und Rendant der Mathematiker und Phy- stellen. Der elitäre Gelehrtenverein schloss siker Ernst Gottfried Fischer. Der PhilG traten interessierte Laien wie auch ein größeres geprominente Berliner Naturwissenschaftler bei, mischtes Publikum aus. Die Mitteilung nadarunter der Astronom Johann Elert Bode, der turwissenschaftlicher Forschungen, zu deGeologe Leopold v. Buch, der Physiker Paul nen auch das Vorführen von Experimenten Erman, der Chemiker Siegismund Friedrich gehörte, wofür extra wissenschaftliche GeräHermb­staedt, der Mineraloge Dietrich Lud- te und Reagenzien angeschafft wurden, erwig Gustav Karsten und der Zoologe Mar- folgte innerhalb eines kleinen freundschaftlitin Hinrich Carl Lichtenstein. Im Novem- chen Zirkels. Die PhilG verstand sich als geber 1805 wurde Alexander v. Humboldt die lehrte Privatgesellschaft, in der wissenschaftMitgliedschaft (ohne Wahlverfahren) ange- liche Erkenntnisse und Erfindungen zuerst tragen, der nach seiner Amerikareise in einer bekannt gemacht und diskutiert werden sollVersammlung der PhilG „mit den Urvölkern ten. Sie „begnüg[e] sich mit der Wirksamkeit Amerika’s bekannt machte […] und eine Ver- in sich selbst; steh[e], als Gesellschaft, isolirt, gleichung der alten und neuen Welt, in Hin- mit keiner andern in Verbindung oder Konsicht auf Cultur und Kunst anstellte“ (Sit- kurrenz“ und wolle „nicht nach außen thäzungsprotokoll vom 16. Januar 1806). Wenig tig sein“ (ebd., S. 233 f.). Zu dieser isolierspäter, am 3. April 1806, stellte er Kupfer- ten Stellung gehörte es auch, dass die PhilG platten zu seiner Reisebeschreibung vor und als Verein nicht öffentlich in Erscheinung trat, sprach über „Naturgegenstände, welche er zum Beispiel durch die Herausgabe einer eiselbst an Ort und Stelle skizzierte“. Neben genen Schriftenreihe oder durch MitteilunHumboldt, der noch weitere Vorträge hielt, gen ihrer Sitzungen und Vortragstätigkeit. wurde der Dichter, Botaniker und Weltum- Wissenschaftlich interessierte Gäste waren zu segler Adelbert v. Chamisso 1808 Mitglied, den regulären Sitzungen jedoch ausdrücklich der ebenfalls in mehreren Vorträge über seine erwünscht. Die Vorträge befassten sich u. a. Reisen berichtete. – mit neuen Entwicklungen in der Indus­ Jedes Mitglied war in der Reihenfolge des trie und der Landwirtschaft, immer im HinEintritts in die Gesellschaft zu einem Vortrag blick auf ihre praktische Wirksamkeit: z. B. verpflichtet. „Eigne Abhandlungen, Auszü- Kartoffelanbau und -nutzung; Verbesserung ge aus Büchern, wissenschaftliche Notizen, des Ackerbaus durch Dünger und Surrogate; 196

Philomatische Gesellschaft [PhilG]

Abb. 29  Sitzungsprotokoll vom 16. Januar 1806 mit einem Eintrag zu A. v. Humboldt.

Schafzucht in Spanien und Schlesien; Steinkohlenbergbau in England; neue Filtrierwerkzeuge der Franzosen; natürliche und künstliche Mineralwasser; natürliche und künstliche Erzeugung des Salpeters; – mit medizinischen Themen: das Verhalten der Würmer in den Eingeweiden der Menschen; Heilkräfte aus der Natur; das Scharlachfieber; – mit chemisch-physikalischen Themen: Theorie der Meteorologie und ihre Berichtigung durch die Theorie der Elektrizität; die Voltai­ sche Säule; Versuche mit Beleuchtungsgerätschaften; brennbare Stoffe in Hinsicht auf Cl. L. Berthollets Theorie der Verwandtschaft (Fischer); Nutzen, den die Beobachtungen mit dem Luftballon für Physik und Chemie bringen (Erman); Bestimmung der quantitativen Verhältnisse der Chemie (Fischer); Bestimmung des Alters der Metalle (Karsten); mit Chromoxyd glasiertes Porzellan (Rosenstiel); Goethes (im Jahr zuvor erschienene) Farbenlehre (längerer Vortragszyklus von Fischer); Darstellung der elektrochemischen Theorie und der Proportionslehre des J. J. Berzelius (Weiß);

– mit Astronomie: Meteore; – mit Philosophie: z. B. mit der von Paul Ferdinand Friedrich Buchholz verfassten Darstellung eines „neuen Gravitationssystems in der moralischen Welt“; mit der Notwendigkeit einer empirischen Grundlage aller spekulativen Philosophie und den Begriff derselben (Fischer); – mit Reiseberichten, ethnographischen Abhandlungen und kulturgeschichtlichen Themen: z. B. über die Ursachen der Kultur in Europa; über die ältesten Inschriften der Chinesen (J. H. Klaproth); – mit bildungspolitischen Themen: z. B. wird in einer Abhandlung über zweckmäßige Einrichtung gelehrter Anstalten für gebildete Stände für eine Teilung der Gymnasien in Sprach- und Real-Gymnasien sowie für eine Realakademie plädiert; Kritik an der Lehrmethode Pestalozzis (Fischer, 1806); – mit kunsthistorischen und archäologischen Themen: Idee und Inhalt der archäologischen Kritik und Hermeneutik (Levezow); Plan eines königlichen Kunstmuseums in Berlin (Hirt); über das Kunstschöne (Hirt); die ägyptischen Baukunst von den Pyramiden bis zum 197

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Wasserbau (Hirt); Ägypten als Schlüssel zur Kulturgeschichte der anderen Völker (Hirt). Im Februar 1802 wurde von dem jungen dänischen Wissenschaftler und Philosophen Hans Christian Ørsted eine Einführung in das umstrittene System des Pester Professors für Chemie und Botanik Jakob Jozsef Winterl gegeben, dessen Prolusiones ad chemiam saeculi decimi noni 1800 in Buda erschienen waren. Im November 1815 war E. F. F. Chladni Gast in der PhilG. Viele der genannten Themen wurden auch in der Gesellschaft Naturforschender Freunde, der  Humanitätsgesellschaft oder der  Märkischen Ökonomischen Gesellschaft behandelt. Die Versammlungen waren vom Ernst strengster Wissenschaftlichkeit geprägt; die Geselligkeit beschränkte sich auf die monatlichen Abendessen und die Stiftungsfeste. Nach einem mehrere Jahre währenden intensiven wissenschaftlichen Gedankenaustausch und zahlreichen bedeutenden Vorträgen verlor die PhilG in den 1810er Jahren an Attraktivität, vermutlich auch deshalb, weil sie sich den einsetzenden Popularisierungstendenzen in den Naturwissenschaften verschloss. Außerdem gründeten sich immer mehr fachspezifische Vereinigungen. Auch der Aufschwung der Berliner Universität mag zum Niedergang der Gesellschaft beigetragen haben, obgleich andere Gesellschaften wie die Naturforschenden Freunde oder die Humanitätsgesellschaft durchaus dieser Konkurrenz gewachsen waren. In der Zeit des Niedergangs der PhilG erreichte die Humanitätsgesellschaft ihre größte Wirksamkeit, verzeichnete die höchsten Mitgliederzahlen insgesamt sowie die stärkste Beteiligung an den wöchentlichen Sitzungen. Anfang 1817 musste sich die PhilG fragen, „wie der Gesellschaft wieder aufgeholfen werden könne“ (Sitzungsprotokoll vom 9. Jan. 1817). Ab 1819 fanden die Sitzungen nur noch unregelmäßig statt; fielen für mehrere Monate sogar ganz aus. 1822 geriet die PhilG auf Grund des anhaltenden Mitgliederschwundes in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten. 1825 hatte sie noch 22; Ende 1827 17 198

und im Februar 1828 14 Mitglieder. Da auch von diesen letzten Verbliebenen die Sitzungen kaum noch besucht wurden, wurde die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, „die über ein Vierteljahrhundert hindurch Mittelpunkt eines regen wissenschaftlichen Lebens gewesen war“ (Klemm, S. 45). Das Vermögen von 231 Reichstalern (vor allem bei der Sparkasse angelegtes Kapital und Zinsen) wurde größtenteils an das Armendirektorium abgegeben. Struktur und Organisation: Die PhilG versammelte sich in den ersten Jahren ihres Bestehens wöchentlich donnerstags, 18–19 Uhr, im Englischen Haus; seit dem 4. Oktober 1809 traf man sich mittwochs. Der Versammlungsablauf war stets gleichbleibend: Nach der Eröffnung durch den Direktor wurde das Protokoll der vorangegangenen Sitzung verlesen, gefolgt von einem oder mehreren Vorträgen mit anschließender Diskussion. Jedes Mitglied erhielt bei Eintritt in die Gesellschaft eine Nummer, nach deren Abfolge sich die Reihenfolge der Vortragenden bestimmte. Die Vorträge wurden 14 Tage im Voraus angezeigt. Sie sollten eine halbe Stunde nicht überschreiten; längere Ausarbeitungen mussten von den Mitgliedern bewilligt werden. Jedes Mitglied blieb Eigentümer seiner Arbeiten und konnte diese nach eigenem Gutdünken veröffent­lichen. Die Vortragstätigkeit wurde in den Protokollbüchern festgehalten, teilweise in Form kurzer Abstracts, teilweise aber auch durch ausführliche, bis zu mehrere Seiten umfassende Vorlesungsmitschriften. Die PhilG hatte nicht die Absicht, eine Sammlung ihrer Abhandlungen herauszugeben; Preisfragen wurden nicht ausgeschrieben. Die Quartalssitzungen, in denen Resümees der Verhandlungen des abgelaufenen Vierteljahres gegeben sowie ein Vortrag gehalten wurden, waren öffentlich. Sie fanden Anfang Januar, April, Juli und Oktober statt und wurden mit einer gemeinsamen Mahlzeit beschlossen. Jährlich feierte man ein Stiftungsfest, zu dem Gäste eingeladen wurden.

Philomatische Gesellschaft [PhilG]

Die PhilG wurde von einem sogenannten Beamtengremium geleitet, bestehend aus einem Direktor, der die Einhaltung der Gesetze kontrollierte und die Sitzungen eröffnete und leitete; einem Sekretär, welcher die Protokolle führte, die Vorlesungen exzerpierte und diese „am Ende der Sitzung und bei Eröfnung der folgenden, sowie die gesammten Auszüge eines Vierteljahrs in der Quartalssitzung“ vortrug; und einem Rendanten, der die Kassengeschäfte besorgte. Die Beamten wurden jährlich in der letzten September-Sitzung gewählt; konnten aber auch in ihren Ämtern bestätigt werden. Die Ämterverteilung war wie folgt: Direktoren: M. H. Klaproth (1800– 1811); Rosenstiel (1811–1816); Lichtenstein (1816–1817); Poselger (1817–1828). – Vizedirektoren: Bremer (1805–1811); Rudolphi (1811–1813); Lichtenstein (1814–1816); Poselger (1816–1817). Ab September 1817 blieb die Stelle unbesetzt. – Sekretäre: Bendavid (1800–1811); Chr. L. Ideler (1811–1812); Poselger (1812–1814); Bendavid (1814–1828). – Vizesekretär: Levezow (1814–?). – Rendanten: Prof. Fischer (1800–1817); Prof. Wolff (1817–1822); Bergius (ab 1822). – Die Sitzungen am Ende eines Quartals waren den ökonomischen Angelegenheiten vorbehalten, auch konnten neue Kandidaten vorgeschlagen werden, über die dann ballotiert wurde. Die Anwesenheit von Gästen war außer bei den ökonomischen Sitzungen erlaubt. Die Anwesenheit der Mitglieder und der Gäste wurde in einem Präsenzbuch notiert. Einmal monatlich blieben die Mitglieder zu einem Abendessen zusammen. Die PhilG finanzierte sich über Mitgliedsbeiträge und bildete finanzielle Rücklagen bei der Sparkasse. Mitglieder: a) Allgemeines: In den 28 Jahren ihres Bestehens hatte die PhilG 107 Mitglieder, vor allem Naturwissenschaftler (Chemiker, Physiker, Mineralogen), Ärzte und Apotheker, weiterhin Altertumswissenschaftler, Kunstsachverständige, Architekten und Philosophen. – b) Einzelmitglieder: a) Eintritt bis 1815

(alphabetisch, mit Angabe des Eintritts-Jahres): Johann Joachim Bellermann (1806); Lazarus Bendavid (1800); Stadtrat Bergius (?); Rat Bindheim (1800?); Johann Elert Bode (1800?); Johann Emanuel Bremer (1800); Prof. Brohm (?); Leopold v. Buch (1809); Philipp Karl Buttmann (1800?); Johann Friedrich Gottlieb Delbrück (1806); Johann Benjamin Erhard (1800?); Paul Erman (1800?); Ernst Adolph Eschke (?); Geh. Oberbaurat Johann Albert Eytelwein (1800?–1810); Ernst Gottfried Fischer (1800); Dr. Flörke (1800?); Prof. Froriep aus Halle (1807); Joachim Christian Gaß (1809); Berghauptmann Gerhard (1814); Geh. Oberbaurat David Gilly (Austritt 1808); General-Münzdirektor Goedeking (1814); Geh. Rat Graefe (1815); Grose (1810); Siegismund Friedrich Hermb­staedt (1800?); Dr. Hermes (1800?–1807); Aloys Hirt (1807); Staatsrat Hofmann (1810); J. C. Graf v. Hofmannsegg (1810); Hofrat Dr. Horn (1810); Alexander v. Humboldt (1805); Christian Ludwig Ideler (1809); Landrat v. Itzenplitz (1806); Dr. Janke (1810); Geh. Legationsrat v. Kamptz (1814); Oberbergrat Karsten (1800); Martin Heinrich Klap­roth (1800; Gründungsdirektor); der Orientalist J. H. Klaproth, der Sohn des Vorigen (1811); Ernst Ferdinand Klein (1807, gest. 1810); Johann Christoph Friedrich Klug (1815); Bergrat H. F. P. Klügel (1800?); O. M. Rat Knape (1806); K.R. v. Knobloch (1800?); Prof. v. Könen (1800?); Georg Samuel Köpke (Austritt 1814); Dr. phil. Karl Christian Friedrich Krause (1814); Jakob Andreas Konrad Levezow (?); Martin Hinrich Karl Lichtenstein (1810); Heinrich Friedrich Link (1815); Münzmeisterassistent Friedrich Loos (1800?); Hofmedailleur Daniel Friedrich Loos (1800?– 1820); Dr. Meineke (1800?); Johann Friedrich Alexander Mer(t)zdorf(f) (1800?); Dr. Meyer (1800?); Johann v. Müller (1806–1807); Prof. Nolte (1800?); Particulier Oehmigke (1810); Friedrich Theodor Poselger (1813?); Reimann, Erzieher des Prinzen Louis (1806); Oberkonsistorialrat und Propst Ribbeck sen. (1810); Assessor Rösch (1800?); Apotheker Valentin 199

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Rose (1800?, gest. 1807); Johann Gottlob Samuel Rösel (1800?); Friedrich Philipp Rosenstiel (1800?, 1811 Direktor); Karl Asmus Rudolphi (1810); Christian Friedrich Rühs (1810); Johann Gottfried Schadow (1800? – Ende 1803); Berg-Assessor, später Oberberg­ rat Schaffrinsky (1800?–1825); Karl Friedrich Schinkel (1814); General-Lotteriedirektor Scherzer (1813); Geh. Rat Schmalz (1811); Apotheker Johann Christian Karl Schrader (1800?); Prof. George Friedrich Sick (1800?); Geh. Oberbaurat Simon (1807?); Staatsrat Simon (1810); Kammergerichtsrat Skalley (1814); Karl Wilhelm Ferdinand Solger (1814); Kriegsrat Steffens (1800?); Kriegsrat Sotzmann (Austritt 1812); Staatsrat Süvern (1810); v. Thaer (1810); Karl Daniel Tourte (1806); Geh. Rat Wilhelm Uhden (1804); Christian Samuel Weiß (1810); Dr. Weiss (1802); Prof. Willdenow (1800?); Prof. Wolf (1804 oder früher); Geh. Rat und Prof. (Friedrich August?) Wolf (1807); Prof. Wrede (1800?); Hofrat Wuttig (1815). – b) Eintritt 1816 bis 1828 (alphabetisch): Kriminalrat Hitzig (1816?); Christian Gottlieb Bergemann (1822); Geh. Oberregierungsrat Bernauer (1819); Adelbert v. Chamisso (1818); Medizinalrat Cuper (?); Bergrat Johann Christoph Eisele(n) (1816); Geheimrat Carl Friedrich Friccius (1822); Oberberg­ rat Frick (Austritt 1822); Dr. Hauck (1818); General v. Hellwig (Helvig?) (1816); Prediger Pelkmann (1822); Obrist Pfuhl (1817); Gottfried Christian Reich (1818); Bergamtsassessor Schaffrinsky (?); Dr. Schmidt, Schwiegersohn von Zenker (1817); Hofrat Friedrich Wilhelm Ferdinand Schul(t)z (1818); Dr. Schupke (1822); Geh. Oberfinanzrat Karl Semler (1820); Justizrat Troschel (1821); Dr. Friedrich Georg Weitsch (1821). Querverweise auf andere Vereine: Die Philomaten hatten enge Beziehungen zur  Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Mehrere Mitglieder derselben (so Lichtenstein, Bode, L. v. Buch, Chamisso, Klaproth) traten auch der PhilG bei, einige gehörten zu 200

ihren Gründungsmitgliedern. Im Gegensatz zur PhilG wurden in der GNF keine Experimente durchgeführt; ihren Hauptzweck sah sie in der Naturbeschreibung. Starke personelle und thematische Überschneidungen gibt es ebenfalls mit der  Gesellschaft der Freunde der Humanität; hier bestanden 47 Parallelmitgliedschaften. Von denselben Personen wurden in beiden Gesellschaften oftmals thematisch ähnliche Vorträge mit teilweise gleichlautenden Titeln gehalten. Beide Gesellschaften waren interdisziplinär ausgerichtet und hatten unter ihren Mitgliedern einen hohen Anteil an herausragenden Naturwissenschaftlern. Vorbild für die Berliner PhilG war vermutlich die Société philomatique in Paris, die 1788 gegründet worden war. Die Pariser Philomaten sahen es als ihren Hauptzweck an, sich mit allem, was in den Wissenschaften untersucht wurde, besonders in den mathematischen und naturhistorischen, schnell bekannt zu machen, eigenständig strittige Versuche zu wiederholen und gegebenenfalls zu berichtigen und so viel als möglich „wahre Tatsachen“ zu verbreiten. Philomatische Gesellschaften entstanden später auch in anderen Städten, so in Breslau (1814); in Rostock (1819); in Neiße (1838); in Warschau (gegründet vor 1825; Mitglieder waren u. a. Stanislaus und Ludwig Graf Plater); weiterhin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Liegnitz, Schweidnitz, Leobschütz, GroßGlogau, Glatz, Oppeln, Brieg, Goldberg in Schlesien, Erlangen und in Elsass-Lothringen. – In Vilnius nannten sich die Mitglieder eines illegalen antizaristischen Studentenverbandes der Universität 1817–1823 Philomaten. Bibliographie: 1) Archivquellen: SBB PK, Handschriftenabteilung, Signatur: Ms. germ. fol. 1034 (3 Bde. Sitzungsprotokolle 1802– 1828). – Jüdische National- und Universitätsbibliothek Yerûsalayim / Bêt has-Sefarîm halLe’ummî we-ha-Ûnîversîta’î ha-Ivrî , Israel, Signatur: ARC 4° 792/ ARC 4° 792/A/philomaten (einige wenige Sitzungsprotokolle). – 2) Gedruckte Quel-

Der Schach-Club von 1803 [SC]

len: [Anonym]: Von der Philomatischen Gesellschaft in Berlin. In: Neue Berlinische Monatsschrift 11 (1804) März, S. 231–235. – Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude- u. Spenersche Zeitung), verschiedene Jahrgänge, kurze Berichte über die öffentlichen Quartalssitzungen und die Stiftungsfeste (u. a. Nr. 46 v. 16. April 1806 [Zwei kleine Berichte über die Philomatische Gesellschaft. Beobachtung von Ballonflügen]; Nr. 127 v. 23. Okt. 1810; Nr. 83 v. 13. Juli 1813). – Buttmann, Philipp Karl: Ueber die beiden ersten Mythen der Mosaischen Urgeschichte. In: Neue Berlinische Monatsschrift 1 (1804) März, S. 187–214, und April, S. 251– 277 [Druck einer in der PhilG vorgetragenen Abhandlung]. – Flörke, H. G.: Die Tonleiter der Vokale. Ein Versuch, den eigen­ thümlichen Laut der einfachen deutschen Vokale auf immer zu bestimmen. Vorgelesen in der Philomatischen Gesellschaft zu Berlin, am 21. Jul. 1803. In: Neue Berlinische Monatsschrift 2 (1803) September, S. 161–185. – Gädicke, Johann Christian: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend. Enthaltend alles Merkwürdige und Wissenswerthe von dieser Königsstadt und deren Gegend. Ein Handbuch für Einheimische und Frem-

de. Berlin 1806, S. 453. – Krause, Karl Christian Friedrich: Vom Unterrichte, als Theile der Erziehung (vorgelesen in der philomatischen Gesellschaft zu Berlin, im J. 1815). In: ISIS (1823), Nr. II, Sp. 144–153. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend […]. Berlin 1816, S. 166 f. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Berlin und Potsdam. Eine Vollständige Darstellung der merkwürdigsten Gegenstände. Erstes Bändchen, Berlin 1804, S. 507. – Zedlitz, Leopold Frhr. v.: Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einheimischen und Fremden aller Stände. Berlin 1834, S. 584 [mit dem falschem Gründungsjahr 1780 und fälschlicher Angabe, dass die Gesellschaft 1834 noch existiere]. – 3) Forschungsliteratur: Klemm, Friedrich: Die Berliner Philomatische Gesellschaft (Philomathie). Ein Beitrag zur Geschichte des geistigen Lebens der preußischen Hauptstadt im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts. In: Sudhoffs Archiv 42 (1958), S. 39–45. – Geiger, Ludwig: Geschichte des geistigen Lebens der preußischen Hauptstadt. Bd. 2, Berlin 1895, S. 203.

Uta Motschmann

Der Schach-Club von 1803 [SC] Name: Auf dem Deckblatt der Gesetze: Schach=Club; seit der Gründung der Schachgesellschaft 1827 häufig als Alter Club, Großer Club bezeichnet. Gründung: 16. Oktober 1803. Auflösung: Vermutlich September 1847. Clubwohnungen: 1803: Taubenstraße; 1807: Wallstraße 17(?); 1813: „Fridstr./Frzstr.“ (Frie­drichstraße / Französische Straße?) 7b bei Fuhr­mann Belitz; seit 1815: mehrere Umzüge in die Jägerstraße und die Französische Straße; zuletzt Jägerstraße 79.

Programm: Die Gesetze des am 16ten Octo-

ber 1803 gestifteten Schach=Clubs revidirt und sanctionirt den 30ten May 1805 verzeichnen in 70 Paragraphen die Absichten des Clubs und die Modalitäten ihrer Durchführung. Sie sind entstanden („revidirt“) auf der Grundlage „der bisher vorhandenen Gesetze de dato Berlin, 16ten October 1803 und des Circulare des 16ten December nemlichen Jahres, so wie auch auf Grund der, in der Generalversammlung des 2ten Junii 1804 gefassten Beschlüsse“. Eine Erstfassung (von 1803) ist bis201

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

her nicht bekannt. Der letzte § 70 stellt die durch die Unterschrift der Mitglieder bestätigte Gesetzeskraft der Statuten fest. Die Urschrift sollte im Archiv aufbewahrt bleiben, Abschriften den Mitgliedern jederzeit zugänglich sein. Die Gesetze enthalten auf den Rückseiten der Blätter eingefügte Änderungen der Jahre 1808 und 1822 und eine 139 Namen umfassende Mitgliederliste. Eine Abschrift ohne Liste aus der Zeit nach 1822 (in der die Änderungen bereits in den laufenden Text eingefügt sind) befindet sich in Privatbesitz. – Der SC bildet eine Gesellschaft, „darin Mitglieder sich als Liebhaber des Schach=Spiels vereinigt haben, an einem bestimmten Ort in der Stadt täglich zusammen zu kommen“. Der Zweck des SC, festgelegt im Fundamental=Gesetz, besteht darin, „einzig und allein Schach zu spielen oder diesem Spiel zuzusehen. Kein anderes Spiel ist zulässig, und eine Änderung dieses Paragraphen darf unter keinen Umständen und zu keiner Zeit vorgeschlagen, angehört oder durch die Direktoren vorgetragen werden, auch nicht durch eine Majorität der Mitglieder je beschlossen werden“ (§§ 1 und 2). Erst 1822 wird der § 2 geändert: „Der Zweck der Mitglieder des Schachclubs ist hauptsächlich Schach zu spielen, und es sind daher Liebhaber dieses Spiels der Gesellschaft am willkommensten. Jedoch können auch Nicht-Schach Spieler, die blos an gesellschaftlicher Unterhaltung Vergnügen haben, zugelassen werden. Es versteht sich aber von selbst, daß kein anderes Spiel als Schach geduldet werden darf.“ Geschichte und Programmatik: 1) Die Gründungsphase: Der SC von 1803 ist die erste in Deutschland gegründete Vereinigung von Schachspielern mit einer Satzung. Schachclubs gab es seit 1770 in England, vor allem in London. Sie hatten ihren Spielort in Cafés (Salopian Coffee House, Charing Cross, 1770; Parsloe’s Subscription Room, St. James Street, 1774), die Anzahl der Mitglieder war beschränkt, es gab Mitgliedsbeiträ202

ge und Subscriptionen, aus denen zum Beispiel der Schachunterricht des bedeutenden französischen Schachspielers und -autors André Danican Philidor bezahlt wurde. Ein paralleler Club wurde 1783 in Paris gegründet. Die Mitgliederlisten in beiden Ländern enthalten in den ersten Jahren – bis zur Französischen Revolution – zahlreiche berühmte Namen aus dem hohen Adel und den Bereichen von Wissenschaft und Literatur. In der letzten Dekade des 18. Jahrhunderts zeichnet sich ein Wandel in dieser Zusammensetzung ab, es gibt nur noch wenige Adelige, stattdessen finden sich „gentlemen of intellectual tastes“, Naturwissenschaftler, Historiker, Politiker, Mediziner, Publizisten. Über weitere Modalitäten (Orte, Statuten, Organisation etc.) gibt es genauere Informationen erst für Clubs des späten 19. Jahrhunderts. Ein Artikel in der Berlinischen Monatsschrift vom März 1808 unterrichtet über die Anfänge des Berliner SC von 1803. Danach trafen sich im Sommer jenes Jahres „mehrere Männer“ täglich an einem „öffentlichen Ort“ im Tiergarten, um Schach zu spielen. Diese Darstellung wird in einem Gedicht Gottfried Schadows zum Stiftungsfest des Jahres 1840 bestätigt, in dem er allerdings von einer „boutique am Spreestrand“ spricht, in der „von Ständen allerlei zum Schachspiel zusammenfand“ (Schadow, Nachlass). Der herannahende Winter ließ den Wunsch nach einem festen Quartier und zugleich nach einer festen gesellschaftlichen Organisationsform entstehen. Die Gründungsphase dauerte von Oktober 1803 bis Mai 1805. In dieser Zeit hatte der Club 34 Mitglieder, ihre Zahl erhöhte sich bis 1808 bereits auf 70. Die Zeit der französischen Besatzung zwischen 1806 und 1808 brachte den SC durch die Kontributionszahlungen und die Besetzung des Clublokals in finanzielle Bedrängnis, die fast zur Auflösung geführt hätte. Der seit spätestens 1807 in das Direktorium gewählte Gottfried Schadow hat sicher dazu beige-

Der Schach-Club von 1803 [SC]

tragen, dass damals durch einmalige Beiträge der Mitglieder eine Stabilisierung eintrat, was sich auch darin ausdrückt, dass durch Tod oder Austritt freiwerdende Plätze im Verlauf der Jahre bis 1815 und darüber hinaus regelmäßig neu besetzt wurden. Die Aufzeichnungen Schadows, aus dessen Schreibkalendern die meisten Informationen zur Geschichte des SC stammen, belegen, dass gesellige Vereinigungen trotz ihres Ideals von geistreicher und heiterer Geselligkeit von den politischen Themen nicht losgelöst zu denken sind, und ihre Gespräche auch von den aktuellen Ereignissen bestimmt waren. Man erfuhr im SC vom guten oder schlechten Ausgang kriegerischer Handlungen und musste sich mit den Kriegsfolgen auseinandersetzen, besonders mit den Unannehmlichkeiten der Einquartierung und den zu zahlenden Kontributionen. Schadows Eintragungen geben ein, wenn auch bruchstückhaftes Bild der Vorgänge. Im schon erwähnten Gedicht von 1840 schreibt er: „wir kämpften in der Campagne anno 7 mit Schimpf und Schande, waren auch nahe dem bancorott“. Ein besonderes Ereignis wirft 1814 ein Licht auf die patriotische Gesinnung der Mitglieder. Am 16. Dezember wurde im Englischen Haus der Geburtstag Blüchers gefeiert. Gemeldet von Geheimrat Uhden, brachten „ich [Schadow], KR Wohlbrück und fabriken Commissar May die Huldigung des Schachclubs dar“. 1815 verzeichnen die Notizkalender: „Im Schachclub Nachrichten von der ersten Schlacht von Namur“, zwei Tage später: „Im Schachclub Vivat für Blücher und Wellington“. – 2) Der historische Rahmen: Der SC eröffnete die Möglichkeit, den Kreis der Spielpartner zu erweitern, die eigene und fremde Spielstärke zu testen und zu verbessern, Veröffentlichungen zum Schachspiel kennenzulernen und ihre Anleitungen auszuprobieren. Er stellte das Spiel jedoch auch in einen den Mitgliedern bewussten historischen und theoretischen Zusammenhang. Im Katalog Schadows Schachclub (2003) wurde der Versuch unternommen,

die mögliche Bibliothek des SC zu rekonstruieren. Schadow selbst verzeichnet den Kauf des „Selenus“, des 1616 veröffentlichten Schachbuches von Herzog August von Braunschweig-Lüneburg. Das Buch mit dem Titel Das Schach=oder König=Spiel kann als das früheste Lehrbuch in deutscher Sprache betrachtet werden. Schadow kannte wohl auch die italienische Übersetzung des Schachbuches von Ruy Lopez (Libro de la Invencion liberal y Arte del juego del Axedrez, Alcala 1561), die Domenico Tarsia 1584 in Venedig unter dem Titel Il Giuoco de gli Scacchi di Ruy Lopez […] herausgegeben hatte. Mit großer Sicherheit befanden sich der Philidor (André Danican Philidor, Analyze des Échecs, 1749) und der Stamma (Philippe Stamma, Essai sur le Jeu des Échecs, Paris 1737) im Besitz des SC, und zwar vermutlich in der 1754 von Armand König in Straßburg veranstalteten Ausgabe ihrer Schriften in einem Band. Das Mitglied Kriegsrat Bündell dezidierte bereits 1803 dem SC ein Exemplar von J. C. B. Uflacker, Ueber den Geist des Schachspiels, Hildesheim 1799. Weitere Informationen über vorhandene Schachbücher gibt es nicht, doch mögen mehrere der in Schadows Schachclub aufgeführten damaligen „Neuerscheinungen“ angeschafft worden sein. Das bestätigt auch die summarische Bemerkung eines Besuchers von 1807, der angibt, in der Bibliothek des SC befände sich, außer „andern Büchern und Karten, das Meiste was über das Schachspiel geschrieben ist“. Im Jahre 1807 waren das außer den genannten die Bücher von Moses Hirschel (1784), Johann Friedrich Wilhelm Koch (1759–1833; Die Schachspielkunst, 1801), Johann Baptist Allgaier (1763–1823; Neue theoretisch-praktische Anweisung zum Schachspiele, 1795) und möglicherweise auch die Anastasia von Wilhelm Heinse (1803). Selenus (1579– 1666), Philidor (1726–1795) und Stamma (1705?–1755/70?) hatten für den SC eine die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen dokumentierende Bedeutung: Anfang Juli 1807 begann Schadow mit der Arbeit an drei Büsten 203

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

dieser Protagonisten. Am 8. Oktober notiert er: „Die Büsten Philidor und Selenus fertiggemacht“, am 13.: „Stamma fertig“. Am 24. Dezember brachte er die bronzierten Büsten aus gebranntem Ton in den SC, wo sie im darauffolgenden Frühjahr auf Konsolen angebracht wurden. Am 29.12.1807 erhielt Schadow ein Dankschreiben des SC. Ein Besucher berichtet: „An dem Tage wo ich die Gesellschaft besuchte, fand ich sie in einer besonders heitern Stimmung. […] Herr Direktor Schadow, gerade auch einer der zeitigen Direktoren des Klubs, und allbekannter einer der Ersten itzt lebenden Bildner“, hatte im geheimen „die Büsten jener drei Schachheroen“ verfertigt, „und stellte am Weihnachtsabend dies Angebinde heimlich in dem Saale auf“. Der Berichtende fügt hinzu, der Wert der „genialisch aufgefassten und trefflich ausgeführten“ Büsten sei besonders deshalb groß, weil der Künstler die Formen zerbrochen habe und damit der SC der alleinige Besitzer sei. Diese Tatsache trug später zu ihrem anscheinend völligen Verlust bei. Welche Modelle Schadow für diese Büsten hatte, erörtert der Verfasser anschließend: Das Schachbuch des Selenus, das im SC vorhanden sei, stelle den gelehrten Herzog und Gründer der Bibliothek von Wolfenbüttel auf einer Doppelseite beim Schachspiel dar. Von Philidor gebe es ein Kupfer (eine für Schadow brauchbare Profildarstellung von 1749), die in dessen Analyze abgedruckt sei. Philidor war im übrigen in Berlin sicherlich noch eine Erinnerung, denn 1750 war er zu Besuch in Sanssouci und Berlin gewesen und hatte durch seine Schachkünste erstaunt. Friedrich II. soll ihn beim Spiel beobachtet, aber nicht selbst mit ihm gespielt haben. Über den Besuch hatte die Berlinische Privilegierte Zeitung ausführlich berichtet. Außerdem gibt es in Friedrich Wilhelm Marpurgs Legende einiger Musikheiliger von 1786 eine Notiz zu Philidor: „Im Jahre 1750 befand sich der itzo als Componist berühmte Philidor in der Qualität eines Schachspielers zu Berlin, wo er eines Tages […] drey vornehme Spieler […] mit 204

verbundenen Augen schachmatt machte.“ Philidor war bekannt für sein Blindspiel und deswegen von Diderot vor den Folgen für seine Gesundheit, „die Gefahr, blödsinnig zu werden“, gewarnt worden. Für die Büste des Syrers Stamma hatte Schadow keine Vorlage. Der Besucher von 1807 berichtet: „Der Künstler modelte also den idealen Kopf eines Orientalers und mathematischen Denkers; zu welchem Behufe er eine Larve des großen Newton, die er besitzt, zu einigen Zügen benutzte; und kostumirte ihn Arabisch.“ Das Schachbuch des Philipp Stamma war seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zusammen mit einer Ausgabe des „Philidor“ in einer deutschen Übersetzung vorhanden. Moses Hirschel aus Breslau benutzte diese Ausgabe für seine dort bei Gottlieb Löwe 1784 erschienene eigene Bearbeitung des Stamma, in der er dessen sogenannte algebraische Notation weiterentwickelte. 1791 lieferte Hirschels Aufsatz Über das

Schachspiel, dessen Nutzen, Gebrauch und Miß­brauch, psychologisch, moralisch und scientivisch erörtert den gedanklichen Rahmen, in den dieser Aufklärer das Schachspiel einordnete. Seine Argumente sind nicht in jedem Falle neu, aber nun allein auf „Vernunft“ gegründet. Sie zielen auf die „Veredelung“ der geistigen Anlagen des Menschen: Übung der Verstandeskräfte und des Gedächtnisses durch Anstrengung und Selbstdenken, Erkennen von Komplexität, Erlernen von Taktik, aber auch das moralisch und gesundheitlich positiv einzuschätzende Empfinden von Genuss und Freude sind die Hauptstichworte seiner Argumentation. In einem Anhang stellt er denen, die bereits mit dem Spiel vertraut sind, Schachprobleme (er nennt sie „Kunstspiele“) und ihre Lösungen vor. Sie sind entweder Endspielsituationen oder unabhängig von einer Partie erdachte Stellungen. Die Endspiele erfordern häufig eine Retroanalyse, um den Endspielzustand zu verstehen. Die „Kunstspiele“ sollen mit oder ohne zusätzliche Bedingungen zu einem Matt geführt werden. Dabei spielen die Plausibilität und „Schönheit“

Der Schach-Club von 1803 [SC]

der Problemlösung oder -lösungen eine ent- Schluss, der „Mensch ist nur dann an Leib scheidende Rolle bei ihrer Bewertung. Auch und Seele gesund, frisch, munter und kräftig, Hirschel beruft sich immer wieder auf das ehr- wenn ihm alle seine Verrichtungen, geistige würdige Alter des Schachspiels, ist sich also und körperliche, zum Spiele werden“, und ist seiner historischen Bedeutung bewusst. Doch damit Schillers berühmter Formulierung sehr wichtiger sind ihm die Vernunftaspekte, die nahe. Wielands Aufsatz kann man geradefür eine intensive Beschäftigung sprechen. Ge- zu als Anleitung für ein Gespräch über „Urdanken dieser Art waren vielleicht nicht je- sprung und Benennung“ des Schachspiels andem Mitglied des SC präsent, aber sie liefern sehen. Er wird denn auch wiederum als Reden Stimmungsrahmen, den theoretischen ferenz im Schachartikel des Krünitz angegeKontext dieser Clubgründung im Vergleich zu ben. Gespräch und Spiel sind Modellfälle der den Absichten und Zielen anderer aufkläreri- „zeitkürzenden“ Unterhaltung, wie sie im scher Vereine. SC gepflegt wurde. Zum theoretischen Kontext gehörte in ei- Ein Blick auf die Mitglieder und Besucher lässt nem Schachclub auch das Wissen um die Ge- indes auch auf Gegenstände der Gespräche schichte des Spiels. Im Artikel Schach (Krünitz schließen, die nicht nur „Schachliches“, son1824) wird vorgeführt, wie man sich Kennt- dern auch speziell jene Themen betrafen, für nisse beschaffte: „Als in einer Gesellschaft das die die Besucher bekannt waren. Da viele MitSchachspiel als Zeitkürzung in Vorschlag ge- glieder des SC in weiteren Gesellschaften aktiv bracht wurde, gab dieses die Gelegenheit, vom waren, wie zum Beispiel Hirt, Schadow, BenUrsprung und Benennung dieses Spiels sofort david oder später Poselger oder Ideler, kann einige Untersuchungen anzustellen, wobei fast man annehmen, dass bei solchen Treffen auch alle dahin einig wurden, dass sowohl eine Ge- über Veranstaltungen gesprochen wurde, die schichtsstunde als die Bekanntschaft mit Spra- zum Beispiel in der  Gesellschaft der Freunde chen zum Zwecke leiten müssten.“ der Humanität oder in der  Philomatischen Wo konnte man sich informieren, wenn ein Gesellschaft stattgefunden hatten. Allerdings bestimmtes Gesprächsthema auftauchte? Dazu ist auch auffällig, dass zum Beispiel Schadow boten sich zunächst die Enzyklopädien und langjährige Spielpartner hatte, die in keinem Konversationslexika an wie der zitierte Krü- anderen Zusammenhang bekannt sind. Ein nitz, die dann zu spezielleren Untersuchungen Beispiel ist der Kriegsrat Siegmund Wilhelm weiterführten. Im Falle des Schachspiels sind Wohlbrück (1762–1834), der sich über viele das zur Zeit der Gründung der englische Ori- Jahre mit der Geschichte des Bistums Lebus beentalist Sir Thomas Hyde mit seinem Buch schäftigte, die in Buchform 1829–1832 in drei über die orientalischen Spiele, sodann Nico- Teilen im Eigenverlag erschien und den Schalas Frérets Akademierede von 1719 (L’ Origine dow (vielleicht für eine Bildersammlung des du Jeu des Echecs), die, 1750 von Luise Adel- SC) gezeichnet hat. – 3) Das Ende des SC: gunde Gottsched übersetzt, in Leipzig publi- Zwar sind bei Schadow noch bis in die 1840er ziert wurde. Beide nennt Christoph Martin Jahre Aufnahmen von neuen Mitgliedern und Wieland in seinem Aufsatz über das Schach- Interessenten als im SC anwesend verzeichnet, spiel mit dem Titel Über die ältesten Zeitkür- so dass man davon ausgehen kann, dass auch zungsspiele, in dem er einen Überblick über zu diese Zeit noch gespielt wurde und Geseldie ihm bekannte Geschichte des Schachs gibt, ligkeiten stattfanden, doch zeigen die Notate aber die Bedeutung des Spiels für die mensch- über Todesfälle und über Zeiten, in denen nur liche Kultur besonders bedenkt. Er kontras- die nahen Freunde Schadows den SC besuchtiert, wie viele Spieltheorien vor ihm, die Be- ten, dass er allmählich seine Aktivitäten vergriffe Arbeit und Spiel und kommt zu dem minderte und man an Auflösung dachte, die 205

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Abb. 30  Johann Erdmann Hummel: Die Schachpartie, Öl auf Leinwand, um 1819.

sich dann über etwa ein Jahr hinzog und mit einer Auktion und dem Verkauf des Inventars im Verlauf des Jahres 1847 endete (s. u.). Anscheinend hatte in der Endphase des SC der Fabrikant Caspar Hummel den Posten eines Direktors inne. Er jedenfalls bewahrte, zusammen mit der Liste von 139 Mitgliedern, das Original der Statuten von 1805 auf, das aus seinem Erbe über seine Tochter und seinen Schwiegersohn Joseph Constantin Bialon (gest. 1872) schließlich in den Besitz des Landesarchivs Berlin überging. Der Ort: Eine wichtige Geschichtsquelle sind, außer den Aufzeichnungen Schadows, zwei Gemälde von Johann Erdmann Hummel mit 206

dem Titel Die Schachpartie (1819, nach Entwürfen seit 1816, Abb.), die vier Mitglieder des SC darstellen: Aloys Hirt, der zu den Erst­unterzeichnern der Statuten gehörte, und Friedrich Bury sitzen am Schachbrett, Christian Genelli und der Maler selbst verfolgen das Spiel. Anwesend sind außerdem zwei Freunde, die Grafen Ingenheim und Brandenburg. Das Gemälde entstand als Freundschaftsbild für die preußische Prinzessin und spätere holländische Königin Wilhelmine. Es stellt die Personen in einem Raum dar, der vermutlich von Hummel erfunden wurde, aber in seiner Ausstattung dem Spielzimmer in einer großbürgerlichen oder adeligen Wohnung entspricht. Viele Elemente können auch auf den Spiel-

Der Schach-Club von 1803 [SC]

ort des SC übertragen werden. Dieser mietete „Schachclubmappe“ mitgenommen. Sie verein festes, allerdings im Lauf seiner Geschich- weist darauf, dass es im SC Porträts der Mitte mehrfach wechselndes Lokal (eine „Woh- glieder gegeben haben muss. Schadow selbst nung“) mit Bewirtschaftung an. Für einen hat Wohlbrück, Hirt und George gezeichnet, Club, der nicht nur, wie der  Montagsclub über ein Buchholz-Porträt Molinaris wird beoder die  Gesellschaft der Freunde der Huma- richtet, das nach Buchholz’ Tod vom Sohn im nität, an einem bestimmten Wochentag, son- SC zurückerbeten wird. Ternite soll Boeckh dern täglich zusammenkommen wollte, war dargestellt haben. Alle diese Bilder sind in ein solcher immer zugänglicher Ort eine Vo- den 1820er Jahren entstanden. Dass sie, wie raussetzung. Interessant ist hier ein Vergleich das vermutlich noch spätere Mendheim-Por­ der Statuten des SC mit den Grundgesetzen trät, meist im Zusammenhang mit dem SC der  Casino-Gesellschaft in Berlin von 1809. erwähnt werden, macht eine Porträtsammlung Beide haben ein bestimmtes Lokal, die Mög- der Clubmitglieder, wie dies von anderen Gelichkeit, sich dort täglich zu treffen, zu spie- sellschaften überliefert ist, wahrscheinlich. len, zu lesen und zu speisen. Über die Anzahl der Räume in der „Schachclub-Woh- Struktur und Organisation: a) Wahl der nung“ erfährt man, dass es eine Bibliothek gab, Mitglieder: Die Wahl eines Mitglieds ersin der Bücher und Schriften zum Schach- ter Klasse setzte den Vorschlag und die Einspiel oder anderen interessierenden Gegen- führung in den SC durch ein Mitglied ersständen den Mitgliedern frei zur Verfügung ter Klasse voraus, das einen schriftlichen Anstanden und gelesen werden konnten. Außer- trag an die Direktion stellte mit „einer Bedem waren ein Spielzimmer und ein Speise- merkung des Namens und des Charakters zimmer vorhanden. Im SC oblag es der Di- des Candidaten“. Eine Ablehnung des Anrektion, „die jeweilige Wohnung für die Ge- trags konnte nur nach Absprache der drei Disellschaft auszumitteln, den Mieths=Contract rektoren und im Einvernehmen mit mehredarüber in deren Namen zu entwerfen, und ren Mitgliedern erfolgen, wobei der Kandidat denselben nach zuvor eingeholter Genehmi- das Recht hatte, das Verfahren abzubrechen gung, und Zustimmung der Gesellschaft, zu oder die Entscheidung der gesamten Gesellvollziehen“. Die Bewirtschaftung der „Club- schaft abzuwarten. Es folgte die Bekanntmawohnung“ war bis in Details geregelt. Der chung des Kandidaten in einem KandidatenWirt sorgte für eine konstante Bewirtung mit buch und durch schriftliche Unterrichtung Speisen und Getränken nach den „gewöhnli- der Mitglieder mittels eines vierzehntägichen und üblichen Preisen“, er stellte die je- gen Aushangs im Lesezimmer. Während dieweils von den Spielern zu bezahlenden Ker- ser Zeit stand ein verschlossener und versiezen (vgl. das Bild von Hummel) für die Spiel- gelter Wahlkasten im Lesezimmer, in den die tische bereit. Über die weitere Ausstattung wahlberechtigten Mitglieder einen von der der Clubwohnung ist wenig bekannt. 1847 Direktion ausgegebenen Zettel, auf dem sie scheint man begonnen zu haben, das Mobi- anonym mit Ja oder Nein stimmen konnten, liar des SC zu verkaufen (Notiz von Scha- einlegten. Dass sie die Wahl vollzogen hatten, dow vom 4.8.1847), so den Schachclubtisch dokumentierten sie mit ihrer Unterschrift im und das Klavier. Im Lauf des Frühjahrs kommt Wahl-Protokoll. Weder ein Kandidatenbuch, es zum Verkauf der Bücher und „Andenken“. das auch Aufschluss über Ablehnungen geAus diesen Angaben lässt sich auf die Ausstat- ben würde, noch das Protokollbuch konnten tung des SC zurückschließen. Interessant ist bisher aufgefunden werden. Der Wahlkasten auch Schadows Notiz vom 23.9.1847, er habe wurde nach 14 Tagen von den Direktoren im das „Mendheim portrait dipinto“ und eine Beisein von mindestens drei Mitgliedern ge207

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öffnet. Hatte mindestens ein Drittel der Mitglieder abgestimmt und waren mindestens zwei Drittel der abgegebenen Stimmen für den Kandidaten, galt dieser als aufgenommen, was sogleich sowohl ihm wie den anderen Mitgliedern schriftlich angezeigt wurde. Der neu Aufgenommene bestätigte dies durch seine Unterschrift unter die Gesetze des SC. Die Wahl von Mitgliedern zweiter Klasse geschah auf dieselbe Weise, allerdings war die Wahlzeit auf eine Woche verkürzt und eine Mindestanzahl der Ja-Stimmen nicht festgelegt. – b) Vereinsämter: Aus dem Kreis der Mitglieder erster Klasse wurden drei Direktoren gewählt, von denen einer als Rendant benannt wurde. Alle den SC betreffenden Angelegenheiten wurden von ihnen „geleitet“ und „besorgt“. Dazu gehörten neben den Aufnahmemodalitäten besonders die Wohnung, die Bewirtschaftung des Clubs, die Organisation der Feste, die Geldangelegenheiten, wobei dem Rendanten die Führung der Kasse und die Kontrolle des Kassenbestands sowie die Vorlage der „Jahres Rechnung“ übertragen war. Den Direktoren oblagen auch alle schriftlichen „Sekretariatsaufgaben“, die Protokollierung und Archivierung von Beschlüssen, der Ankauf von Büchern und Zeitschriften. Bei der Direktorenwahl, die jedes Jahr im April stattfand und Ende April abgeschlossen sein sollte, erhielt jedes Mitglied einen gestempelten Zettel, auf den es die (vermutlich bis zu drei) Namen notierte. Es war genau festgesetzt, wie mit den Wahlzetteln und den Einträgen der Wählenden im Wahlprotokoll verfahren werden sollte, deren Zahl jeweils genau geprüft wurde, um die Gültigkeit der Wahl zu erweisen. Wer die meisten Stimmen auf sich vereinigte, war gewählt, es sei denn, er lehnte die Wahl ab, worauf die Prozedur wiederholt werden musste. Bei Stimmengleichheit entschied das Los. Die Ergebnisse wurden protokolliert und im Lesezimmer ausgehängt. Eine vollständige Liste der Direktoren in der 45-jährigen Geschichte des SC ist nicht 208

möglich, doch geht aus den Aufzeichnungen Schadows hervor, dass er selbst nach seiner ersten Wahl immer wiedergewählt wurde. In den ersten Jahren werden außer Schadow die Namen Lietzmann und Müller genannt, 1813 dann Bendavid, 1814 Kuchenbäcker und Willmanns. Auch 1815 wechseln die Amtsinhaber, jetzt sind ein Herr von Hagen und GeheimRat Bündell die Mitdirektoren. 1822 werden LegationsRat Scholz und Prof. Buchholz, 1829 Bündell und Kaiserlingk, 1832 v. Koenen sowie mit Stimmengleichheit, die eine Nachwahl erforderte, Tiemann und May, 1833 Pelkmann und Engelhard, 1839 Wetzel genannt. An mehreren Stellen notiert Schadow als Wahlergebnis „die alten“. – c) Generalversammlung: Eine besondere Aufgabe der Direktoren war die Einberufung von Generalversammlungen „in dringenden Fällen“. Die Mitglieder wurden durch Circulare informiert. Stimmberechtigt in der Generalversammlung waren nur die anwesenden Mitglieder, in der Abstimmung galt die absolute Mehrheit der Anwesenden. Bei Stimmengleichheit entschieden die Stimmen der Direktion, die diese zuvor in einem Conferenzprotokoll niedergelegt hatten. Handelte es sich bei dem „dringenden Fall“ um Geldangelegenheiten (z. B. Beitragserhöhung), so musste der Beschluss der Generalversammlung von jedem nicht anwesenden Mitglied bestätigt werden. Nach den Aufzeichnungen Schadows haben diese Versammlungen regelmäßig stattgefunden, jedoch nicht zu einem bestimmten Termin. Ein solcher Bedarfsfall lag im Jahre 1808 vor, als, vor allem durch die von der französischen Besatzung auferlegten Kontributionen, finanzielle Probleme entstanden. Die Kosten konnten durch die Beiträge nicht mehr gedeckt werden. Der Beschluss, die Beiträge zu erhöhen, führte zu einem freiwilligen Vorschuss der Mitglieder, aber auch zu massiven Gegenstimmen, die in der Forderung nach Auflösung des SC gipfelten. – d) Finanzierung: Die Beiträge der Mitglieder be-

Der Schach-Club von 1803 [SC]

trugen in der 1. Klasse sechs Taler Courant, sie waren halbjährlich am 1. April und 1. Oktober an den Rendanten gegen Quittung zu zahlen. Ab 1822 erhöhte sich der Beitrag auf zehn Taler Courant, zu zahlen vierteljährlich à zwei Reichtaler zwölf Groschen. Über den Beitrag dieser Mitglieder hinaus wurde zu Beginn der Mitgliedschaft ein Eintrittsgeld von fünf Reichstalern und zwölf Groschen erhoben. Damit erwarb das neue Mitglied Anteil am Inventarium und Mobiliar des SC. Sollte der SC aufgelöst werden, so sollte nach einer Versteigerung der Erlös jedem Mitglied zu gleichen Teilen zufallen. Wer allerdings bereits vor der Auflösung ausgetreten war, hatte dieses Anrecht verloren. Mitglieder der 2. Klasse zahlten den gleichen Beitrag, jedoch kein Eintrittsgeld. Präzise ausgearbeitet ist das Vorgehen gegen „Saumselige Beitragszahler“, denen gewisse Fristen eingeräumt wurden, deren Versäumen der Direktion den Willen des Betreffenden anzeigte, die Gesellschaft zu verlassen. In diesem Falle wurde er aus der Liste gestrichen, der fällige Beitrag jedoch weiterhin gefordert und gegebenenfalls gerichtlich eingetrieben. Über die Beiträge hinaus waren „Collectiones“ unzulässig. Kein Mitglied durfte zu außerordentlichen Zahlungen gezwungen werden. Diese Bestimmung trug zur „Gleichheit“ der Mitglieder bei, denn niemand musste zum Beispiel offenbaren, dass er sich eine solche Ausgabe nicht leisten konnte. Freiwillige Geldstiftungen waren wohl möglich, erscheinen jedoch nicht in den Statuten. – e) Revision und „Perfectibilität“ der Gesetze: Eine besondere Aufgabe der Generalversammlung war die Änderung („Revidierung“) der Satzung. Solche Revisionen fanden 1808 und 1822 statt; sie sind in den Statuten von 1805 durch Einschübe (auf den freien Rückseiten) kenntlich gemacht, 1808 in einer sauberen Kanzleischrift, 1822 offensichtlich aus Schadows Feder. Die Generalversammlung wegen der Revision der Satzung am 23. März 1808 fand kurz nach Schadows Feststellung

der schwierigen Kassenlage vom 17. März 1808 statt. Spezielle Paragraphen zum Abstimmungsverhalten verhinderten, dass das Direktorium diktatorische Züge entwickelte und stärkten die demokratische Grundhaltung des SC. Hier wird die oft behauptete Einübung demokratischer Regeln in den bürgerlichen Gesellschaften des frühen 19. Jahrhunderts wirklich fassbar. – f) Geselligkeitsformen: Zwar war der Hauptzweck des Clubs das Schachspielen, nicht die in anderen Gesellschaften betonte „allgemeine Unterhaltung“ (so Lichtenstein in der Geschichte des Montagsclubs, der das Schachspiel vor den gemeinsamen Diners zuließ) oder deren wissenschaftliche Ausrichtung, die alle Spiele bei den Zusammenkünften ausschloss (Humanitätsgesellschaft). Durch das täglich mögliche Zusammentreffen beim Schachspiel hat der SC daher eine andere Struktur. „Diners“, festliche Treffen an bestimmten Daten, zunehmend aber auch „gesellige Unterhaltung“ gehörten indessen ebenfalls zu seinen wiederkehrenden Aktivitäten. Dazu gibt es einen durch die Statuten festgelegten, sich wiederholenden Rahmen für Aktivitäten, Feste, Ausflüge, Veranstaltungen. An „besonderen Speise Tagen“, deren Datum nicht festgelegt war, wurden „mäßige“ Mittag- oder Abendessen (Schadow bezeichnet sie gelegentlich als „Picnic“) veranstaltet, die mittags um halb zwei und abends nicht später als halb neun Uhr wohl vor allem im Clublokal stattfinden sollten. Bei dieser „gemeinschaftlichen Tafel“ sind „Mäßigkeit“ und „Gemeinsamkeit“ als stabilisierende Faktoren bürgerlicher Geselligkeit zu verstehen. Da ein Klavier im SC vorhanden war, wurde bei diesen Anlässen vermutlich auch gesungen – mit Klavierbegleitung. Bestimmte Orte neben dem Club­ lokal selbst wurden für größere Anlässe mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufgesucht: Ist es zunächst Kaempfer, bei dem gespeist wird, werden besonders die Sommertermine ab den 1820er Jahren zu George in den Tiergarten verlegt. Besondere Feste, wie die Feier 209

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des 80. Geburtstags des Wirts und Clubmitglieds George, fanden im Saal bei Jagor statt. Zur Feier des Stiftungsfestes am 16. Oktober jeden Jahres veranlasste die Direktion ein Mittagessen. Seit 1807 verzeichnet Schadow jährlich, mit wenigen Ausnahmen, dieses Datum. Mehrmals nennt er als Treffpunkt das Englische Haus in der Mohrenstraße 49. Die Mitglieder konnten, wie zu anderen Gelegenheiten, Gäste einladen, es wurden Reden gehalten, Gedichte vorgetragen; 1822 stellte der geschichtsinteressierte Kriegsrat Wohlbrück eine nicht überlieferte „Geschichte des Clubs“ vor. 1828 fand zum Silberjubiläum im Rahmen des Festessens ein Konzert statt, das mit Zelter verabredet worden war. Dazu ist 2010 im Autographenhandel eine Einladungskarte Schadows aufgetaucht, mit der er den Medizinalrat und Professor J. L. Casper und dessen „musicalische[…] Freunde Herrn Reichard, Professor Eck, Doktor Kunde und Rechnungsrath G[?]. Weppler“ zum „Jubelfest“ des SC am 16. Oktober 1828 einlädt. Mitglieder: a) Allgemeines: Die Satzung stellt die grundsätzliche Gleichheit der Mitglieder nach Rechten und Pflichten fest. Gemeint ist eine „interne“ Gleichheit, die von der gesellschaftlichen Stellung eines Mitglieds außerhalb des SC nicht beeinflusst ist. Diese Festlegung ist als Beispiel für die Einübung „demokratischer“ Verhaltensregeln interpretiert worden und gilt auch in anderen Gesellschaften. 1822 entfällt der Paragraph. An seiner inhaltlichen Bedeutung für die Gesellschaft scheint sich jedoch nichts geändert zu haben. Die Differenzierung der Mitglieder nach solchen „Erster Classe“ und solchen „Zweiter Classe“ bezieht sich allein auf deren dauernden oder nur vorübergehenden Wohnsitz in Berlin. Die Zahl der Mitglieder war 1805 auf 50 beschränkt, erreichte aber wenig später, nach dem Bericht von 1808, nachdem wohl einige Mitglieder verstorben oder ausgetreten waren, bereits die Zahl 70 auf der Liste. 1822 wird die Zahl der Mitglieder dann auf 70 festgesetzt, 210

was für die ungebrochene Attraktivität des SC spricht. Die Beschränkung der Mitgliederzahl bedeutet generell, dass sich der SC als „geschlossene Gesellschaft“ sah. Mitglieder waren Personen, „welche zum Civil, dem adeligen, bürgerlichen, geistlichen oder gelehrten Stande“ gehörten. Der militärische Stand war somit ausgeschlossen, allerdings betraf diese Vorschrift nicht die Gäste, die ein Mitglied mitbrachte. Die Formulierung vom „Civil“-Stand der Mitglieder hat immer wieder Aufsehen erregt. 1822 fällt dieser Paragraph weg. Eines der prominentesten Mitglieder ist danach der Oberauditeur des Heeres, Carl Friedrich Friccius. Andere Einschränkungen, zum Beispiel die Aufnahme von Juden betreffend, gibt es nicht. Von Anbeginn sind Juden, wie zum Beispiel Bendavid, prominente Mitglieder. Eine Mitgliedschaft von Frauen allerdings war nicht vorgesehen. Das lag nicht daran, dass Frauen nicht Schach spielten – Schadow zum Beispiel notiert immer wieder Partien mit befreundeten Spielerinnen. Im Lauf des 19. Jahrhunderts jedoch, mit der fortschreitenden Professionalisierung des „Männerschachs“, bildeten sich allmählich Frauen-Schachclubs, die starke Spielerinnen hervorbrachten. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es dann einzelne Schachmeisterinnen, die ausschließlich gegen männliche Kontrahenten spielten. – Ein Vergleich des Mitgliederverzeichnisses (139 Mitglieder) mit Schadows Aufzeichnungen zeigt folgendes Bild: Die in den Gesetzen von 1805 als Höchstgrenze festgesetzte Mitgliederzahl von 50 Mitgliedern war bis 1806 wohl erreicht (Schadow selbst hat die Nr. 43 und berichtet schon 1803 vom SC). Zwischen 1806 bis 1811 erfolgen 25 Neueinträge. Das bedeutet, dass die Fluktation in diesen fünf Jahren relativ groß gewesen sein muss. Von 1811 bis 1823 (Pochhammer Nr. 111) sind 36 Neueinträge verzeichnet, nachweisbar elf Todesfälle. Die weiteren Einträge (112 bis Nr. 139) laufen anscheinend bis zum Jahre 1832 (bis dahin 15 Todesfälle nachweisbar). In den Schreibkalendern Schadows sind jedoch

Der Schach-Club von 1803 [SC]

weitere Aufnahmen verzeichnet, zum Beispiel Dann und Döring 1833. Das bedeutet, dass unter den „im Umkreis des SC“ genannten Personen noch weitere Mitglieder zu suchen sind, die allerdings nicht mehr in einer Liste überliefert sind. – Herausragende Mitglieder (in chronologischer Folge nach dem Eintrittsdatum, mit Angabe der Mitgliedschaftsnummer und der Lebensdaten): „Wichtige“ Mitglieder sind solche, die für das schachspezifische Funktionieren des SC sorgten und/oder solche, die sein Renommee nach außen stärkten. Häufig waren diese Personen Mitglieder auch in anderen Gesellschaften. Künstler: Berger, Daniel (Nr. 2, 1744–1824); Jachtmann, Johann Ludwig (Nr.  17, 1776–1842); Bury, Friedrich (Nr. 18, 1763–1823); Hummel, Johann Erdmann (Nr.  24, 1769–1852); Jügel, Friedrich (Nr. 25, 1772–1833); Herklots, Karl Alexander (Nr. 29, 1759–1830); Lowe, Moses Samuel (Nr. 31, 1756–1831); Genelli, Hans Christian (Nr.  32, 1763–1823); Becherer, Friedrich (Nr. 40, 1746–1823); Schadow, Johann Gottfried (Nr. 43, 1764–1850); Catel, Ludwig Friedrich (Louis) (Nr. 55, 1776–1819); Gentz, Heinrich (Nr. 74, 1766–1811); Rehberg, Friedrich (Nr. 80, 1758–1835); Wittich, Ludwig Wilhelm (Nr. 89, 1773–1832). – Wissenschaftler: Bendavid, Lazarus (Nr. 3, 1762– 1832); Hirt, Aloys (Nr. 4, 1759–1837); Poselger, Friedrich Theodor (Nr. 64, 1771–1838); Hufeland, Christoph Wilhelm (Nr. 66, 1762– 1836); Bouvier, F. L. (Nr. 86); Ideler, Christian Ludwig (Nr. 87, 1766–1846); Buchholz, Paul 93, 1768–1843; Friedrich Ferdinand (Nr.  Dirksen, Enno Heeren (Nr. 107, 1792–1850); Wohlers, Christian Friedrich Gottlieb (Nr. 110, 1771–1829); Link, Heinrich Friedrich (Nr. 111, 1767–1851); Rudolphi, Karl Asmus (Asmund) (Nr. 114, 1771–1832); Spiker, Samuel Heinrich (Nr.  119, 1786–1858); Encke, Johann Franz (Nr. 124, 1791–1856); Keyserlingk, 130, Hermann Wilhelm Ernst Graf v. (Nr.  1793–1858); Levezow, Conrad (Nr. 135, 1770– 1835); Barby, Johann Heinrich Christian (Nr. 137, 1765–1837). – Beamte: Peguilhen,

Ernst Friedrich (Nr. 10, 1769–1845); Bündell, L. (Nr.  15, 1762?–1843); Wohlbrück, Siegmund Wilhelm (Nr. 30, 1762–1834); Hainchelin, Carl Heinrich (Nr. 39, gest. 1842); Beckedorf, Georg Philipp Ludolf v. (Nr.  72, 1778–1858); Himly, Johann Friedrich Wilhelm (Nr. 81, 1769–1831); Erbkam, Johann Wichard (Nr. 92, 1770–1838); Eichhorn, Alb95, 1779–1856); Mila, recht Friedrich (Nr.  Wilhelm (Nr. 99, 1764–1833); Friccius, Carl Friedrich (Nr. 103, 1779–1856); Pochhammer, Georg Friedrich (Nr. 108, 1758–1839); Troschel, Ernst Leberecht (Nr. 117, 1776–nach 1850); Streckfuß, Adolph Friedrich Karl (Nr. 122, 1778–1844); Engelhardt, Friedrich Bernhard (Nr.  136, 1768–1854). – Ärzte: Meyer, Johann Carl Heinrich (Nr. 16, 1767– 1828); Hempel, Johann Gottfried (Nr.  53, 1752–1817); Erhard, Johann Benjamin (Nr. 82, 1766–1827); Dann, Edmund (1805–1851). – Unternehmen und Handel: Hummel, Caspar (Nr. 46, ca. 1850 gest.); Mayet, Heinrich (Nr. 47, geb. 1782?); Noeldechen, Karl Wilhelm (Nr. 83, 1740–1806); Hundt, Christian Friedrich (Nr. 91, gest. 1844); Servière, Anton (Nr. 101, gest. um 1845?); May, Johann Gottfried (Nr.  106, 1774–1849); Nauck, G. (Nr. 118); Soltmann, H. (1829 genannt); Döring, Ernst (1833 genannt); Gumpertz, C. H. (1833 genannt); Hitzig, Julius Eduard (1780– 1849, 1833 aufgenommen). – Geistliche: Bocquet, Johann Anton (Nr. 13, gest. 1820); Saunier, Heinrich (Nr. 27, 1745–1820); Bando, Johann Wilhelm Augustin (Nr. 121, 1770– 1840); Pelkmann, Friedrich Samuel (Nr. 133, 1772–1843), Mitglied der Schachgesellschaft; Humbert, Daniel Carl. – Pensionierter Militär: Carisien, Carl Eduard v. (Nr. 129, 1788– 1847), Mitorganisator der Korrespondenzpartie mit Breslau, seit 1829 Mitglied auch der Schachgesellschaft. – Ehrenmitglied: Mendheim, Julius A. (ca. 1788–1836), seit April 1829 EM des Alten Clubs, führte die Korrespondenzpartie mit Breslau. Die Mitgliedschaft in der neuen Berliner Schachgesellschaft von 1827 ist belegt seit 1830. – Unter den ersten 50 211

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Mitgliedern stellen die Beamten die größte Gruppe (16), danach folgen die Künstler (12, davon vier Mitglieder der Akademie der Künste), Geistliche (4), Lehrer (3), ein Kaufmann, ein Ingenieur, ein Arzt. Unklar bleiben bisher elf Nennungen, von denen sicherlich einige ebenfalls zu der Gruppe der Beamten gehören. In der Folge bleiben die Beamten die stärkste Gruppe, die Zahl der neu eintretenden Künstler nimmt ab, die der Ärzte zu. Konstant bleibt die Zahl der Geistlichen, neu und bestimmend sind seit 1810 die Professoren der Universität. – Die Außenwirkung des SC: a) Besucher: Den Bekanntheitsgrad des SC betont der unter dem Kürzel „L. B.“ in der Berlinischen Monatsschrift (März 1808) erschienene Artikel über die Drei Büsten von Schadow, Aus dem Tagebuch eines Reisenden, in dem der SC als ein besonders auszeichnendes Merkmal der Stadt benannt wird: „Am 27 Dezember 1807 ward ich in den Schach-Klub, diese Berlin vor vielen anderen Städten Deutschlands vortheilhaft auszeichnende Gesellschaft, durch ein Mitglied eingeführt.“ Der SC erhielt Besuche von Nichtmitgliedern, Durchreisenden oder sich vorübergehend in Berlin Befindenden, darunter sind prominente Namen: Georg Leopold v. Reiswitz (1765–1829), der Erfinder eines Taktischen Kriegsspiels, gehörte anscheinend eine Zeitlang dem SC ebenso an wie Ludwig Friedrich v. Froriep (1779–1847), Chirurg, Anatom und Phrenologe, bekannt durch die Streitigkeiten um Schillers Schädel, der 1807 als Mitglied aufgenommen wurde. Bereits 1813 und dann am 3.5.1827 notiert Schadow den Besuch August Wilhelm Schlegels. Dass Schlegel auch ein speziell schachliches Interesse am SC hatte, beweist seine Gründung eines Schachclubs in Bonn (zwischen 1818 und 1821), über dessen Existenz nur wenig bekannt ist. Doch befanden sich in Schlegels später versteigerter Büchersammlung wichtige Schachbücher, die sein Interesse am Spiel ebenfalls bezeugen. Auch der Experimentator Ernst Florens Friedrich Chladni (1756–1827) hielt sich von November 1815 212

bis März 1816 in Berlin auf und wurde zum korrespondierenden Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften gewählt. In diese Zeit fallen zwei von Schadow notierte Besuche im SC. Die Dichter Clemens Brentano und Achim v. Arnim wurden 1817 bzw. 1827 durch Antoine Servière im SC eingeführt. Da der SC kein öffentlicher Ort war wie zum Beispiel die Schachcafés in Paris oder London, wurden die Gäste dem Direktorium durch ein Mitglied vorgestellt, das ihre Anwesenheit billigen musste. Servière, der seit 1820 und bis circa 1842 in den Berliner Adressbüchern nachweisbar ist, stammte aus einer aus Südfrankreich zugezogenen Frankfurter Kaufmannsfamilie, ist wohl um 1817 aus Frankfurt nach Berlin gekommen und betrieb, nachweisbar seit 1826 bis Ende 1838, eine Rumfabrik in der Kronenstraße 72. Im Wohnungsanzeiger seit 1826 ist seine Mitgliedschaft in der Korporation der Kaufmannschaft verzeichnet. Er wurde am Ende der 1820er Jahre für den SC besonders wichtig, weil er nach Beginn der für den SC spektakulären Fernpartie mit Breslau (siehe unten) den jüdischen Schachmeister Julius Mendheim (ca. 1788–1836) in den SC einführte, der diese Partie leitete und gewann. Die Daten, zu denen die Besucher durch den Kaufmann Servière im SC eingeführt wurden, sind die Jahre, in denen der SC erkennbar beginnt, über die Grenzen Berlins hinaus zu wirken. – b) Korrespondenzpartien: Ein sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung sind mehrere Aufforderungen zu Korrespondenzpartien, 1828 aus Breslau und in den folgenden Jahren auch aus Hamburg. Korrespondenzpartien wurden, nachdem sich die Clubszene im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts in den großen Städten (London, Edinburgh, Paris, Amsterdam, Rotterdam) stabilisiert hatte, zu einer Art Leistungswettbewerb. Die ersten Partien fanden 1824 zwischen London und Edinburgh und zwischen London und Paris statt. Auch die inzwischen gegründeten Schachclubs in Deutschland stellten sich den Anforderungen dieses Wettbewerbs. Der

Der Schach-Club von 1803 [SC]

Fortgang der Berlin-Breslauer Partie erfolgte brieflich, die einzelnen Züge wurden außerdem von der Vossischen und der Breslauer Zeitung übermittelt. Die erste Partie lief von Januar 1829 bis zum 20. Oktober 1831. Es dauerte bis zu zwei Wochen, bis der jeweilige Antwortzug eintraf, analysiert und wiederum beantwortet wurde. Breslau gab nach dem 59. Zug auf, ebenso in der anschließenden Revanche-Partie, die von 1831 bis 1833 gespielt wurde, nach dem 44. Zug. Lange Zeit hindurch, und auch anschließend durch die Partien gegen Hamburg zwischen 1833 und 1836, bestimmten demnach diese Korrespondenzpartien das Geschehen im SC, vor allem, wenn die Nachrichten eintrafen. Nach den ersten Zügen hatte man den bereits durch ein Schachbuch bekannten Schachspieler Julius Mendheim als Spielführer gewonnen. Da Mendheim den Statuten entsprechend nicht „außer der Reihe“ in den SC eintreten konnte, wurde er, nachdem er von Servière eingeführt worden war, zum Ehrenmitglied ernannt. Aufzeichnungen darüber, in welcher Form im SC mit dem Spielführer über die Züge diskutiert wurde, wie sie analysiert wurden, haben sich nicht erhalten. Einen Hinweis darauf gibt allein eine ebenfalls brieflich geführte Variante nach dem 22. Zug der ersten Partie. Mendheim nämlich tauschte sich darüber mit einem Spielpartner in der Stadt Brandenburg, dem Hauptmann Angerstein, aus. Sie nimmt einen Fortgang, der der schwarzen Partei (also Breslau) den Sieg gebracht hätte. Querverweise auf andere Vereine: Zur Zeit der größten Außenwirkung des SC entstand 1827 in Berlin die Schachgesellschaft, in die auch Mendheim im Verlauf der Fernpartien eintrat. Sie blieb nicht ohne Beziehungen zum SC, zog aber offensichtlich vor allem ein jüngeres Publikum, zum Beispiel Studenten, an, deren Mitgliedschaft nach den Statuten im SC nicht möglich war. Die Notizen Schadows zeigen, dass zumindest vor und

im Verlauf der Korrespondenzpartien Doppelmitgliedschaften bestanden und wichtige Mitglieder der Schachgesellschaft im SC zu Gast waren. Auch über eine Fusion wurde zeitweise nachgedacht. Eine Gruppe innerhalb der Schachgesellschaft, das sogenannte „Siebengestirn“ mit sehr starken Spielern, bestimmte jedoch in den auf die Korrespondenzpartien folgenden Jahren das Schachgeschehen in Berlin und gründete die Berliner, später Deutsche Schachzeitung. Die neue Gesellschaft unterschied sich zwar in ihrer Struktur und ihren Absichten nicht grundsätzlich von der alten, doch trugen die in der Rückschau schriftlich geäußerten Wahrnehmungen und Urteile ihrer Mitglieder, besonders Thassilo Heydebrandt von der Lasas, dazu bei, die Bedeutung des Alten Clubs herabzusetzen. Mitglieder der Schachgesellschaft waren: Rudolf v. Bilguer (1815–1840), ab 1839 Mitglied in der Kommission, die die Korrespondenzpartie des Alten Clubs gegen Posen leitete, Gründer der Schachzeitung; Dr. Ludwig Bledow (1795–1846), Mathematiklehrer am Köllnischen Realgymnasium, Ehrenmitglied im SC, einer der Organisatoren der Korrespondenzpartie zwischen dem Alten Club und dem Posener Schachclub von 1839/40 und Initiator der Berliner Schachzeitung (1846); Wilhelm Hanstein (1811–1850), Kammergerichtsassessor; Tassilo Heydebrandt und von der Lasa (1818–1899), Diplomat, Kammerherr des Königs, während seiner Berliner Zeit aktives Mitglied der Schachgesellschaft, vollendete nach dem Tode Bilguers das von diesem begonnene Handbuch des Schachspiels; Forschungen Zur Geschichte und Literatur des Schachspiels, Leipzig 1897; Karl Mayet (1810– 1868), Ehrenmitglied im Alten Club, Stadtgerichtsrat; Dr. Carl Julius August Minding (1808–1850), Mediziner und Literat. – Bemerkenswert ist die starke personelle Überschneidung des SC mit anderen Gesellschaften, wobei die Mitgliedschaft in der  Gesellschaft der Freunde der Humanität signifikant an erster Stelle steht. 213

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Bibliographie: 1) Archivquellen: Gesetze des zum 100jähr. Jubiläum am 2. März 1920. BerSchach=Clubs. LA Berlin, Sign. A Rep 060- lin [1920]. – Krünitz, Johann Georg: Oeco14. – Savigny, Carl v.: Lettre adressée aux ré- nomische Encyclopädie oder allgemeines Sysdacteurs de la Themis sur l‘histoire de Cujas tem der Land- Haus- und Staatswirthschaft in […]. stilistisch überarbeitet von Antoine Ser- alphabetischer Ordnung. Bde. 1–242, Berlin vière. Savigny-Nachlass Marburg, Ms 925/20 1773–1853 (zu den Stichworten Schach, Un(Bl.  1–15). – Schadow, Gottfried: Schreib- terhaltung, Gesellschaft bes. Bde. 17 (1779/87), kalender 1804–1847. Staatliche Museen zu 138 (1824), 171 (1839). – LB. [Ludolf v. BeBerlin PK, Zentralarchiv, Nachlass Scha- ckedorf?]: Drei Büsten von Schadow. In: Neue dow. – Briefe Julius Mendheims an Haupt- Berlinische Monatsschrift, 1808, März, S. 170– mann Angerstein in Brandenburg. Masch.- 175. – Mercy, Joseph Aloys: Berlinische Nächschriftl. Abschriften aus dem Nachlass Gerd te. 2 Bde, Leipzig und Züllichau 1803–1804 Meyer. Schleswig-Holsteinische Landesbi- (Zitat im Zweiten Theil, S. 109). – Der Monbliothek Kiel, Sign. Cb 139. – 2) Gedruck- tagsclub in Berlin, 1749–1899. Fest- und Gete Quellen: Bialon, Richard: Centenarre- denkschrift zu seiner 150sten Jahresfeier. Berde an die Belegschaft der Firma C. Hummel. lin 1899. – Mendheim, Julius: Taschenbuch für In: Welt der Technik, 1904, S. 431. – Bledow, Schachfreunde. Berlin 1814. – Mendheim, JuLudwig: Die zwischen dem Berliner und Po- lius: Aufgaben für Schachspieler. Berlin 1832. sener Klub durch Correspondenz gespielten – Namen-Verzeichniß sämmtlicher Mitglieder Schach=Partieen, mit Anmerkungen und Va- der Korporation der Kaufmannschaft von Berrianten, nebst einer Sammlung von funfzig an- lin […]. Berlin 1828–1874. – Reiswitz, Georg deren Correspondenz=Partieen. Berlin 1843. Leopold v.: Literarisch-kritische Nachrichten – Dicken’s Dictionary of London, by Charles über die Kriegsspiele der Alten und der NeuDickens Jr., 1879. Art.: Chess Clubs. – Frank- ern. Hg. zum Besten der freyen Werkschule lin, Benjamin: Morals of Chess (1779). Abge- in Marienwerder. Marienwerder 1816. – Sadruckt in: Chess Made Easy. Philadelphia 1802. vigny, Friedrich Carl v.: Vermischte Schrif– Gottsched, Luise Adelgunde: Geschichte der ten, Bd. 4. Frankfurt a. M. 2004, S. 169–172. – königlichen Akademie der schönen Wissen- Schadow, Gottfried: Kunstwerke und Kunstschaften zu Paris […]. Dritter Theil, Leipzig ansichten (1849). Kommentierte Neuaus1750. – Grundgesetze für die Casino-Gesell- gabe: Eckardt, Götz (Hg.): Kunstwerke und schaft in Berlin von 1786, 1809. Nachdr. Ber- Kunstansichten. Ein Quellenwerk zur Berlin 2009. – Heinse, Wilhelm: Anastasia und liner Kunst- und Kulturgeschichte zwischen das Schachspiel. Briefe aus Italien vom Ver- 1780 und 1849. 3 Bde, Berlin 1987. – Schiller, fasser des Ardinghello. Frankfurt a. M. 1803. Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des – Hirschel, Moses: Das Schach des Herrn Menschen in einer Reihe von Briefen. ErstGioachino Greco Calabrois und die Schach- druck: Die Horen, 1795. – Selenus (d. i. Herspiel-Geheimnisse des Arabers Philipp Stam- zog August v. Braunschweig-Lüneburg): Das ma […]. Breslau 1784. – Hirschel, Moses: Ue- Schach=oder König=Spiel. Leipzig 1616. – ber das Schachspiel, dessen Nutzen, Gebrauch Servière, Joseph: Die getränke-Kunde [sic!]. und Mißbrauch, psychologisch, moralisch und Theoretisch-praktische Anleitung […]. Frankscientivisch erörtert. In: Freimüthige Unter- furt 1824. – Wahl, Samuel Günther Friedrich: haltungen über die neuesten Vorfälle unseres Der Geist und die Geschichte des Schachspiels Zeitalters […]. Zweiter Band, Leipzig 1791. bei Indern, Persern, Arabern, Türken, Sine– Hyde, Sir Thomas: De Ludis Orientalibus sen und übrigen Morgenländern, der DeutLibri duo. Oxford 1694. – Die Korporation schen und anderen Europäern. Mit einem der Kaufmannschaft von Berlin. Festschrift Kupfer. Halle 1798. – Weber, Heinrich: Der 214

Der Schach-Club von 1803 [SC]

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Barbara und Hans Holländer 215

3  Bildungs- und Geselligkeitsvereine

Vierschach-Verein [VV] Name: Vierschach-Verein. Gründung: 1815. Bestand: 1846 als bestehend erwähnt in der Berliner Schachzeitung Heft 1, 1846; vermutlich länger. Zusammenkünfte: In den Wohnungen der Mitglieder. Geschichte und Programmatik: Der VV wurde 1815 von Karl Enderlein zum Zwecke der Übung im Vierschachspielen gegründet, wozu sich der Verein einmal wöchentlich („Donnerstags Abends“) in der Wohnung eines Mitglieds versammelte. Vierschach (auch Viererschach, Vierpersonenschach) ist eine Schachvariante, bei der dem normalen 8 x 8-Brett an jeder Seite drei weitere Reihen von Feldern angefügt sind, so dass genug Raum für vier vollständige Schachfigurensätze vorhanden ist, und bei der sich je zwei Spieler so assoziieren, dass sie die Züge ihres Partners bei den eigenen mitbedenken müssen. Die Spieler dürfen sich während des Spiels nicht redend verständigen. – Im Verlauf der Geschichte des Schachspiels gab es immer wieder Ansätze, Möglichkeiten für ein Spiel zu mehreren Mitspielern zu entwerfen. Abgesehen von dem in Indien verbreiteten „Vierschach“, einer vom Zweischach abgeleiteten Variante, die Albiruni bereits im 11. Jahrhundert dort beobachtete, und von der Schachhistoriker seitdem wussten, hat sich in Europa wohl als einer der ersten Christoph Weickhmann in seinem 1664 in Ulm erschienenen Grossen Königs=Spiel Gedanken über Schachspielformen für mehrere Spieler gemacht (Holländer 2009). Seit dem 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind eine Reihe von Lehrbüchern zum Vierschach bekannt (Pritchard, S. 113–119). Ein Schwerpunkt liegt zu Beginn offensichtlich in Deutschland, seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts auch in England und Russland (von Lenin ist bekannt, dass er häufig mit seinen Genossen Vierschach spielte). 216

Abb. 31  Vierschach, anonymer Kupferstich aus Karl Enderleins Lehrbuch, 1826.

Organisation: Außer der Nachricht über die wöchentlichen Zusammenkünfte ist über die Organisation des Vereins nichts bekannt (Berliner Schachzeitung 1846, S. 1; Schmid, S. 15). Mitglieder: Außer dem Gründer Karl Enderlein sind keine weiteren Mitglieder namentlich überliefert, auch ist die Größe des Vereins nicht bekannt. K. Enderlein ist in den Einwohnerverzeichnissen Berlins seit 1820 als Buchhalter, ab 1841 als Bureau-Vorsteher der Berlin-Anhaltinischen Eisenbahn, zuletzt als Bureauchef dieser Gesellschaft verzeichnet. Er ist Verfasser eines Lehrbuches des Vierschachspiels (Berlin 1826), das in zweiter Auflage u. d. T. Theoretisch-praktische Anwei-

sung zum Vierschachspiele. Mit einer Sammlung von Spielanfängen, durchgeführten Partien und Spiel-Endungen (Berlin 1837) erschien. Dem Vorwort zur zweiten Auflage zufolge habe der Verfasser Enderlein, „welcher nun seit mehr als zwanzig Jahren mit Eifer Vierschach spielt und in seinem Kreise für keinen oberflächlichen Spieler gilt“, das Lehrbuch auf Aufforderung des Vereins verfasst;

Vierschach-Verein [VV]

„die hierzu aufgestellten Regeln und Andeutungen“ seien „in ihrem Spiel-Verein seit vielen Jahren befolgt worden“ und hätten sich „in allen Fällen (besonders nach den Abänderungen und Zusätzen dieser zweiten Ausgabe gegen die erste,) bewährt erwiesen“ (Enderlein 1837, S. 9–10). Das Buch ist demnach im Zusammenhang und aus der Praxis des Spielvereins entstanden, was darauf schließen lässt, dass die Mitglieder das Schachspiel sehr ernsthaft und methodisch betrieben und um die ständige Weiterentwicklung ihrer Fertigkeiten bemüht waren. 1863 hat ein Mitglied der Schachgesellschaft, der zeitweilige Redakteur der Schachzeitung, Jean Dufresne (1829–1893), eine bearbeitete Auflage des Enderlein folgen lassen. Dufresne, ein hervorragender Schachspieler und Trainingspartner des ersten (inoffiziellen) Weltmeisters Adolph Andersen, war offensichtlich auch Vierschachspieler. Darüber, und ob er etwa dem Enderleinschen Verein angehörte, gibt es bisher keine Nachrichten. Beziehungen zu anderen Vereinen: Beziehungen oder Parallelmitgliedschaften zum  Schachclub von 1803 oder zur späteren Schachgesellschaft von 1827 sind nicht bekannt. Im ersten Heft der von Mitgliedern der Schachgesellschaft seit 1846 herausgegebenen „(Berliner) Schachzeitung“ findet sich jedoch der Hinweis, es gebe in Berlin „mehrere Vereine, deren Pflege die Schachkunst ist, nämlich der Schachclub, der Vierschachverein und die Schachgesellschaft“. Man hat sich also gegenseitig wahrgenommen, vielleicht auch in der Person des o. g. Jean Dufresne. Bibliographie: a) Drucksachen: Enderlein, K[arl]: Anweisung zum Vierschachspiele.

Berlin 1826. – Ders.: Theoretisch-praktische Anweisung zum Vierschachspiele. Mit einer Sammlung von Spielanfängen, durchgeführten Partien und Spiel-Endungen. Zweite, stark vermehrte Auflage. Berlin 1837. – Dufresne, Jean (Hg.): Enderlein’s theoretischpraktische Anweisung zum Vierschachspiele. Nach der zweiten Auflage neu bearbeitet und mit einer einleitenden Uebersicht der Gesetze des Zweischachspiels herausgegeben. Berlin 1863. – (Berliner) Schachzeitung, in monatlichen Heften herausgegeben von der Berliner Schachgesellschaft. Erster Jahrgang Berlin, London 1846, S. 1. – Vgl. ferner: Gesetze für Zwei- und Vier-Schach. Zusammengestellt von A. Dühr. Friedland 1855. – Ordnung des Vierschach-Clubs. Entworfen von D[ietrich] D[ühr] G[oebeler] R[iemann]. Neubrandenburg 1855. – b) Forschungsliteratur: Buch der Spiele. Encyklopädie sämtlicher bekannten Spiele und Unterhaltungsweisen für alle Kreise […], hg. u. Mitwirkung erfahrener Fachmänner von Alban v. Hahn. Leipzig 51909 [11894], darin: „Das Vierschach“ von Dr. med. E(rnst) Arthur Lutze in Berlin (Preisgekrönt). – Holländer, Hans: Ein Konversationsspiel. Das ‚Grosse Königs=Spiel‘ Christoph Weickhmanns. In: Ulm und Oberschwaben. Zs. f. Geschichte, Kunst und Kultur Bd. 56 / 2009, S. 126–145. – Holländer, Hans und Barbara: Schachpartie durch Zeiten und Welten. Heidelberg 2005, S. 361, B74. – Pritchard, D. B.: Encyclopedia of Chess Variants. Godalming, Surrey, 1994. – Saremba, Andreas: Jean Dufresne, Schachautor wider Willen? Privatdruck 2004/6. – Schmid, Bernhard: Die deutschen Schachvereine des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte des Vereinswesens. Magisterarbeit Erlangen/ Nürnberg 1987, S. 15.

Barbara und Hans Holländer

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4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Die Anfänge organisierter missionarischer Bestrebungen in Berlin liegen in den 1780er Jahren. Der Augsburger Theologe Johann August Urlsperger gründete 1780 in Basel eine Deutsche Gesellschaft thätiger Beförderer reiner Lehre und wahrer Gottseligkeit (auch: Deutsche Gesellschaft von Freunden und Liebhabern christlicher Wahrheit und Gottseligkeit oder kurz: Deutsche Christentums-Gesellschaft), die bald auch Unterstützergruppen in Berlin hatte. Die pietistischen Kreise wollten die „reine Lehre von der Gottheit Jesu Christi, des einzigen Mittlers und Seligmachers“ verbreiten und durch den Glauben konfessionelle wie nationale Grenzen überwinden. Neben der Verbreitung christlicher Schriften bestanden die Ziele dieser Gesellschaft gleichzeitig auch in tätiger Nächstenliebe und einer Heidenmission nach englischem Vorbild. Zur gemeinsamen Erbauung war jedermann ohne Unterschied seiner Herkunft zugelassen. In Berlin waren um 1800 ca. 20 derartige Kreise aktiv, in denen bedeutende Lehrer als „Stundenhalter“ wirkten. Bei durchschnittlich 30 Mitgliedern waren das ca. 600 Personen, die in Berlin auf diese Weise außerkirchlich „zur Beförderung der Erkenntnis Christi“ tätig waren (vgl. Althausen, S. 15–16). Eigentliches Vorbild der Berliner Bibel- und Missionsgesellschaften waren die englischen religious societies. Diese waren bestrebt, ein weltumspannendes Netz missionarischer Tochter-Vereine aufzubauen, und schickten dafür Gesandte auch nach Deutschland, die für die Religionssache werben und ideelle wie materielle Unterstützung bei der Gründung entsprechender Zweckvereine leisten sollten. Wie in London sollten auch in Berlin Bibelgesellschaft, Traktatverein und Missionsorganisation gemeinsam wirksam werden. Dafür agitierte der schottische Geistliche Robert Pinkerton bei seinem Aufenthalt in Berlin 1814 mit großem Erfolg. Drei Männer wurden in Berlin in herausragender Weise für die Verbreitung des Christentums tätig: der Prediger der böhmischen Gemeinde Johann Jänicke, der Gründer der Freiwilligen Beschäftigungs-Anstalt Baron Hans Ernst v. Kottwitz und der Kaufmann Samuel Elsner, Redakteur der Neuesten Nachrichten aus dem Reiche Gottes. Im Nachruf der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft auf Elsner wird er als ältestes Mitglied „der Bibel-, Traktat- und Missionsgesellschaften“ in Berlin angesehen, der „Jahrzehnte hindurch […] die eigentliche Seele aller dieser Vereine“ gewesen sei (Thilo, S. 307). Die Anfänge der Missionsarbeit in Berlin sind mit Johann(es) Jänicke (oder: Jan Jenik), der einer Familie von böhmischen Religionsflüchtlingen entstammte, verbunden. Er gründete 1805 nach dem Vorbild der British Foreign Bible Society und mit deren Un218

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

terstützung die erste Berliner  Bibelgesellschaft zur Verbreitung von Bibeln in böhmischer und polnischer Sprache. Der kleine Verein ging 1814 in der  Preußischen HauptBibelgesellschaft auf. Bereits im Jahr 1800 eröffnete er die erste Berliner Missionsschule, das Jänicke’sche evangelische Missions-Seminar, zur Ausbildung von Missionszöglingen für ausländische, vor allem englische, Missionsanstalten. Aus ihr ging 1822/23 die (ältere)  Missionsgesellschaft hervor. Sie arbeitete viele Jahre – für den gleichen Zweck, doch nicht konfliktfrei – neben einer jüngeren Missionsgesellschaft, die sich 1824 unter dem Namen  Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden gründete. Eine dritte Missionsgesellschaft, mit dem Ziel, die Bekehrung der Juden voranzubringen, bildete sich 1822 als  Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden. Damit existierten in Berlin mehrere Missionsgesellschaften nebeneinander, wie überhaupt die Verhältnisse auf dem Gebiet der Missionsarbeit lange Jahre unübersichtlich waren. Die englischen religious societies lenkten und unterstützten Anfang des 19. Jahrhunderts die Berliner Vereine, die ursprünglich nur als Hilfsvereine für die bereits existierenden Missionsgesellschaften vornehmlich in Basel, Barmen und London gedacht waren, bis diese Mitte des 19. Jahrhunderts selbständig wurden und in der Lage waren, eigene Missionare an ihre Bestimmungsorte zu schicken. Im Mittelpunkt der Berliner Missionsarbeit stand die Preußische Haupt-Bibelgesellschaft, deren Ziel darin bestand, „daß die heilige Schrift in jedes Christen Haus und Hand komme“ und zwar grundsätzlich „ohne Note oder Anmerkung“. Der  Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten sah sich als deren „Gehilfin“ bzw. jüngere Schwestergesellschaft, indem er Traktate verbreitete, um „die Geschichten der Bibel zur Lehre oder lehrhaft und die Lehren der Bibel zur Geschichte zu machen, nämlich zur Geschichte des menschlichen Herzens und Lebens“ (Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 5. Jg., S. 73). Mit seinen Vorläufervereinen verteilte er allein im Zeitraum von 1811 bis 1821 mehr als eine halbe Million geistlicher Schriften. Die Haupt-Bibelgesellschaft und der Traktatverein lieferten die geistige Basis für die Missionsgesellschaften, die geeignete „Heidenboten“, häufig Gesellen und Handwerkersöhne, ausbildeten und ausrüsteten, um unter „Heiden“ und Juden (man schätzte diese auf 800 Millionen) praktisch-missionarisch tätig werden zu können. Die christlichen Missionare strebten dabei von Beginn an eine große öffentliche Wirksamkeit an. Im Zuge der „Judenmission“ wurden beispielsweise vom 2. November 1819 bis 20. Januar 1822 von Berlin aus „153 Exemplare der Propheten in Ebräischer Sprache, 486 Exemp. des N. T. in dito, 267 Exemp. des Catechismus in dito, 441 Exemp. des N. T. in deutscher Sprache mit Ebräischen Lettern, Ueber 20000 Exemp. verschiedene hebräische Schriften, Ueber 20000 Exemp. hebräische Carten“ verbreitet. In Berlin gedruckt wurden in diesem Zeitraum: „5000 Exemp. Nachrichten von dem Tode eines jüdischen Kindes, 5100 Exemp. Nachrichten von drei Judenkindern, beide in deutscher Sprache, 5000 Exemp. dasselbe in polnischer Sprache, 10000 Exemp. Leberrecht, Geschichte eines getauften Juden“ (Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 6. Jg, 1822, S. 85).

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4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Am Anfang des 19. Jahrhunderts und besonders nach den Befreiungskriegen erhielt die religiöse Erziehung einen bedeutenderen Stellenwert in der Gesellschaft und wurde als wichtigster Teil der Bildung des Individuums angesehen. Hatte Fichte 1806 noch von der in Berlin vorherrschenden Skepsis gegenüber allem Religiösen berichtet („Es ist mir nicht unbekannt, daß man in unserem Zeitalter in keinen nur ein wenig zahlreichen Cirkel aus den gebildeten Ständen treten kann, worin sich nicht einzelne befinden sollten, bei denen die Erwähnung Jesu und der Gebrauch biblischer Ausdrücke unangenehme Empfindungen anregt und den Verdacht, daß der Redende eins von beiden, entweder ein Heuchler, oder ein beschränkter Kopf seyn müsse“), so erzählt Gutzkow über die 1820er Jahre: „Nach den Befreiungskriegen währte es immer noch einige Zeit, bis sich der öffentliche Geist aus seinem Zusammenhang mit den großen Erlebnissen der Epoche, als dem Verbande mit unsrer klassischen Philosophie und Poesie, der Romantik, Herder, Fichte, Schleiermacher losriß und ganz in jenes ausschließlich ‚Evangelische‘ überfloß, das bald darauf alles, selbst das Unkirchlichste, verklären sollte.“ Über die Pietistenkreise um Jänicke heißt es weiter: „Unstudierte Missionäre übten sich im Sprechen. Aber auch Handwerker sprachen. Meist in dem entlegenen Klassenzimmer einer Schule oder in einem sonstigen Privatlokal versammelten sich abends fünfzig bis sechzig Gläubige beim Schein eines Talglichtes und hörten die Rede oder das Gebet eines Inspirierten an, der seinen Vortrag zuletzt mit ‚Nachrichten aus dem Reiche Gottes‘, die über Nürnberg und Basel gekommen, und mit Sammlungen für die fernen Heidenbekehrer endete. […] So beteten sich hier dann manche Schuster und Schneider rein von der Erde hinweg. Die Verzückung sah den Himmel offen. Die Dringlichkeit betete den Himmel zur Erde nieder. […] Herzzerreißende Klagetöne, die fast eine Stunde dauerten, lösten hier alle Weltlichkeiten auf. […] Schlechte Zeiten, Arbeitslosigkeit, die Maschinen als Stellvertreter der Händearbeit, die neuen Moden, die z. B. die Filzhüte verdrängten und nur noch die Seidenhüte gelten ließen, die drückenden Abgaben, Krankheiten und Unglücksfälle – alles sprach sich hier in diesem Hilferuf aus“ (Gutzkow, Kap. 6). Die evangelischen Bibel-, Traktat- und Missionsgesellschaften mit ihrer stetig wachsenden Zahl von Hilfs- und Unterstützungsvereinen waren keine kirchlichen Einrichtungen, sondern „bruderschaftlich organisierte Laienaktivität“ (Althausen) zur Förderung und Verbreitung des Christentums. Ausgehend von England entstanden sie flächendeckend nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und in Übersee. Jeder, der Beiträge zahlte, galt als Mitglied. Entsprechend hoch waren die Zahlen der Mitglieder und „Wohltäter“ dieser Vereinigungen. In Berlin verschrieben sich nicht nur Theologen diesem Anliegen, sondern in großer Zahl hohe Staatsbeamte, Offiziere und Regierungsmitglieder, unterstützt durch den Monarchen und die königliche Familie. Dabei wurden die Bibelvereine durchaus unterschiedlich bewertet. Genoss die Preußische Haupt-Bibelgesellschaft die uneingeschränkte Unterstützung und das Vertrauen des Königs und der staatlichen Verwaltung, so wurden die anderen kleineren Vereine mit einem weniger staatsnahen Mitgliederstamm von Anfang an mit Skepsis und Misstrauen betrachtet; dennoch erhielten auch sie finanzielle Zuwendungen. 220

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Abb. 32  Titelblatt der „Neuesten Nachrichten aus dem Reiche Gottes“, des Zentralorgans der evangelischen Vereine.

In den religiösen Vereinigungen wirkten auch Mitglieder aus säkularen Vereinen mit, beispielsweise aus der  Humanitätsgesellschaft, dem  Maikäferklub, der  Deutschen Tischgesellschaft oder den patriotisch-nationalen Klubs und Gesellschaften. Einige von ihnen gehörten der Berliner Erweckungsbewegung an, die von Schlesien aus auch in Berlin wirksam wurde und hier vorrangig mit Namen wie v. Kottwitz, Elsner und Tholuck verbunden sind. Die Erweckungsbewegung lebte in den 1810er und 1820er Jahren in verschiedenen Zirkeln, Grüppchen, Freundesbünden, pietistischen Klubs, die sich personell überlappten und schwer voneinander abzugrenzen sind. Abendversammlungen boten u. a. Baron v. Kottwitz am Sonntag und Mittwoch, Gotttreu August Tholuck und Adolf v. Thadden am Donnerstag (die pietistische Donnerstags-Gesellschaft) und August Neander am Sonnabend an. Aus diesen Kreisen gingen in den folgenden Jahrzehnten viele der führenden Persönlichkeiten der preußischen Beamtenaristokratie hervor, 221

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

die in den höchsten Staatsämtern als Minister, Gerichtspräsidenten und Generäle weitreichenden Einfluss ausgeübt haben (Richter, S. 3). Die evangelischen Vereine bildeten in Berlin ein thematisch und personell eng verbundenes Netzwerk. Die missionarische Arbeit begann in Berlin etwa um 1800 und erreichte einen ersten Höhepunkt zwischen 1814/15 und den 1820er Jahren. Die Missionsgesellschaften wirkten in immer größerem Umfang das gesamte 19. Jahrhundert hindurch bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts; das Berliner Missionswerk ist bis heute tätig. Da die in den 1820er Jahren gegründeten drei Berliner Missionsvereine auf die frühen missionarischen Bestrebungen um 1800 zurückgehen und auf diesen aufbauen, wurden auch diese Vereinsgründungen, obwohl sie außerhalb des Untersuchungszeitraums liegen, in das Handbuch mit aufgenommen. Die missionarisch angelegten Vereine bedingten einander: Jänickes frühe Bibelgesellschaft und sein Missionsseminar aus der Zeit um 1800, die Preußische Haupt-Bibelgesellschaft und der Hauptverein für christliche Erbauungsschriften aus der Zeit um 1815 wie auch die in den 1820er Jahren gegründeten Missionsgesellschaften verfolgten ein gemeinsames Ziel, unterstützten einander und weisen zahlreiche Doppelmitgliedschaften auf. Deshalb wurde in diesem Fall an der zeitlichen Eingrenzung des Handbuchs nicht konsequent festgehalten, sondern im Interesse einer umfassenderen Darstellung der Thematik eine Erweiterung bis in die 1820er Jahre vorgenommen.

Literatur: Althausen, Johannes: Kirchliche Gesellschaften in Berlin 1810 bis 1830: Ein Beitrag zur Geschichte der Erweckungsbewegung und des Laienapostolats in den evangelischen Kirchen des 19. Jahrhunderts. Diss. Halle/Saale 1965. – Fichte, Johann Gottlieb: Die Anweisung zum seligen Leben oder auch die Religionslehre, 7. Vorlesung (gehalten Berlin 1806). – Gäbler, Ulrich (Hg.): Der Pie­tismus im 19. und 20. Jahrhundert. Göttingen 2000 (Geschichte des Pietismus, Bd. 3). – Gundert, Wilhelm: Geschichte der deutschen Bibelgesellschaften im 19. Jahrhundert. Bielefeld 1987. – Gutzkow, Karl: Aus der Knabenzeit (hier besonders: 1811– 1821, 6. Kap.). Frankfurt a. M. 1852. – Lisco, Friedrich Gustav: Zur Kirchengeschichte Berlins. Ein geschichtlich-statistischer Beitrag. Berlin 1857. – Heyden, Ulrich van der / Liebau, Heike (Hg.): Missionsgeschichte, Kirchengeschichte, Weltgeschichte. Christ-

liche Missionen im Kontext nationaler Entwicklungen in Afrika, Asien und Ozeanien. Stuttgart 1996 (Missionsgeschichtliches Archiv, Bd. 1). – Ledderhose, Carl Friedrich: Johann Jänicke, der evangelisch-lutherische Prediger an der böhmischen oder Bethlehems-Kirche zu Berlin; nach seinem Leben und Wirken dargestellt, zum Besten der Mission für China hg. von G. Knak. Berlin 1863. – Nachricht von der deutschen Gesellschaft zur Beförderung reiner Lehre und wahrer Gottseligkeit, welche seit einigen Jahren in vielen ansehnlichen Städten und Orten in und außer Deutschland sich ausgebreitet hat. Kurz und aufrichtig erteilet von einem Gesellschaftsmitgliede. [s. l.] 1784. – Richter, Julius: Geschichte der Berliner Missionsgesellschaft 1824–1924. Berlin 1924. – Wendland, Walter: Das Erwachen religiösen Lebens in Berlin im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Berlin-Steglitz 1925.

Uta Motschmann 222

Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten [BiGe]

Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten [BiGe] Name: Bibelgesellschaft für die königlich preu-

ßischen Staaten; Bibelverein zur Verbreitung der Heiligen Schrift; Biblische Gesellschaft. Gründung: 1805. Bestand: Verschmolz 1814 mit der  Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft. Sitz: Nicht bekannt; vermutlich im Pfarrhaus der Bethlehemskirche. Geschichte und Programmatik: Johann Jänicke, seit 1779 Prediger an der Berliner böhmisch-lutherischen Bethlehemskirche, hatte schon lange vor 1805 großen Einfluss auf die frommen Protestanten der Stadt, besonders die böhmische Exilgemeinde, ausgeübt. Am 1. Februar 1800 eröffnete er gemeinsam mit dem von der Londoner Missionsgesellschaft zum „Direktor der Mission in Deutschland“ ernannten kursächsischen Oberforstmeister August Karl Friedrich von Schirnding in seinem Pfarrhaus mit sieben Schülern die erste deutsche Missionsschule (auch: Jänicke’sches evangelisches Missions-Seminar), an der bis 1843 etwa 80 Missionare eine bis zu vierjährige Ausbildung erhielten, bevor sie von verschiedenen, meist ausländischen Missionsgesellschaften übernommen wurden. Aus der Berliner Missionsschule entstand 1823 unter seinem Nachfolger und Schwiegersohn Rückert die  Berlinische Missionsgesellschaft, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts tätig blieb. Im Jahre 1805 gründete Jänicke die Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten, die sich in erster Linie mit der Beschaffung von Bibeln in böhmischer Sprache beschäftigte und zudem den Bibeldruck auf Polnisch förderte. Mit finanzieller Unterstützung der seit 1804 bestehenden British Foreign Bible Society, die Jänickes Verein als Partikulargesellschaft ansah, und durch Spenden zweier Offiziere konnte die Berliner BiGe bis 1809 den Druck von Tausenden Bibeln in böhmischer und in polnischer Sprache ermöglichen (Ledderhose, S. 71–72). Stiftung und Zweck

Abb. 33  Porträt Johann Jänicke.

der Gesellschaft wurden von Friedrich Wilhelm  III. genehmigt und befördert. – In einer Adresse des Abgeordneten der britischen Bibelgesellschaft, des schottischen Geistlichen Robert Pinkerton, anlässlich der Gründung der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft 1814 heißt es über die Vorgänger-Gesellschaft: „So klein auch diese Gesellschaft wegen der niederdrückenden Zeiten geblieben ist, hat sie doch durch die Unterstützung der brittischen und auswärtigen Bibelgesellschaft 8000 böhmische und 8000 polnische Bibeln, größten­ theils in dieser Stadt und in der umliegenden Gegend, vertheilen lassen.“ Die „vorher gewesene“ Gesellschaft werde sich nun der größeren anschließen und „sich freuen […], das wohlthätige Werk mit größerem Nachdruck und vermehrter Stärke gebildet zu sehen“ (GStA PK, I. HA Rep. 74 Staatskanzleramt, L I Gen, Nr. 19, Bl. 4–7). 223

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Mitglieder: Außer Jänicke und Samuel Elsner sind keine weiteren Mitglieder namentlich bekannt. Querverweise auf andere Vereine: Die BiGe ging bei Gründung der  Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft im August 1814 in dieser auf. Jänicke hatte deren Gründung mit angeregt und fungierte bis 1826 als ihr Sekretär. – Im deutschsprachigen Raum bestanden ältere Bibelgesellschaften in Nürnberg und Basel (seit 1804). 1805 wurden eine katholische Bibelgesellschaft in Regensburg und 1812 die Württembergische Bibelgesellschaft in Stuttgart gegründet. – 1811/12 stiftete Jänicke mit v. Schirnding einen Traktatverein, der ab 1816 als Berliner  Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den preußischen Staaten firmierte. – Bis zu seinem Tod war Jänicke in der von

ihm gegründeten Berlinischen Mission tätig, s.  Berlinische Missionsgesellschaft. – Jänicke beeinflusste mit seinen Ideen und Bestrebungen den  Maikäferklub, einen Kreis von Adligen und jungen Beamten, die in ihrem Kränzchen „patriotisch-romantischgenial-christliche Poesie“ übten (Erinnerungen L. v. Gerlachs). Sie saßen am Sonntagmorgen unter Jänickes Kanzel und zogen dann zusammen in die Hasenheide zu Turnspielen. Bibliographie: Ledderhose, Carl Friedrich: Johann Jänicke: der evangelisch-lutherische Prediger an der böhmischen oder Bethlehems-Kirche zu Berlin; nach seinem Leben und Wirken dargestellt, zum Besten der Mission für China hg. v. G. Knak. Berlin 1863. – Richter, Julius: Geschichte der Berliner Missionsgesellschaft 1824–1924. Berlin 1924.

Uta Motschmann

Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten [TraktV] Name: Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten, Traktatverein, Traktatgesellschaft. Gründung: Anfänge 1811 durch Johann Jänicke (Verein für christliche Erbauungsschriften); erste Statuten: 3. August 1814; Kon­ stituierung als Hauptverein: Januar 1816; Genehmigung des Vereins per Kabinettsordre: 18. Juli 1816; förmliche Anerkennungsurkunde: 21. Oktober 1816 (gilt als eigentliches Gründungsdatum). „In unserm Vaterlande hat es sowohl in ältern als neuern Zeiten redliche Diener Christi gegeben, die es sich zur Pflicht machten, ihren Mitchristen durch Mittheilung einer geschriebenen geistlichen Gabe zu nützen, und schon seit 1811 bestand hier, zwar ohne äußerliche Form, eine Gesellschaft christlicher Freunde, die ein gleiches beabsichtigten, bis im Jahre 224

1814 der Schottische Geistliche, Herr Pinkerton, derselben den Plan zu einem Vereine, wie er jetzt besteht, mittheilte. An der völligen Ausführung desselben hinderten jedoch mehrere Umstände, die nun bei der erfreulichen Aussicht zu einem dauerhaften Frieden nicht mehr zu fürchten sind. Indessen wirkte die Gesellschaft im Stillen fort, und man kann annehmen, daß seit 1811 an [bis 1814] 150,000 Stück kleiner Schriften bereits ver­ theilt worden sind“ (Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 1. Jg., 1817, S. 12). Bestand: Bis 1852. Sitz: Die Komiteesitzungen fanden vermutlich in Privatwohnungen statt. Zu den Stiftungsfeiern kam man im Betsaal der ev. Brüdergemeine in der Bethlehemskirche zusammen.

Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten [TraktV]

Programmzitat: „Der Zweck dieses Vereins ist: kleine religiöse Schriften, besonders unter dem gemeinen Mann auszubreiten, welche auf die Bibel gegründet, rein evangelisch abgefaßt sind“ (§ 1 der Grundsätze). – „Die Erfahrung hat es zu allen Zeiten gelehrt, daß durch das Lesen solcher Schriften ein besondres Verlangen nach dem heiligen Bibelbuche bewirkt worden ist, und so dürfte denn unser Verein vorzüglich geeignet seyn, den Zweck der bestehenden Bibelgesellschaften zu fördern“ (Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 1. Jg., 1817, S. 13). Geschichte und Programmatik: Die Anfänge des TraktV reichen bis ins Jahr 1811 zurück, so dass er als ältester christlicher Verein in Berlin angesehen werden kann. Daraus entwickelte sich im August 1814 eine Privatgesellschaft, deren Zweck es war, „kleine religiöse Schriften unter ihren Mitbürgern zu verteilen, besonders unter solchen, die aus Mangel an Gelegenheit und Mitteln in Unwissenheit dahin leben, damit auch hierdurch echt christlicher Sinn und christliches Leben mehr und mehr verbreitet werden möge“ (Immediateingabe des Direktionsausschusses vom Febr. 1816; GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 23625, n. f.). Gebildet wurde der TraktV nach den Grundsätzen der Londoner Religious Tract Society, welche bereits 1799 in London gegründet worden war. Deren Gesandter, der Schottische Geistliche Robert Pinkerton, gab 1814 bei seinem Aufenthalt in Berlin den Plan für einen entsprechenden Verein, wodurch die bereits bestehende Sammel- und Verteilertätigkeit in geregeltere Bahnen gelenkt werden sollte. Hinzu kam, dass der Verein aus dem Nachlass des 1812 gestorbenen sächsischen Kammerjunkers Baron August Carl Friedrich v. Schirnding, der seit 1798 als Direktor der Londoner Mission auch in Berlin tätig war, 130.000 Traktate mit 21 Titeln in deutscher, böhmischer, polnischer, wendischer, französischer und italienischer Sprache erbte. Bis zur eigentlichen Ver-

einsgründung dauerte es auf Grund der politisch unruhigen Zeiten und des Misstrauens in Regierungskreisen, die eine Destabilisierung des Staats durch religiöse Schwärmerei befürchteten, noch bis Januar 1816. Erst nach Festlegung der Statuten genehmigte der König am 18. Juli 1816 den Vereinszweck und bewilligte die Portofreiheit, auch beteiligte er sich durch finanzielle Zuwendungen am Druck der Schriften, obwohl er befürchtete, dass es „über kurz oder lang [zu] Mystizismus oder sonstige[n] Inkonvenienzen“ kommen könnte (Kabinettsordre an Schuckmann vom 21.5.1816; GStA PK, I. HA, Rep. 76, III. Sekt. 1 Abt. XIV Nr. 29, Bd. 1). Die Gesellschaft sah ihren Zweck darin, erbauliche religiöse Schriften drucken und in Berlin und anderen Orten unentgeltlich verteilen zu lassen, um das Christentum auch unter den ärmeren Schichten und beim Militär zu verbreiten. Die Arbeit war missionarisch angelegt, beim Verteilen der Schriften wurden „Glaubensgespräche“ geführt und versucht, Helfer zu gewinnen. Befanden sich Mitglieder auf Reisen, wurden Traktate auch nach dem Zufallsprinzip entlang der Reiseroute bzw. an den Aufenthaltsorten, in Schulen, Gaststätten, Gefängnissen, Krankenhäusern, an Soldaten und Seeleute verschenkt, so beispielsweise von dem Lackierer Kecht 1821 in Kroppenstedt bei Magdeburg und von Johann Gottlob Samuel Elsner 1822 in Breslau. Solche nicht angemeldeten Aktionen führten zu Beschwerden beim Ministerium des Innern. Besonders Generalleutnant v. Zieten, in dessen Befehlsbereich in Breslau Elsner religöse Schriften an Soldaten verteilt hatte, wies diese Einmischung energisch zurück, da der Inhalt zwar christlich sei, die Soldaten aber zu weit von ihren Aufgaben entfernt würden: „Im Allgemeinen ist gegen die Bücher nur zu sagen, daß das erste [Der Soldat als Christ] die Tendenz der Schwärmerei führt und das letzte [Glaubest du, daß du ein Sünder bist?] einige Lächerlichkeiten auf den Adel wirft“ (GStA PK, I. HA Rep. 77 Tit. 415 Nr. 7 225

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Bd. 1). Elsner wurde darüber vernommen und No. 18. Das Milchmädchen; No. 19. Die gute wegen der Ordnungswidrigkeit zurechtge- Mutter; No. 20. Wegweiser für junge Wandewiesen, da er keine Erlaubnis eingeholt hatte. rer am Scheidewege; No. 23. Joseph der SchaafSolche wiederholt vorkommenden Aktionen hirt. Laut Traktat No. 1. sollten die Schriften schadeten dem Verein zwar nicht maßgeblich, „was den Inhalt betrifft, 1) reine Wahrheit, 2) da nach Prüfung vom Ministerium des Innern Mittheilung wenigstens Einer Nachricht über und der Polizei festgestellt wurde, dass die Ab- den Weg eines Sünders zur Seligkeit“ bieten; sichten löblich seien und die Schriften keinen hinsichtlich der Darstellung sollte ein Traktat politischen, sittenverderblichen oder irreligiö- „3) leicht und verständlich, 4) ergreifend, 5) sen Inhalt aufwiesen; ein permanentes Miss- unterhaltend, 6) reich an Vorstellungen“ sein. trauen blieb dennoch bestehen, da der Inhalt Die Mehrzahl waren „Deutsche Traktätchen“, und die Verteilung der Erbauungsschriften doch wurden auch mehrere Tausend „Lithauwie auch deren Wirkung für die Regierung ische“, „Polnische“ und „Böhmische Traktätnicht überschaubar waren. Wiederholt gab es chen“ gedruckt. Die Verbreitung reichte weit Probleme mit der Zensur. In den ersten fünf über Preußen hinaus bis nach Bessarabien, in Jahren seines Bestehens nahm der Verein 7.191 deutsche Siedlungen nach Russland und AusReichstaler ein und ließ dafür 23 verschiede- wanderergemeinden in Amerika. ne Schriften in 379.020 Exemplaren drucken Der TraktV verstand sich als Gehilfin der anund verteilen, darunter auch Übersetzungen deren religiösen Vereinigungen und als Ergänaus dem Englischen. „Nehmen wir hiezu die zung der  Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft Zahl der Schriften, die seit 1811, und beson- [PHBG], deren kleinbürgerliche Parallelorgaders seit der ersten durch Herrn Pinkerton nisation er war. In ihm betätigten sich Männer, veranlaßten Anregung vom 3ten August 1814 die mit den altpietistischen Kreisen in Berlin durch den vorbereitenden Verein verbreitet sympathisierten. In der Mitte der 1820er Jahre sind, die allein über 150,000 Exemplare be- traten Angehörige der Erweckungsbewegung trägt, so ergiebt sich: daß der hiesige Verein hinzu (Althausen, S. 91). „Während die PHBG mehr als eine halbe Million geistlicher Schrif- in den Jahren bis 1830 immer mehr anwächst, ten großentheils in den preußischen Landen neue Freunde und Tochtergesellschaften hinzu binnen wenig Jahren verbreitet hat“ (Neueste gewinnt und ihren Arbeitsbereich ausdehnen Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 5. Jg, 1822, kann, hat die Traktatgesellschaft um die MitS. 78). In den Jahren 1816 bis 1826 betrug die te der 20er Jahre ungefähr den Aktionsradius Zahl der gedruckten Schriften 1.081.020 Ex- erreicht, in dem ihre Wirksamkeit für längere emplare. Die Traktate tragen Titel wie: No. 1. Zeit verbleibt“ (Althausen, S. 102). Der Verein Plan des Vereins, mit einer aus dem Englischen musste einer nachlassenden Spendenfreudigübersetzten Aufforderung an Christen, christliche keit begegnen wie auch einem zunehmenden Erbauungsschriften zu verbreiten; No. 2. Gu- Misstrauen in Kreisen der staatlichen Verwalter Rath an einen Jüngling; No. 4. Erzählun- tung, die nach der Ermordung August v. Kotgen für christliche Kinder; No. 5. Der brave Sol- zebues (23. März 1819) und der danach eindat, oder Peter Lohbecks Lebensgeschichte; No. 6. setzenden sogenannten Demagogenverfolgung Selbstprüfung; No. 8. Lebensgeschichte der Jenny eine Verbindungslinie zwischen religiöser und Hickling; No. 9. Ein Wort für Handwerksgesel- politischer Schwärmerei zu erkennen glaubte. len; No. 10. Gebetbüchlein für Kinder; No. 13. Das Altensteinsche Reskript des Königl. Minis-

Luther, oder kurze Reformations-Geschichte; No. 14. William Black, der Schornsteinfeger; No. 15. Jonathan Brown, ein Bootsmann; No. 17. Glaubest du, daß du ein Sünder bist?; 226

teriums der Geistlichen-, Unterrichts-, und Medizinal-Angelegenheiten an das Königl. Konsistorium zu Königsberg in Pr., die Maaßregeln gegen Verbindungen zur Verbreitung eines ver-

Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten [TraktV]

meintlich besseren Christentums betreffend vom „Ohne den 1814 übernommenen Bestand 24.10.1825 unterstreicht die anhaltende Skep- werden von dem Hauptverein bis zum Ende sis, die von Anfang an gegen alle religiösen des Jahres 1830 1,6 Millionen Schriften geVereinigungen, mit Ausnahme der staatsnahen druckt und verbreitet“ (Althausen, S. 95). Alle PHBG, bestand. Bereits im Oktober 1819 war Schriften mussten der Berliner Synode und das Hausieren mit christlichen Erbauungs- seit 1829 einer Zensurkommission im Kultusschriften untersagt worden. 1829 wurde eine ministeriums zur Prüfung vorgelegt werden. doppelte Zensur angeordnet, weil die Trakta- Den Vertrieb der Schriften übernahmen die te nicht über den Buchhandel verteilt und vor- Mitglieder, die Tochtergesellschaften und eine wiegend von den „untersten Volksklassen“ ge- große Zahl auswärtiger „Korrespondenten“. lesen würden. Diese verschärfte Maßnahme, Tochtergesellschaften gründeten sich 1817 die zu einem langwierigen Streit zwischen in Görlitz, Stendal und Magdeburg, weitere dem Hauptverein und dem Kultusministerium 1822/23 in Beeskow und Stralsund. 1822 gab führte, wurde erst 1832 vom König aufgeho- es 88 „Korrespondenten“. ben, einen Monat nachdem Julius Eduard Hit- Der TraktV pflegte Kontakte zum Nördlichen zig, Berliner Kriminaldirektor und konvertier- Traktatverein in Halle, zur Bibeltraktat- und ter Jude, den Vorsitz des evangelischen Haupt- Missionsgesellschaft in Paris und zur Niedervereins übernommen hatte. In den folgenden ländischen Traktatgesellschaft in Amsterdam. Jahren achtete das Kultusministerium streng Die Gesellschaft hatte sich auf freiwillige darauf, dass der Zugang der Öffentlichkeit zu Verbreitung evangelisch-christlicher Erbauden Schriften von der Regierung und nicht ungsschriften zu beschränken, „ohne separate vom Hauptverein überwacht wurde. 1840 wur- Erbauungs-Versammlungen und Andachtsden die Restriktionen des Vertriebs von Er- übungen zu veranlassen“ (Ministerielle Bestäbauungsschriften durch Friedrich Wilhelm IV. tigungs-Urkunde, 21. Okt. 1816, v. Schuckgelockert, das Verbot des öffentlichen Verkaufs mann; GStA PK, I. HA, Rep. 77, Tit. 415, jedoch erst 1851 aufgehoben. Nr. 7, Bd. 1). Stiftungsfeste wurden nur wenige, bis 1830 Struktur und Organisation: Der Verein be- lediglich vier (1818, 1821, 1826, 1829), „gestand aus Mitgliedern und „Wohltätern“. Je- räuschlos“, „aber mit herzlicher Andacht der, der einen Mindestbeitrag von einem Ta- durch Gesang, Gebet, Vortrag und Vorlesung ler jährlich zahlte, galt als Mitglied; diejeni- eines ausführlichen Jahresberichtes“ begangen, die unbestimmte Beiträge leisteten, wa- gen (Nachweisung über Einnahme und Ausgaren Wohltäter. Ein gewählter Vorstand, auch be […] aus dem Jahre 1826, Berlin 1827). „Comité“ oder „Direktorium“ genannt, leitete die Geschäfte und kam einmal monat- Mitglieder: a) Allgemeines: Zwischen 1816 lich zusammen. Er bestand aus zwölf Män- und 1818 zählte der Hauptverein in ganz nern: einem Vorsteher, einem Vize-Vorste- Preußen etwa 450 Mitglieder und Wohltäter; her, mehreren Direktoren, Sekretären und die meisten von ihnen lebten auf dem Land. einem Schatzmeister. Einmal jährlich fand Anders als bei der PHBG wurde der TraktV zwecks Rechnungslegung eine Zusammen- im wesentlichen von kleinbürgerlichen Kreikunft der gesamten Gesellschaft statt. sen getragen. Hohe Beamte, auch die UniIm Jahr 1821 betrugen die Einnahmen 1.860 versitätsprofessoren fehlten am Anfang fast Reichstaler, davon 300 Reichstaler als Ge- völlig, dafür wirkten hauptsächlich Geistliche, schenk des Königs; im Jahr 1826 1.389 Handwerker, Lehrer und Kaufleute. Reichstaler. Von 1816 bis 1826 wurden ins- Den Plan für die Gesellschaft unterschrieben gesamt 16.924 Reichstaler eingenommen. 1816: Propst Hanstein (Vorsitzender des Vor227

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

standes), die Prediger Anders (Brüdergemeine), Grell (Marienkirche), Jänicke (Bethlehemskirche); Klette (Mariendorf), Konsistorialrat Nicolai (Nicolaikirche), Mann (Brigadeprediger), Ringeltaube (Britz), Hofprediger Theremin, Oberlehrer Hoffmann, Lederfabrikant Kampffmeier, Hoflackierer Kecht, Kattunfabrikant Ohrenberg, Plankammerinspektor Reymann, Kaufmann Elsner, Schullehrer Hoffmann, Leutnant Schwan, Kaufmann Vetter (vgl. Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 1. Jg., S. 14 f.). – Obwohl einige Direktoren der PHBG ebenfalls im Comité des TraktV vertreten waren (wie Ludwig Couard, Hanstein, Theremin und Strauß) und bei J. J. Diederich, Hitzig, Oberlehrer Hoffmann, Kampffmeyer, Jänicke, Kecht sen., La Roche, Le Coq, Lobeck, Marheineke, Nicolai, Nicolovius, C. H. Stobwasser, Strehmann, und dem Premierleutnant v. Sydow Doppelmitgliedschaften vorlagen, war die Zahl der Regierungsmitglieder im TraktV weit geringer als in der PHBG. – Spiritus rector des Vereins war der Kattunfabrikant und Kaufmann Samuel Elsner. Er war zwar nicht Vorsitzender des Vorstandes, jedoch umtriebiger 1. Sekretär, der auch den Schriftverkehr mit der staatlichen Verwaltung führte, und seit 1817 Redakteur der monatlich erscheinenden Hefte der Neuesten Nachrichten aus dem Reiche Gottes, des Zentralorgans aller kirchlichen Vereinigungen, war. – Außer in der Zentrale Berlin hatte der TraktV auch Mitglieder und Unterstützer in 147 weiteren Städten und Dörfern, darunter auch in den nahe Berlin gelegenen Gemeinden Britz, Köpenick, Pankow, Rixdorf und Spandau. Als Verbindungsmänner fungierten beispielsweise Tholuck in Halle, v. Raumer in Halberstadt und der Prediger Hanstein in Potsdam. – b) Der Vorstand: Vorsteher: Nicolovius (von der Gründung des Hauptvereins bis Mitte 1816); Propst Hanstein (1816–1820); Prof. Dr. Marheinecke (1821–1822); Konsistorialrat Nicolai (1822–1831); Kriminaldirektor Hitzig (1831–1849). – Vize-Vorsteher: Hofprediger 228

Franz Theremin (ab 1822, Direktor ab 1816); Wilhelm v. Gerlach (1830–1831); Plankammerinspektor Reimann (Reymann) (ab 1831, Direktor ab 1816). – Weitere Vorstandsmitglieder: Prediger Anders (Direktor ab 1816); Legationsrat Heinrich Alexander v. Arnim; Lieutenant Bormann (2. Sekretär ab 1824); Prediger Ludwig Couard (Direktor); Kammergerichtsreferendar und späterer Stadtrat J. J. Dieterich (Direktor 1827); Buchhändler Gustav Eichler; Kammergerichtsrat Franz August Eichmann; Kaufmann Elsner (1. Sekretär ab 1816); Kammergerichts- und Justizrat Focke (Direktor ab 1827); Obertribunalrat Wilhelm v. Gerlach (ab 1827 Mitglied im Comité); Prediger Grell (Direktor ab 1816); Lehrer/Oberlehrer an der Königl. Realschule Hoffmann (Direktor 1816, 2. Sekretär 1816– 1822), Parochialschullehrer Hoffmann (Direktor); Prediger Jänicke (Direktor ab 1816); Lederfabrikant und Stadtverordneter Martin Mathias Kampfmeier (Kampffmeyer) (Direktor ab 1816); Kammergerichtsrat Karl Le Coq; Hoflackirer Johann Sigismund Kecht (Direktor ab 1816, Schatzmeister 1822–23); Kecht jun. (2. Sekretär 1822); Prediger Klette in Mariendorf (Direktor ab 1816); Generalagent der Preuß. Lebensversicherungsgesellschaft Heinrich Ludwig Lobeck; Kaufmann Löst; Geh. Oberbergrat v. La Roche (Direktor 1827, Schatzmeister ab 1828); Brigadeprediger Mann; Kattunfabrikant Ohrenberg (Direktor ab 1816); Prediger Ringeltaube in Britz (Direktor ab 1816); Oberfinanzrat Carl Wilhelm Semler; der Offizier und künftige Oberpräsident Pommerns Ernst v. Senfft-Pilsach; Lieutenant Schwan (2. Sekretär 1816– 1822); Lackierfabrikant C. H. Stobwasser; Hofprediger und Prof. Strauß (Direktor); Kaufmann Eduard Strehmann (Schatzmeister ab 1823); Kaufmann A. Vetter (Schatzmeister 1816–1822); Prediger Weiße in Pankow bei Berlin (Direktor). – Auswärtige Direktoren 1816: Döring, Prediger in Elberfeld; le Doux, Stadtrat in Stettin; Heinrich der 38. Graf Reuss; Hillmer, Geh. Rat in Neusalze;

Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten [TraktV]

Neumann, Regierungs- und Schulrat in Cös- Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: lin; Elle, Prediger in Seeburg. – c) Einzel- GStA PK, I. HA, Rep. 76, III. Sekt. 1 Abt. XIV, mitglieder und Wohltäter in Berlin (1826: Nr. 29, Bd. 6, n. f. – GStA PK, I. HA, Rep. Auswahl): Frau v. Berg; Rätin Bindheim; Or- 77, Tit. 415 Nr. 7, Bd. 1: Acta betr. die Herausdensrat Clüsener; Stadtrat de Cuvry; Graf v. gabe und Verbreitung christlicher ErbauungsEgloffstein; Frau Fetschow; Frau Kammer- schriften vom 31. Octbr: 1821. bis 3. April gerichtsrätin v. Gerlach; Frau Generalin v. 1848. – GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 23625. Geusau; General-Münzdirektor Gödeking; – b) Gedruckte Quellen: Nachweisung über Prof. Kranichfeld; Prediger Lisco; Wirkl. die Einnahme und Ausgabe, gedruckter und Geh. Oberregierungsrat Nicolovius; Major v. verteilter Schriften, Mitglieder, Wohltäter und Oelsfeld; Zimmergeselle Pathge; Geh. Postrat Tochter-Gesellschaften des Haupt-Vereins für Pistor; Kammergerichtsreferendar Raumer; christliche Erbauungsschriften in den PreuKonsistorialrat Ritschl; Frau v. Röder; Herr ßischen Staaten, aus dem Jahre [1816–1833]. Rappard; Fabrikant Rolle; Golddrahtzie- Berlin. – Neueste Nachrichten aus dem Reiher Rolle; Prediger Rolle; Frau Geh. Rätin che Gottes, hg. von der Preußischen HauptbiSemmler; Herr v. Schierstädt; Capitain Graf belgesellschaft. Berlin 1817–1856. – Re­skript v. Schlieffen; Fräulein A. Schmalz; Fräulein des Königl. Ministeriums der Geistlichen-, M. Schmalz; Stadtchirurg Schmedding; Lieu- Unterrichts-, und Medizinal-Angelegenheitenant v. Sydow; Gräfin Maria v. Voß; Prin- ten an das Königl. Konsistorium zu Königszessin Wilhelm v. Preußen. berg in Pr., die Maaßregeln gegen Verbindungen zur Verbreitung eines vermeintlich besseQuerverweise auf andere Vereine: Johann ren Christentums betreffend. In: Kamptz, K. Jänicke, der Leiter der Missionsschule und des A. v.: Annalen der Preußischen Innern Staatsälteren  Bibelvereins, war auch Mitglied im verwaltung 9 (1825), S. 1016–1019. – c) LiteTraktV. Der Redakteur und Schatzmeister ratur: Althausen, Johannes: Kirchliche GesellElsner wirkte als Verbindungsmann zwischen schaften in Berlin 1810 bis 1830. Diss., Halden religiösen Gesellschaften. Große perso- le/Saale 1965, besond. S. 83–109. – Rathgeber, nelle Überschneidungen gab es mit der  Christina: Zwischen Staat und Gesellschaft: Gesellschaft zur Beförderung der ev. Missionen Die „Preußische Hauptbibelgesellschaft“ und unter den Heiden und der  Gesellschaft zur der „Hauptverein für christliche ErbauungsBeförderung des Christenthums unter den Ju- schriften in den preußischen Staaten“ (1814– den. Elsners Arbeit im TraktV wurde ab 1885 1848). In: Acta Borussica, Neue Folge, hg. v. durch die Evangelische Buch- und Traktatge- Wolfgang Neugebauer, 2. Reihe: Preußen als Kulturstaat, Bd. 3/1, Berlin 2012, S. 55–103. sellschaft Berlin wieder aufgenommen.

Uta Motschmann / Christina Rathgeber

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Preußische Haupt-Bibelgesellschaft [PHBG] Name: Preußische Haupt-Bibelgesellschaft; Preu-

ßische Bibelgesellschaft; Mutter-Bibelgesellschaft für die Preußischen Staaten; seit 1947: Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft zu Berlin; seit 1993: Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft und von Cansteinsche Bibelanstalt im Bereich der Evangelischen Kirche der Union. Gründung: 2. August 1814. Auflösung: 2005. Versammlungsort: Die erste Versammlung fand im Englischen Haus in der Mohrenstraße statt. In den ersten Jahren stellte Kircheisen seine Amtswohnung für die Zusammenkünfte zur Verfügung. Programmzitat: „Der Gegenstand dieser Gesellschaft ist: Ausbreitung der heiligen Schrift in- und außerhalb des Landes, nach der Übersetzung, die eine jede Konfession angenommen hat, ohne Note oder Anmerkung“ (§ 2 der Statuten, 1814). Geschichte und Programmatik: Das erklärte Ziel der fast 200 Jahre existierenden PHBG bestand darin, „die heilige Schrift allgemein zu verbreiten und sie den Armen für einen geringen Preis oder ganz umsonst zu zuwenden“. Die PHBG folgte bewusst dem Beispiel der Londoner British Foreign Bible Society, die es bereits seit 1804 gab. Bei der Gründung der PHBG hielt auch der Gesandte der British Foreign Bible Society, der schottische Geistliche Robert Pinkerton, eine Rede. Nach der Satzung der PHBG konnte jeder Mitglied werden, „der einen jährlichen Beitrag subskribiert“. Wer jedoch nur einen einmaligen Beitrag leistete, sollte als Wohltäter aufgenommen werden. Die Gesellschaft wurde von einem gewählten Ausschuss geleitet. Die ersten Präsidenten waren Friedrich Otto v. Diericke (1814–1818) und Friedrich Leopold v. Kircheisen (1819–1824). Unmittelbar nach ihrer Gründung bemühte sich die PHBG um den Aufbau von Toch230

tergesellschaften. Sie selbst verstand sich als die Mutter-Bibelgesellschaft für alle preußischen Staaten. Auch hierin ahmte sie ihr Vorbild nach, denn bei der British Foreign Bible Society gab es schon 1814 rund 300 regionale Gesellschaften. Die Bemühungen der PHBG zeigten schnell Erfolg. Im Oktober 1816 existierten in Preußen bereits mehr als 20 Tochtergesellschaften, bis Ende 1822 waren es 42, 1840 fast 80 und Ende 1846 nicht weniger als 93. Die PHBG übernahm eine Vermittlerrolle und trug die Verantwortung für die Prüfung und Genehmigung der Statuten sämtlicher Tochtergesellschaften. Sie empfing und kontrollierte die Jahresberichte der Tochtergesellschaften, die Verzeichnisse über die von ihnen verteilten Bibeln und Neuen Testamente sowie die Mitgliederlisten der von ihnen abhängigen kleineren Gesellschaften. Im Netzwerk dieser Bibelgesellschaften Preußens war die PHBG bei weitem die größte Gesellschaft. In den Jahren 1824/25 zählte sie 1.083 Beitrag zahlende Mitglieder. Der rasche Anstieg der Mitgliederzahl zeigt, welche große Anziehungskraft die PHBG in diesen ersten Jahren ausübte. Dies war vermutlich auch der Tatsache zu verdanken, dass sowohl der Mo­ narch Friedrich Wilhelm III. als auch die Regierung den Zielen der PHBG große Sympathie entgegenbrachten. Dem ersten Stiftungsfest der PHBG wohnten die königlichen Prinzen und Prinzessinnen bei, und die Söhne des Monarchen sowie die Kronprinzessin und spätere Königin Elisabeth traten der PHBG als Mitglieder bei. Der Beichtvater und kirchenpolitische Berater Friedrich Wilhelms III. sowie ab 1822 im Kultusministerium tätige Rulemann Friedrich Eylert wurde 1817 sogar zum Präsidenten der Potsdamer Bibelgesellschaft gewählt. Der Monarch zeigte sich schnell bereit, der PHBG die im August 1814 beantragte Portofreiheit zu gewähren. Obwohl die ersten Mitglieder der PHPG die Lehren der rationalistischen Religionsaufklä-

Preußische Haupt-Bibelgesellschaft [PHBG]

Abb. 34 und 35  Die ersten beiden Präsidenten Friedrich Otto v. Diericke (links) und Friedrich Leopold v. Kircheisen (rechts).

rung des späten 18. Jahrhunderts zurückwiesen, kann diese Gesellschaft nicht einfach als eine Reaktion gegen die Religionsaufklärung oder als „Kind“ der Erweckungsbewegung des frühen 19. Jahrhunderts verstanden werden. Lange nachdem die Erweckungsbewegung ihren Zenit überschritten hatte, zog die PHBG noch Teilnehmer an. Hans Ernst Baron v. Kottwitz, der bekannte Wortführer der Berliner Erweckungsbewegung, war nur für kurze Zeit in der Direktion der PHBG. Obwohl er die Immediateingabe vom 31. August 1814 mit der Bitte um Genehmigung der PHBG unterschrieben hat und die Einladung zur Gründungsversammlung von ihm ausging, war er nur bis zum Jahre 1818 Mitglied des Vorstands und schied dann auf eigenen Wunsch aus. Mitunter liegen die Geburtsdaten der ersten Vorstandsmitglieder (Hermes, Diericke, Recke-Stockhausen, Schroetter, Parthey, Jänicke, Kircheisen, Diez) in der Mitte oder gar der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, doch sollte der Einfluss die-

ser älteren Generation nicht überschätzt werden, denn die meisten waren schon vor 1820 nicht mehr am Leben und der letzte (Jänicke) verstarb 1827. Die große Bedeutung der PHBG nach 1827 hing offensichtlich nicht von dieser Generation ab. Zwar war Schuckmann 1814 bereits 59 und Kottwitz 57 Jahre alt, aber Nicolovius war erst 47, Nolte 46, Schmedding 40, Süvern 39, Elsner 36, Schultz 33 und Marheineke 34 Jahre alt. Mit 25 Jahren war Neander ein sehr junger Professor. Friedrich Sack und sein Bruder Karl Heinrich waren 26 und 25 Jahre alt. Diese große Altersspanne der frühen Vorstandsmitglieder der PHBG zeigt zwar, dass einige Vorstellungen des frommen Protestantismus des späten 18. Jahrhunderts einen großen Einfluss auf die Gründung der PHBG ausübten, allerdings vermochte erst eine spätere Generation im 19. Jahrhundert diese Vorstellungen zu verbreiten. Durch die Verteilung von Bibeln bemühte sich diese Generation um Wirkung in der 231

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Gesellschaft und wurde in dieser Absicht vom Staat unterstützt. Die Mehrheit der PHBGGründungsmitglieder war direkt oder indirekt mit der Regierung verknüpft; entweder als aktive oder ehemalige Staatsminister, als Räte im Innen-, Kultus- und Außenministerium sowie im Brandenburgischen Konsistorium, durch berufliche Positionen an der Berliner Universität oder als Offiziere. Annähernd 40 Jahre lang führten Staatsminister den Vorsitz. Obschon die PHBG nicht als Staatsbehörde verstanden werden wollte, sicherte doch ihre Nähe zur Zentralregierung ein ungestörtes Vorgehen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts stützte sich die Regierung immer wieder auf die PHBG, und die praktischen Folgen dieser engen Bindung wurden schon früh sichtbar. Im November 1814 entschied das Innenministerium, dass in den Schulen eine vollständige Bibel zu benutzen sei. Der zu erwartende Mangel an Bibeln sollte zumindest teilweise durch die PHBG gedeckt werden. Die Superintendenten der Provinz Brandenburg erhielten 1816 über 700 Bibeln zur Verteilung in kleinen Städten und Dörfern. Ebenso viele Bibeln sowie 1.000 Neue Testamente wurden zur Verteilung in den Schulen der Mark Brandenburg versandt. Zwar wurde die PHBG nicht nur zu dem Zweck eingerichtet, das Programm der Regierung zur Regelung des Religionsunterrichts umzusetzen, doch wurde sie zu einem für die Regierung äußerst opportunen Zeitpunkt ins Leben gerufen. Innerhalb von knapp vier Monaten nach Gründung der PHBG konnte das Innenministerium seine Absichten hinsichtlich der Verwendung von Bibeln in den Schulen umsetzen und griff in den darauf folgenden Jahren wiederholt auf die Bibellieferungen der PHBG zurück. Gleichzeitig bemühte sich die PHPG selbst, dem Mangel an Bibeln entgegenzusteuern. Im September 1818 instruierte das Innenministerium die Regierungen zwischen Berlin und Königsberg, eine ausreichende Anzahl an Bibelexemplaren in ihren Gefängnissen, Hos232

pitälern und Arbeitshäusern zur Verfügung zu stellen. Die PHBG hatte das Ministerium davon unterrichtet, dass es in diesen Institutionen nicht ausreichend Bibeln gäbe. Die Landesregierungen sollten sich an ihre lokalen Bibelgesellschaften wenden, „um durch solche die wohlfeileren Ausgaben“ zu erhalten. Die hierbei anfallenden Kosten wären aus den Fonds der Anstalten zu bestreiten. Mit der Verbreitung von Bibeln wollte die PHBG das christliche Seelenheil fördern. Diesem Anliegen stimmte auch Johann Wilhelm Süvern zu, der von 1814 bis 1822 einer der Direktoren der PHBG war. Auf den ersten Blick mag es seltsam erscheinen, dass Süvern, ein führender Reformer des preußischen Schulwesens, zu den Gründungsmitgliedern der PHBG gehörte. Bei deren ersten Versammlung las er die Grußansprache Pinkertons sowie die Grundsätze der PHBG vor. Er setzte auch die Instruktion zur Regelung der Verhältnisse der so genannten Provinzialgesellschaften zur Muttergesellschaft auf. Wie viele seiner aufgeklärten Zeitgenossen hielt er die religiöse Erziehung für den wichtigsten Teil der Gesamtbildung eines Individuums. In seiner Unterstützung der PHBG sah Süvern keinen Widerspruch zum Anliegen der aufgeklärten Bildungsreformer. Es kam mehrmals vor, dass PHBG-Direktoren sich Vereinen rein säkularer Natur anschlossen. Süvern war, ebenso wie vier weitere Direktoren der PHBG – August Neander, Philipp Konrad Marheineke, Friedrich Philipp Rosenstiel und Christian Heinrich Stobwasser –, Mitglied der  Gesellschaft der Freunde der Humanität. Süvern, ab 1815 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, hielt sein Engagement für ein humanistisches Bildungsideal für vereinbar mit der aktiven Teilnahme an einer konservativen Organisation, die sich der Verbreitung der Bibel verschrieben hatte. Zur Zeit der Gründung der PHBG war ein Gegensatz zwischen der religiösen und der weltlichen Einstellung noch nicht stark ausgeprägt; dies vollzog sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts.

Preußische Haupt-Bibelgesellschaft [PHBG]

Der gravierende Unterschied zwischen den früheren weltlichen Vereinen und der PHBG lag ohnehin nicht so sehr in ihrem Anliegen, als in ihrer Haltung zur Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu den eher exklusiven und gar geheimen Assoziationen des späten 18. Jahrhunderts bemühte sich die PHBG von Anfang an um öffentliche Wirkung. Dies zeigte sich in ihrer Vernetzung mit weiteren Bibelgesellschaften sowie in der Tatsache, dass die Mitgliedschaft in der PHBG lediglich von der Leistung eines Beitrages abhing. Auch wenn ihre Mitglieder sich nicht als Freunde der Aufklärung, sondern als Förderer des Christentums verstanden, wurden hier – und nicht in früheren „säkularen“ Vereinen – zum ersten Mal spezifische Interessen öffentlich vertreten und umgesetzt. Struktur und Organisation: Die Direktion, die an der Spitze der PHBG stand, wurde von den Mitgliedern gewählt und bestand aus einem Präsidenten, drei oder mehr Vizepräsidenten, zwölf oder mehr Direktoren, drei Sekretären und einem Schatzmeister. Nach der Satzung (§ 10) legte die Hälfte der Direktoren jährlich ihr Amt nieder. Diejenigen, „die den Zweck der Gesellschaft besonders befördern, können wieder gewählt werden“. Monatliche Versammlungen dienten unter anderem dazu, den Fortschritt der Arbeit der PHBG zu bewerten. Jährlich fand eine allgemeine Versammlung statt, in welcher die neuen Direktoren gewählt, der Bericht über die Fortschritte der Gesellschaft vorgelesen sowie der Kassenstand vorgelegt wurden. Der Bericht und die Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der Gesellschaft, ausgewählte Briefe sowie die Namen und Subskriptionen der Mitglieder und Wohltäter wurden gedruckt. Alle Geschäfte des Ausschusses geschahen unentgeltlich. Der jährliche Mitgliedsbeitrag betrug in den Gründungsjahren einen Taler. Die PHBG pflegte keine „Geselligkeit“. Lediglich einmal jährlich wurde ein Stiftungsfest

veranstaltet, zu dem auch das „gesamte Publikum“ eingeladen war. Mitglieder: Vorstandsmitglieder 1814 bis 1860 (mit Angabe der Amtsdauer): a) Der Gründungs-Ausschuss: Gustav Frhr. v. Boye; v. Diericke; v. Diez; Hanstein; v. Kircheisen; Dr. Marheineke; Neander; Nicolovius; Nolte; Parthey; v. d. Reck; Ribbeck; Friedrich Sack; v. Schrötter; v. Schuckmann; Schultz; Süvern. – b) Präsidenten: Friedrich Otto v. Diericke (1814–1818); Friedrich Leopold v. Kircheisen (1819–1824); v. Schuckmann (1825–1832); Ludwig Gustav v. Thile (1833–1847); Uhden (1848–1849); v. Rau­ mer (1851–1857); Couard (ab 1858). – c) Vizepräsidenten (chronologisch): I. Wilhelm v. Klewiz (1814–1831); Friedrich Leopold v. Schrötter (1814–1815); Graf v. d. Groeben (Gröben) (1832, 1834–1847); Prediger D. Couard (1848–1857); Prediger D. Arndt (ab 1858); II. Friedrich Leopold v. Kircheisen (1814–1818); Rosenstiel (1820–1830); v. La Roche (1832–1838); Geh. Oberjustizrat Dr. Goeschel (1842–1843); Oberkonsistorialrat Theremin (1844–1845); Staats- und Justizminister Uhden (1846–1847); Oberkonsistorialrat und Prof. D. Nitzsch (ab 1848); III. Eberhard v. d. Recke-Stockhausen (1814–1816); Ludwig Nicolovius (1817–1832); Hofprediger und Oberkonsistorialrat Friedrich Ferdinand Sack (1833–1840); Kriminaldirektor Hitzig (1845–1848); Oberkonsistorialrat Snethlage (ab 1850); IV. Staatsminister Friedrich v. Schuckmann (1814–1824); Justizminister Graf Danckelmann (1825–1829); Oberpräsident v. Schoenberg (1830–1831); Oberkonsistorialrat und Propst Roß (1832–1851); Geh. Regierungs- und Oberkonsistorialrat v. Mühler (ab 1852); V. Generalmajor Ludwig Gustav v. Thile (1830–1832); Generalmajor v. Diest (1833–1846); VI. Generalmajor Adolf Eduard v. Thile (1830–1831). – d) Direktoren (alphabetisch): Prediger Anders (1818– 1826); Prediger Arndt (1833–1839); Konsistorialrat Bachmann (ab 1834); Kommerzien233

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

rat Behrendt (1849–1856); Prediger Berner (ab 1854); Dr. Boetticher, Prof. am FriedrichWilhelm-Gymnasium (1845–1848); Provinzialschulrat Bormann (ab 1853); Generalmajor v. Boye (1834); Prediger Bräunig (1834– 1857); Generalsuperintendent Büchsel (ab 1847); Prediger Christian Ludwig Couard (1819–1847); Generalmajor v. Diest (1832); Geh. Legationsrat Heinrich Friedrich v. Diez (1814–1816); Samuel Elsner (1814–1816); Konsistorialrat Fournier (ab 1849); Geh. Kabinetts- und Staatsarchivar Friedländer (ab 1856); Geh. Finanzrat Gamet (ab 1849); Oberlandesgerichtsrat Wilhelm v. Gerlach (1828); Geh. Oberjustizrat Göschel (1836– 1841); Prediger Goßner (1832–1847); Propst August Ludwig Hanstein (1814–1819); Oberkonsistorialrat An­dreas Jakob Hecker (1814– 1818); Geh. Hofrat Hegewald (Heegewald) (1825–1833); Hofprediger v. Hengstenberg (ab 1856); Prediger Henry (1850–1852); Prediger Justus Gottfried Hermes (1814–1817); Kriminal­direktor Hitzig (1833–1844); Oberlehrer Hofmann (Hoffmann) (1819); GeneralSuperintendent Hoffmann (ab 1856); Konsistorialrat Hoßbach (Hossbach) (1826–1835); Prediger Ideler (1827–1847); Johann Jänicke (1814–1816); Legationsrat Jordan (1848); Prediger Kaiser (1853–1857); Lederfabrikant Kampffmeyer (1834–1854); Hoflackierer Johann Sigismund Kecht (1817–1824); Prediger Knak (ab 1850); Stadtrat Knoblauch (1837– 1838); Seidenhändler Knobloch (1828); Superintendent Kober (ab 1825); Regierungsrat Köhne (1858–1860); Geh. Oberregierungsrat Christian Gottlieb Körner (1814– 1824); Erziehungsinspektor Kopf (ab 1835); Major v. Kosch­kull [vermutl. Leonhard Magnus Erhard Adam Baron v. Koschkull, Generalleutnant] (1844–1847); Hans Ernst Baron v. Kottwitz (1814–1818); Prof. Kranichfeld (1830–1851); Hofprediger Krummacher (1848–1852); Superintendent Küster (1819– 1824); Prediger Kuntze (Kunze) (1833–1854); Oberbergrat Carl v. La Roche (1822–1833); Kammergerichtsrat Le Coq (1825–1827); 234

Konsistorialrat Prof. Lehnerdt (1852–1856); Prediger Friedrich Gustav Lisco (1824–1847); Generalagent Lobeck (1836–1854); Philipp Konrad Marheineke (1814/15, 1817–1823); Geheimrat und Konsistorialpräsident Mathis (ab 1858); Geh. Legationsrat Ernst Michaelis (1817–1833); Oberstlieutenant v. Michaelis (ab 1856); Oberkonsistorialrat (Geh. Regierungsrat) v. Mühler (1850–1851); August Neander (1814–1850); Konsistorialrat Carl Adolph Nicolai (1814–1838); Staatsrat Ludwig Nicolovius (1814–1816); Oberkonsistorialrat Johann Wilhelm Heinrich Nolte (1814– 1830); Prediger Orth (ab 1849); Daniel Friedrich Parthey (1814–1816, 1820–1821); Prof. Pfund (1821–1824); Konsistorialrat Prof. Pischon (Pichon) (1826–1856); Propst Konrad Gottlieb Ribbeck (1814–1825); Prediger Ringeltaube (1825–1835); Konsistorialrat Carl Ritschl (1819–1826); Generalmajor v. Roeder (1830–1841); Geh. Oberfinanzrat Friedrich Philipp Rosenstiel (1814–1815, 1817–1819); Propst und Oberkonsistorialrat Roß (1829–1831); Oberst v. Rudloff (1844– 1847); Bischof Friedrich Samuel Gottfried Sack (1816); Major Graf v. Schlieffen (1834– 1836); Geh. Justizrat Theodor Schmalz (1821– 1824); Geh. Oberregierungsrat Johann Heinrich Schmedding (1814–1820); Oberpräsident v. Schoen­ berg (1829); Staatsrat Friedrich Schulz (1814–1817); Prediger Schultz (1824–1827); Prediger Schweder (1840– 1844); Oberkonsistorialrat und Hofprediger Snethlage (1848–1849); Prediger Souchon (ab 1845); Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Steffens (1834–1843); Prediger der Berliner Brüdergemeine Johann Heinrich Ludwig Stobwasser (1828–1832); Fabrikbesitzer Christian Heinrich Stobwasser (Mitglied bis 1848, Direktor 1832); Hofprediger Gerhard Friedrich Strauß (1823–1828); Kaufmann David Strehmann sen. (1825–1826); Geh. Oberregierungsrat Johann Wilhelm Süvern (1814–1828); Major v. Sydow (1830–1843); Oberkonsistorialrat Franz Theremin (1814–1843); Generalmajor Adolf Eduard v. Thile (1829); Seminar-

Preußische Haupt-Bibelgesellschaft [PHBG]

direktor Thilo (ab 1856); Prof. August Tholuck (1821–1825); Staats- und Justizminister Uhden (1845); Major Westphal (1850); Garnisonprediger Ziehe (1834–1858). – e) Bibliothekare: Prediger Schweder (1832–1839); Prediger Arndt (1840–1857); Prediger Kaiser (1858); Major Westphal (ab 1859). – f) Sekretäre: I. Kaufmann Elsner (1814–1855); Regierungsrat Köhne (1859–1861); II. Prediger Jänicke (1814/15, 1817–1826); Brigadeprediger Mann (1816); Geh. exped. Sekretär Weymann (1827–1844); Garnisonprediger Prof. Strauß (ab 1848); III. Kammergerichtsreferendar v. Michaelis (1814–1816); Hofprediger Friedrich Ferdinand Sack (1817–1832); Fabrikbesitzer Stobwasser (1833–1848); Legationsrat Jordan (1849–1858); IV. Kandidat der Theologie Karl Heinrich Sack (1817); Kammergerichtsreferendar und Stadtrat Dieterich (1820–1851); Major Westphal (ab 1851). – g) Schatzmeister: Hofrat Parthey (1814–1819); Oberlehrer Hofmann (1820–1826); Kaufmann David Strehmann sen. (1827–1832); Kaufmann Eduard Strehmann jun. (1832–1863). Der erste Präsident, General-Leutnant Christoph Friedrich Otto v. Diericke, war seit März 1809 militärischer Erzieher der königlichen Prinzen und zugleich Vorsitzender der Militärexaminations- und der Ordenskommission. Weniger als ein Jahr vor Gründung der PHBG wurde Diericke zum Ritter des Schwarzen Adlerordens ernannt und erhielt die Aufsicht über sämtliche Militärbildungsstätten. So wie Diericke standen die meisten Gründer der PHBG im Dienst des Staates, teilweise in hochrangigen Positionen. Bei der Entstehung der PHBG fungierten zwei ihrer vier Vizepräsidenten als aktive Staatsminister: Friedrich Leopold v. Kircheisen, Justizminister zwischen 1810 und 1825, der auch häufig Diericke vertrat, sowie Friedrich v. Schuckmann, Innenminister zwischen 1814 und 1834. Auch die weiteren Vizepräsidenten Eberhard v. d. Reck-Stockhausen und Friedrich Leopold v. Schrötter hatten früher in ministerähnlichen Stellen gedient.

Bei der Gründung der PHBG im August 1814 war die Hälfte der zwölf Direktoren zunächst als Rat in der Sektion für den Kultus und öffentlichen Unterricht des Innenministeriums und dann im Kultusministerium tätig. Hierzu zählten: Ludwig Nicolovius (Direktor für den Kultus in der eben genannten Sektion des Innenministeriums und ab November 1817 Direktor der Geistlichen und Unterrichtsabteilung im Kultusministerium) sowie August Ludwig Hanstein (Oberkonsistorialrat und Propst an der Petrikirche), Konrad Gottlieb Ribbeck (Oberkonsistorialrat und Propst an der Nicolai- und Marienkirche), Johann Heinrich Schmedding, Johann Wilhelm Süvern, Friedrich Schultz und Christian Gottlieb Körner. In zwei Fällen wurden PHPG-Direktoren später in das Kultusministerium aufgenommen. Im Gründungsjahr 1814 zählte auch der Prediger Franz Theremin zur Direktion. Er war seit 1815 Hofund Domprediger und trat 1824 als Rat in das Kultusministerium ein; der Direktion der PHBG gehörte er 31 Jahre an. Auch der Hofund Domprediger Gerhard Friedrich Strauß bekleidete bereits 1823 einen Direktionsposten in der PHBG, bevor er 1836 zum kultusministeriellen Rat ernannt wurde. Die enge Bindung der PHBG an staatliche Behörden wurde auch dadurch offensichtlich, dass einige ihrer Direktoren dem Konsistorium für die Provinz Brandenburg angehörten. Johann Wilhelm Heinrich Nolte (Direktor 1814–1830) diente ab 1816 als brandenburgischer Konsistorialrat. Ein weiterer Direktor (1814–1819), Andreas Jakob Hecker, gehörte auch 1816 dem brandenburgischen Konsistorium an. Der Kirchenhistoriker August Neander, der 1814 zum Direktor ernannt wurde, trat 1820 in das brandenburgische Konsistorium ein. Die Theologen Philipp Konrad Marheineke und August Tholuck wurden 1814/15, 1817–1823 bzw 1821 zu PHBGDirektoren gewählt. Als Professoren an der Berliner Universität (wie Neander) standen sie ohnehin der Regierung nah. Unter den 235

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Mitgliedern des brandenburgischen Konsistoriums zählten zwischen 1814 und 1824 auch Carl Adolph Nicolai, Carl Ritschl und Peter Heinrich Wilhelm Hoßbach zu den Direktoren der PHBG. Zur Direktion der PHBG gehörten auch Juristen im staatlichen Dienst, darunter sogar zwei Justizminister. Dem Justizminister Kircheisen, der zwischen 1819 und 1825 als Präsident der PHBG fungierte, folgte nach seinem Tod Graf Heinrich v. Danckelman von März 1825 bis 1830 in das Amt des Justizministers und ab 1825 als einer der PHBG-Vizepräsidenten. Zu den Juristen in der Direktion zählten zwischen 1819 und 1824 auch der Kammergerichtsreferendar J. J. Dieterich, Theodor Schmalz und der Kammergerichtsassessor und spätere Diplomat Karl Emil Gustav Le Coq. Obwohl kein Jurist, war im Gründungsjahr 1814 ein weiterer Direktor, Heinrich Friedrich v. Diez, bereits im Staatsdienst tätig. Zwischen 1784 und 1790 diente Legationsrat Diez als Gesandter zu Konstantinopel. Zu den ersten Direktoren zählte schließlich auch der Hofrat Daniel Friedrich Parthey, der den Verlag seines Schwiegervaters Friedrich Nicolai nach dessen Tod 1811 übernahm. Auch wenn Offiziere nicht als Regierungsmitglieder galten, so standen sie der Regierung sehr nah. Schon 1805 hatten Offiziere Jänickes  Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten unterstützt und häufig traten sie nach Gründung der PHBG dieser Gesellschaft bei. Die enge Verbindung der PHBG zum Militär war schon durch die Wahl eines Generalleutnants zum ersten Präsidenten offenkundig. Unter den Offizieren, die vor 1848 der Direktion der PHBG angehörten, waren Gustav v. Boye, Karl v. Roe­der (Adjutant des Kronprinzen), Carl Graf v. d. Gröben (Vertrauter des Kronprinzen), Friedrich Hermann v. Sydow, Karl Gustav v. Rudloff, Carl Philipp August Graf v. Schlieffen und Major Westphal. Das große Interesse, welches viele Offiziere bei der Förderung der PHBG zeigten, deutet auf ein stark religiöses Element im Heer hin. 236

In den Jahren nach ihrer Gründung zog die PHBG weiterhin Regierungsmitglieder an. So war Wilhelm v. Klewiz, der zwischen 1813 und 1816 als Zivilgouverneur der Länder zwischen Weser und Elbe und dann ab Ende 1817 bis Mitte 1825 als Finanzminister diente, 1816 als einer der Vizepräsidenten der PHBG tätig. Ernst Michaelis, Legationsrat im Außenministerium, trat 1819 dem Direktionsausschuss bei. Bereits 1816 wurde der Geheime Oberfinanzrat Friedrich Philipp Rosenstiel in die Direktion aufgenommen. Rosenstiel war seit 1778 im preußischen Staatsdienst tätig und nach 1817 Direktor der Königlichen Porzellanmanufaktur. Im Jahre 1822 nahm der Geheime Oberbergrat Carl v. La Roche die Position eines Direktors an. Auch der Hofrat Johann David Heegewaldt, der als Geheimer Kanzleidirektor dem Staatssekretariat angehörte, wurde 1825 Mitglied der Direktion. Die dritte Sekretärsposition vertraten die Söhne des einflussreichen Hofpredigers und Bischofs Friedrich Samuel Gottfried Sack, der im Jahre 1816 selbst den Posten eines Direktors innehatte. Zwischen 1814 und 1819 übernahm der Kandidat der Theologie Karl Heinrich Sack dieses Amt, bevor er 1819 als Professor für Theologie an die Universität Bonn ging. Sein Bruder Friedrich Ferdinand Sack, seit 1817 Hof- und Domprediger, sollte 1834 sogar Vizepräsident der Gesellschaft werden. Durch die Heirat ihrer Schwester Amalie mit Friedrich Eichhorn im Jahre 1811 wurden Karl und Friedrich Sack Schwäger des späteren preußischen Kultusministers. Schatzmeister der PHBG waren zwischen 1814 und 1825 Daniel Friedrich Parthey (bis 1819) bzw. Oberlehrer Hoffmann (ab 1820). Zu den Mitgliedschaften zwischen 1814 und 1850 vgl. die Berichte der PHBG in: Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 1–10 (1817–1826), 13 (1829), 15–16 (1831–1832), 18 (1834), 24 (1840), 26–28 (1842–1844), 30 (1846), 34 (1850); die Zusammenstellung der Namen der Vorstandsmitglieder in den ersten

Preußische Haupt-Bibelgesellschaft [PHBG]

fünfzig Jahren ihres Bestehens, in Thilo, 1864, S. 299–303, und Breest, 1914, S. 40–41. Querverweise auf andere Vereine: Enge Verbindungen bestanden zur Muttergesellschaft in London, weiterhin Kontakte zu den ca. 300 Länder-Gesellschaften, u. a. in England, Russland, Schweden, Dänemark, Holland, Indien, China, Afrika und Amerika. – Johann Jänickes  Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten ging in der PHBG auf. Jänicke gehörte zu den Gründungsmitgliedern der PHBG und war von 1814 bis 1816 Direktor und bis 1826 Sekretär der neuen Gesellschaft, so wie ihr auch der Kaufmann Samuel Elsner, ehemals Mitarbeiter in der Bibelgesellschaft, von 1814 bis 1816 als Direktor und von 1814 bis 1855 als Sekretär diente. – Die jüngere und kleinere „Schwester“ der PHBG war der etwa zeitgleich gegründete  Haupt-

verein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten, der sich als Ergänzung, als kleinbürgerliches Pendant zur PHBG verstand. Verbreitete diese die Bibel „ohne Note oder Anmerkung“, versuchte jener bei der Verbreitung von Traktaten „die Geschichten der Bibel zur Lehre oder lehrhaft und die Lehren der Bibel zur Geschichte zu machen, nämlich zur Geschichte des menschlichen Herzens und Lebens“ (Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 5. Jg., S. 73). Es gab mehrere Doppelmitgliedschaften. Waren die PHBG und die Traktatgesellschaft allgemein missionarisch angelegt, so die beiden  Missionsgesellschaften zur Beförderung des Christentums unter den Heiden und zur Beförderung der evangelischen Mission unter den Juden speziell zur Ausbildung und Ausrüstung geeigneter Personen für den direkten Missionsdienst. Auch hier gab es personelle Überschneidungen. – Über Wilhelm v. Gerlach bestand eine Verbindung zum  Maikäferklub, über Ernst v. Kottwitz zur Berliner Erweckungsbewegung. Bibliographie: a) Akten: GStA PK, I. HA, Rep. 76, III Sekt. 1 Abt. XIV Nr. 14 Bd. 1

(Bibelbenutzung in den Schulen). – GStA PK, I. HA, Rep. 76, III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 12 Bd. 1, n. f. (Adresse Pinkertons vom 2.8.1814). – GStA PK, I. HA, Rep. 76, III Sekt. 1 Abt. XIV Nr. 23 Bd. 1. – GStA PK, I. HA, Rep. 77, Tit. 1053, Nr. 18, Bd. 2 (Verzeichnis der in Berlin wohnenden Mitglieder der PHBG von 1839, Bl. 96v–97v). – GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 23555. – GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 23556 (Immediateingabe vom 31.8.1814 mit der Bitte um königliche Genehmigung der PHBG, Bl. 1; Präsident Thile an Friedrich Wilhelm IV. über Tochtergesellschaften vom 24.9.1840, Bl. 164v). – GStA PK, I. HA Rep. 74 Staatskanzleramt, L I Gen. Nr. 30. – I. HA Rep. 74 Staatskanzleramt, L I Nr. 19. – b) Gedruckte Quellen: Bericht über die Preußische Hauptbibelgesellschaft in Berlin. In: Vossische Ztg., 6. Januar 1820, St. 3, S. 7. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend […]. Berlin 1816, S. 167. – Breest, Ernst: Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft. Im Auftrag der Direktion, verf. von ihrem Sekretär. Berlin 1914. – Eylert, Rulemann Friedrich: Über Bibelgesellschaften und die Vereinigung der Völker durch das Land des Christenthums. Zwei Reden. [s. l.] 1819. – Funk, M.: Samuel Elsner. Eine Lebensskizze. Berlin 1878 (Hg. u. verl. von dem Haupt-Verein für christliche Erbauungsschriften). – Gesetz-Sammlung für die KöniglichPreußischen Staaten. Berlin 1822. – Kamptz, Karl v. (Hg.): Annalen der Preußischen Inneren Staats-Verwaltung. Bd. 2 (1818), Bd. 6 (1822), Bd. 7 (1823), Bd. 9 (1825). – Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes. Jg. 1–35, Berlin 1817–1851 (besonders: 1–10 (1817–1826), 13 (1829), 15–16 (1831–1832), 18 (1834), 24 (1840), 26–28 (1842–1844), 30 (1846), 34 (1850). – Pinkerton, John: Ex­tracts of letters from the Rev. Robert Pinkerton on his late tour in Russia, Poland and Germany. London 1817. – Süvern, Johann Wil237

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helm: Entwurf eines allgemeinen Gesetzes mischen oder Bethlehems-Kirche zu Berlin; über die Verfassung des Schulwesens im preu- nach seinem Leben und Wirken dargestellt, ßischen Staate. (1819). In: Thiele, Gunnar: zum Besten des Mission für China hg. v. G. Süverns Unterrichtsgesetzentwurf vom Jahre Knak. Berlin 1863. – Maser, Peter: Hans Ernst 1819. Leipzig 1913. – Thilo, Wilhelm: Ge- von Kottwitz. Studien zur Erweckungsbeweschichte der Preußischen Haupt-Bibelgesell- gung des frühen 19. Jahrhunderts in Schle­ schaft in ihrem ersten Halbjahrhundert 1814– sien und Berlin. Göttingen 1990, bes. S. 160– 1864. Zur Jubel-Feier auf Veranstaltung der 164 (Kirche im Osten. Studien zur osteuroDirektion. Berlin 1864. – c) Forschungslite- päischen Kirchengeschichte und Kirchenkunratur: Althausen, Johannes: Kirchliche Gesell- de, Monographienreihe, Bd. 21). – Rathgeber, schaften in Berlin 1810 bis 1830. Diss., Halle/ Christina: Zwischen Staat und Gesellschaft: Saale 1965. – Dilthey, Wilhelm: Süvern, Jo- Die „Preußische Hauptbibelgesellschaft“ und hann Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Bio- der „Hauptverein für christliche Erbauungsgraphie, Bd. 37, S. 206–245. – Gundert, Wil- schriften in den preußischen Staaten“ (1814– helm: Geschichte der deutschen Bibelgesell- 1848). In: Acta Borussica, Neue Folge, hg. v. schaften im 19. Jahrhundert. Bielefeld 1987. – Wolfgang Neugebauer, 2. Reihe: Preußen als Kulke, M. (Hg.): Gnadenführungen Gottes in Kulturstaat, Bd. 3/1, Berlin 2012, S. 55–103. dem Leben des Schulvorstehers Friedrich Sa- – Themel, Karl: Die Mitglieder und die Leimuel Dreger. Zugleich ein Blick in das kirch- tung des Berliner Konsistoriums von 1816– liche Leben und die kirchliche Verhältnis- 1900, III. Teil. In: Jb. f. Berlin-Brandenburgise Berlins am Ende des vorigen und am An- sche Kirchengeschichte 43 (1968), S. 55–112. fang dieses Jahrhunderts. Berlin 1860. – Led- – Wiegand, Friedrich: Der Verein der Maiderhose, Carl Friedrich: Johann Jänicke: der käfer in Berlin. In: Deutsche Rundschau 160 evangelisch-lutherische Prediger an der böh- (1914), S. 279–291. Christina Rathgeber

Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden [MissJud] Name: Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden, zu Berlin; auch: Judenmission, Judenmissionsgesellschaft. Gründung: Januar 1822. – Die Anfänge der Missionierungsbestrebungen unter den Juden reichen in Berlin bis in die Zeit um 1800 zurück und sind v. a. mit Johann Jänicke verbunden. Von seiner Missionsschule kam 1801 der Proselyt Josef Samuel Friedrich Frey (1771–1851) nach London, um in den Dienst der dortigen Missionsgesellschaft zu treten. Nachdem er in Londoner Synagogen missioniert hatte, wurde er 1805 als Judencommissar installiert. Bereits 1807 nahm die Londoner Missionsgesellschaft Kontakt zu Jänicke und seinem Kreis auf. Doch erst Jahre später 238

wurde die Sache der Judenmission in Berlin vereinsmäßig organisiert. Bestand: 23. Januar 1941 von den Nationalsozialisten aufgelöst und der Besitz konfisziert. Sitz: Unbekannt. Das erste Treffen fand am 18. Januar 1822 in der Wohnung von General Job v. Witzleben statt. Die Jahresversammlungen fanden abwechselnd in verschiedenen Berliner Kirchen statt. Programmzitat: „Die Stimme Gottes sagt uns, das die ganze Erde einst die Herrschaft Jesu Christi anerkennen soll, dass vor allen die Kinder Israels ihn suchen werden in aufrichtiger und bitterer Reue; dass nur nach ihrer Be-

Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden [MissJud]

kehrung die aller übrigen Völker werde vollendet werden; ja, dass vornehmlich die israelitischen Christen jener allgemeinen Bekehrung als Muster und Werkzeug dienen sollen. Welche dringendere und heiligere Pflicht haben wir also zu erfüllen als die: das Evangelium in ihre Hände zu geben?“ (Vorwort zur Grundverfassung, Berlin, 1. Februar 1822. In: Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 6 (1822), S. 65–70, hier 65.) Geschichte und Programmatik: Die MissJud war ein Kind der Berliner Erweckungsbewegung. Die Männer, die sich zur Gründung im Januar 1822 vereinsartig zusammenschlossen (der Verein wurde erst Anfang Februar nach Überreichung der Statuten vom König formell genehmigt), stammten aus der städtischen Elite und waren alle schon mehrfach in anderen christlichen Vereinen und Gruppen tätig. Präsident der neuen Gesellschaft war Job v. Witzleben, seit 1817 Chef des Militärkabinetts und ein Vertrauter der königlichen Familie. Hofprediger Franz Theremin, der 1819 vom Predigtstuhl des Berliner Doms die Gründung einer Judenmissionsgesellschaft vor der Öffentlichkeit gefordert hatte, und der Leiter der Sektion für Kultus und öffentlichen Unterricht im 1817 gegründeten Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten Georg Heinrich Ludwig Nicolovius amtierten als die ersten zwei VizePräsidenten. Unter den anderen Gründungsmitgliedern befanden sich der spätere preußische Außenminister Legationsrat Johann Peter Friedrich Ancillon, der Rektor der Berliner Universität Theodor Anton Heinrich Schmalz und der Erweckungstheologe und Orientalist Friedrich August Gotttreu Tholuck. Zwei Modelle waren für das neue Unternehmen prägend. Das von Johann Heinrich Callenberg 1728 gegründete Institutum Judaicum in Halle hatte bis zu seiner Auflösung im Jahre 1792 die Juden Mitteleuropas kontinuierlich missioniert. Die reisenden „Agenten“ des Instituts (meistens junge Theologen)

waren auch mit eigens für die Judenmission verfassten Traktaten ausgerüstet. Callenberg und seine Nachfolger legten großen Wert auf gute Sprachkenntnisse – das Ausbildungsseminar für Jiddisch an der Universität Halle war das erste dieser Art in Europa. Geschichte und Methodik der Hallenser Mission waren den Berliner Gründungsmitgliedern über das beachtliche Schrifttum des Instituts – bestehend aus gedruckten Missionsreisetagebüchern, Traktätchen und Programmschriften unterschiedlicher Art – gut bekannt. Als zweites Beispiel zur Nachahmung galt die seit 1809 in London tätige Society for the Promoting of Christianity Among the Jews, eine typische Missionsgesellschaft des neuen Typs, finanzstark, unterstützt von einflussreichen Gönnern aus der politischen und gesellschaftlichen Elite, getragen von einer breiten Mitgliedschaft und gegliedert in zahlreiche Tochter- und Hilfsgesellschaften. In einer am 1. Februar 1822 verfassten und dem König überreichten Urkunde beschrieben die Gründungsmitglieder Mittel und Zwecke der neuen Gesellschaft. Ihre Bemühungen seien darauf gerichtet‚ „diejenigen Vorurtheile und Verblendungen zu zerstören und solche falsche Auslegungen des Alten Testaments zu berichtigen, welche bisher die Masse des jüdischen Volkes verhindert haben, in Jesu Christo ihren Messias, den Sohn Gottes und den Gründer ihrer künftigen Herrlichkeit und ihres Heiles zu erkennen“. „Wir behaupten weder neue Wahrheiten noch neue Pflichten entdeckt zu haben. Die wahre christliche Religion ist immer dieselbe gewesen und bleibt immer dieselbe; allein wir halten den gegenwärtigen Augenblick für besonders geeignet zu einer allgemeinen Verkündigung ihrer ewigen Wahrheiten an die Nachkommen Abrahams, die noch immer irregehen in der Wüste und durch Blendwerk getäuscht, mit geschlossenen Augen wandeln mitten im Lichte.“ Sie verfolge damit nicht nur eine religiöse und heilsgeschichtliche, sondern auch eine gesellschafts239

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politische Aufgabe, denn erst durch das Ge- als ein fruchtbarer gezeigt hat, den Saamen lingen der Judenbekehrung werde „auch jene fortzustreuen, als aufs Ungewisse einen neuScheidewand fallen“, welche „die Interessen, en Boden zu suchen“ (Mittheilungen aus den Neigungen und Gesinnungen unserer israeli- neuesten Tagebüchern der Missionare der Berlitischen Mitbürger von den unsrigen trennt“. ner Gesellschaft zur Verbreitung des Christen­ Als Hauptmittel zur Judenbekehrung sollte thums unter den Juden. In: Neueste Nachrichdie Heilige Schrift dienen. Durch „Missiona- ten aus dem Reiche Gottes 10 (1826), S. 323– re und Agenten“ sollten jüdische Gesprächs- 329, hier 323). In späteren Jahren wurden die partner zur Überzeugung geführt werden, Missionsreisen extensiver. Im Laufe des Jahdass Christus der Messias sei, „auf den die res 1855 konnten der Missionar Kraft und Verheißungen und Weissagungen des Alten die zwei Agenten Krüger und Jacobssohn Testaments hindeuten“. Die Angelegenhei- „fast alle bedeutenden Städte“ von Brandenten der Gesellschaft sollten durch ein selbster- burg, Pommern, Preußen und Posen besunanntes, sich einmal im Monat versammeln- chen. Das lag zum Teil an dem verbesserten des Komitee verwaltet werden; Mitglieder sei- Verkehrsnetz, widerspiegelte aber auch den en alle die, „welche sie mit einem übernom- Wandel im räumlichen Profil der jüdischen menen Geldbeitrage von jährlich einen Thaler Bevölkerung, die nicht mehr so stark wie in zum mindesten unterstützen“. Einmal im Jahr den 1820ern in der Provinz Posen konzen­ sollte eine allgemeine Versammlung der Ge- triert war. sellschaft stattfinden, in welcher „Bericht über Anfänglich war es möglich, als Missionar undie Fortschritte“ erteilt werden sollte. behelligt in kleinstädtische Synagogen zu geUnterstützt wurde die Arbeit der Judenmis- hen, um Missionsschrifttum zu verteilen oder sion auch durch staatliche Begünstigungen. sogar unaufgefordert vor den Gläubigen zu Juden, die sich bekehren ließen, bekamen, predigen. Dieses aus heutiger Sicht unsensible wenn sie den Namen des preußischen Kö- Verhalten wurde jedoch bald als störend und nigs als Taufpaten in die Kirchenbücher ein- respektlos empfunden, umso mehr, wenn es tragen ließen, ein königliches Taufgeschenk sich bei den Missionaren um Jiddisch sprevon 30 Talern. Wie viele andere Missionsver- chende Konvertiten aus dem Judentum haneine erhielt die Gesellschaft das Privileg der delte. Nach mehreren Zusammenstößen zwiPortofreiheit. Die Konversion wurde, trotz schen Missionaren und empörten jüdischen der grundsätzlichen Emanzipation der preu- Gläubigen wurde im Laufe der 1840er Jahre ßischen Juden, als Bedingung für die Beför- von Synagogenbesuchen abgesehen zugunsderung in höhere Staats- und Lehrämter an- ten der stillen Arbeit an Einzelnen auf Straßen gesehen. Damit wurde der Staat Preußen ge- und in Wohnhäusern. Die Missionare besuchten auch jene Messen, wo jüdische Händler wissermaßen selbst zu einer Missionsanstalt. Die Missionare der Gesellschaft reisten fast und Kleinhändler zu finden waren. Auf seiununterbrochen. Im ersten Jahr seiner Tätig- nem Weg zur großen Frankfurter Messe entkeit (1826) war Missionar Händeß ständig un- deckte Missionar Teichler 1840 erfreut, dass terwegs zwischen Posen, Meseritz, Inowrac­ im Postwagen einige Juden mitreisten. „Sie law, Strzellno, Tirschtiegel, Pinna, Samoczin, fragten mich nach den Geschäften, welche ich Trzemesno, Margonin, Chodziesen, Roga- in Frankfurt machen wollte. Ich sagte ihnen, sen, Oberzilzko, Pinna „und anderen Orten“. ich wollte auch handeln, wie sie, aber mit Die Komiteemitglieder bevorzugten in den der Wahrheit und mit dem Glauben. Sie sind frühen Jahren das intensive Missionieren von also ein Missionar, sagten sie, nun werden Sie relativ kleinen Räumen, „denn besser ist es nicht viele Geschäfte machen“ (Jahresbericht wohl immer auf dem Boden, der sich einmal der MissJud, 18 (1841), S. 16). Es wurde auch 240

Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden [MissJud]

in Berlin für Juden und Proselyten ein speziel- Die protestantische Hoffnung auf eine bevorler Gottesdienst eingerichtet. stehende Massenbekehrung, auf die freiwilliMit beachtlicher Energie machten sich die ge, heilsgeschichtliche Selbstauflösung des JuMissionare ans Werk, beseelt von der Über- dentums, war stets mit tiefen Zweifeln gepaart. zeugung, die Bekehrung der Juden würde das Auch die Publizistik der Berliner MissJud osEnde der Zeit im Sinne des christlichen Heils- zillierte zwischen christlichem Bekehrungsversprechens herbeiführen. Es gab auch ver- eifer und sich ereifernder Abkehr von den einzelte Erfolgsmeldungen. Auf die Begeiste- „verstockten“ Objekten desselben. Das prägrung und Selbstüberschätzung der frühen Jah- te auch die Reaktionen des Berliner Judenre folgte jedoch bald tiefgreifende Ernüch- missionsmilieus auf das Aufkommen des rasterung. Die Missionare kamen bald zu der sischen Antisemitismus. Charakteristisch in Einsicht, dass die Mission auch ohne sicht- dieser Hinsicht sind die Anschauungen des bare Erfolge werde auskommen müssen. Da Theologen und Historikers Johannes de le man sich nicht mittels der vielen gelunge- Roi, dessen dreibändiges Werk Die evangelinen Einzelkonversionen legitimieren konn- sche Christenheit und die Juden: unter dem Gete, blieb die Hoffnung auf die noch bevorste- sichtspunkte der Mission geschichtlich betrachtet hende Massenbekehrung das Hauptargument. (Bd. 1: Karlsruhe und Leipzig 1884; Bde. 2 u. Der Erfolg der Mission sei nicht an der Zahl 3: Berlin 1891f.), gewissermaßen der konseder Konvertiten zu messen, sondern an der quenteste Ausdruck der für die Berliner Missich angeblich allmählich vollziehenden inne- sionarskreise geltenden „Judenmissionsideoloren – und somit unsichtbaren – Verwandlung gie“ war. Hier wurde ein detaillierter Überdes Judentums. Die Missionsgespräche und blick über die Geschichte christlicher JudenBüchersendungen wären damit nur der kleine mission mit zum Teil antisemitisch geprägten Sauerteig, der im Laufe der Zeit eine Gärung diagnostischen Erörterungen gegenwärtiger im Laibe des Judentums herbeiführen würde. Fragen verknüpft. De le Roi neigte bisweilen Die Mission an den Juden sei eine „Tränen- zu Auslassungen, die sich, trotz seiner theolosaat“: so ein geflügeltes Wort unter den Ber- gisch fundierten Ablehnung des Rassegedanliner Judenmissionaren des neunzehnten Jahr- kens, von den Tiraden der Antisemiten kaum hunderts. Der magere Erfolg war ein dau- unterschieden. „Die Juden“, schreibt de le erndes Problem. Die Frustration der Missio- Roi, „werden uns in ihrer raschen Heftigkeit nare drückte sich in einer starken Abneigung zu tausend Dingen hinreißen […] sie werzum Reformjudentum aus, welches in kon- den uns von Satz zu Satz, von Zeitstichwort servativen missionsnahen christlichen Krei- zu Zeitstichwort, […] von einer Lösung der sen vielfach als steriler Irrweg, als ein „ent- Bande, welche das Volk mit Christo verbinleertes Judentum“, das alles Frische und Selige den, zur anderen hetzen“ (Johannes de le Roi: am modernen Leben angeblich zerstöre, ver- Stephan Schultz. Ein Beitrag zum Verständnis unglimpft wurde. (Siehe z. B. Anonym: Fanny der Juden und ihrer Bedeutung für das Leben der Lewald, oder das entleerte Judentum. In: Evange- Völker. [Gotha 1871], S. 269). lische Kirchen-Zeitung, Bd. 77 (1865), Nr. 80, Die in der Weimarer Zeit kirchlich isolierS. 945–952, und Nr. 81, S. 961–968.) Die Ko- te und verarmte Berliner Mission (die Judenmiteemitglieder lehnten dementsprechend die missionskollekte wurde im März 1930 von vollständige rechtliche Emanzipation der Ju- der Generalsynode der Altpreußischen Uniden ab; die Trennung zwischen jüdischen und on aus der Liste der offiziellen Kirchenkolchristlichen Mitbürgern sollte nicht durch die lekten gestrichen) geriet nach der Machtergesetzliche Gleichstellung, sondern durch die greifung Hitlers 1933 unter zunehmenden Bekehrung der Juden überwunden werden. Druck. Das Fortbestehen einer Judenmission 241

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in der Reichshauptstadt stand zwar in kras- bestand aus einem Präsidenten, einem Vizesem Gegensatz zur Rassenpolitik der neu- präsidenten, einer Anzahl Direktoren, einem en Machthaber. Es ergaben sich jedoch aus Schatzmeister und einem Vize-Schatzmeister den neuen Verhältnissen auch neue Aufga- und mehreren Sekretären. Das Komitee beben, wie zum Beispiel die geistliche Betreu- hielt sich vor, „Ehren-Mitglieder zu erwähung jener „Judenchristen“, die aus ihren „ari- len und aufzunehmen“ und verwaltete seine schen“ Gemeinden ausgeschlossen worden Angelegenheiten fast vollkommen selbstänwaren. Am 31. Januar 1941 wurden die Büro- dig. Neben dem Sammeln von Geld und Geräume der Gesellschaft in der Kastanienallee schenken, der Verteilung von Schriften und durch Beamte der Gestapo geschlossen. Das der Unterstützung der reisenden Missionare gesamte Inventar wurde beschlagnahmt und gehörte auch das Abhalten von Missionsstundie Bankkonten gesperrt. In einem Brief an den, Missionsgottesdienste und Jahresfeste zu den Evangelischen Oberkirchenrat baten die den Schwerpunkten der Arbeit. Komiteemitglieder vergeblich um Beistand: Vorgesehen in der Grundverfassung des Ver„Alle Mission ist ursprünglich aus der Mis- eins war die Gründung von „Zweig-Gesellsion unter den Juden hervorgegangen. Eine schaften“ außerhalb Berlins. Bereits vor der Kirche, die nicht mehr missioniert, stirbt ab“ Gründung hatte sich ein Netz gleichgesinn(Komitee der Gesellschaft zur Beförderung des ter Christen an verschiedenen provinziellen Christenthums unter den Juden zu Berlin an Standorten bereit erklärt, die Arbeit der Geden Ev. Oberkirchenrat, Berlin, 13. Februar sellschaft zu unterstützen, so u. a. der Apo1941; EZA 7/3648). thekenbesitzer Bolle in Angermünde, der Uhrmacher Marth in Arnswalde, der LeStruktur und Organisation: Anfangs be- derhändler Hübner in Goldberg in Schlestand die Gesellschaft nur aus den 24 Grün- sien, im litauischen Oletzko der Kreis-Jusdungsmitgliedern, die das Komitee bildeten. tiz-Amtmann Horn und viele weitere mehr. Man kam einmal im Monat zusammen, um Insgesamt wurden 38 derartige Gönner gedie Missionsnachrichten zu lesen, einen kur- nannt; von den 31 Personen mit Berufsangazen erbaulichen Vortrag zu hören und zu be- ben waren 8 Pfarrer oder Prediger, 5 Handten. Bis 1836 wurden die Jahresberichte der werker oder Manufakturenbesitzer, 5 KaufGesellschaft auch in Samuel Elsners Berli- männer, 3 Lehrer und 8 Beamte (Polizei-Sener Zeitschrift Neueste Nachrichten aus dem kretär, Amts-Steuer-Einnehmer usw.). Es Reiche Gottes veröffentlicht. Sie bestanden in bildeten sich bald auch Hilfsgesellschaften in der Regel aus einer Gesamtschau über das Detmold (1822), Oletzko, Posen, Königsberg, soeben verlaufene Jahr, Mitgliederlisten, kur- Breslau (1824), Stettin, Ratibor (1832), Danzen Artikeln und – in Anlehnung an die Hal- zig (1835), Frankfurt an der Oder (1838) und leschen Missionsberichte des 18. Jahrhun- Potsdam (1839). Manche dieser Gesellschafderts – Auszügen aus den Tagebüchern der ten bildeten eigene Hilfsvereine, wie Danreisenden Missionare. Vermutlich wurde be- zig zum Beispiel in Bröskerfelde (1839) und reits von Anfang an eine eigene Bibliothek Posen in Thorn, Gleiwitz (1833) und Frauaufgebaut, in die auch die zahlreichen Be- stadt (1834). In Berlin selbst hatten sich bis richte der Missionare aufgenommen wur- Ende 1829 fünf Hilfsvereine gebildet. In der den. Es gab auch ein reichhaltiges Missions- Provinz Posen unterhielt die Gesellschaft ausarchiv, dessen Akten heute im GStA PK auf- nahmsweise auch Freischulen für jüdische Kinder aus ärmeren Familien. Genehmigunbewahrt sind. Das wichtigste Gremium der Gesellschaft wa- gen für solche Schulen erfolgten 1826 in Poren die Komiteeberatungen. Das Komitee sen und 1827 in Berlin und Danzig. Bis Juni 242

Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden [MissJud]

1828 hatte die Posener Hilfsgesellschaft Missionsschulen in Lissa, Fraustadt, Storchnest, Schlichtingsheim, Schmiegel und Bojaimno eröffnet. Zwölf Jahre später waren nur noch Storchnest und Schlichtingsheim in Betrieb, es waren aber neue Schulen dazugekommen: in Posen, Kempen, Rogasen, Margonin, Ino­ wraclaw, Exin und Jutroschin. Diese Schulen wurden von der Londoner Society for the Promoting of Christianity among the Jews finanziert, von der Posener Gesellschaft jedoch verwaltet. Die Lehre wurde zum Teil von eigens angestellten Lehrern und zum Teil von Missionaren der Berliner Gesellschaft übernommen. Missionar Friedrich Händeß veröffentlichte 1829 sogar eine kleine Schulfibel mit „Passahbelehrungen für jüdische Kinder“ (F. Händeß: Das Passah-Lamm, oder Passahbelehrungen für jüdische Kinder; drei Theile, in drei Abendgesprächen zwischen einem Vater und seinem Sohne [Berlin, o. D. wahrsch. 1829]). Mitglieder: Vollständige Mitgliederlisten sind in den Jahresberichten der Gesellschaft enthalten. – Die Gesellschaft bestand hauptsächlich aus zwei Gruppen: einerseits hohe Beamte der preußischen Staatsverwaltung, Geistliche und Offiziere, andererseits Lehrer und Handwerksmeister. In den kleinstädtischen Hilfsvereinen kamen Beamte, Kaufleute und Handwerksmeister aus kleinbürgerlichen Pie­ tistenkreisen hinzu. – a) Leitungsgremium: Unter den Mitgliedern des ersten Leitungsgremiums waren: Generalmajor Job v. Witzleben (Präsident; Generaladjutant des Königs Friedrich Wilhelm III., Chef des Militärkabinetts und vertrauter Ratgeber des Königs), Hofprediger Franz Theremin; Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (Leiter der Sektion für Kultus und öffentlichen Unterricht im 1817 gegründeten Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten); Sir George Henry Rose (britischer Gesandter in Berlin und Komiteemitglied der Londoner Gesellschaft); Anton Graf Stolberg-Wernige-

rode; Johann Peter Friedrich Ancillon (Mitglied des Staatsrates und des Ausschusses für die Bearbeitung und Einführung der provinzialständischen Verfassung und des Oberzensurkollegiums); Philipp Konrad Marheinicke (Prediger an der Dreifaltigkeitskirche und als Professor an der neu gegründeten Universität Berlin angestellt); Theodor Anton Heinrich Schmalz (Ordinarius der juristischen Fakultät und 1810–11 Rektor der Universität Berlin); Friedrich August Gotttreu Tholuck (Theologe, Publizist der Erweckungsbewegung, siedelte bereits 1826 nach Halle über; blieb aber ein treuer Missionsfreund und Förderer der Missionssache); Samuel Elsner (Kaufmann, Mittelpunkt der frühen Berliner Erweckungsbewegung, Herausgeber der Neuesten Nachrichten aus dem Reiche Gottes und Mitgründer der  Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft). Dazu kamen mit der Zeit andere bedeutende Persönlichkeiten des christlich-konservativen Berlins: Ernst Hengstenberg (ab 1827 Herausgeber der Evangelischen Kirchen-Zeitung); die Brüder Leopold, Ludwig und Otto v. Gerlach (letzterer Dr. der Theologie, Pastor an St. Elisabeth und Hofprediger); Adolf v. Thadden; Ludwig v. Thile; Ernst Senfft v. Pilsach; Generalmajor Karl v. d. Gröben (Kommandeur der 3. Kavallerie-Brigade) und der konservative Jurist und Staatsphilosoph (und Konvertit) Friedrich Julius Stahl (Verfasser der wichtigen Programmschrift Der Christliche Staat und

sein Verhältniß zum Deismus und Juden­thum (Berlin 1847), in welcher er unbekehrten Juden – und Deisten – prinzipiell das Recht auf Zugang zu hohen Lehr- und Staatsämter abspricht). – b) Weitere Komitee-Mitglieder: Prediger Arndt; Leutnant Bormann; Prediger Ludwig Couard; Generalmajor v. Diest; Justizrat Friedrich Focke; Konsistorialrat Fournier; Prediger Kaiser; Pastor Knak; Hauptmann v. Koschkull; Hofprediger Dr. Krummacher; Prediger Kuntze; Oberlehrer Lachs; Prediger Friedrich Gustav Lisco; Prediger Orth; Prediger Ringeltaube; Prediger Souchon; Divisionsprediger Strauß; Hauptmann 243

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Sydow; Prediger Weiße; Major Westphal; Garnisonprediger Ziehe. Querverweise auf andere Vereine: Enge Beziehungen bestanden zur Londoner Society for Promoting Christianity among the Jews, des Weiteren zu anderen deutschen evangelischen Judenmissionsanstalten in Basel, Köln und Leipzig. Die Londoner Society finanzierte die Posener Freischulen der Gesellschaft und spendierte auch Missionstexte und Bibeln. Personelle Überschneidungen gibt es mit der  Bibelgesellschaft für die königl. preuß. Staaten, mit der  Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft, dem Rheinisch-Westphälischen Verein für Israel (ab 1845), dem Evangelisch-lutherischen Centralverein für Mission unter Israel (ab 1871), dem  Maikäferklub und der  Deutschen Tischgesellschaft. 1831 entsteht in Berlin nach englischem Vorbild um den Prediger Eduard Kuntze eine Gesellschaft der Freunde des hebräischen Volkes; 1836 folgt der Verein zur christlichen

Fürsorge für jüdische Proselyten und nach evangelischer Wahrheit forschenden Juden zu Berlin. Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: GStA PK, I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 23566 und 23567: „Die verschiedenen Angelegenheiten der Missionsgesellschaften“ Bd. I–II. 1820–1843. – I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 23568: „Die Missionsanstalten zur Verbreitung des Christenthums“, Bd. I. – I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 23626: „Betreffend den Verein zur Unterstützung der Proselyten“. – I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 23574: „Die Beförderung des Christen­ thums unter den Juden“. – I. HA Rep. 76, III Sekt. 1, Abt. XIV: „Verein zur Beförderung des Christenthums unter den Juden dergleichen die Anstellung der Missions-Prediger“. – I. HA Rep. 76, III Sekt. 7, Abt. XVII: „Die zu Posen bestehende Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden“. 244

– I. HA Rep. 199: „Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden“, Nr 1: „Die Proselyten“; Nr 2: „Die Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden zu Oletzko“; Nr 5: „Die Posener Gesellschaft“; Nr. 6: „Die Missionare“; Nr. 8: „Der Breslauer Verein“; Nr. 13: „Reiseberichte des Missionars Hendess“; Nr. 14: „Die Königsberger Gesellschaft“; Nr. 15: Tagebuch [Händeß]; Tagebuch eines Missionars über eine Reise nach Frankfurt/Oder; Nr. 16: „Die Missionsreisen“; Nr. 17: „Missionar Hermann Ball“; Nr. 19: „Monatlicher Bericht“; Nr. 23: „Tagebuch (Ludwig Otto Ehlers)“; Nr. 32: Die Tochtergesellschaft in Ratibor; Nr 34: „Die Tochtergesellschaft zu Stettin“; Nr. 36: „Hülfsgesellschaft zu Fraustadt“; Nr. 37: „Hülfsgesellschaft zu Danzig; Nr. 45: „Reisebericht des Missionars Kalthoff“; Nr. 48: „Die Wahl von Missionaren“. – Evangelisches Zentralarchiv Berlin [EZA]: 1/C3/170-172. Allgemeine Tätigkeit der Kirchenkanzlei: Juden und Judenmission. – 7/2912. Die Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden. – 7/2915. Königliches Consistorium der Provinz Brandenburg: die Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden. – 7/3499-7/3500. Evangelischer Oberkirchenrat: der Übertritt jüdischer Glaubensgenossen zum Christenthum und umgekehrt sowie der Rücktritt zum Judenthum. – 7/3646-7/3648. Evangelischer Oberkirchenrat: die Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden. – Archiv und Bibliothek der Berliner Mission, Berlin: Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden – Dokumente. – b) Gedruckte Quellen: 1. Vereinsberichte und Periodika: Bericht der Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden zu Berlin. Berlin 1824–1920. – Bericht der Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden zu Posen. Posen 1822–1837. – Bericht des Missions-Hülfs-Vereins zur Beförderung des

Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden [MissJud]

Christenthums unter den Israeliten zu Thorn. am Beispiel des evangelischen Rheinlandes. Thorn 1836–1837. – Der Friedensbote für Neukirchen-Vluyn 1980. – Aring, Paul GerIsrael. Berliner Gesellschaft zur Beförderung hard: Christen und Juden Heute – und die des Christenthums unter den Juden. Berlin Judenmission? Geschichte und Theologie 1863–1866. – Jahresbericht des Vereins zur protestantischer Judenmission in Deutschchristlichen Fürsorge für jüdische Proselyten land, dargestellt und untersucht am Beispiel und nach evangelischer Wahrheit forschen- des Protestantismus im mittleren Deutschden Juden. Berlin 1835–1836. – Jahresbericht land. Frankfurt a. M. 1987. – Clark, Christodes Evangelischen Missionsvereins zur Beför- pher: The Politics of Conversion. Missionary derung des Christenthums unter den Juden. Protestantism and the Jews in Prussia 1728– [Danzig] 1858–1877. – Magazin für die neu- 1941. Oxford 1995. – Gundert, Wilhelm: este Geschichte der protestantischen Missions- Geschichte der deutschen Bibelgesellschaften und Bibelgesellschaften. Eine Zeitschrift für im 19. Jahrhundert. Bielefeld 1987. – Harling, Freunde des Christenthums und der Mensch- Otto v.: Judenmission. In: Schiele, Friedrich heit. Hg. v. der Basler Mission, in ihrem Auf- Michael (Hg.): Religion in Geschichte und trag von M. Blumhardt. Basel Jg. 1–15, 1816– Gegenwart. Handwörterbuch in gemeinver1830. – Neueste Nachrichten aus dem Rei- ständlicher Darstellung. 2. Ausgabe, Tübinche Gottes. Berlin 1817–1856. – 2. Sonstige: gen 1929, S. 466–469. – Heman, Karl FriedBieling, Richard: Die Berliner Gesellschaft rich: Missionen unter den Juden. In: Hauck, zur Beförderung des Christentums unter den Albert (Hg.): Realencyklopädie für protesJuden. In: Nathanael. Zeitschrift für die Ar- tantische Theologie und Kirche. 3. Ausgabeit der evangelischen Kirche an Israel, 23 be, Leipzig, 1903, Bd. 8, S. 171–192. – Hoff(1907). – Bieling, Richard: Die Juden vor- mann, Robert: Die neupietistische Missionsnehmlich. Ein geschichtlicher Überblick über bewegung vor dem Hintergrund des sozialen die Arbeit der Gesellschaft zur Beförderung Wandels um 1800. In: Archiv für Kulturgedes Christenthums unter den Juden. Ber- schichte 59 (1977), S. 445–470. – Kantzenlin 1913. – Händeß, Friedrich: Das Passah- bach, Friedrich Wilhelm: Baron Hans Ernst Lamm, oder Passahbelehrungen für jüdische von Kottwitz und die Erweckungsbewegung Kinder; drei Theile, in drei Abendgesprächen in Schlesien, Berlin und Pommern. Ulm 1963. zwischen einem Vater und seinem Sohne. – Maser, Peter: „Der Freund Israels“. F. A. G. Berlin, o. D. [wahrsch. 1829]. – Steger, Be- Tholuck und die Judenmission des frühen 19. nedict Stefan: Die evangelische Juden-Missi- Jahrhunderts. In: Jb. für Schlesische Kirchenon in ihrer Wichtigkeit und ihrem gesegne- geschichte, NS 57 (1978), S. 108–161. – Mauten Fortgange. Hof 1847. – Ziethe, Wilhelm: rer, Wilhelm: Kirche und Synagoge. MotiFünfzig Jahre der Judenmission; eine Denk- ve und Formen der Auseinandersetzung der schrift zur fünfzigjährigen Jubelfeier der Ber- Kirche mit dem Judentum im Laufe der Geliner Gesellschaft zur Beförderung des Chris- schichte. Stuttgart 1953. – Menes, Abraham: tenthums unter den Juden. Berlin 1872. – c) The Conversion Movement in Prussia during Literatur: Althausen, Johannes: Kirchliche the First Half of the Nineteenth Century. Gesellschaften in Berlin 1810 bis 1830: Ein In: Yivo Annual of Social Science 6 (1951), Beitrag zur Geschichte der Erweckungsbe- S. 187–205. – Rengstorf, Karl Heinrich und wegung und des Laienapostolats in den evan- Kortzfleisch, Siegfried v. (Hg.): Kirche und gelischen Kirchen des 19. Jahrhunderts. Diss. Synagoge. Ein Handbuch zur Geschichte von Halle/Saale 1965. – Aring, Paul Gerhard: Christen und Juden. 2 Bde., Stuttgart 1968– Christliche Judenmission. Ihre Geschichte 1970. – Scherezari, J.: Berliner Judenmission. und Problematik dargestellt und untersucht In: Der Zeuge, 22 (Mai 1971). – Smith, Da245

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

vid C.: The Berlin Mission to the Jews and its Ecclesiastical and Political Context 1822– 1848. In: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft 29 (1973), S. 182–190. – Strauss, Herbert Arthur: Pre-emancipation Prussian policies towards the Jews 1815–1847. In: Yearbook of the Leo Baeck Institute 11 (1966), S. 107–138. – Toury, Jacob: Emanzipation und

Judenkolo­ nien in der öffentlichen Meinung Deutschlands (1775–1819). In: Jb. des Instituts für deutsche Geschichte, 11 (1982), S. 17–54. – Treue, W.: Die Berliner Judenmission vor 100 Jahren. In: Der Messiasbote 46 (1970), S. 4–8. – Weichert, Friedrich: Die Anfänge der Berliner Judenmission. In: Jb. für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte, 38 (1963), S. 106–141. Christopher Clark

Berlinische (evangelische) Missionsgesellschaft [BMiss] Name: Berlinische Missionsgesellschaft; Berliner Missionsgesellschaft; ältere Berliner Missionsgesellschaft; Jänicke/Rückertsche Missionsgesellschaft. Gründung: Juni 1822; doch schon ab 1800 sammelte sich ein Kreis von Missionsfreunden um Jänicke und dessen Seminar. Bestand: Jänickes Missionsschule wurde Anfang 1849 aufgelöst. Sitz: Anfangs im Pfarrhaus der böhmischen Gemeinde in der Wilhelmstraße. Programmzitat: „Die Missions-Gesellschaft, welche der Prediger Jänicke in Berlin gestiftet hat, dauert fort. Der einzige Zweck derselben ist: Die Erkenntniß Christi unter heidnischen und andern unerleuchteten Völkern zu verbreiten. Zu dem Ende bildet sie hiezu geeignete Boten in ihrem Seminar“ (§§ 1–3 der Grundverfassung 1824). Geschichte und Programmatik: Der Prediger an der Berliner böhmisch-lutherischen Bethlehemskirche, Johann Jänicke, eröffnete am 1. Februar 1800 gemeinsam mit dem von der Londoner Missionsgesellschaft zum „Direktor der Mission in Deutschland“ ernannten kursächsischen Oberforstmeister August Karl Friedrich v. Schirnding in seinem Pfarrhaus die erste deutsche Missionsschule (auch: Jänicke’sches evangelisches Missions-Seminar). Jänickes Familie war schon län246

Abb. 36  Johann David Schleuen: LutherischReformirte Böhmische Kirche auf der Friedrichstadt, Bethlehem genannt. Kupferstich 1757.

ger mit der Missionssache verbunden. Johann Jänickes jüngerer Bruder Joseph Daniel (geb. 1759) war seit 1788 als Missionar in Indien tätig und dort am 10. Mai 1800 gestorben. Die Missionsschüler, durchschnittlich sieben bis zehn gleichzeitig, erhielten Wohnung und Unterhalt sowie Unterricht in Religion, in der englischen Sprache, in Latein sowie in den Grundsprachen der Bibel; weiterhin Anleitung in der biblischen Apologetik und in der Homiletik, in der Musik, im Gesang und im Zeichnen. Die Ausbildung war dem Zweck allerdings nicht angemessen, Jänickes Unterricht war einfach und vielfach unzureichend, die Schule wurde im Einmannbetrieb

Berlinische (evangelische) Missionsgesellschaft [BMiss]

geführt, Jänicke war alt, die Gelder reichten kategorisch ab; auch nach dem Tod des allnur für wenige Zöglinge (1820 waren es sie- seits geschätzten Jänicke konnte er den Fortben, 1821 acht), so dass die englische Mission bestand der älteren Gesellschaft durchsetzen. auf solidere Studien drängte und die ihr über- Als im Oktober 1827 fast alle Komiteemitwiesenen jungen Missionare noch für länge- glieder einer Vereinigung mit der MissHeid re Zeit in ihrer Seminarschule in Islington bei zustimmten, setzte er mit einem neuen KoLondon ausbildete. mitee seine Arbeit noch mehrere Jahre fort. Als v. Schirnding im November 1800 durch finanzielle Verluste zahlungsunfähig wurde, Struktur und Organisation: Jänickes Missiübernahm Jänicke mit einem Kassenbestand onsschule hatte anfangs keine Organisationsvon 47 Talern die Missionsschule in eigene struktur; es gab kein Verwaltungsgremium; Rechnung, unterstützt durch auswärtige Mis- eine öffentliche Berichterstattung fand nicht sionsgesellschaften und durch Hilfskreise der statt; es genügte, „daß ein Paar gewöhnliche Deutschen Christentums-Gesellschaft. In Ber- Männer seiner [Jänickes] Kirchenhörer Zeulin sammelten Freunde des Missionsgedan- gen seyn mochten, daß die Einnahme nach kens Beiträge; größere Spendenbeträge gaben dem Willen und der Bestimmung der edlen u. a. der Arzt Heim und der Geh. Legations- Geber verwendet wurde“ (Anzeige Rückerts rat v. Raumer. Ab 1820 wurde aus der kö- in der Vossischen Zeitung, 3. Okt. 1827). Die niglichen Kasse ein regelmäßiger Jahresbei- Gesellschaft wurde anfangs fast autonom von trag von 500 Talern zur Unterstützung zwei- Jänicke, nach dessen Tod von Rückert geleier Zöglinge überwiesen. tet. Erst 1823 wurden Statuten festgelegt und Aus der Berliner Missionsschule und deren eine königliche Genehmigung für das „SeUnterstützerverein entstand 1822 die Berli- minar“ und den Freundeskreis beantragt, die ner Missionsgesellschaft, die vom König un- unter dem Titel Berlinische Missionsgesellterstützt wurde. Sie verfolgte hauptsächlich schaft erteilt wurde. Dem Vorsteher assistierdas Ziel, die Missionsschule finanziell abzu- te ein aus mindestens acht Mitgliedern besichern sowie am dortigen Seminar geeigne- stehendes Verwaltungskomitee, darunter ein te Zöglinge für die Missionsarbeit auszubil- Wort-, zwei Schrift- und ein Rechnungsfühden. Es gab in dieser Zeit ein breites Bedürf- rer. Das Missionsseminar hatte 1815 ein jährnis, die Missionssache zu unterstützen und liches Einkommen von 1.382 Reichstalern; eine den Anforderungen entsprechende Mis- 1816: 1.329 Reichstaler; 1817: 661 Reichssionsgesellschaft in der preußischen Haupt- taler; 1818: 820 Reichstaler; 1819: 1.097 stadt zu etablieren. So ist es nicht verwunder- Reichstaler; 1820: 1.669 Reichstaler; 1821: lich, dass sich neben Jänicke/Rückerts Ver- 2.486 Reichstaler; 1822: 3.968 Reichstaler ein, der mehr im Kleinen und ohne Öffent- und 1823: 4.883 Reichstaler. lichkeit arbeitete, eine weitere „allgemeine“ Missionsgesellschaft zusammenfand: die 1824 Mitglieder: a) Komiteemitglieder der Misgegründete  Gesellschaft zur Beförderung sionsgesellschaft zur Untertützung des der Evangelischen Missionen unter den Heiden Missionsseminars zu Jänickes Lebzeiten: [MissHeid], die unter anderen auch Jänickes Jänicke (Vorsteher); Rückert (stellv. Vorsteher Missionsschule finanziell unterstützte, aber und Schriftführer); Prediger Couard; Dreger; auch in Streit mit Jänickes Nachfolger Rück- Ebner sen.; Kaufmann Elsner; Schulvorsteher ert und in Konkurrenz zu dessen Gesellschaft Hoffmann; Hoflackierer Kecht; Kaufmann geriet. Eine vom König gewünschte Vereini- Krüger; Konsistorialrat Nicolai; Kaufmann gung der beiden in Berlin existierenden Hei- Reinike; Schulvorsteher Schmidt; Kaufmann den-Missionsgesellschaften lehnte Rückert Vetter sen. – Die Vereinigung mit der Miss247

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Abb. 37  Die von Johann Hinrich Schmelen gegründete Missionsstation Bethanien in der Kapkolonie (Südafrika).

Heid am 1. Okt. 1827 unterzeichnen die Komiteemitglieder Schmidt, Hoffmann, Krüger, Reinicke, Ebner und Dreger. – b) Komiteemitglieder der Rückertschen Missionsgesellschaft ab 2. Okt. 1827: Rückert (Vorsteher); Oberprediger Hanstein; Prediger Brumbey; Prof. Woltersdorf; Oberst­ lieutenant v. Horn; Geh. Registrator Jäneke; Stadtverordneter Küntzel; Tischlermeister Jansa; Fabrikant Farthhöfer; Kaufmann Vetter. – c) Missionszöglinge des Jänickeschen Seminars: Die ersten Zöglinge waren Daniel Schreyvogel (Stellmacher- und Wagnergeselle aus Lindau am Bodensee, später Missionar in der Halleschen Tamulenmission, Missionar auf Tranquebar); Palm (aus Kolberg, später Missionar auf Ceylon); Frey (später Missionar der modernen Judenmission, u. a. in Jerusalem); Peter Hartwig (ab 1804 Missionar in Westafrika); Johann Gottl. Langner; Ulbricht (später Missionar in Südafrika). – Weitere Zöglinge der frühen Jahren (Auswahl): Ehrhardt (aus Thüringen, später Missionar 248

auf Ceylon); Karl Gottlieb Ewald Rhenius (Sohn eines preuß. Offiziers aus Ostpreußen, ab 1814 Missionar in Madras, später in Palamkotta; wurde einer der bedeutendsten ev. Missionare Indiens); Schnarre (aus Hannover, später Missionar in Madras); Leopold Butscher (aus Überlingen am Bodensee, ab 1805 Missionar, u. a. in Sierra Leone); Nyländer (aus Reval, ab 1806 Missionar in Westafrika, errichtete eine Missionsstation in Yongru); Prasse (ab 1806 Missionar in Westafrika, bereits 1809 gest.); Klein (aus Stuttgart, später Missionar in Afrika); Wilhelm (aus Straßburg, später Missionar in Afrika); die Brüder Abraham und Christian Albrecht (gründen 1805 die Missionsstation Warmbad im südlichen Namibia); Ebner (ab etwa 1814 Missionar in Südafrika); Johann Hinrich Schmelen (ab 1811 Missionar in Südafrika, übersetzte zusammen mit seiner Frau, einer Einheimischen, die Bibel in die Nama-Sprache); Michael Wimmer (später Missionar in Südafrika); Carl Pacalt (aus Königingrätz in Böhmen,

Berlinische (evangelische) Missionsgesellschaft [BMiss]

ab 1813 Missionar in Südafrika, gest. 1818); Messer (aus Hessen-Darmstadt, später Missionar und Nachfolger Pacalts in Südafrika); Renner (ab 1804 Missionar in Westafrika); Sperrhacken (ab 1805 Missionar in Afrika, gest. 1825); Riedel (Missionar auf der indonesischen Insel Celebes); Schwarz (Missionar auf der Insel Celebes); Karl Gützlaff (Gürtlergeselle aus Pyritz, geb. 1803, ab 1821 in der Missionsschule, später Missionar in Siam und China); Johann Nikolayson (aus Holstein, später Missionar u. a. in Jerusalem); Brückner (später Missionar auf der Insel Java); Schröter (später Missionar in Bengalen); Jansen (später Missionar in Sierra Leone, in Regentstown); Düring (später Missionar in Sierra Leone). Querverweise auf andere Vereine: Enge Beziehungen bestanden zur englischen Missionsgesellschaft in London, des Weiteren zu anderen deutschen evangelischen Missionsanstalten in Basel, Dresden und in der Brüdergemeine, der Missions-Direktion in Halle, der Mährischen Brüdermission in Berthelsdorf, der Rheinischen Missionsgesellschaft in Barmen. – Personelle Überschneidungen gibt es mit der  Bibelgesellschaft für die königl. preuß. Staaten, mit dem  Hauptverein für christliche Erbauungsschriften, mit der  Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft, dem  Maikäferklub und der  Deutschen Tischgesellschaft. Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin: Historie Berliner Missionsgesellschaft, Bestand Berliner Missionswerk 1 (darin: Berliner Missionsgesellschaft, Altaktenbestand 1824 bis ca. 1969), besonders die Akten: I 11 I: Entstehung und Gründung der Gesellschaft; I 13 I: Vereinigung der beiden hier bestehenden Missionsgesellschaften; I 16  I: Notizen zu einer anzulegenden Mission; I 3 1a I: Jänickes Missions-Schule 1807 ff.; I 7 3: Verhandlungen mit dem Ministerium der geistlichen, medizinal- und Unterrichts-Angelegenheiten. – GStA PK, I. HA Rep. 76,

III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 7 Bd. 1: „Die beiden in Berlin befindlichen Gesellschaften zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden, die Vereinigung derselben zu einer Missions-Anstalt und das daselbst bestehende Missions-Seminar, sowie die in der Provinz Brandenburg errichteten Missions-Hilfsvereine“. – I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 23566 und 23567: „Die verschiedenen Angelegenheiten der Missionsgesellschaften“ Bd. I–II. 1820– 1843. – I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 23568: „Die Missionsanstalten zur Verbreitung des Christenthums“ Bd. I. – b) Gedruckte Quellen: [Anonym]: Missionsanstalt in Berlin für das innere Afrika. In: Berlinische Monatsschrift 1805, 2, S. 213–232. – [Anonym]: Das Missionsseminar in Berlin. In: Ebd., S. 417–437. – Magazin für die neueste Geschichte der protestantischen Missions- und Bibelgesellschaften. Eine Zeitschrift für Freunde des Christentums und der Menschheit. Hg. v. d. Basler Mission, in ihrem Auftrag von M. Blumhardt. Basel Jg. 1–15, 1816–1830. – Missionsberichte der Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden. Berlin 1825–1907. – Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes. Berlin 1817–1856. – c) Literatur: Althausen, Johannes: Kirchliche Gesellschaften in Berlin 1810 bis 1830: Ein Beitrag zur Geschichte der Erweckungsbewegung und des Laienapostolats in den evangelischen Kirchen des 19. Jahrhunderts. Diss. Halle/Saale 1965, besonders S. 155–229. – Gründler, Willi: Hundert Jahre Berliner Mission. Berlin 1923. – Heyden, Ulrich van der / Stoecker, Holger (Hg.): Mission und Macht im Wandel politischer Orientierungen. Europäische Missionsgesellschaften in politischen Spannungsfeldern in Afrika und Asien zwischen 1800 und 1945. Stuttgart 2005. – Kratzenstein, Eduard: Kurze Geschichte der Berliner Mission in Süd- und Ostafrika. Berlin 1893. – Lehmann, Hellmut: 150 Jah249

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

re Berliner Mission. Erlangen 1974. – Lis- Berlin 1873. – Schultze, Andrea: „In Gottes co, Friedrich Gustav: Zur Kirchengeschichte Namen Hütten bauen“. Kirchlicher LandbeBerlins. Ein geschichtlich-statistischer Bei- sitz in Südafrika: die Berliner Mission und trag. Berlin 1857. – Maser, Peter: Hans Ernst die Evanglisch-Lutherische Kirche Südafrivon Kottwitz. Studien zur Erweckungs- kas zwischen 1834 und 2002. Stuttgart 2005. bewegung des frühen 19. Jahrhunderts in – Trüper, Ursula: Die Hottentottin. Das kurSchlesien und Berlin. Göttingen 1990, be- ze Leben der Zara Schmelen (ca. 1793–1831), sond. S. 169–172 (Kirche im Osten, Bd. 21). Missionsgehilfin und Sprachpionierin in Süd– Oehler, Wilhelm: Geschichte der deut- afrika. Köln 2000. – Wangemann, Hermann schen evangelischen Mission. Bd. I und II, Theodor: Geschichte der Berliner MissionsBaden-Baden 1949/51. – Petri, Albert: Die gesellschaft und ihrer Arbeiten in Südafrika: Ausbildung der evangelischen Heidenboten mit einer Übersichtskarte und vielen Bildern. in Deutschland mit besonderer Berücksichti- 4 Bde, Berlin 1872–1877. – Ziegler, C.: Kurgung des Berliner Missions-Seminars und ei- ze Geschichte der Berliner Missionsgesellnem Anhang über evangelische Missionsan- schaft nebst den ihr zugehörenden Stationen stalten außerhalb Deutschlands. Denkschrift in Südafrika. Zweite Auflage. Zum Besten zum Auszuge aus dem alten Berliner Missi- des Eckartshauses. Eckartsberga 1857. onshause in der Sebastianstraße in das neue Uta Motschmann am Friedrichshain und zum Besten desselben.

Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden [MissHeid] Name: Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden; Jüngere Berliner Missionsgesellschaft; Heidenmission; seit 1908: Berliner Missionsgesellschaft. Gründung: März 1824 (mit vereinsähnlichen Vorgängern ab 1822). Bestand: Die Berliner Missionsgesellschaft besteht mit Unterbrechungen und strukturellen Veränderungen bis heute. Sitz: Anfangs kamen die Komiteemitglieder vermutlich in ihren Privatwohnungen zusammen. Das erste Treffen fand am 29. Februar 1824 in der Wohnung von Moritz August v. Bethmann-Hollweg statt. 1838 wurde das erste eigene Missionshaus in Berlin in der Sebastianstraße 25 eingeweiht. Da es trotz Erweiterungsbau für die wachsende Zahl der Mitarbeiter und Seminaristen nicht mehr ausreichte, wurde 1873 das Missionshaus in der Georgenkirchstraße am Fried250

richshain errichtet, im Volksmund „Apostelfabrik“ genannt, das bis heute genutzt wird. Programmzitat: „Die Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden ist zusammengeführt durch den gemeinschaftlich lebendigen Wunsch sich an das Missionswerk anzuschließen, wofür in der ganzen evangelischen Kirche ein so reger, schon mit vielem Segen gekrönter Eifer erwacht ist“ (Grundgesetze, 1824). Geschichte und Programmatik: Bereits seit 1800 bestand in Berlin unter Leitung des Predigers Johann Jänicke und später seines Nachfolgers und Schwiegersohns Rückert eine Missionsschule, in deren Umfeld 1823 eine erste  Berliner Missionsgesellschaft gegründet worden war. Daneben hatten sich

Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden [MissHeid]

Abb. 38  Ein Missionsgottesdienst in der Kapkolonie (Südafrika), Lithographie, 1864.

seit 1822 weitere Missionsfreunde vereinsartig zusammengeschlossen. In diesem Zusammenhang werden die Namen von Frau v. Lancizolle, Gräfin Stolberg, mehrere Mitglieder des königlichen Hauses, le Coq, Rosenstiel, Hillmer, Nicolovius, Schmedding, v. Below, v. Thadden, v. Senfft-Pilsach, Hecker, Silberschlag, Woltersdorf, Hermes, Hanstein, Rolle, Strauß, Couard und v. Gerlach genannt, die neben den Kreisen der Deutschen Christenthumsgesellschaft tätig waren (Althausen, S. 161 f.). Im Juni 1822 meldeten die

Neuesten Nachrichten aus dem Reiche Gottes die Gründung eines Missionsvereins in Berlin, der jetzt „in sofern zu Stande gekommen [sei], als eine große Anzahl aus der Mitte der Geistlichkeit wie auch viele Laien zusammengetreten sind, um Beiträge für die gegenwärtig bestehenden verschiedenen MissionsAnstalten anzunehmen, da ein eigentlicher

Missionsverein mit regelmäßig desfalls auszustellenden Versammlungen in Berlin nicht einzurichten war, theils wegen der Menge der Theilnehmer, theils anderer Gründe halber“ (6. Jg., S. 181 f.). Dieser Vorläufer-Verein sammelte ausschließlich Beiträge für die vier Missionsanstalten in Basel, Berlin, Herrnhut und Halle; als Sammler fungierten in Berlin die Professoren Marheinecke, Neander und Strauß, die Pastoren Brunnemann, Couard, Grunow, Hetzel, Henry, Küster, Kober, Lisco, Mehring, Nicolai, Ritschel, Rolle, Theremin und Ziehr sowie die Laien Diederich, Knoblauch und Elsner. Der Verein konsolidierte sich; Vorsitzender wurde der Hofprediger Strauß, es gab feste Mitglieder, einen Vorstand und öffentliche Bekanntmachungen. Auf dem Weg zu einem offiziellen Antrag auf Genehmigung eines allgemeinen, weltweit agierenden Missionsvereins in Ber251

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

lin veröffentlichte August Neander, der dem man die eigenen Vorfahren ursprünglich auch Vorläufer-Verein angehörte, aber auch mit Jä- als Heiden, die bekehrt wurden, so wollte nickes Missionsseminar verbunden war, 1823 man nun aus Mitleid „mit dem jammervollen einen Aufruf zu milden Beisteuern für die evan- geistlichen Zustande und der daraus folgengelischen Missionen unter den Heiden, der gro- den äußerlichen Entartung und Verwilderung ßen Anklang fand. Unzufrieden mit der Lei- der Millionen Heiden“, mit denen man sich tungstätigkeit Rückerts und seines Vereins „trotz jener Entstellung des göttlichen Ebenkamen am 29. Februar 1824 zehn Männer in bildes, stammesverwandt“ fühlte (§ 1 der Stader Wohnung des Professors Moritz August v. tuten, 1824), diese ebenfalls dem EvangeliBethmann-Hollweg zusammen, um „von ei- um zuführen, besonders „[i]n einer Zeit wo nem umfassenderen Gesichtspunkte aus, und der Handelsverkehr unseres Vaterlandes in in weiteren Kreisen für die Missions-Sache eine direkte Verbindung mit fernen Welttheizu wirken“ (Brief der Gesellschaft an Staats- len getreten ist“ und man „auch die fern von minister v. Altenstein, 9. März 1824, GStA uns wohnenden Heiden als unsere NächsPK, I. HA Rep. 76 III Sekt. 12 Abt. XVII ten zu betrachten habe“ (Brief der DirektiNr. 7, Bd. 1, Bl. 92r), eine regelmäßige Sam- on an v. Altenstein, 9. März 1824). Das Zimeltätigkeit zu organisieren und in die Ver- tat zeigt, dass es nicht nur um Erlösungsreliwaltung und Verwendung der Beiträge „eine gion ging, sondern dass man die untrennbare gewisse Einheit und Planmäßigkeit“ zu brin- Verbindung von Religion und Wirtschaft im gen (ebd.). Sie entwarfen ein Statut und leg- Blick hatte. Die Entwicklung und weltweiten sich den Namen einer Gesellschaft zur te Ausbreitung von Handel und Verkehr beBeförderung der evangelischen Missionen unter dingten neue Märkte, die zuerst in verschieden Heiden bei. Die königliche Bestätigung denster Hinsicht besetzt und „missioniert“ erfolgte am 4. März 1824, die Gewährung werden sollten. Als Heiden verstand man dader Portofreiheit, auch für „etwanige künf- bei alle nicht im christlichen Glauben getauftige HülfsVereine“ am 5. Juli 1824 (ebd., Bl. ten Menschen, mit Ausnahme der Juden und 102). Die MissHeid wurde „nach dem Mus- der Türken. ter ähnlicher, schon bestehender“ gegrün- Mit Gründung der MissHeid 1824 existierdet, und ihre Tätigkeit sollte „ausschließlich ten in Berlin zwei ähnlich ausgerichtete Misauf die Missionen unter den Heiden gerich- sionsgesellschaften nebeneinander. Der Kötet sein“, da es bereits seit 1822 eine weite- nig drängte darauf, daß „das Missionswerk re  Gesellschaft zur Beförderung des Chris- wahrscheinlich mehr gefördert werden dürfte, tenthums unter den Juden in Berlin gab. Dabei wenn die [neue] Gesellschaft und die Missiwar die MissHeid bei ihrer Gründung unab- onsAnstalt, welche der Prediger Jaenicke leihängiger von den englischen Gesellschaften tet, sich vereinigten, da sie durch gleichen als die älteren Berliner religiösen Vereinigun- Zweck verbunden sind“ (ebd., Bl. 98). Jänigen. Sie nahm die Heidenmission selbstbe- cke und Rückert standen einer Vereinigung wusst in die eigenen Hände. Zum ersten Prä- jedoch ablehnend gegenüber. Auch nach Jäsidenten wurde der Oberbergrat Georg Karl nickes Tod kam es, obwohl die Komiteemitv. La Roche gewählt, zum Sekretär der As- glieder der Jänicke/Rückertschen Gesellsessor Le Coq, zum Schatzmeister der Leut- schaft 1827 zur MissHeid übertraten und ein nant v. Sommerfeld, insgesamt ein Kreis, der vorläufiger Zusammenschluss unter dem Navon der Erweckungsbewegung getragen war. men Evangelische Missionsgesellschaft zu BerIm Gründungsstatut wird „das brüderliche lin erfolgte, zu keiner Vereinigung, da RückZusammenwirken evangelischer Christen al- ert seinen Beitritt kompromisslos ablehnte. ler Confessionen“ (ebd., Bl. 94v) betont. Sah Beide Vereine arbeiteten viele Jahre parallel, 252

Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden [MissHeid]

verbunden durch die gemeinsame Unterstüt- re gliederten sich zahlreiche Hilfsvereine und zung des Berliner Missionsseminars. Hilfsgesellschaften zur Auffindung geeigneter Die jüngere Gesellschaft gewann schnell neue Missionszöglinge und zur Gewinnung der erMitglieder, kooperierte mit der Stettiner forderlichen Geldmittel an. Hilfsgesellschaft sowie dem Missionsverein Die Berliner Mission sandte 1834, zehn Jahunter den Studenten der Berliner Universität. re nach Gründung der Gesellschaft, die ers1825 hatte die MissHeid bereits 52 Mitglie- ten fünf Missionare direkt an die Südspitze der. Von 1823 bis zum Juli 1824 gingen ins- des afrikanischen Kontinents, wo sie die Kogesamt 1.102 Reichstaler aus allen Landestei- ranna-Mission Bethanien gründeten. Im Laulen bei der Gesellschaft ein (davon 90 Reichs- fe des 19. Jahrhunderts kamen weitere Mistaler „von einer Anzahl hiesiger Studieren- sionsgebiete in Südafrika, Ostindien, China der“), wovon 250 Reichstaler an das Berliner und Deutsch-Ostafrika/Tansania hinzu. Die Seminar gingen. 1828 betrugen die Einkünf- zahlreichen Aufzeichnungen und Berichte te 3.263 Taler, 1829: 6.291 Taler, 1831: 5.054 der Missionare, die sich große SprachkenntReichstaler, 1832: 5.650 Reichstaler. nisse aneigneten und eng mit den afrikaniSchon 1820 hatte man den Plan einer allge- schen Stämmen zusammenlebten, enthielten meinen deutschen Missionsgesellschaft mit vielfältige landeskundliche Informationen für dem Zentralpunkt Basel erwogen, wofür Jäni- die sich entwickelnden historischen und ethckes Anstalt neu geordnet werden sollte. Wur- nologischen Wissenschaften. den anfangs Zöglinge ausgebildet und an die Als Berliner Missionswerk ist die Gesellschaft bereits bestehenden und in Übersee tätigen bis heute tätig. Missionsgesellschaften vermittelt, fasste man 1828 den Entschluss, dass die MissHeid „von Struktur und Organisation: Der Hauptjetzt an a) auf Gründung einer eigenen Missi- zweck der Gesellschaft bestand darin, die zahlonsschule, b) auf eigene Aussendung von Mis- reichen bereits bestehenden Missionsschulen sionaren, c) auf engere Vereinigung der Kräf- „zu unterstützen, für die Bedürfnisse der Zögte der Missionsfreunde in Norddeutschland, linge zu sorgen, die Mittel für die Reise und denen Berlin als Mittelpunkt dienen soll, Be- den Unterhalt der ausgesandten Missionaridacht nehmen und auf diese wichtigen Zwe- en zu sichern, kurz um alles zu thun was mitcke hinarbeiten solle“ (Richter, S. 19). Die telbar oder unmittelbar die Predigt des EvanUniversität und die wissenschaftlichen An- geliums unter den Heiden befördern kann“ stalten sollten dafür genutzt werden. Dies be- (§ 1 der Statuten, 1824, Bl. 94 v). Anfangs bedeutete den Übergang von einfacher Sam- stand die Gesellschaft nur aus den zehn Grünmel- und Unterstützungstätigkeit zu prakti- dungsmitgliedern, die das Komitee bildeten. scher Missionsarbeit. Das neue Missionssemi- Außer den monatlichen Komiteesitzungen nar wurde am 1. Januar 1829 eröffnet; erster verabredete man sich am ersten Montag und Direktor wurde der junge Nürnberger Gym- am ersten Freitag jedes Monats zu einer freinasiallehrer und Pastor Heller. Zwei Aus- eren Zusammenkunft nachmittags 5 Uhr, zuschüsse kümmerten sich um die wirtschaft- sätzlich jeden Mittwoch nachmittags 5 Uhr lichen bzw. unterrichtlichen Belange; Otto bei Assessor Le Coq. Man beriet umständv. Gerlach übernahm die Seminarangelegen- lich, ob man es wagen dürfe, ein Stiftungsheiten und unterrichtete auch selbst. Das Se- fest oder häufigere Missionspredigten in Berminar war in Mietwohnungen untergebracht, liner Kirchen oder monatliche Bibelstunden zuerst in der Rosenthaler Str. 41, dann Fran- zu halten, doch ließ man diese Pläne wieder zösische Str. 33, dann Lindenstr. 90, schließ- fallen. Auch von der Herausgabe eines Missilich in einem eigenen Haus. Im Laufe der Jah- onsblattes sah man vorläufig noch ab, bis „der 253

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

Abb. 39  Das Missionshaus in der Sebastianstraße, gezeichnet von einem Missionszögling (1840).

Verein sich mehr konsolidiert habe“ (Richter, S. 17). Ab 1825 begannen die Jahresbericht[e]

der Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden und die Missions-Berichte der Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden zu Berlin, die jährlich über den Fortgang der Missionen berichteten, zu erscheinen. Das wichtigste Gremium der Gesellschaft waren die Komiteeberatungen. Das Komitee bestand aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, mehreren Sekretären, einem Schatzmeister und einem Kassenverwalter und zählte durchschnittlich 20 bis 25 Mitglieder. Daneben gab es einen engeren Ausschuss, den Verwaltungsrat, bestehend aus dem Präsidenten, einem oder zwei Vizepräsidenten, 254

dem Schriftführer und dem Schatzmeister, der wöchentlich tagte, und in dem alle Angelegenheiten vordiskutiert wurden. Bis in die 1850er Jahre verwaltete das Komitee seine Angelegenheiten weitestgehend selbständig; Berufsmitarbeiter wurden nur für das Missionsseminar angestellt. Auf den immer prächtiger ausgestalteten Jahresfesten berichteten die MissHeid wie auch die auswärtigen Missionsgesellschaften über ihre Erfolge. Zu den Prinzipien der Berliner Mission gehörte es, ein Netz von Hilfsvereinen aufzubauen. 1824 gründete sich ein erster Hilfsverein in Stettin, 1827/28 kamen weitere in Ruppin, Potsdam und Berlin hinzu. 1835 gab es 44 mit der Gesellschaft verbundene

Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden [MissHeid]

Hilfs-Vereine in der Mark Brandenburg, in Pommern, in Preußen, in Posen, in Schlesien, in der Lausitz, in Sachsen und im Großherzogtum Niederrhein, außerdem sieben Hilfs-Vereine in Berlin, darunter auch einen

Frauen- und Jungfrauen-Missions-Hilfsverein zu Berlin, der Wäsche, Einrichtungsgegenstände und sonstige Geschenke an die MissHeid abgab. Um 1900 waren 374 Hilfsvereine, Hilfskreise und Kirchengemeinden sowie 714 Missions-Nähvereine mit der MissHeid fest verbunden. Mitglieder: a) Das erste Leitungsgremium: Prof. Moritz August v. Bethmann-Hollweg; Leopold v. Gerlach (in den Freiheitskriegen Adjutant Scharnhorsts); Ludwig v. Gerlach; der Dr. der Theologie, Pastor an St. Elisabeth und Hofprediger Otto v. Gerlach (er hat zwei Jahrzehnte an den Beratungen des Komitees und auch am Unterricht und der Leitung des Missionsseminars teilgenommen); Prof. Karl Wilhelm v. Deleuze Lancizolle; Oberberg­rat Georg Karl v. La Roche (er war neun Jahre lang, 1824–1833, als Präsident, Sekretär, Schatzmeister und Kassierer der Gesellschaft tätig); Kammergerichtsassessor Adolf Le Coq; Theologieprofessor und Konsistorialrat August Neander (er gehörte der Gesellschaft bis zu seinem Tod 1850 an, nahm aber kaum an den Komiteesitzungen teil); Hofprediger Friedrich Strauß; Theologieprofessor Gotttreu August Tholuck (siedelte bereits Ostern 1826 nach Halle über; blieb aber ein treuer Missionsfreund und Förderer der Missionssache). – b) Weitere Komitee-Mitglieder ab 1824: Prediger Arndt; Prediger Bachmann; Prediger Bräunig; Generalsuperintendent Büchsel; Geh. Legationsrat v. Bülow; Oberstleutnant v. Carisien; Prediger Ludwig Couard (seit 1824); Dreger; Ebner; Samuel Elsner (vorher Mitglied in Jänickes Traktatverein, Hg. der Neuesten Nachrichten aus dem Reiche Gottes); Justizrat Friedrich Focke (arbeitete von der Gründung an ununterbrochen bis 1856 mit); Pastor Joh. Ev. Goß-

ner (1831–1836); Oberst Graf v. der Gröben; Prof. theol. Hengstenberg (seit 1827); Prediger Hetzel; Hoffmann; Prediger Adolf August Kober (jun.) (seit 1825); Krüger; Prediger Kuntze (1831–1856); Prediger Friedrich Gustav Lisco(w) (seit 1824); Kaufmann Reinecke (kam aus dem Jänickeschen Komitee); Schmidt; Major im Generalstab und Adjutant des Kronprinzen Karl v. Röder; Frhr. Senfft v. Pilsach; Hofprediger Snethlage; Leutnant Ernst v. Sommerfeld (1824 Schatzmeister der Gesellschaft); Prediger Souchon; Kaufmann Tesmer; Hofprediger Theremin; Generalleutnant v. Thile (bis 1848); Garnisonprediger Ziehe (ab 1830). – c) Die Präsidenten: v. La Roche (1824–1833); Leopold v. Gerlach (1833–1838); Konsistorialpräsident Geh. Justizrat Dr. Göschel (1838–1844 und 1849– 1857); Geh. Legationsrat v. Bülow (1844– 1848). – d) Die Vizepräsidenten: v. Roeder (1824–1832); v. La Roche (1833–1839); Geh. Justizrat v. Eichmann (1839–1844); Generalleutnant v. Gerlach (1845); Obertribunalspräsident Götze (ab 1846). Die meisten Mitglieder in der Anfangszeit waren junge Theologen. Mit der Neuausrichtung der MissHeid ab 1828 bestand die Gesellschaft hauptsächlich aus zwei Gruppen: einerseits hohe Beamte der preußischen Staatsverwaltung und Offiziere, andererseits Berliner Geistliche. Daneben wirkten einige Lehrer und Handwerksmeister im Komitee. Durch den Übertritt des Jänickeschen Komitees kamen Schulvorsteher und Kaufleute aus kleinbürgerlichen Pietistenkreisen hinzu. Querverweise auf andere Vereine: Enge Beziehungen bestanden zur englischen Missionsgesellschaft in London, des Weiteren zu anderen deutschen evangelischen Missionsanstalten in Basel, Dresden und in der Brüdergemeine, zur Missions-Direktion in Halle, zur Mährischen Brüdermission in Berthelsdorf, zur Rheinischen Missionsgesellschaft in Barmen. In Frankfurt/Oder wurden die Brüder Gerlach der Sammelpunkt der Missionsfreunde. 255

4  Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften

1829 entstand in Breslau eine Missionsgesellschaft (Auflösung 1835). In Pommern wurde das Missionswerk von den dort lebenden Brüdern Below, Adolf v. Thadden und Ernst Senfft v. Pilsach gepflegt; in Ostpreußen wirkte der Königsberger Missionsverein, und in der Provinz Sachsen war Tholuck für Jahrzehnte der Wegbereiter des Missionsgedankens. Personelle Überschneidungen gibt es mit der  Bibelgesellschaft für die königl. preuß. Staaten, mit dem  Hauptverein für christliche Erbauungsschriften, mit der  Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft, dem  Maikäferklub und der  Deutschen Tischgesellschaft. Von Jänickes Nachfolger an der Bethlehemskirche, Johannes Goßner, wurde 1842 in Konkurrenz zur bestehenden Berliner Missionsgesellschaft ein weiterer Evangelischer Missionsverein gegründet. Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin: Historie Berliner Missionsgesellschaft, Bestand Berliner Missionswerk 1 (darin: Berliner Missionsgesellschaft, Altaktenbestand 1824 bis ca. 1969). – GStA PK, I. HA Rep. 76, III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 7 Bd. 1: „Die beiden in Berlin befindlichen Gesellschaften zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden, die Vereinigung derselben zu einer Missions-Anstalt und das daselbst bestehende Missions-Seminar, sowie die in der Provinz Brandenburg errichteten Missions-Hilfsvereine“. – GStA PK, I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 23566 und 23567: „Die verschiedenen Angelegenheiten der Missionsgesellschaften“ Bd. I–II. 1820–1843. – GStA PK, I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 23568: „Die Missionsanstalten zur Verbreitung des Christenthums“, Bd. I. – b) Gedruckte Quellen: Jahresbericht der Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden. Berlin [1825– 1907]. (Erster Jahresbericht der Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missio256

nen unter den Heiden nebst einer Uebersicht des Missionswesens am Ende des Jahres 1824. Berlin 1825). – Kurze Übersicht der Entstehung, des Fortgangs und des gegenwärtigen Zustands aller Evangelischen Missionen unter den Heiden. Hg. v. der Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden zu Berlin. Berlin 1828. – Magazin für die neueste Geschichte der protestantischen Missions- und Bibelgesellschaften. Eine Zs. f. Freunde des Christentums und der Menschheit. Hg. v. der Basler Mission, in ihrem Auftrag von M. Blumhardt. Basel Jg. 1–15, 1816–1830. – Missions-Berichte der Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden zu Berlin. Berlin [1825–1907]. – Nachricht von der Bildung der Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden. Mit Beziehung auf den Aufruf zu milden Beisteuern für die evangelischen Missionen unter den Heiden von Dr. Neander. Berlin 1824. – Neander, August: Aufruf zu milden Beisteuern für die evangelische Mission unter den Heiden. Mit einer kurzen Übersicht über das heutige Missionswesen. Berlin 1823 (zuerst in: Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 6. Jg. 1822, S. 182 ff.). – Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, hg. v. der Preußischen Hauptbibelgesellschaft. Berlin 1817–1856. – Steger, Benedict Stefan: Die protestantischen Missionen und deren gesegnetes Wirken: Für Alle, welche sich über die segensreiche Ausbreitung des Christenthums unter den Heiden durch die protestantischen Missionen belehren wollen, übersichtlich zusammengestellt. Hof und Wunsiedel 1838. – Verzeichnis der mit der Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden fest verbundenen Hilfsvereine, Hilfskreise, Kirchengemeinden und MissionsNähvereine. Berlin [ca. 1904]. – c) Literatur: Althausen, Johannes: Kirchliche Gesellschaften in Berlin 1810 bis 1830: Ein Beitrag zur Geschichte der Erweckungsbewegung und des Laienapostolats in den evangelischen Kir-

Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden [MissHeid]

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Uta Motschmann

257

5 Freimaurerlogen

Die Berliner Freimaurer vor 1786 Die Wurzeln der Freimaurerei reichen weit in die Geschichte der Menschheit zurück, nach mancher Auffassung bis in biblische Zeiten. Die historischen Voraussetzungen der heutigen Freimaurerei entstanden indes erst Ende des 17. Jahrhunderts in Großbritan­ nien nach einem Jahrhundert der Revolutionen und Bürgerkriege − dem Sieg der Bourgeoisie und des neuen Adels, dem politischen Kompromiss der konstitutionellen Monarchie mit verbürgten Rechten der Bürger und der Frühaufklärung mit ihrem Grundsatz religiöser Toleranz. Die moderne Freimaurerei entwickelte sich in der Hülle der frühneuzeitlichen Bauhütten (lodges) der einst elitären Steinmetze und Bauunternehmer mächtiger Kathedralen. Die lodges wandelten sich von spezifischen Berufsorganisationen zu allgemeinen Vereinen. Die neuen Mitglieder, die angenommenen Freimaurer, ausschließlich Männer, nannten sich Brüder, waren traditionsbewusst und hielten an der Organisationsform, den Legenden, Begriffen und dem Brauchtum der lodges fest. Sie verehrten die Schutzheiligen ihrer Vorgänger, Johannes den Täufer (Tag 24. Juni) und Johannes den Evangelisten (Tag 27. Dezember), arbeiteten, wenn sie in ihrem Versammlungsraum, dem Tempel, zusammen kamen, und stiegen in einem Erkenntnisprozess vom Lehrling und Gesellen zum Meister auf. Der Logenleiter, der Meister, saß während der Loge auf einem Stuhl, daher Meister vom Stuhl. Die Maurer trugen den Schurz des Handwerkers, verliehen den Handwerkzeugen Winkelmaß, Zirkel, Lot usw. einen symbolischen, aufgeklärt ethischen Sinn. Die modernen Freimaurer praktizierten in ihren Logen, Stätten der Geselligkeit, intern den gesellschaftlichen Ausgleich zwischen dem Adligen und dem in der Loge gleichberechtigten Bürger, ohne je den Standesunterschied aufzuheben, organisierten die Loge demokratisch (republikanisch), vermieden politische und religiöse Themen, bildeten sich in bürgerlicher Tugend und halfen den Armen. Am 24. Juni 1717 vereinigten sich in London vier Logen zu einem Logenbund, der Großen Loge von London, und wählten einen Vorsitzenden, den Großmeister. Der Tag gilt als das Geburtsdatum der modernen Freimaurerei. Diese philosophisch und politisch gemäßigte Sozietät passte auch in die spätfeudale Gesellschaftsordnung des Kontinents. Im Reich bahnten die Handelsverbindungen zwischen Hamburg und London, die Doppelherrschaft der Welfen als Kurfürsten von Hannover und Könige von Großbritannien sowie das kulturell dominierende Frankreich, das Exil der in der Englischen Revolution unterlegenen katholischen Stuarts, der Freimaurerei den Weg. 258

Die Berliner Freimaurer vor 1786

Abb. 40  Arbeitstafel einer Loge aus der Mitte des 18. Jahrhunderts für die Aufnahme eines Lehrlings oder Gesellen; Kupferstich, 18. Jahrhundert.

Die erste deutsche Freimaurerloge trat am 24. Juni 1737 in Hamburg zusammen. Eine vierköpfige Abordnung der Loge de Hambourg u. a. mit dem niedersächsischen Grundherrn Georg Ludwig v. Oberg als vorsitzendem Meister und dem Hamburger Kauf259

5 Freimaurer-Logen

mannssohn Jakob Friedrich Bielfeld als Sekretär nahm in der Nacht vom 14. zum 15. August 1738 in Braunschweig den preußischen Thronfolger Friedrich als Freimaurer auf. Dies ist das früheste Datum der Freimaurerei in Brandenburg-Preußen. Die Aufnahme musste vor König Friedrich Wilhelm I. verborgen bleiben, weil er als Pietist und Herrscher die Freimaurerei ablehnte. Kronprinz Friedrich lud im Frühjahr 1739 v. Oberg und Bielfeld ein, auf seinem Schloss Rheinsberg im Ruppiner Land eine Loge einzurichten (Loge Première, 1740 Loge du Roi), die erste in Brandenburg-Preußen. Friedrich nahm in die Hofloge vertraute Freunde und nahe Verwandte, Adlige und Bürgerliche auf, die wie er der französischen Aufklärung anhingen. Die Loge du Roi ging nach Beginn des Ersten Schlesischen Krieges Anfang 1741 ein. Nach der Thronbesteigung beauftragte Friedrich II. seinen Sekretär und Vertrauten Étienne Jordan, der auch Sekretär der Hofloge war, in Berlin eine zweite Loge für nicht hoffähige Abb. 41  Erinnerungsblatt zum 100-jähriMänner zu errichten. Die Vorverhandlungen gen Jubiläum der Aufnahme Friedrichs II. fanden wahrscheinlich in dem Berliner Stadtin den Freimaurerbund, 1838. haus des Obersten Erbtruchsess Graf zu Waldburg (Splitgerbergasse 9), auch er ein Mitglied der Hofloge, statt. Am 13. September 1740 schließlich gründeten Jordan sowie weitere vier Freimaurermeister, Kaufleute und französische Immigranten der zweiten Generation – Philippe Simon, Jean Serre, Paul Benezet und Christian Gregory – in dem nahe dem Stadtschloss in der Brüderstraße (Nr. 39) gelegenen vornehmen Hôtel de Montgobert (dem späteren Gasthaus Zur Stadt Paris) die Loge Aux trois Globes (Zu den drei Weltkugeln). Die Loge hielt sich an das englische Konstitutionenbuch, die freimaurerische Verfassung. Sie arbeitete zunächst wie andere damalige Logen in französischer Sprache, ab 1743 abwechselnd deutsch und französisch, um auch deutsch sprechenden Kandidaten eine Mitarbeit zu ermöglichen, und ab 1755 nur noch deutsch. Die Gründung der Berliner wie schon der Rheinsberger Loge war eine politische Entscheidung des Königs aus eigener Machtvollkommenheit. Die Große Loge von England hatte 1741 während der britisch-preußischen Bündnisverhandlungen in London (Gesandtschaftsmitglieder waren unter anderen Truchsess zu Waldburg und Bielfeld) Friedrich II. als einen natürlichen Großmeister anerkannt mit dem Recht, in seinen Ländern Logen zu konstituieren, ihnen also die maurerische und staatliche Legitimität zu 260

Die Berliner Freimaurer vor 1786

Abb. 42  Aufnahme des Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Bayreuth in den Freimaurerbund durch Friedrich II. 1740 in Schloss Rheinsberg. Illustration aus dem 19. Jahrhundert nach einer Zeichnung von Georg Wilhelm Hoffmann (1751–1797).

verleihen. Der König übertrug sein Konstitutionsrecht auf die Loge Aux trois Globes. Diese konstituierte nunmehr Logen in Brandenburg-Preußen, im Reich und im Ausland; sie fungierte als Mutterloge (1741 in Meiningen und Breslau, durch diese 1742 in Wien, 1742 in Dresden, 1743 in Halle an der Saale und in Neuchâtel im hohenzollernschen Schweizer Fürstentum Neuenburg usw.). Die Berliner Loge trug wie keine andere deutsche Loge im Reich zur Verbreitung der Freimaurerei bei. Aus den von ihr konstituierten Logen ging der noch heute bestehende Logenbund der Großen NationalMutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ [GNML] hervor, eine zunächst lockere überregionale Sozietät mit einheitlichem Programm und der Zentrale in Berlin. Friedrich II. erteilte der Loge Aux trois Globes – und mit ihr den preußischen Freimaurern – außer der nur an den König gebundenen maurerischen Unabhängigkeit weitere fundamentale Rechte. Er regelte nach seiner Thronbesteigung (31. Mai 1740) grundsätzlich die staatsrechtliche Stellung der Freimaurer in Brandenburg-Preußen. Am 2. Juli 1740 stellte er im Journal de Berlin ou Nouvelles politiques et littéraires die Freimaurer unter „den Schutz des Thrones“. Sie könnten „sich einer Ruhe erfreuen, die keine Verfolgung stören wird“. Die Erklärung bezog sich auf den 1312 von Papst Clemens V. aufgehobenen und von dem französischen König Philipp IV. dem Schönen blutig unterdrückten Orden der armen Gemeinschaft Christi und des salomonischen Tempels und die Bulle In eminenti Papst Clemens’ XII. von 1738. Die Bulle gebot den Katholiken bei Strafe der Exkommunikation, „weder in die Gesellschaft der Freimaurerei einzutreten, noch die 261

5 Freimaurer-Logen

Abb. 44  Das älteste bekannte Siegel der Loge Aux trois Globes von 1743; Nachzeichnung von Inge Behne.

Abb. 43  Das Haus der Loge Aux trois Globes in der Brüderstraße (Hotel Stadt Paris); Zeichnung von Dietrich Kehlenbrink 1989 nach einer älteren Vorlage.

Gesellschaft fortzupflanzen, noch sie zu schützen, noch sie in ihre Häuser oder Paläste aufzunehmen“ (beide Zitate in: Kekule v. Stradonitz: Der Königliche Freimaurer, Bd. 1, S. 5). Zudem publizierte Friedrich II. im Journal de Berlin am 9. Juli 1740 die Namen der Mitglieder der Loge du Roi. Die Freimaurerlogen waren somit in Brandenburg-Preußen von Anfang an keine geheimen, sondern legale Gesellschaften. Das maurerische Geheimnis bezog sich nur auf die Lehre, die Rituale und Gebräuche, nicht auf die Sozietät als solche. Friedrich II. und seine Nachfolger bestätigten wiederholt diesen staatsrechtlichen Akt, der schließlich in das Allgemeine Landrecht der Preußischen Staaten und das auf ihm beruhende Edikt wegen der geheimen Verbindungen (1798) einging. Die politische und rechtliche Stellung der preußischen Freimaurerei war sozial untermauert. Die Logen formierten sich nach englischem Vorbild auf breiter ständischer, sozialer und konfessioneller Grundlage der den Aufstieg Brandenburg-Preußens tragenden sozialen Schichten und Gruppen – des auf Broterwerb angewiesenen, im königlichen Dienst stehenden Adels und des Bürgertums, beruflich der Angehörigen des Staatsapparates, also des Militärs und der Beamtenschaft, der Manufaktur- und Finanzbourgeoisie, der Intelligenz (der universitär gebildeten Beamten, Universitätsund Gymnasialprofessoren, Theologen u. a.) sowie der bildenden und angewandten Künstler. Die Mitgliedschaft reichte bis in das Volk (kleine Gewerbetreibende, Domes262

Die Berliner Freimaurer vor 1786

Abb. 45  Das erste Protokollbuch der Loge Aux trois Globes, Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“, 13. September 1740.

tiken, Soldaten), dessen Angehörige jedoch als dienende Brüder nur minder berechtigte Freimaurer sein konnten. Die soziale Basis und damit die Mitgliederzahl wuchsen mit dem politischen, militärischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlich-kulturellen Aufstieg Preußens und der Vergrößerung seines Staatsgebiets. Frauen blieben ausgeschlossen (bis auf die Ausnahme der kleinen androgynen Damenloge Der Tempel der Freundschaft 1781–1789 in Stendal). 263

5 Freimaurer-Logen

Diese grundlegenden politischen und sozialen Bedingungen sowie das große Ansehen Friedrichs II., eines loyalen, aber kritischen, sarkastisch urteilenden Freimaurers, bahnten der preußischen Maurerei einen im Reich beispiellosen kontinuierlichen Aufstieg. Die Mutterloge zu den drei Weltkugeln [ML3W] blieb bis 1749, der Gründung des  Montagsclubs, des „Hauptquartiers“ der Berliner Aufklärung (Ludwig Geiger), die einzige Berliner Sozietät, sieht man von der Akademie der Wissenschaften und von einzelnen traditionellen jüdischen Hilfsvereinen ab. Bereits in den frühen vierziger Jahren wollten Berliner Freimaurer zusätzliche Logen errichten, erstmals 1743 eine Adelsloge (Noble-Loge), was jedoch Friedrich II. auf Betreiben Bielfelds ablehnte. Seitdem war die Geschichte der Berliner Freimaurer im 18. Jahrhundert keine von Brüderlichkeit, sondern eine von Streit und Spaltungen. Ende 1753 formierten französisch sprechende Mitglieder der Mutterloge, in der Kabalen und Zwietracht herrschten, eine französische Loge. Mehrere ihrer meist bürgerlichen Mitglieder betrieben ein Gewerbe, andere standen im Dienst des königlichen Hofes. Die Gesellschaft trat vermutlich erstmals am 16. März 1754 zusammen. Die Mutterloge zu den drei Weltkugeln weigerte sich lange, sie anzuerkennen. Sie stellte der juste et parfaite Loge La petite Concorde erst am 9. Dezember 1754 eine einengende Stiftungsurkunde aus. Am 4. Januar 1755 installierte der vorsitzende Meister der Mutterloge Freiherr v. Bielfeld (Friedrich II. hatte ihn 1748 in den preußischen Freiherrenstand erhoben), die erste Berliner Tochterloge. Sie stand unter dem Vorsitz von Arnaud Alexandre Imbert, einem Finanzbeamten. Er besaß das Schlösschen Tegel, wo die Loge wiederholt zusammentrat. Friedrich II. ernannte Imbert 1765 zum 1. Direktor der Giro- u. Lehnbank in Breslau (dort 1770/71 regierender Meister der Loge Zu den drei Totengerippen). Die ML3W geriet 1755 erneut in eine Krise, nachdem der von Friedrich II. entlassene Freiherr v. Bielfeld Berlin verlassen hatte. Die Wahl eines neuen Meisters spaltete die Mitgliedschaft, die Concorde trennte sich von der Mutterloge. Diese erwirkte daraufhin bei dem Berliner Stadtkommandanten ein Verbot ihrer Johannisfeier in Charlottenburg, das jedoch der Altschottische Obermeister General Karl Markgraf von BrandenburgSchwedt, einst Mitglied der Loge du Roi, aufhob. Der Berliner Gouverneur Generalfeldmarschall Lord James of Keith, er gehörte zum Freundeskreis Friedrichs II. und war deputierter Provinzialgroßmeister der norddeutschen Logen englischer Lehrart, versprach der Concorde sogar, eine Konstitution der Großen Loge von England zu vermitteln, was jedoch der Krieg verhinderte (Keith fiel am 14. Oktober 1756 bei Hochkirch). Es blieb bei der Rechtsstellung der Concorde als einer von der ML3W konstituierten Loge. Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) behinderte in Berlin die Logen, bereitete ihnen aber kein Ende wie etwa in Stettin. Als österreichische und russische Truppen Berlin im Oktober 1757 und im September/Oktober 1760 besetzten, kamen jedoch die Logenarbeiten für längere Zeit zum Erliegen. Zudem entzog der Krieg den Logen viele Mitglieder. Andererseits belebte der Krieg die Berliner Maurerei. Im Jahre 1758 gründete ein französischer Kriegsgefangener, Kapitän Gabriel Marquis de Filley de Lerneux, den 264

Die Berliner Freimaurer vor 1786

Abb. 46  Gedrucktes Einladungsformular der Loge De la Concorde (1764).

die Concorde als Mitglied aufgenommen hatte, mit Zustimmung der ML3W eine Militärtochterloge französischer gefangener Offiziere, De la Félicité. Sie ging nach deren Repatriierung wieder ein. Ebenfalls noch während des Krieges gründeten gebürtige Franzosen im Frühjahr 1760 die Johannisloge De la Paix et de la Joïe. Die Mutterloge beugte sich wiederum den Tatsachen und stellte ihr unter dem Namen De l’Amitié des trois Colombes ein Konstitutionspatent aus, das ihr Vorsitzender Friedrich Wilhelm Freiherr v. Printzen, ein Sohn des Staatsministers, dem Stuhlmeister Cosme Patras, einem königlichen Pensionär, am 12. April 1761 überreichte. Das Patent erlaubte der nunmehrigen Tochterloge, französische und deutsche Kandidaten nach Anzeige an die Mutterloge aufzunehmen. Dagegen dauerte die Trennung zwischen der ML3W und der 265

5 Freimaurer-Logen

Concorde fort. Sie vertiefte sich noch, als die Concorde 1758 gegen den Protest der Mutterloge eine eigene Schottenloge, De l’Harmonie, errichtete und drei Jahre danach sogar als Mutterloge agierte, als sie am 23. Februar 1761 die Magdeburger Loge De la Fidélité konstituierte. Nach diesem Eklat gelang es der ML3W, die Beziehungen zwischen den nunmehr drei Berliner Logen zu regeln. Sie schlossen am 20. Mai 1761 einen Reunionsakt. Der Kompromiss beinhaltete eine enge Verbindung zwischen der ML3W und der Concorde, die Vereinigung der Schottenlogen L’Union und L’Harmonie zu einer gemeinsamen schottischen Loge, der am 8. Juli 1761 die Schottenmeister der L’Amitié beitraten (L’Union & l’Harmonie), sowie ein Maurerisches Tribunal, eine maurerische Schiedsstelle. Mitglieder waren unter anderen Freiherr v. Printzen als Großmeister (Vorsitzender) sowie als Großbeamte Imbert, der Stadtpräsident Karl David Kircheisen (ML3W), der Bankier und Manufakturunternehmer Friedrich Karl Daum (ML3W) und Cosme Patras. Das Maurerische Tribunal konnte die anhaltenden Misshelligkeiten und Parteiungen unter den Berliner Freimaurern zunächst schlichten. Die schwerste Krise brach 1763 aus. Den Anlass bot eine vom Tribunal nicht genehmigte Loge, die der Porzellanfabrikant Gerhard Friedrich Wolber, ein Mitglied der Amitié, gemeinsam mit anderen Berliner Freimaurern während der Messe in Frankfurt (Oder) hielt. Das Tribunal bestrafte die Teilnehmer mit mehrmonatigem Ausschluss von den Arbeiten. Die Amitié wählte daraufhin Wolber am 9. Juni 1763 mit Stimmenmehrheit zum Meister vom Stuhl. Wie tief die Spaltung unter den Berliner Freimaurern nun war, zeigt, dass sie 1763 das Johannisfest wieder getrennt feierten. Auch die gemeinsame Schottenloge zerbrach. Am 16. März 1764 gründeten vierzehn schottische Meister und Ritter des Heiligen Andreas der Amitié eine eigene Andreasloge, La Cordialité (Loge des heil. Andreas vom Geheimnis und von der Cordialität). Nach dem Scheitern des Maurerischen Tribunals herrschte in der Berliner Freimaurerei Anarchie. Aberglauben, den die Aufklärer bekämpften, Mystik, Intoleranz, Despotie fanden nunmehr in sie Eingang. Marquis de Filley de Lerneux führte 1758 erstmals über den Schottengrad hinausgehende französische Hochgrade ein und gründete mit Freiherrn v. Printzen und anderen Berliner Maurern ein Kapitel der auserwählten Brüder des Ordens der Ritter von Jerusalem. Dieses so genannte Clermontsche System vereinte Elemente des Alten Testaments, des Baus des Salomonischen Tempels, der Alchemie und Mystik mit der Geschichte von vier schottischen Brüdern, die drei im Grundstein des Tempels von Jerusalem gefundene Schalen nach Schottland brachten, deren Geheimnis sie dort den ersten Tempelherren anvertrauten. Der ehemalige Köthener Oberpfarrer und Superintendent Philipp Samuel Rosa, ein einflussreiches Mitglied der ML3W, erweiterte das System (Clermont-Rosasches System). Es unterhöhlte das englische System. Hochgradsysteme beherrschten nun für Jahrzehnte die deutsche Freimaurerei. Dem Zusammenbruch des Clermont-Rosaschen Systems und der Flucht Rosas, er blieb verschollen, folgte ein neuer Hochgradorden, der freimaurerische Tempelritterorden der Strikten Observanz. Sein Gründer, der Lausitzer Erb- und Grundherr Karl Gottheld v. Hund und Altengrotkau (1722–1776), war seit dem Siebenjährigen Krieg ein erbit266

Die Berliner Freimaurer vor 1786

terter Gegner Friedrichs II., was dieser mit gleicher Münze zurückzahlte. Der welt­ liche, von so genannten unbekannten Oberen geführte maurerische Ritterorden mit sieben kostspieligen Graden führte angeblich den historischen, 1314 aufgehobenen militant-christlichen Tempelherrenorden aus der Zeit der Kreuzzüge fort. Dieser habe sich heimlich unter der Maske der Freimaurerei erhalten und trete jetzt wieder hervor, er sei das einzig wahre freimaurerische System (Andrew Michael Ramsay 1737). Die Strikte Observanz stellte die regionale Gliederung des historischen Ordens mit Provinzen, Präfekturen (Templin: Berlin, Brandenburg, Pommern) und Hauskommenden (Logen) wieder her. Hund war bis 1772 der unumschränkt herrschende Heermeister der VII. Ordensprovinz (Norddeutschland, Dänemark, Niederlande, Böhmen, Polen, Liv- und Kurland). Der Orden schlug seine Mitglieder zu Rittern, nobilitierte sie gleichsam. Im Orden galten Befehl und Gehorsam (strikte Observanz), der in den englischen Logen geübte Republikanismus war abgeschafft. Die allgemeine religiöse Toleranz war auf die christlichen Hauptkonfessionen reduziert. Die Provinzführung saß zunächst in Dresden, ab 1775 in Braunschweig (Herzog Ferdinand von Braunschweig war Ordensgroßmeister der schottischen Logen in Deutschland), somit außerhalb Preußens. Hund beauftragte 1764 seinen Mitstreiter Johann Christian Schubart (1734–1787), die Berliner Logen latae observantiae zu rektifizieren, das hieß, nach den Regeln und Verordnungen des Ordens einzurichten. Schubart diente im Siebenjährigen Krieg als Kriegsund Marschkommissar in der Alliierten Armee. Er rechtfertigte das Vertrauen Friedrichs II. und bereicherte sich nicht wie andere. Seine ökonomischen und wissenschaftlichen Erfolge als fortschrittlicher Landwirt fallen in seine nachmaurerische Lebensperiode ebenso wie seine Nobilitierung zum Ritter des heiligen römischen Reiches von dem Kleefelde 1784 durch Kaiser Joseph II. Die Installierung (Einweihung) der beiden Berliner rektifizierten Logen strikter Observanz, der ML3W und Zur Eintracht, erfolgte am 28. November 1764. Hund ernannte den preußischen Oberfeldstabsmedikus Johann Wilhelm Kellner v. Zinnendorf zum Praepositus (Verweser) der Präfektur Templin. Dieser führte zudem als Hauskomtur die Mutterloge (1765/66). Die ML3W konstituierte in den Jahren der Strikten Observanz in Berlin drei Filialen: – am 27. Februar 1770 (Einweihung 5. März 1770), als ein europäischer Krieg drohte, die Militärloge Zum flammenden Stern unter ihrem Meister vom Stuhl Premierleutnant Christian Adam Marschall v. Bieberstein (1770–1786); im Bayerischen Erbfolgekrieg 1778/79 arbeitete unter dem Vorsitz von Major Felix Friedrich v. Kleist eine gleichnamige Deputationsfeldloge in Landeshut in Schlesien; – am 8. August 1774 auf Initiative von Charles Antoine de Pénavaire, Hofmarschall Friedrich Augusts Prinz von Braunschweig, die französische (ab 1785 deutsche) Johannisloge Zu den drei Seraphim; Pénavaire amtierte bis 1786 als Meister vom Stuhl; – am 13. Januar 1775 die Johannisloge Zur Verschwiegenheit (zu den drei verbundenen Händen), die aus einer mit der Maurerei verwandten geschlossenen Gesellschaft hervorging. Ihr erster (deputierter, stellvertretender) Stuhlmeister war Leutnant Karl Bernhard 267

5 Freimaurer-Logen

Friedrich v. Zeuner. Über die von Georg Jakob Decker gedruckte Eröffnungsrede Thedens erschien eine Meldung in der Vossischen Zeitung (11.1.1776). Nachfolger v. Zeuners waren Dr. med. Johann Christoph Andreas Mayer (1778, Berufung als Prof. der Medizin an die Viadrina) und Oberrechnungsrat Georg Eberhard Friedrich (v.) Beyer (1778–1818; 1817 zugeordneter Nationalgroßmeister). Bis zur Gründung der nächsten Berliner Filiale der GNML verging nahezu ein Jahrhundert (1872 Die Treue). Zu den Vereinigten Logen strikter Observanz gehörten nunmehr fünf Logen, außer den drei Neugründungen die ML3W, ab 1763 eine Meisterloge lediglich mit Verwaltungs- und Repräsentationsaufgaben, und die Johannisloge Zur Eintracht, die anerkannt älteste Tochterloge, mit den vorsitzenden Meistern Generalstabsarzt Johann Christian Anton Theden (1768–1785) und dem Geh. Oberhofbuchdrucker Georg Jakob Decker (1785–1794). Die Rektifizierung der Berliner Freimaurer war ein Affront gegen den König und Großmeister. Die preußischen Logen strikter Observanz unterstanden nicht mehr ihm, sondern einer ausländischen Führung in Kursachsen, dem Kriegsgegner Preußens im Siebenjährigen Krieg. Friedrich II. war daher politisch ein Gegner der Strikten Observanz. Zudem lehnte er sie als gegen die Aufklärung gerichtet ab. Dennoch hob Friedrich II. den 1740 gewährten Schutz nicht auf. Er regelte vielmehr das Verhältnis des Staates zu den Logen strikter Observanz, vermutlich auf Anregung seines Leibarztes Christian Andreas Cothenius, den v. Zinnendorf in die Mutterloge aufgenommen hatte, indem der Thronfolger Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen sich 1770 zum Protektor der Vereinigten Logen erklärte. Damit erhielt die GNML eine vergleichbare staatsrechtliche Stellung, wie sie die Loge Aux trois Globes besessen hatte. Zudem stand ab 1772 der Neffe Friedrichs II., General Friedrich August Prinz (1780 Herzog) von Braunschweig-Lüneburg (1740–1805), als National-Großmeister für die Preußischen Staaten an der Spitze der preußischen Logen strikter Observanz. Die Meisterloge Zu den drei Weltkugeln hieß nunmehr Große National-Mutterloge der Preußischen Staaten. Außer dem Prinzen von Preußen und Friedrich August besetzte ein dritter naher Verwandter des Königs eine Führungsposition in der Strikten Observanz, Feldmarschall Ferdinand Herzog von Braunschweig-Lüneburg, durch seine Schwester Elisabeth Christine Schwager Friedrichs II. Ferdinand war nach seinem ungnädigen Abschied Dechant des Magdeburger Domstifts und als solcher Namensgeber der Loge Ferdinand zur Glückseligkeit. Der Sieg der Strikten Observanz 1764 war keineswegs vollständig. Nicht alle Freimaurer ließen sich rektifizieren. So zog sich der Stadtpräsident und Polizeidirektor Karl David Kircheisen aus der Maurerei zurück. Zudem lehnte die dritte Berliner Loge, De l’Amitié, die Rektifizierung ab. Sie blieb beim englischen System und bemühte sich um die maurerische Anerkennung der Großen Loge von England. Die Amitié nahm, vermittelt von dem schwedischen Gesandten am Berliner Hof, Graf v. Bohlen, am 27. Juli 1765 den Bruder des britischen Königs Georg III., Edward August Herzog von York, auf. Als er am 2. August 1765 das Ehrenamt eines Protektors übernahm, erteilte die Große Loge von 268

Die Berliner Freimaurer vor 1786

England der nunmehrigen La Loge Royale d’York de l’Amitié ein Affiliierungspatent (am 24. Juni 1768 übergeben). Das Patent verlieh der Loge eine feste, maurerisch nur von der Großen Loge von England abhängige Stellung und stärkte sie gegenüber der Strikten Observanz, verweigerte ihr aber Namen und Recht einer Mutterloge. Sie durfte wohl Logen im Namen der Großen Loge von England zusammentreten lassen, ihnen aber keine Konstitutionspatente erteilen. Die Loge Royale York de l’Amitié [RY] wählte bis 1786 mindestens zwölf Stuhlmeister, unter anderen Isaac Jacques Clauce, Malereivorsteher der Königlichen Porzellanmanufaktur (1762), den Juwelier Jean Serre (1762/1764), den Fayencefabrikanten Gerhard Friedrich Wolber (1763/1764), Otto Adolph Christoph Flesche, Sekretär Prinzessin Amalias (1764–1767?), den Militärarzt Pierre Poirier (1767–1769, 1772–1774), Charles Antoine Pénavaire, Hofmarschall Friedrich Augusts Prinz von Braunschweig (1769– 1770), den Kriegsrat August Friedrich Wilhelm Sellentin (1774), den General-Akzisedirektor Jean Pierre Delagoanère (1774–1783, 1783–1798 Großmeister) und den Hofjuwelier Louis Baudesson (1783–1787). Die RY stiftete 1765–1793 unter der Autorität der Großen Loge von England mittel- und unmittelbar 19 Logen in Reims (1765), Besançon (1772), Kassel (1773), Potsdam (1777 eine unselbstständige Deputa­tion), Mannheim (1778), München (1779), Warschau (1779, die spätere Provinzialloge des Königreichs Polen mit sieben Tochterlogen), Bromberg (1783), Esslingen (1784), Landau (1786), Schweidnitz (1788) und Kalisch (1793). Im Jahre 1764 bestanden somit in Berlin Logen zweier Freimaurersysteme nebeneinander. Dabei blieb es aber nicht. Mitte der sechziger Jahre formierte sich in der Präfektur Templin wegen der vielen Streitigkeiten, Zänkereien und Kabalen (Karl Friedrich Köppen) eine Opposition gegen v. Hund und die Strikte Observanz unter der Führung zweier Angehöriger der preußischen Finanzbourgeoisie, des Titularkriegsrats Köppen und des Bankiers Friedrich Karl Daum, Sohn des Großunternehmers Gottfried Adolf Daum, beide verwandt mit dem Geheimen Kämmerer Friedrichs II. Gabriel Fredersdorf (Loge du Roi ). Köppen gründete am 28. November 1764 die Bauherrenloge der Verschwiegenheit der Freunde freier Künste und schönen Wissenschaften. Die Loge ging auf die  Alethophilische Gesellschaft zurück (darauf weist der 5. Bauherrenlehrgrad des Alethophiloten oder Wahrheitsliebhabers hin, entsprechend dem von Köppen und dem Kammergerichtsrat Johann Wilhelm Bernhard Hymmen 1770 verfassten Konstitutionsbuch Crata repoa oder Einweihungen in der alten geheimen Gesellschaft der Egyptischen Priester). Das maurerische Bauherrensystem führt ihren legendären Ursprung bis in die Zeit der biblischen Sintflut zurück. Ham, einer der drei Söhne Noahs, habe in Ägypten sein Land bebaut und dem Volke nützliche Gesetze gegeben. Für diesen Zweck habe der König eine (Bau-)Kommission eingerichtet, die Crata repoa, was Bauherren der Städte bedeute. Diese Gesellschaft habe im Hochmittelalter in Europa Fuß gefasst und lebe in der Bauherrenloge weiter. Die Afrikanischen Bauherren gründeten in Berlin unter dem lateinisch arbeitenden Kapitel (1771), dem Führungsgremium bzw. der Hauptloge (Großmeister Daum 1766– 1768, Köppen 1768–1775), fünf Logen mit nominell je zwölf Mitgliedern: 269

5 Freimaurer-Logen

– Zum Helm (Loge vom Helm afrikanische Bauherren), eine Militärloge, konstituiert am 26. September 1770, Meister vom Stuhl Kapitän Franz Heinrich v. Thadden (Vizegroßmeister); – Zum flammenden Stern, konstituiert am 23. Dezember 1771, Meister vom Stuhl Leutnant v. Hallmann; sie hieß 1773 Zu den drei Hammern; – Zum goldenen Anker, konstituiert am 5. September 1772, Meister vom Stuhl Leutnant de Forcade; – Zum goldenen Kranz, konstituiert am 31. Januar 1774, Meister vom Stuhl Kapitän v. Zitzwitz; – Heinrich von Durant, konstituiert am 31. Januar 1774, Meister vom Stuhl Kapitän Johann Georg Eimbke. Weitere Bauherrenlogen entstanden in Halle (Saale), vermutlich in der Oberlausitz (1768) sowie in Südwestfrankreich und in der Schweiz. Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen erteilte am 25. September 1770, wohl im Auftrag des Königs, der Bauherrenloge ein Protektorium und damit die staatliche Anerkennung. Danach schlossen die Bauherrenlogen und die Vereinigten Logen der Strikten Observanz, die ebenfalls unter der Protektion des Prinzen von Preußen standen, am 22. November 1770 einen Vertrag, der die Gleichheit beider Logen im Ursprung der Stiftung feststellte, gegenseitig die Großmeister sowie die Mitglieder als wahre und echte Freimaurer anerkannte und den gegenseitigen Logenbesuch erlaubte. Einige Freimaurer, Hymmen, Decker und andere, gehörten Logen beider Seiten an. Der gefährlichste Gegner erwuchs der Strikten Observanz jedoch in ihrem Präfekten und Hauskomtur Johann Wilhelm v. Zinnendorf, einem Vertrauensmann v. Hunds. Zinnendorf stammte aus einer bürgerlichen Hallenser Familie (der Adelstitel stammte von seinem Onkel), studierte in seiner Vaterstadt Medizin, stieg im Siebenjährigen Krieg zum 2. Arzt der Armee auf. Er trat als Hallenser Student der Loge Philadelphia zu den drei goldenen Armen bei, amtierte im Krieg als Redner der Loge Aux trois Squelettes in Breslau, erhielt in Halle die Rosaischen Kapitelgrade und war 1765 einer der Mitgründer der Loge Zu den drei Degen. Der von allen maurerischen Systemen enttäuschte v. Zinnendorf hoffte wahre Freimaurerei in Schottland und Schweden zu finden. Er erhielt 1766 nach langen Verhandlungen mit dem schwedischen Kanzleirat Karl Friedrich Eckleff, dem Gründer der St. Andreas-Loge L’Innocente (1756) und des Chapitre Illuminé de Stockholm (1759), des so genannten Schwedischen Systems, unter hohen Kosten, die er aus eigener Tasche bestritt, von der Großen Landesloge von Schweden die Rituale, den Freiheitsbrief, die Instruktionen des 1. bis 9. Grades und die Fragebücher des 1. bis 8. Grades des Schwedischen Systems. Er forderte Heermeister v. Hund auf, die schwedischen Akten anzunehmen und ihm die Kosten zu erstatten, was dieser selbstredend ablehnte. Darauf quittierte Zinnendorf am 16. November 1766 seine Mitgliedschaft im Orden und am 6. Mai 1767 in der ML3W. Zinnendorf gründete nunmehr mit den schwedischen Akten eigene Logen, als erste am 15. Mai 1768 durch seinen Freund Kapitän Levin v. Geusau Minerva, gleichsam 270

Die Berliner Freimaurer vor 1786

eine Loge der Potsdamer Garnison, und revitalisierte am 10. August 1769 in Berlin die Johannisloge Zu den drei goldenen Schlüsseln (Aux trois Clefs d’or in Halle). Im Jahr darauf folgten weitere fünf Gründungen des Schwedisch-Zinnendorfschen Systems in Stettin, Potsdam (Herkules, später nach Schweidnitz verlegt), Hamburg und Stargard sowie am 22. November 1769 in Berlin eine Andreasloge, im Anklang an die Loge L’Innocente in Stockholm Indissolubilé (Indissolubilis) genannt. Den Abschluss bildete am 27. Dezember 1770 die alle diese maurerischen Gesellschaften vereinigende Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland [GLL]. Oberstes Führungsgremium der GLL war eine Große Loge mit dem Generalmünzdirektor Martin Kröncke als Landesgroßmeister und v. Zinnendorf als deputiertem Landesgroßmeister. Zinnendorf erledigte als deputierter Großmeister die Geschäfte, behielt also letztlich das Heft in der Hand. Daran krankte das eher präsidiale Amt des Landesgroßmeisters, während die Berliner Große Loge wirklich regierte. Daher wechselten die in der Großen Loge durch Los gewählten Landesgroßmeister schnell aufeinander: 27.12.1770 – 10.6.1773 Martin Kröncke; 10.6.1773 – 27.9.1774 auf Anraten der Großen Loge von London das Mitglied eines regierenden Hauses, Ludwig Georg Karl Prinz von Hessen-Darmstadt (1749–1823), Stifter und Logenmeister der Filiale Zur weißen Taube in Darmstadt, Alchemist, Mitglied des geistlichen Zweigs (Klerikat) der Strikten Observanz; 27.9.1774 – 21.6.1775 v. Zinnendorf; 21.6.1775 – 14.1.1777 (offizieller Rücktritt) Ernst II. Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg; v. Zinnendorf erneut deputierter Landesgroßmeister; Ernst II. scheiterte, weil er eine Verständigung mit Ferdinand Prinz von Braunschweig-Lüneburg (Strikte Observanz) suchte; 29.12.1776 – 18.6.1777 Karl Alexander Frhr. v. d. Goltz (Quartiermeisterleutnant der königlichen Suite in Potsdam); 18.6.1777 – 24.6.1780 Dr. med. Jakob Mumssen (1734–1819), Logenmeister der Hamburger Filiale Zu den drei Rosen; 24.6.1780 – 8.6.1782 v. Zinnendorf. Die GLL errichtete in Berlin sieben Johannislogen: – Zu den drei goldenen Schlüsseln (10. August 1769), Logenmeister: v. Zinnendorf (1769– 1776, 1779–1782); Leutnant Adolf v. Rothe (1776–1778); Generalmünzdirektor Georg Heinrich Singer (1782/83) und Landrentmeister Gottfried Ernst Andreas Müller (1784–1815); – Zum goldenen Schiff (11. März 1771), Logenmeister: Kriegsrat Burchard Ludwig Werner Cramer (1771–1790); – Zum Pegasus (4. September 1771), Logenmeister: u. a. Kapitän Pierre François de Boaton (1771, 1773–1792, 1795), der Kupferstecher Peter Fäsch (1778); – Zur Beständigkeit (12. Oktober 1775), Logenmeister: Postsekretär August Michael Brandes (1775–1781, 1782/83); Leutnant Johann Heinrich Scheel (1781/82); Rittmeister Karl August v. Beulwitz (1783–1799); 271

5 Freimaurer-Logen

– Zum Pilgrim (1. November 1776), Logenmeister: der Mathematikprofessor Frédéric de Castillon (1776–1814); – Zum goldenen Pflug (8. November 1776), Logenmeister: der dänische Geschäftsträger Andreas Christoph v. Rüdinger (1776–1785); Leutnant Johann Ludwig Rudolf v. Ponikau (1778/79); Leutnant Johann Christian Friedrich v. Knebel (1785–1789) und der königliche Bibliothekar Johann Erich Biester (1785–1816); – Zum Widder (15. November 1776), Logenmeister: der Weinhändler und Manufaktur­ unternehmer Antoine Thomas Palmié (1776–1811). Zinnendorf suchte für die GLL die maurerische und staatliche Anerkennung zu erlangen, auch mit Blick auf die starke Strikte Observanz. Im Jahre 1773 anerkannte die Große Loge von England sie als einzige große Landesloge des Reichs (ohne Braunschweig-Lüneburg) einschließlich der Preußischen Staaten (diese mit Territorien außerhalb des Reiches) mit dem Recht, Logen zu konstituieren. Sie schränkte jedoch 1788 den Geltungsbereich des Vertrags auf Brandenburg-Preußen ein, entzog der GLL also das Monopol der einzigen Landesloge im Reich. Als Nächstes suchte Zinnendorf die offizielle Anerkennung der GLL durch den König zu erreichen, damit eine Rechtsstellung, die bisher noch keine preußische Loge besaß. Eine Störung des Johannisfestes 1774 durch Offiziere der Berliner Garnison lieferte den gewünschten Anlass. Da die Beschwerde der Großlogenführung bei dem Berliner Kommandanten keinen Erfolg hatte, richtete sie eine Bittschrift an den König. Friedrich II. erteilte nunmehr der GLL am 16. Juli 1774 das erhoffte Protektorium mit der Begründung, dass sich die GLL „am meisten der ersten Einrichtung der Freimaurerei nähert und sich überdies damit beschäftigt, die Menschen geselliger, tugendhafter und wohltätiger zu machen, so finden Seine Königliche Majestät dieselbe Allerhöchstdero Schutzes und Ihres Wohlwollens vorzüglich würdig“. Er lehnte es indes ab, den staatlichen Behörden das Protektorium offiziell mitzuteilen, erklärte sich aber bereit, es in den Zeitungen publik zu machen. Es bestätigte die Schutzerklärung von 1740 und damit die Legalität der Freimaurerlogen in den Preußischen Ländern. Die GLL konnte indes das Monopol gegenüber anderen freimaurerischen Systemen nicht aufrechterhalten. Alle Freimaurer, auch die ausländischer Systeme, nahmen unangefochten die allgemeine staatliche Duldung für sich in Anspruch. Während die GLL unter der Führung v. Zinnendorfs von Erfolg zu Erfolg schritt, gerieten die Afrikanischen Bauherrenlogen und die Strikte Observanz in eine tiefe Krise. Die Afrikanischen Bauherrenlogen wurden zwischen den Fronten der Strikten Observanz und des Schwedisch-Zinnendorfschen Systems zerrieben. Der kranke Großmeister Köppen trat am 15. August 1775 zurück. Die Mehrheit der Bauherren wechselte in andere Logen, die meisten zur GLL (40 Zum goldenen Schiff, zwei zur Pégase, einer zur Beständigkeit), einige wenige zu den Vereinigten Logen strikter Observanz (zwei Zur Eintracht, je einer zur ML3W und Zum flammenden Stern), einer zur Royale York de l’Amitié und schließlich einer Zu den drei Degen in Halle. Etwa dreißig Afrikaner setzten die Arbeiten fort, wählten aber keinen Großmeister mehr. Die letzten Nachrichten stammen von 1783. 272

Die Berliner Freimaurer vor 1786

Der Heermeister v. Hund verlor noch zu Lebzeiten seine Glaubwürdigkeit, da er weder die Echtheit eines in Geheimschrift geschriebenen, bis heute nicht entzifferbaren Zertifikats über seine Ernennung zum Heermeister der VII. Provinz noch den Zusammenhang mit den in Frankreich im Exil lebenden Stuarts beweisen konnte. Er war betrogen oder gar ein Betrüger. Zudem nahmen die Despotie der Ordensführung sowie der antidemokratische, antiaufklärerische Grundzug der Strikten Observanz den Freimaurern die Luft zu atmen. Der Niedergang erfasste nach seinem Tod 1776 auch die Berliner Vereinigten Logen. Sie ergriffen 1779 die Gelegenheit, sich von der Strikten Observanz zu distanzieren, als Friedrich II. während des Bayerischen Erbfolgekrieges eine gegen die maurerische Adelsmanie gerichtete Kabinettsorder erließ. Sie verbot den Freimaurern, sich Adelstitel beizulegen, was das Fundament des preußischen Staates, den Adel, zu unterminieren schien. Daraufhin beendete die GNML am 5. Juli 1779 zunächst intern für sich und ihre Filialen die Arbeiten in den hohen Graden der Strikten Observanz, trennte sich jedoch nicht von ihr aus Rücksicht auf Herzog Ferdinand von Braunschweig. Nach dem von Ferdinand nach Wilhelmsbad einberufenen Reformkonvent, an dem die preußischen Freimaurer nicht teilnahmen, brach die nunmehr rosenkreuzerische GNML am 11. November 1783 auch öffentlich mit der Strikten Observanz. Der Aufschwung der preußischen Freimaurerei setzte in den siebziger Jahren nach der Überwindung der Kriegsfolgen und der Nachkriegskrisen ein. Arbeiteten nach dem Siebenjährigen Krieg in Berlin lediglich drei Johannislogen, stieg ihre Zahl bis 1776 auf siebzehn (einschließlich der ML3W und drei Schotten- bzw. Andreaslogen 21 Logen). In einem knappen Jahrzehnt, in den acht Jahren von 1769 bis 1776, gründeten die Berliner Freimaurer fünfzehn Johannislogen. Die große Vermehrung der Logen war kein willkürlicher Akt, etwa Zinnendorfs, die Stellung der GLL gegenüber der Strikten Observanz zu stärken, auch wenn dies eine gewisse Rolle spielte. Die Ursachen liegen in der Geschichte Brandenburg-Preußens, außer in der staatsrechtlichen Stellung der Logen in dem Aufstieg Preußens zu einer der fünf europäischen Großmächte. Das Ansehen Friedrichs II., des Großen, war außerordentlich gewachsen. Viele Deutsche dachten „fritzisch“ (Goethe), auch wenn sie nicht unbedingt preußisch gesinnt waren. Nach dem Krieg folgte eine lange Friedensperiode bis 1792, dem Beginn des 1. Koalitionskrieges gegen das revolutionäre Frankreich, nur unterbrochen von dem schlachtenlosen Bayerischen Erbfolgekrieg 1778/79. Der wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aufschwung schuf beste Voraussetzungen für einen allgemeinen Aufschwung der Freimaurerei in der Monarchie und besonders in der Haupt- und Residenzstadt. Erst jetzt erfolgte der allgemeine Durchbruch der Freimaurerei von kleinen, isolierten Vereinen zu mitgliederstarken überregionalen modernen Organisationen. Die Großstadt Berlin wirkte wie ein Magnet für immer mehr gut ausgebildete, aktive Menschen aus der Monarchie, dem Reich und dem Ausland, die hier Arbeit suchten und fanden. Die wachsende Zahl der universitär ausgebildeten Angestellten in den zentralen, kurmärkischen und kommunalen Behörden, der Offiziere der größten Garnison der Monarchie, der Unternehmer eines schnell wachsenden Ge273

5 Freimaurer-Logen

werbezentrums und die zahlreichen Künstler waren potentielle Kandidaten einer sozial breiten Sozietät, wie sie die Logen waren. Die Immigranten suchten eine Mitgliedschaft der Logen, um gesellschaftlich schneller Fuß fassen zu können. Sie waren aktive Freimaurer, viele von ihnen wurden in Leitungsfunktionen gewählt. Die meisten Großmeister waren Immigranten. Als Friedrich II. am 17. August 1786 starb, bestanden in Berlin drei Freimaurerbünde (Systeme): die staatlich anerkannten (protektorierten) Große National-Mutterloge der Preußischen Staaten und die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland sowie die von der Großen Loge von England legitimierte Loge Royale York de l’Amitié unter einem Protektor aus dem englischen Königshaus, außerdem der freimaurerähnliche Goldund Rosenkreuzerorden. Zu den drei später so genannten Altpreußischen Logen gehörten zwölf Johannislogen (mit den Schotten- bzw. Andreaslogen 15 Logen), so viele wie in keiner anderen Stadt des Reiches. War manche Loge bei Gründung klein und drohte einzugehen, behauptete sie sich dennoch, als immer mehr Männer eintraten. Die Mitgliederzahlen wuchsen schnell. Der Korpus der Berliner Logen umfasste Mitte der achtziger Jahre (1783/1785) 854 Mitglieder, von ihnen 576 Berliner (anwesende, aktive Mitglieder, ohne die Freimaurer aus den heute zu Berlin gehörenden Städten und Dörfern wie Spandau, Charlottenburg, Köpenick, Schöneberg, Karow, Schönhausen usw.), und stieg bis zum Jahrhundertbeginn (1801/1805) auf 927 Mitglieder, von ihnen 701 Berliner, und erreichte bis zu den Befreiungskriegen (1814/1815) 1138 Mitglieder, von ihnen 969 Berliner. Insgesamt organisierten die Altpreußischen Logen 1786–1815 in Berlin einschließlich der dienenden Brüder nominell etwa 3285 Freimaurer (GNML 1050 Vollmitglieder / 38 dienende Brüder, GLL 1086/30, RY 945/24). Eine christlichjüdische Loge zur Toleranz [TolL] vereinte 18 Mitglieder. Da 45 Freimaurer im Untersuchungszeitraum nacheinander zwei oder mehr Berliner Logen verschiedener Obödienz angehörten, ist die Zahl der in den Listen genannten Mitglieder etwas größer als die wirkliche Gesamtzahl. Andererseits bleiben die in der preußischen Hauptstadt wohnenden, aber in keiner Berliner Loge organisierten Freimaurer, z. B. der Minister Struensee, unberücksichtigt. Berlin war eine freimaurerische Hochburg. Literatur: 250 Jahre Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1740– 1990. In den Vereinigten Großlogen von Deutschland Bruderschaft der Freimaurer. (Berlin 1990). – Etzel, Franz August v.: Geschichte der Großen National-Mutterloge in den Preußischen Staaten genannt zu den drei Weltkugeln. Berlin 1840, 6. Ausgabe 1903. – Flohr, August: Geschichte der Großen Loge von Preußen, genannt Royal York zur Freundschaft im Orient Berlin. T. 1: Geschichte der Johannis-Loge Royal York 274

zur Freundschaft bis zur Stiftung der Großen Loge 1798; T. 2: Geschichte der Großen Loge von Preußen, gen. Royal York zur Freundschaft von ihrer Stiftung 1798–1898. Nach den Akten zusammengestellt. Als Manuscript für Brüder Freimaurer gedruckt. Berlin (1898). – Francke, Karl-Heinz / Gep­ pert, Ernst-Günther: Die Freimaurer-Logen Deutschlands und deren Großlogen 1737– 1985. Matrikel und Stammbuch. Nachschlagewerk über 248 Jahre Geschichte der Freimaurerei in Deutschland. Bayreuth 1988. –

Die Berliner Freimaurer vor 1786

Gerlach, Karlheinz (Hg.): Berliner Freimaurerreden. 1743–1804. Frankfurt a.  M. 1996 (Schriftenreihe der Internatio­ nalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“, Hg. Helmut Reinalter, Bd. 22). – Gerlach, Karlheinz: C. Helmuth. Früheste Karte der Freimaurer Logen und des Verbandes derselben in der Preußischen Monarchie und den Deutschen Bundesstaaten (1840). Braunschweig 2008 (in: Deutschland in Historischen Karten). – Gerlach, Karlheinz: Die Freimaurer im Alten Preußen. 1738–1806. Innsbruck/ Wien/Bozen 2007–2014: (Teil 1) Die Logen in Berlin (Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei, hg. v. Helmut Reinalter in Zusammenarb. mit dem Institut f. Ideengeschichte, Bd. 14), 2014. (Teil 2) Die Logen zwischen mittlerer Oder und Niederrhein (Quellen und Darstellungen […], Bd. 8), 2007; (Teil 3) Die Logen in Pommern, Preußen und Schlesien (Quellen und Darstellungen […], Bd. 9), 2009. – Gerlach,

Karlheinz: König Friedrich II. und die preußischen Freimaurer. In: Zs. f. Internatio­nale Freimaurer-Forschung, 14. Jg., 28. H. 2012, S. 9–53. – Lennhoff, Eugen / Posner, Oskar / Binder, Dieter A.: Internationales Freimaurerlexikon. Überarb. u. erweit. Neuauflage (Stand Februar 2000) der Ausgabe von 1932. München 2000. – Reinalter, Helmut (Hg.): Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe. Innsbruck/Wien/München/Bozen 2002 (Reihe: Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei, hg. v. Helmut Reinalter in Zusammenarb. m. d. Institut für Ideengeschichte und der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Freimaurerei, Bd. 1). – Runkel, Ferdinand: Geschichte der Freimaurerei in Deutschland. 3 Bde., Berlin 1932. Nachdr. Königswinter 2006 (Mit e. Nachw. von Peter Broers). – Wald, Wilhelm (Hg.): Geschichte der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland zu Berlin. Bd. 1: Das erste Jahrhundert des Bestehens umfassend. Berlin 1920.

Karlheinz Gerlach

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5 Freimaurer-Logen

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W] Name: 1740 Aux trois Globes; 1744 Große Mutterloge zu den drei Weltkugeln (der Namenszusatz: Königliche ist in den Quellen nicht nachweisbar); 1764 Präfektur Templin der VII. Provinz der Strikten Observanz (der Ritter zu Jerusalem, Tempelritterorden); 1772 Große National-Mutterloge der (auch: in den) Preußischen Staaten; 1786 auch: Vereinigte Logen unter unmittelbarem Vorsitz des Durchlauchtigsten Hochwürdigsten Provinzial-Großmeisters Friedrich August Herzog von Braunschweig-Lüneburg; 1803 auch: Große National-Mutterloge der Preußischen Staaten genannt zu den drei Weltkugeln; heute: Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ zu Berlin. Gründungen (Konstituierungen): 13. September 1740 Aux trois Globes 30. November 1742 schottische Loge L’Union 9. Dezember 1754 La petite Concorde (1764 Zur Eintracht) [E] 1758 schottische Loge L’Harmonie 1763–1764 schottische Loge L’Union &

l’Har­monie 6. Oktober 1767–1779 Schottenloge strikter Observanz Friedrich zum goldenen Löwen 27. Februar 1770 Zum flammenden Stern [FlSt] 8. August 1774 Zu den drei Seraphim (1774 Frédéric aux trois Séraphin, 1796 Zu den drei Seraphinen, 1806 Frédéric aux trois Seraphim) [3Ser] 13. Januar 1775 Zur Verschwiegenheit (zu den drei verbundenen Händen) [Vschw] 1797 Allgemeine Altschottische Loge (1800 Altschottische Loge Zum goldenen Löwen) Bestand: Bis heute. Sitz: 1775–1795 zur Miete Berlin(-Friedrichsstadt), Leipziger Straße 45 (im Haus der Geheimen Finanzrätin Hainchelin). – 1779 erstmals Kauf eines Gartens in der Spandauer Vorstadt, Ziegelstraße 4, nahe Schloss Monbijou (im Sommer für das Johannisfest und für gesellige Zusammenkünfte; Herzog 276

Abb. 47  Siegel der Großen National-Mutterloge zu den drey Weltkugeln, 1740.

Friedrich August von Braunschweig schenkte ein Boot für die Überfahrt vom Kupfergraben; der Militärarzt Johann Christian Anton errichtete ein Gewächshaus). – 1785– 1799 zur Miete im Palais von Georg Jakob Decker jun. Berlin(-Neustadt), Wilhelmstraße 75, mit Garten (das Palais gehörte zuvor Herzog Friedrich August von Braunschweig, war im 19. Jahrhundert Sitz des Auswärtigen Amtes und wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört). – 1799 Kauf von Grundstück und Haus Berlin(-Neu-Kölln), Splitgerbergasse 9. Das 1935 beschlagnahmte und geschlossene Logenhaus brannte im Zweiten Weltkrieg teilweise aus, die Ruinen wurden nach dem Krieg abgetragen. Der Garten mit seinen alten Bäumen bildet einen Teil des Köllnischen Parks. – Heute: 14052 Berlin, Heerstraße 28. Programm: Die ML3W und ihre Tochterlogen hielten sich grundsätzlich an das englische Konstitutionenbuch, ihr eigentliches Gesetzbuch. Diese Alten Pflichten beschrieben deistisch das Verhältnis des Freimaurers zu Gott und zur Religion, zum Staat, zum König, dem Treue gebührte, zum Verbot von Politik

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

Abb. 49  Abzeichen der Tochterloge Zum flammenden Stern, Berlin, vermutlich seit Gründung 1770 (Vorderseite).

Abb. 48  Abzeichen der Tochterloge Zur Eintracht, Berlin, seit etwa 1795 (Vorderseite).

Abb. 50  Abzeichen der Tochterloge Zu den drei Seraphim, Berlin, seit etwa 1795 (Vorderseite).

Abb. 51  Abzeichen der Tochterloge Zur Verschwiegenheit, Berlin, seit etwa 1810 (Vorderseite).

und Religionsstreit in den Logen sowie die Rechte, Pflichten und Verhaltensregeln der Mitglieder. Die Statuten der ML3W regelten zudem das sittliche Verhalten der Mitglieder in der Loge, den freundschaftlichen Umgang

untereinander, das Verhalten des Freimaurers in der Öffentlichkeit (das Stillschweigen über interne Logensachen), die (bis 1764) demokratischen Rechte und Pflichten der Mitglieder und der Logenleitungen (passives und ak277

5 Freimaurer-Logen

tives Wahlrecht, geheime Mehrheitswahl mit Stimmzetteln, weitgehende eigenverantwortliche Selbstverwaltung der Logen), die Finanzen (Einnahmen, Ausgaben, Mitglieds- und Beförderungsbeiträge, Strafgelder, Sammlungen), die Aufnahme- und Beförderungsverfahren (durch Ballotage, Abstimmen mit Handzeichen, Rauschen oder sonstige Bekundungen), den Status des dienenden Bruders u. a. – Der Staat und mit ihm die Öffentlichkeit sahen auf die gesellschaftlichen, ethisch-moralischen Ziele der Freimaurer. Darauf nahmen die Verlautbarungen der Monarchen, die Protektorien wie auch das Edikt von 1798 Bezug, nämlich „die Menschen geselliger, tugendhafter und wohltätiger zu machen“. Ähnlich formulierte noch 1808 Friedrich Wilhelm III.: „Bei dem Bestreben des Freimaurer-Vereins, Treue gegen Gott und Vaterland und Anhänglichkeit an den Landesherrn zu befördern und bei ihrer noch engeren Verbindung dazu, können ihre Bemühungen nicht anders als wohltätig für das Ganze sein.“ – An eine politische Funktion der Freimaurerlogen war im absolutistischen Preußen nicht zu denken, und sie lag auch nicht in ihrer Absicht. Die Ordens-Sta-

tuten der Brüder Freimaurer zum alleinigen Gebrauche der Großen National-Mutter-Loge zu den drei Weltkugeln und ihrer sämtlichen Töchter-Logen (1799), die auch die Stellung des Ordens im und zum Staat definierten, sahen daher den Freimaurerorden nicht als Status in statu, die Freimaurer seien den Gesetzen des Staates unterworfen (Kap. I § 2). Die Freimaurerei sei folglich ein Orden, eine Gesellschaft von Männern, die sich im Staate zu besonderen Verpflichtungen verbunden haben (Kap. I § 4). Der Freimaurer müsse im strengsten Sinne ein treuer Untertan des Regenten und ein rechtschaffener, seiner gesetzlichen Obrigkeit und den Gesetzen seines Vaterlandes oder des Landes, in welchem er sich aufhält, ergebener und vollkommen gehorsamer Staatsbürger sein (Kap. V § 1). Er dürfe sich nie ungebührlicher Reden gegen die Verfas278

sung des Landes oder die Regierung erlauben und sich noch viel weniger mit übel gesinnten Menschen in Verbindungen einlassen, sondern sie wie eine Pest fliehen (Kap. III § 2). Darüber hinaus bestimmten die Ordensstatuten die geistigen, religiösen und moralischen Grundsätze eines Freimaurers. Ein Freimaurer solle frei von Vorurteilen und der Gewalt der Leidenschaften sein, weder Unglauben noch Aberglauben kennen, eine tiefe Verehrung gegen die Religion, die Grundfeste seiner ganzen Denkungsart, hegen. Ihm gelten der Unterschied der Stände und des Glücks nichts, er fühle das Unglück der leidenden Menschheit und helfe ihr (Kap. II §§ 1–5). Die Triebfedern aller Handlungen eines Freimaurers seien Freundschaft und Bruderliebe, er kenne keinen Eigennutz, sei gefällig gesinnt, beständig und beharrlich im Guten, verschwiegen, behutsam in Wort und Handlung und unerschrocken (Kap. III §§ 7–14). – Grundsätzlich verbinden die Ordensstatuten von 1799 die alten freimaurerischen Werte mit den politischen und ideologischen Gegebenheiten der spätfeudalen Gesellschaft. Geschichte: Die ML3W konstituierte in den Jahren der Strikten Observanz (1764–1779/ 1783) in Berlin drei Johannislogen (1.–3. Grad Lehrling, Geselle, Meister). Im Todesjahr Friedrichs des Großen 1786 bildeten fünf Logen den Korpus der Vereinigten Logen. Sie waren ab den siebziger Jahren eine Einheit, hinter der die einzelne Loge zurücktrat; sie führten ein gemeinsames Protokollbuch: 1) Die frühere Johannisloge ML3W, eine Meisterloge mit Leitungs- und Repräsentationsaufgaben (1763). Meister vom Stuhl: 1784–1794 Johann Christian Anton Theden (1. Generalchirurg; Direktor des Berliner Rosenkreuzerzirkels Neastes); 1794–1796 Johann Friedrich August Burghoff (Geh. Finanzrat); 1796–1799 Johann Friedrich Zöllner (Domprediger, Propst). 2) Die Johannisloge Zur Eintracht (9.12.1754 Konstitutionspatent), älteste Berliner Filiale

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

der ML3W. Meister vom Stuhl: 1785–1794 te Auseinandersetzung der Führungen beiGeorg Jakob Decker sen. (Geh. Oberhof- der Großlogen überschattete die Geschichte buchdrucker); 1794–1815 Martin Heinrich der Berliner Freimaurerei auch in den beiKlaproth (Pharmazeut). den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhun3) Die Militärloge Zum flammenden Stern derts. Das Protektorium Friedrich Wilhelms (5.3.1770 von dem Berliner Ordenskapi- II. vom 9.2.1796 festigte endgültig die mautel der Strikten Observanz eingeweiht). Der rerische und öffentliche Stellung der GNML. Loge traten bei Gründung sieben Afrika- Sie war nun auch staatsrechtlich der GLL nische Bauherren, sämtlich Offiziere, bei. (Schutzbrief 1774) gleichgestellt. Das ProtekMeister vom Stuhl: 1770–1786 Christian torium bestätigte die Schutzerklärung FriedAdam Marschall v. Bieberstein (Premierleut- richs II. von 1740 einschließlich des Rechts, nant, Direktor des Berliner Rosenkreuzer- Logen in Brandenburg-Preußen zu konstituzirkels Banderesius); 1786–1807 Gabriel Phi- ieren. Es verlieh ihr erstmals den Status eilipp de Rapin Thoyras (Oberst). Der sozi- ner juristischen Person und damit das Recht, ale Wandel der Loge von einer vom Adel Grundstücke zu erwerben und zu verkaudominierten Militär- zu einer zivilen, über- fen. Die GNML unterrichtete die GLL wiegend bürgerlichen Loge widerspiegelt und die  Royal York [RY] nicht über die sich ab 1808 in der Wahl der vorsitzenden Protektoriums­erteilung, lud sie aber 1797 zu Meister: 1808–1814 Theodor Anton Hein- einer gemeinsamen Johannisfeier ein, an der rich Schmalz (Prof. d. Rechte, erster Rektor Delegationen beider Logen teilnahmen. Die der Berliner Universität); 1815–1821 Johann Musikalischen Brüder (musikalisch begabChristoph Friedrich Klug (Dr. med., Stadt- te Logenmitglieder, Berufsmusiker und Laiphysikus). en) trugen ein Lied am Johannistage nach der 4) Die französische Loge Zu den drei Seraphim Schillerschen Ode An die Freude vor. (8.8.1774 eingeweiht) wandelte sich ab 1785 Die Folgen der Französischen Revolution zu einer deutschen Sozietät. Meister vom und die politische Krise der Ancien Régimes Stuhl: 1785–1788 Franz Wilhelm Marchand ließen auch preußische Freimaurer ein Verbot (Polizeiinspektor; langjähriger Großsekretär); der Logen als angeblicher politischer Geheim1788–1818 Louis Auguste Émile François de gesellschaften befürchten, das bereits in andeGuionneau (Stabskapitän, 1790 Geh. Ober- ren Territorien des Reichs im Zusammenfinanzrat, 1803 Altschottischer Obermeister, hang mit der Illuminatenverfolgung erlassen 1804–1829 Nationalgroßmeister). war (1785 Kurbayern u. a.). Das Edikt wegen 5) Die Loge Zur Verschwiegenheit (13.1.1775 Verhütung und Bestrafung geheimer Verbinduneingeweiht) ging aus einer älteren, der Frei- gen, welche der allgemeinen Sicherheit nachtheimaurerei ähnlichen geschlossenen Gesellschaft lig werden könnten vom 20.10.1798 beseitigte hervor. Meister vom Stuhl: 1778–1818 Georg alle Befürchtungen. Das Edikt verbot in PreuEberhard Friedrich (1786 v.) Beyer (Ober- ßen alle Geheimgesellschaften, nahm aber die rechnungsrat; 1817 zugeordneter Natio­ drei Berliner Mutterlogen ML3W, GLL und nalgroßmeister). RY als geschlossene Gesellschaften von dem Die GNML konstituierte in Berlin erst nach Verbot aus. Es vereinheitlichte die preußieinem Jahrhundert, 1872, wieder eine Loge sche Logenlandschaft, indem nur noch von (Die Treue). den Berliner Mutterlogen konstituierte FiliaDas Protektorat des Thronfolgers Friedrich len zugelassen waren. Die preußischen Logen Wilhelm Prinz von Preußen 1770 stärkte standen nunmehr unter Polizeiaufsicht. Die die GNML gegenüber der Zinnendorfschen garantierte politische Sicherheit ermöglichte  Großen Landesloge [GLL]. Die erbitter- einen weiteren Aufstieg der preußischen Frei279

5 Freimaurer-Logen

Abb. 52  Confirmations-Patent und Protectorium für die Freymaurer-Mutter-Loge zu den drey Weltkugeln, 9. Februar 1796.

maurerei, band sie aber eng und folgenreich an die Hohenzollern, was ihre nationalkonservative Haltung bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts prägte. Das Generaldirektorium stellte der ML3W am 26.10.1798 50 Exemplare des Edikts zu, weitere zehn erhielt das Berliner Polizeidirektorium mit der Auflage, das Edikt in den Zeitungs- und Intelligenzblättern zu publizieren. Der Altschottische Obermeister Michael Philipp Daniel Boumann unterrichtete am 2.11.1798 die GNML über das Edikt. Am 7.11. forderte das Altschottische Direktorium, das damalige Führungsgremium, die auswärtigen Filialen auf, den Mitgliedern das Edikt bekannt zu machen und die Namenslisten einzuschicken. Am 21.11.1798 unterzeichne280

ten die Mitglieder der Mutter- und der Berliner Tochterlogen das Edikt mit einem Vidi. Am 6.3.1799 berichtete das Direktorium König Friedrich Wilhelm III. über die bisherigen Maßnahmen und reichte die Mitgliederlisten der nunmehr 26 preußischen Tochterlogen ein, was fortan jedes Jahr erfolgte. Struktur und Organisation: Die Hochgradorden, das Clermont-Rosasche System, die Strikte Observanz und der  Orden der Gold- und Rosenkreuzer, von den Freimaurern im späten 18. Jahrhundert als „Irrungen und Wirrungen“ kritisiert, hinterließen ein schweres Erbe, das drückend auf ihren Schultern lastete. Der Nationalgroßmeister Friedrich August Herzog von Braunschweig-

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

Lüneburg-Oels und sein Stellvertreter, der zugeordnete Großmeister Johann Christoph (1786 v.) Woellner, hatten weiterhin die Führung der Vereinigten Logen in der Hand, fanden aber für ihre Logen aus beruflichen Gründen und schwindendem Interesse immer weniger Zeit (Friedrich August, Regimentschef und Gouverneur, erbte 1792 das niederschlesische Herzogtum Oels und kam nur noch selten nach Berlin; v. Woellner war ab 1786 als leitender Minister mit Aufgaben überladen), was schließlich die Vereinigten Logen zu lähmen drohte. Eine Reform war angesichts der gesellschaftlich unruhigen Zeiten, des schlechten Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit und des drohenden inneren Zerfalls der Logen dringend notwendig. 1787, im ersten nachrosenkreuzerischen Jahr, unternahm die ML3W einen ersten Reformschritt. Aber erst 1793 begann eine durchgreifende Veränderung der hierarchisch-militärischen Verwaltungsform der GNML. Am 14.11.1793 ergriff der deputierte Großmeister Johann Christoph Andreas Mayer über die Köpfe Friedrich Augusts und v. Woellners hinweg die Initiative, um den Zerfall aufzuhalten und „Ordnung, Ruhe und Zufriedenheit in unsern Logen wieder herzustellen“. Eine Kommission untersuchte die Ursachen der Unzufriedenheit der Mitglieder und revidierte die Logengesetze. Eine erste Neuregelung bestätigte 1794 den Tochterlogen das schon 1787 zurückgegebene Recht, jährlich die Logenbeamten frei nach dem demokratischen Mehrheitsprinzip zu wählen, wobei der Stuhlmeister und die Vorsteher weiterhin der Bestätigung durch die ML3W bedurften; v. Woellner war ausdrücklich einverstanden. Auch die ML3W wählte erstmals nach Jahrzehnten nach dem Mehrheitsprinzip eine neue vierköpfige Führung mit Michael Philipp Boumann (Geh. Oberfinanzrat, Altschottischer Obermeister), Johann Friedrich August Burghoff (Geh. Finanzrat, zugeordneter, stellvertretender Obermeister), Johann Friedrich Zöllner (Propst, Meister vom Stuhl

Abb. 53  Herzog Friedrich August zu Braunschweig, National-Großmeister der GNML.

der ML3W) und Martin Heinrich Klaproth (Prof., deputierter Meister der ML3W). Die ML3W erhielt 1797 die Rechte einer obersten Behörde der Johannismaurerei mit einer exekutiven Behörde, dem Altschottischen Direktorium, das begrifflich auf die Strikte Observanz zurückging. Friedrich August von Braunschweig (Großmeister) und v. Woellner (deputierter Großmeister) gehörten dem Direktorium nur noch formell an. Die wirklich entscheidenden Männer der GNML waren nunmehr Michael Philipp Boumann, Gabriel Philipp de Rapin Thoyras, Martin Heinrich Klaproth, Louis Auguste Émile François de Guionneau, Johann Friedrich Zöllner, Georg Eberhard Friedrich v. Beyer und Johann Christian Samuel Gohl (Großsekretär) sowie die vorsitzenden Meister der Berliner Tochterlogen. Das Direktorium unterrichtete am 30.9.1797 den Geheimen Staatsund Justizminister Heinrich Julius Baron v. Goldbeck (Mitglied der ML3W) schriftlich über die neue Führung, um gegenüber dem 281

5 Freimaurer-Logen

Abb. 54  Abzeichen der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln, Berlin, mit Amtszeichen der Mitglieder des Bundesdirektoriums; neueres Abzeichen seit etwa 1799.

Abb. 55  Abzeichen der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln, ihrer Tochterlogen und weiterer mit diesen in Zusammenhang stehender Bauhütten.

Kammergericht und anderen Gerichten juristische Anerkennung zu erlangen; diese erfolgte am 6.10.1797 durch eine Verfügung Friedrich Wilhelms III. Ebenfalls 1797 verabschiedete die GNML eine neue, erstmals 1804 revidierte Grundverfassung. Diese regelte die repräsentative Stellung des Nationalgroßmeisters und des zugeordneten Nationalgroßmeisters. Die GNML war gesetzgebende und leitende Behörde des Logenbundes, welche die Großbeamten und die Mitglieder der ML3W wählte. Diese trat nur an festlichen Tagen in dem allen Mitgliedern zugänglichen Lehrlingsgrad zusammen. Das Altschottische Direktorium war gegenüber dem Staat für alle Beschlüsse der ML3W verantwortlich. Die Mitglieder bildeten zugleich

den höchsten, für die Reinhaltung der maurerischen Lehre zuständigen Inneren Orient. Am 25.12.1798 legte Herzog Friedrich August von Braunschweig-Lüneburg-Oels das Amt des Großmeisters nieder, im Februar 1799 Johann Christoph v. Woellner das des deputierten Großmeisters. Die GNML wählte nunmehr am 6.9.1799 Johann Friedrich Zöllner zum Nationalgroßmeister, Martin Heinrich Klaproth zum zugeordneten (stellvertretenden) Nationalgroßmeister und Michael Philipp Daniel Boumann zum Altschottischen Obermeister. Die preußische Kriegserklärung am 9.10.1806 an Frankreich beendete einen elfjährigen Frieden (Basel 1795). In der verheerenden Schlacht bei Jena und Auerstedt (14.10.1806)

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Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

kämpften auch zahlreiche Berliner Freimaurer, viele fielen, wurden verwundet oder gerieten in Gefangenschaft. Am 27.10.1806 zog Napoleon in Berlin ein. Die GNML wies ihre Berliner Tochterlogen an, die Arbeiten (Zusammenkünfte) einzustellen, „um jede Berührung mit den [Brüdern] der französischen Armee zu vermeiden“. Nur zwei neu aufgenommene Freimaurer scheinen der napoleonischen Armee angehört zu haben. Die GNML reagierte wie schon im Ersten Koalitionskrieg, als sie ihren Logen verbot, gefangene Offiziere der französischen Armee einzulassen. Erlaubt war lediglich, Kranken zu helfen. Noch im Siebenjährigen Krieg war das ganz anders, als französische Kriegsgefangene die Gründung von Logen initiierten und in ihnen aktiv waren. Lediglich das Altschottische Direktorium, die ML3W und ihre Verwaltungsabteilungen blieben tätig. In den Wintern 1806/07 und 1807/08 veranstaltete man jedoch im Logenhaus in der Splitgerbergasse maurerische und wissenschaftliche Vorträge sowie Konzerte der Musikalischen Brüder. Die GNML grenzte sich gegenüber den Franzosen und ihren Verbündeten ab. Der Frieden von Tilsit (7.7.1807) brachte Preußen den Verlust aller Staatsgebiete westlich der Elbe einschließlich Magdeburgs sowie der durch die Zweite und Dritte Polnische Teilung annektierten Gebiete. Die GNML verlor alle in diesen Territorien gelegenen Filialen und behielt lediglich die in der Mark Brandenburg, in Pommern, Ostpreußen und Schlesien. Sie versuchte, über die Provinziallogen in Magdeburg, Ansbach und Płock die Verbindung mit den abgetrennten Filialen zu halten, jedoch mit wenig Erfolg. Nach dem Abzug der französischen Besatzung aus Berlin im Dezember 1808 nahm die GNML am 16.12.1808 ihre Arbeiten wieder auf. Sie feierte die Rückkehr Friedrich Wilhelms III. nach Berlin mit einem Fest, aus welchem Anlass sie die Kinder des Großen Friedrichs-Waisenhauses speiste und einkleidete.

Nach den Befreiungskriegen 1814/15 vergrößerte sich der Logenbund erheblich, als die früheren Tochterlogen zur GNML zurückkehrten und außerdem Logen aus den neuen preußischen Staatsgebieten notgedrungen, oft widerwillig beitraten. Die preußischen Logen praktizierten über die rituellen Versammlungen hinaus für ihre Mitglieder und öffentlich ein breites Programm sozialer, kultureller und teilweise auch wissenschaftlicher Aktivitäten abhängig von den Vorschriften des jeweiligen Systems und den finanziellen Möglichkeiten. Die folgende Zusammenstellung bietet ein Idealbild. Die Freimaurer veranstalteten regelmäßige Armensammlungen, deren hohe Erträge sie entweder selbst verwalteten (Vergabe von Geld und Sachen an Mitglieder und profane Arme, Pensionen, Stipendien) oder regelmäßig staatlichen und kirchlichen Stellen übergaben. Unglücke wie Brände (z. B. von Neuruppin), Überschwemmungen, Hungersnöte und Epidemien waren Anlass für überregionale Hilfen der Freimaurer. Staat und Kommunen rechneten fest mit dem sozialen Engagement der Logen. Die Logen richteten Bibliotheken mit masonischer, belletristischer und wissenschaftlicher Literatur ein, gründeten für ihre Mitglieder Lesegesellschaften, aber auch gemischte Gesellschaften von Freimaurern, Nichtfreimaurern, Frauen und Jugendlichen in der Regie der Logen (z. B. die Berggesellschaft in Halle), gaben der musikalischen Begleitung der Feiern ab Ende des 18. Jahrhunderts eine feste Gestalt in Form musikalischer Kollegien (Orchester mit eigenen Instrumenten, Chöre), in denen eigene begabte Mitglieder, solche anderer Logen (Systeme) und Profane (Nichtfreimaurer), Berufskünstler und Laien mitwirkten, sie organisierten Vorträge, gaben Kunstwerke in Auftrag (meist Porträts) und ließen von maurerischen, aber auch profanen Buchdruckern für die Hand des Maurers Logenreden, Gedichte und Mitgliederlisten drucken. Sie kauften Gärten bzw. Lo283

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genhäuser mit Gärten, wo man auch Spiele (Billard, Kegelbahnen) aufstellte. Die Logenhäuser hatten eine Gastwirtschaft mit fest angestelltem Koch, in denen auch von Mitgliedern eingeladene und begleitete Profane sowie ihre Frauen und Kinder speisen durften. Die GLL sah streng auf die Internität ihrer Veranstaltungen und Einrichtungen, die RY hatte die geringste Scheu vor Öffentlichkeit, während die GNML zwischen beiden Großlogen stand. Die Berliner Freimaurer boten zahlreiche dieser Einrichtungen an, denen Logen in der Provinz oft nicht nachstanden (Stettin, Königsberg, Halle, Magdeburg, Frankfurt/ Oder, Küstrin, Stendal, Breslau, Hirschberg, Schweidnitz u. a.). Die Vereinigten Logen strikter Observanz beauftragten um 1770 ihr Mitglied Hofrat Friedrich Ernst Badenhaupt, eine Logenbibliothek einzurichten und eine Bibliotheksordnung zu verfassen. Badenhaupt war ihr erster Bibliothekar. Die Logen verlangten von jedem Aufzunehmenden ein Buch, ab 1777 einen festen Geldbetrag; später finanzierte man die Bibliothek aus der Logenkasse. Außerdem erhielt die Bibliothek außerordentliche Geld- und Buchgeschenke, so 1793 von dem Buchhändler Friedrich Maurer neun Bücher. Die Bibliothek erwarb masonische, wissenschaftliche und schöngeistige Literatur. Der Logenbibliothekar Dr. med. Johann Christoph Andreas Mayer legte 1773 einen ersten, nach Buchformaten geordneten Bibliothekskatalog an, den 1776 Georg Jakob Decker „für den Gebrauch der Brüder“, also wie üblich intern, druckte. Ein entlohnter dienender Bruder besorgte die zur Logenbibliothek „vorfallenden und einschlagenden“ Geschäfte. Das Bibliothekszimmer war zugleich Lesezimmer, wo Zeitungen auslagen. Der Bibliothek angegliedert waren die von dem königlichen Leibarzt Christian Andreas Cothenius angeregten Kunst- und Naturalienkabinette. Musik war von Anfang an ein fester Bestandteil der Logenversammlungen. Man sang zur 284

Eröffnung und am Schluss der Tafel- und der Festlogen Lieder von Komponisten und Laien ihrer und auswärtiger Logen. Ab den neunziger Jahren nahmen die Festmusiken feste Formen an. Auf der Geburtstagsfeier für Friedrich Wilhelm II. am 25.9.1796 im Palais Wilhelmstraße z. B. traten Sänger, ein Chor und eine Kapelle mit zu diesem Anlass geschriebener Musik auf. Am 10.6.1801 gründete die GNML auf Vorschlag des Buchhändlers Friedrich Maurer mit etwa 30 musikalischen Mitgliedern ein Musikalisches Kollegium, unter ihnen so bedeutende Künstler wie die Tenöre Josef Karel Ambrož (Ambrosch), Giacomo Carlo Concialini und Johann Friedrich Eunicke (sie alle Mitglieder des Königlichen Nationaltheaters), der Cembalist Wilhelm Friedrich Ernst Bach, ein Enkel Johann Sebastian Bachs, Kapellmeister der Königin Friederike Louise und Musiklehrer Friedrich Wilhelms (IV.), aber auch Laien wie der Verlagsbuchdrucker Georg Jakob Decker jun. oder der Kammergerichtsrat Johann Wilhelm Heinrich Graf v. Cramer, ein Sohn des Großkanzlers. Das Musikalische Kollegium glich organisatorisch einer Loge, durfte jedoch seine Beamten, die Direktoren, den Vorsteher, Sekretär, Schatzmeister, Bibliothekar usw., nicht wählen, die stattdessen die GNML ernannte. Die Direktion hatten bis 1804 der Kapellmeister Anton Franz Bečvařovský (1. Direktor) und der Organist der Parochialkirche Johann Karl Kaufmann (Vizedirektor), ab 1805 außer Kaufmann der Chirurg Johann Gottlieb Zencker inne. Das Logenhaus: 1799 kaufte die Loge das in Neu-Kölln gelegene Grundstück Splitgerber­ gasse 9. Das Landhaus gehörte früher dem Diplomaten Generalmajor Friedrich Sebastian Wunnibald Truchsess Graf zu WaldburgZeil, Mitglied der Logen du Roi und Aux trois Globes; bei ihm fanden vermutlich 1740 die Vorverhandlungen für die Gründung der Loge Aux trois Globes statt. Um den Kaufpreis von 17.000 Rtlr. aufzubringen, gaben 46 Mitglieder Darlehen zwischen 100 und 1.600 Rtlr.

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

gen) ab und feierten auch ihre Feste, das Johannisfest (am Tag Johannes des Täufers, dem 24.6.), den Geburtstag des Königs (ab dem Siebenjährigen Krieg), außerordentliche Ereignisse wie den Basler Frieden 1795 sowie maurerische und Dienstjubiläen verdienter Mitglieder. Wichtige Festreden wurden gedruckt (meist durch Georg Jakob Decker), so von Friedrich Gedike, der auch einige Reden in seiner Berlinischen Monatsschrift publizierte. Manchmal brachten auch die Zeitungen Berichte. Meist durften Freimaurer anderer Logen, aber auch profane Honoratioren und deren Ehefrauen sowie die Ehefrauen und Töchter der Mitglieder an Festen teilnehmen (z. B. 1798 und 1800 der Arzt Ernst Ludwig Heim). Der Stadtgouverneur stellte auf Antrag der Logen eine Wache, die man beköstigte und entlohnte.

Abb. 56  Große National-Mutterloge „Zu den drey Weltkugeln“, Eingangsportal des Logen­ lokals in der Splitgerbergasse 3.

Das Logenquartier bestand aus einem Gebäude mit mehreren Sälen, einem großen, teils Küchen-, teils englischen Garten mit Gartenhaus, einem Treibhaus mit großem Gartensalon, den Wohngebäuden für den Kastellan und den Pförtner, Wirtschaftsgebäuden (mit Viehhaltung), einer von Michael Philipp Boumann gekauften Kegelbahn. Die Obstbäume, Gewächshäuser und die Grasnutzung verpachtete man wiederum. Die Verwaltung lag in den Händen der Stewardsloge (in der englischen Freimaurerei Steward = Verwalter, Haushofmeister; später Schaffner genannt), die insgesamt für die Haushaltsführung einschließlich der Tafellogen und Feste der Berliner Logen zuständig war. In der Splitgerbergasse hielten die Logen ihre Arbeiten (Sitzun-

Mitglieder: a) Mitgliederstruktur: Die GNML organisierte 1786–1815 in Berlin 1050 Vollmitglieder und 38 dienende Brüder, zusammen 1088 Freimaurer (ohne Berücksichtigung des Wechsels in eine andere Berliner Filiale der GNML, woraus sich die Differenz zwischen den Summen 1050 bzw. 1080 für die Logen ergibt; gerechnet werden nur die Vollmitglieder): – die ML3W acht Mitglieder im Meistergrad, die sonst keiner anderen Loge angehörten; – Zur Eintracht 275 Mitglieder; sie gehörte zu den mitgliederstärksten Logen in Brandenburg-Preußen; – Zum flammenden Stern 284 Mitglieder; – Zu den drei Seraphim 297 Mitglieder; – Zur Verschwiegenheit 216 Mitglieder. Die Kandidaten konnten nicht selbst eine Loge wählen. Stattdessen teilte die Bundesführung die Aufgenommenen jeweils einer Loge zu, sodass deren Mitgliederzahl auch sozial in etwa ausgeglichen war. – Die Mitgliederzahl der vier Berliner Tochterlogen der GNML ging von 1786 (1.10.) bis 1801 (1.1.) nach der Streichung seit langem Inaktiver von 197 auf 183 leicht zurück, verdoppelte sich aber 285

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Abb. 57  Situation des Logengrundstücks Splitgerbergasse 3 im Jahre 1800.

bis 1815 (1.1.) auf 406. An dieser Entwicklung hatten alle vier Tochterlogen ihren Anteil, den größten aber Zu den drei Seraphim. Nach einer kritischen Zeit und dem 1786 erzwungenen Rücktritt ihres Stuhlmeisters wandelte sie sich zu einer deutschen, bürgerlichen und sozial breiten Gesellschaft. Sie stand ab 1788 dreißig Jahre lang unter ein und demselben Mann, dem Refugié de Guionneau, nach dem Tode Zöllners Nationalgroßmeister, was das Renommee der Loge zusätzlich vergrößerte. Die Loge zählte 1786 48 und 1788/1790 64 Mitglieder, verkleinerte sich wegen der Listenbereinigung wieder auf etwa 50 Mitglieder (1791: 58, 1799: 31, 1801: 43), nahm dann mit Beginn des neuen Jahrhunderts einen steilen Aufschwung und verdreifachte ihre Mitglie286

derzahl bis 1815 auf 146 (einschließlich elf Ehrenmitglieder; 1803: 76, 1804: 84, 1805: 87, 1806: 92, 1810: 123). Die anderen drei Tochterlogen entwickelten sich ebenfalls schnell, wenn auch nicht ganz so rasant (Stichjahre 1786, 1801, 1815): Zur Eintracht 67, 34, 105, Zum flammenden Stern 42, 41, 82 (1815 einschließlich dreier Ehrenmitglieder), Zur Verschwiegenheit 40, 65, 73 (einschließlich von fünf Ehrenmitgliedern). Von den Mitgliedern des Jahres 1786 waren 1801 noch 60 und 1815 noch 15 dabei, unter Letzteren meist hohe Logenbeamte wie der 1786 von Friedrich Wilhelm II. nobilitierte Finanzrat Georg Eberhard Friedrich Beyer, Gründer der Verschwiegenheit und 1817 zugeordneter Nationalgroßmeister; der Apothe-

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

ker und Chemiker Martin Heinrich Klaproth, 1798–1817 deputierter Nationalgroßmeister; der Verlagsbuchhändler und Stadtrat Friedrich Traugott Maurer, Großvorsteher und Gründer des Musikalischen Kollegiums; der Diakon an der Nikolaikirche Georg Gottlieb Pappelbaum, über viele Jahre als Großalmosenier zuständig für die Armenpflege des Logenbundes; und der Direktor der Königlichen Porzellanmanufaktur (KPM) Friedrich Philipp Rosenstiel, 1829 Nationalgroßmeister. Insgesamt jedoch erneuerte sich die Berliner Logenmitgliedschaft in den drei Jahrzehnten nach dem Tode Friedrichs II. bis zu den Befreiungskriegen und den Preußischen Reformen nahezu ganz, eine neue Generation von Freimaurern hatte die alte abgelöst. Das Bürgertum stellte die große Mehrheit der Mitglieder (71 Prozent), dagegen der zumeist niedere Adel (Namenszusatz von, Freiherr), unter ihnen mehrere nobilitierte Bürgerliche, und der Hochadel (Herzöge wie der Nationalgroßmeister Friedrich August von Braunschweig oder Grafen wie Elias Maximilian Graf Henckel v. Donnersmarck, Chef des Kürassierregiments Nr. 1) eine Minderheit (29 Prozent). Es traten wohl immer mehr Adlige den Logen bei, aber ihr relativer Anteil blieb mit etwa 20 Prozent gleich (er betrug 1786 etwa 19 Prozent, diese zumeist in der Militärloge Zum flammenden Stern [dort 83 Prozent], 1801 21 und 1815 20 Prozent). Umgekehrt stellten die Bürgerlichen die übergroße Mehrheit aller Mitglieder, 1786 gut 81 Prozent, die meisten (88 Prozent) in der Eintracht, 1801 knapp 79 Prozent und 1815 (bezogen auf die Berliner, also die Einheimischen) knapp 80 Prozent. Im Gegensatz zu dieser Relation, aber in Übereinstimmung mit der spätfeudalen Gesellschaft lag die Führung des Logenbundes meist nicht in bürgerlicher, sondern überwiegend in adliger Hand. Die Spitzenämter des Großmeisters und des Schottischen Obermeisters besetzten bis 1799 ein Hochadliger, Friedrich August Herzog von Braunschweig,

Angehöriger eines regierenden Hauses, und der Nobilitierte Johann Christoph v. Woellner; 1799 ein Bürgerlicher, der neologische Hofprediger und Propst Johann Friedrich Zöllner, und 1804–1829 erneut ein Adliger, der Hugenotte Louis Auguste Emile François de Guionneau. Dagegen waren die Führungen der Tochterlogen ständisch ausgeglichen. Ihre Vorsitzenden waren mit Ausnahme der Militärloge in gleicher Zahl (je sechs) Bürgerliche und Adlige (Eintracht: Theden, Decker, Klaproth; Flammender Stern: Marschall v. Bieberstein, de Rapin Thoyras, Schmalz; Drei Seraphim: de Pénavaire, Marchand, de Guionneau; Verschwiegenheit: v. Zeuner, Mayer, [nobilitiert] v. Beyer). Die Berufsstruktur weist ein die preußischen Logen generell kennzeichnendes, sozial breites Spektrum auf. Die Angehörigen des zivilen und militärischen Staatsapparates machten mehr als die Hälfte der Mitgliedschaft aus, gefolgt vom Gewerbe sowie der Intelligenz (die akademisch Gebildeten, die, waren sie Beamte, dort gezählt werden, die angewandten und bildenden Künstler). Jedes dritte Mitglied (knapp 34 Prozent) war ein Behördenund Justizbeamter, d. h. ein königlicher, also Staatsangestellter. Ihr Anteil war in der Verschwiegenheit am höchsten (gut 44 Prozent) und in der Militärloge Zum flammenden Stern am geringsten (22 Prozent). Der behördliche Mitgliederanteil erhöhte sich von 21,5 Prozent im Jahre 1786 auf schließlich 36,4 Prozent der Berliner Mitglieder (1801: 43,4 Prozent). Die berufliche Spannweite reichte von den nicht entlohnten Auskultatoren und Assessoren bis zum Minister. Die biographischen Logendaten spiegeln die Karriere wider. In eine Loge traten meist Männer, die am Anfang ihres Berufslebens standen, so viele Universitätsabsolventen, oder die ein niederes Amt bekleideten, also auf Protektion hoch gestellter Logenmitglieder hofften. Etwa 170 Mitglieder erwarben im Laufe ihrer Logenzugehörigkeit den Titel eines Rats (in der Eintracht 60 Prozent aller Beamten); im Jahre 287

5 Freimaurer-Logen

1815 trugen 57 Mitglieder den Ratstitel. Vier Mitglieder waren Minister, neun Behördenpräsidenten (Chefpräsident des Kammergerichts, Präsident des Ober-Collegium medico et sanitatis, Stadtpräsident u. a.), 16 Behördendirektoren; elf ehemalige Offiziere versorgte der König zivil als Postmeister (Bernau, Königsberg/Neumark, Oranienburg, Potsdam, Soldin, Stargard, Stettin, Wittstock, in der Armee). Umgekehrt ragten einzelne Behörden durch die große Zahl von Freimaurern hervor, so das Kammergericht mit 51 Freimaurern (Auskultatoren, Referendare, Assessoren, Notare usw.), unter ihnen 18 Räte (einschließlich zweier Assistenzräte). Das Militär machte in der Garnisonstadt Berlin gut ein Viertel (27 Prozent) der Mitgliedschaft aus. Von den 280 Offizieren gehörten 240 den Oberstäben an, vom Kornett bzw. Fähnrich aufwärts bis zum General der Infanterie. 208 Offiziere hatten bei Logeneintritt den Rang eines (Premier-, Sous-)Leutnants (116), eines Kapitäns, Rittmeisters bzw. Hauptmanns (67) sowie eines Majors (25). Weitere 41 Offiziere standen in den Unterstäben (Auditeure, Quartiermeister, Feldprediger, Militärärzte einschließlich der Feld­apotheker), sie in der Regel Bürgerliche. Der relative Mitgliederanteil des Militärs betrug 1786 14 Prozent, 1801 17,5 und 1814/15 während des Krieges 31 Prozent (nur die anwesenden Berliner Mitglieder). Bei der großen Zahl maurerischer Offiziere kann nicht überraschen, dass das Berliner Offizierskorps freimaurerisch geprägt war. Vier Regimenter bzw. Truppengattungen hatten überdurchschnittlich viele Berliner Freimaurer in ihren Reihen: die Berliner Infanterieregimenter Nr. 22 v. Möllendorff (22) und Nr. 19 Friedrich August von Braunschweig (9) und das Ruppiner Infanterieregiment Nr. 34 Prinz Ferdinand (5), also Regimenter mit maurerischen Chefs, sowie das Artilleriekorps (22). Das breit gefächerte, sich schnell entwickelnde Gewerbe in dem zu einem führenden Industriestandort aufsteigenden Berlin stellte 288

sozial die dritte Hauptsäule der Logen. Dies waren Manufaktur- und Finanzunternehmer, generell die in den Mitgliederverzeichnissen nicht genauer spezifizierten Kaufleute, die Fabrikanten, Juweliere, Lieferanten, Buchhändler, -drucker und -binder, Hutmacher, Goldsticker, Musikinstrumentenmacher, Mühlenbesitzer, Mechaniker, Konditoren, Ende des 18. Jahrhunderts einige unzünftige Handwerksmeister, sowie nach Aufhebung der Erbuntertänigkeit einzelne adlige und zunehmend bürgerliche Erb- und Grundherren (25). Die Gewerbegruppe umfasste 130 Personen (gut 12 Prozent, mit den Grundherren 14,4 Prozent), u. a. Georg Jakob Decker Vater und Sohn, aus deren Hofbuchdruckerei die Reichs- und heutige Bundesdruckerei hervorging, der Spechthausener Papiermanufakturunternehmer Johann Gottlieb Ebart, der Tuch- und Seidenmanufakturunternehmer Wilhelm Gottlob Eyssenhardt, der Apotheker Johann Gottfried Hempel, Besitzer einer chemischen Fabrik in Oranienburg, oder die Manufakturunternehmer Georg Justus Sieburg und Ernst Wilhelm Wegely. Genannt werden könnten auch Apotheker wie Klap­roth, der in seiner Apotheke einen Farbenhandel betrieb, aber in der Gruppe der Mediziner vermerkt ist. – Das Gewerbe war in allen vier Logen recht stark vertreten, am stärksten in der Eintracht (insgesamt 52 Mitglieder bzw. 18,5 Prozent, 1815 25 Mitglieder bzw. 31,3 Prozent). Ihre Zahl betrug 1786 in den Vereinigten Logen 25 Personen (6,8 Prozent, aber keiner in der Militärloge Zum flammenden Stern), 1801 23 Personen (12,6 Prozent) und 1815 56 Personen (18,6 Prozent, nur Berliner). In drei Jahrzehnten verdoppelte sich die Zahl der Gewerbetreibenden und verdreifachte sich ihr Mitgliederanteil. Ab den neunziger Jahren werden auch einzelne, offenbar nicht zünftige Handwerksmeister, vermutlich Handwerksunternehmer, genannt. Die viertgrößte Berufsgruppe stellten die Mediziner, Theologen und Pädagogen, die Künstler sowie die Studenten und Kandidaten. Me-

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

diziner (Ärzte, Chirurgen, Apotheker) bewiesen von Anfang an ein großes Interesse an der Freimaurerei. Viele übernahmen Leitungsfunktionen (z. B. Klaproth, Mayer, Theden). Die Listen der vier Vereinigten Logen verzeichnen 76 Mediziner (7 Prozent, mit den Militärärzten und -apothekern 94 Personen bzw. 8,8 Prozent). 1786 waren es 16 Mediziner (4,3 Prozent), davon in der Eintracht sieben bzw. jedes zehnte Mitglied, 1801 14 (7,7 Prozent) und 1815 26 (8,6 Prozent), unter ihnen zehn Apotheker. Mehrere Mediziner besaßen großes öffentliches und maurerisches Ansehen: Christian Andreas Cothenius, Leibarzt Friedrichs II. und Direktor des Ober-Collegium medicum, war einer der ältesten Berliner Freimaurer (1766 aufgenommen). Friedrich II. übertrug im Siebenjährigen Krieg ihm und Johann Christian Anton Theden die beiden höchsten militärmedizinischen Ämter, das des Generalfeldstabsmedikus bzw. des Generalstabschirurgen. Theden führte 1768–1785 die Loge Zur Eintracht und 1784–1794 die ML3W und dirigierte den Rosenkreuzerzirkel Neastes. Theden stammte wie sein Schwiegersohn Johann Christoph Andreas Mayer, Leibarzt Friedrich Wilhelms II., aus Schwedisch-Vorpommern; er war einer der vielen Immigranten in den Berliner Logen. Mayer leitete in Frankfurt (Oder) die Strikte Observanz-Loge Zum aufrichtigen Herzen und den Rosenkreuzerzirkel Homerus und stieg in Berlin in die Führung des Logenbundes auf (deputierter Obermeister, Initiator der Logenreformen). Allein zehn Freimaurer der Vereinigten Logen waren Mitglieder des Ober-Collegium medicum, der obersten Medizinalbehörde Preußens: außer Cothenius (Direktor) und Mayer (Dekan) Johann Friedrich Fritze, Karl Johann Christian Grapengießer, Johann Philipp Hagen (Assessor), August Friedrich Hecker, Sigismund Friedrich Hermb­staedt, Martin Heinrich Klaproth, Valentin Rose und Johann Gottlieb Zencker. Die Theologen (21 Personen bzw. 2 Prozent) und die wie sie an den Universitäten theologisch ausgebildeten Pädagogen (Gymna-

sialprofessoren; 34 Personen bzw. 3,2 Prozent) machten zusammen gut 5 Prozent aller Mitglieder der Vereinigten Logen aus (ohne die Feldprediger sowie die Theologiestudenten und -kandidaten). Lutherische und reformierte, seltener katholische Theologen engagierten sich nahezu von Anfang an in der Berliner Freimaurerei. Waren 1786 lediglich drei Theologen Logenmitglieder, stieg ihre Zahl 1801 auf neun, davon allein fünf in der Loge Zur Verschwiegenheit, und blieb bis 1815 gleich hoch (9), davon fünf in der Eintracht, unter ihnen der (Berlin-)Mariendorfer Prediger Georg Wilhelm Teuerkauf und der Hofprediger, Propst, Oberkonsistorial- und Oberschulrat Johann Friedrich Zöllner. Zöllner, 1799– 1804 Nationalgroßmeister, vereinte den Widerspruch in sich, Rosenkreuzer und Mitglied der  Gesellschaft von Freunden der Aufklärung (Berliner Mittwochsgesellschaft) zu sein. Die Zahl der Pädagogen (einschließlich der Hofmeister) war relativ klein und betrug 1786 sechs, 1801 drei und 1815 neun (3 Prozent aller Berliner Mitglieder). Mehrere Lehrer erhielten eine Pfarre, wechselten also ihren Beruf. Das berühmte städtische Vereinigte Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster hatte in seinem Kollegium allein acht Freimaurer der Vereinigten Logen – u. a. die Direktoren Johann Joachim Bellermann und Friedrich Gedike, auch er wie sein Freund Zöllner Mitglied der Gesellschaft von Freunden der Aufklärung, der Konrektor Benjamin Gotthilf Kletsch­ke, später Feldprediger bei der Potsdamer Grenadier-Garde und schließlich Pfarrer in Liebenwalde, die Professoren Karl Friedrich August Brohm, Theodor Jakob Dittmar und Ernst Gottfried Fischer, der Lehrer Ludwig Friedrich Gottlieb Ernst Gedike, ein Bruder Friedrich Gedikes, und der Kollaborator Johann Christian Sigismund Himmerlich. Auch angewandte und bildende Künstler, Maler, Kupferstecher, Schauspieler, suchten in beachtlicher, steigender Zahl – insgesamt 15 (1,4 Prozent) – die Mitgliedschaft der Vereinigten Logen: 1786 6 (1,6 Prozent), 1801 9 289

5 Freimaurer-Logen

(4,9 Prozent, in den Logen Zu den drei Sera- Akzise- u. Zollrat, Vschw 1806/1815; Arendt, phim und Zur Verschwiegenheit) und 1815 16 Christian Friedrich, Generalpostsekr., 3Ser (5,3 Prozent, nur die Berliner). Das Natio­ 1791–1792; Arnauld de la Perière, August naltheater war mit acht Freimaurern vertre- Ferdinand v. (1786–1863), Leutn., Generalten, unter ihnen der Schauspieler Ludwig De- stabsoffizier, FlSt 1811/1815; Arnim, Abravrient und die Sänger Joseph Karl Ambrosch ham Friedrich Heinrich v. (1777–1845), und Johann Ignaz Ludwig Fischer. Freimau- Kammergerichtsrat, Erbherr, 3Ser 1800– rer waren der Miniaturmaler Georg Wilhelm 1810; Arnim, Hans Ludwig Friedrich v. Hoffmann, von dem die oft reproduzierte (1763–1825), Major, Vschw 1810/1815; ArZeichnung „Friedrich II. 1740 als Freimaurer“ nim, Joachim Erdmann Frhr. v. (1741–1804), stammt [s. Abb. 42 auf S. 261], oder Johann Kammerherr, Opern-Intendant, Gesandter, Heinrich Wilhelm Tischbein, der „Goethe- RY 1762, E 1770/1796, ZsW 1798–1804; Tischbein“, vor seiner Übersiedlung nach Ita- Arnim, Wilhelm Ludwig v. (1779–1824), lien von der Eintracht aufgenommen. Mehre- Rittm., 3Ser 1803–1806/07; Arnim-Boitre Musiker sind oben schon genannt. zenburg, Friedrich Wilhelm Gf. v. (1739– Freimaurer, die lediglich von Besitz und Ver- 1801), Forstminister, Erbherr, FlSt 1780– mögen lebten, ohne einem Broterwerb nach- 1801, GRO 1784–1789; Arnim-Kröchlenzugehen, fehlten fast ganz. Die Vereinigten dorf, Friedrich Wilhelm Ludwig v. (1746– Logen waren Sozietäten von Männern, die 1825), Kapt. a. D., Erbherr, FlSt 1777–1796; aktiv im Berufsleben standen. Astmann, Johann Gottlieb August (1759– b) Einzelmitglieder 1786–1815 in Berlin: 1822), Oberberginspektor, FlSt 1794–1822?; (Der Bindestrich zwischen den Jahreszahlen Auer, Karl Albrecht Wilhelm v. (1748–1830), zeigt die Dauer der Mitgliedschaft an, der Chef d. Rheinzollamtes, Vschw 1778–1798; Querstrich die Erwähnungen.) Adam, Johann Bach, Wilhelm Friedrich Ernst (1759–1845), Friedrich (geb. 1759?), Rauchwarenhändler, Cembalist, Kapellm., 3Ser 1805/1815, 1811/12 Vschw 1805/1815; Adlerskron, Karl Chris- 2. Dir. d. Musikal. Kollegiums; Bachmann, toph Behagel v. (geb. 1758?), kais. russ. Kor- Wilhelm Johann Ludwig v. (1765–1831), Geh. nett, Vschw 1778–1788; Ahlgreen, Christoph Justizrat, Vschw 1790–1796; Badendick, Gott­ Samuel Heinrich (geb. 1780?), Juwelier, FlSt lieb Johann (geb. 1759), Dr. med., E 1785; 1815; Albrecht, Karl Heinrich (geb. 1770?), Balluseck, Johann Heinrich (geb. 1775?), PoKupferschmiedem., E 1811–1815; Amb- samentier, 3Ser 1802/1815; Bardeleben, Karl rosch, Joseph Karl (1759–1822), Sänger (Te- Moritz Ferdinand v. (geb. 1777?), Major, FlSt nor), Best 1792–1801, 3Ser 1801/1815; An- 1810/1815; Bärensprung, Heinrich Ferdigern, August Sigismund v. (geb. 1778), Guts- nand (geb. 1768), Apotheker, E 1791–1797; besitzer, FlSt 1805–1811; Amelang, Karl Barez, Frédéric (geb. 1766?), Seidenhändler, Ludwig (1755–1819), Geh. Postrat, Justiz- 3Ser 1788/1815; Barnekow, Eduard v. (1774?– kommissar, Vschw 1789/1815, Rede: Die 1813), Leutn., 3Ser 1802–1813; Bärsch, GeNothwendigkeit in der Maurerey mit den Bedürf- org Friedrich (geb. 1778?), Kaufmann, 3Ser nissen des Zeitalters und den Fortschritten des 1804–1806/07, 1812/1815; Bärwald, Friedmenschlichen Geistes gleichen Schritt zu halten. rich Wilhelm (1747–1829), Apotheker, E Dargelegt in einer Rede von Br. Amelang, Red- 1804–1829; Baudesson, Louis (1742–1788), ner der St. Johannis[loge]; Anderson, Philipp Hofjuwelier, E 1765, RY 1777–1788, 1783– Gabriel (geb. 1753?), Leutn., Vschw 1775– 1788 M. v. Stuhl; Becker, Justus Wilhelm 1788; Andraee, Friedrich Karl (geb. 1752?), (geb. 1752?), Maler, Vschw 1803/1815; Kanzleidir., Vschw 1777–1813; Appelius, Jo- Becžwarżowský, Anton Franz (1754–1823), hann Karl Gottfried Theodor (geb. 1772?), Kapellm., 3Ser 1800–1813, 1801–1805 1. Dir. 290

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

d. Musikal. Kollegiums; Begemann, Friedrich August v. (1780–1827), Kammergerichtsrat, Wilhelm Ferdinand (geb. 1774?), Rendant, Vschw 1798–1806; Beyer, Johann (Joachim) 3Ser 1796; Beguelin, Friedrich Wilhelm Gottlieb (geb. um 1769), Juwelier, 1793 Heinrich v. (1768–1828), Geh. Oberrech- Amtsm., E 1794/1798; Biehler, Johann Friednungsrat, Vschw 1789/1815; Behrend, Karl rich Theodor (geb. 1784?), Dr. med., E 1811– Wilhelm (1765–1839), Geh. Registrator, 3Ser 1815; Biehler, Johann Wilhelm Jakob (1766– 1805–1839?, 1832 Großarchivar; Bellermann, 1807), Regimentschir., FlSt 1792–1804; BielJohann Joachim (1754–1842), Gymnasialdir., feld, Heinrich Ludwig Jakob Friedrich Frhr. v. E 1804–1842, 1818–1839 deput. National- (geb. 1763?), Exped. Sekr., 3Ser 1787–1791; großm.; Below, Friedrich v. (geb. 1786?), Bila, Christian Wilhelm v. (geb. 1744), Leutn. Leutn., 3Ser 1811/1814; Below, Gerhard v., a. D., FlSt 1776–1788; Bisier, Johann Ludwig Leutn. v. d. Armee, 3Ser 1811/1814; Be­ (geb. 1759), Kanzlist, Geh. Sekr., FlSt 1792– necke, Johann Christian (geb. 1769?), cand. 1799; Bismarck, August Wilhelm v. (1750– med., Vschw 1791–1792; Bennewitz, Otto 1783), Staatsminister, FlSt 1777–1780?; BisFriedrich (geb. 1786?), Justizkommissar, E marck, Heinrich Otto Friedrich v. (geb. 1814/1815; Bensch, Friedrich Wilhelm Hein- 1765), Kapt., FlSt 1797–1813?; Bliesener, Jorich (geb. 1780?), Salz- u. Holzinspektor, E hann Gustav (geb. 1760?), Kassenassistent, 1810–1815; Berg, Karl Wilhelm Ludwig v. 3Ser 1801–1806; Blume (Bluhme), Heinrich (1745–1803?), Oberstleutn., Intendant, FlSt August (geb. 1740), Gastwirt, E 1776–1791?; 1777–1796; Bergemann, Gottlieb Ferdinand Blümlein, Hermann Ludwig (geb. 1780?), (geb. 1784?), Kaufmann, 3Ser 1810; Berge- Kanzleidir., FlSt 1815; Bock, Friedrich Aumann, Karl Ludwig (geb. 1774), Kaufmann, gust (geb. 1779?), Hauptmann, 3Ser 1812/ FlSt 1802–1809; Bergemann, Wilhelm Gott- 1815; Bock, Johann August Friedrich (geb. lieb (1771–1837), Apotheker, E 1803–1837; 1780?), Dr. med. et chir., FlSt 1805–1813; Bernard, Jérémie Louis (1746–1804), Geh. Bock, Johann Friedrich (1748–1813), Prof. d. Kriegsrat, Assessor, E 1779–1804; Bernau, Med., Obermedizinalassessor, FlSt 1787–1813, Christian Friedrich Gottlieb (geb. 1754?), 1799 Großschatzm., 1801–1807 deput. GroßRegierungssekr., 3Ser 1797/1815; Bertrand, almosenier; Bock, Ludwig Adolf Ferdinand David Friedrich (geb. 1768?), Referendar, (geb. 1760?), Oberförster, 3Ser 1804–1806; Vschw 1794–1796; Beschort, Friedrich Jonas Bodeck, Albrecht Heinrich Christoph Hans v. (1767–1846), Sänger, Schauspieler, Regisseur, (1750–1829), Leutn. a.  D., Gutsherr, FlSt Vschw 1801/1815, 1802/1810 Mitglied im 1772–1812; Bohland, Heinrich Georg (geb. Musikal. Kollegium; Beuermann, Friedrich 1762?), Dr. med., Vschw 1786–1788; Bohm, Wilhelm Ferdinand (geb. 1774), Rendant, Andreas Christian Wilhelm v. (1766–1824), FlSt 1796 u. 1808–1810; Beuster, Georg Legationsrat, Vschw 1788–1796; Böhme, JoLudwig (1763–1839), Inspektor, FlSt 1802– hann Gottlieb (1746–1787), Bücherauktions1839?, 1833–1837 deput. M.; Beuther, Fried- kommissar, Vschw 1777–1787, GRO 1779– rich Joseph (geb. 1767?), Gutsbesitzer, E 1784; Böhr (Boer), Georg Heinrich (1757– 1815; Beyer, Friedrich Ludwig Karl v. (1766?– 1805), Apotheker, E 1781–1806; Bohrer, Da1798), Student, E 1787/1789; Beyer, Fried- vid Philipp (geb. 1769?), Musiker, 3Ser rich Wilhelm v. (geb. 1768), Hauptmann, 1804–1806; Bölicke, Wilhelm Heinrich (geb. FlSt 1810–1813, 1815 EM; Beyer, Georg 1770), Gouverneur, FlSt 1792–1799; BolEberhard Friedrich v. (1739–1818), Geh. Fi- tenstern, Magnus Ferdinand Wilhelm Ernst v. nanzrat, E 1776, 1778–1818 Vschw, deput. M. (geb. 1785?), Stabskapt., FlSt 1811–1813; 1778–1818, ML (1786), 1817 deput. Großm., Boeltzig, Ludwig Heinrich v. (geb. 1755), GRO 1779–1786; Beyer, Gottlieb Ludwig Kapt., FlSt 1780–1796; Bonge, Julius v. (geb. 291

5 Freimaurer-Logen

1772), Leutn., FlSt 1801–1809; Bonin, Fried- (1733–1788), Geh. exped. Sekr., E 1774– rich Erdmann v. (1765?–1810), Kapt., Kadet- 1788; Brendel, Johann Gottfried (1730?– tenkorpsdir., FlSt 1801–1807?; Bonin, Fried- 1805), Geh. Kriegsrat, Exped. Sekr., E 1762– rich Karl v. (1740–1810), Kapt. a. D., Postm., 1805, ML 1762/1786, GRO 1781, 1796– E 1770–1810; Bonin, Gottfried Georg Ernst 1801 1. Großvorst.; Brendel, Samuel Gottlieb v. (1737–1810), Leutn., Hofmarschall, Postm., (gest. 1804), Rendant, E 1773–1804?; BrenE 1769–1773 u. 1801–1810; Borcke, Hein- nicke, Wilhelm Heinrich (geb. 1774?), Dr. rich v. (geb. 1775?), Major, FlSt 1805–1821; med., Vschw 1797; Bréton, Chrétien Louis Börger, Johann August (geb. 1769?), Bankier, (geb. 1756), Geh. Kriegsrat, Justitiar, Peg E 1796–1809; Bötticher, Heinrich Leberecht 1781, FlSt 1787–1791; Brockhusen, Karl Wilhelm (1773–1841), Regierungsdir., Vize- Ludwig Ulrich Heinrich Friedrich Ehrenpräsident, 3Ser 1804–1806; Boumann, Fried- reich v. (1770–1858), Stabskapt., Generaladrich Ferdinand (1773–1839), Kammerassessor, jutant, FlSt 1805–1810; Brockhusen, SigisVschw 1795–1811; Boumann, Karl Leopold mund Ludwig Joachim Frhr. v. (geb. 1769?), (1781?–1810), Kondukteur, Vschw 1798–1811; kgl. Kammerherr, Rittergutsbesitzer, 3Ser Boumann, Michael Philipp Daniel (1747– 1804–1810; Brohm, Karl Friedrich August 1803), Baum., Dir. d. Oberbaudepartements, (geb. 1778?), Gymnasialprof., 3Ser 1813/1815; Vschw 1775–1803, 1795–1803 deput. M., Brüder, Joachim Heinrich (geb. 1754?), RenGRO 1779–1788, 1796 Altschott. Oberm.; dant, Vschw 1790–1805; Brunckow, Johann Boumann, Wilhelm August (geb. 1767?), Friedrich (geb. 1769?), Hofrat, Geh. Sekr., Kammerreferendar, Vschw 1795–1811; Bourne, Vschw 1806/1815, 1815 1. Vorst., 1815 dep. Johann Karl Leopold, FlSt 1815; Boutin, Jo- Großstew.; Brunn, Albrecht Georg Friedrich hann (geb. 1764?), Dr. med., E 1790; Bou- Wilhelm v. (1760–1830), Leutn. a. D., Postm., vier, Samuel (geb. 1721), Strumpffabrikant, FlSt 1794–1796; Brunnemann, Johann WilFlSt 1806; Brandenburg, Georg Albrecht helm (geb. 1762), Apotheker, E 1793–1797; (geb. 1781?), Kaufmann, 3Ser 1812/1815; Buch, Georg Karl Vollrath v. (1767–1836), Brandenstein, Karl Wilhelm Gustav v. (geb. Schlosshauptmann, Vschw 1789–1796; Bü1774), Leutn., FlSt 1794–1796; Brauchitsch, low, Chr. Heinrich Leopold v., Geh. exp. Friedrich Karl Ludwig v. (1755–1839), Sekr., 3Ser 1815; Bülow, Friedrich Heinrich Landstallm., Gestütsdir., E 1776/77, 1811; v. (geb. 1756), Kapt. a. D., FlSt 1778–1796; Brauchitsch, Karl Otto Friedrich Ludwig v. Bünger, Johann Gottlieb Simon (geb. 1775?), (1780–1858), Major, Flügeladjutant, FlSt Stadtbauinspektor, 3Ser 1802–1806/07; Bur1811/1815; Brauchitsch, Ludwig Matthias chard, Friedrich Ludwig (1763–1811), OberNathanael Gottlieb v. (1757–1827), Major, hofbauamtinspektor, 3Ser 1799–1811; BurgFlSt 1777–1796; Brauer, Ernst Chr. August hoff, Johann Friedrich August v. (1743–1802), (geb. 1778?), Stadt- u. Landsyndikus, 3Ser Geh. Finanzrat, E 1787, ML 1794 M. v. Stuhl, 1811; Braun, Johann (geb. 1770?), Hofgärtner, 1796 zugeordneter Oberm.; Burgsdorff, FriedVschw 1806; Braunmüller, Ernst Philipp, rich (geb. 1770), Kaufmann, E 1811–1815; Kaufmann, E 1800; Brause, Friedrich Alex- Burja, Abel (1752–1816), Prediger, Prof. d. ander v. (geb. 1759), Hauptmann, 3Ser 1801– Math., 3Ser 1777–1780 u. 1786–1791; Bur­ 1811, 1813/1815 EM; Brause, Siegmund stini, Georg Bar. v. (geb. 1777?), Major, 3Ser Heinrich v. (geb. 1751?), Major, 3Ser 1813/ 1815; Busch, Ludwig Friedrich (geb. 1776), 1815; Bräutigam, Ernst Philipp (1768–1810), Weinhändler, E 1801–1825; Bußler, Ernst Regimentsquartierm., E 1791/1815; Bremer, Friedrich (1773–1840), Geh. Hofrat, Historien­ Wilhelm August Eduard (geb. 1786?), Dr. maler, Vschw 1801–1806; Büttner, Friedrich med., E 1815; Brendel, Christian Ludwig Gottlieb (1771–1836), Geh. Oberrechnungs292

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

rat, E 1796–1831; Carius, Johann Gottlieb (1758?–1816), Oberrechnungsinspektor, Vschw 1789 u. 1799–1816, 1798 GNML, 1802– 1816 Großschatzm.; Carmer, Johann Heinrich Friedrich Gf. v. (1765–1809), Chef d. schl. Kammerdeputation, E 1781 u. 1782– 1788; Carmer, Johann Wilhelm Heinrich Gf. v. (1772–1841), Kammergerichtsrat, Landes­ ältester, 3Ser 1804–1810, 1811/1815 EM; Caspari, Johann Heinrich (1778–1847), Bankier, E 1810–1847; Caspari, Karl (1768– 1820), Kaufmann, E 1806–1820; Cassel, Wilhelm (geb. 1760?), Kaufmann, E 1810–1815; Chapelié, Franz Gustav Bar. v. (geb. 1769?), Rentier, FlSt 1811–1815, 1815 Zeremonien­m.; Chasôt, Ludwig Adolph Gf. v. (1763–1813), Major, Kommandant von Berlin, FlSt 1810– 1811; Chemlin, Johann Daniel (1739–1821), Oberpfarrer, Superintendent, FlSt 1777– 1796; Chmelick, Heinrich Wilhelm (geb. 1784?), Kattunfabrikant, 3Ser 1814/1815; Cie­ sielski, Wilhelm v., Major a. D., FlSt 1805– 1810, Teutonia in Potsdam; Clemen, Andreas Wilhelm (geb. 1770?), Bauinspektor, 3Ser 1811/1815; Clemens, Andreas, Kondukteur, Vschw 1796; Clemens, Christian Gottlieb (1766–1843), Geh. exped. Sekr., E 1799– 1843; Coffrane, Samuel Ludwig Favre de (geb. 1757?), Oberstleutn., 3Ser 1811–1813; Colomb, Georg Heinrich v. (1765–1839), Regierungsrat, Vschw 1789–1791; Colomb, Ludwig Christoph v. (1767–1831), Kriegs- u. Domänenrat, FlSt 1787–1796; Colomb, Peter v. (1775–1754), Leutn., 3Ser 1803/1815; Concialini, Giacomo Carlo (1742–1812), Sänger (1. Sopran), 3Ser 1804–1812, EM d. Musikal. Kollegiums; Cordes, Johann Ernst (geb. 1787?), Oberchir., Vschw 1815; Cothenius, Christian Andreas (1708–1789), Geh. Rat, köngl. Leibarzt, ML 1766–1789; Cothenius, Christian Andreas (geb. 1767?), Dr. med., 3Ser 1787–1791; Cottel, Peter (1757– 1800), Kriegsrat, E 1794–1800; Courbière, Charles-Alexandre de l’Homme de (1782– 1867), Major, 3Ser 1811/1815; Cramer, Fried­ rich (geb. 1778), Regimentsquartierm., E

1803; Cramer, Ludwig Burchard Werner (1731–1815), Oberkriegskommissar, E 1763, 1769–1771 3gSchl, 1771–1790 Logenm.; Culemann, August Karl Heinrich Gerhard (geb. 1765), Ständelandrat, E 1787–1790; Cusig, Wilhelm August (geb. 1783?), Feldjäger, 3Ser 1812/1815; Czarnowski, Friedrich Wilhelm v. (geb. 1781?), Leutn., FlSt 1810/ 1815; Dähne, Martin Marcellus Christian v. (geb. 1778?), Leutn., 3Ser 1805/1806; Dahrenstädt, Johann Jakob (1757–1815), Registrator, Magistratssekr., FlSt 1795–1815, 1802–1807 Großsekr., 1810 GNML; Davies, August Ferdinand v. (geb. 1771?), Hauptmann, FlSt 1811–1813; Decker sen., Georg Jakob (1732–1799), Königl. Geh. Hofbuchdrucker, Verlagsbuchdrucker, E 1762–1799, 1785– 1794 M. v. Stuhl, 1768–1771 auch Afrik. Bauherrenloge, GRO 1779–1786, Reden: Anrede

an die Brüder der vereinigten Freimaurerlogen zu Berlin, veranlasst durch das Absterben eines ehrwürdigen Mitglieds, Herrn Benjamin Püschel (Berlin 1792: G. J. Decker); Rede bey Uebernahme des Amts als Deputirter Meister in der Loge zur Eintracht, gehalten von Bruder D**. Berlin, den 13. April 1778. Gedruckt bey G. J. Decker, Königl. Hofbuchdr.; Decker jun., Ge­ org Jakob (1765–1819), Königl. Geh. Hof­ buchdrucker, Verlagsbuchdrucker, E 1783– 1812, 1803 GNML, 1802/1810 Mitgl. im Musikal. Kollegium; Delagarde, François Théodore (1756–1824), Verlagsbuchdrucker, 3Ser 1785–1806; Delmar, Heinrich Ludwig (geb. 1776?), Bankier, 3Ser 1810/1815; Denn­ stedt, Gustav Wilhelm (geb. 1775?), Auditeur, FlSt 1805–1810; Derling, August Ferdinand (geb. 1761), Auditeur, Regimentsquartierm., FlSt 1786–1793; Deter, Friedrich Wilhelm (geb. 1783?), Referendar, Vschw 1812/1815; Deter, Samuel Friedrich (geb. 1769), Rendant, Kassierer, E 1795–1801; Deutsch, Christian Wilhelm (geb. 1741), Kriegsrat, Administrator, Gutsbesitzer, E 1764–1787?, ML 1766/1786, GRO 1779–1787; Devrient, Isaak (geb. 1746?), Kaufmann, 3Ser 1776–1788; Devrient, Ludwig (1784–1832), Schauspieler, 293

5 Freimaurer-Logen

E 1815; Dewitz, Friedrich August Christian (1770–1818), Landrat, E 1815–1818; Diederichs, Christoph Leopold (1772–1839), Geh. Oberjustizrat, 3Ser 1811/1815; Dieme, Johann Friedrich Philipp (geb. 1751/52), Dr. med., Vschw 1800–1813; Dieskau, Karl Gott­ lob August v. (geb. 1756), Major, Auktionskommissar, 3Ser 1813/1815; Dieterich, Philipp Ernst (1754–1823), Geh. Sekr., Vschw 1796–1801; Dietrich, Gottlob Siegfried (1758– 1840), Dr. med., Geh. Medizinalrat, FlSt 1787–1796; Dietzsch, Johann Friedrich Rudolf (geb. 1730), Hofrat, Kammerdir., ML 1764–1784, E 1768, GRO 1780–1785; Dionysius, Samuel Ludwig (1750–1817), Kaufmann, E 1804–1817; Dittmar, Christoph Nathanael (1741–1792), Hoffiskal, Konsulent, E 1778–1792, GRO 1784; Dittmar, Theodor Jakob (1734–1791), Gymnasialprof., Dir., Vschw 1781–1791, GRO 1784; Dobschütz, Leopold Wilhelm v. (1763–1836), Generalmajor, Gouverneur, FlSt 1812–1815; Dockhorn, Johann Martin (geb. 1738?), Major (a. D.), Vschw 1775–1805/06; Döhl, Johann Friedrich (1765–1836), Apotheker, E 1804–1836; Dönhoff-Friedrichstein, August Friedrich Philipp Gf. v. (1763–1838), Oberst, Flügeladj., 3Ser 1801–1811, GNML, 1811/1815 EM; Dönhoff-Hohendorf, Paul Aemilius Friedrich Magnus Gf. v. (geb. 1748), Leutn. a. D., Erbherr, FlSt 1781–1792, GRO 1780–1785; Dorn, Johann Friedrich (geb. 1783?), Offiziant d. Abgabensektion, Vschw 1812/1815; Dörnberg, Friedrich Karl Frhr. v. (1754– 1803), pzl. Kammerherr, 3Ser 1779–1786?, GRO 1781–1784; Douilhac, Jean Jacques (1725–1788), Hutfabrikant, E 1760/1766– 1789; Drawe, Georg Wilhelm (1762–1809), Hof- u. Amtschir., E 1790–1808; Drigalski, Theodor Wilhelm v. (geb. 1761), Stabskapt., FlSt 1789–1800; Duplessis, Heinrich (geb. 1783?), Hauptmann, 3Ser 1814/1815; Düttel, Alexander Jakob (geb. 1775?), Stallm., Vschw 1813/1815; Ebart, Johann Gottlieb (1746– 1805), Kommerzienrat, Papierfabrikant, Vschw 1781–1805; Ebers, Johannes (1741/42–1818), 294

Oberhütteninspektor, Prof., FlSt 1796–1797; Ebers, Karl Friedrich (1770–1836), Kapellm., FlSt 1806; Eckstein, Heinrich Samuel Gottfried (geb. 1770), Regierungskanzleiinspektor, FlSt 1802–1818/19?; Egerland, Johann Friedrich (1729?–1790), Bürgerm., Justizdir., E 1769–1792, ML 1775/1786; Eggers, Adolf Theodor (geb. 1751?), Dr. med., FlSt 1776; Egloffstein, Gustav Friedrich Ernst v., Leutn., Kammerherr FlSt 1791–1796; Eichhorn, Georg Wolfgang (1760–1830), Dr. med., FlSt 1787–1796; Eichhorn, Karl Friedrich (1781– 1854), Prof. d. Rechte, FlSt 1811–1813; Eisenberg, Friedrich Philipp (1756–1804), Kammergerichtsrat, Vschw 1781–1804, 1788–1796 deput. M.; Elsasser, Johann Ludwig (geb. 1751?), Hofkonditor, 3Ser 1801–1815; Elsner, Samuel Friedrich v. (1744–1792), Stabskapt., FlSt 1776–1792; Elsner, Wilhelm Ferdinand (1786–1848), Landschaftssyndikus, Vertreter d. schl. Nationalrepräsentation, FlSt 1815; Emmich, Christian Wilhelm (1758?–1825), Geh. Postsekr., E 1785, 1809/1811; Engel, Friedrich Wilhelm (geb. 1763?), Baumwollmanufakturunternehmer, Vschw 1789/1815; Erckert, August Karl v. (1762–1801), Kapt., FlSt 1799–1801; Ernstedt, Johann Leberecht, Oberchir., FlSt 1791; Espeut sen., Jean Pierre André (1739?–1804), Kaufmann, 3Ser 1796– 1797 u. 1800–1806; Espeut jun., Jean Pierre André (geb. 1774?), Geh. Sekr., 3Ser 1796– 1806, 1801 Großsekr.; Eyssenhardt, Karl Friedrich Justus (geb. 1766?), Baumwollmanufakturunternehmer, 3Ser 1788–1806; Eyssenhardt, Wilhelm Gottlob, Tuch- u. Seidenmanufakturunternehmer, E 1793/94; Faber, Ernst August Ludwig v. (geb. 1762?), Hauptmann, Dir., 3Ser 1798/1815; Faber, Karl Friedrich (1748?–1813), Major, Vschw 1775– 1803; Fahrenhold, Hans Chr. Daniel (geb. 1779?), Justizaktuar, E 1815; Falkenberg, Heinrich Friedrich Ludwig (geb. 1776?), Rendant, FlSt 1810–1815; Fauquignon, Heinrich Karl Friedrich (geb. 1774?), Bergrat, E 1810–1815; Felgentreff, Friedrich Ludwig Ferdinand (geb. 1780?), Geh. Kanzleidir., 3Ser

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

1805–1815; Felisch, Ernst Karl (geb. 1768), neur, 1772–1799 Nationalgroßm. in den Verlagsbuchhändler, Vschw 1796–1801; Feller, Preußischen Staaten; Friedrich Ludwig Alex­ Johann Friedrich, Kaufmann, FlSt 1811/1815; ander Hz. von Württemberg-Stuttgart Ferdinand Hz. von Braunschweig-Lüne- (1756–1817), Generalleutn., Kommandant, burg (1721–1792), Feldmarschall, Dechant, ML 1776–1780, 3Ser 1780–1796?; Friese, 1740 Aux trois Globes in Berlin, 1770 Provin- Georg Wilhelm Jakob (1739–1786), Kamzialgroßm. aller Logen in Norddeutschland, mergerichtsrat, E 1777–1786, GRO 1779– 1772 Großm. aller schott. Logen in Deutsch- 1786; Fritze, Johann Friedrich (1735–1807), land (Magnus Superior ordinis per Germa- Dr. med., Geh. Rat, Prof. d. Therapie, ML niam inferiorem), 1786 Generaloberm. d. 1764/1786, E 1764–1794, GRO 1782–1784; Asiatischen Brüder; Fincke, Johann Gottlieb Fühlidans, Johann Christoph (1776–1807), (geb. 1769?), Justizassessor, 3Ser 1796; Fischer, Kammerkanzleisekr., FlSt 1805–1807; GadeErnst Gottfried (1754–1831), Gymnasial- u. busch, Karl Georg Lorenz (1777–1835), Universitätsprof. (Math., Physik), E 1801– Buchhalter, FlSt 1804/1815; Gädicke, Jo1823; Fischer, Johann Friedrich (geb. 1777?), hann Christian (1763–1837), VerlagsbuchLederfabrikant, E 1811–1815; Fischer, Jo- händler, 3Ser 1804–1818; Gamper, Heinrich hann Ignaz Ludwig (Louis) (1745–1825), kö- (geb. 1758), Medizinstudent, E 1785–1791?; nigl. Kammersänger, 1806/07 3Ser, 1805/1815 Garten, Ernst Friedrich v. (geb. 1760?), FlSt; Fischer, Karl Ernst Rudolf Friedrich v. Oberstleutn., 3Ser 1815; Gaudy, Friedrich (1769–1824), Regierungsrat, Vschw 1794– Wilhelm Leopold Frhr. v. (1765–1823), Ge1796; Flaminius, Christian Gottlieb (1758– neralmajor, Militärgouverneur, FlSt 1801– 1811), Geh. Oberrechnungsrat, Vschw 1795, 1823?; Gaupp, Gottlob, cand. pharm., E 1799–1811, 1802 Großschatzm.; Fleischer, 1793/94; Gause, Wilhelm Christian (1740– Karl Otto (geb. 1785?), Ritterschafts­sekr., E 1786), Hofrat, Kammergerichtsrat, ML 1775/ 1815; Forestier, Alexandre Auguste de (geb. 1786, E 1769–1786, GRO 1779–1783; Gaza, 1754?), Leutn., 3Ser 1776–1780/1791?; Francke, Ignaz Hermann v. (1752–1820), Oberst, 3Ser Johann Friedrich (geb. 1756?), Lehrer, Vschw 1810, 1813/1815 EM; Gedike, Friedrich 1786–1788; Franke, Johann Friedrich Wolf- (1754–1803), Oberschulrat, Gymnasialdir., gang (1745–1819), Major, FlSt 1775–1788; Hg. Berlinische Monatsschrift, E 1778–1792, Franck, Karl Friedrich Wilhelm (geb. 1771?), 1786–1793 deput. M., Reden, Oden: Ode, Feldapotheker, 3Ser 1802–1813; Franz, Chris- verlesen in der Mutterloge zu den drey Weltkutian Gottlieb (geb. 1759?), Dr. med., E 1782– geln. Berlin, den 31 December 1778 (Berlin 1791?; Frenzel, Johann Heinrich (geb. 1764?), 1778: G. J. Decker); Ode auf den Frieden. VerAuditeur, 3Ser 1788–1790; Frenzel, Karl lesen am Johannisfeste 1779 in der Mutterloge Heinrich (geb. 1758?), Geh. Sekr., E 1788/89, zu den drey Weltkugeln in Berlin (Berlin 1779: Vschw 1796/1815; Frey, Johann Christoph G. J. Decker); Maurerode. Am Johannisfeste (geb. 1783?), Stadt- u. Amts­chir., 3Ser 1815; 1780 vorgelesen in der Mutterloge zu den drei Frick, Georg Christoph (geb. 1780?), Vizear- Weltkugeln in Berlin vom Br. F. G. (Berlin kanist, Farbenlaborant, 3Ser 1806–1813; Frie- 1780: Christian Ludwig Stahlbaum); Maurer­ del, Sebastian Ludwig (1768–um 1830), Cel- ode beim Jahresschluss. In der Mutterloge zu den list, königl. Kammermusiker, Komponist, E drei Weltkugeln in Berlin vorgelesen den dreißigs1804/1812; Friedrich, Johann Ludwig (1782?– ten December MDCCCIII vom Br. F. G. (Ber1838?), 1806 Verwalter u. später Apotheker lin 1781: G. J. Decker); Zwei Maureroden am Zum Pelikan, E 1810–1815; Friedrich Au- Johannisfeste 1781 und 1782 in der Mutterloge gust Hz. von Braunschweig-Lüneburg-Oels zu den drei Weltkugeln in Berlin vorgelesen vom (1740–1805), General d. Infanterie, Gou­ ver­ Br. F. G.; Ode dem glücklichen Alter Friedrichs 295

5 Freimaurer-Logen

des Großen gesungen von Friedr. Gedike. Den 3Ser 1784/1815, ML 1786, 1786 Großsekr., 24sten Jan. 1783 (Berlin 1781: Unger); Mau- 1797–1824 Großarchivar, GRO 1780–1788; rerode, beim Schluß des Jahres 1783. Vorgelesen Gold, Ernst Maximilian (1744?–1811/12), den 31. December 1783 in der Mutterloge zu Hofstaatssekr., Vschw 1796–1811; Goldbeck, den drei Weltkugeln; Zwei Maurerreden gehal- Heinrich Julius v. (1733–1818), Wirkl. Geh. ten in der Mutterloge zu den drei Weltkugeln in Staats- u. Justizminister, Chefpräsident, GroßBerlin beim Jahresschluß von 1784 und 1785 kanzler, E 1767–1800, ML 1769/1786, GRO (31.12.1784 Über Toleranz der verschiedenen 1779–1786; Goldbeck, Johann Heinrich Meinungen in der Maurerei; 1785 Über Vered- Gottfried (1759–1831), Feldpostm., Generallung der Menschheit und Selbstveredlung); postamtsassessor, Vschw 1786–1790; GoldMaurerrede zum Andenken Friedrichs. Berlin, hammer, Georg Heinrich Ludwig (geb. den 14. September 1786; Gedike, Ludwig 1777), Kaufmann, E 1805–1823; Goltz, FerFriedrich Gottlieb Ernst (1761–1838), Gym- dinand Friedrich Frhr. v. d. (1773–1813), nasialprof., Vschw 1782–1784 (1791); Geerz, Kapt., FlSt 1810–1813; Gößmann, Benno Paul Frhr. v., hohenstein. Kavalier, 3Ser 1787– (geb. 1781?), Kaufmann, FlSt 1811/1815; 1788; Geffertsheim, Friedrich Albert August Gotsch, Karl Friedrich (geb. 1763?), Hauptv. (geb. 1761), Kapt., FlSt 1801–1810; Gen- buchhalter, 3Ser 1801/1815, 1802 Ordenskonerich, Ludwig Karl (1774–1815), General- pist, 1803 Großsekr.; Gotschau, Ferdinand postamtssekr., E 1804–1815; Gerhard, Jo- Nikolaus (geb. 1781?), Kaufmann, FlSt 1810/ hann Karl Ludwig (1768–1835), Oberberg- 1815; Götschmann, Johann Friedrich (geb. hauptmann, Chef, Geh. Staatsrat, Vschw 1768?), Rechnungsrat, Vschw 1810/1815; 1786–1787, 3gSchl 1811–1836; Gerlach, Gott- Grabowski, Adam Gf. v. (geb. 1743), Starost, lieb Benjamin (1770–1844), Feldprediger, E 1776–1791; Graf, Johann Ludwig (1766?– Prediger, E 1797–1810; Germershausen, 1801?), Münzwardein, Vschw 1796–1801; Christ. Friedrich Ludwig (geb. 1782?), Kauf- Graff, Karl Friedrich (1722–1792), Kriegsrat, mann, E 1811–1815; Germershausen, Chris- Rendant, ML 1760/1786, E 1761–1792, tian Ludwig (1728–1813), Zuckersiedem., E GRO 1781–1784; Gramatzky, Karl Wilhelm 1778–1812; Germershausen, Johann David (geb. 1775?), Kanonikus, Vschw 1803–1811, (geb. 1756?), Zuckersiedem., 3Ser 1788–1804; 1812/1815 EM; Granier, Anton Wilhelm Gersdorf, Georg Samuel Wilhelm v. (1744– (geb. 1785?), Stadtgerichtsreferendar, Vschw 1810), Ritterschaftsdir., Erbherr (Müller-Ar- 1810/1815; Granier, Jean Jacques (geb. 1754?), nold-Prozess), FlSt 1780–1796; Geßler, Karl Kaufmann, Douaneninspektor, E 1776–1791?; Leopold Gf. v. (1752–1829), Finanzrat, Ge- Grapengießer, Karl Johann Christian (1772– sandter, FlSt 1777–1820; Geyso, Karl Ernst 1813), Dr. med., kronpzl. Leibarzt, E 1793– Ludwig Frhr. v. (geb. 1759?), Oberstleutn. 1813; Grävel, Maximilian Karl Friedrich (geb. a. D., Grundherr, FlSt 1776–1813; Giese(-r), 1781), Justizamtmann, 3Ser 1810/1815 EM; Andreas Kaspar (geb. 1758?), Konditor, Vschw Graevenitz, Friedrich August Ferdinand v. 1779–1788; Gillet, Ernst Friedrich Wilhelm (1766–1846), Regierungsrat, Vschw 1790– (1762–1829), ref. Prediger, E 1804–1829; 1796; Grävenitz, Johann Christoph Leberecht Glaubitz, Christian Friedrich Andreas (1768– v. (geb. 1786?), Major, 3Ser 1812/1815; Grei1808), Pfarrer, Vschw 1791–1796; Gleim, be, Friedrich Ernst Wilhelm (1754–1811), Gottlieb (geb. 1785?), Kaufmann, Vschw Schauspieler, 3Ser 1799–1810; Greiff, Philipp 1810–1811, 1812/1815 EM; Gobbin, Wil- Hermann v. (geb. um 1765), Regierungsrat, helm Heinrich Ludwig (1763–1809), Geh. Vschw 1791–1792; Greulich, Friedrich WilKanzleisekr., FlSt 1805–1809?; Gohl, Johann helm (geb. 1781?), Feldjäger, FlSt 1810/1815; Christian Samuel (1743–1825), Lotteriedir., Grobecker, Johann Friedrich Wilhelm (geb. 296

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

1775?), Stadtsyndikus, E 1815; Gröben, Ludwig v. d. (1748–1810), Leutn., FlSt 1780– 1796; Grosser, Friedrich Gottlob (geb. 1783?), Musiker, 3Ser 1811–1813; Grothe, Karl Gottfried (geb. 1746), Lotteriedir., 3Ser 1774, ML 1786, 1787 Großsekr., 1788 Großschatzm.; Grotthuß, Heinrich Friedrich Ernst v. (geb. 1762?), Kapt. a. D., Landrat, FlSt 1791–1795; Grotty, Melchior Anton, Haushofm., Vschw 1796; Grummert, Karl Michael (geb. 1760?), cand. chir., Vschw 1783–1788; Grynäeus, Johann Daniel (1736?–1794), Leutn., FlSt 1775– 1791, GRO 1781; Guionneau, François Louis de (geb. 1756?), Kapt., Aide, 3Ser 1777–1791; Guionneau, Louis Auguste Émile François de (1749–1829), Oberst, Geh. Ober­finanzrat, Generalintendant, FlSt 1774–1788, 3Ser 1788– 1818 M. v. Stuhl, Altschott. Oberm., 1804– 1829 Nationalgroßm., GRO 1779–1788, Reden: Deux discours maçonniques du frère de

Leopold v. (1756–1822), Oberstleutn., FlSt 1788–1790; Hahn, Karl Heinrich August (geb. 1788), Hofrat, Prinzenerzieher, E 1803/1815; Hake, Friedrich Wilhelm Gf. v. (1740?–1789), Major a. D., FlSt 1785–1789; Halem, Friedrich Wilhelm van (1763–1835), Dr. med., Medizinalrat, E 1785–1788; Halle, Friedrich Theophil van (geb. 1782?), Kaufmann, E 1810–1815; Hamm, Johann (geb. 1772?), Kaufmann, 3Ser 1803–1806; Hampe, Karl Friedrich (1773–1849), Maler, 3Ser 1801–1806; Hänel, August Wilhelm (1744?– 1809), Feldscher, E 1781–1790; Hansmann, Joachim Melchior Heinrich Wilhelm (geb. 1770?), Kriegsrat, Geh. Archivar, 3Ser 1811– 1813; Hansen, Christian Friedrich Gerhard (geb. 1755?), Kriegsrat, Geh. exped. Sekr., 3Ser 1791–1799; Hartung, Albrecht (geb. 1775?), Domschullehrer, 3Ser 1812/1815; Hartung, Johann August (geb. 1762?), KriegsG***, membre de la loge militaire de l’étoile schulprof., 3Ser 1804–1815; Hartung, Lebflamboyante (Berlin 1777: G. J. Decker), darin: recht (geb. 1779?), Lehrer, 3Ser 1812–1815; Discours sur l’importance de la maçonnerie, pro- Häseler, August Ferdinand Gf. v. (1761– noncé dans la loge françoise Frédéric aux trois sé- 1838), Leutn. a. D., Grundherr, FlSt 1789– raphhins, le 9 d’avril 1776, Discours sur les 1810; Häseler, Karl Gf. v. (geb. 1768?), Leutn. dangers du mauvais exemple, prononcé dans la a. D., FlSt 1811/1815; Hasse, Karl Wilhelm loge françoise Frédéric aux trois séraphhins,à la (geb. 1773?), Registrator, Vschw 1797– reception de mon frère cadet, le 6 de may 1777; 1806/07; Haugk, Georg Gustav Philipp (geb. Gutzmerow, Karl Friedrich v. (geb. 1778?), 1784?), Dr. med., E 1810–1815; Haugwitz, Kapt., FlSt 1810–1813; Häfner, Johann Chris- Hans Heinrich Ludwig v. (geb. 1748?), Kapt., tian (geb. 1774?), Baukondukteur, Vschw Inspektor, Vschw 1775–1797; Haugwitz, Jo1803–1811; Hagemann, Cornelius Wilhelm hann Gottfried Oswald v. (geb. 1757?), Kapt., (geb. 1766), Gutsbesitzer, FlSt 1788–1801/ Vschw 1804–1806; Haugwitz, Karl Christian 1805; Hagemann, Karl Andreas Alexander Rudolf v. (1750–1809), Kapt., Inspektor, FlSt (geb. 1768), Kriegsrat, Oberamtmann, FlSt 1777–1799, Vschw 1794–1806/07, 1804 Ober­ 1790–1807; Hagen, Friedrich Wilhelm Fer- zeremonienm.; Hauptmann, Karl Friedrich dinand Frhr. v. d. (1766–1849), Geh. Kriegs- (geb. 1760), Prof. d. Anatomie, E 1791; Herat, Landrat, 3Ser 1790/1815; Hagen, Hans cker, August Friedrich (1763–1811), Dr. Sigismund Wilhelm Leopold v. (geb. 1775?), med., Prof., Hofrat, E 1805–1806; Hecker, Kapt., FlSt 1810/1815; Hagen, Heinrich Ja- Johann Christian Nathanael (1753–1810), kob v. (geb. 1770?), Rendant, 3Ser 1803– Gymnasialprof., E 1777–1810, Großredner, 1813; Hagen, Johann Philipp (1734–1792), GRO 1784–1788, Reden: Rede auf den höchst­ Chir., Hebammenlehrer, E 1773–1792, GRO erfreulichen achtundsechzigsten Geburtstag Fried1779–1788; Hagen, Sigismund August v. richs des Großen, gehalten in der Mutterloge zu (1748–1813), Kapt. a. D., Postm., FlSt 1778– den drei Weltkugeln, vom Br. H***. Berlin, 1779 u. 1785–1796; Hahn, Gustav Christoph den 24. Januar 1779 (Berlin 1779: G. J. 297

5 Freimaurer-Logen

Decker); Rede bey der Friedensfeier. Am Johan-

1806/1815; Hensel, Gottfried Ludwig (geb. nistage 1779 in der Mutterloge zu den drey 1780?), Kaufmann, E 1810–1815; Heineccius, Weltkugeln in Berlin, vorgelesen vom Br. H**r Gustav Adolf Ferdinand (geb. 1762), Oberak(Berlin 1779: G. J. Decker); Ode auf die Johan- ziserat, FlSt 1787–vor 1799; Hering, Chris­ nisfeyer im Jahr 1782. Verlesen in der versamm- tian Albrecht Ludwig (geb. 1759), Hofm., E leten Mutterloge zu den drey Weltkugeln von 1784–1785; Hering, Christian Friedrich H** (Berlin 1782: G. J. Decker); Dem Denk- (1755–1817), Kassierer, FlSt 1801–1817, tage der Geburt Friedrich Wilhelms Königs in 1806–1810 u. 1815–1818 2. Aufs.; Herr, Preußen (…), am 25. September 1786; Lied Gottlieb Friedrich v. (1775–1837), Regieam Denktage der Geburt Sr. Herzoglichen rungsrat, 3Ser 1812/1815; Herrmann, Karl Durchlaucht des Herzogs Friedrich August von Heinrich (geb. 1772), Pharmaziestudent, E Braunschweig und Lüneburg in der Loge zu den 1794; Herrmann, Karl Heinrich (geb. 1787?), drei Welt-Kugeln gesungen vom Bruder Hecker Polizeiassessor, Vschw 1814/1815; Hermb­ (Berlin 1791: G. J. Decker); Maurerlied den staedt, Sigismund Friedrich (1760–1833), 29sten Okt. 1793 gesungen vom Br. Hecker Geh. Medizinalrat, Generalstabsapotheker, E (zum Geburtstag Friedrich Augusts von 1789–1833; Herrn, Johann Gustav v. (1750?– Braunschweig), Berlin (1793); Zuruf des Br. 1790/1792), Leutn., Vschw 1777–1791; HerGroß-Redners (1801); Empfindungen am Sarge tefeld, Ludwig Friedrich Karl Wilhelm Saunsers Zöllner vom B. Groß-Redner Hecker; muel Frhr. v. (1754–1819), Erbherr, 3Ser Zur fünfzigjährigen Feier der Stiftung der Loge 1782–1786; Hertig, August Wilhelm v. zur Eintracht. Vom Bruder Hecker, dep. Meister (1740–1815), Oberst, Kommandeur, FlSt der Loge zur Eintracht; Heidemann, Karl Hie- 1776–1799?; Hertz, Karl Friedrich Ferdinand ronymus (geb. 1763?), Auditeur, 3Ser 1786– (geb. 1773), Kaufmann, E 1800–1802; Hertz­ 1791?; Heine, Friedrich (geb. 1764), hzl. berg, August Ludwig v. (geb. 1748), Leutn. Kammermusiker, E 1801; Heinrich, Fr. Kurt a. D., Salzinspektor, FlSt 1771–1790; Her(geb. 1783?), Geh. exped. Sekr., Vschw 1815; wardt, Friedrich (geb. 1750), OberfeldstabsHeinsius, David Nathanael (1768–1831), medikus, Departementsphysikus, FlSt 1790; Geh. Regierungsrat, E 1792–1809 u. 1816– Herbst, Rudolf Ernst August (1754?–1825), 1831; Helling, Georg Lebrecht Andreas Kriegsrat, Geh. exped. Sekr., E 1802–1815; (1763–1840), Dr. med., Stadtarmenaugenarzt, Herwig (Herbig), Johann Friedrich (geb. E 1815; Helm, Karl Joachim Ernst Georg 1756?), pzl. Kammermusiker, 3Ser 1782– (1777–1854), Feldprediger, E 1810; Helm- 1791; Hesse, Gustav Philipp (geb. 1767?), holtz, August Wilhelm (1758–1802), Kauf- Kaufmann, E 1813/1815; Hesse, Karl Wilmann, Magazinrendant, E 1780–1784 u. helm, Registrator, Vschw 1806/1815; Hess1796/97; Helmuth, Karl Friedrich (geb. lingh, Hermann (1750–1833), Regierungsrat, 1779?), Kaufmann, Vschw 1805–1811; Hem- Vschw 1780, E 1783/84–1789; Hildenhagen, pel, Johann Gottfried (1752–1818), Dr. med., Heinrich (geb. 1786?), Geheimsekr., FlSt Apotheker Zum schwarzen Adler, pharmazeut.- 1815; Hiller v. Gärtringen, Johann August chem. Abhandlungen, E 1792–1815; Henckel Friedrich Frhr. (1772–1856), Oberst, Fesv. Donnersmarck, Elias Maximilian Gf. tungskommandant, 3Ser 1811/1815 EM; (1748–1827), Generalmajor, Regimentschef, Himburg, Christian Friedrich, Verlagsbuch3Ser 1790–1796; Henke, Friedrich Wilhelm händler, E 1767–1775 u. 1776–1785, Vschw Heinrich (geb. 1787?), Kriegskommissar, E 1800; Himmerlich, Johann Christian Sigis1814/1815; Henning, Christian (geb. 1750?), mund (geb. 1765), Kollaborator am BerlinMusiker, Vschw 1796–1813; Hennings, Karl Kölln. Gymn. zum Grauen Kloster, 1799– Friedrich (geb. 1775), Oberfeldauditeur, E 1832 Pfarrer in Großziethen, E 1797–1801?; 298

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

Hinrichs, Johann Frhr. v. (1752–1834), Ge- 1811; Horn, Heinrich Wilhelm v. (1761– neralmajor, Kommandant, 3Ser 1811/1815; 1829), Oberstleutn., Kommandeur, FlSt 1811/ Hippel, Theodor Gottlieb v. (1775–1843), 1815; Hornstein, Friedrich v. u. zu (geb. Vortragender Rat, Staatsrat, E 1812/1813; 1766?), Leutn., FlSt 1788–1789; Hoyer, Poly­ Hirschfeld, Ferdinand Heinrich v. (geb. 1777), carp Christoph (geb. 1762), Medizinstudent, Sekondeleutn., FlSt 1797–1800; Hirschfeld, E 1785–1791?; Hoyer v. Rotenheim, Karl Heinrich v., Leutn., FlSt 1775–1799; Hirsch- (geb. 1770?), Hauptmann, FlSt 1812/1815; feld, Karl Friedrich v. (1747–1818), Leutn., Hubert, Karl August (1756–1843), Amtsrat, Inspektionsadjutant, FlSt 1778–1780; Hitzig, E 1804–1843; Hübner, Andreas Karl (1747– Johann Heinrich Benjamin (geb. 1786), Apo- 1825), Weinhändler, E 1801–1825; Hummel, theker Zur goldenen Kugel (Zum Mohren), Johann Christ. Friedrich (geb. 1783?), Feld­ E 1815; Hobe, Karl Friedrich Bernhard Hel- apotheker, 1811 mit Jänicke Apothekenkonmut v. (1765–1822), Oberst, Brigadechef, zession, Vschw 1814/1815; Hunger, Wilhelm, 3Ser 1811/1815; Hoefemeyer, Anton Justus Kaufmann, Güterbestätiger, Vschw 1803/1815; Philipp (geb. 1766?), Pensionärchir., Vschw Hürlin, Zacharias François (1759?–1820?), 1796–1798; Hoffmann, Christian (geb. 1759?), Goldsticker, 3Ser 1784/1815, 1815 dep. GroßKaufmann, Vschw 1781–1788; Hoffmann, schatzm.; Huth, Johann Ernst Gotthilf (geb. Georg Wilhelm (1751–1796), Miniaturmaler, 1759), Stabskapt., FlSt 1787/1815; Hymmen, E 1777–1797; Hoffmann, Gotthilf Friedrich Johann Wilhelm Bernhard v. (1731–1787), (1763–1835/36), Kaufmann, FlSt 1806–1815 Geh. Justiz-, Hof- u. Kammergerichtsrat, ML u. 1819–1825?; Hoffmann, Heinrich (geb. 1770–1789, GRO 1781–1785, Reden, Ge1773?), Kaufmann, Vschw 1799–1811, 1812/ dichte: Freymaurer-Lieder mit Melodien (Hg., 1815 EM; Hoffmann, Karl Andreas (1752– Berlin 1771, gedruckt bei G. L. Winter; Fort1794?), cand. jur., E 1777–1791; Hofmeister, setzungen 1772 Neue Freymäurerlieder mit Johann Jakob (geb. 1769), Kaufmann, E 1790– Anhang Freymäurergesundheiten, 1776, 1781); 1791?; Hohenhausen u. Hochhaus, Franz 1777 Reglement zur Tischloge; Vierzig FreySylvius Xaver Bar. v. (1742?–1804), Kapt. maurerlieder. In Musik gesetzt vom Herrn Kaa. D., Rendant, gSch 1774, FlSt 1775–1804, pellmeister Naumann zu Dresden. Zum GeGRO 1784; Hollatz, Rudolf David Jonas brauch der deutschen und französischen Tafel­ (geb. 1763?), Charitéinspektor, Vschw 1805– logen (Berlin 1784: Christian Friedrich Him1806; Holleben, Heinrich Ludwig Friedrich burg); Hg. Freimaurer-Bibliothek 1–3; Anrede v. (1784–1864), Major, 3Ser 1811/1815; Hol- an die deputierten Meister aus Stargard (Druck torf, August Heinrich (geb. 1762), Referen- 1774); Betrachtungen über die Weisheit (Druck dar, 3Ser 1790–1792; Holtorf, Gebhard Lud- 1777); Der Tod Friderichs des Zweyten Königs wig Friedrich (geb. 1763?), Gutsbesitzer, FlSt von Preußen. Beweint in einer am 15. Septem1792–1810?; Holtzmann, Andreas Daniel ber 1786 gehaltenen Trauerversammlung der (geb. 1763), Prokurator, 3Ser 1805/1806; Mutterloge und ihrer Filialen in Berlin; Lied zur Holwede, Friedrich Christian Karl v. (1725– Tafelloge am 25. September 1786, als dem von 1797), Generalmajor, Regimentschef, FlSt der Mutterloge zu den drey Weltkugeln gefeyer1785–1796; Honig, Johann Christian Wil- ten Geburtstage Sr. Königlichen Majestät von helm (1775–1846), Kriegs- u. Domänenrat, Preußen; Illaire, Henri Benjamin (1760–1825), Vschw 1800/1815; Höning, Johann (1731– Obergerichtsrat, Vschw 1788/1815, 3Ser 1799), königl. Lieferant, E 1787–1799; Hö- 1795–1801; Ivkov, Aleksius v. (geb. 1761?), ning, Johann Karl Wilhelm (geb. 1767?), kais. russ. Legationsrat, 3Ser 1783–1788; Kaufmann, 3Ser 1788–1801; Horn, Georg Jancke, Johann Ernst Theodor (geb. 1782?), Adam Friedrich v., Premierleutn., FlSt 1810– Dr. phil., Prinzenerzieher, FlSt 1810; Jänicke, 299

5 Freimaurer-Logen

Johann Friedrich (geb. 1783?), Apotheker, 1811 mit Hummel Apothekenkonzession, Vschw 1814/1815; Janowsky, Anton Joseph v. (geb. 1767?), Kapt., Platzmajor, FlSt 1801/1815, 3Ser 1806–1810; Janwitz, Ewald Bogislaw v. (geb. 1750?), Major, Traindir., Vschw 1792/ 1815; John, Ludwig Heinrich (geb. 1787?), Kommissariatssekr., 3Ser 1815; Jonas, Paul Karl (1757?–1790/1792), Justizaktuar, 3Ser 1781–1791; Jordan, Charles Louis (1769– 1853), Kammergerichtsrat, FlSt 1810–1815, 1815 deput. M. (vom Stuhl); Jung, Johann Engel (1747–1825), Geh. exped. Sekr., Rendant, E 1801/1815; Kanzler, Theodor (geb. 1780?), Kollaborator, 3Ser 1812/1815; Karbe, Johann Adolf Christian, Dr. med., 3Ser 1806– 1813; Karsten, Dietrich Ludwig Gustav (1768–1810), Geh. Oberbergrat, Staatsrat, E 1797–1810, 1809–1810 deput. M., 1806/07 Großsekr., vf. Zur Geschichte der Gesellschaft

Naturforschender Freunde in Berlin am 9ten Juli 1798 dem 25jährigen Stiftungsfeste derselben vorgelesen von Karsten, Königl. Preuß. OberBergrath; Reden: Rede in der National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln in Berlin, gesprochen am 24sten Junii 1798 von Gustav Karsten (Berlin 1798: G. J. Decker); Schlussrede bei der fünfzigjährigen Stiftungsfeier der Loge zur Eintracht gesprochen vom Redner Karsten, deputirten Redner der Loge zur Eintracht (Druck, 1804); Karsten, Johann Karl Bernhard (geb. 1782?), Bergrat, E 1811–1813; Kastner, Johann Philipp (geb. 1767?), Obereskadronchir., 3Ser 1791; Katte, Gottfried Friedrich Wilhelm v. (1789–1866), Rittm., 3Ser 1811/1815; Katter, Heinrich (geb. 1762?), Kaufmann, 3Ser 1783–1788; Kaufmann, Johann Karl (geb. 1765?), Organist, Vschw 1803–1806, 1806/07 2. Dir. d. Musikal. Kollegiums; Keller, Karl Friedrich August (geb. 1775?), Contra Violinist, 3Ser 1802/1815; Kellermeister v. d. Lund, Friedrich Wilhelm Frhr. (1781– 1859), Major, Kommandeur, FlSt 1810/1815; Kemmerich, Andreas Friedrich (geb. 1746?), Dr. med., Vschw 1779–1788; Keßler, Johann Friedrich Rudolf (geb. 1734), Seehandlungs300

inspektor, E 1779–1791; Khün, Friedrich (geb. 1765?), Kanzleidir., Vschw 1796/1815, deput. Großsekr., Großstew.; Kiedrezyński, Xavier v. (geb. 1776), Stadtgerichtsreferendar, FlSt 1802–1807; Kiehl, Daniel Nikolaus Friedrich (geb. 1762?), Haushofm., E 1810– 1813; Kienitz, Adolf Emanuel (geb. 1746?), Bauinspektor, FlSt 1796–1797; Kienitz, Friedrich August (geb. 1743?), Akziseinspektor, FlSt 1796/1815; Kinsky u. Tettau, Franz Friedrich Frhr. v. (1780–1845), Oberstleutn. im Generalstab, Vschw 1811/1815; Kirchner, Johann Karl Heinrich (geb. 1770?), Geh. exped. Sekr., FlSt 1810/1815; Kisting, Heinrich (geb. 1768?), Musikinstrumentenbauer, 3Ser 1801/1815; Kitzerow, Johann Friedrich (geb. 1784), Musiker, E 1803–1826/27; Klap­ roth, Christian August Ludwig (1757–1812), Geh. Kriegsrat, Kabinettsarchivar, Vschw 1781– 1785, 3Ser 1786, 1799–1812 deput. M., 1799– 1812 Großsekr.; Klaproth, Martin Heinrich (1743–1817), Apotheker, Prof. für Chemie, E 1776–1817, 1794–1815 M. v. Stuhl, Generalzensor, 1798–1817 deput. Nationalgroßm., GRO 1779–1786; Klass, Friedrich Wilhelm v. (1786–1850), Stabskapt., 3Ser 1815; Klebs, Christoph Albrecht (1753–1841), Kammerassessor, E 1781–1791; Klee, Johann Heinrich Wilhelm (geb. 1779?), Kaufmann, Vschw 1810/1815; Kleist, Felix Friedrich v. (1726– 1792?), Major a. D., ML 1764–1788, GRO 1779–1784; Kletschke, Benjamin Gotthilf (1759–1800), Feldprediger, Pfarrer, E 1784– 1793?; Klewitz, Johann Ernst (1765–1831), Forstrat, 3Ser 1810/1815; Klipfel, Karl Wilhelm (1764–1827), Hofrat, Assistent, E 1783– 1788, FlSt 1785–1827; Klischnigge, Chris­ tian Friedrich (geb. 1767?), Geh. exped. Sekr., Best 1790, FlSt 1796–1800; Klöpper, Wenzeslaus Heinrich (geb. 1770?), Generallazarett­ inspektor, 3Ser 1796/1815; Kloth, Christian (geb. 1763/64), Landbaum., Vschw 1791; Klug, Johann Christoph Friedrich (1775– 1856), Dr. med., Assessor, FlSt 1805, 1815– 1821 M. v. Stuhl; Kluge, Karl Alexander Ferdinand (geb. 1783?), Dr. med., Oberchir.,

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

3Ser 1810/1815; Klunth, Johann Christian Koester, Johann Christoph (geb. 1764), Me(1761–1827), Kaufmann, E 1801–1808; Knack- dizinstudent, E 1785–1791?; Kraatz, Jakob fuß, Friedrich Ludwig Karl v. (1772–1842), (geb. 1751?), Geh. Sekr., Vschw 1788–1813; Major im Generalstab, FlSt 1810/1815; Krafft, Georg Heinrich August v. (1782– Knapp, Karl Friedrich Wilhelm (geb. 1761?), 1855), Major, FlSt 1810/1815; Krahn, ChrisRegimentsquartierm., Vschw 1789–1801; tian Gottfried Dietrich v. (geb. 1740), Kapt., Knei­sel, Johann Christian (geb. 1769?), Kam- FlSt 1777–1797?; Kramer, Johann Friedrich mergerichtsreferendar, Vschw 1794–1811; (geb. 1766?), Polizeikommissar, 3Ser 1815; Knebel, Johann Heinrich Karl v. (1751?–vor Krause, August Martin (1753–1796), Schul1805), Major a. D., FlSt 1801–1804; Knobbe, rektor, Prediger, E 1789–1791?; Krause, Friedrich Wilhelm (geb. 1775?), cand. pharm., Christian Karl August (geb. 1736), Kriegsrat, 3Ser 1797; Knobelsdorff, Friedrich Wilhelm Buchhalter, E 1774–1788; Krause, Matthias Ernst Frhr. v. (1752–1820), Generalleutn., (geb. 1755?), cand. jur., E 1777–1791; KräuGesandter, 3Ser 1777–1810; Knoblauch, sel, Johann Ernst (geb. 1759?), Schulrektor, Friedrich Heinrich (geb. 1771), Exped. Sekr., Vschw 1789–1791; Kräusel, Johann Gottlieb FlSt 1801–1810; Knövenagel, Theordor (geb. 1754?), Kaufmann, Vschw 1789–1812; Friedrich (geb. 1784?), Kammergerichtsrefe- Kreckwitz, Hans Friedrich Leopold v. (geb. rendar, FlSt 1812/1815; Kobes, Johann Karl 1784?), Premierleutn., FlSt 1813/1815; KrenFriedrich (geb. 1771?), 1799 Apotheker d. kel, Friedrich Wilhelm (geb. 1784?), PharmaRoten Apotheke, Vschw 1794/1815; Koch, ziestudent, E 1811–1815; Krethlow, Johann Erduin Julius (1764–1834), Archidiakon, 3Ser Ferdinand (1769–1842), Kupferstecher, E 1796–1810; Koch, Johann Andreas Friedrich 1801–1827/28; Kriebel, Johann Heinrich (geb. 1768?), Geh. exped. Sekr., Kalkulator, E Karl v. (geb. 1754?), Major a. D., 3Ser 1806/07; 1813/1815; Koch, Johann Heinrich (geb. Kriele, Johann Karl Friedrich Wilhelm 1763), Kriegs-, Domänen- u. Baurat, Vschw (1788–1865), cand. theol., 1820 Pfarrer in 1791–1803; Köhler, Christian Friedrich, Marschdorf, 3Ser 1815; Kröcher, August v. Oberförster, E 1801–1810?; Kohlhase, Chris- (geb. 1784?), Leutn., FlSt 1810–1813; Krotoph Friedrich (geb. 1783?), Regimentsfeld- sigk, Louis Franz v. (1781–1821), Kapt., scher, 3Ser 1784–1791; Kohli, Johann Christ. Vschw 1810–1811; Krosinski, August Gf. v. Wilhelm (geb. 1770?), Kalkulator, Vschw (geb. 1744), Kammerherr, E 1776–1791; 1814/1815; Köhn, Johann Friedrich (1762?– Krüger, Friedrich Franz (geb. 1782?), Feldjä1820), 1805 Apotheker Zum weißen Adler, ger, 3Ser 1811/1815; Kunisch, Gottfried (geb. 3Ser 1811/1815; Köne, Wilhelm Karl (geb. 1768?), Musiker, 3Ser 1800–1810; Kunze, Jo1790?), Lehrer, Erzieher, FlSt 1815/1819; hann Andreas (1746?–1795), Buchhalter, 3Ser König, Friedrich (geb. 1768?), Kantor, Vschw 1780, Vschw 1781–1782, E 1780–1791; Kün1803/1815; Königslieb, Karl Franciscus (geb. zel, Franz (geb. 1768), Dr. med., FlSt 1792; 1745?), pens. Akzise- u. Zollrat, 3Ser 1804– Kusserow, August Ferdinand v. (geb. 1789?), 1813; Kohrt, Johann Friedrich (geb. 1770?), Leutn., 3Ser 1814/1815; Küster, Samuel Kaufmann, FlSt 1810/1815; Köppel, Johann Christian Gottfried (1762–1838), 1. Prediger, Friedrich Felix Emanuel v. (geb. 1752), Leutn. Superintendent, Dir., E 1786–1791, Großa. D., Postm., FlSt 1780–1796; Köppen, Jo- redner, Vschw 1791–1838, 1815 Großredner; hann Karl Friedrich (geb. 1784?), Kaufmann, Lagotte, Jean de (geb. 1771?), k.u.k. Kapt., Vschw 1812/1815; Koppin, Gottfried Ferdi- 3Ser 1802/1803; Lämmerhirt, Ludwig (geb. nand (1772–1838), Juwelier, E 1803–1838; 1774?), Stadtchir., 3Ser 1802/1815; LampKörber, Friedrich (geb. 1784?), 1809–1822 recht, Joachim Friedrich v. (1733–1807), Geh. Apotheker Zum roten Adler, 3Ser 1811/1815; Oberjustizrat, ML 1769/1786, E 1768–1790; 301

5 Freimaurer-Logen

Abb. 58  Zertifikat der GNML für Karl v. La Roche, 16. Februar 1786.

Lange, Friedrich Christoph Samuel (geb. Wilhelm v. (1774–1840), Major, Adj., FlSt 1749?), Major, Vschw 1777–1813; Lange, 1810/1815; Lettow, Franz Lorenz v. (geb. Friedrich Wilhelm (geb. 1783?), Geh. Sekr., 1752), Stabskapt., FlSt 1776–1796; Lich3Ser 1810/1811; Langen, Kaspar Otto Karl nowsky u. Woschütz, Karl Stephan Ludwig (geb. 1772?), Gutsbesitzer, FlSt 1815; La Anton Frhr. v. (1724–1796), Generalleutn., Roche, Georg Karl Frank genannt (1766– Regimentschef, ML 1789, 3Ser 1789–1796; 1839), Geh. Oberbergrat, 3Ser 1786–1797, Licht, Paul Gottlob (geb. 1786?), Rendant, 1808 3gSchl; Lauer Frhr. v. Münchhofen, 3Ser 1815; Liebermann, Georg Friedrich v., Adolf Julius (1755?–1831), Kriegs- u. Domä- Major, FlSt 1805–1810; Lieder, Christian nenrat, 3Ser 1782–1791; Lavius (Larius), Jo- Friedrich Gotthilf (geb. 1764), Kriegs- u. hann Gottlieb (geb. 1754?), Zollrechnungsin- Stadtrat, FlSt 1804–1842; Lietzen, Karl Heinspektor, Vschw 1788–1805; Ledebur, Alexan- rich Alexander v. (geb. 1774?), Leutn., FlSt der Friedrich Albrecht Heinrich Frhr. v. 1810/1815; Liewald, Silvius Albert Engelhard (1774–1850), Oberstleutn., 3Ser 1812/1815; (geb. 1782?), Regimentsquartierm., 3Ser 1810/ Legat, August Christian Heinrich v. (1732– 1815; Liman, Karl August (geb. 1768?), Kauf1816), Oberst, FlSt 1773–1815, ML 1780/ mann, FlSt 1810/1815; Lindenberg, Johann 1786, GRO 1779–1783; Lehmann, Karl Ja- Karl (geb. 1739?), Dr. med., Physikus, Vschw kob Ludwig (geb. 1775?), Hof- u. Ratsbuch- 1778–1788; Lindner, Karl August (1745?– binder, Vschw 1801/1815; Lehndorf, August 1788/89), Leutn., Vschw 1775–1788/89; Adolf Leopold Gf. v. (1771–1820), Dr. jur., Loeben, Anton Ludwig v. (geb. 1761?), Makönigl. Kammerherr, Vschw 1792; Lenz, jor, 3Ser 1810/1814, 1815 EM; Lobenthal, Friedrich Wilhelm (geb. 1771), Referendar, Karl Friedrich Ludwig v. (1766–1821), Kapt., E 1803; Leo, Georg Tobias (geb. 1755/1758), FlSt 1798–1815?; Lochau, August Alexander Stadtchir., E 1785–1791; Lepel, Friedrich Eberhard v. d. (1726–1800), Generalmajor, 302

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

Regimentschef, FlSt 1776–1796; Lofhagen, ger, Superintendent, Vschw 1798, 1805–1819 Karl Wilhelm Bernhard (1755–1828), Kriegs- deput. M., 1819–1865 M. v. Stuhl, 1812 Deu. Domänenrat, FlSt 1810, deput. M., 1811/ leg. altschott. Oberm., 1815 2. Großvorst., 1815; Lonskowsky, Christian Wilhelm (1752– Trauerrede auf Michael Friedrich Daniel Bou1818/19), Geh. Sekr., FlSt 1794–1819; Lort- mann (1803, Druck); Marschall v. Bieberzing, Johann Friedrich Theodor (geb. 1753?), stein, Christian Adam (1732–1786), Major, E Buchhalter, Vschw 1803/1815; Losch, Ernst 1765, FlSt 1770–1786, 1770–1786 M. v. Valentin Leopold v. (geb. 1749?), Zollkontrol- Stuhl, GRO 1779–1784, 1785–1786 deput. leur, 3Ser 1785–1797; Löst, Heinrich (geb. altschott. Oberm.; Martens, Ludwig Fried1778?), Justizrat, 3Ser 1811; Löwe, Heinrich rich Theodor (geb. 1788?), Kaufmann, Vschw Theodor (geb. 1756?), Porträtmaler, Vschw 1813/1815; Martins, Heinrich Christian Phi1781–1786; Lübeck, Ewald Aegidius (1753– lipp (1750–1829), Akzisedir., E 1775–1791; 1827), Regierungsrat, E 1786–1791; Lübeck, Maske, Friedrich Ludwig (geb. 1780?), RegiJohann Friedrich (geb. 1761), Kammersekr., mentsquartierm., 3Ser 1810/1815; MassenE 1787–1791; Lübtow, Bogislav Ferdinand v. bach, Karl Christoph Wilhelm v. (1752– (geb. 1759), Kapt. FlSt 1788–1807, 1799– 1821), Generalmajor, 3Ser 1811/1815, 1815 1807 deput. M., 1802/1805 1. Großvorst.; Mitgl. d. Altschott. Direktoriums; Matzdorf, Lucae, Johann Christian Friedrich (1757–1806), Karl August (1771–1839), Kommerzienrat, Apotheker, E 1803–1806; Luck, Johann Verlagsbuchhändler, 3Ser 1791–1829?, 1810 Gottlieb (geb. 1784?), Leutn., FlSt 1815; Lu- Generalzensor; Maue, David Friedrich (1775– cke, Friedrich Richard (1747?–1806), Amt- 1806), Buchhalter, E 1802–1806; Maurer, mann, 3Ser 1803–1811; Ludwig, Friedrich Friedrich Traugott (1740–1825), VerlagsbuchWilhelm (geb. 1752?), Kaufmann, Vschw 1790– händler, Stadtrat, E 1779–1826, 1802 2. Groß1796; Luge, August (geb. 1786?), Dr. med., vorst., 1815 1. Großvorst.; Mayer, Johann FlSt 1812/1814; Luis (Lues), Johann Walter Christoph Andreas (1747–1801), Dr. med., (geb. 1750), Kaufmann, E 1776–1788; Lust, königl. Leibarzt, Dekan, Vschw 1773–1778 u. Friedrich Wilhelm Ludwig (geb. 1775?), Feld- 1786?–1801, 1778 M. v. Stuhl, 1786–1793 jäger, Vschw 1810/1815; Luttitz, Hans Benja- deput. Oberm.; Mayet, Heinrich (geb. 1782?), min v. (geb. 1769?), Major, 3Ser 1806/1815; Buchhalter, Vschw 1810/1815; Meier, Johann Mäck, David v., Kapt., 3Ser 1801; Maecker, Ludwig Emanuel (geb. 1781?), Dr. med., FlSt Johann Gottfried Ludwig (geb. 1781?), Geh. 1806–1810; Meier, Moritz Karl Dietrich (geb. exped. Sekr., 3Ser 1806/1815; Magnus, Jo- 1762?), Oberhütteninspektor, E 1810–1813; hann Matthias (geb. 1771?), Kaufmann, FlSt Meine, Christian Gottwerth (geb. 1768?), 1810/1815; Malachowsky, Johann Gf. v. (geb. Arzt, Vschw 1791; Meinert, Friedrich (1757– 1767), k.u.k. Kammerherr, E 1805–1828/29; 1828), Major, 1802 Minerva in Potsdam, 3Ser Maquet, Louis Henri (geb. 1759), Seiden- 1811/1815; Meinicke, Karl (geb. 1771?), strumpffabrikant, FlSt 1792–1821, 1805 Kaufmann, Vschw 1810–1813; Meisner, JoGNML; Marchand, Franz Wilhelm (1738– hann Peter (1757–1808), Hofstaatsamtkopist, 1788), Kriegsrat, Polizeiinspektor, ML 1764/ 3Ser 1790–1807; Melzer, K. Wilhelm Benja1786, E 1764–1774, 3Ser 1774–1789, 1779– min (geb. 1788?), Student, 3Ser 1814/1815; 1786 deput. M., 1785–1788 M. v. Stuhl, Mengden, Karl Gustav Frhr. v. (geb. 1770), 1774–1776, 1779–1788 Großsekr.; Marchand, königl. Kammerherr, FlSt 1793–1796; MentKarl Wilhelm Felix (geb. 1782?), Justizkom- zel, Karl Philipp (1735?–1790/1792), Hofrat, missar, FlSt 1810/1815; Marechaux, Johann Hauptkassenrendant, Vschw 1780–1788; Heinrich (geb. 1783?), Geh. Sekr., 3Ser 1810– Mercy, Joseph Aloys (1764?–1835), Lotterie1813; Marot, Samuel (1770–1865), 2. Predi- registrator, 3Ser 1806; Merkatz, Karl Wil303

5 Freimaurer-Logen

helm Rudolf Pfendner genannt v. (1759– 1823), Major, FlSt 1789–1810; Mertins, Johann Friedrich (geb. 1763?), Dr. med., 3Ser 1814/1815; Mertke, Johann Karl (geb. 1784?), Polizeiinspektor, Vschw 1815; Mertzdorff, Johann Friedrich Alexander (1769–1822), Dr. med., Stadtphysikus, E 1796/1815, FlSt 1815; Mewes, Johann Friedrich Franz (1755–1818), Rechnungsdir., E 1804–1818; Mewes, Karl Friedrich (geb. 1766?), Buchhalter, E 1811– 1815; Mey, Karl v. (geb. 1762?), Major, 3Ser 1810/1815; Meyer, August Leopold (geb. 1777?). Oberjäger, Leutn., 3Ser 1813/1815; Meyer, Bernhard (1767–1836), Apotheker, Zahnarzt, Leibarzt, E 1791; Meyer, Johann Karl (geb. 1752), Chirurgiestudent, Chir., E 1777–1791; Meyer, Karl Gottfried v. (1752?– 1793), Kapt., FlSt 1775–1797; Meyer, Martin Friedrich August Ludwig (geb. 1762), Kammersekr., E 1793; Meyerinck, Ludwig Georg Christian v. (1752–1804), Oberst, 3Ser 1801; Mirbach, Otto Ernst v. (1761–1851), Major, FlSt 1815 EM; Michel, Johann Franz August (geb. 1766?), cand. theol., 3Ser 1790–1791; Mirus, Johann Christian (gest. 1827), Finanzrat, 3Ser 1786–1791; Mohrmann, Anton (geb. 1772?), Dr. med., 3Ser 1797; Möller, Johann Georg Friedrich (1743–1812), Geh. Justizrat, Stadtrichter, E 1775–1812, 1799– 1802 deput. M.; Möllinger, Johann Christ. Jakob (geb. 1782?), Privatlehrer, E 1814/1815; Moltke, Wilhelm Karl Ehrenreich v. (geb. 1770), Kapt. v. d. Armee, FlSt 1794–1810; Morino, Johann Gottlieb (geb. 1758?), königl. Hoflieferant, Kunsthändler, 3Ser 1784–1806/ 07; Moritz, Johann Christian Konrad (geb. 1764?), Buchhalter, 3Ser 1802/1815; Moritz, Karl Theodor (geb. 1772?), Geh. Sekr., FlSt 1810/1815; Mörs, Johann Heinrich Ernst (1754–1790), Hof- u. Domprediger, Vschw 1778–1788; Mörschel, Daniel Ernst (geb. 1751), Feldprediger, FlSt 1787–1796; Mudrov, Matthias (Jakovlevič) (1772–1831), Dr. med., Prof., E 1803–1805; Mülbe, Georg August v. d. (geb. 1762), Major, Kreisbriga­ dier, FlSt 1794–1814?; Müller, Christian 304

Gottlieb (geb. 1763?), Bergfaktor, Vschw 1803–1805; Müller, Eduard Emil (geb. 1789?), Rittm., 3Ser 1815; Müller, Ferdinand Wilhelm, königl. Kammermusiker, Musikdir., Peg 1778–1786, 3Ser 1786–1797?; Müller, Friedrich Ludwig (geb. 1750), Kammerassessor, E 1780–1791; Müller, Friedrich Wilhelm (geb. 1780?), Hauptmann, FlSt 1815; Müller, Gebhard Jakob Gustav Karl (geb. 1765?), Geh. exped. Sekr., Rendant, Vschw 1788/1815; Müller, Gottfried August (geb. 1775), Auditeur, Bürgerm., FlSt 1801–1803; Müller, Jakob Christoph (geb. 1754?), Verwalter, Bergrat, Vschw 1788–1791 u. 1811– 1813; Müller, Joachim Ludwig (geb. 1751?), Generallotterieassessor, 3Ser 1785–1813; Müller, Johann Friedrich August (geb. 1764?), Medizinstudent, 3Ser 1789; Müller, Johann Philipp Karl (geb. 1753?), Bergrat, Vschw 1801–1810; Müller, Johann Valentin Theodor (1771–1839), Provinzialbaudir., Vschw 1795– 1800; Müller, Karl August Ferdinand (geb. 1787?), Premierleutn., 3Ser 1815; Müllern, Franz Friedrich v. (gest. 1802?), Legationsrat (ident. mit Johann Christian Friedrich?), 3Ser 1793–1796; Müllern, Johann Christian Friedrich v. (geb. 1768?), Legationsrat (ident. mit Franz Friedrich?), 3Ser 1794–1801; Müntzer, Johann Friedrich (geb. 1772?), Justizkommissar, Vschw 1803–1806; Mursinna, Christian Friedrich Ludwig (1744–1823), Generalchir., Prof., Dir., FlSt 1787–1810?; Nagel, Johann Friedrich (1775–1811), Regierungsrat, E 1796– 1811; Nagel, Karl Heinrich (geb. 1743), Major v. d. Armee, 3Ser 1813/1815; Natorp, Karl Christoph (geb. 1751?), Buchhalter, E 1801–1805; Nauck, Johann Friedrich (geb. 1759), Kaufmann, E 1801/1815; Neo, Hieron Albrecht (geb. 1775?), Kaufmann, E 1814/ 1815; Neo, Karl Adolf Ernst (geb. 1764?), Kaufmann, E 1811–1815; Neubauer, Karl (geb. 1775?), Domänenbeamter, Vschw 1803– 1806; Neuendorff, Heinrich Friedrich Gottlieb (geb. 1783?), Kanzleidir., E 1815; Neu­ hauss, Alexander Ludwig (1738–1815), Oberfinanzrat, Präsident, E 1787, Vschw 1796–

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

1815; Neumann, Reinhold Ferdinand Jakob 1814), Geh. Hofpostsekr., Kanzleidir., E 1793– (1789–1833), Lehrer d. königl. Taubstummen- 1807; Paalzow, Friedrich Wilhelm (1774– anstalt (1818 Dir. in Königsberg/Pr.), FlSt 1850), Geh. Regierungsrat, Vschw 1812/1815; 1814/1815; Neumann, Johann Emanuel (geb. Paap ( Szaldobos), Johann (1752–1811?), 1780?), Oberlazarettinspektor, 3Ser 1815; ungar. Prediger, E 1782–1811; Pally, Karl Neumann, Martin (geb. 1780?), Forstsekr., Friedrich (geb. 1774?), Leutn., 3Ser 1811/ Vschw 1815; Niclas, Johann Adam (geb. 1815; Pantzer, Heinrich Albrecht (geb. 1757), 1760?), pens. Kammermusiker, Vschw 1806– Kammerrat, E 1778–1780; Pappelbaum, Ge1812; Nicolai, Samuel Friedrich (1762–1790), org Gottlieb (1745–1826), Diakon, E 1780– Verlagsbuchhändler, 3Ser 1781–1790; Niethe, 1826, Großalmosenier, Rede am Geburtstage Karl Gottlieb (geb. 1774?), Stadtchir., FlSt Sr. Königl. Majestät Friedrich Wilhelms des 1815; Nitsche, Karl Gottfried (1765–1840), Zweyten den 25. September 1786 in der Loge Subrektor, E 1794–1805; Nogier, Samuel zu den dreyen Weltkugeln; Pascal, Jean (1753?– Henry (geb. 1772?), Sprachlehrer, FlSt 1820), Hutfabrikant, E 1805–1814/15; Pascal, 1806/07–1810; Nöldechen, Karl Wilhelm Jean Marc (1740?–1801), Hutfabrikant, Vschw (1740–1806), Geh. Seehandlungsrat, 3Ser 1775, E 1776–1815; Pastorff, Johann Wil1777–1798; Nolte, Johann Wilhelm Heinrich helm (geb. 1766?), Kondukteur, Geh. Rat, (1767–1832), Gymnasialprof., Oberkonsisto- Vschw 1792/1815; Pauls­dorff, Ludwig Gottrial- u. Oberschulrat, 3Ser 1795, 1812–1815 hilf Erdmann v. (1769–1830), Leutn., FlSt deput. M., 1818–1828 zugeord. National- 1797–1810, 3Ser 1806/07; Pechlin, Johann großm.; Nonnenberg, Johann Heinrich (geb. Wilhelm Ludwig Frhr. v. (geb. 1786?), Leutn., 1784?), Kaufmann, E 1811–1815; Nordgerie 3Ser 1811–1813; Peirille, Karl Johann Leozu Pfefferkorn, Karl Friedrich Sokrates v. d. pold Wilhelm v. (geb. 1771?), Hauptmann v. (geb. 1786?), Leutn. im Generalstab, FlSt d. Armee, FlSt 1810–1813; Pelgram, Eduard 1811/1815; Nürrenberg (Nürnberg), Karl v. (geb. 1787?), franz. Premierleutn., FlSt Christian August, Premierleutn., 3Ser 1802; 1812/1813; Pelkmann, Friedrich Samuel Oehlschläger, Karl Emanuel (1754–1799), (1772–1843), Feldprediger, Archidiakon, Charité-Oberinspektor, Vschw 1795–1799; Super­intendent, E 1814/1815; Pénavaire, Oehmigke, Friedrich Wilhelm (geb. 1767?), Charles Antoine de (1732–1788), HofmarVerlagsbuchhändler, Vschw 1796–1806; Oel- schall, Dir., RY 1757, ML 1757/58, E 1770, richs, Ernst Heinrich (1768–1836), Regie- 3Ser 1774–1786, 1774–1786 M. v. Stuhl, rungsrat, Syndikus, Dir., Chefpräsident, FlSt GRO 1781–1784; Peters, Johann Georg (geb. 1788–1803, E 1833–1836; Olivier, Viktor 1784?), Kattunfabrikant, Vschw 1815; PetersAlexander d’ (geb. 1780?), Leutn., 3Ser 1810; dorff, Christian Friedrich Engel v. (1775– Oppeln-Bronikowski, Ferdinand Georg v. 1854), Major, Vschw 1810–1811, 1812/1815 (1751–1803), Kammerpräsident, FlSt 1782– EM; Petiscus, Siegmund Ferdinand (geb. 1803; Oppen, Joachim Friedrich Wilhelm v. 1767?), Goldsticker, Kriegskommissar, 3Ser (1747–1815), Prof. d. Math., Generalmajor, 1802–1813; Pfeiffer, Friedrich August (1774– Vschw 1775–1806; Oppen, Johann Heinrich 1850), Kriegsrat, Kammerassessor, E 1804– v. (geb. 1784?), Leutn., 3Ser 1780–1788; Oste­ 1850; Pfuhl, August Christian Adolf v. (geb. rom Sendos, van (geb. 1766?), Kaufmann, 1768), Leutn., Inspektionsadj., Vschw 1790– 3Ser 1780–1788; Oswald, Andreas Friedrich 1793, FlSt 1791–1810; Pfuhl, Heinrich Lud(geb. 1764?), Kammergerichtsreferendar, 3Ser wig v. (geb. 1770?), Leutn. a. D., FlSt 1778– 1792–1798?; Oswald, Johann Benjamin (geb. 1810; Philippi, Johann Karl Samuel (geb. 1753?), Arzt, Oberchir., 3Ser 1782–1791; 1766?), Kaufmann, Vschw 1792; Philippi, Otto, Johann Friedrich Wilhelm (1743– Wilhelm Albrecht Ferdinand (1753–1828), 305

5 Freimaurer-Logen

Geh. Obertribunalrat, E 1779–1791, 1813– 1815; Philipsborn, Karl Heinrich (geb. 1785?), Geh. exped. Sekr., FlSt 1812–1815; Phunke, Karl Martin, kais. russ. Rat, E 1804; Piaste, Ernst Wilhelm Karl (1767–1835), Kassierer, 3Ser 1803, 1830 Großarchivar; Pierre, Paul (de) (geb. 1758?), Gouverneur, 3Ser 1782– 1788; Piquot, Johann Peter (1728?–1786), Aktuar, Vschw 1775–1786; Piquot, Peter (v.) (geb. 1769?), Legationsrat, Geschäftsträger, 3Ser 1788–1813, 1813/1815 EM; Plock, Johann Alexander Ludwig (geb. 1768?), Regierungsdir., 3Ser 1802–1810; Plümicke, Ernst Ludwig Ferdinand v. (1754–1818), Leutn., E 1779–1791, Rede auf den Geburtstag des Königs den 25. September 1786; Plümicke, Karl Martin (1749–1833), Regierungsrat, Theaterdichter, E 1787–1804, FlSt 1787–1804; Pochhammer, Georg Friedrich (1759–1839), Geh. Obersteuerrat, Vschw 1810/1815; Pohl, August Florens Kaspar (geb. 1765?), Kaufmann, E 1790/1791; Pohlmann (Pullmann), Ernst Daniel (geb. 1751), Provisor (Apotheker), E 1782–1791; Polborn, Otto Wilhelm v. (geb. 1738?), Oberst a. D., 3Ser 1801/1815; Pollau, Friedrich Gustav Adolf (geb. 1779?), Zeichenlehrer, 3Ser 1815; Pollau, Johann Friedrich Samuel (geb. 1767?), Hof- u. Stadtwundarzt, 3Ser 1796/1815, 1815 Großzeremonienm.; Polyzos, Kyriakos (geb. 1761), Dr. med., E 1793; Ponomarev, Petr (geb. 1777), Bankier, E 1803–1808; Poselger, Friedrich Theodor (1771–1838), Prof., Stadtrat, E 1813, 1815/16 deput. M., 1832–1838 Nationalgroßm.; Poselger, Johann Christoph (1771?– 1819), Kaufmann, E 1812–1819; Prescher, Friedrich (geb. 1779?), Expedient, 3Ser 1811/ 1814; Preuß, Karl Christian (geb. 1778?), Kalkulator, Vschw 1812–1813; Pullet, Samuel (1770–1825), Ingenieur de la place, Oberst, 3Ser 1810/1815; Putlitz, Ludwig v. (geb. 1760?), Major, Oberproviantm., 3Ser 1815; Puttkammer, August Christian Ludwig v. (1750–1836), Geh. Oberkriegs- u. Domänenrechnungsrat, FlSt 1782, E 1805 u. 1814– 1819, FlSt 1805–1814, 1810–1813 deput. M; 306

Puttkamer, Friedrich Ludwig Eugen v. (1753– 1816), Leutn. a. D., Erbherr, FlSt 1787–1788; Puttkamer, Gottlieb August v. (1752–1827), Major, FlSt 1772–1810; Quednow, Johann Friedrich Wilhelm v. (geb. 1762), Kapt., FlSt 1786–1810, 1801 Großsekr.; Quitzow, Ernst Wilhelm Albrecht v. (1744–1817), Rittm., FlSt 1792–1795; Quitzow, Georg Siegfried v. (geb. 1780?), Leutn., 3Ser 1810/1813; Quitzow, Karl v. (geb. 1785?), Leutn. a. D., Grundherr, FlSt 1810/1815; Raabe, Joseph (1780–1846), Maler, Architekt, 3Ser 1806/07; Rabiel, Friedrich Ludwig v. (1769–1833), Landwehrmajor, FlSt 1810–1813; Rademacher, Johann Heinrich Christoph (1760–1826), Prediger, E 1792/1815; Rahlecke, Kaspar Gottfried v. (geb. 1753), Premierleutn., FlSt 1776– 1796; Raht (Rath), Friedrich (geb. 1782?), Kaufmann, FlSt 1811/1815; Ransleben, Karl Friedrich Ernst (geb. 1763), Kriminalrichter, Justizrat, Vschw 1783–1806, 1803–1805 deput. M.; Rapin Thoyras, Anton Ludwig v. (geb. 1746?), Leutn. a. D., Postm., 3Ser 1777– 1801; Rapin Thoyras, Gabriel Philipp de (1746–1807), Oberst, FlSt 1770–1807, 1786– 1807 M. v. Stuhl, ML 1780–1807, deput. Altschott. Oberm., Generalzensor; Rappard, Wilhelm v. (1758–1828), Geh. Seehandlungsrat, 3Ser 1785–1799; Rath, Johann Heinrich Friedrich (geb. 1784), Stadtchir., 3Ser 1815; Rathenow, Otto Franz v. (geb. 1755?), Major a. D., Vschw 1796–1811; Reckowski, Peter v. (1763–1819), Kapt., FlSt 1801–1809; Reclam, Karl Heinrich (1776–1844), Verlagsbuchhändler, FlSt 1798–1804; Redern, Georg Wilhelm Alexander Ernst v. (geb. 1778?), Leutn., FlSt 1810/1815; Regis, Ludwig (geb. 1774?), Exped. Sekr., Bürochef, 3Ser 1801/ 1815; Reibnitz, Ernst Wilhelm Karl Albrecht Frhr. v. (1765–1829), Oberamtsregierungschef, FlSt 1788; Reibnitz, Hermann v. (geb. 1773?), Grundherr, Vschw 1788–1805; Reiche, August Friedrich Ludwig Karl v. (1775– 1855), Kapt. im Generalstab, FlSt 1810/1815; Reichenberg, August Ludwig Friedrich (1759–1832), Justizrat, Vschw 1783–1801;

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

Reinbaben, Georg Ludwig v. (geb. 1760?), Major, 3Ser 1800–1806; Reinbeck, Georg Gottlieb Sigismund (geb. 1766), Kaufmann, Vschw 1788–1791; Reinbeck, Johann Philipp Otto (1763–1820), Finanzrat, 3Ser 1787– 1791; Reisewitz, Georg Leopold Frhr. v. (1764–1828), Kriegs- u. Domänenrat, 3Ser 1811; Reitzenstein, Christoph Friedrich v. (geb. 1765?), Kapt., FlSt 1805–1810; Restorff, Friedrich Ludwig Julius v. (1783–1848), Premierleutn., 3Ser 1812/1815; Reuß, Heinrich August v. (geb. 1762?), Major, E 1812–1815; Reuß 43., Heinrich Reichsgf. u. Herr von Plauen, 1806 Ft. Reuß zu Köstritz (1752– 1814), königl. dän. Kammerherr, E 1776– 1791; Reuter, Johann Ferdinand Wilhelm (1782–1860), Kapt., FlSt 1810/1815; Rhaden, Adolph Christian Ludwig Frhr. v. (1764– 1813), Landrat, FlSt 1789–1813; Ribbach, Johann Ernst Heinrich (1761–1836), Kriegsu. Steuerrat, 3Ser 1799–1806/07; Ribbentrop, Friedrich Wilhelm Christian (1768– 1841), Kriegs- u. Domänenrat, Vschw 1790– 1791, 3Ser 1810/1815; Richter, Emanuel Gottlieb (geb. 1785?), Kontrolleur, 3Ser 1803– 1813; Richter, Erdmann Gottlieb (geb. 1786?), Rendant, Vschw 1811/1815; Richter, Friedrich Traugott (geb. 1773?), cand. med., Vschw 1803–1806; Richter, Karl Friedrich (1754– 1805), 1. Prediger, Inspektor, E 1793–1801?, Reden: Rede am 25sten September 1796 dem

54sten Hohen Geburtsfeste Seiner Majestät des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm des Zweiten, in der sehr ehrwürdigen, vollkommenen und gerechten Freymaurer-Mutter-Loge zu den drey Weltkugeln, mit tiefster Ehrfurcht gehalten vom Br. Redner der Tochter-Loge Constantia, Inspektor und ersten Prediger bey der Jerusalems und Neuen Kirche Richter. Gedruckt auf Begehren der Mutter-Loge zu den drey Weltkugeln; 18.12.1797 Rede auf verstorbenen Kg. Friedrich Wilhelm II. in Trauerloge: Das Ende krönt das Werk; Richter, Karl Konrad Wilhelm (geb. 1785?), Kaufmann, 3Ser 1812/ 1815; Rieck, Karl Ludwig (geb. 1743), Küchenm., FlSt 1795–1796; Riefenstahl, Chris-

tian Andreas August (1769–1831), Prediger, Rektor, E 1799/1815; Rienäcker, Johann August (1779–1859), Domprediger, E 1804– 1810; Riese, Friedrich Wilhelm Alexander (geb. 1786?), Modellierer, 3Ser 1815; Riese, Johann Karl Friedrich (geb. 1760?), Modellm., E 1811–1815; Riesenbeck, Karl Friedrich Christian (geb. 1771), Dr. med., Medizinalrat, E 1793–1811; Riesenbeck, Karl Heinrich Ferdinand (geb. 1771?), Pensionärchir., 3Ser 1798; Ringsleben, Martin Gottlieb (geb. 1773?), Maler, 3Ser 1801/1815; Risselmann, Friedrich Konrad Daniel v. (1751–1811), Gutsbesitzer, 3Ser 1779–1811; Ritter, Christoph Gerhard Wilhelm (1773–1846), Prediger, Pfarrer, 3Ser 1805/1815; Ritter, Johann Christoph (1744–1826), Kondukteur, ML 1762–1777?, GRO 1779, E 1784/1815, Groß­ zeremonienm.; Rochow, Adolf Friedrich v. (geb. 1758), Erbherr, FlSt 1782–1796; Rochow, Friedrich Ludwig v. (1745–1808), Leutn. a. D., Grundherr, Vschw 1777–1784, FlSt 1786–1796, GRO 1779–1780; Rode, Johann Philipp v. (1758–1834), Ingenieurleutn., Genielehrer, 3Ser 1783–1786, FlSt 1786–1803, GNML EM; Röder, Karl Wilhelm Ferdinand v. (geb. 1782?), Hauptmann, FlSt 1811; Röder, Maximilian Eugen v. (geb. 1782), Major, FlSt 1811/1815; Roell, Karl Kaspar Richard Friedrich Frhr. v. (geb. 1786?), Leutn., Vschw 1812/1815; Rogge, Christoph (1766–1848), Holzhändler, E 1805–1849; Rohr, August Ludwig Heinrich Karl v. (geb. 1778), Leutn., FlSt 1804–1810; Rohr, Johann Ludwig Leopold v. (1772–1850), Regierungsdir., 3Ser 1802–1810; Rohr, Philipp Heinrich Karl v. (1771–1845), Hofrat, Kammerassessor, E 1794–1834; Römer, Georg Wilhelm (geb. 1774), Hofrat, FlSt 1812/1815; Rönnekamp, Johann Christian (geb. 1776?), Zuckersiedem., Dir., 3Ser 1811/1815; Rosa, August Wilhelm (1761?–1829), Prediger, Superintendent, E 1812–1815; Rosa, Friedrich, Kand., Vschw 1791; Rosa, Karl Benjamin (geb. 1758?), cand. theol., Vschw 1787–1788 (1791?); Röscher, Johann Friedrich (geb. 307

5 Freimaurer-Logen

1761), Hofstaatssekr., FlSt 1810/1815; Rose, Valentin (1762–1807), Apotheker, E 1795– 1807, 1802 Großsekr.; Röse, Johann Friedrich (geb. 1778), Kanonikus, Gutsbesitzer, E 1806; Rosenstiel, Friedrich Philipp (1754– 1832), Oberbergrat, Finanzrat, Dir., E 1780– 1832, 1815–1825 M. v. Stuhl, 1801 Großredner, 1806 1. Großvorst., 1829–1832 Nationalgroßm., Reden: Rede in der Trauerloge den

vokat, E 1781–1813; Salpius, Wilhelm Ferdinand (geb. 1764?), Kriegsrat, Geh. exped. Sekr., 3Ser 1803, 1805/1815 deput. Groß­ sekr., 1815 1. Vorst.; Sanitz, Ludwig Friedrich Bogislaus v. (1783–1836), Major, Bataillonskommandeur, 3Ser 1810–1813; Sannier, Johann Daniel Philipp (geb. 1762?), Textil­ fabrikant, FlSt 1795–1824; Sauvage, François (geb. 1778?), Kaufmann, FlSt 1811–1815; 9. Dezember 1799 zum Andenken an Bruder Sauvage, Pierre Abraham (geb. 1758?), TaDecker; Rede zur Einweihung des Logensaals bakfabrikant, FlSt 1796; Schaaf (Schaff), Joder Großen National-Mutterloge zu den drei hann Gottfried, Musiker, 3Ser 1787–1791; Weltkugeln (1800, Druck); Vortrag am Jubel­ Schack, Wilhelm Georg v. (1751–1827), feste der Loge zur Eintracht. Vom Bruder Rosen- Oberst, Assessor, 3Ser 1804/1815, Großstestiel, Redner der Loge zur Eintracht, Schluß- ward; Schack, Wilhelm Karl v. (geb. 1786?), Rede gesprochen vom dep. Groß-Redner Br. Ro- Oberstleutn. im Generalstab, 3Ser 1811/1815; senstiel; Rosiefska, Johann Georg, 3Ser 1793– Schalck, Franz Joseph (geb. 1761?), cand. 1802?; Rothe, Johann Friedrich Karl med., 3Ser 1783–1786; Schalck, Joseph (geb. (1758–1833), Geh. Oberbaurat, Vschw 1796– 1760?), Fähnr., 3Ser 1783–1788; Schauroth, 1806/07; Rothe, Johann Gottlieb Ludwig Wilhelm Philipp Friedrich v. (geb. 1777?), (1751–1813), Kriegsrat, Rendant, E 1801– Hauptmann, 3Ser 1811/1815; Scheffler, Jo1813; Rothe, Karl August Wilhelm (geb. hann Karl August (geb. 1771?), Rendant, E 1781?), Feldjäger, FlSt 1810/1815; Rothe, 1811–1815; Scheps, Johann Gottlieb (geb. Louis (geb. 1773), Mühlenbesitzer, FlSt 1772?), Kriegsrat, Regimentsquartierm., FlSt 1805–1810; Rötscher, Gottlieb (1771–1847?), 1810–1811; Scheurig, Johann Emanuel (geb. Hilfsprediger, 1808 Prediger d. Hofgerichts- 1752?), Erb- u. Gerichtsherr, E 1778–1791?; kirche, 1818–1843 Pfarrer in (Berlin-)Stralau, Schiebler, Friedrich Wilhelm (geb. 1787?), E 1805–1847; Rottemburg, Sigismund Adrian Inspektor, FlSt 1815; Schierstädt, August v. (1745–1797), Erb- u. Grundherr, 3Ser Wilhelm Ludwig v. (1746–1830), Generalma1790–1791; Rückling, Johann Arnold Gott- jor, Regimentschef, E 1767, ML 1769–1802, lieb (geb. 1747?), Ingenieurleutn., FlSt 1777– GRO 1779–1786; Schirrmeister, Christoph 1791?, GRO 1783–1788; Rudolfi, Friedrich Heinrich Ludwig (geb. 1774?), Hüttenfaktor, Wilhelm Karl Reinhard v. (geb. 1785?), Inge- Vschw 1798/1815; Schleemüller, Johann nieurleutn., FlSt 1813; Rudolph, Anton (geb. Bernhard (1737?–1803), Geh. Kriegsrat, Hof1776?), königl. Kammermusiker, 3Ser 1815; gerichtssekr., ML 1763, Vschw 1786–1801; Rühle, Jakob Friedlieb v. (1749–1817), Kapt. Schlieben, Friedrich Ludwig Gf. v., Geh. Lea. D., Ritterschaftsrat, gSch 1774, FlSt 1775– gationsrat FlSt 1780–1796 abwes.; Schlinck, 1796; Rühs, Christian Friedrich (1781–1820), Paul Gottlieb (geb. 1752), Hofpostm., 3 Ser Prof. für Geschichte, FlSt 1811/1813; Rumpf, 1799–1806/07, GRO 1783–1789; Schlinzig, Johann Daniel Friedrich (1766–1838), Hofrat, Friedrich Wilhelm (geb. 1771), ÖkonomieinExpedient, Berlin-Historiker, Vschw 1796/ spektor, FlSt 1800–1805; Schlutius, Johann 1815; Sachs, Daniel (geb. 1777?), Kalkulator, Karl Friedrich (1749–1805), Geh. Kriegsrat, Vschw 1811/1815; Sacken, v. (Karl Ft. v. d. Geh. exped. Sekr., E 1774–1791; Schmalz, Osten genannt Sacken, 1721–1794)?, königl. Theodor Anton Heinrich (1760–1831), KamKammerherr, E 1791; Sadewasser, Johann mergerichtsrat, Prof. d. Rechte, Rektor, FlSt Friedrich (1756–1841), Justizkommissar, Ad- 1808–1814, 1810–1813 M. v. Stuhl, Peg 1814 308

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

Logenm.; Schmeling, Otto Wilhelm Ludwig v. (geb. 1786?), Leutn., FlSt 1811/1815; Schmidt, Georg Ludwig Benjamin (geb. 1763), Kriminalrichter, Justizrat, Vschw 1785/1815; Schmidt, Gottlieb Samuel (1738?– 1805/06), Geh. Kanzleidir., Vschw 1775– 1805/06, 1796 Dir. d. Armenkollegiums, 1799 2. Großvorst., 1801 Großalmosenier; Schmidt, Johann Christ. Ferdinand (geb. 1780?), Feld­ jäger, E 1815; Schmidt, Johann Gottlieb (1775–1861), Dr. med., FlSt 1805, 1821–1824 u. 1827–1853 M. v. Stuhl; Schmidt, Johann Philipp Samuel (geb. 1777?), Regierungsassessor, 3Ser 1801/1815, 1810 2. Dir. d. Musikal. Kollegiums; Schmiedeberg, Wilhelm Friedrich August v. (1766–1813), Kapt., FlSt 1792– 1810; Schmiedicke, Georg Friedrich (geb. 1771), Kriegskommissar, 3Ser 1810–1811, 1813/1815 EM; Schmiedseck, Friedrich Wilhelm Ferdinand Karl Heinrich Schmidt v. (geb. 1752), Leutn., FlSt 1777–1791; Schne­ hen, Karl Magnus Ernst v. (geb. 1775?), Hauptmann, Vschw 1803–1813; Schneider, Johann Georg Wilhelm (geb. 1781?), Musiker, FlSt 1810–1811; Schneyder, Michael Wilhelm (Friedrich) (geb. 1752?), kais. russ. Legationsrat, 3Ser 1782–1788; Schönburg, Heinrich Gf. v. (geb. 1750?), Kapt., 3Ser 1787–1791; Schönebeck, Johann Friedrich Karl (geb. 1752?), Kriegsrat, Geh. exped. Sekr., 3gSchl 1775, Pilg 1776–1780, 3Ser 1786–1791; Schönermarck, Johann Georg (geb. 1753?), Justizrat, Vschw 1779–1803; Schöning, Samuel Gottfried (geb. 1759?), Regimentschir., FlSt 1791–1796; Schraden, Johann Friedrich Bar. v. (geb. 1760?), Referendar, 3Ser 1787–1788; Schreiber, Johann Paul Heinrich (1736–1812), Geh. exped. Sekr., E 1793–1813, 1806/07 Großsekr.; Schröder, Johann Heinrich (1757–1812), Hofmaler, 3Ser 1801–1806; Schroetter, Johann Heinrich August Frhr. v. (1756?–1833), Oberst, FlSt 1806–1821; Schroetter, Leopold Friedrich Heinrich v. (geb. 1784?), Leutn., FlSt 1811/1815; Schulemann, Adam Friedrich Heinrich (geb. 1783?), Leutn., Adj.,

3Ser 1815; Schüller, Isidor Georg (geb. 1744?), Geh. Sekr., 3Ser 1779–1791; Schultz, Arndt Martin August v. (1764–1827), Gesandter, E 1781–1791?; Schultz, August Ludwig (um 1725–1803), Kriegsrat, Dechant, ML 1752 u. 1786–1803?, deput. M., E 1764–1778, 1767– 1778 deput. M., GRO 1779–1782; Schultz, Friedrich Wilhelm Ferdinand (1775–1831), Dr. med., Feldlazarettdir., Vschw 1799/1815; Schultz, Karl Heinrich August (geb. 1761), Regimentsquartierm., E 1781–1789; Schultz, Wilhelm Ludwig August (geb. 1765?), Kaufmann, Vschw 1780–1796; Schultze, Karl August (geb. 1759?), Regimentschir., Vschw 1792; Schultze, Karl Ernst Heinrich (geb. 1752), Regierungsrat, 3Ser 1776–1779/1799; Schultze, Karl Ludwig (1784–1859), Prediger, 3Ser 1810/1815; Schultze, Karl Wilhelm (geb. 1759?), Kammersekr., 3Ser 1784–1791; Schulz, Wilhelm (geb. 1780?), Banksekr., 3Ser 1813; Schulze, Friedrich Wilhelm (geb. 1787?), Kaufmann, E 1815; Schumann, Karl Franz Jakob Heinrich (1767–1827), Historien­ maler, Prof., E 1801–1827; Schütz, Karl August Heinrich Wilhelm v. (1784–1833), Kapt. im Generalstab, 3Ser 1812; Schwahn, Christian Gottlieb (geb. 1740), Kaufmann, E 1777– 1800, GRO 1779–1781; Schwahn, Johann Friedrich (geb. 1773?), Gutsbesitzer, 3Ser 1804–1811, 1813/1815 EM; Schwanfeld, Philipp Ferdinand (1748?–1806), 1794 Apotheker Zum Schwan, 1794–1786 Vorsitz, Protokollführer d. Berliner Apotheker-Conferenz, gSch 1776–1777 u. 1780–1782, E 1804–1806; Schwarzenau, Friedrich Eberhard Frhr. v. (geb. 1761?), Oberstleutn., Oberbrigadier, 3Ser 1811/1815; Schwei(d)nitz, Hans Wilhelm Julius v. (geb. 1764), Gutsherr, E 1811– 1813; Schwitzky, Karl Wilhelm (geb. 1738), Tabakdir., 3Ser 1785–1796, 1785 deput. M., ML 1785–1796, GRO 1782–1783; Scriba, Friedrich Georg Philipp, Tribunaladvokat, E 1805–1810?; Seeger, August Heinrich (geb. 1777?), Geheimsekr., FlSt 1815; Seelmann, Friedrich August Wilhelm (geb. 1758/59), Kriegsrat, Justizkommissar, 3Ser 1790 u. 1795/ 309

5 Freimaurer-Logen

1815, FlSt 1790–1813; Seidel, Daniel Gottlob (geb. 1759), Eskadronchir., FlSt bis 1793; Seidenburg, Johann Gottlieb (1741–1822), Apotheker, E 1801–1822, 1803 Großschatzm.; Sellentin, Friedrich Wilhelm August v. (1731–1807), Geh. Kriegsrat, 1771 RY, 1774 M. v. Stuhl, 1798 Wiederzutritt (bis 1806), 1798/1801 Großm., FlSt 1806/1807; Seltmann, Johann Gottl. (geb. 1779?), Kondukteur, E 1810–1815; Semler, Franz Xaver (geb. 1771?), köngl. Kammermusiker (Bratschist), FlSt 1802, 3Ser 1806/1815; Semmelmann, Johannes Joseph (geb. 1759?), Dr. med., FlSt 1784–1791; Senfft v. Pilsach, Ernst Emil Frhr. (geb. 1780?), Kammergerichtsreferendar, 3Ser 1805/1806; Serre, Johann Friedrich Anton (1789–1863), Jurastudent, Jäger, FlSt 1815; Seybolten, Karl v. (geb. 1773), Gutsherr, E 1802; Seydeler, Christian Lobegott (geb. 1782?), Stadt- u. Amtschir., Vschw 1810/1815; Seyffertitz, Hans Gottlob Frhr. v. (geb. 1751), Amtshauptmann, E 1783–1791; Sieburg, Georg Justus (geb. 1757?), Manufakturunternehmer, Peg 1778–1782, E 1782–1788, GRO 1784; Siegel, Christian Friedrich (geb. 1760/61), Sekr., Inspektor, 3Ser 1789 u. 1791–1813, FlSt 1791; Sietze, Friedrich Wilhelm (1771–1830), Regierungsrat, E 1811– 1830; Simon, August Heinrich (geb. 1782?), Justizkommissar, E 1810–1815; Skerl, Friedrich Wilhelm (1752–1810), Maler, Radierer, 3Ser 1784–1788; Smith, Amand (geb. 1753), Dr. med., E 1782–1791; Sobbe, August v. (geb. 1755), Oberst, E 1782–1791 u. 1811; Sobbe, Ernst Friedrich Karl v. (geb. 1760), Leutn., FlSt 1788–1798; Sohr, Friedrich Georg Ludwig v. (1775–1845), Oberstleutn., 3Ser 1810/1815; Sommer, Karl Benjamin (1769–1815), kais. russ. Chir., FlSt 1788– 1796; Sommerfeld, August v., Privatier, 3Ser 1814/1815; Sommerfeld, Christian Friedrich v. (geb. 1723?), Geh. Stiftsrat, FlSt 1794– 1810; Sonder(s)hof, Karl Leopold (geb. 1781?), Dr. med., 3Ser 1814/1815; Sostmann, Johann Christian Friedrich (geb. 1766), Geh. Kriegsrat, Geh. exped. Sekr., Vschw 1786– 310

1798; Sostmann, Nikolaus Friedrich (1724– 1799), Hofrat, Rendant, Vschw 1775–1799, ML 1786, 1791 M. v. Stuhl d. Stewardsloge, GRO 1779–1784; Speiser genannt Zwinger, Anton (geb. 1787?), Kaufmann, E 1812–1815; Spielberger, Johann Karl Friedrich (geb. 1778?), Expedient, 3Ser 1815; Spielmann, Karl Friedrich (geb, 1789?), Apotheker, E 1812–1815; Spiller, Wilhelm Nathanael (geb. 1786?), Kammergerichtsreferendar, E 1814/ 1815; Spindler, Johann Karl (geb. 1761?), Inspektor, Vschw 1797–1798; Sprögel, Justus Theodor (geb. 1757?), Geh. Sekr., Registrator, 3Ser 1781–1791; Staack, Christian (geb. 1767?), Kapt., 3Ser 1812/1815; Staberoh, Ernst Friedrich Ludwig (geb. 1763?), Lieferant, Vschw 1797–1806; Staberoh, Johann August Jakob (geb. 1787?), Kaufmann (Seidenfabrikant?), FlSt 1810/1815; Stach v. Golzheim, Engel Ludwig (geb. 1770?), Major, FlSt 1810/1815; Stadler, Johann Karl (1768– 1812), Schauspieler, Dir., Vschw 1803–1811, 1812/1813 EM; Steffeck, Konstans Leopold Ludwig (1752?–1806), Kriegs- u. Domänenrat, 3Ser 1779–1806, 1789–1796 deput. M., 1803 1. Großvorst., GRO 1783–1784; Stegemann, Johann Jakob (1760–1830), Schulrektor, 2. Prediger, Vschw 1792–1811; Stein, Karl (geb. 1773?), Privatgelehrter, E 1810– 1813; Steinmeyer, Karl Christoph, Zimmerm., Stadtverordneter, Vschw 1800–1813; Stenzinger, Johann August (1773–1853), Buchhalter, E 1801–1815, 3gSchl 1816/17, 1833–1852 Logenm.; Sterling, Karl Wilhelm Ludwig (geb. 1774), Regierungsrat, Justizkommissar, Vschw 1800/1815; Sternemann, Johann Heinrich Friedrich Wilhelm (geb. 1755), Dr. med. et chir., Hofmedikus, 3Ser 1785/1815, GRO 1783–1784; Stieler, Christ. August (geb. 1779?), Hauptmann, Adj., 3Ser 1811/1815; Stierlé, Johann Jakob Gottfried (1764–1806), Münzmedailleur, Vschw 1791– 1806; Stojentin, Friedrich Wilhelm v. (geb. 1756), Leutn., FlSt 1787–1788; Stoll, Johann Gottfried Wilhelm (geb. 1764?), Stadtsekr., Polizeiassessor, 3Ser 1810/1815; Stolze, An-

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

ton Adolf (geb. 1767?), Exped. Sekr., Vschw 1797; Stricker, Karl, Kaufmann, Vschw 1776– 1788; Stromberg, Johann Reinhard Karl Bar. v. (1756–1802), Kapt., FlSt 1780–1798; St. Paul, Friedrich Wilhelm Leopold v. (geb. 1772?), Major, E 1811–1813; Suckow, Werner Stephan v. (geb. 1784?), Leutn., 3Ser 1811–1813; Süvern, Johann Wilhelm (1775– 1829), Geh. Oberregierungsrat, Staatsrat, E 1810–1814, 1812/13 substit. M. v. Stuhl, 1814 3gSchl; Sydow, Karl Ernst Rudolf Heinrich v. (geb. 1775?), Landrat, 3Ser 1811–1813; Tann (Pann), Friedrich Wilhelm (geb. 1742?), Kaufmann, E 1778–1791; Tettau, Karl Ernst Alexander v. (1776–1831), Hausvogteigerichtsdir., 3Ser 1810/1815; Tettenborn u. Wolff, Johann Friedrich August v. (1747–1795), Leutn., Vschw 1775–1786; Teuerkauf, Georg Wilhelm (1756–1808), Kantor, Lehrer, Prediger, Vschw 1797–1801; Thadden, Franz Heinrich Wilhelm v. (1764?–1806), Leutn., FlSt 1798– 1806; Theden, Johann Christian Anton (1714–1797), Generalchir., E 1765, 1768– 1785 M. v. Stuhl, GRO 1779–1781, Zirkeldir., ML 1784–1794 M. v. Stuhl, 1794–1797 Altschott. Oberm., Reden: Antrittsrede des Br.

rend Karl Friedrich (1743–1802), kais. russ. Major, Adj., Vschw 1777–1780? (1791?); Thie­ mann, Gottfried Benjamin (geb. 1735?), Kapt., Vschw 1775–1796; Thiermann, Adolf Gottl. (geb. 1770?), Kaufmann, 3Ser 1814/ 1815; Thomassein, Friedrich (geb. 1781?), Geh. Sekr., 3Ser 1811/1815; Thürnagel, Johann Friedrich Emil, Schauspieler, 3Ser 1811; Tietz(-e), Adam Friedrich Wilhelm (1777– 1810), Dr. med., Oberfeldstabsmedikus, E 1806–1810; Timme, Johann Friedrich Wilhelm (1757–1838), Regierungsrat, Vschw 1812/1815; Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm („Goethe-Tischbein“) (1751–1829), Maler, Radierer, E 1778–1791; Titz, Karl Ludwig (geb. 1789), Hauptmann, Adj., FlSt 1815; Todt, Johann Karl Theodor (geb. 1774?), Justizkommissar, FlSt 1810/1815, 1810 2. Zensor d. Musikal. Kollegiums; Tolstoj, Dmi­ tri Gf. (geb. 1762?), kais. russ. Major, 3Ser 1782, FlSt 1784–1788; Toussaint, Isaac (1747?–vor 1792), Kaufmann, FlSt 1777– 1779/1788, GRO 1783/1784; Trautschold, Adolf Christoph Ludwig (geb. 1784?), Kaufmann, 3Ser 1813/1815; Trautschold, Gustav Wilhelm Lebrecht (geb. 1787?), Polizeikommissar, 3Ser 1814/1815; Tresckow, Heinrich Ludwig v. (1778–1849), Kapt., Adj., FlSt 1810/1815; Triest, August Ludwig Ferdinand (1768–1831), Regierungsrat, Baudir., Vschw 1793–1811; Trippel, Karl Friedrich Wilhelm (geb. 1772?), Steinmetzm., Stadtverordneter, Vschw 1803/1815; Troschel, Christian Ludwig (geb. 1735), Geh. Kriegsrat, Oberhofbauamtsrichter, E/ML 1762–1786?, Reden: Ge-

Thedens, als selbiger die Stelle eines Meisters der Loge Concorde übernahm, den 16ten Mertz 1768; Rede des Br. Thedens bey der ersten Loge in dem Neuen Quartier im Köppenschen Hause den 18ten Sept. 1770; Rede des Br. Thedens bei der ersten Loge in dem neuen Logenquartier im Köppenschen Hause, den 18. September 1771; Rede bei der feyerlichen Aufnahme einer Gesellschaft in den Freymäurerorden, und bey der Stiftung der neuen Filialloge die Verschwie- danken von dem Werthe des Friedens, bey dem genheit zu den drey verbundnen Händen, in Ge- von der ehrw. Loge der Freymäurer am 25sten genwart des Durchlauchtigsten Großmeisters ge- April dieses 1763sten Jahres vergnügt gefeyerten halten von einem Bruder der alten Mutterloge zu Friedens-Feste in einer Rede vorgestellet von dem den drey Weltkugeln in Berlin. Den 2. Sept. Redner der Loge der Eintracht (Berlin 1763: G. 1775 (Berlin 1775: G. J. Decker); Thiede, J. Decker); Gedanken eines Freimäurers an dem Christian Karl (geb. 1752), Stabschir., Vschw Stiftungsfeste in einer Rede am 24. Junii des 1791; Thiede, Friedrich Wilhelm (1778?– 1763. Jahres, vorgestellet von dem Redner der 1858), Landschaftssekr., FlSt 1805, 1829 Groß- Loge der Eintracht (Berlin 1763: G. J. Decker); sekr.; Thiele, Georg Gottlieb (geb. 1763?), Einsamkeit als dem vorzüglichsten Mittel zur Assessor, Vschw 1796/1813; Thiemann, Be- ausübenden Tugend (25.1.1766); Über das wah311

5 Freimaurer-Logen

re Glück (31.12.1767); Von der Ausübung der erkannten Tugend (5.7.1768); Welche Freude rechtfertigt sich in der Seele des Tugendhaften? Diese Frage beantwortete an dem freudigen, dem Gedächtniß der Stiftung des Ehrwürdigen Ordens der Freymäurer gewidmeten Tage des 1769sten Jahres im Nahmen und auf Befehl des Ordens der Redner (Berlin 1769: G. J. Decker); Über die Notwendigkeit der Selbstprüfung, Ist die Ungleichheit des Standes dem FreymäurerOrden nachtheilig? Diese Frage ward bey Gelegenheit der Feyer des Stiftungs-Festes des Ordens den 5. Julii 1770 erwogen von dem Redner des Ordens in der Loge der Eintracht (Berlin 1770: G. J. Decker); Ob die Frage „Wie wird es den Unsrigen nach unserm Tod ergehen?“ wohl unsers Nachdenken würdig sei. Zum Ehrengedächtnisse des am 28. Dezember 1770 verstorbenen Herrn Karl David Kircheisen; Betrachtung über die Hindernisse der Tugend. In einer zum Andenken der Stiftung des E. Freymäurer-Ordens am 5. Julii 1771 gehaltenen feyerlichen Versammlung vorgetragen von dem Redner des Ordens (Berlin 1771: G. J. Decker); Was muß man seinen Freunden wünschen, wenn man Ihnen Glück wünschet? Diese Frage ward zum Gegenstande der Glückwünschungs-Rede bey dem Beschluß des 1771ten Jahres der Versammlung E. E. Frey-Maurer-Ordens vorgetragen und auf Ihrem Befehl zur Versicherung der treuesten Hochachtung und Freundschaft übereignet von dem Redner des Ordens (Berlin 1772: G. J. Decker); Rede, bey dem Schlusse des Jahres der am 30. Dec. [1772] gehaltenen feyerlichen Versammlung des Ehrw. Freymäurerordens vorgetragenen und zur Versicherung der aufrichtigsten Hochachtung und Freundschaft übereignet von dem Redner des Ordens (Berlin 1773: G. J. Decker); Der Weise, der den Tod kennet und ihn nicht fürchtet. In einer zum Ehren-Gedächtniß des am 26sten April verstorbenen Königl. General-Münz-Directoris Herrn Martin Krönigke gehaltenen Trauer-Rede in der Versammlung der Ehrwürdigen Freymaurer betrachtet von (Berlin 1774: Gedruckt mit Winterschen Schriften); Rede von der Pflicht, alle Menschen als natürlich 312

sich gleich zu schätzen. Bei der am 2. des März 1786 in der Loge der Freimäurer zum Ehrengedächtniß des am 8. Februar dieses Jahres mit allgemeinem Ruhm entschlafenen Herrn Adam Christian Marschall von Bieberstein, Königl. Preuß. Obristwachtmeisters bey dem hochlöblichen Pfuhlschen Regiment und Prälaten des hohen Stifts zu Cammin, feyerlich gehaltenen Trauerversammlung (Berlin 1786: G. J. Decker); Ueber die Ungleichheit der äusseren Vorzüge der Menschen. Eine Rede, bey der feyerlichen Versammlung der Freymaurer am Johannistage 1790 gehalten vom Br. Troschel (Berlin 1790: G. J. Decker); Troschel, Ferdinand Franz Ludwig (geb. 1764), E 1791; Troschel, Friedrich Ludwig Franz (1766–1818), Geh. Kriegs- u. Domänenrat, Vizepräsident, E 1794–1794 u. 1809–1820; Trost, Philipp Friedrich v., Oberstleutn., FlSt 1796/1797; Trübensee, Christoph Gottlob (geb. 1745?), Oberhofpostsekr., Vschw 1790–1806/07; Trüstaedt, Johann Leberecht (geb. 1764?), Oberchir., FlSt 1790–1792; Tschammer u. Osten, Friedrich Wilhelm Alexander v. (1737–1809), Generalmajor, Kommandeur, FlSt 1788–1809; Tuchsen, Gustav Johann Wedig v. (1767–1813?), Major, FlSt 1797; Türckheim, Johann Christian v. (geb. 1762), Kandidat (theol.), E 1784– 1791; Uhde, Johann Christian Friedrich (1774?–1802), Kammerreferendar, 3Ser 1798– 1802; Uhden, Johann Daniel Otto (1763– 1835), Kriegs- u. Domänenrat, Staatsrat, E 1786, 1810–1814; Ullmann, Christoph (1773– 1849), Dr. med., Prof., E 1797; Ulmenstein, Heinrich Johann Anton Christian Frhr. v. (1777–1840), Landrat, 3Ser 1810–1813; Ulrici, Johann Gottlieb (geb. 1779), Kammersekr., FlSt 1805–1809; Ulrici, Karl Heinrich (geb. 1774?), Tabakfabrikant, 3Ser 1801/1815; Urach, v., Leutn., Adj., FlSt 1796–1798; Valentini, Christian Wilhelm Ferdinand (geb. 1787?), Major, FlSt 1815; Vater, Samuel (geb. 1777?), Hütteninspektor, E 1815; Vogel, Gottfried Bernhard (1742–1804), Geh. Finanz-, Kriegs- u. Domänenrat, ML 1786/ 1791; Vogel, Theodor (geb. 1778?), Jurastu-

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

dent, FlSt 1798; Vogel, Zacharias (geb. 1762), paniechir., Klinikdir., 3Ser 1804–1806; Weiß, Dr. med., E 1785–1796; Vogier, Samuel Henri Philipp August v. (1778–1840), Kammerasses(geb. 1772), Sprachlehrer, Schulvorsteher, FlSt sor, E 1805–1811; Welge, Johann Ludwig 1805–1810; Voigt, Friedrich (geb. 1775?), (geb. 1760?), cand. med., Vschw 1783–1788; Hofpostsekr., E 1812/1815; Vogt, Heinrich Weltzien, Friedrich v. (geb. 1758), Leutn., Joseph (geb. 1773?), Leutn., FlSt 1811/1815; FlSt 1793–1796; Welz, Johann Gottlob (geb. Völker, Ferdinand, Apotheker, 3Ser 1811/ 1758?), Hofmaurerm., Stadtverordneter, Vschw 1814; Völker, Johann Friedrich (geb. 1755?), 1803/1815; Wendland, Friedrich Heinrich Kriegsrat, 3Ser 1810/1815; Vollan, Johann Jakob (geb. 1773?), Apotheker, FlSt 1810/ Friedrich Samuel (geb. 1766?), Chir., 3Ser 1815; Werdeck, Christoph Wilhelm v. (1759– 1796–1803; Vollbrecht, Christian Dietrich 1817), Geh. Kriegsrat, Regierungsrat, E 1786– (geb. 1776?), Dr. med., Vschw 1797–1798; Voß, 1810?; Werdermann, Johann Christian (geb. August Friedrich (geb. 1767?), Oberhofbauin­ 1765), Bataillonschir., FlSt 1798–1801; Werspektor, Vschw 1793–1811; Wachowsky, Lud- dermann, Karl Gotthilf Ludwig (1769?– wig Gotthard, Justizkommissar, Vschw 1803; 1824), Lehrer, Prediger, Vschw 1799–1813; Wacker, Gottfried Heinrich, Kriegsrat, FlSt Wessel, Simon Emilius Ludwig (geb. 1766?), 1788/1791; Wadzeck, Franz Friedrich Daniel Lehrer, Vschw 1787–1788; Weyhe, Karl (1762–1823), Prof., FlSt 1791–1823?, 1794– Friedrich v. (geb. 1765?), Hauptmann, 3Ser 1796/1801–1812 Redner, Reden, Oden: Ode 1810; Weyher u. Nymptsch, Philipp Heinam feierlichen Tage der Geburt SR. Herzogl. rich v. (geb. 1786?), Hauptmann, E 1815; Durchlaucht des Herzogs Ferdinand von Braun- Wic, Heinrich v. (geb. 1771?), kais. russ. Kolschweig und Lüneburg in der Loge zu den drei legienrat, FlSt 1814/1815; Widekind, ChrisWeltkugeln gesprochen von Br. F. Wadzeck. Ber- tian Ludwig (geb. 1748?), Leutn., Vschw lin den 12. Jan. 1792: Gedruckt in der König- 1775–1796; Wiegensdorf, Wilhelm Karl Ludlichen Hofbuchdruckerei; Über Menschenver- wig (geb. 1768?), Hauslehrer, FlSt 1794–1813, nunft. Rede, gehalten am Johannisfeste in der 1806 1. Vorst.; Wilberg, Friedrich Wilhelm hochwürdigen National-Mutterloge zu den drei (geb. 1761?), St. Johannisordens- u. DomäWeltkugeln (gegen Woellner); Wagener, Karl nenkammerrat, 3Ser 1787/1815; Wilcke, Friedrich v. (geb. 1741?), Stabskapt., FlSt 1788– August Heinrich (geb. 1777?), Feldjäger, 3Ser 1789; Wagner (Wagener), Gabriel Christoph 1814/1815; Wilhelmi, Gottlob (1750–1809), (geb. 1753), cand. jur., E 1780/1791; Wahren- privat., 3Ser 1798–1806; Wille, Karl August kampf, Christian Gottlieb Friedrich (geb. 1765?), v. (geb. 1786?), Stabskapt., 3Ser 1812/1815; Buchhalter, Vschw 1790–1796; Warsing, Hein- Wimmel, Johann Ferdinand (geb. 1780?), rich Ludwig v. (1751–1817), Geh. Rat, Hof- u. Kaufmann, Vschw 1806/1815; Winkelmann, Kammergerichtsrat, Vschw 1780/1815; Weber, Karl Friedrich v. (geb. 1750), Major, FlSt A. W. Ferdinand (geb. 1785?), Kaufmann, 3Ser 1776–1801?; Winkler, Johann Christ. Gottl. 1815; Weber, August Wilhelm (geb. 1779?), (geb. 1774?), Mechanikus, 3Ser 1813/1815; Rendant, Vschw 1810/1815; Weber, Chris- Winterfeld, Christian Alexander Vivigenz v. toph Wilhelm (geb. 1786?), Buchhalter, E (1754–1822), Oberburggraf, FlSt 1777–1779, 1814/1815; Weber (Webern), Friedrich (geb. 3Ser 1813, 1815 deput. M., 1815 Großsekr.; 1754), Kaufmann, E 1789–1791; Wegely Winterfeld, Karl Friedrich Gotthilf v. (1757– (Wegelj), Ernst Wilhelm (geb. 1753), Manu- 1824), Geh. Oberfinanzrat, 3Ser 1778–1782, fakturunternehmer, E 1775–1788; Wegner 1810/1815; Wirschwitz (Wirsitz?), Hein(Wegener), Friedrich Heinrich (1765–1807), rich v., FlSt 1813; Wittcken, Heinrich MoBuchdrucker, Akad. Künstler, E 1801–1807; ritz v. (geb. 1748), Leutn., Adj., FlSt 1776– Weinhold, Karl August (1782–1829), Kom- 1788; Wittcken, Wilhelm Ehrenreich v. (geb. 313

5 Freimaurer-Logen

1750?), Leutn., FlSt 1778–1786; Witte, Ernst Meisters v. St. der Loge zu den 3 Seraphinen Wilhelm (geb. 1784?), Gutsbesitzer, E 1810– zum Andenken Frankenbergs gehalten vom G. 1815; Witthauer, Johann Georg (geb. 1751), L. W. d. XVI. Sept. MDCCLXXXIX; Rede Jurastudent, Musiker, E 1778–1791; Wittich, am LXXII. Geburtstage Sr. Herzogl. DurchKarl Friedrich Albert (geb. 1782?), Ingenieur- laucht des Herzogs Ferdinand von Braunschweig leutn., FlSt 1810/1815; Wittich, Theodor und Lüneburg in der Loge zu den drey WeltkuFriedrich Wilhelm (geb. 1770?), Hauptmann, geln gehalten von G. L. W. Berlin, den 12. Jun. FlSt 1810/1815; Witzleben, Karl Ernst Job 1792 (Berlin 1792: G. J. Decker); WoltersWilhelm v. (1783–1837), Oberstleutn. im Ge- dorf, Johann Friedrich August, Medizinstuneralstab, FlSt 1811/1815, Teutonia zur Wahr- dent, 3Ser 1789–1791; Woltersdorf, Wilheit in Potsdam; Woisky, Heinrich v. (geb. helm Christoph (geb. 1750?), Kaufmann, 1777?), Rittm., FlSt 1810–1813; Woisky, Vschw 1781–1799; Worms, Karl Wilhelm v. Moritz Silvius v. (geb. 1750), Major, FlSt (geb. 1789?), kais. russ. Rittm., 3Ser 1814/ 1774–1812; Wolf, Johann Wilhelm Franz 1815 EM; Wülknitz, Heinrich Otto v. (geb. (1763?–1808), Prediger, Vschw 1796–1806; 1772?), königl. Kammerherr, Grundherr, E Wolf, Karl Friedrich Wilhelm (geb. 1780), 1793; Wunsch, Ferdinand (geb. 1780?), BuchAmtmann, E 1803–1816; Wolter, Christian halter, FlSt 1810/1811; Würst, Johann GottFriedrich (geb. 1758?), Kaufmann, Vschw lieb v. (geb. 1727), Leutn. a. D., Forstrat, ML 1797–1801; Woellner, Johann Christoph 1762–1769/1786, E 1768–(1778)1791; Würst, (1732–1800; 1786 nob.), Wirkl. Geh. Staats- Karl Heinrich (geb. 1762), Geh. Sekr., FlSt rat, Justizminister, Chef d. Geistl. Departe- 1791–1803/1818; Zagbaum, August Wilments, E 1768–1774, 3Ser 1774–1798, 1775– helm (geb. 1789?), Musiklehrer, Vschw 1814/ 1797 Altschott. Oberm., GRO 1778, 1791 1815; Zastrow, Christ. Leopold v. (geb. deput. Nationalgroßm., vf. Historische kurze 1778?), Kapt., 3Ser 1810; Zencker, Johann Nachricht von der Freimäurer-Mutterloge zu den Gottlieb (1759–1807), Dr. med., Prof., 3Ser drei Weltkugeln in Berlin (Berlin 1775: G. J. 1787–1806; Zencker, Johann Gottlob FriedDecker); Rede auf Karl David Kircheisen rich (1753–1826), Geh. Kriegsrat, Kontrol(1771); Rede als Manuskript für wenige Brüder leur, Vschw 1796/1815, 1805/1810 1. Dir. d. (1775); Rede auf den Geburtstag des Königs, ge- Musikal. Kollegiums; Zettritz, Heinrich Chrishalten in der alten und gerechten Loge Zu den tian Philipp v. (geb. 1781?), Leutn., Vschw drei Weltkugeln (Berlin 1777: G. J. Decker); 1810; Zeuner, Karl Bernhard Friedrich v. Am Schlusse des Jahrs 1777 in einer feyerlichen (1744?–1807), königl. Kammerherr, HofmarVersammlung der Loge Zu den drey Weltkugeln schall, Gutsherr, E 1764–1774, ML 1764/ in Berlin. Berlin bey G. J. Decker Kgl. Hof- 1786, FlSt 1774, Vschw 1775–1788; Zeysing, buchdrucker; Rede am Johannistag (1778 Zu Johann Gottfried (1765?–1801?), Rendant, den drei Weltkugeln); Rede auf den Geburtstag Vschw 1794–1801 Sekr., 1801 Großsekr.; des Königs gehalten in der alten und gerechten Ziegler, Johann Friedrich (geb. 1766?), AssesLoge zu den drey Weltkugeln. Berlin, den XXIV. sor, 3Ser 1812/1815; Zimmermann, Chris­ Januar 1778 (Berlin 1778: G. J. Decker); Über tian Gottlieb (1766–1841), Gymnasialprof., E Vertauschung des Christentums gegen Philoso- 1795–1841; Zöllner, Johann Friedrich (1753– phie (Berlin1786: J. G. Decker, zum Besten der 1804), Propst, Hofprediger, OberkonsistorialArmen); Woltersdorf, Gabriel Lukas (1768– u. Oberschulrat, E 1779–1804, ML 1786, 1820), königl. Bibliothekar, E 1785–1788, 1784–1791 Großredner, 1796 M. v. Stuhl, 1799– 1789–1792 u. 1810/1815 3Ser, Reden: Rede 1804 Nationalgroßm., GRO 1780–1788, Rebei Gelegenheit der Einführung der S. E. BB. v. den: Rede in der Trauerloge zum Gedächtnisse

G[uionneau] und St[effeck] als Meister und dep. 314

Friedrichs des Großen, den 15. September 1786

Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin [GNML] [ML3W]

gehalten; Rede am Geburtstage Sr. Königl. Majestät Friedrich Wilhelms II. den 25. September 1786 in der Loge zu den dreyen Weltkugeln; Zöllner, Karl Gustav (1742–1816), Geh. Rat, Oberakzise- u. Zollrat, E 1784–1805, 1812– 1815; Zschock, Johann Friedrich Gottlieb (1766–1837), Kriegs- u. Domänenrat, E 1787– 1791; Zschock, Karl Friedrich Heinrich v. (1774–1846), Finanzrat, 3Ser 1804–1806/07; Zurawski, Joseph v. (geb. 1788?), poln. Kapt., Vschw 1813, 1815 EM; Zycka, Johann Joseph Friedrich (geb. 1781?), Legationsrat, 3Ser 1810/1815. – Ehrenmitglieder der GNML (Auswahl): Blücher, Gebhard Leberecht Ft. v. Wahlstatt (1742–1819), Generalfeldmarschall, 1782–1818 Augusta zur goldenen Krone in Stargard, 1804/1812/1815; Hardenberg, Karl August Ft. v. (1750–1822), Staatskanzler, 1778–1781 Zum weißen Pferd in Hannover Logenm., 1804/1812/1815 EM; Schroetter, Friedrich Leopold Frhr. v. (1743–1815), Staatsminister, Vizepräsident, a.1765 Zu den drei Kronen in Königsberg/Pr., 1804/1815 EM, Zscheschau, Heinrich Wilhelm v. (geb. 1760), kgl. sächs. Generalleutn., FlSt 1815. – Dienende Brüder der Vereinigten Logen: Abel, Georg Friedrich, Diener, FlSt 1791; Bardeleben, Karl Gottlieb (geb. 1722?), Kopist, Vschw 1784–1787; Bergemann, Johann Gottlieb, Friseur, E 1805–1806/07, 1810/1815 im Dienst d. Logen; Dauß, Christ. Gilbert (geb. 1762?), Lazarettaufseher, 1810/1815 im Dienst d. Logen; Dexheimer, Konrad, 1784/1786 Supernumerarius; Dorff, Johann Gottlob (geb. 1772?), im Dienst d. Logen 1799/1815; Esse, Johann Friedrich (geb. 1746?), Diener, E 1782, E/3Ser 1786–1805, Kastellan; Gerloff, Johannes Christian Bernhard (geb. 1742?), Kammerhusar, ML 1777/1784, GRO 1783–1788; Gesche (Jäsch), Martin (geb. 1731?), Regimentstambour, Sergeant, FlSt 1780–1806/07; Harrach, Johann Karl (geb. 1770?), 1794; Heiland, Johann Ludwig (geb. 1765?), Diener, 1810/1815; Holzmann, Johann Gottfried Heinrich (geb. 1764?), Peruckier, 1810/ 1815 im Dienst d. Logen; Hoppenheid, Jo-

hann Friedrich (geb. 1769?), Arbeiter d. KPM, E 1804–1806, 1810/1815; Jahrmarkt, Johann, 1802–1806 Pförtner, 1810/1815 Kastellan, Pförtner; Jargow, Wilhelm Friedrich (geb. 1752?), 1804 Pförtner, 1812/1815 im Dienst d. Logen; John, Georg Andreas (geb. 1782?), Zunftmaurer, 3Ser 1810; Kerner, Johann Heinrich (geb. 1768?), Viktualienhändler, 1802 im Dienst d. Logen, 1800–1804 Kastellan, 1815; Knauss, Johann Friedrich (geb. 1769?), Ökonom d. Eintracht-Ressource, 1810/1815 im Dienst d. Logen; Knause, Jakob Friedrich, Vschw 1802–1804; Krause, Christian (geb. 1768?), Diener, Vschw 1792; Maurer, Kaspar Ludwig Friedrich, Vschw 1793; Metz, Johann Andreas (geb. 1735?), Unteroffizier, 3Ser 1810; Pitt, Johann Friedrich (geb. 1767?), Diener, 1802/1815; Ramm, Ernst Wilhelm (geb. 1762?), Diener, 3Ser 1810; Reichard, Friedrich Siegmund (geb. 1754?), Hofbedienter, Kastellan d. Loge, 3Ser 1810; Rieck, Friedrich Wilhelm (geb. 1745?), Koch, Vschw 1788–1791; Riemann, Johann Friedrich (geb. 1767?), Diener, 3Ser 1810; Röger, Johann August (geb. 1767?), Hofkelle­ reidiener, 3Ser 1810; Rothe, Johann Christoph (geb. 1760?), im Dienste d. Logen 1804/1810; Schultze, Christ. Friedrich, im Dienste d. Logen 1804/1815; Taumeyer, Johann Heinrich (geb. 1739?), Viktualienhändler, Lotteriekanzleidiener, ML 1775, 1810, GRO 1780–1786; Teuchert, Johann Ehrenfried (geb. 1775?), Kastellan im Klub, 3Ser (nach 1810); Thierling, Widd 1794/1795; Thomas, Johann Friedrich (geb. 1782?), Buchbinderm., 3Ser (nach 1810); Thürnagel, Johann Gottfried (geb. 1765?), Diener, 1797– 1803; Touré (Turré), Johann Friedrich (1726/27–1804), Feldwebel, 1779, 1800–1804 Kastellan; Wartenberg, Johann Chris­ tian (1764?–1805), Diener, 1797, 1804 Kastellan. Bibliographie: Quellen: GStA PK, Freimaurerbestände: Freimaurer 5.1.4. Große Natio­ nal-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“; Freimaurer 5.2. B 26 Zur Eintracht, 5.2. B 55 315

5 Freimaurer-Logen

Zu den drei Seraphim, 5.2. B 58 Zum flammenden Stern, 5.2. B 62 Zur Verschwiegenheit. – Literatur: 200 Jahre Loge „Zur Verschwiegenheit“ i. Or. Berlin 1775–1975. Festschrift. Berlin 1975. – Gerlach, Karlheinz: Die Berliner Freimaurer 1783. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung. In: Reinalter, Helmut / Gerlach, Karlheinz (Hg.): Staat und Bürgertum im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Studien zu Frankreich, Deutschland und Österreich. Ingrid Mittenzwei zum 65. Geburtstag. Frankfurt a. Main 1996, S. 191– 245 (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“, Bd.  17, Hg. Helmut Reinalter). – Gerlach, Karlheinz: Die Mitglieder der Berliner Freimaurerloge „Zur Eintracht“ 1754–1815. In: Reinalter, Helmut (Hg.): Aufklärung und Geheimgesellschaften; Freimaurer, Illuminaten und Rosenkreuzer: Ideologie – Struktur und Wirkungen. Internationale Tagung 22./23. Mai 1992 an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Bayreuth 1992, S. 137–149. – Gerlach, Karlheinz: Die Berliner Freimaurer 1740– 1806. Zur Sozialgeschichte der Freimaurerei in Brandenburg-Preußen. In: Europa in der Frühen Neuzeit. Festschr. für Günter Mühlpfordt. Bd. 4 Deutsche Aufklärung. Hg. Erich Donnert. Weimar/Köln/Wien 1997, S. 417–

453. – Gerlach, Karlheinz: 1798 – Die preußische Freimaurerei zwischen staatlicher Reglementierung und Reform. In: Freimaurerische Wende vor 200 Jahren: 1798 – Rückbesinnung und Neuanfang. Hg. v. Helmut Reinalter im Auftrag der Quatuor Coronati-Loge Bayreuth. Bayreuth 1998, S. 13–29. – Gerlach, Karlheinz: Die preußische Freimaurerei zwischen Konservatismus und Modernisierung 1789–1806. In: Die Französische Revolution und das Projekt der Moderne. Hg. Pelinka, Anton / Reinalter, Helmut. Wien 2002 (Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische Ideengeschichte der Neuzeit, Bd. 14). – Gerlach, Karlheinz: Die Freimaurer im Alten Preußen. 1738–1806. Die Logen in Berlin. Innsbruck/Wien/Berlin 2014. (Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei; hg. von Helmut Reinalter in Zusammenarbeit mit dem Institut für Ideengeschichte, Bd. 14). – (Richter/Dorr): Aus vergangenen Tagen. Geschichtliche Bilder aus der St. Johannisloge Zur Verschwiegenheit 1775/1925. Berlin (1925). – Runkel, Ferdinand: Die Johannis-Loge zur Beständigkeit von 1775 bis 1925. Zum 150jährigen Stiftungsfest. Handschrift für Freimaurer. Berlin 1925. – Schneider, Georg: Festschrift zum 150. Stiftungsfest der St. Johannisloge zu den drei Seraphim im Orient Berlin. Berlin 1924.

Karlheinz Gerlach

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Großloge Royal York [RY]

Großloge Royal York [RY] Name: Loge de l’Amitié; 1765 La Loge Royale d’York de l’Amitié; 1798 Große Loge Royal(e) York zur Freundschaft; 1915 Großloge von Preußen, genannt zur Freundschaft; ab 1946 Große Loge Royal York zur Freundschaft. Gründungen: 1752 (?) als Loge de l’Amitié; 1761 als De l’Amitié aux trois Colombes; 1765 La Loge Royale d’York de l’Amitié; 1798 Aufteilung in vier Berliner Tochterlogen: Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit [FWzgG], Zur siegenden Wahrheit [ZsW], Urania zur Unsterblichkeit [Urania], Pythagoras zum flammenden Stern [Pyth] und Konstitution als Große Loge Royal(e) York zur Freundschaft; 1915 Umbenennung in Großloge von Preußen, genannt zur Freundschaft. Bestand: 1935 Zwangsliquidation; 1946 Wie­ deranfang als Große Loge Royal York zur Freund­schaft. Sitz: Zuerst fanden die Arbeiten bei einzelnen Brüdern oder in wechselnden gemieteten Lokalen statt. 1777 wurden Räumlichkeiten im Haus des Confiseurs Menn Unter den Linden/Ecke Charlottenstraße angemietet. 1779 erwarb die Loge für 7.500 Taler Gold die Villa Kameke in der Letzten Straße 24, der späteren Dorotheenstraße. Nach der Zerstörung dieses Hauses bezog die RY 1953 das Logenhaus in der Emser Straße 12–13, Berlin-Wilmersdorf. Programmzitat: „Der Grundvertrag […] ist auf folgende zwey unstreitige Grundsätze gebaut: I. Jede Gesellschaft, der es an äussern Zwangsmitteln fehlt, muss unablässig dahin arbeiten, dass ihre Ordnung und alles Gute, was in ihr geschieht, nicht von den zufälligen guten Eigenschaften der zeitigen Vorsteher, die abgehen, sich verändern, sterben können, sondern aus der Fundamental-Verfassung, oder aus der Form der Gesellschaft selbst erfolge. / II. Nur jene Gesellschaft kann eine gut organisirte genannt werden, deren Vor-

Abb. 59  Siegel der Großloge Royal York, 1800.

steher Kraft der Verfassung alle Macht haben, Gutes zu wirken, ohne es aufzudringen, und keine Macht Böses zu thun, oder willkührlich zu herrschen“ (Grundvertrag der Grossen Frey-

maurer-Loge Royale York zur Freundschaft oder des unter Constitution und zu dem Systeme der Grossen Mutterloge R. Y. z. F. vereinigten Logenbundes. Zweyte, durchaus revidirte Ausgabe. Im Orient von Berlin, 1800). Geschichte: Die Anfang der 1750er Jahren von französischen Immigranten gegründete Loge erhielt 1761 ein Patent der  Mutterloge zu den drei Weltkugeln. 1765 konnte sie den Bruder des englischen Königs, den Herzog Eduard August von York, aufnehmen, führte darauf seinen Namen und erlangte 1767 ein Patent der englischen Großloge. 1796 kam Ignaz Aurelius Feßler (1756–1839) nach Berlin und schloss sich der RY an. Als stellvertretender Großmeister führte er grundlegende Reformen durch, die in der maurerischen wie der profanen Welt seinerzeit viel Aufsehen erregten. Feßler, geboren in Ungarn, ein ehemaliger Mönch, bekannt als Verfasser eines populären historischen Romans, 317

5 Freimaurer-Logen

Abb. 60  Der Logenreformer Ignaz Aurelius Feßler, Porträt von 1805.

Abb. 61  Ernst Ferdinand Klein, Großmeister der Großloge Royal York.

war damals überzeugter Kantianer und erneu- Mit dem preußischen Juristen Ernst Ferdinand erte Verfassung und Ritual der Loge in diesem Klein (1744–1810), der von 1801 bis zu seinem Sinn. Vor allem aber gelang es ihm, in einer für Tode das Großmeisteramt der Loge innehatte, die Freimaurerei und besonders für die noch stand der RY nun eine Persönlichkeit vor, die ungefestigte Loge RY kritischen Zeit das Ver- durch die Wirren der Besatzungszeit hindurch trauen von König und Ministern zu gewinnen. die Loge wieder in ruhigeres Fahrwasser lenken Das Edikt vom 20. Oktober 1798 unterstell- konnte. Die engere Verbindung mit den beiden te die drei preußischen Großlogen staatlicher anderen Berliner Großlogen, die Klein einleiteAufsicht, sicherte ihnen aber zugleich eine te, verstärkte sich, als 1840 Prinz Wilhelm von Monopolstellung in den preußischen Staaten, Preußen, der nachmalige Kaiser Wilhelm I., das die bis 1893 Bestand hatte. Auf diese Weise Protektorat über die drei altpreußischen Großwurde die RY von Staats wegen den beiden logen übernahm. anderen Großlogen gleichgestellt. Auf dem Höhepunkt ihrer Ausdehnung zwi1799 stieß Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) schen 1920 und 1930 umfasste die Großloge zu der Loge. Persönliche Differenzen und Un- RY 112 Tochterlogen mit mehr als 11.000 terschiede in ihrem Verständnis von Freimau- Mitgliedern. Auch die Firmierung 1933 als rerei verhinderten jedoch, dass der prominen- „Deutsch-Christlicher Orden“ vermochte die te Philosoph die von Feßler erhoffte Stütze der Auflösung 1935 nicht abzuwenden. 1946 erReformbestrebungen wurde. Nach Jahren des folgte die Wiedergründung. rastlosen Auf- und Umbaus, der jedoch von wachsenden Streitigkeiten begleitet war, schied Struktur und Organisation: Bei Feßlers EinFeßler 1802 in einem Eklat aus der Loge aus. tritt bearbeitete die Loge ein französisches 318

Großloge Royal York [RY]

Hochgradsystem. Der VII. und höchste Grad lich bot die Großloge zehn Großbeamtenstelhatte die Leitung der Loge inne, was zu Kon- len. Bei dieser Vielzahl von Ämtern hatte jeflikten mit der Gesamtheit der Vollmitglieder, der die Möglichkeit, mit seinen Kenntnissen der Meisterloge, führte. Wie andere Logenre- und Erfahrungen tätig zu werden. Der Adeliformer der Zeit war Feßler bestrebt, die Ver- ge erhielt einen repräsentativen Posten an der waltung der Loge von den Hochgraden zu Spitze und strahlte mit dem Glanz seines Natrennen. Bei ihm kam noch dazu, dass er sich mens auch auf die bürgerlichen Mitglieder. von der Selbstverwaltung in der Loge die ei- Die Räte übernahmen die eigentliche Leitung gentliche erzieherische Wirkung der Frei- der Loge. Die Sekretäre wurden Sekretäre, die maurerei erhoffte, eine Erziehung zur auto- Kaufleute kümmerten sich als Schatzmeister nomen Moralität im Kantschen Sinne. Nach und Stewards um ökonomische Angelegendem Grundvertrag der Loge in der Fassung heiten, die Ärzte und Apotheker waren als von 1800 (der 74 Druckseiten umfasst) konn- Hospitaliers für die kranken Brüder zuständig. ten Gesetze nur von den Gremien gegeben – Neben den eigentlichen „Aufnahmelogen“, werden, die aus dem vereinigten Willen al- wo Suchende initiiert oder Brüder in höhere ler einzelnen Logenmitglieder hervorgegan- Grade befördert wurden, fanden in der RY in gen waren. Die Inhaber des höchsten Grades dieser Zeit „Instruktionslogen“ statt, bei dewaren nur noch für Ritualfragen zuständig. – nen der Inhalt des Rituals durchexerziert und Die Verfassungsreform vollzog sich in Etap- Vorträge über freimaurerische Themen gehalpen, ein wesentlicher Schritt war die Grün- ten wurden. Einen erstaunlichen Teil der mitdung der Großloge am 11. Juni 1798. Dabei einander verbrachten Zeit nahmen aber die teilte sich die mit über 200 Mitgliedern recht verschiedenen Verwaltungssitzungen und Begroße Loge in vier Tochterlogen, die sich ratungen über die Verfassungsreform ein. Es gleich darauf mit den drei auswärtigen Toch- lässt sich sagen, dass die Gruppe der Amtsinterlogen in Kalisch, Schweidnitz und Brom- haber im Wesentlichen identisch war mit der berg zur Großen Loge Royale York zur Freund- Gruppe der aktiven Brüder. Die Auswertung schaft vereinigten. Dieser Schritt stützte sich der Protokolle eines typischen Monats (Okmehr auf das zeitgenössische Naturrecht als tober 1798) ergab, dass jeder der Beamten die auf maurerischen Brauch, Feßler verstand ihn Logenarbeiten durchschnittlich fast 3,5-mal aber als notwendig für eine Existenz als Groß- besuchte, ein gewöhnlicher Bruder dagegen loge (ein Verwaltungsgremium, das die Befug- nicht ganz einmal (0,8). – Feßler hat sich nie nis hat, Tochterlogen zu konstituieren). Zu- bemüht, die Hochgrade abzuschaffen, sondem vervielfachte sich dadurch die Zahl der dern hat sie in sinnfällige und poetische InLogenämter: Als Feßler in die Loge kam, hat- szenierungen der rationalistischen Theologie ten ca. 15 Prozent einen oder mehrere Beam- der Zeit verwandelt. Im Mittelpunkt steht die tenposten in der Loge inne. Zwei Jahre spä- wahre Lehre Jesu, eine reine Sittenlehre. Jeter bekleideten ca. 27 Prozent ein oder meh- sus hatte diese Lehre, die auffallend der Kant­ rere Ämter in der Loge, weitere 12 Prozent schen Moralphilosophie ähnelt, von den Eswaren in neugeschaffenen Gremien vertre- senern, deren Bund er angehörte, und außerten. Jede der vier Berliner Johannislogen hat- halb der Kirche wurde sie bis in die Freimaute 1798 zwölf Beamten- und Vorsteherstellen: rerei tradiert. Diese Hochgradrituale wurden Meister vom Stuhl, Erster und Zweiter Vor- seinerzeit nur wenigen Brüdern ganz bekannt. steher, Sekretär, Redner, Zeremonienmeister, Was davon allerdings nach außen drang, sorgSchatzmeister, Hospitalier, Erster und Zwei- te für Missverständnisse und Irritationen – geter Zensor (zuständig für das Betragen in der rade in Verbindung mit der schillernden PerLoge), Erster und Zweiter Steward. Zusätz- son Feßlers. Dieser Teil der Reform ging mit 319

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Drei Karikaturen von Johann Gottfried Schadow (seit 1790 aktives Mitglied der RY ) auf Verwaltung und Geselligkeit der Loge.

Abb. 62  Die Radierung „Logengeheimnisse“ karikiert das Finanzgebaren der Loge. Der Mann mit den Tier­ohren könnte Feßler darstellen (© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Sign.: 641-116).

Abb. 63  Im „Billardzimmer“ tragen die meisten Freimaurer Hundeköpfe; in der Mitte ein Maurer in Mönchskutte (Feßler?) (© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Sign.: 640-116).

Abb. 64  Das „Gartenfest“ zeigt einen Obelisk mit der Inschrift „Au Restaurateur de la Loge“, d. i. Feßler. Am Tisch sitzend ein Mönch mit Tierohren, der ein Mädchen umfasst und ihm Geld zusteckt (Feßler?) (© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Sign.: 642-116).

dem Reformer unter; Grundzüge der Verfassung und die von Feßler revidierten Johannisgradrituale aber sind bis heute in den Logen der RY in Gebrauch. – Geselligkeit: Die RY beging vor dem Erwerb des Logenhauses den Johannistag (24. Juni) mit einem alljährlichen Gartenfest, das mit Konzert, Feuerwerk, Ball und Verteilung von Almosen viel Beachtung fand. Daneben wurde der Königsgeburtstag gefeiert. Das Logenhaus in der Letzten Straße wurde dann ein in allen Reiseführern erwähntes Zentrum des Berliner geselligen Lebens. Der Bau, das letzte Werk Andreas Schlüters (1659/60–1714) für den Geheimen Rat 320

und Staatsminister Ernst Bogislav v. Kameke (1674–1726), bot alle Pracht eines barocken Lustschlösschens: Der Mittelbau barg an seiner Gartenseite einen durch beide Geschosse gehenden, achteckigen „Salon à l’italienne“ mit Reliefs von Schlüter. Das Inventar von 1792 erwähnt u. a. ein gelbes, grünes, blaues und ein rotes Zimmer, weiter gab es ein Silhouetten-Zimmer mit einer Porträt-Galerie der Mitglieder, Zahlstube, Musikalienzimmer, Archiv, Kanzlei, Klub-Raum, Billard-Stube und eine wohlsortierte Bibliothek. Die Logenarbeiten fanden in einem ehemaligen Orangeriehaus im Garten statt, das mit

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Abb. 65  Logenhaus der Royal York, Palais Kameke, Letzte Straße 24, Straßenfront, 1833.

Abb. 66  Gartenfront des Logenhauses Royal York. Kupferstich von Calau, um 1800. 321

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Abb. 67  Das Logengrundstück im Jahre 1782 (Plan). 322

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dem Haupthaus durch einen überdachten, versenk­ ten Gang verbunden war. 1797 errichtete die Loge für über 11.000 Reichstaler einen Verbindungsbau zwischen dem Tempel und dem Haupthaus, der drei größere Zimmer zur Straße hin bot sowie einen Speisesaal. Dieser fasste rund 200 Personen und war damals einer der größten Säle in Berlin. Die Loge verfügte im Souterrain über eine große Küche sowie über Wein- und Bierkeller. Bis ans Ufer der Spree erstreckte sich der Garten der Loge im englischen Stil, der als einer der schön­sten von Berlin galt. – Rund die Hälfte des Monats, nämlich an den Tagen, an denen keine Logenarbeiten stattfanden, standen Haus und Garten auch den Familien der Mitglieder der RY und anderer Logen offen. Auch Nichtmaurer und deren Angehörige hatten an diesen Tagen Zutritt, wenn sie von Brüdern der RY oder deren Ehefrauen eingeführt wurden. Seit 1797 fand Sonntag mittags ein großes Essen in dem neuerbauten Speisesaal der Loge statt, an diesen „Picknicks“ nahmen oft 200 Personen und mehr teil. Die Mitglieder der RY konnten im Logenhaus auch Zimmer erhalten, um dort Gäste zu empfangen und Mittag- oder Abendessen für sie zu arrangieren. Die Feste im Logenhaus (Johannistag, Königsgeburtstag, Trauerloge und Schwesternfest) vermieden nun den früher üblichen Prunk (getanzt wurde nach 1790 im Logenhaus nicht mehr), wurden aber weiter in der zeitgenössischen Presse erwähnt. Mitglieder: a) Allgemeines: Unter den Berliner Logen im 18. Jahrhundert hatte die RY eine wenig glanzvolle und recht heterogene Sozialstruktur, was mit ihrer Geschichte zusammenhing. Zu Feßlers Zeit waren für die Loge Handelsbürgertum, Subalternbeamte und Künstler charakteristisch. Eine Liste von 1798 führt 208 aktive Mitglieder auf, 17 von ihnen waren adelig, der Anteil des Adels lag damit bei acht Prozent. Mit 31 Prozent bildete das Gewerbebürgertum die stärkste Gruppe in der RY: 57 „Kaufleute“ und sieben „Fabri-

kanten“ finden sich in der Mitgliederliste, wobei die summarische Bezeichnung nichts über ihre tatsächliche soziale Stellung, Eigentumsverhältnisse oder Größe des Betriebs aussagt. 1798 hatte die RY 55 Beamte (26 %) unter ihren Mitgliedern, von ihnen waren 16 bei der Akziseverwaltung tätig. Nur 44 Prozent der Beamten hatten einen Ratstitel, die Mehrheit waren Subalterne auf der Ebene der Sekretäre. 27 Mitglieder (13 %) der RY gehörten dem Militär an, die Hälfte von ihnen waren adelige Offiziere. Daneben gab es einige bürgerliche Artillerieoffiziere und neun Feldjäger vom reitenden Corps. 22 Mitglieder, fast elf Prozent, übten die freien und mechanischen Künste aus: sieben bildende Künstler, fünf Kunsthandwerker, neun Musiker im Dienste des Hofes. Eine solche Anzahl Künstler vereinigte keine andere der Berliner Logen. Elf der Mitglieder arbeiteten als Ärzte oder Apotheker; weiter gab es ein paar Professoren, Lehrer und Geistliche. Das Durchschnittsalter der Mitglieder betrug 1782 35 Jahre, 1799 lag es bei 40 Jahren. Im Zeitraum 1786–1815 hatte die RY 945 Vollmitglieder und 24 dienende Brüder, zusammen 969 Mitglieder. – Ein Verzeichnis von 1796 nennt die Konfession der Mitglieder: Es waren 69 Prozent Lutheraner, 23 Prozent Reformierte und sechs Prozent Katholiken (ein Anglikaner, vier ohne Angabe). Hier zeigt sich noch der starke Anteil der französischen Kolonie. Jüdische Brüder erhielten 1854 Besuchsrecht, 1872 konnten sie in die Johannisgrade aufgenommen werden, was 1924 wieder revidiert wurde. Weil er in der Praxis bei der Ballotage (s.u.) eine Diskriminierung von jüdischen Aufnahmesuchenden wahrnahm, trat 1889 der Großmeister der RY, Hermann Settegast (1819–1908), von seinem Amt zurück, gründete eine eigene, ‚humanitäre‘ Großloge in Berlin (Kaiser Friedrich zur Bundestreue) und erstritt die Aufhebung des auf das Edikt von 1798 gegründeten Sprengelrechts. – Dass die Loge um 1800 eine Schicht mit hoher Mobilität ansprach, zeigen die Geburtsorte der Mitglieder. Das Proto323

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kollbuch des ersten Grades verzeichnet vom Einzelmitglieder 1786–1815 in Berlin (zu­ Juni 1797 bis Juli 1799, also für zwei Jahre, 67 sammen­gestellt von Karlheinz Gerlach und Uta Aufnahmen und Affiliationen. Nur ein knap- Motschmann): Abée, Johann Friedrich (geb. pes Viertel der Neuaufgenommenen (23 %) 1760), Oberakziseeinnehmer, Pyth 1803, war in Berlin geboren, 73 Prozent auswärts FWzgG 1803–05, 2. Zensor 1805–07, 1807/08 (zwei ohne Angaben). Ihnen konnte die Loge gestrichen; Ackermann, Karl David, Packin der neuen Stadt eine Heimat werden und hofbuchhalter, ZsW 1814/15; Adam, Johann ein Ort, Beziehungen anzuknüpfen. Auf- Gottfried (geb. 1762?), Referendar, a. Zur schlussreich für diese Gruppierungen, die Verschwiegenheit in St. Petersburg, Mitgl. nicht in korporative Sicherungssysteme ein- 1795–1799, 1800 nicht mehr genannt; Adler, gebunden waren, war auch der 1800 gegrün- Johann Konrad (1760–1824), Ratsmaurerm., dete Rettungsverein der RY, eine Versicherung Pyth 1800–1824, 1. Stew. (Ökonom) 1802– auf Gegenseitigkeit für die Mitglieder der RY 1805, 2. Stew. ab 1815; Albert, Johann Chrisund ihrer Tochterlogen zur finanziellen Hilfe tian (1740–1803), Haushofm. d. Königinmutbei unverschuldeter Not. Das ehrgeizige Pro- ter, a. Widd 1780, Minerva in Potsdam 1781– jekt mündete dann aber lediglich in eine Ster- 1790, Widd 1790–1796, Urania 1794/1803; bekasse für die Berliner Brüder. – Exklusivität Albert, Johann Friedrich (geb. 1770?), Lottesicherten sich die Logen nicht nur durch die riesekr., FWzgG 1802/03, deckte 1803/04, Regularien der Kooptation (in der RY schlos- FWzgG 1806–1810; Alberts, August Ferdisen bei der geheimen Abstimmung durch Bal- nand (geb. 1771?), Geh. Sekr., Widd lotage drei Gegenstimmen von der Aufnahme 1794/1795, 1796 Abschied, ZsW 1796–nach aus), sondern auch durch die Aufnahmege- 1815, 1811 1. Zensor, 1815 Repräsentant der bühren. Um den regulären Status eines Frei- Provinzialloge von Kurhessen bei d. Großen maurers, den Meistergrad, zu erreichen, wa- Loge; Alberts, Karl, Küchenm. d. verw. Kgn., ren um 1800 in der RY mit etwa 70 Taler zu Urania 1796–1804; Aldefeld, Johann Ludwig rechnen. Dazu kam ein monatlicher Mitglie- (1763–1828?), Seidenbandmanufakturbesitzer, derbeitrag (1792 16 Groschen, später mehr) später Lehrer, a. 1797, 1797–nach 1815 sowie Aufwendungen für Essen und Getränke. FWzgG, 1798 Sekr., 1801 1. Zensor u. sub­ Exklusiver noch waren die Hochgrade, gerade stit. 1. Aufs., 1803/04 2. Aufs., 1804/05 2. durch die mit ihnen verbundenen Gebühren. Zensor u. substit. 2. Aufs., 1811 2. Stew., Re1801 werden als Kosten für die Grade IV bis präsentant Zur Harmonie in Hohenstein; inklusive VII 106 Taler angegeben, eine Sum- Alessandri, Felice (1747–1798), Opernkomme, die sich viele Mitglieder der RY im Meis- ponist, 1790–1792; Amelang, Karl August tergrad nicht leisten konnten. – b) Stuhl- Friedrich (geb. 1764?), Kriegsrat, a. 1794, meister bzw. Großmeister: Jean Pierre Dela- 1797–nach 1815 FWzgG, 1798 substit. Großgoanère 1774–1783 (Großmeister bis 1798); sekr., 1798/1810–1815 M. v. Stuhl, 1799 Louis Baudesson 1781–1788 („substituierter Großsekr., 1802/03 auch Großredner, Meister“ bzw. Meister vom Stuhl der Johan- 1804/05 Oberm. im Innersten Orient, 1806/07 nisloge); Claude Étienne Le Bauld de Nans Oberzensor, 1802 Repräsentant Luise in (Ber1788–1792; Carl Friedrich Ludwig Schlicht lin-)Charlottenburg, 1807 Repräsentant 1792–1793; Etienne Mayet 1793–1794; Ge- FWzgG bei d. Großen Loge, 1808–nach 1815 org Wilhelm Rettcher 1794–1795; Carl zugeordneter Großm.; André, Landelin Josephe Friedrich Ludwig Schlicht 1795–1798; Fried- (geb. Mons/Hennegau), engl. Sprachlehrer, rich Wilhelm August v. Sellentin 1798–1801 1769 L’Union in London, 1782–1798 Mitgl. (Großmeister); Ernst Ferdinand Klein 1801– RY, 1783/1787 Zélateur, Frère terrible 1810; Johann Gotthilf Hey 1810–1832. – c) (Fürchterlicher Bruder, Vorbereitender Bru324

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der), 1798 Mitgl. d. Kapitels; Angely, Jean (geb. 1755?), Kaufmann, a. 1783 RY, 1793 Sekr., 1794 Abschied; Apel, Georg Friedrich (1766–1818), Lotteriesekr., 1806–nach 1815 Pyth, 1807 Sekr.; Arndt, Sigismund August David, Schulvorsteher, 1805–nach 1815 Pyth; Arnim (sen.), Joachim Bar. v. (1741–1804), Geh. Legationsrat, a. 1762 De l’Amitié, 1770 Eintr, 1796 Allgem. altschott. Loge, 1798–1804 ZsW; Audemar, Louis Esaïe (1722?–1796), Juwelier, a. 1748 L’Union in Genf, 1750 ML3W, aff. 1782 RY, 1783–1797 Mitgl.; Auerhan (Auerhahn), Johann Georg (1767– 1813), Materialhändler in Berlin, a. 1800 Pyth, 1800 in FWzgG, 1800–1812 Pyth; August Friedrich Pz. von England, Hz. von Sussex (1773–1843), nach Italienaufenthalt 1798– 1800 in Berlin, wo er I. A. Fessler kennen lernte, 1805 vors. M. Lodge of Antiquity, 1812 Großm. von England, vereinigte 1813 die beiden engl. Großlogen Ancient Masons u. Großloge von England zur Vereinigten Großen Landesloge aller alten Freimaurer in England, 1839 Große Loge von Preußen EM, aff. 1798 auf Vorschlag Fesslers ZsW, 1799 1. Aufs., 1799 Repräsentant d. Großen Loge von London, 1801–1815 abwes. ZsW; Ayot, Gauthier d’, a. 1790; Bahn, Heinrich Wilhelm (1746?–1808/ 09), Kaufmann, 1780–1798 RY, Ende 1798 Abschiedsgesuch, aff. 1802 Bst, noch 1806 Mitgl.; Bähr (Bahn), Gottlob Friedrich (geb. 1756?), Landbaum. in Pless/Oberschl., a. 1798 Urania, 1798/1802 abw. Mitgl.; Balck, Hieronymus (geb. 1764?), Kaufmann in Hildesheim, a. 1795 RY, 1798–1802 abwes. Urania; Ballerstaedt, Johann Andreas Gottfried, Kaufmann in Kyritz, 1811–1815 abwes. FWzgG; Ballhorn, Friedrich (geb. 1775?), Dr. phil. in Amsterdam, a. 1798, 1798–1811 FWzgG abwes., 1798 Visiteur La bien Aimée in Amsterdam; Ballusch, August Friedrich, Lieferant, 1807 Pyth; Barby, Christ. Ludwig, Kaufmann, 1815 2. Zensor ZsW; Bardeleben, Fr(iedrich) Wilhelm v., Kammerherr, Hofmarschall, 1814 Urania abwes., in Kassel, 1815 EM Urania; Bardeleben, Karl Gottlieb

Friedrich v. (geb. 1745?), Major, a. 1788 RY, 1789 Stew., 1799–1801 Urania, deckte 1801/02, 1807 Pyth, 1808–1813 Urania, 1808–1811 Repräsentant Urania bei d. Großen Loge, 1805/1811 1. Aufs. Urania, 1808/09 2. Aufs., 1809–1813 Großzeremonienm. d. Großen Loge; Barnick (Barnik), Johann Friedrich (geb. 1757?), Baukondukteur, Salzdepotdir. in Königsberg/Pr., a. 1782, 1783 Architekt, 1788 aff. Zu den drei Kronen in Königsberg/Pr.; Barraud, Jacques Aug., Kaufmann, 1813– 1815 ZsW; Barraud, Johann David, Lederfabrikant, 1805 2. Stew. ZsW, 1811 1. Zensor ZsW, 1811–1814 1. Stew. ZsW; Bars, Johann Friedrich August (geb. 1760?), Akzise- u. Zollinspektor, a. 1788 RY, 1799–1801 Urania, deckte 1802/03, 1803/04 Urania, 1805 Urania abwes.; Bars, Karl Friedrich Reinhold (geb. 1770?), kgl. Feldjäger, a. 1796, 1803– 1811 Urania, 1807/08/1811 abwes.; Barthscherer, Johann Friedrich (1738?–1799), Kaufmann, a. 1797, 1798 Großalmosenpfleger, 1798 ZsW Almosenpfleger, 1798/99 2. Vorst. d. Stewardsloge; Bartscherer, Karl Ludwig, Buchhalter auf d. Packhof, 1814/15 Urania; Basset, Pierre (1751–1812), Kaufmann, a. 1782, 1783 3. Stew., 1788 Zelator, 1789 Stew., 1798 2. Aufs. ZsW, 1797/1798 2. Großvorst., 1799 2. Vorst., 1800 1. Großvorst., 1800 2. Aufs. ZsW, 1802/1806 1. Aufs., 1806/07 Substitut d. Innersten Orients, 1801/1803–1810 auswärt. EM d. Großen Provinzialloge von Niedersachsen in Hamburg, dort Repräsentant d. Großen Loge von Preußen, trat 1807 wegen Krankheit von Ämtern zurück, bis 1811 ZsW; Bath, Georg Leopold (geb. 1768?), 1800–1835 Pfarrer in Langen/Brandenburg, a. 1799 Urania, 1799/1800, 1801 FWzgG, 1802/03 Urania abwes.; Bätke, Adolph Friedrich (geb. 1765?), Justizkommissar, a. 1797 RY, 1798– 1812 FWzgG abwes.; Baudesson, Louis (1742–1788), Hofjuwelier, a. 1766 Eintr in Berlin, aff. 1777, 1779–1781 2. Vorst., 1779/ 1781–1788 deput./substit. M. für franz. Arbeiten, 1783/1787 M. v. Stuhl; Bauer, Friedrich Wilhelm Ferdinand (1768–1815?), Kan325

5 Freimaurer-Logen

tor, Lehrer, a. 1800 in Urania, 1802 Pyth, 1803/04 Repräsentant Zur Standhaftigkeit in Potsdam beim 2. Kollegium d. Großen Loge, 1803–1804/05 substit. Redner Pyth, 1805 Redner Pyth, 1805–09 Sekr., 1811/12 Repräsentant Pyth bei d. Großen Loge, 1811/12 2. Aufs. Pyth, 1813–15 1. Zensor, 1813 abwes. im Felde; Bauer, Karl (geb. 1756?), Virtuose, a. 1792 RY; Baumann, Adolf Friedrich (geb. 1766?), Kaufmann, a. 1794 RY, 1797–nach 1815 FWzgG, 1798 1. Stew., 1799/1800 2. Stew.; Baumgarten, Johann Karl Friedrich, Stadtrichter, Bürgerm. in Luckau, 1811–1815 Urania; Baur, Friedrich Wilhelm, Magazinrendant, Feldproviantkommissar, 1805–1811 Pyth; Bausewein (Pausewein), Johannes (geb. 1753?), Maler, a. 1779, 3. Grad vor 1795; Bauvré (Bauvrée), Auguste de (geb. 1731?), kgl. Kammerherr, Winkelloge, 1780 rektif. 1./2. Grad, ab 1783 Mitgl. RY, 1798–1804 ZsW, deckte 1803/04; Beaufay, Leopold George, Kaufmann, 1795–1798 RY, 1799– 1813 Urania; Beaufay, Philippe (1761–1823), Unternehmer, a. 1792 RY, 1797–nach 1815 Urania, 1807/08 Zeremonienm., Präparateur, 1807/08 2. Vorst. d. Stewardskollegiums, bis 1811 Almosenpfleger d. Vereinigten Johannislogen; Beck, Otto Fabian, a. 1794 RY; Beelitz, Christian Friedrich (geb. 1743?), Kaufmann in Frankfurt a. M., a.1785, 2./3. Grad 1787; Beer (Berr), Johann Gottfried, Kaufmann in Magdeburg und Lieferant in Berlin, Kommerzienrat, 1805–1815 Pyth, 1813 Hospitalier; Beeren, Karl Friedrich Hermann Frhr. v. (1749–1817), Generalmajor, a. 1776 FlSt in Berlin, aff. 1780 Royale York de l’Amitié mit Zustimmung der ML3W; Behr, Ulrich Johann Ernst Frhr. v. (geb. 1772?), Leutn., a. 1793 RY, 1797/1799 ZsW, 1801–1811 abwes., 1804/05 Hospitalier (Krankenpfleger) ZsW; Behrend, August Wilhelm (geb. 1755), 1798–1822? Apotheker Zum Elefanten, a. 1790 RY, 1794 substit. Aufs., 1796 2. Aufs., 1798 Mitgl. d. Kapitels, 1796–nach 1815 ZsW, 1803–nach 1815 Hospitalier (Krankenpfleger); Bein, Franz Alexander (geb. 1763?), 326

Jurastudent in Halle, a. 1782 RY, 1788 3. Grad; Bein, Johann Alexander (1734?–1819?), Hofrat, a. 1781 RY, 1782 Zeremonienm. d. dt. Sprache, 1784 Deputation La Fidélité aux trois Colombes (Die Treue zu den drei Tauben) in Bromberg Gründer, M. v. Stuhl, 1792 deren Repräsentant, 1793/1795 Grand juge, 1796 substit. M. v. Stuhl, 1796/97 Großredner, 1798 exklud.; Beinl (1801 Reichsadel) Edler v. Bienenburg, Anton Johann (1749– 1820), Chirurgiemajor, 1788 3. Grad auswärt. Mitgl.; Benda, Friedrich Ludwig (1752– 1792), Violinist, Komponist, a. 1783 RY, EM; Benda, Joseph (1724–1804), Violinist, Kapellm., a. 1781 RY, 1783 Mitgl.; Benda, Johann Friedrich Ernst (1749–1785), Violinist, a. 1771 RY, 1778 dispend., 1780 reaff., 1782 Logenkonzertdir.; Benecke, Christian (1763– 1803), Bankier, a. 1793, 1799–1803 abwes. Mitgl. Pyth; Benecke, Stephan (1768–1806), Bankier, 1796 Mitgl. 1. Grad, 1797–1806 ZsW; Benisch, Friedrich (geb. 1765?), Kaufmann, a.1798 Urania, 1798 abwes.; Bennecke, Friedrich August (geb. 1769?), Artillerieu. Feuerwerksleutn., 1805–nach 1815 ZsW, 1806 Sekr., 1815 1. Zensor; Bentheim, Wilhelm v., Kapt., 1805/1811 Urania abwes.; Berg, Friedrich Wilhelm v. (Herr auf Schloss Sagnitz [Sangaste]/Livland?), Kap. im Kadettenkorps, 1795/96 Mitgl. RY, 1798 abwes.; Berg, Karl Friedrich, Stabsarzt, 1814/15 Pyth; Bergemann, Christian, Kaufmann, 1805– 1815 ZsW, 1809 Hospitalier; Bertog, Friedrich, Kaufmann, a. 1791/92, 1792 2. Grad; Bery, Jean-Charles (1748?–1802), Oberchir., a. 1779, 1782 Hospitalier, Mai 1783 demiss., 1788 erneut Mitgl., 1789 Stew., 1797–1800 Hospitalier (Krankenpfleger) in ZsW; Bessel, Friedrich v., Leutn., 1796 RY, Urania 1799/1800, 1800/01 Luise in (Berlin-)Charlottenburg; Bessel, Karl v. (geb. 1770?), Leutn., a. 1797 RY, 1799 Entlassungsgesuch wegen Krankheit; Bethmann, Heinrich Eduard (1774–1857), Schauspieler, a. 1801, aff. 1801 Urania, 1801–nach 1815 Urania; Bettbier, Johann Jakob (1745/1749?–1795), Kauf-

Großloge Royal York [RY]

mann, a. 1779, 1783 (substit.) Sekr., Trauerloge 1795; Betzold, Jakob Heinrich, Kaufmann, 1807 Mitgl. Pyth; Bever, Johann Friedrich, Buchhändler, 1813–nach 1815 FWzgG; Beyer, Karl Joseph, Oberkonsistorial- u. Direktionsrat in Breslau, 1802/1809 ZsW abwes.; Beyrich, Ferdinand (1745–1817), Manufakturunternehmer, a. 1774, 1797–1811 ZsW; Bez, Christoph Ernst Karl (geb. 1759?), Kaufmann, a. 1796, Urania 1798/1802 abwes.; Biedermann, D. (Dr.?) (gest. 1794), aff. 3. Grad 1792; Bier, August Wilhelm, Braueigner, 1811–nach 1815 Urania; Biernacki, Felix Gf. (geb. 1776?), in Wien, a. Apollo zu den drei Akazien in Leipzig, aff. 1802; Biernacki, Józef Gabriel Alojzy Gf. (1774–1834), k.u.k. Kammerherr, a. 1802 FWzgG, 1803–1808/1811 abwes.; Bischoff, Christian Heinrich Ernst (1781–1861), Physiologe, a. 1805, 1805–1807 Urania, 1806 Redner; Bischoff, Friedrich (geb. 1758?), Arzt, La Heredon de Ste Gene­ viève in Straßburg/Elsass 1.–3. Grad, aff. 1780, bis 1782, 1791 auswärt. Mitgl. Zum silbernen Schlüssel in Bremen; Bismarck, Karl Alexander v. (geb. 1763), Grundherr auf Schönhausen (Altmark), a. 1787, 1788 abwes.; Blanchard, Jean-Pierre (1753–1809), Ballonfahrer, 1788 EM, ZsW 1796 EM, 1799–1808 abwes.; Blell jun., Christian August (geb. 1769?), Kauf- u. Handelsmann, a. 1795, 1798 Abschiedsgesuch, 1799 Pyth, 1801 reaff. Pyth, 1802–nach 1815 ZsW, 1805 Sekr.; Bluhm, Gustav Adolf (geb. 1770?), Apotheker, a. 1801 in Urania, 1806–1811 abwes.; Blumenthal, Karl Friedrich Gottlob, a. 1797 Pyth, 1799 stellvertr. Großsekr., 1800 Sekr., 1801 Repräsentant Zur wahren Eintracht in Schweidnitz und 1. Aufs. Pyth, 1803–1815 Repräsentant Pyth beim 1. Kollegium d. Großen Loge, 1802–1805/06 M. v. Stuhl Pyth, 1804/1805 Großschatzm., 1806–nach 1815 1. Großvorst., 1807/1807 Substitut d. Innersten Orients, 1809 1. Aufs. Pyth, 1810–nach 1815 Repräsentant der Loge Pax inimica malis zu Emmerich bei d. Großen Loge; Bock, Franz (geb. 1772?), Hutfabrikant, 1803–nach 1815 Urania; Bock,

Gottfried Wilhelm, Geh. Kalkulator im Departement d. Finanzministeriums, 1811–nach 1815 ZsW; Bock, Johann Heinrich David (geb. 1768), Lehrer für Geschäftsarithmetik u. Buchhaltung, 1813–1816 Magistratskalkulator, 1805/1811–nach 1815 Urania; Bock, Pierre François (geb. 1732?), Hutmanufakturier in Potsdam, a. 1777 Deputation De la Sagesse in Potsdam, 1777 Schatzm., 1778 2. Vorst., ab Dez. 1778 nicht mehr als Mitglied genannt, reaff. 1801, 1804 EM; Bocquet, Heinrich Wilhelm (geb. 1773?), Kaufmann, a. 1800 Pyth, 1800 FWzgG, 1800 ZsW, 1802 2. Stew., 1802–1806/07 2. Zensor, substit. 2. Aufs. ZsW, 1803–nach 1815 Repräsentant ZsW beim 1. Kollegium der Großen Loge, 1808–1813 2. Aufs., 1814/15 1. Aufs. ZsW; Böhm, Georg Heinrich (geb. 1767?), Kattunfabrikant, a. 1795, 1798–nach 1815 Pyth; Böhme, Karl Isaak (1754–1823), Kaufmann, a. 1780 De l’Amitié aux trois Colombes in Berlin, 1789 substit. Sekr., 1792 1. Aufs., 1794– 1797 substit. (abgeord.) M. v. Stuhl, 1798 ZsW Zensor, 1799 1. Zensor, 1800 2. Zensor, 1801 2. Zensor u. substit. 2. Aufs. ZsW, 1802–05 1. Aufs., 1806/07 Substitut d. Innersten Orients, 1800–nach 1815 Repräsentant Zur Einigkeit in Danzig bei d. Großen Loge, 1801 Repräsentant ZsW beim 1. Kollegium der Großen Loge, bis nach 1815 Mitgl. ZsW; Böhrmann, Gottlieb (1755?–1798?), poln. Sprachlehrer, aff. 1797; Boelling (Bölling), Gerhard Adolph, 1811–nach 1815 abwes. Urania; Böltzig, Otto v., (kgl. sächs.) Premierleutn., 1811–nach 1815 abwes. Urania; Borch, Wilhelm v. (geb. 1771?), Jagdjunker, 2. Grad 1794; Böttcher (Böttger), Johann Friedrich (1759–1814/15), Inspektor des Armendirektoriums, a. 1803 in Urania, 1804 in FWzgG, 1803/04–1813 Urania, 1805–1807 2. Zensor/1805 substit. 2. Vorst.; Böttiger, Karl August (1760–1835), 1791–1804 Rektor d. Gymn. in Weimar, Oberkonsistorialrat, 1814 Oberinspektor der Altertumsmuseen, a. 1783 durch Frhr. v. Rackwitz (M. v. Stuhl) in Zu den drei Schwertern und wahren Freunden in 327

5 Freimaurer-Logen

Dresden, 1787/1789 Zu den drei Granatäpfeln in Dresden auswärt. Mitgl., 1797 erhielt in RY durch Fessler als erster Grad d. Auserwählten des Neuen Jerusalems, 1798 abwes. Mitgl., 1799 bevollmächt. Repräsentant d. Großen

1809, 1793–1800 FWzgG Hospitalier; Bregel, Johann Georg Bernhard, Kapt., 1815 Pyth; Breitenfeld, Anton Gottlob (geb. 1741?), Kriegsrat, a. 1771, 1772 interim. Schatzm., 2. Aufs., 1774 1. Aufs., 1774 auch Afrik. Bauherrenloge, 1774 Großredner d. GLL, 1775 Redner, 1777–1782 deput. M. v. Stuhl d. dt. Arbeiten, deput. Repräsentant d. Armeeloge b. Pz. Heinrich, 1779 Redner, 1783/1786 Mitgl., 1800 ZsW, 1800 entlassen; Breitsprach, Benjamin Friedrich Ernst (geb. 1769?), Akzisekontrolleur, 1806 in FWzgG, 1806 Pyth, 1806 Urania, 1807/1809 Sekr.; Brenckenhoff, Leopold Schönberg v. (1749–1799), Major, Flügeladj. Friedrich Wilhelms II., Hofmarschall Friedrich Augusts Hz. von Braunschweig-Oels, 1782 Illuminat, aff. 1797, FWzgG 1798/1799 aktives Mitgl., Rede: An

Loge von Preußen Royal York zur Freundschaft b. allen Logen Deutschlands, 1807 Vorsitz d. Scientifischen Engbundes; Bourdeaux, Pierre Étienne (geb. 1755?), Buchdrucker und -händler, a. 1786, 1788 substit. Sekr., 1792 Sekr., 1798 auf eigenen Wunsch entlassen, 1803 reaff., 1804–1808 ZsW, 1805/1811 abwes.; Bourdet, Barthélemy Robert (1720– 1799?), Offizier-Inspektor der Hydraulik, a. 1765 Paris, 1776–1780 3Seraph in Berlin, 1783 Visiteur, 1787 aff., 1787 Architekt, 1795 EM, 1800–1804 abwes. ZsW; Bratring, Friedrich Wilhelm August (1772–1829), Geograph, Historiker, Urania 1800–(30.7.)1804; die Brüder der Loge Royale York zur FreundBraun, Johann (geb. 1753), Violinist, Kom- schaft, vom Br. von Brenckenhoff (1797); Brettponist, a. Frédéric de l’Amitié in Kassel, aff. schneider, Friedrich Wilhelm (geb. 1771?), 1797, 1799 FWzgG Zensor, 1799–1811 ZsW, kgl. Pensionärchir., a. 1802, 1803–1807 Ura1800–1804 1. Stew., 1805 1. Zensor, 1800/ nia, 1807–1811 abwes.; Brettschneider, Mar1804 Repräsentant Victoria zu den drei gekrön- tin Heinrich (1764?–1811), Dr. med., Regiten Türmen in Graudenz bei der Großen Loge; mentschir., a. 1803, 1803–1804/05 Urania abBraun, Johann Gottfried Friedrich (geb. wes., aff. 1805 Tempel der Tugend in Schwedt; 1769?), Buchhändler, a. 1800 (–1804) Pyth; Brochhausen, Wilhelm Heinrich, Geh. Sekr., Braun, Johann Karl Ludwig (1771–1835), 1798 Urania, 1802/03 abwes.; Bronnie, Adam Kriegs- und Domänenrat, aff. 1796, 1797 Gf. v., kgl. poln. Kammerherr, ZsW 1799– substit. Zeremonienm., 1798 Pyth Zeremo­ 1811 abwes.; Broumelle (Brumelle) Esquire, nienm., 1799–1809 ZsW, 1811/12 abwes.; William, in engl. Diensten, 1799–1808 abwes. Braune, Ludwig (Wilhelm) Heinrich, Kauf- ZsW; Bruckert (Brückert), Johann Gottfried, mann, 1805–nach 1815 Pyth; Braunsberg, Jo- Oberchir. an Pépinière in Berlin, a. 1800 hann Gottfried (1766?–1808/10), Akzisein­ ZsW, 4.12.1800 in Urania, 1801 Pyth, 1802 spektor, a. 1790, 1792/93 substit. Schatzm., Redner, 1803/04–1805 abwes., 1806/07 1. Stew., 1795/96 2. substit. Aufs., Urania Zensor, 1811/12 Hospitalier, aktives Mitgl. 1797/98 Stew., 1799 Hospitalier Urania, 1802 bis nach 1815; Brunnemann, Karl Heinrich 2. Stew., 1802–1805/06 Repräsentant im 2. (1786–1858), Gymnasiallehrer, 1811 Urania, Kollegium d. Großen Loge, 1803–1808 1. 1811–1815 Redner, 1812–nach 1815 RepräStew. Urania; Brause, Peter Alexander v. (geb. sentant Zur wahren Eintracht in Schweidnitz 1762), 1793–1800 Kriegs- u. Domänenrat u. bei der Großen Loge, 1813/14 Urania, 1815 poln. Rat in Posen, Grundherr, 1802/03– Großredner bei der Großen Loge; Brunner, 1805/06 ZsW abwes. Mitgl.; Brecht, Johann Karl, Mechaniker in Dinkelsbühl, 1811–1814 Wilhelm, Kaufmann in Breslau, 1805–1812 abwes. FWzgG; Brunner, Fidelius, Mechaniabwes. Mitgl. ZsW; Bredow, Gottlieb Wil- ker in Dinkelsbühl, 1811–1814 abwes. helm (1754?–1810), Hofapotheker, 1790– FWzgG; Buchholtz, Joachim Dietrich (geb. 328

Großloge Royal York [RY]

1763?), Justizkommissar, a. 1796, 1799 Urania, 1800 2. Aufs., 1802 Hospitalier, 1809 Repräsentant bei d. Großen Loge, Mitgl. Urania bis nach 1815; Buchholtz, Johann Joachim Friedrich (1772–1811), Ökonom, a. 1801 ZsW, 1805–1806 suspend., 1805–1811 ZsW, 1809 2. Stew.; Buchwald, Christ. Friedrich, Justizamtmann in Storkow, 1805/1811–1814 Urania abwes.; Buddée, Simon Christoph Friedrich (1752–1834), Unteroffizier, Steuerrat, a. 1796, 1797 substit. 2. Vorst., 1799/1800 Pyth 1. Vorst., 1801 Stewardsloge M. v. Stuhl, 1802/03–1804/05 Zeremonienm., Rede: Über

die wahren BewegungsGründe zum Beytritt in den erhabenen Orden (19.7.1804), 1799–1804 Repräsentant Zum Morgenstern in Hof, 1803/04 Pyth, 1803/04 1. Oberaufs. im Innersten Orient, 1805–1808 abwes., 1811/12 Redner Pyth, 1813–1815 abwes.; Buddendorff, Ernst Heinrich, Operntänzer, 1805– nach 1815 ZsW; Bugge, Ferdinand Ludwig, Brauereieigentümer, a. 1805 Zur Standhaftigkeit in Potsdam, aff. 1806 Pyth, 1806–1809 aktives Mitgl.; Bülow, Erdmann Friedrich (1762–1849), 1803 Pfarrer in (Berlin-)Friedrichsfelde, 1858 in (Berlin-)Stralau, a. 1796, 1798 Urania Redner, 1799 M. v. Stuhl, 1801 2. Aufs., deckte 1802/03, 1803–nach 1815 Urania abwes.; Bülow, Heinrich Friedrich v. (geb. 1773?), Kammerassessor, a. 1799? Sokrates zu den drei Flammen in Kalisch, 1801–1802 RY; Bülow, Heinrich Georg Friedrich v. (geb. 1763?), Major, Kommandant der Festung Küstrin, a. 1787, 1788 EM, deckte 1802; Büscher (Buscher), Gottfr. (Ludwig) Wilhelm, Regierungskondukteur, Mühlenbesitzer in Neustadt Eberswalde, 1813–nach 1815 Pyth; Butze, Christ. Friedrich Gottlieb (Gottfried), Kaufmann, 1805–nach 1815 ZsW, 1814 2. Zensor, 1815 Redner; Cabanis, Jean-Benoît (1774–1838), Dekorationsmaler, 3. Grad 1804, 1805–nach 1815 Pyth; Caradja, Constantin, Dolmetscher d. Gesandtschaft d. Hohen Pforte in Berlin, 1795/96 EM, 1799–1808 ZsW abwes.; Caspar, Johann Christian (geb. 1763?), Kammermusiker, a. 1795, 1797–1803/04

Urania; Cassebeer, Franz, Kaufmann, 1813/14 abwes. FWzgG; Catel, Ludwig (Louis) Friedrich (1776–1819), Architekt, 1805/1808– 1813 Pyth, 1807 Urania; Čebotarjov (Tschebotarew), Chariton Andrejevič v. (geb. 1784), kais. russ. Rat, Prof. phil., 1805 Urania, 4.9.1806 Abschiedsrede; Chappuis, François Louis (geb. 1754?), Literat, a. 1777 L’Amitié in Lausanne, aff. 1784 RY, 1786 Mitgl.; Charrier, Daniel (geb. 1759?), Kaufmann, a. 1783, 1800–nach 1815 FWzgG; Charton, JeanPierre (1766–1817), Lederhändler, Stadtverordneter, a. 1806 ZsW, Logenämter: Stew., Zeremonienm., 2. Vorst. d. Stewardsloge, Almosenpfleger d. Vereinigten Johannislogen, Großstew., Repräsentant Zur siegenden Wahrheit in Cosel, 21.4.1817 Trauerloge; Christian, John (geb. 1754?), Musterzeichner, a. 1783, 1797–1804/05 ZsW; Christopherson, Peter, Kaufmann, 1805 in Berlin, a. Zur Einigkeit in Danzig, 1805? aff. ZsW, 1805–1808 abwes.; Claude, Charles (geb. 1767?), Kaufmann, a. 1789 RY; Clausse (Clause), PierreJoseph-Ursimer (geb. 1737), Provinzial-Akziseu. Zolldir., a. 1774, 1776 Zum aufrichtigen Herzen in Frankfurt (Oder) Mitgründer, 1776–77 2. Vorst., Deputationsloge zum aufrichtigen Herzen (Friedrich Wilhelm zum goldenen Zepter) in Küstrin 1782–83 deput. 1. Vorst., 1787–1791 1. Vorst.; Clavin, Hippolyte (1755?–1822), Kanzleidir. im Akzise- u. Zolldepartement, a. Phönix, aff. 1798, 1798 substit. 1. Vorst., 1799 2. Vorst., 1802 1. Vorst. ZsW, 1798/99 Großschatzm., 1800 2., 1802/03 1. Großvorst., 1806/07 Oberschatzm. d. Innersten Orients, 1809 Repräsentant bei d. Großen Loge, Mitgl. ZsW bis nach 1815; Concialini, Giovanni Carlo (1742–1812), kgl. Kammersänger, a. 1765, 1766–1771 Ökonom, 1771/1778/1781 Zeremonienm. d. franz. Sprache, 1778/1779 auch Dir. d. Logen­bibliothek, leitete 1780/81 mit  Karl Heinrich Benda u. 1784–1786 Benefizkonzerte im Logenhaus, 1789 Großzeremonienm., 1792/ 1794/1796 ehrenhalber Großzeremonienm./ Bibliothekar, 1799 ZsW, 1800 Entlassungsge329

5 Freimaurer-Logen

such, 1801 Mitgründer Luise in (Berlin-) Charlottenburg, 1801 Zeremonienm., 1802 2. Stew., 1803 1. Stew., 1803 1. Zensor, 1804 2. Stew., aff. 1804 3Seraph (s. dort), 1807–1811 ZsW; Conrad, Joh. Heinrich, Kaufmann, 1811–nach 1815 Urania; Cooper, Samuel, Kaufmann, 1811 abwes. Urania, 1811/12 abwes. FWzgG; Corsica, Johann Friedrich (geb. in Leipzig), Caffetier, a. 1764, 1782 in­ aktiv, 1789/90 Indissolubilis (GLL), sein Gartenlokal war Versammlungsort d. Logen; Cramon, Christoph v. (geb. 1771), Kapt., a. 1802 Urania, 1802/03–1807/08 abwes.; Creutz, Johann, Kaufmann in Greiffenberg/Schl., a. 1791/92, 1792 2. Grad; Ċudovskij (Tschudowsky), Ioann (Johannes) (geb. 1767?), Gesandtschaft-Propst, a. 1801, 1802 in FWzgG, 1802/1812 ZsW, 1814 Hospitalier; Cunning­ ham, Edward Francis (Edmond de Kals) (1741–1793), Hof-Porträtmaler, a. Engl., aff. La vrai Amitié in Paris, aff. 1784 RY, 1794 Trauerloge; Curts, Johann Dietrich (geb. 1755?), Premierchir., a. 1781 RY, 1787 demiss., 1788 Zur wahren Eintracht in Schweidnitz EM; Cuvry, Heinrich Andreas de (1785– 1869), Kammergerichtsreferendar, Stadtrat, Vors. d. Armendirektoriums, 1807 ZsW Zeremonienm., 1808/09 Sekr., 1805/1809 Repräsentant ZsW bei d. Großen Loge, 1811– nach 1815 ZsW; Cuvry, Pierre de (1759– 1791), Kaufmann, a. 1781, 1782 substit. Sekr., 1783 Sekr., 1783/1788 Mitgl.; Dahlenburg, Christ. Karl Ludwig (geb. 1778?), Kaufmann, a. 1803 in FWzgG, bis 1804/05 Urania; Dähling, Heinrich Anton (1773–1850), Miniatur-, Historien-, Genre- u. Landschaftsmaler, a. 1795, 1797–1804/05 Urania; Dähne (Dehne) Adolph Jonath van, Miniaturmaler, 1798/99 Urania, 1799–1801 Pyth; Dallaeus, Friedrich Eduard (geb. 1773?), Kellerm. Pz. Heinrichs von Preußen, a. 1796, 1798–1800 Urania; Dallmer, Christian Friedrich (geb. 1746?), Kaufmann, a. 1793, 1796/97 Stew., 1799–1803/04 Urania, 15.8.1801 Abschiedsgesuch, kehrte nach Tod s. Frau wieder zurück, deckte 1804/05; Daniels, Martin Chris330

tian Heinrich (1756?–1804), Kaufmann, a. 1788, 1799 FWzgG Redner, 1800–1804 Mitgl.; Dannenberg, Friedrich Wilhelm (geb. 1772?), Kaufmann, a. 1805, 1805/06 FWzgG, 1806/07 2. Stew., Mitgl. bis nach 1815; Dannenberger, Joh. Friedrich, Kattunfabrikant, 1814/15 Urania; Dannfelt, Karl Christopher Hermann Bar. v. (geb. 1774?), Ingenieur, Artilleriemajor, a. 1797 Pyth, 1798–1807 abwes.; Darbes (d’Arbes), Joseph Friedrich August (1747–1810), Maler, 1785/1786 Isis (Isida) in Reval abwes., 1790 Visiteur, 1794 aff., 1795/96 Architekt, 1796 nach s. Plänen Verbindungsbau d. Logenhauses zw. Hauptgebäude u. Tempel (Orangerie), 1796 deput. M., 1797–1799 1. Großvorst., 1800 Urania 1. Zensor, Präparator, 1802/03 vorsitz. M. im 1. Kollegium d. Großen Loge, 1802 Entlassungsgesuch (Repräsentant, Mitgliedschaft); Darrest (d’Arrest), George-Louis (geb. 1769?), Legationsrat, Geschäftsträger in Dänemark, a. 1795, 1798 EM, 1799–1811 ZsW abwes.; Defrenne, Samuel, Dr. med., kgl. Stabschir., 1805/1811 Pyth, 1811–1813 abwes.; Dela­ foye (Delafois), Louis (geb. 1780?), Fähnr., a. Paris, aff. 1803–1804/05 Urania; Delagoanère, Jean-Pierre (1726–1802), Dir. d. Generalverwaltung d. Steuern, dann Konsul in Spanien, a. 1770, 1771 2. Aufs., 1773 1. Aufs., 1774–1783 M. v. Stuhl, 1783/1794– 1798 1. Großm., 1801–1802 ZsW abwes. in Spanien, 6.2.1803 Trauerloge; De la Haye, Jean-François Delaunay (gest. 1804), Korrespondenzdir. d. Akzise- u. Zolladministration, a. 1759 Militärloge am Niederrhein, aff. 1774, 1781–1782 2. Aufs., 1782 Grand juge, 1787– 1797? Ökonomiedir., 1792/93 auch Bibliothekar, 1798 Stew. ZsW, 1799 1. Stew., deckte 1803/04, 21.12.1804 Trauerloge; Delattre, Pierre (1750?–1823), Sekr. im Akzise- u. Zolldepartement, a. 1778, 1779/1781 Sekr., 1783 Grand juge, 1798–1800 ZsW Sekr., 1799 6 Monate suspend., 1802 2. Zensor, substit. 2. Aufs., 1802–1804/05 Sekr., 1806/07 Kanzler d. Innersten Orients, 1803–1805/1808–1810 Repräsentant Sokrates zur Standhaftigkeit in

Großloge Royal York [RY]

Frankfurt a. M. beim 1. Kollegium der Gro- rung der Allegorie als eine Reise durch das ßen Loge, Mitgl. ZsW bis nach 1815; De­louis, menschliche Leben (6.3.1806), 1805 RepräsenJacques (geb. 1767), Schönfärber, a. 1796, tant Luise in (Berlin-)Charlottenburg beim 1. 1796–1800 Urania; Dempwolff, August Fried- Kollegium der Großen Loge, 1798–nach 1815 rich, Apotheker, 1805 in FWzgG, 1807/1811 Pyth; Donner, Immanuel Ferdinand, OberUrania abwes.; Deppe, Ferdinand (geb. 1753?), landeinnehmer in Soldin, 1811–1814 abwes. Kaufmann, a. 1780, 1799 Pyth, 1800/1801 FWzgG; Donner, Joh. Friedrich, Geh. Sekr., abwes.; Derou, Toussaint, pr. Agent (Konsul) 1809 FWzgG, 1810–1813 Zeremonienm. in Ostende, 1805/06–1807/08 ZsW abwes.; und Präparateur, 1814/15 abwes.; Doering, Desnoyers, Jean Therèse (geb. 1735?), Korres­ Christoph Amadeus, Kaufmann, 1796 RY; pondenzdir. d. Pomm., Ostpr. u. Lit. Korres- Döring, Karl Heinrich (1739?–1804), Kriegspondenzdirektion d. Akzise, a. 1781, 1783 rat, a. 1762, 1765, 1770 u. 1772 Ökonom, demiss., erneut Mitgl. 1795/96; Detring, 1769 u. 1771 Sekr., 1778 inaktiv, 1780 ArChristoph (geb. 1746), Kalkulator, a. 1802 chitecte, 1787 dt. Redner, 2. Ökonom, 1789/ (–1812) Urania, 1803 in FWzgG, 1803/1805 1790 Großsekr., 1792 Redner, Großsekr., 1. Zensor, substit. 1. Aufs. Urania, 1803/04 1792–1796 Bibliothekar, 1794 1. Aufs., 1794 Repräsentant Urania beim 1. Kollegium der Orateur en françois, 1798–1805 Pyth, 1799 2. Großen Loge; Devaranne, François (1770– Zensor, 1799 Ober-(Groß-)richter, Groß1837), Kleinuhrmacherm., 1804–1807 ZsW; schwerträger, 1800 M. v. Stuhl d. Stewardsloge, Dietrich, Karl Wilhelm (1764–1831), Kriegs- 1800 Großschatzm., 1800/1804 Repräsentant u. Domänenrat, Regierungsrat, a. 1793; Diet- Victoria zu den drei gekrönten Türmen in Graurich, Johann Friedrich (1776–1812), Staatsrat denz bei d. Großen Loge; Doussin (Toussin), im Innenministerium, 1805/1811 Urania; Friedrich, Kaufmann, a. 1802 FWzgG, 1802– Dietzsch, Johann Christian (geb. 1748?), 1811 abwes.; Drake, Christoph Karl (geb. Kaufmann in Frankfurt a. M., a. 1782, 1782 1764?), Stadtrat u. -richter, a. 1797, Urania bis abwes., 1787 EM, Visiteur; Dittmar, Ernst nach 1815, 1798–1800 Sekr., Repräsentant b. August Ferdinand v. (1772?–1814/15), Leutn., 2. Kollegium d. Großen Loge, 1805/06 1. a. 1797, 1798/1801–1812 Urania, 1813 ab- Vorst., 1806/13 2. Großvorst., 1807/08 M. v. wes.; Dittmar, Friedrich v., Leutn., 1799/1805 Stuhl, 1808 Zeremonienm., Präparateur, 1809 Urania; Dittmar, Sigismund Gottfried (1759– 1. Aufs., 1801–1804 Repräsentant Zum Mor1834), Hoflehrer, kgl. Prof., a. 1798 Pyth, genstern in Hof beim 2. Kollegium der Großen 1804 in FWzgG, 1805–1807 Redner, Reden: Loge, 1805–1814 Repräsentant Urania beim 1. Über den Werth des Lebens (9.7.1804); Über die Kollegium d. Großen Loge, 1811/12 1. Stew., Frage: wer ist ein wahrer und würdiger König 1814 1. Aufs.; Dreising, Johann Gottlob (3.8.1804); Über die Auslegung des flammenden (1769?–nach 1842), 1801 Pfarrer in StahnsSterns und des darin befindlichen Buchstabens G dorf/Brandenburg, a. 1800 Pyth, 1800 ZsW, (13.9.1804); Über Tod und Unsterblichkeit in 1800 FWzgG, 1802–1815 abwes.; Drexel, der TrauerLoge den 26t. Decbr. 1804; Über das Chr. Heinrich, Kaufmann in Hamburg, Lied in der maurerischen LiederSammlung: 1808/1811 abwes. FWzgG; Dubois, David Nenn nicht das Schicksal grausam; Über Herders (1752–1828), Geh. Kriegsrat, Steganograph, a. Lied Am kühlen Bach am luftgen Baum Träum 1795 (bis nach 1815), 1797 substit. Redner, ich nun meines Lebens Traum (22.5.1805); Von 1798 Redner, 1799 ZsW Redner, 1806–1810 dem wahren Nutzen, den wir von einem fleißi- zugeord. Großm., Oberzeremonienm. d. Ingen LogenBesuche zu erwarten haben (24.6. nersten Orients, Reden: Über die Pflicht der 1805); Eine Parodie des Gedichts von Mathisson Wohlthätigkeit; Das sittliche Gefühl für Ord-

der AlpenWanderer oder philosophische Erläute-

nung und Gesetzlichkeit der stärkste Beweis für 331

5 Freimaurer-Logen

den Vernunftglauben …; Über wahre Tugend; Über Tod und Ewigkeit; Über das Entstehen großer u. enger Vereine (24.6.1806); Über die Vaterl­andsliebe (3.8.1806); Dubosque, JeanFrançois-Nicolas (geb. 1738), Provinzialdir. im litauischen Kammerdepartement in Gumbinnen, 1782 kassiert, a. 1762 L’Amitié in Straßburg, aff. 1782–1798; Dümcke, Gottlieb Friedrich Wilhelm (geb. 1768?), Historienmaler, a. 1797, 1799–1801 Pyth; Düring, Christian Gottlieb (geb. 1762?), Kaufmann, a. 1795, 1798/99 abwes., 1800/01 Urania aktives Mitgl., 3. Grad 1806 Pyth; Düring, Friedrich, Kaufmann, 1806/07 Urania; Düring, Johann August Wilhelm (geb. 1767?), Kaufmann, a. 1795, 1803–nach 1815 Urania; Dürre, Joh. Albert, Kaufmann, 1805–nach 1815 Urania, 1811/12 Zensor, 1815 1. Stew.; Ebel, Samuel Jakob (geb. 1772), kgl. Pensionärchir., a. 1802 in Pyth für Urania, 1804/05 entlassen; Eckardstein, Arnim (Arnold) Frhr. v. (geb. 1778?), Kammerherr, Geh. Legationsrat, a. 1805, 1805/1813 ZsW abwes.; Eckardstein, Franz Frhr. v., Rittergutsbesitzer, 1805 ZsW?, 1805/1810 abwes., 1807–1813 ZsW; Eckardstein, Johann Bernhard Frhr. v. (geb. 1777?), Rittergutsbesitzer, 1805 ZsW, 1807/08/1811 ZsW abwes.; Eckstein, Johann Siegfried Samuel, Kand. med., a. 1802 Urania, 1802/03 abwes.; Edward August, Pz. von England, Earl of Ulster, Duke of York and Albany (Albanien) (1739–1767), a. 1765, 2.8.1765 Zertifikat, Protektorat, 1767 Past Grand Master in Engl.; Egloffstein-Arklitten, Leopold v. (1766– 1830), kgl. Oberschenk, Kammerherr, 1805– nach 1815 Urania, 1811–1815 Repräsentant d. Großen Loge zu Hamburg bei der Großen Loge; Ehrhardt, Friedrich Heinrich Benjamin (geb. 1770?), Bandfabrikant, a. 1793, 1799– 1806/07 Pyth, 1798 2. Stew., (1799/1800/1805 Urania), 1800/01 Zur Standhaftigkeit in Potsdam. 1803 Stew., 1810 aff. Urania, bis nach 1815; Ehrhardt, Johann Andreas Friedrich (geb. 1755?), Makler, 1802–nach 1815 ZsW, 3. Grad 1806 Pyth, 1806/07 2. Stew.; Ehrich, Adolph, Kaufmann, Urania 1813–nach 1815; 332

Einsiedler, Joh. Heinrich, Maurerm., 1805 Pyth, 1811–1815 Zeremonienm., Präparateur; Eisold, Gottlieb, Kontrabassist d. kgl. Kapelle, 1814/15 ZsW; Elsholtz, Otto Christian, Kaufmann, 1793 ball., 1799/1800 Pyth; Elsholtz, Samuel (1764–1816), Seidenfabrikant, a. 1793, 1797–nach 1815 Pyth; Eltester, Friedrich Gustav (Justus) Dan., General-Postamtskalkulator, 1805–nach 1815 Pyth; Eltester, Hans Adolph Wilhelm, Kammergerichtsreferendar, 1805–nach 1815 Pyth; Eltester, Otto Christoph (geb. 1768?), kgl. Feldjäger, a. 1795, 1796–1798?; Empeytas, Pierre (geb. 1731?), Kaufmann, Emailleur, a. Paris, 1760 De la Concorde in Berlin (s. dort), aff. 1763?, 1783 demiss., erneut 1795–1798; Engel, Joh. George, Partikulier, 1814/15 ZsW; ; Engel, Karl Friedrich, Dr. med., 1815 FWzgG; Engelhardt, Christoph (geb. 1752?), Kaufmann, a. 1779, 1782 Examinateur, 1792 Mitgl.; Engmann, Ernst Karl Christian (geb. 1760/1761), Kaufmann, a. 1784, 1789–1798 Zur wahren Eintracht in Schweidnitz; Eschricht, Johann Gottfried, Kaufmann in Kopenhagen, 1805– 1810 Pyth abwes.; Espagne, Louis-Albert (geb. 1747?), Seidenfärber, 1803–1814 FWzgG, 1803/1805 Hospitalier; Espeut, Jean-Pierre-André (geb. 1774?), Kassenschreiber d. kurmärk. Kriegs- u. Domänenkammer in Berlin, a. 1796 3Seraph (s. dort), 1798 aff., 1801 erneut 3Seraph; Eunicke, Johann Friedrich (1764–1844), Opernsänger, Schauspieler am kgl. Theater, 1811–1815 EM Urania; Exter, Joachim v. (geb. 1758?), Rechtskonsulent in Leipzig, a. 1783, 1803/04 FWzgG, EM; Eyssenhardt, Friedrich Wilhelm (1745–1815), Tuch- u. Seidenhändler, Gildeältester, 1783– 1798 RY, 1799–1809 ZsW, 1811–1814 Repräsentant ZsW bei d. Großen Loge; Fecht, Gustav Christian Ferdinand (geb. 1755?), Kaufmann in Rostock, a. 1764, abwes., 1787 Mitgl.; Feege, Friedrich Ephraim (geb. 1756?), Kaufmann, a. 1787 (–1792); Feilitzsch, Karl Ludwig v. (geb. 1774), Leutn., a. 1802 Urania, 3. Grad 1802 in FWzgG, 1802–1805/06 Zeremonienm. Urania, Winter 1802/03 Zere-

Großloge Royal York [RY]

monienm. in FWzgG, Präparateur, 1803– 1805 Repräsentant Zur Wahrheit und Freundschaft in Fürth beim 1. Kollegium der Großen Loge, 1806–1808 abwes.; Feith, Johann (1761?–1806/07), Kaufmann, a. 1805 Pyth, 1805/06 FWzgG, 1806/07; Feldmann, Johann Friedrich (1739?–1801), Geh. Kriegsrat, Kriegszahlm., a. 1763 Eintr (s. dort), aff. 1784, 1785 1. Aufs. d. dt. Arbeiten, 1792 Grand juge, Großaumonier, 1798 Pyth Zensor, 1800 2. Zensor, 1800 Repräsentant Zum Morgenstern in Hof, Mitgl. d. Innersten Orients, vermachte Rettungsinstitut d. RY 100 Rtl., 13.12.1801 Trauerloge; Felix, Johann Daniel (geb. 1756?), Drahtspinner, Tressenfabrikant, 1792–nach 1815 Urania; Felmy, Johann Adolf Friedrich (geb. 1753?), Fechtm., a. 1792, 1795/96 (Groß-) Stew., 1798 Mitgl. d. Stewardsloge, 1799 FWzgG 1. Stew., 1802–1804 Zeremonienm., Präparateur, 1805–1808 2. Aufs., 1809 1. Aufs., 1805–1815 Repräsentant FWzgG beim 1. Kollegium der Großen Loge, 1809/10 1. Großstew.; Fessler, Ignaz Aurelius (1756– 1839), Schriftsteller, Rechtskonsulent, 1791– 1795 Geheimbund d. Evergeten (Mitgründer, Ordensname Pythagoras), a. 1784 Phönix zur runden Tafel in Lemberg, 1796 besuch. Bruder in Meisterloge d. RY in Berlin/Aufn. als EM, aff. 1796, 5.6.1797 auf Vorschlag d. Großm. Delagoanère (ging nach Spanien) dessen Substitut (deput. Großm.), 1797 M. v. Stuhl d. Auserwählten des neuen Jerusalem, 4.6.1797 deput. Oberm. d. höheren Grade, Conseil sublime, Urania 1797–1802 M. v. Stuhl, 1797/ 1799 auch Bibliothekar, Archivar, Rede:

Klugheit und Gerechtigkeit die Grundfesten einer Loge. Eine Vorlesung. Vorgetragen den 15ten Jun. 1800 bey der zweyten Stiftungsfeyer der Großen Freymaurer-Loge Royale York zur Freundschaft, von Br. Feßler im Orient zu Berlin (Druck, Berlin 1800), 27.3.1802 Rücktritt als Oberredner d. Innersten Orients, 30.4.1802 Rücktritt als zugeord. Großm. u. M. v. Stuhl Urania, 1802 aff. (–1822) Zu den drei Bergen in Freiberg/Sachs., gründete 28.10.1802 mit  Fischer u.  Darbes Großen Bund scientifischer

Maurer (Vorläufer d. Engbundes); Fichte, Johann Gottlieb (1762–1814), Prof. in Jena, Erlangen, Königsberg/Pr., Rektor d. Universität Berlin, a. 1793 Eugenia zum gekrönten Löwen in Danzig, 1794 Günther zum stehenden Löwen in Rudolstadt, erhielt von Fessler gegen Handschlag 4.–8. Grad, 1799 aff. Pyth, 1800 aff. Innersten Orient, 23.5.–27.6.1800 Oberredner, Reden: 14.10.1799 in Urania (anw. Gottlieb Hufeland): von dem wahren und richtigen Zweck der Maurerei sowie auch der Hieroglyphen der Maurerei (Rede verloren); auf Vorschlag Fesslers Sonntagsvorlesungen über Freimaurerei (13.4., 27.4.1800, unter Titel Philosophie der Maurerei – Briefe an Konstant von J. K. A. Fischer in Briefform in Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts veröffentlicht); 24.6.1800 über die Stimmung, die in dem Geiste und dem Herzen der Brüder zur Feier eines maurerischen Festes erforderlich ist, 7.7.1800 Rücktritt nach Meinungsverschiedenheiten mit Fessler, als 2. Aufs. Lossagungsschreiben; Filhés (Filbes), Johann, Seidenfärber, 1807/08 FWzgG; Filhés, Johann Karl (1779–1811), Seiden- u. Schönfärber, a. 1804, 1805– 1810/11 FWzgG; Fischer, Friedrich Ludwig (geb. 1768?), Kammermusiker, a. 1795, 1798– nach 1815 FWzgG, 1802–1803/04 Hospitalier, 1809/10 Repräsentant FWzgG bei d. Großen Loge, 1809/10 Sekr.; Fischer, Johann Ignaz Ludwig (Louis) (1745–1825), Sänger, 1783–1785 Zur Beständigkeit in Wien, aff. Die Wachsende zu den drei Schlüsseln in Regensburg, aff. 1798, 1799/1800 FWzgG, 1799 Großredner; Fischer, Johann Karl August Christian (1765–1816), Lehrer, Hofrat, Literat, 1792/93 Evergetenbund, dessen Ritual er ausarbeitete, a. 1788 Zu den drei Degen in Halle, aff. 1790–1799 Zu den drei Felsen in Schmiedeberg/Schl., 1799 Urania, bis 10.5. 1802 Oberm. d. Innersten Orients, deckte gemeinsam mit Fessler, 1802 Zu den drei Bergen in Freiberg/Sachs. EM, 1802 Mitgründer d. Großen Bundes Scientifischer Maurer; Fischer, Joh. Wilhelm, Kaufmann in Hamburg, 1811– nach 1815 abwes. Pyth; Fischer, Samuel, Sei333

5 Freimaurer-Logen

denfärber, 1811–nach 1815 Urania; Fitzki, Christ. Fried. Gottlieb, General-Postamtskalkulator, 1814/15 abwes. ZsW; Flesche, Otto Adolf Christoph (1737–1793), Dir. d. General-Tabaksadministration, 1761 Gründer De la Félicité in Magdeburg, 1761–1762 Zur Beständigkeit in Magdeburg, 1764–1767 De l’Amitié M. v. Stuhl, Sekr. d. Hochgrade, 1766 Repräsentant Parfaite Union in Reims, 1774 Zu den drei goldenen Ankern in Stettin, erneut 1786 RY, 1789/1790 substit. M. für franz. Arbeiten, 1788–1793; Flittner, Christian Gottfried (1770–1828), Apotheker, kaufte Gesundbrunnen bei Berlin, 1802–nach 1815 Urania; Fontane (Fontanes), Pierre-Barthélemy (1757–1826), Maler, Großvater Theodor Fontanes, a. 1797, 1798–1801 ZsW; Formey, Charles Frédéric (geb. 1763?), Legationssekr. am kursächs. Hof, a. 1787, 1796 abwes., 1800 Entlassungsgesuch; Formey, Jean-Louis (1766– 1823), Oberstabsarzt, a. 1784, 1792 Orateur (Redner) für franz. Sprache/Hospitalier, 1793 2. Aufs./Hospitalier/Bibliothekar, 1798 ZsW M. v. Stuhl, 1807/08 abgegangen; Förster, Johann Gottlieb (1770?–1811), Rat d. Poststempelkammer, a. 1786, 1795 gestrichen, a.1804 Peg (s. dort); Förstner, Johann Andreas (geb. 1763?), Bauinspektor, 1802–nach 1815 ZsW, 1804/05–1805/06 2. Stew.; Fothergill, Johann Karl (gest. 1843), Kaufmann, a. 1791, aff. 1791 Zu den drei Kronen in Königsberg/Pr.; Fraise, Jacques Albert (geb. 1749?), Zolleinnehmer, a. 1771, 1778 abwes., 1792 Zu den drei Triangeln in Glatz/Schl. Präparator; Fraise, Johann Heinrich (geb. 1773?), Seidenfärber, a. 1798, 1798–1810 FWzgG; Fraissinet, Samuel (geb. 1767?), Apotheker, a. 1795, 1796/1799 abwes.; Frégevize, Frédéric (1770–1849), Maler, Prof. an Akad. d. Künste, 1805–1815 ZsW; Freidhof, Johann Joseph (1768–1818), Kupferstecher, Kunsthändler, a. 1805, 1806–nach 1815 FWzgG; Freischmidt, Friedrich Wilhelm Theodor (geb. 1764?), Kaufmann, a. 1797, 1798/1807 Pyth; Freudenberg, Georg Wilhelm, Kaufmann, 1799 Urania, 1802/03 abwes.; Frick, Hans Karl 334

Friedrich (geb. 1761?), Stabschir., 1800 ZsW, 1802 Redner, 1806 1. Aufs.; Fricke, Johann Heinrich Karl (geb. 1771?), Apotheker, a. 1796, 1796/1811 abwes. FWzgG; Friderici, Daniel Gottlieb (1767–1826), Regierungsbaurat, a. 1801 Pyth, 1802 Sekr. d. Stewardsloge, 1803/04 Zeremonienm., Präparateur, 1804/ 1805 1. Aufs., 1806–nach 1815 M. v. Stuhl Pyth, 1803/04 Repräsentant Zu den drei Bergen in Freiberg beim 2. Kollegium, 1805 Repräsentant Zur Sonne in Bayreuth beim 1. Kollegium d. Großen Loge, 1808–nach 1815 Repräsentant Pyth bei d. Großen Loge, 1814/15 2. Großvorst.; Friedel, Johann Friedrich (1721/1722–1794), Bauinspektor (u. a. Rheinsberg), a. 1780, 1786 RY, 30.10.1794 Trauerloge; Friedel, Johann Peter Christoph (1773?–nach 1798), Porträtmaler, a. 1801, 1803/04 Urania, 1805–1811 abwes.; Friedrich, August Heinrich, Geh. exped. Sekr., 1807/1809 ZsW; Friedrich Hermann Otto Erbpz. v. Hohenzollern-Hechingen (1776– 1838), a. 1806, 1806–1812 Urania abwes.; Friese, Christian Engel, Kaufmann, 1806/ noch 1820 FWzgG; Friese, Karl Ferdinand (1770–1837), Justitiar, 1806 Urania Zeremonienm., Präparateur, 1811–1813 1. Aufs., 1812–1815 Repräsentant Urania bei d. Großen Loge; Froehner, Kaufmann in Hamburg, 1811 FWzgG; Frommann, Karl Friedrich Ernst (1756–1837), Verlagsbuchhändler (N. S. Frommanns sel. Erben in Züllichau), Mitgl. d. Evergetenbundes (Geheimname Metellus), aff. 1797, 1798 abwes., ab 1800 EM Pyth; Froreich, Karl Ludwig v., Leutn., 1805/noch 1810/11 FWzgG; Frosch, Johann Karl (geb. 1771?), Kupferstecher, Illustrator, a. 1793; Gaede (Gäde), Daniel Friedrich, Kaufmann, 1807–nach 1815 FWzgG; Galinsky, Johann Ernst (geb. 1749?), Oberamtmann bei Brieg, a. 1799 Urania, 1802/03 abwes.; Ganzel, Joh. Friedrich, Kaufmann, 1811–nach 1815 Pyth, 1814 2. Stew.; Gardemin, Jean Daniel (1742?– 1794), Seidenzeugfabrikant, a. 1762 ML3W (s. dort), aff. 1764, 1765 Schatzm., 1766 Sekr., 1768 2. Aufs., aff. 1773–1779 Eintr (s. dort),

Großloge Royal York [RY]

1779 Schatzm., erneut RY 1786, 30.10.1794 Trauerloge; Gärtner, Christoph Ferdinand (geb. 1754/1756), Kaufmann, a. 1784, 1789/ 1809 Zur wahren Eintracht in Schweidnitz; Gaertner, Gustav Wilhelm Frhr. v. (1762– 1849), Dir. d. Oberlandesgerichts in Insterburg, 1813 Urania, 1814/15 abwes.; Gärtner, Johann Paul (geb. 1774?), Kaufmann, a. 1795, 1796 abwes., 1799/1809 ZsW, 1801 Sekr.; Gärtner (Gertner), Samuel Gottfried Karl (1758?–1813), Regimentsquartierm., später Oberakzise- u. Zollrat in Breslau, a. 1787 Zur wahren Eintracht in Schweidnitz, 1789 Großschatzm., substit. Sekr., Archivar, 2. Sekr., 1796 RY, 1798/noch 1810 FWzgG abwes.; Georgi, Samuel (geb. 1764?), Schiffskapt. d. schwed. Marine, a. 1797, 1798–1801 abwes., 1802/03 FWzgG, 1803/1811 abwes.; Gericke, Joh. Martin, Kaufmann in Hamburg, 1814/15 Urania abwes.; Gerloff, Johann Karl (1771?–1794), Bildhauer, a. 1794, Trauerloge 22.10.1795; Gerock, Wilhelm Albr. (Alex.), Kaufmann, 1811/12 FWzgG abwes.; Gieseler, Georg Friedrich, Leutn., a. 1800 Pyth, 1801–1811 abwes.; Girard de Villars, CharlesLouis, Attaché Pz. Heinrichs v. Preußen, 1796 RY, 1798/99 ZsW abwes.; Glasenapp, Alexander Franz v. (1768–1841), Stabsrittm., Militär (invalide), 1803 Steuerrat, a. im 2. Grad 1802 in FWzgG, 1802 Pyth Zeremonienm., Präparateur, 1803/04–1806/07 abwes., 1802/03 votierendes Mitgl. d. 2. Kollegiums d. Großen Loge, 1802/1803 2. Repräsentant Zur wahren Eintracht in Schweidnitz, Pyth bis nach 1815, EM; Godet, Jean Jacques (1770–1817), Goldschmied, a. 1796, 1798–nach 1815 ZsW, 1800 2. Stew., 1801 2. Vorst./Almosenpfleger d. Stewardsloge, 1801/1803–1805 2. Aufs., Almosenpfleger d. Vereinigten Logen, 1801–1804 Repräsentant Zur Sonne in Bayreuth; Goldschmidt (Gottschmidt), Joh., Kaufmann, 1811 ZsW abwes.; Goltze, Johann Karl Gottlieb (1773–1822), Teilhaber, dann Inhaber d. Tuch- u. Seidenhandlung Reinhardt & Goltze, a. 1805 (–nach 1815) FWzgG, 1807/08 2. Zensor; Göritz, Karl August, Kaufmann, a.

1794, 3. Grad 1794; Gorwitz (Goerwitz), Jul. Christ., Forstinspektor b. Oranienburg, Urania 1811–nach 1815; Goßler, Christoph (1752–1817), Geh. Revisionsrat, a. 1778, 1778 Sekr., 1798/1808 ZsW; Götschmann, Johann Georg Heinrich, Akzise- u. Zolloffi­ ziant, a. 1795, 1799 Urania; Götze, Johann Gottfried, Kaufmann aus Hamburg, a. 1804 Pyth, 1805/06 FWzgG, 1807–1811 abwes.; Grabia, Jean (1733?–1806/07), Kontrolleur in Akzisekammer u. Packhof, a. 1756, 1762 Ökonom, 1775 Zensor, 1777 gestrichen, 1778 erneut aufgenommen, deckte 1782, erneut 1792/1796, 1797–1806/07 Urania; Graeve­nitz, Fr. Ernst Georg v., Referendar, 1805 Zeremonienm., Präparateur Pyth, 1805 2. Stew., 1807/1809 Pyth; Graevenitz, Georg Christ. v., Gutsherr, 1807 Pyth, 1810 Repräsentant Zu den drei Flammen in Plauen bei d. Großen Loge; Gräfen, Karl Ludwig (1772– 1820), Musiker, a. 1804, 1804/1815 Urania; Graßhoff, Johann Christoph (Joachim) (geb. 1771?), Englischlehrer, a. 1804 in Pyth, 1804– nach 1815 Pyth, 1815 Redner; Grattenauer, Karl Friedrich Wilhelm (1773–1838), Justizkommissar u. Notar am Kammergericht, 1800 ball., 1802 Pyth, 1803 suspend.; Graves (Greaves), North, Thomas, in engl. Diensten; 1799–1808 ZsW abwes.; Greiffenhagen, Georg Reinwalt (-hold) (geb. 1740?), Kleinuhrmacher, a. 1784, 1786–1797 RY; Greiner, Johann Paul (1769–1812), Stadtchir., a. 1804 FWzgG, 1805/noch 1810/11 Hospitalier, 1. Repräsentant Zur Wahrheit und Freundschaft in Fürth; Griesheim, Karl Ferdinand v. (geb. 1765), Leutn., aff. 1793, 1796–1799 Zeremonienm. Urania, 1800 Abschied, 1806 3gSchl (s. dort); Griessling, Johann Konrad (1771– 1835), Hofblasinstrumentenmacher, 1807 2. Stew. FWzgG, Mitgl. bis nach 1815; Grinpacher, Michael, Kaufmann, 1805–1811 Pyth abwes.; Gröben, Karl Wilhelm Ludwig Pletz v. d. (1766–1818), Erb- u. Gerichtsherr in Baudach/Neumark, a. 1803, 1804–nach 1814 Pyth; Groß, Johann Gottlieb (1760–1820), kgl. Kammermusiker, a. 1782, 1799 Stewards335

5 Freimaurer-Logen

loge, 1800–nach 1815 Urania; Gründler, Christian Gottlob (1747–1815), Kaufmann, a. 1796, Urania bis 1814, 1797 substit. Sekr., 1799 2. Vorst., 1800–1803/04 u. 1807/08 1. Aufs., 1803/04 Repräsentant Zu den drei Bergen in Freiberg beim 1. Kollegium d. Großen Loge, 1804/05 M. v. Stuhl, 4.9.1806 Rede, dass die hohe Lehre der Maurerei dahin abzwecke, die Brüder zu veredeln, 1807/08 Repräsentant bei d. Großen Loge; Grüneberg, Johann Wilhelm (1789–1817), Kand. theol., Sekondeleutn., 1817 Diakon in Gransee, 1815 Pyth; Grunert, Johann Karl, Attaché d. kais. russ. Gesandtschaft, Musiker, 1795/96 Mitgl. RY, 1798–1801 Urania abwes.; Grust, Friedrich Wilhelm (1756–1822), Kaufmann, a. 1795, 1799 Urania, 1802 Sekr., 1803/04 2. Stew., 1805–1815 Hospitalier, Repräsentant Victoria zu den drei gekrönten Türmen in Graudenz; Guarrigues, Henri-Antoine (1747?– 1827), Kommerzienrat, a. 1780, aff. 1786 Zu den drei Degen in Halle (Saale), 1789–1793 Zeremonienm., Bibliothekar, 1793–1805 Schatzm., 1805 interim. 2. Vorst., 1805 Oberschatzm. d. deleg. altschott. Loge Zu den drei Nelken, 1814 wegen unmaur. Betragens exklud. (Anhänger d. Franz. Revolution); Guhl, Adam Wilhelm, Buchbinder, 1814 Urania, 1815 2. Zensor; Guillermin (Guillermain), François (1758?–1816?), Seidenfabrikant in Köpenick, a. 1794, 1798/1815 ZsW abwes.; Gummel, Johann Friedrich (geb. 1764?), Gouverneur im Adl. KadKorps, a. 1794, 1797–1800 Urania; Gunkel, Johann Andreas, Kaufmann in Frankfurt a. Main, 1801 FWzgG abwes.; Gürlich, Joseph August(in) (1761– 1817), kgl. Kammermusiker, a. 1799 Pyth, Dir. d. Musikal. Kollegiums, komponierte Freimaurerlieder, bis 1817 ZsW; Haacke, Heinrich Wilhelm (geb. 1766?), Dir. d. Tabakfabrik Wigart & Co., a. 1788, 1792 3. Grad; Haas, Joh. Gottl., Geh. Kalkulator, 1811–nach 1815 FWzgG; Hachtmann, Phi­ lipp August, Kaufmann, 1805 ZsW, 1814/15 2. Aufs., 1814/15 Repräsentant bei d. Großen Loge; Haddenbrock, Johann Karl (1766–1818), 336

Kaufmann, a. 1793, 1799/1818 FWzgG; Hagen, Wilhelm Philipp August Frhr. v. d. (1769–1802), Regierungsrat, a. 1790, 1797/ 98–1802 Zum goldenen Leuchter in Warschau, 1800 FWzgG, 1802–1808 abwes.; Hager, Friedrich Johann Christ., Kaufmann in Magdeburg, 1799 Pyth abwes.; Hager, Wilhelm v., Regierungsrat, 1798 abwes.; Hanckel, Johann Gottlob (1747?–1797/98), Kaufmann, a. 1776, 1777 1. Stew., 1778 dispend., 1783 RY, 1796 3. Grad; Hanke, Friedr. Wilhelm, kgl. Kammermusiker, 1815 Urania; Hardenberg, Georg Friedrich Frhr. v., kgl. Kammerherr, 1811–nach 1815 Urania; Hardenbruck, Johann Karl, Kaufmann, 1807 FWzgG; Harpe, Johann Christian (geb. 1773?), Feldjäger, a. 1798; Hartmann, Heinrich Leopold, Kaufmann, 1807–1811 FWzgG; Hartmann, Karl Friedrich (geb. 1773?), Kaufmann aus Stargard, a. 1804 Pyth, 1805–1808 abwes.; Hartog, Cornelius Karl Albert (geb. 1758?), Musiker, a. 1796, 1796/97 abwes. 1798–1811 ZsW abwes.; Hartwich, Friedrich W., Kaufmann in Triest, 1798–1807/1811 FWzgG abwes.; Hatscher, Anton (geb. 1773?), Kaufmann in Hamburg, a. 1801 Pyth, 1802/03– 1807/1811 abwes.; Hauschka, Julius Friedrich (geb. 1748?), Kaufmann, a. 1784, 1797– nach 1815 FWzgG; Hausmann, Johann Daniel (geb. 1770?), 1789 Verwalter u. 1801–1814 Apotheker d. Schweizer Apotheke, 1793 prop., 1797 Sekr., 1799 Urania 1. Vorst., 1800–1805/06 M. v. Stuhl, 1805 substit. Redner, 1806–nach 1815 aktives Mitgl.; Heinsius, Otto Friedrich Theodor (1770–1849), Prof. am Verein. Berlin-Kölln. Gymn. zum Grauen Kloster, 1799–1814 Pyth, 1803–1811 Redner, Großredner, 1803–1809 Repräsentant Pforte zur Ewigkeit in Hildesheim beim 1. Kollegium d. Großen Loge, 1806/07 Oberredner d. Innersten Orients, 1810 Repräsentant Zur Sonne in Bayreuth bei d. Großen Loge, Reden:

Über Traurigkeit und Freude am JahresSchluße (31.12.1804); Über die Kunst freudig zu sterben (Trauerloge, 16.12.1803); Tod ist das Loos des Menschen und nothwendiges Bedingniß zum Le-

Großloge Royal York [RY]

ben (31.12.1803); Über den Werth der Frey- 1814 FWzgG, 1805–1807 2. Stew.; Henmaurerey (24.6.1804); Über die harmonische ge- nings, Philipp Wilhelm (1744?–1795), Liefesetzliche Gesinnung des Regierenden und der rant d. pr. Armee, a. 1781, 1783 substit. Tré1787–1793/94 Großschatzm., Regierten als die feste Grundlage des Glücks al- sorier, ler Gesellschaften (3.8.1804); Rede bey Gele- Trauerloge 22.10.1795; Henrici, Christoph genheit der Publication eines von Sr. Maj. an die Ludwig Friedrich (1758?–1795), Oberjäger Loge R.Y. erlaßenen CabinetSchreibens; Rede im Reitenden Jägerkorps, a. 1795, Trauerloge an der Geburtsfeyer des E. Großmeisters Br. 22.10.1795; Hensel, Johann Friedrich (1764– Klein (3.9.1804); Was sollen wir als Freymaurer 1826), Lehrer an kgl. Realschule, 1811 Urania, thun bei den kriegerischen Revolutionen unsers 1813 1. Stew., 1814 2. Zensor, 1815 ZeremoVaterlandes. Eine Rede gesprochen am Geburts- nienm., Präparator; Hentschke, Wilhelm, tage des Königs den 3t. August 1807 in der Kalkulator d. Münzabgabendirektion, 1814/15 Großen Loge Royale York zur Freundschaft vom Pyth; Herbart (Herbarth), Anton Christian Ehrw. Br. Heinsius (Hs.); Heintz, Karl Fried- (geb. 1740?), kgl. poln. Hofrat in Warschau, a. rich (1750–1813), Kaufmann, a. 1795, 1798 Zu den drei goldenen Zirkeln in Kniphausen Mitgl. d. Stewardsloge, Mitgl. Pyth bis 1812, (heute zu Wilhelmshaven), aff. Bon Pasteur in 1799/1800 1. Stew., 1803/04 Repräsentant Warschau, aff. 1779, 1799 besuch. Bruder; Zur Wahrheit und Freundschaft in Fürth beim Herbst, Johann Friedrich Wilhelm (1742– 2. Kollegium d. Großen Loge; Heitz, Jakob 1807), Archidiakon, a. 1797, 1798 Pyth RedChristoph (geb. 1769?), Kaufmann, a. 1797, ner, 1799–1801 M. v. Stuhl, 1806/1807 akti1798 FWzgG, 1802/03–1806/07 abwes.; ves Mitgl.; Herda, August Ludwig (v.), Kapt., Held, Otto Friedrich (geb. 1772?), kgl. Feld- 1795/96 EM, Repräsentant Zur wahren Einjäger, dann Oberförster, a. 1799 FWzgG, tracht in Schweidnitz; Herdt, Schauspieler am 1799 Urania, 3. Grad 1802; Helling, Georg Nationaltheater, aff. 1794; Hermes, Johann Lebrecht Andreas (1763–1840), Chir., Au- Friedrich (1760–1820), Rendant d. Generalgenoperateur, a. 1794, 1796/1797 Hospitalier Invalidenkasse, a. 1795, 1797 Schatzm. d. JoUrania, bis 1811 Pyth, 1799–1801 Zeremoni- hannisgrade, 1798 Mitgl. d. Stewardsloge, 1799 enm., 1800 auch Präparateur, 1807/08 1. deren 1. Vorst., 1799 ZsW, 1799 OberAufs., 1808 Repräsentant bei d. Großen Loge; schatzm., 1798 1. Vorst. d. Stewardsloge, 1802 Helming, Johann Gottfried August (geb. Sekr., 1805–nach 1815 ZsW; Hertel, Karl 1769?), Apotheker, 1807 Kronen-Apotheke, a. Heinrich, Schullehrer, 1815 Pyth; Herwagen, 1799 Pyth, 1799–nach 1815 FWzgG, 1804/05 Johann Heinrich (geb. 1776?), Referendar am Redner, 1805 2. Stew., 1809/1811/1815 Kammergericht, a. 1800 ZsW, 1800/01 Zur Redner, 1813/14 Hospitalier,; Henkel, Jo- Sonne in Bayreuth; Hesse sen., Jean Paul (geb. hann Karl Friedrich (1743–1816), Geh. Rat, 1756?), Fabrikant, Geh. Kommerzienrat, a. a. 1773, 1801 2. Zensor, substit. 2. Aufs. Ura- 1779? Peg (s. dort), 1780 exklud., aff. 1779, nia, 1802 2. Vorst., 1803–1805/06 1. Groß- 1786 RY, 1798/1808 ZsW; Hesse, Johann vorst. d. Großen Loge, 1803–1806 FWzgG Friedrich Wilhelm, Dr. med. et chir., 1811 M. v. Stuhl, 1803–1805 Repräsentant FWzgG Pyth, 1814/15 Hospitalier; Hesse jun., Phibeim 1. Kollegium d. Großen Loge, 1810– lippe Corneille (geb. 1759?), Fabrikant, a. 1815 Repräsentant d. Großen Loge in FWzgG; 1779? Peg (s. dort), 1780 exklud., aff. 1779, Henkel, Heinrich Ludwig, Geh. Sekr., a. 1786 Mitgl. RY, 1798/1807 ZsW; Hey, 1801, 1802/03 Urania, 1803/04 FWzgG, Friedrich August (geb. 1756?), Literat, a. 1781, 1805/06 1. Stew., 1806/07; Henkel, Johann 1786 Mitgl. RY; Hey, Johann Gotthilf (1760– Gottlieb (1747–1815?), Inspektor im Armen- 1838), Geh. Oberfinanzrat, a. 1800 FWzgG, direktorium, a. 1803, 1803/04 Urania, 1804– 1802 1. Aufs., 2. Großvorst., 1803/04 Ordens337

5 Freimaurer-Logen

redner d. Innersten Orients, 1804/05–1806/07 Substitut d. Innersten Orients, Repräsentant Zur Einigkeit in Danzig, 1810–1832 Großm., substit. Oberm.; Heyne, Johann Philipp (geb. 1766?), Dr. med., a. 1793, 2. Grad 1794; Hildebrandt, Joachim Christoph (1762?– 1810), Kaufmann, a. 1794, 1805 ZsW; Hiller, Johann Friedrich (1771?–1802), Sekr. im Akzise- u. Zolldepartement, a. 1796, 1799 FWzgG, 6.2.1803 Trauerloge; Hiller, Johann Heinrich (1744?–1801), Kontordir. in Hauptbrennholzadministration d. Generaldirektoriums, a. 1774, 1777 2. Aufs., 1780 Sekr. d. Stewardsloge, 1781 Cellérier, 1781 substit. 1. Aufs., 1782/83 2. Aufs., 1783 4. Stew., 1787/88 Zeremonienm., 1796/1799 Stewardsloge M. v. Stuhl, 1799/1800 ZsW, 13.12.1801 Trauerloge; Hiller, Johann Philipp Friedrich (1755?– 1801), Buchhalter d. Hauptbrennholzadministration d. Generaldirektoriums, a. 1780, 1786 Mitgl., 1798/1800 ZsW, 26.11.1801 Trauerloge; Himmel, Friedrich Heinrich (1765–1814), kgl. Kapellm., komponierte Freimaurerlieder, a. 1795, 1798–1813 FWzgG; Hindenberg, Heinrich Gottl., Kammergerichtsreferendar, 1810–nach 1815 FWzgG; Hinke, Karl v., Leutn., 1805 FWzgG, 1805– 1812 Urania abwes.; Hochwäcker, Johann, Hofjuwelier d. Fürstprimas in Regensburg, 1805–1811 Pyth abwes.; Hoepstein, Franz Anton, Oberarzt, 1814/15 Pyth; Hoffmann, Franz Lorenz, Tabakfabrikant, 1805–1815 2. Zensor Pyth; Hoffmann, Johann Friedrich (geb. 1760?), Chir., a. 1791; Hoffmann, Johann Gotthilf (Gottfried) (1763–1820), Kaufmann, a. 1803 (–nach 1815) Pyth, 2. Grad 1804 in FWzgG, 1805 2. Stew., 1806–1812 1. Stew.; Hoffmann, Wilhelm (geb. 1777), Stabs­ chir., a. 1796, 1798 abwes., 1802/03– 1811 Urania abwes.; Hoogeweg, Friedrich Wilhelm, Geh. Journalist im Büro d. Ft. v. Hardenberg, 1815 FWzgG; Holm, August Friedrich (1750–1826), Fabrikant, a. 1801 (–nach 1815) Pyth, 1803–1805 Repräsentant Pax inimica malis in Emmerich beim 2. Kollegium d. Großen Loge; Holwede, Ludwig 338

Heinrich Frhr. v. (geb. 1733?), Kapt. a. D., a. 1777, 1778 Mitgl., 1785–1788 4. Grad; Horstmann, Fr. Heinrich Wilhelm, Geh. exped. Sekr., 1814/15 Pyth; Horzizky, Johann Georg (1759?–1809), Schauspieler, Musiker, Komponist, a. 1778 (1782?), 1783 Mitgl., 1803/04–nach 1815 Urania, 1805–1807 2. Aufs., 1805 Repräsentant beim 1. Kollegium der Großen Loge, 1807/08 Dir. d. Stewardskollegiums; Housselle, Karl Ludwig (geb. 1768), Dr. med., a. 1795, 1798 abwes., 1802–1807 ZsW abwes., 1796 Constantia zur gekrönten Eintracht in Elbing; Hoverbeck, G. F. Alb. Bar. v., Gutsbesitzer, a. 1800, 1802/03–1806/07 FWzgG abwes.; Hübbe, Anton, Kaufmann, 1815 ZsW; Hübner, Wilhelm August (1774– 1813?), Auditeur, a. 1805 FWzgG, 1811/12 abwes.; Hugo, Christoffle (1737–1808), Prediger, a. La triple Union in Genf, M. v. Stuhl, aff. 1783 auswärt. EM, 1785–1792 Zum aufrichtigen Herzen in Frankfurt (Oder); Hugo, George-Leonard (gest. 1799/1800), Buchhalter, a. 1758 La triple Union in Genf, aff. 1773, deckte 1776, (1783) erneut Mitgl., 1783 1. Stew. (Ökonom), 1788 Architekt, 1796/1798 3. Grad; Hulka, Johann Karl, Buchhalter, 1814/15 ZsW; Humrich, Karl August, Musiker am kgl. Nationaltheater, 1805–nach 1815 ZsW; Huot, Daniel (Charles) (1769–1822), Geh. Kanzleisekr., a. 1794, 1799–1822 ZsW, 1800 Sekr. d. Stewardsloge; Huray, Daniel (geb. 1757?), Schauspieler, a. 1804 in Pyth, 1804–1808 abwes.; Hurka, Friedrich Franz (1762–1805), Tenor, Komponist, a. 1794 FWzgG, 1799–1805, 1801 EM, veröff. Vier neue Maurerlieder (Berlin); An die Harmonie. Eine Cantate (Berlin 1798); Auswahl maureri-

scher Gesänge von verschiedenen Componisten (Berlin 1803); 15.12.1805 Trauerloge, Trauerrede Wessely: Dem Gedächtniß des entschlafenen Br. Hurka; Huulbeck, Karl Ludwig Heinrich (geb. 1767?), Geh. Kriegsrat, a. 1799 Urania, 1807–1809 1. Aufs. ZsW, 1809–1815 Großsekr., Archivar d. Großen Loge, 1807– 1815 Repräsentant ZsW bei d. Großen Loge; 1808 1. Großstew., 1809 Repräsentant Zur

Großloge Royal York [RY]

Standhaftigkeit in Potsdam bei d. Großen Loge, 1811–1815 M. v. Stuhl ZsW; Ihn, Johann Christian (geb. 1760?), Prediger, a. 1801 Luise in (Berlin-)Charlottenburg, 1803–1805 Redner, 1805/06 M. v. Stuhl, 1806–1809 Pyth; Inberg (Imberg), Johann Friedrich (geb. 1752?), Kaufmann, a. 1783, 1798/1808 ZsW; Irwing, Arthur Henry (geb. 1762?), engl. Offizier, a. 1793; Itier, Henri Balthasar (geb. 1754?), Seidenfabrikant, a. 1781, Mitgl. RY bis 1795; Jaeger, Christian, Musiker, 1808– nach 1815 FWzgG; Jäger, Johann Friedrich (geb. 1751?), Kaufmann, a. 1794; Jagor, Johann (gest. 1828?), Gastronom, 1814/15 ZsW; Jahn, Rudolf (geb. 1758?), Justizkommissar, Notar in Wusterhausen/Dosse, a. 1782, 1782/1795 RY; Jammard, Johann Benjamin (geb. 1765?), Geh. Sekr., a. 1797, 1798/1799 ZsW; Jancke (Janck), Daniel Christoph (geb. 1733?), Kassierer d. kgl. Münze, a. 1761 ML3W (s. dort), aff. 1782, 1783 substit. Zeremonienm., 1788 im 6. Grad; Jannasch, Johann Friedrich, Referendar, 1808/09 Pyth; Janson, Johann Matthias (1751–1794), Dekorationsmaler, Violincellist, a. 1787, 1788 1. Grad; Johannes, Johann Michael (geb. 1752?), Musiker, a. 1781, 1786/1788; Jonas, Christian Franz, Kaufmann, 1801/03 Urania abwes.; Jordan, Charles-Louis (1769–1853), Kammergerichtsrat, a. 1787, 1788/1796/1798 abwes., 1802/03 1. Aufs., 1810 FlSt; Jordan, Paul-André (1763–1830), Hofjuwelier, a. 1783, 1788/1792 3. Grad; Jost, Karl Friedrich Wilhelm (geb. 1764?), kgl. Chirurgiepensionär, a. 1801 Pyth, 1800–1803/04 Urania, 1801 Redner, 1804 Entlassungsgesuch, 1804 Zu den drei Degen in Halle, reaff. 1814, bis 1820; Jost, Wilhelm Ludwig (geb. 1768?), Chir., 1802–1807 Pyth abwes.; Jouanne, Jean (1756– 1806), Seidenbandfabrikant, a. 1785, 1787– 1789 Sekr. d. Johannisloge, 1790 Orateur (Redner) d. Johannisgrade, 1792 substit. Aufs., Zensor, 1793 substit. M. v. Stuhl, 1798–1806 ZsW, 1804/05 Oberzeremonienm. im Innersten Orient; Jouanne, Pierre, Kaufmann, a. 1791/92, 1796 Sekr. 1799–nach 1815 FWzgG;

Jouin, Abel (geb. 1759?), Generalpächter d. Invalidenländereien u. -einkünfte, a. 1782, 1786 RY; Jouin, Elie (geb. 1755?), Tabakfabrikant, a. 1781, 1782–1792 3. Grad; Joyard, Antoine (1744–1806), Oberhaushofm. Friedrichs II., Hofmaler, Kriegs- u. Domänenrat, a. 1769, 1772 quitt., 1778 dispend., reaff. 1781, 1786 Mitgl.; Joyard, Paul-Maria, Ökonom, 1783 RY, 1811–nach 1815 Urania; Joyeux, Pierre-Anton (1774–1837), Lehre bei Pringal, Juwelier, 1803 Amtsm., 1805/1811–nach 1815 ZsW; Jungius, Friedrich Wilhelm (1771–1819), Prof. für Math. u. Phys., Ballonfahrer, a. 1805 Urania, 1805/1809 Redner, 1809 2. Stew., 1811–1814 Zeremonienm., Präparator, 1815 1. Aufs., 1815 Repräsentant bei d. Großen Loge; Junkel, George Andreas, Kaufmann in Frankfurt a. Main, 1800 FWzgG abwes.; Kalkbrenner, Christian (1755–1806), Kapellm., Komponist, Frédéric de l’Amitié in Kassel, Visiteur 1787, 1790 aff., 1796/97 EM; Kameke, Rochus Albert Gf. v. (geb. 1766?), Leutn., a. 1793 Militärloge in Warschau, 1802 aff. Urania, 1802 Redner, 1803/04 2. Aufs., 1803–1807 Repräsentant d. Großen Provinzialloge zu Hannover beim 1. Kollegium d. Großen Loge; Kamptz, Ernst Gustav v. (1763– 1823), Oberhauptmann zu Mirow, a. Louise zur gekrönten Freundschaft in Kiel, aff. 1785; Kannengießer, Johann Gottfried (geb. 1772?), Postsekr. in Schneidemühl, a. 1798, 1798/ 1800 Urania abwes., Karbe, Karl, Oberamtmann bei Berlin, 1804/05 ZsW, 1805/1812 abwes.; Karges, Johann August, Kammergerichtsreferendar, 1805/1807 FWzgG, 1806– 1811 abwes.; Kaselitz, Gottfried Christian Günther (1759–1818), Schauspieler, a. 1792, 1794/1796 Redner d. dt. Arbeiten, 1798 Urania, 1801 Abschiedsgesuch, 1805–nach 1815 Urania, 1806/07 2. Zensor, 1807–1814 Redner, Reden: Lied bey der Geburtsfeyer des E. Gr:Mstrs. Br. Klein (3.9.1806), Rede an der JohannisFeyer (24.6.1805); Kehling (Kiehling), Simon Andreas Friedrich (geb. 1775?), Dr. med. in Altona, a. 1798, 1798–1801 Mitgl., 1803–1807 FWzgG abwes.; Keibel, Ernst 339

5 Freimaurer-Logen

Emanuel David (geb. 1774?), Kaufmann, a. Versammlung der ehrw. Freimäurer-Loge La Ro1795, 1799–1801 Pyth, 1803–1808 abwes.; yale York de l’amitié in Berlin den 25. Sept. Keller, Joseph (geb. 1756?), Hofvergolder, a. 1786 gehalten worden, Berlin/Stettin 1786: 1795, 1799/1800 Urania, 1801 Gesuch um Friedrich Nicolai; Über den ächten Geist der Abschied auf unbestimmte Zeit; Kenke, Au- Geselligkeit (3.8.1802); Über SelbstErkenntniß gust (geb. 1770?), Kriminalrat, a. 1801 Urania, und SelbstPrüfung; Über Selbstbeherrschung; 1804/05 Redner, 1805/1808; Kerwitz, Karl Über Raum und Zeit mit Rücksicht auf die KulFerdinand, Rauchhändler, 1805/1809–nach tur und Beherrschung der EinbildungsKraft bey 1815 Pyth; Kessler, Karl Christian (geb. Gelegenheit der Einweihung des ArbeitsSaales 1772?), Kaufmann, a. 1794, 1799–1803 und der Feyer des JahresWechsels (31.12.1802); FWzgG; Kessler, Karl Philipp (geb. 1765?), Rede in der TrauerLoge den 16t. Decbr. 5803; Kaufmann, a. 1795, 1798 FWzgG, 1802/03– Über Gewöhnung an gesetzliche Ordnung um 1806/07 abwes. in Malaga; Kienitz, Ernst wahrhaft gut zu handeln, am Geburtstage des Friedrich Wilhelm, kgl. Domänenbeamter, Königs d. 3. Aug. 5804; Bey der Feyer des Jah1805–nach 1815 Pyth; Kienitz, Joachim Gott- resSchlußes den 31. Decbr. 5803; Rede über die fried Heinrich (geb. 1773?), Ökonom, als Liebe alles Liebenswürdigen (3.8.1806); Rede 1798 Bar. Krauss u. Scheffner ihn für d. Ge- über die Frage: wodurch sind wir, wodurch ist die heimgesellschaft  Orden der Wahrheit ge- Welt durch uns beßer geworden? (24.6.1805); winnen wollten, meldete er es deput. Großm. Kleist, Otto Georg v. (geb. 1750?), Major, a.  Fessler, Beamten entschieden am 25.8.1798, 1775, 1783/1786 Mitgl., 1788–1796 2. Grad; Vorgang d. Berl. Polizei zu melden, Stadtprä- Klipfel, Karl Jakob Christian (1728?–1802), sident Eisenberg beauftragte K., sich aufneh- Porzellanmaler, Mitdir. KPM, a. 1781, 1783/ men zu lassen, um Geheimgesellschaft aufzu- 1786 Mitgl., 1797–1801/02 FWzgG, 6.2. decken, was zur Verhaftung von Krauss u. 1803 Trauerloge; Klippe, Friedrich Wilhelm Scheffner, deren Ausweisung sowie zum Ver- Heinrich, Inspektor, Buchhalter, 1807/08 bot d. Gesellschaft führte, sie sei Werk von FWzgG; Knauth (Krauth), Christian David Betrügern, ohne polit. (revol.) Zielsetzung; a. (geb. 1757?), kursächs. Proviantverwalter, a. 1796, 1798–1800 Pyth abwes., 1805/1808/ 1797, 1798–1811 ZsW abwes.; Knichalla, 1811 Urania abwes.; Kieseler, Daniel Fried- Karl Friedrich, Hofpostsekr., 1814/15 ZsW; rich, Kaufmann, 1811–nach 1815 Pyth; Kniewel (Knievel), Theodor Friedrich Klamt, Johann Joseph (1765–1844), Feld- (1783–1859), Dr. theol. et phil., Prediger in propst, Domherr, 1807 Pyth, 1808 Redner, Danzig, 1805/1811 abwes. Pyth; Knoblauch, 1809 Zeremonienm., 1811–1814 Pyth abwes.; Karl Friedrich, Kaufmann, 1810/11 FWzgG, Klehmet (Klemet), Karl Friedrich, Kauf- 1811/12 2. Stew.; Knoblauch, Ludvig v., dän. mann, 1811–nach 1815 Urania; Klein, Ernst Geschäftsträger (Chargé d’affaires) in Berlin, Ferdinand (1744–1810), Geh. Obertribunal- aff. 1793, 1798/99 entlassen; Köhler, Johann u. Justizrat, Mitgl. d. Gesetzekommission, a. Gottfried (1767?–1803), Justizkommissar d. 1783, 1783 substit. Bibliothekar, 1787–1789 Stadtgerichte in Berlin, a. 1795, 1797–1802/03 substit. (deput.) M. d. dt. Arbeiten, 1789/1790 FWzgG, 16.12.1803 Trauerloge; Köhler, WilGrand juge, 1792–1800 Zu den drei Degen in helm Ernst (geb. 1770?), kgl. Feldjäger, a. 1795, Halle (Saale), 1800 Urania EM, 1800 1. Groß- 1796 2. Grad; Kolbe, Heinrich (Friedrich) Wilaufs., 1801–1810 Nationalgroßm., 1806/07 helm (1777?–1804/05), Goldsticker, a. 1803, Oberm. d. Innersten Orients, Reden: Empfin- 1804 in FWzgG,, 1804/05 Pyth; Kolscher, Jodungen eines getreuen Unterthanen bey dem Ge- hann Friedrich (geb. 1760?), Kriegskommissar, burtsfeste seines geliebten Königs Friedrich Wil- Gutsbesitzer, Zu den heiligen drei Königen in helms II. Eine Rede, welche in der feierlichen Köln, 1795 aff., 1799 Urania, 1799–1809 ab340

Großloge Royal York [RY]

wes.; Konewka, Karl Georg Christ., Dir. d. medizin.-chir. Feldbüros, 1813–nach 1815 ZsW; König (Koenig), Karl Diedrich Eberhard (geb. 1764?), Dr. med., a. 1799 FWzgG, 1802–1811 Pyth abwes.; König, Johann Rudolf (geb. 1768?), Feuerwerksleutn., 1804 Pyth, 1805 Zeremonienm., Präparateur, 1807/08 aktives Mitgl., 1810 Repräsentant bei d. Großen Loge, 1813/1815 abwes.; Köppen, Friedrich Wilhelm (1766–1816?), Kaufmann, a. 1802 in Pyth für Urania, 1803 Pyth, 1805–nach 1815 Urania; Korten, Joh. Joseph, Kaufmann, 1805 ZsW, 1811/12 abwes.; Kräger, Johann Christian, Kaufmann, 1788 EM; Krahn (genannt Oberkrahn/Oberkrohn), Johann Wilhelm (geb. 1763?), Geh. Kalkulator, 1802 in FWzgG, Urania 1802 1. Zensor, substit. 1. Aufs., 1803/04–1806/07 Sekr., 1811– 1814 Sekr., 1814 Repräsentant Horus in Breslau bei d. Großen Loge; Kraupmann, Christoph, Attaché d. russ. Gesandtschaft in Berlin, Musiker, Pelikan in St. Petersburg höhere Grade, 1794 aff., 1794 EM, 1798–1801 Urania abwes.; Krause, Amand(us), Apotheker, 1805/06 ZsW abwes., 1806/07 aktives Mitgl., 1807 abgegangen; Krause, Friedrich Wilhelm (1760?–1799), Geh. Sekr., a. 1777, 1778/ 1786 Mitgl., 1787 entfernt, 1798 Wiedereintrittsgesuch abgelehnt, 1800 erneutes Affiliationsgesuch; Krause, Georg Friedrich (1768– 1838), Oberforstrat, Major, a.1796, 1799 FWzgG Zeremonienm., 1801–1802/03 2. Aufs., 1806/1815; Krebs, Christoph August (1766?–1838), Seidenfabrikant, 1804/05 ZsW abwes., 1804–1838/39 Ferdinand zur Glückseligkeit in Magdeburg; Kretschmann, Johann Friedrich (1764?–1796), Kaufmann, a. 1794; Kreysig (Kreisig), Karl Friedrich (geb. 1775?), Kaufmann in Chemnitz, a. 1797, 1798–1802/03 Urania abwes., 1800–1821 Zur Harmonie in Chemnitz; Krückmann, August, Kaufmann, 1786 Mitgl.?, 1805/1808 ZsW; Krückmann, Heinrich (geb. 1753?), Kaufmann, a. 1782, 1786–1799 Mitgl.; Krückmann, Wilhelm, Kaufmann, 1799 FWzgG abwes.; Krüger, Andreas Ludwig (1743–1822),

Historienmaler, Oberhofbaurat, a. 1778 Deputation De la Sagesse in Potsdam, 1798 M. v. Stuhl, 1805 Innerer Orient Oberm., 1809 M. v. Stuhl Teutonia zur Weisheit in Potsdam; Krüger, Karl Friedrich (geb. 1773?), Huf- u. Waffenschmied, a. 1802 Urania, 1806 in FWzgG, 1807/08 2. Zensor, 1809; Krüger, Karl Heinrich (geb. 1778?), Galanteriehändler, 1804– 1807 ZsW, 1807 Entlassungsgesuch; Kubitz, Christian Ludwig, kgl. Ameublements-In­ spektor, 1811–1814 FWzgG 1. Stew., 1814/15 1. Großstew., 1815 FWzgG; Kuckel, Chris­ tian Friedrich (geb. 1762?), Hauslehrer, a. Zur Eintracht in Schweidnitz, 1799 entlassen, 1802 aff. RY; Kuntzmann (Kunstmann), Johann Heinrich Leberecht (1775–1858), Hofmedikus, Armenarzt, a. 1802, 1802/03–nach 1815 Pyth, 1803 2. Repräsentant (2. Kollegium d. Großen Loge) Zur wahren Eintracht in Schweidnitz, 1804–1815 Zeremonienm., 1809 Redner Pyth; Kühlmann, Karl Friedrich Sigismund, Provisor, 1813 FWzgG; Kühnemann, Georg (geb. 1770?), Leutn., a. Zu den drei Sternen in Mainz, aff./rektif. 1797, 1798 Urania Zeremonienm., 1799–1812 abwes.; Kühnert, Karl Friedrich (geb. 1773?), Apotheker, a. 1798, 1798–1807 FWzgG abwes.; Küster, Johann Anton (geb. 1749?), Rendant d. Hauptmagazinkasse, a. 1777, 1777/1778 Stew., 1778/1781/1782 Schatzm., 1782–1802 Oberschatzm. d. Stewardsloge, 1783 2. Vorst., 1794/ 1796 Schatzm., 1795 1. Aufs., 1797 substit. M., 1799/noch 1815 FWzgG, 1801/1806– 1808/09 Schatzm. d. 4 Vereinigten Johannislogen, 1802/03 Mitgl. d. Innersten Orients, 1802–1806 Repräsentant/votierendes Mitgl. d. 2. Kollegiums d. Großen Loge, 1807/08 1. Vorst. d. Stewardskollegiums; Kutzer, August Erdmann (1775?–1856), Stadtchir., 1805– nach 1815 ZsW; Labaye (L’Abaye), BenoîtClaude (1754–1800), Geh. Kriegsrat, a. 1778, 1779 Sekr., 1798/1799 FWzgG, 1789/1790 Friedrich zur Tugend in Brandenburg (Havel) EM, 1800 Innerster Orient Oberrichter, 1800 1. Zensor FWzgG 14.12.1800 Trauerloge; Labaye (L’Abaye), René (Renatus) (1758?– 341

5 Freimaurer-Logen

1832), Oberakzise- u. Zollrat, a. 1779, 1780 Redner, 1776 als Großredner Entwurf d. mr. Mitgl. d. Stewardskollegiums, 1799/1815 Gesetzbuchs, 1778 Repräsentant bei allen ausFWzgG; Labry, Jean-François (1767–1810), wärt. Logen, quitt. Okt. 1778 mehrere MonaSeidenfabrikant (Fa. Humbert & Labry), Groß- te, 1779 Sekr., 1779–1783 franz. Redner, vater Theodor Fontanes, a. 1794, 1799 ZsW, 1783 Korrespondenzdir. (Sekr. aller Grade)/ 1804–1805/06 1. Stew., 1806 2. Stew., 1806– Architekt, 1783 Bibliothekar, 1786/1787 1810 2. Zensor, 1809 1. Stew., 1809 2. Groß- Großredner, 1787 franz. Orateur (Redner), stew.; Ladenberg, Johann Andreas Philipp Großsekr., 1788/1789/1790 M. v. Stuhl, (1769–1847), Kriegs- u. Domänenrat, a. 1794, Logenreden: Discours prononcé en entrant en 1796/97 abwes., 1798–1807/08 Pyth abwes.; fonction de la charge d’orateur de la vble loge La Lagerstroem, Karl v., Kapt. im InfRgt, Royale Yorck de l’Amitié le jour de la fête de S. J. 1806/07 Urania abwes.; La Grange, Pierre- le 24 juin 1776; Discours pour la célébration du Chrétien (geb. 1770?), Gouverneur im Adl. jour anniversaire de la naissance de Sa Majesté le Kadettenkorps, a. 1793, 1799/1800 Pyth; La- roi de Prusse le 24 jan. 1777. Prononcé dans la gus, Karl Gottfried (1764–1819), Musiker, a. loge: La Royale Yorck de l’Amitié à Berlin, Ber1799 Pyth, 1799–1819 Urania; Lampe, Joh. lin 1777: G. G. J. Decker; Rede, gehalten am 5. Karl, Regimentschir., 1805 Pyth, 1811/12 September 1777 in der Loge la Royale Yorck de Sekr., 1813/14 Pyth abwes. im Felde, 1815 l’Amitié beim Besuch der vortrefflichen und ehrPyth; Lange, Arnold Ferdinand (geb. 1778?), würdigen Brüder O(xenstierna) und P(lommer­ Korrespondenzsekr. d. Lotteriedirektion, a. feldt), Deputierte des H(och) K(apitels) der 1805 Pyth, 1805–nach 1815 FWzgG; Lange, H(och)-G(rade) von Schweden. Aus dem FranJohann Karl (geb. 1777?), Kaufmann, 1805 zösischen; Discours pour le jour anniversaire de la Pyth, 1804–1807 FWzgG; Langheinrich, Jo- naissance de Sa Majesté Le Roi de Prusse prohann Karl (1754?–1804), Kalkulator im Ge- noncé le 24 janvier 1778 par le r. f- orateur Le neral-Postamt, a. 1797, 1798–1804/05 Urania, B... De N... dans la loge Royale Yorck de 21.12.1804 Trauerloge; Langner, Friedrich l’Amitié. À Berlin, chez G. J. Decker, Impri(1736–1822), Dir. d. Salzbüros d. Seehand- meur du Roi; Ode. Prononcé à la Fête de S. Jean. lung, a. 1760, 1772–1774 FlSt (Afrik. Bau- Le 24 juin 1778; Discours pour le célébration du herrenloge), 1780 reaff., 1792 7. Grad; Lasczy jour anniversaire de la naissance Sa Majesté le roi (Lazky), Georg v. (geb. 1760?), Kaufmann in de Prusse. Prononcé le 24 janvier 1779. Dans la Ungarn; a. 1797, 1798–1801 abwes.; Lasius, Loge la Royale York de l’Amitié, Berlin (1779): George Otto Siegmar, kurhannov. Ingenieur- G. J. Decker; Discours prononcé en L. Royale leutn., Wegebaudir., Repräsentant der Großen Yorck de l’Amitié le jour de la fête de St. J. B. le Loge bei d. Großen Provinzialloge aller Frei- 24 juin 1779; Discours pour le jour anniversaire maurer im Kurfürstentum Hannover, 1801 ab- de la naissance de Sa Majesté Le Roi de Prusse wes.; Léaumour, Jean-Jacques Chev. de, Leutn., prononcé le 24 janvier 1780; Discours prononcé 1795/96 EM, Mitgl. der Loge Hermes Trisme- à l’inauguratio de la maisonde la vble l. La Ro­ gistos zur Freundschaft in Landau/Pfalz; Le yale Yorck de l’Amitié le 28 Mai 1780; Sur la Bauld de Nans, Auguste-Laurent (geb. 1763), mort du S. Prince Léopold duc de Brunswick. Musiker, Kammerrat, a. 1784, 2. Grad 1788; Ode prononcé par le r. f. g. orateur Le Bauld de Le Bauld de Nans, Claude-Étienne (1736– Nans dans la t. vénérable loge La Royale Yorck 1792), Regisseur, Schauspieler d. kgl. franz. de l’Amitié le 24 juin 1785, Berlin (1785): G. Schauspiels, Autor, Redakteur, a. 1755 in J. Decker; Discours pour le jour anniversaire de Parma, 1766 St. Charles de l’Union in Mann- la naissance de S. M. Frédéric Guillaume II. le heim M. v. Stuhl, 7 Jahre besuch. Bruder d. bien aimé roi de Prusse. Le 25. sept. 1786. ProL’Amitié in Berlin, aff. 1776, 1776–1778 noncé dans la loge Royale York de l’Amitié par 342

Großloge Royal York [RY]

Le Bauld de Nans, Berlin 1787: Bourdeaux; in Potsdam, 1779 vorübergehend dispend., Sur le Bonheur, discours prononcé le 31 décemb- 1796–1803/04 Zu den drei Zirkeln in Stettin, re 1787. Dans la loge la Royale Yorck de 1809–nach 1815 FWzgG; Lemonius, Johann l’Amitié pour la clôture de l’année. A Berlin, Au Friedrich (1758?–1799), Geh. Sekr., a. 1781, profit des pauvres, 1787; Quelques fleurs jettées 1795/1798/1799 Schatzm., 1802/03 ZsW sur la tombe du T. E. et P. F. Baudesson Me. E. Schatzm.; Lemonius, Johann Wilhelm (geb. C. de la T. Vble ◻ Royale Yorck de l’Amitié à 1747?), Kriegskommissar, a. 1782, 1782 Mitla ◻ de celébrée de jeudi 8 Mai 1788, Berlin gründer Friedrich Wilhelm zum goldenen Zep1788; Le Bauld de Nantes (1818: et de ter in Küstrin, 1782/83 Schatzm., 1787–1789 Langy), Claude-François-Josephe (1767– 1. Stew., 1791–1802 (2.?) Vorst., 1802–1812 1. 1843), Kapt., später Oberst, a. 1788, aff. Vorst.; Lenhardt, Anthony (geb. 1761?), 1795(?) Zur wahren Eintracht in Schweidnitz, Schiffskapt., 1805 aff. ZsW, 1806 1. Stew., 1793 altschott. M. im Inneren Orient, 1803 ab- zuletzt 1811/12; Leonhardi, Friedrich Gottwes., 1812 Zur siegenden Wahrheit in Cosel/ lieb (1736?–vor 1806), Kaufmann, KommerSchl., Stifter, M. v. Stuhl, Juni 1815 Feldloge zienrat, a. 1777, 1802/03 Friedrich Wilhelm Zum eisernen Kreuz in Mainz, 1818–1826 Zu zur Säule in Warschau; Le Sage (Lesage), den drei Kränzen in Torgau, install. 1826 Har- Daniel (geb. 1765?), Kaufmann, a. 1798 Urapokrates in Magdeburg, 1827 Oberm. d. Loge nia, 1799/1812 Pyth; Lesser, Johann Karl Horus in Breslau, 1827 Zum treuen Verein in (geb. 1755), Geh. Oberkriegsrat, a. 1793, Wittenberg EM, 1843 Friedrich zum goldenen 1796/1797 1. substit. Aufs., 1799 Urania 1. Zepter in Breslau (Systemwechsel), 18.3.1844 Zensor, 1799 entlassen; Liebermann, Georg Trauerloge; Le Blanc, Hercule (geb. 1765?), Friedrich v., Kapt., 1786 Mitgl., 1798–1800 Leutn., a. 1790; Lebrun, Joh. Ernst Jacob, ZsW, 1805–1810 FlSt (s. dort); Liebich, Karl Kaufmann, 1805/1811–1815 2. Aufs. Urania, Gotthilf (1756–1818), Geh. Sekr., a. 1801 1809 Zeremonienm, Präparateur, 1810–1815 Pyth, 1803–1806 Sekr., 1818 verabschiedet; Repräsentant Urania bei d. Großen Loge, 1811 Liecke, Johann Friedrich, Zur Standhaftigkeit 2. Großstew.; Leckler, Karl Gottlieb (Johann in Potsdam, aff. 1801 Urania, 1801/02 Sekr., Christian?) (geb. 1765?), Maurerm., a. 1801 1801 Repräsentant Zur Standhaftigkeit in ZsW, Mitgl. bis nach 1815; Lehmann, August Potsdam, 1802 Entlassungsgesuch; Lieder, Wilhelm, Kaufmann, 1811/12 ZsW abwes.; Christ. Friedrich Wilhelm, Geh. Sekr., 1805– Lehmann, Johann David (1746?–1803/04), nach 1815 ZsW, 1811–1814 Sekr.; Lieder, Oberpackhofinspektor, a. 1782, 1773–1775 2. Friedrich Wilhelm, Uhrmacher (Großuhren), Stew., 1775 1. Stew., 1777 demiss., 1778 dis- 1805 Urania, 1815 2. Stew.; Limberg, Hennig pend., 1786/1788 Mitgl., 1798–1804/05 (Heinrich) Gottfried, Ökonom, a. 1806 Pyth, Urania; Lehmann, Johann Jeremias (1771– 1806/07 Urania, 1807/08 u. 1810/11 abwes.; 1829), Dr. phil., Vorsteher einer weiblichen Lincke, Christian (geb. 1723?), Kaufmann, a. Erziehungsanstalt, 1805 Urania, 1813–1815 1. 1761, 1763 Trésorier, 1778/1786 Mitgl., 1799/ Zensor; Leib, Joh. Samuel (Heinrich?), Musi- 1800 ZsW; Linckh (Linke), Johann Gottfried ker, 1810 FWzgG, 1814/15 2. Zensor; Leis- (geb. 1760/61), Kaufmann, a. Les Chantes in ten, Martin (geb. 1746), Sprachm., Oberakzi- Amsterdam, 1780 The Caledonian in London, se- u. Zollrat, a. 1777 Deputation De la Sa- aff. 1781 Zu den drei Felsen in Hirschberg/ gesse in Potsdam, 1778 Redner, 1781 1. Vorst., Schl., 1788 Zeremonienm., 1788–1799 Re1787 TolL (s. dort); Lemcke (Lembcke), Jo- präsentant bei d. Mutterloge, 1800/1801 EM, hann Heinrich (geb. 1741?), Oberakzisein­ 1802/03 Zur wahren Eintracht in Schweidnitz spektor, a. St. Georg zur grünenden Fichte in EM, 1803/1808 Repräsentant; Lindau, AuHamburg, aff. 1777 Deputation De la Sagesse gust Friedrich (geb. 1777), Dr. phil, Prof. in 343

5 Freimaurer-Logen

Warschau, a. 1802 in Pyth für Urania, 1803/04 Urania, 1804–1811 abwes.; Lischke, Karl Friedrich (geb. 1764?), Kaufmann, a. 1796, 1799 Schatzm., 1802/03 FWzgG Schatzm., 1803/1805 2. Stew., Mitgl. FWzgG bis nach 1815; Løffler (Löffler), Nikolaus Emanuel (geb. 1753?), Bildhauer, a. 1778, 1782/1792 2. Grad; Löhder, Ernst Gottlob (1749–1817), Kaufmann, a. 1797, 1798 Mitgl. d. Stewards­ loge, 1799 Pyth Schatzm., 1801 2. Stew., Mitgl. bis nach 1815; Löhder, Daniel Friedrich (geb. 1764?), Justizsekr. in Rheinsberg, a. 1794; Lohmann, Stephan Christian (1764– 1819), Seidenfärber, a. 1794, Urania 1803– nach 1815; Lombard, Adolphe-Louis (1765– 1822), Legationssekr., zuletzt Geh. Kriegsrat im Ministerium d. Auswärtigen, a. 1789 RY; Lombard, Jean-Guillaume (1767–1812), Geh. Kabinettsrat, Beständ. Sekretar der Akad. d. Wissenschaften, a. 1789, 1795/96 1. Grad; Louis, Jacques de, Seidenfärber, 1796/1798 RY; Löwenwolde (Löwenwalde), J. Friedrich Frhr. v., aus Livl., Kaufmann in Bordeaux; 1798 abwes., 1802/03 Urania abwes.; Lübeck, Joh. Phil., Kaufmann, 1815 ZsW; Lucas, Friedrich Wilhelm David (geb. 1777), Ökonom in Schl., a. 1803 in Pyth, 1803/04– 1806/07, aff. Zur biederen Vereinigung in Glogau; Lüdecke, Christ. David (geb. 1765?), Uhrgehäusemacher, 1806 in FWzgG, 1805– 1808 Zeremonienm., Präparateur, 1809/10 2. Aufs., 1808–1810 Repräsentant FWzgG bei d. Großen Loge, 1811–1815 Repräsentant Zur Standhaftigkeit in Potsdam bei d. Großen Loge, 1811–nach 1815 FWzgG; Ludwig, Karl Emanuel (1758–1824), Oberfeuerwerkm., Major, a. 1804 Zur Standhaftigkeit in Potsdam, 1804 aff. in Urania, ZsW bis nach 1815, 1804/05 1. Zensor, substit. 1. Aufs., 1806–1808/1810 M. v. Stuhl, 1805–1808/09 Großzeremonien­m., Repräsentant Zur Einigkeit in Danzig, Reden:

Über Humanität als das erste Studium eines ächten Maurers (14.10.1805); Über den Werth der öffentlichen Meinung für den Maurer (8.5.1806); Lüer, Karl Friedrich, Apotheker in London, 1798–1808 FWzgG abwes.; Lüer (Luer), 344

Karl August Wilhelm (geb. 1769?), Apotheker, a. 1795, 1798 abwes., 1802–1806/07 Urania abwes.; Lühe, Johann Friedrich Ernst v. d. (1748–1809), oberster Justizbeamter d. Amts Stavenhagen, Titel Oberhauptmann, aff. 1806, Urania 1807/08 abwes.; Lutquer (Lutqué), Louis (1737?–1798?), Hutfabrikant, a. 1792,

Bruder u. Ritter vom vollkommenen Baumeistergrad 1797; Lutter (Luther), Friedrich Wilhelm, Hofjuwelier, Kaufmann, 1807–1814 FWzgG; Macco, Alexander (1767–1849), Historien- u. Porträtmaler, Radierer, Lithograph, a. 1801 in Urania für FWzgG, 1802/03– 1810/11 abwes.; Machenhauer, Christoph Moritz (geb. 1754?), Gouverneur d. Kinder d. Großunternehmers Splitgerber, a. 1782, 3. Grad 1790; Mal’cev (-cov, Malzow, Maltzow), Petr Semjonovič v. (1732–1814), kais. russ. Gesandtschaftsrat in Berlin, Staatsrat, aff. 1781, 1783 Zeremonienm., 1798–1814 ZsW, 1813 EM; Maltitz, Johann Friedrich v. (geb. 1761?), im Akzisedepartement in Rheinsberg, a. 1793; Manecke, Friedrich Wilhelm (1766– 1824), Lagerhauskassierer, a. 1799 Pyth, Mitgl. bis 1824; Mangold, Leonhard Gottfried (gest. 1839), Dr. med., prakt. Arzt, 1811–nach 1815 Pyth; Mantier, Johann Franz, Seidenfärber, aff. 1810 Urania; Marggraff, Johann Christoph (1752?–1800), Gastwirt, a. 1781, 1792/ 1797 Stew., 1799/1800 Urania, 14.12.1800 Trauerloge; Marmalle, Johann Georg (1769– 1826), Dr. phil., Lehrer am Joachimsthalschen Gymn., Handlungsschule, a. 1797, 1798 FWzgG Redner, 1799–nach 1815 ZsW, 1799 Zeremonienm., 1800 Redner, Repräsentant b. 2. Kollegium d. Großen Loge, 1802– 1805/06 2. Aufs., 1805–1808/09 Großsekr., Archivar, 1808–1814/15 M. v. Stuhl, 1808/09 Mitgl. d. Großen Loge, Reden: Über Ordnung. Eine Vorlesung vom Br. Marmalle am 3ten August 1798; Über Harmonie. Eine Vorlesung vom Br. Marmalle; Marpurg, Friedrich Wilhelm (1718–1795), Oberdir. d. General-Lotteriedirektoriums, Musiktheoretiker, Komponist, a. 1780, 1786 Mitgl., 1788/1792 3. Grad; Marpurg, Gottlieb Wilhelm (geb. 1770?),

Großloge Royal York [RY]

Bankier, a. 1799 Urania, Mitgl. 1805/1820; Marteau, François Joa. (Joseph), Intendant der Herzogin von Hollstein-Beck, 1805? 1. Stew. Urania, 1809/1811 Urania, 1811 abwes.; Martinez, Johann, Cafétier, 1805?/1809– nach 1815 ZsW, 1811/12 2. Stew.; Martinsen, Joh. Vincenz, Kaufmann in Reval, 1805– 1812 ZsW abwes.; Marx, Johann Friedrich Wilhelm Philipp (geb. 1768?), franz. Sprachlehrer, a. 1794, 1799–1807 Urania; Maßmann, Karl Friedrich (geb. 1750?), Akzise- u. Zolleinnehmer in Friesack/Brandenburg, a. 1798, 1798–1809 Urania abwes.; Massow, Valentin v. (1752–1817), Oberstleutn., Obermarschall von Preußen, Intendant d. kgl. Schlösser u. Gärten, a. 1775, 1776 2. Aufs., 1777/1781 1. Aufs., 1783 substit. M. für franz. Sprache/Inspecteur du jardin, 1786 Mitgl., 1798 ZsW, deckte 1801/02; Mathias, Karl Gustav, Buchhändler, 1805–1811 Urania abwes.; Mathis, Henri Frédéric (geb. 1767?), Justizkommissar am Kammergericht, a. 1793, 1799–1800/01 ZsW; Matthießen, Johann Gottfried, Angestellter d. Niederländischen Ostindischen Komp., a. 1791/92; Matthieu, Daniel (Vater), Apotheker, 1789–1794 Zeremonienm., 1792–1796 Großzeremonienm./ Zélateur/Hospitalier, zuletzt 1799; Matthieu, Jean Daniel (Sohn) (1759?–1797), Kand. pharm., a. 1790 als Lufton (Sohn eines verdienten Mitglieds), 1792/1796 3. Grad; Maurenbrecher, Karl, Kaufmann in Malaga, 1804–1807/08 FWzgG abwes.; Maus, Anton Justus, Kaufmann in Frankfurt a. M., 1811/12 Urania abwes.; Mayet, Charles-Geoffroi, Kaufmann in Bordeaux, 1811 FWzgG abwes.; Mayet, Étienne (geb. 1751?), Fabrikendir. d. Obermanufakturkommission, a. 1772 Concorde in Lyon, aff. 1777, 1778 Redner, 1781 substit. 2. Aufs., 1787 substit. M. d. franz. Arbeiten, 1789/1790 Großredner, 1792–1794 substit. M. v. Stuhl, 1798 auf eigenen Wunsch entlassen, 1788 Discours à l’occasion des hon-

neurs funébres rendus au T. V. M. en C. Baudesson dans la Loge Royale Yorck de l’Amitié par Mayet, Berlin 1788; Mayet (Majet),

Pierre, Fabrikendir., 1805–nach 1815 ZsW; Mecklenburg, Gustav Karl Ulrich v. (1759– 1816), hannov. Hauptmann, Förderer d. mecklenburg. Industrieschulbewegung, a. 1798 Pyth, 1798–1807 ZsW abwes.; Meding, Friedrich Ferdinand (1773–1838), Kriegs- u. Domänenrat, Vizepräsident d. Regierung in Marienwerder, a. 1800, 1802/03 Urania, 1803/04– 1810/11 abwes.; Meinecke, Georg Karl, Assessor beim kgl. Hofbauamt, Prof. an Bauakademie, 1805?/1811–nach 1815 Pyth, 1813 1. Stew.; Meineke (Meinicke), Christ. Friedrich, Domziegeleipächter in Brandenburg, 1805/1809 Pyth, 1807/08 abwes.; Melchior, Franz Leonhard Moritz, Inspektor am Joachimsthalschen Gymn., 1815 Urania; Menger, Christian Friedrich (geb. 1753?), Akzisesekr. in Elbing, a. 1790; Menschner, Karl Heinrich Ludwig (geb. 1765?), Geh. Kanzleisekr. im Zoll- u. Akzisedepartement, a. 1795, 1799– 1805/06 Pyth; Merkel, Gottlieb (vermutl. Garlieb Helwig), Dr. med., Schriftsteller, Redakteur, a. 1799 FWzgG, 1799 abwes., 1800– 1802/03; Metzke, Johann Gotthilf (geb. 1764?), Geh. Sekr., 1805–nach 1815 FWzgG; Mey, Johann Daniel (geb. 1770?), kgl. Pensio­ närchir., 1805 Pyth, 1805/1806 FWzgG, 1810/11 abwes.; Meyer, Karl Friedrich, Kaufmann, 1805 2. Stew. Urania, 1811 1. Stew., Mitgl. bis nach 1815; Meyer, Sylvester Georg Barthold (geb. 1775?), Privatmann in Berlin, Partikulier in Bromberg, a. 1798 FWzgG, 1798–1811/12 Pyth abwes.; Micalj, Joseph (geb. 1766?), Kaufmann, a. auf Vorschlag Concialinis 1789; Mitscher, Johann Nikolaus, kgl. Kellerm., 2. Grad 1791, 1798 Zur Standhaftigkeit in Potsdam, 1805 Oberschatzm.; Möller, Christian Johann v. (geb. 1754?), kais. russ. Oberstleutn., aff. 1800, 1800–1805/06 Pyth Repräsentant b. 2. Kollegium d. Großen Loge, Pyth 1807–nach 1815, 1806/07 1. Aufs.; Möller, Ernst Friedrich Wilhelm (1771– 1813/14), Associé d. Kaufmanns Bocquet, a. 1795 (–1813) Urania, 1805 Zeremonienm., Präparateur, 1808 2. Zensor, 1809 1. Zensor, 1. Stew., 1811 Redner; Monbeillard, Jean345

5 Freimaurer-Logen

Louis de Potol de, franz. Leutn., in Frankr., 1796/97 abwes. (EM); Morgen, Gottlieb Wilhelm (1772?–1801/02), kgl. Feldjäger, a. 1798, 1798–1801/02 Urania; Mühlmann, Karl Friedrich Siegmund (Sigismund), Apothekenprovisor, 1814/1815 FWzgG; Müller, Benjamin Gottlieb, kgl. Postsekr., 1811–1814 ZsW; Müller, Georg Heinrich Anton (Wilhelm) (1754–1819), Bandfabrikant, a. 1784, 4. Grad (Maître elu) 1793, 1798–nach 1815 Urania; Müller, Gottfried Wilhelm, Musiklehrer, 1814/15 ZsW; Müller, Johann David (geb. 1779?), Kaufmann, a. 1805 Pyth, 1805–nach 1815 FWzgG; Müller, Johann Friedrich Burchard (1751–1828), Oberrechnungsrat, a. 1777, 1778 2. Inspekteur, Hospitalier, 1788 4. Grad; Müller, Johann Heinrich (geb. 1768?), kgl. Landjäger, a. 1795, 1799–1802/03 Urania, 1803–1810/11 abwes.; Müller, Johann Wilhelm, kgl. Backm., 1805/1811–nach 1815 ZsW; Müller, Karl, Geh. Sekr., 1814/15 ZsW; Müller, Karl Wilhelm (geb. 1749?), Geh. Kriegsrat, Rendant d. Obermarstallkasse, aff. 1774, 1778 Mitgl., 1799–1810/11 Urania; Müller, Philipp Heinrich (geb. 1757?), Kaufmann, a. 1780, 1786 Mitgl., 1788; Müllertz (Müllerts), Jens Christian (geb. um 1775 Dän.), prakt. Arzt in Hamburg, aff. 1800 Pyth, 1802–1808/09 abwes.; Münch, Karl Ernst (geb. 1770?), kgl. Feldjäger, a. 1795, 1799– 1800 Pyth, 1802–1811 abwes.; Müntzer, Karl Wilhelm (1747?–1798), Rendant, a. 1781, 1787–1790/91 1. Aufs. d. franz. u. dt. Arbeiten, 1787 1. Ökonom, 1792–1796 substit. (deput.) M. v. Stuhl d. dt. Arbeiten; Mylius, Louis, Fabrikant, 1810–nach 1815 FWzgG, 1815 2. Stew.; Nagel, Karl Gottfried, Kaufmann in Bordeaux, 1808–1812 FWzgG abwes.; Natorp, Karl Christoph (geb. 1755?), Kaufmann, Buchhalter im Fabrikendepartement, a. 1776, 1778 Frère terrible, 1783 2. Stew., deckte 1783, 1794 reaff., 1799/1800– 1801 ZsW, 1801 Eintr (s. dort); Natorp, Ludwig August (1752?–1808), Hauptbuchhalter, a. 1777, 1778 2. Ökonom (Stew.), 1779–1781 1. Stew. (1. Ökonom), 1796–1798 Großsekr., 346

1797/98 Bibliothekar, Archivar, 1799– 1807/08 Pyth, 1799/1800 1. Zensor, 1799 Schatzm., 1802 1. Aufs., Großschatzm.; Natzmer, Friedrich Ernst Wulff v., Kapt., Gutsherr, 1806 Pyth, 1806 ZsW, 1808/1810 abwes.; Nauck, Johann Gottlieb (1769–1826), Ratsmaurerm., a. 1806 Pyth, Mitgl. bis nach 1815; Naumann, Johann Georg (1754–1826), Dir. d. Tierarzneischule, 1805 Pyth, 1805/06– nach 1815 FWzgG, 1811–1814 Redner; Néale, Ferdinand Louis Charles Henri Maximilian Philippe Comte de (Gf. v.) (1756?– 1828), kgl. Kammerherr am Hof Pz. Ferdinands, Obermundschenk d. Kg., a. 1774, demitt. 1779, 1786 Mitgl., 1798 auf seinen Wunsch entlassen; Neigenfind (Neygenfind), Friedrich Wilhelm (1774?–1832), Dr. med., später Leibarzt Pz. Wilhelms, botan., med. Schriften, a. 1801, 1802/03 Urania abwes., 1804/1809 Zur wahren Eintracht in Schweidnitz; Neubauer, Karl Friedrich Ludwig, Kaufmann, 1811–1815 FWzgG; Neumann, Johann Karl Friedrich, Kaufmann, 1813–1815 ZsW; Neuwerts, Friedrich Arnold, kgl. Deichin­spektor, Wasserbaudir., 1802 FWzgG, 1802/03–1810/11 ZsW abwes.; Neyen, Johann Christian (geb. 1766?), Dr. med., a. 1787, 1788 3. Grad; Niemojewski, Joseph Gf. v. (geb. 1768?), ehem. Offizier, a. 1789; Niessel, Franz (geb. 1760?), Aktuar, a. 1801; Nitze, Dietrich Friedrich Gottfried (1764–1834), Kaufmann, a. 1789?, 1792/1793 substit. Zeremonienm./Zélateur, 1799/1815 Urania, 1800 2. Zensor, 1801 1. Stew.; Noguier, Johann Stephan (geb. 1757?), Polizeikommissar, a. 1801 Pyth, 1802/03 ZsW, 1802–1804 2. Stew., 1805 Peg (s. dort); Nordmann, Gottfried Ludwig, Partikulier, 1811–1813 FWzgG, 1814 abwes.; North (Nord) Graves, s. Graves; Nouvel, François (1766–1834), Kaufmann, a. 1802 FWzgG, 1803/04 u. 1808/09 Redner, 1804/1805–1809/1817 Zeremonienm., Präparateur, 1806/1815 Großschatzm., 1811– 1815 1. Aufs., 1805–1810 Repräsentant Zum Morgenstern in Hof beim 1. Kollegium d. Großen Loge, 1811–1815 Repräsentant FWzgG

Großloge Royal York [RY]

bei d. Großen Loge; Nüssel, Franz, kgl. Notarien-Aktuar in Breslau, 1801 Urania abwes.; Oberkampf, Friedrich Wilhelm Em., Kaufmann, 1805–nach 1815 Urania, 1815 Sekr.; Oemigke, August (gest. 1799), Kaufmann, a. 1791/92, 1799 Pyth; Ohloff, Friedrich (geb. 1769?), Chir. bei d. Armee, a. 1791, 1792 Mitgl.; Olberg, August Leopold (geb. 1769?), kgl. Feldjäger, a. 1795, 1796/97 abwes., 1799– 1811 ZsW abwes.; O’Reilly, John Leonard, Kaufmann, 1788 EM; Orloff, Gregor v., kais. russ. Gardeleutn., 1811–1814 ZsW abwes.; Orttlöpp, Johann Christian (geb. 1764), Goldarbeiter, a. 1787, 1798–1807/08 Urania; Oswald, Karl Friedrich, Kammerassessor, a. 1803 FWzG auswärt. Mitgl.; Otto, Johann Friedrich (geb. 1766?), kgl. Feldjäger, a. 1798, 1798/1799 Urania, 1800/1801 abwes.; Otto, Johann Friedrich (geb. 1766?), Kaufmann, a. 1794; Otto, Karl Ludwig (geb. 1742?), Ratszimmerm., a. 1796; Padel, Christian Friedrich (geb. 1748?), Kaufmann, Rendant d. Bankkontors in Frankfurt/Oder, a. 1779, 1787– 1789 Sekr. Zum aufrichtigen Herzen in Frankfurt (Oder), 1789–1804 Almosenpfleger; Pagès, Johann Wilhelm (geb. 1765?), Kaufmann, Fabrikant, a. 1793, 1799 Pyth, 1799 aus Liste gestrichen, weil Orient verlassen, 1799–1806/09 Pyth abwes.; Palchow, Friedrich Heinrich, Kaufmann, 1811 FWzgG; Pállfy (Palfy), Franz Gf. v. (geb. 1776?), ungar. Magnat in Wien, 1803–1812 ZsW abwes.; Palm, Johann Karl Wilhelm, Bergassessor, 1807–1811 FWzgG; Palm, Johann Friedrich, kgl. Feldjäger, 1799 Urania, 1800/1801 abwes.; Palm, Moritz Ferdinand (geb. 1771?), kgl. Feldjäger, a. 1799 Pyth, 1799 Urania; Papin, Jacques (geb. 1760?), Prediger, Konsistorialrat, a. 1798, 1803 Zur Standhaftigkeit in Potsdam Redner, Bibliothekar, 1805/1815 Repräsentant, Oberredner im Inneren Orient, Bibliothekar; Papin, Paul (geb. 1770?), Kaufmann, a. 1796, 1797/1799; Parrod, ClaudePhilippe, Kaufmann, a. 1805, 3. Grad 1805 in FWzgG, 1805–nach 1815 ZsW; Pascal, JeanBartholomé (1751?–1820), Hutfabrikant, a.

1780–1785, 1805 Eintr (s. dort), erneut? 1800–1810/11 FWzgG; Pasemann, Johann Christoph (geb. 1757), Kaufmann, a. 1788, 1799 FWzgG, deckte 1802/03, 1810–1814 FWzgG; Pastiani, Jean (Johann) Gottlob (1741?–1803), Fechtm., a. 1791, ab 1792 Stew., 1799–1803 Urania 1. Stew., 16.12.1803 Trauerloge; Päzelt, Johann Heinrich, Buchhalter d. Gold- und Silbermanufaktur, 1805 1. Zensor Pyth, 1809 2. Zensor, 1811/12 1. Zensor, 1813–1815 Repräsentant Pyth bei der Großen Loge, 1813–1815 1. Aufs.; Peitzner, Georg Ludwig, Kaufmann, 1786 Visiteur La bien Aimée in Amsterdam, 1788 RY EM; Pelet, Karl Gerhard v. (1742–1823), Major, a. 1778 in Armee Pz. Heinrich durch  Marschall v. Bieberstein für RY, 1792 Friedrich zur wahren Freundschaft in Konitz, 1793 besuch. Bruder; Pelisson, Philipp, Kammergerichtsreferendar, 1805/1808–nach 1815 ZsW; Pemetzrieder, Johann Karl Ludwig, Stadtin­ spektor, 1805/1811–nach 1815 ZsW, 1813/14 2. Stew., 1815 1. Stew.; Petzke, Joachim Sigismund (geb. 1744?), Oberproviantkommissar, aff. 1795, 1799–1802/03 Urania, 1799 2. Zensor, 1804–1810/11 abwes.; Petzold, Joh. Christoph, Rentier, 1805–nach 1815 Pyth, 1811 2. Stew., 1812 1. Stew., 1814/15 2. Großstew.; Pfeiffer, Karl Friedrich (geb. 1773?), Kaufmann, 1806/07–1810/11 Urania abwes.; Pfützenreuter, Joachim Philipp (geb. 1764?), Kaufmann, a. 1795, 1800–1812 FWzgG abwes., 1803 Zur Freundschaft und Wohltätigkeit in Havelberg Mitgründer, 2. Vorst.; Philippi, Johann Eberhard Wilhelm, Sekr. d. Oberrechnungskammer, 1801/1804 Repräsentant Luise zur gekrönten Schönheit in (Berlin-) Charlottenburg beim 2. Kollegium d. Großen Loge; Pieper, Johann Friedrich August (geb. 1766?), Bancobuchhalter, a. 1788, 1789 sub­ stit. Ökonomiedir., 1790 Sekr. für Johannisgrade, 1792 substit. Aufs., Zensor, 1793 sub­ stit. 1. Aufs., 1794 2. Aufs., 1794–1797 Aumonier (Almosenpfleger), 1795–1798 Groß­ aumonier, 1798/1807 ZsW, 1800 Zere­ monienm., Präparator; Pietsch, Karl Wilhelm, As347

5 Freimaurer-Logen

sessor, 1815 FWzgG; Pilat, Rudolph (geb. 1781?), Gesandtschaftssekr., 1805 in FWzgG, 1805 Sekr., 1806/07 Pyth, 1808/1810 abwes.; Pinkernelle, Johann Daniel (David), Kaufmann in Hamburg, a. 1802, 1803–1808 Pyth abwes.; Plantier, Johann Franz, Seidenfärber, 1805–nach 1815 Urania, 1811–1813 2. Stew., 1814 1. Stew.; Ploen, Jean Chrétien (geb. 1749?), kgl. Stallm., a. 1776, 1782/1788 3. Grad; Pohl, Karl Ferdinand, Musiker, Glasharmonikaspieler, 1805–nach 1815 Urania; Pohle, Gottfried August (geb. 1748?), Stadtchir., a. 1793, 1799/1800 Urania, 1802–1807 Mitgründer, Schatzm. Luise in (Berlin-)Charlottenburg; Poirier, Jean-Pierre, Gärtner, 1802/03–1805/06 ZsW, 1802–1804/05 Red­ner, Repräsentant b. 2. Kollegium d. Großen Loge; Poirier, Pierre (1731?–1796), Ober­ chir. d. Armee, a. Aux trois Glaives d’Or in Dresden, Mitgründer L’Amitié, 1767 interim. Zeremonienm., 1767–1769 u. 1772–1774 M. v. Stuhl, 1774 Großzeremonienm., 1788/1796 7. Grad; Polchow, Friedrich Heinrich, Kaufmann, aff. 1806, FWzgG 1807–nach 1815, 1808–1811 2. Stew.; Porzelius, Zacharias, a. 1787, 1788 EM; Pringal, Jean-Guillaume (Johann Wilhelm) (1767–1830), Goldarbeiter, aff. 1801 ZsW (–nach 1815), 1802–1806 Zeremonienm., Präparateur, 1805 1. Stew., 1805/06 Repräsentant b. 2. Kollegium d. Großen Loge, 1811 2. Stew., 1811/12 2. Zensor; Printz, Karl Friedrich (geb. 1772?), Kaufmann, a. 1798 ZsW, 1798–1800 FWzgG; Protzen, Johann Karl Friedrich, Tabakfabrikant, 1811–1815 FWzgG abwes.; Prust, Christian Heinrich (geb. 1772?), Kaufmann, a. 1798, 1805/1811–1815 Urania; Quassowsky, Gustav Leopold (1775?–1822), Landrentm., a. 1806 Pyth, 1806–1812/13 ZsW abwes., Mitgl. bis 1822; Quast, Wolf Friedrich Ludwig v. (1769–1812), Leutn., Gutsbesitzer, a. 1792 Bst (s. dort), 1798/1800 Affiliation dreimal abgelehnt, aff. 1806 in FWzgG, 1807–1811 ZsW, 1809 Redner, 1809 Repräsentant ZsW bei d. Großen Loge; Räbel, Leopold Karl (geb. 1768?), 1796? Apotheker Zum (gekrönten) 348

schwarzen Adler, a. 1796, 2. Grad 1797; Radecke (Radtcke), Karl Georg (geb. 1777), Kammergerichtsreferendar, a. 1802 Pyth, 3. Grad 1802 in FWzgG; Raham, August v., Kanonikus, 1805–1810/11 ZsW abwes.; Raithel, Friedrich Benjamin (geb. 1758?), Privatsekr., a. 1798, 1798/1799 Pyth, 1799 Sekr. d. Stewardsloge, 1799 Schulden halber entfernt; Rantzau, Friedrich Karl Christian Gf. v. (geb. 1770?), dän. Rittm. in Itzehoe, a. 1798 ZsW, 1798–1810/11 FWzgG abwes.; Rätke, Adolph Friedrich, Justizbürgerm. in Plauen, 1800 FWzgG abwes.; Raue, Christian Friedrich Amadé (geb. 1761?), Quartiermeistermajor, a. 1787, 1788 3. Grad, EM; Rauthe, August Friedrich Wilhelm (geb. 1771?), kgl. Feldjäger, a. 1796, 1799–1801 Urania abwes.; Raven (Rawen), Johann Anton Friedrich, Grundbesitzer in Einbeck, Privatgelehrter, 1798–1810/11 FWzgG abwes.; Reichardt, Karl Friedrich Bar. v., in kais. österr. Militärdiensten, 1811/12 Urania abwes.; Reichel, Friedrich, Güterverwalter am kgl. Packhof, 1807 Pyth, 1806/07 FWzgG, 1809 2. Zensor, 1810–1814/15 1. Zensor; Reichel, Isaac Gotth., Kaufmann, Fabrikant, 1811/12 FWzgG, 1813/14 2. Stew., 1815 1. Stew.; Reignard, Jacques David (geb. 1764?), Tabakfabrikant in Frankfurt/Oder, a. 1793, 1794? Zum aufrichtigen Herzen in Frankfurt (Oder); Reimann, Friedrich Wilhelm, Kaufmann, 1809/10 FWzgG, 1811–1813 2. Zensor, 1814 Zeremonienm., Präparateur, 1815 Repräsentant FWzgG bei d. Großen Loge, 1815 Sekr.; Reinhardt, Christian Friedrich Karl (geb. 1768?), Musiker in Neustrelitz, a. 1798, 1798 abwes.; Reinsperg, Johann Karl Amadé v. (geb. 1765), Assessor in Lübben, a. 1788; Renard, Claude (geb. 1745?), Seidenfabrikant, a. 1783, 1786 Mitgl.; Rennenkampf (Rennekamp), Karl Jakob Alexander v. (geb. 1781), Edelmann in Livl., a. 1802 Urania, 3. Grad 1802 in Pyth, 1802/03 abwes.; Rettcher, Georg Wilhelm (1739–1809/10), Buchhalter, Oberrichter, a. 1781, 1782/1783 substit. dt. Redner, 1787 2. Aufs. für d. franz.

Großloge Royal York [RY]

u. dt. Arbeiten, 1789/1790 2. Aufs., 1792 deput. M. v. Stuhl, 1794–1795 substit. M. v. Stuhl, 1798 Oberrichter, 1799 ZsW, 1800– 1805/06 M. v. Stuhl, 1802–1805/06 zugeord. Großm., 1806/1808 Oberrichter d. Innersten Orients, Reden: Über die RegierungsForm und

die Vortheile welche die unsrige gewährt; Rede dass der größte Verstand nur dann wahren Werth hat, wenn damit das Gefühl für alles Schöne, Edle verbunden ist (11.10.1804); Über Freude und Vergnügen (8.11.1804); Über die Hoffnung am Schlusse des Jahres (31.12.1804); Rey, Antoine, Kaufmann, 1787 aff., 1788 3. Grad; Reyher, Johann Samuel, Kantor in Groß Schönebeck, 1813–nach 1815 FWzgG; Rheden, Bernhard Otto Bar. v., Gutsherr, 1805– 1812 Urania abwes.; Rhode, Johann Gottlieb (1762–1827), Zeitschriftenherausgeber, Lehrer, Dramaturg, 2. Grad 1797, 3. Grad 1797, 1798/1799 FWzgG 2. Vorst., Mitgl. d. Großen Loge, 1800 Großredner, 1802–1812 abwes., mit  Marmalle Hg. Jahrbücher der Grossen Loge Royale York zur Freundschaft in Berlin oder Denkwürdigkeiten für Freimaurer; Beiträge zur Geschichte der Großen Mutterloge Royale York zur Freundschaft i O von Berlin (1798); Reden: Rückblicke auf die Geschichte des verflossenen Jahres. Eine Vorlesung vom Br. Rhode gehalten am Johannisfeste 1798; Rede bei der Eröffnung der großen Loge Royale York zur Freundschaft. Gehalten vom Br. Rhode am 11ten Junii 1798; Rede bei der Eröffnung der Großen Loge Royale York zur Freundschaft. Gehalten vom Br. Rhode am 14. Junii 1798; Rückblicke auf die Geschichte des verflossenen Jahres. Eine Vorlesung vom Br. Rhode gehalten am Johannisfeste 1798; Über die Beschuldigungen eines ungenannten Schriftstellers die Absichten und Constitutionen der Gr. Loge R. Y. zur Freundschaft betreffend. Eine Vorlesung, gehalten am 3ten August 1798; Der Geist unserer Constitution. Eine Vorlesung vom Br. Rhode; 15.10.1798 las Abhandlung des verstorbenen Br. Lessing vor, enthaltend dessen Resultate über die Maurerey, und begleitete sie mit seinen Bemerkungen, wodurch er bewies, wie sehr die Reform,

die Lessing schon vor 20 Jahren in der Einrichtung der [Logen] wünschte, verdient endlich in Erfüllung zu kommen, er suchte hierauf die Gründe zu entdecken, wodurch dem Orden dennoch in Verfall kam und wie er wieder zu seiner Würde gelanget, und applizierte sodann letztere auf die bisherige Fortschritte der großen [Loge] Royale York; Cantate von Bruder Rhode in Musik gesetzt von Br. Hurka. Dankfest zu Ehren unsers Allerdurchlauchtigsten Königs Friedrich Wilhelm III. gefeyert den 21ten Januar 1798 von der Altschottischen Großen Mutterloge Royale York zur Freundschaft im Orient zu Berlin; An die Harmonie. Eine Cantate vom Br. R. In Musik gesetzt vom Br. Hurka. Aufgeführt in der großen Loge Royal Yorck zur Freundschaft den 28. October 1798, Berlin (1798): G. J. Decker; Kantate zur Feier des Stiftungsfestes der Gr. Loge Royale York zur Freundschaft. Den 11ten Jun. 1799. Vom Br. Rhode. In Musik gesetzt von Br. Hurka, (Berlin 1799): G. J. Decker; Richter, Johann Christian (1770–1825), Dir. d. Militärökonomiedepartements, a. 1796, 2. Grad 1797, 1799–nach 1815 Urania; Richter, Johann Heinrich (geb. 1764), Geh. Kanzlei­ sekr. im Generaldirektorium, 1803 FWzgG, 1805 Sekr., 1806–1808/09; Richter jun., Johann Heinrich, Zimmerm., 1805/1811 Pyth, 1811/12 2. Stew., 1813–1815 Sekr.; Richter, Johann Rudolf Heinrich (1748–1810), Oberhofbaurat, Landschaftsmaler, a. 1778 Deputation De la Sagesse in Potsdam, 1798 2. Aufs., aff. 1802 (–1812) Minerva in Potsdam; Richter, Karl Christian, Dr. jur., 2. Grad 1787, 1788 EM; Richter, Karl Rudolf (1755–1823), Archidiakon in Fürstenwalde, a. 1786, 1788 2. Grad, 1797; Richter, Paul David (1764– 1834), Kammermusiker am kgl. Nationalthea­ ter, a. 1804, 1805/1834 FWzgG; Riebe, Gottfried, kgl. Operntänzer, 1814/15 ZsW; Riedel, Heinrich Karl (1756–nach 1820), Geh. Oberbaurat, a. 1796, 1799/1807 Urania aktives Mitgl.; Riedel (Rüdel), Johann Friedrich Christoph, Hofpostsekr., a. 1801 Urania, 1802–1806/07; Ringk, Johann Samuel (1766?– 1814), Prof. d. Zeichenkunst, a. 1793, 1797– 349

5 Freimaurer-Logen

1802/03 Urania; Ritter, Johann (geb. 1754?), Postm. in Nakel/Netzedistrikt, a. 1783, 1784 Gründungsmitglied Die Treue zu den drei Tauben in Bromberg, 1795 M. v. Stuhl, 1802 Janus in Bromberg; Robin, Hausoffiziant der Herzogin von Hollstein-Beck, 1809 Urania; Rochow, Friedrich Wilhelm (geb. 1748?), Kommissionsrat in Glogau, 1804 in FWzgG, 1804/1807 ZsW, 1806/07 Zur biederen Vereinigung in Glogau; Rode, Georg Wilhelm (geb. 1750?), Kriegsrat, Landrentm. d. kgl. Kammer, a. 1777 Deputation De la Sagesse in Potsdam, 1779 EM, Zur Glocke in Breslau: 1784/1789 deput. M., 1784/1786 auch Schatzm., deckte 1813/14; Roeder, Wilhelm Karl Ferdinand v. (1781–1813), Major im Generalstab, Adj., 1808/09 FWzgG; Rohde, Jakob Friedrich Frhr. (1783 Gf.) v. (1755–1828), ao. Gesandter in Kopenhagen, a. 1774 Zum goldenen Zirkel in Göttingen, Redner, aff. 1781, 1782 abwes., 1799 2. Aufs. FWzgG, 1803–1811 abwes.; Rohner (Rähnert), Karl Ludwig Ferdinand (geb. 1762?), Kalkulatorgehilfe d. kurmärk. Kriegs- u. Domänenkammer in Berlin, a. 1798, 1798/1810 Urania; Rohr, Ullrich Johann Ernst Frhr. v., Leutn. a. D., 1800 ZsW abwes.; Röhrs, Karl Wilhelm (geb. 1772?), Kaufmann in London, a. 1803, 1803–1806/07 FWzgG abwes.; Romanus, Christian Andreas Gottfried (1761?– 1813), Gold- u. Galanteriearbeiter, Amtsm., a. London, aff. 1803, 1804/1811 FWzgG; Roscher (Rosché), Karl Friedrich Ludwig (geb. 1771?), Dr. med., a. 1800 Pyth, 1802–1811 abwes.; Rose, Karl Ludwig Ferdinand, Ökonom, 1814/15 Urania; Rosenberg, Johann Gottlob Ernst Frhr. v. (1765–1836), Kriegs- u. Domänenrat, Regierungsrat in Kleve, a. 1783, aff. 1805 Zur biederen Vereinigung in Glogau; Röstell, Friedrich Wilhelm (geb. 1766/1771?), Dr. med., Stabschir., 1802 Mitgl., 3. Grad 1803 in FWzgG, 1802/1804 ZsW, 1804– 1825 Zum Totenkopf in Königsberg/Pr.; Rothenberger (Rottenberger), Johann Friedrich Wilhelm (geb. 1766?), Kaufmann, 1806– 1814/15 Pyth, 1807/1808 2. Zensor, Stew. 350

Rousset, Elias Karl, Kaufmann, 1813–nach 1815 FWzgG; ; Rousset, Jakob Peter, Kaufmann, 1807–nach 1815 FWzgG; Röver, Christian Konrad (1757?–1807), Kaufmann, a. 1789, 1792 Stew., 1795/96 Zeremonienm., Zélateur, 1796/1797 1. Aufs., 1798/1799 Großzeremonienm., 1799 FWzgG 1. Vorst., 1799–1802 Pax inimica malis in Emmerich EM, 1. Repräsentant; Rüchel, Ernst Friedrich Wilhelm Philipp v. (1754–1823), Generalleutn., Kommandant von Potsdam, a. 1782 Zur goldenen Krone in Stendal, 1782 Minerva in Potsdam, 1801 Logenm., 1798/1800–1808 EM; Rückert, August Gotthilf (geb. 1757?), Kaufmann, a. 1785, 1788 3. Grad; Rudloff (Rudeloff), Christ. Daniel, Kaufmann, 1805 Pyth, 1807 Urania, 1808–nach 1815 Pyth, 1813/14 Redner; Sacchi, Lorenz, Steinschneider, 1815 Urania; Sahler, Karl Friedrich (Charles Frédéric) (1765?–1794), Dr. med., a. 1788, 30.10.1794 Trauerloge; Salbach, Johann August Friedrich (1761–1819), Oberakziseeinnehmer, a. 1801 (–1819) Urania, 3. Grad 1802 in FWzgG, 1802–1803/04 2. Zensor, substit. 2. Aufs., 1803/04 Repräsentant Urania beim 1. Kollegium d. Großen Loge, 1804/05 substit. 1. Aufs., 1806/1807 1. Zensor; Saltzmann d. S., Franz August Abraham, Buchhalter d. Hauptnutzholzadminis­ tration, Kaufmann in Königsberg/Pr., 1788/ 1792; Saltzmann, Franz Karl (1730?–1803), Direktor des Rechnungswesens, a. 1759 ML3W, aff. 1759, 1763 2. Aufs., 1764 L’Amitié, 1783 1. Zensor, Hospitalier, 1798 ZsW, 1800– 1803/04 1. Zensor, 1802–1804 auch substit. 1. Aufs., 1801–1803 Repräsentant d. Großen Loge bei Luise in (Berlin-)Charlottenburg, 16.12.1803 Trauerloge; Saltz­mann (Salzmann), Friedrich Abraham August (geb. 1750?), Dir. d. General-Holzhandlung, a. 1788, 1798 Sekr. d. Stewardsloge, 1799 FWzgG, 1799 deput. Großsekr., 1799 1. Zensor, 1800– 1803 Sekr., 1803–1808/09 1. Aufs., 1803– 1805/06 u. 1808/09 2. Großvorst., 1800– 1810 Repräsentant Zur Standhaftigkeit in Potsdam; Saltzmann, Johann Christian (1727–

Großloge Royal York [RY]

1803), Manufakturunternehmer (Fa. Tuchhandlung Saltzmann & Becker), Geh. Hofrat, a. 1757, 1764 L’Amitié, 1778 dispend., 1779 Architecte, 1780 Hospitalier cadé, 1796/1797 Mitgl.; Saltzmann, Stephan Wilhelm (geb. 1768?), Kondukteur, Landbaum., a. 1795, 1798–1800 abwes.; Salzenberg, Justus (1763– 1814/15), Kaufmann, a. 1794, 1799 Urania Schatzm., 1800–1803/1806 Hospitalier, 1804/05 2. Zensor, substit. 2. Aufs., 1810/1815 Mitgl.; Sander, Johann Daniel (geb. 1756?), Apotheker, a. 1779; Sasse, Johann Friedrich Wilhelm (1765?–1834), Stabskapt., 1801 prop., 1801 Sekr. d. Stewardsloge, 1802 deren M. v. Stuhl, 1802/03 Pyth, 1805/06 2. Zensor, 1814/15 Großzeremo­nienm.; Saust, Johann Ernst, Kaufmann, Gasthofinhaber, 1811–nach 1815 Urania; Schach v. Wittenau, Eugen Magnus Gf. (geb. 1772?), Stabsrittm., a. 1797, 1798 ZsW, deckte 1802/03; Schadow, Johann Gottfried (1764–1850), Hofbildhauer, Dir. d. Akad. d. Künste, a. 1790, 1792 Architekt, Décorateur, 1793 2. substit. Aufs., 1794 1. substit. Aufs., 1796/1797 Zensor, 1797 7. Grad (Auserwählter des neuen Jerusalems), 1798/99 FWzgG, 1799 1. Zensor, 1800–1803/04 2. Zensor, 1803/04 auch sub­stit. 2. Aufs., 1803– 1812 Innerster Orient, 1804–1811/12? 2. Oberaufs., 24.5.1840 Feier d. 50-j. Maurerjubiläums, Karl Friedrich Klöden: Zum Maurerischen Ju-

Königsberg, 1794 aff., 4. Grad (Maître elu) 1794; Schirmer, Friedrich August, Goldarbeiter, 1813–nach 1815 FWzgG; Schlicht, Christian Gottlieb Wilhelm v. (geb. 1769?), Feldproviantkommissar, a. 1796; Schlicht, Karl Friedrich Ludwig (1749–1799), Stadt­ sekr., a. 1788, 1790 Redner für dt. Arbeiten, 1792 auch 2. Aufs., Zensor, 1793 deput. M. für dt. Arbeiten, 1794–1799 M. v. Stuhl (d. Johannisloge, dann Urania), 1797/1798 Großredner, 1797/98 Bibliothekar, Archivar, Repräsentant Die Treue zu den drei Tauben in Bromberg, 24.11.1799 Trauerloge, Reden: 2.3.1789 Über Anhänglichkeit an der Loge (kam ins Archiv); 27.1.1798 Kurzgefasste Ge-

schichte der großen Mutterloge Royale York zur Freundschaft in Berlin; Schlott, Balthasar, Musikinstrumentenmacher, 1805 Urania, 1807 FWzgG, Urania 1808–nach 1815, 1808 2. Stew.; Schmidt, Friedrich, Tuchbereiter, Stadtrat, 1811–nach 1815 Urania; Schmidt, Georg Friedrich Martin (1756–1819), Associé von J. C. Friedrich Krauske & Schmidt, selbständig, a. 1789, 1794–1796 Sekr., 1796 sub­ stit. 2. Aufs., 1798–1819 FWzgG, 1802 2. Zensor, substit. 1. Aufs., Repräsentant Zur Harmonie/Hohenstein bei d. Großen Loge, 1803/04 1. Zensor, substit. 1. Aufs.; Schmidt, Johann Wilhelm, Buchdrucker, a. 1800 FWzgG; Schmidt, Karl, Lehrer am Berlin-Kölln. biläum des Hochwürdigen Bruders Dr. Joh. G. Gymn. zum Grauen Kloster, 1815 Urania; Schadow am 24. Mai 1840; Schiavonetti, Schmidt, Karl Ludwig (geb. 1769?), kgl. FeldGiovanni Batista (1767–1817), Kaufmann, a. jäger, a. 1795, 1798/1799 RY; Schmolck, 1801, 1802 FWzgG, 1802 Pyth, 1802–nach Adolph Wilhelm (geb. 1763?), Akzisenkassen1815 ZsW; Schier, Johann Ernst (geb. 1769?), kontrolleur in Tilsit, a. 1795, 1796/97 abwes.; Manufakturunternehmer, 1805/06–nach 1815 Schnaase, Paul (geb. 1769?), Bankier aus Pyth, 1806/07 2. Stew.; Schiffert, Daniel Danzig, 1802 aff. durch Urania, 1803–1813 Friedrich (1734/1736–1797), Dr. med., Stadt- FWzgG; Schneider, Johann Gottlob Wilu. Koloniemedikus in Prenzlau, a. 1779 in dt. helm, Musiker (vermutl. Johann Gottlob, Sprache, 1782 abwes., 1795 Mitgründer Zur 1753–1840, Organist, Kantor), 1807–1810 Wahrheit in Prenzlau, 1795–1797 1. Stew.; FWzgG; Schoch, Johann Gottfried (1757– Schiller, Johann Christ., Kalkulator, 1805?/ 1819), Konditor, a. 1801 Urania, 1804/05 1812 Pyth, 1805/1811 abwes.; Schiller, Jo- 2. Stew., 1805–nach 1815 FWzgG; Schodhann Friedrich Karl, Oberstleutn., 1808 Pyth städt (Schottstedt), Johann Wilhelm (geb. abwes.; Schindelmeißer, Abraham (geb. 1778?), Geh. Sekr. d. Feuersozietätsdirektion 1764?), Dr. med., 1785 Zu den drei Kronen in Posen, a. 1804 Pyth, 1805–1806 abwes., 1806 351

5 Freimaurer-Logen

Abb. 68  Reisezertifikat der Loge Royal York zur Freundschaft, ausgestellt am 4. August 1791 für Johann Gottfried Schadow, Kupferstich von Daniel Berger (Blankodiplom), 1787 (© Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv.-Nr.: SM 2013-7516).

Entlassungswunsch, zur Loge in Posen (Die gekrönte Beständigkeit?); Schoelz, Johann Gottfried, Kaufmann, 1809 FWzgG; Schön, Ernst Traugott, Chir., 1800/03 Urania abwes.; Schönaich Carolath, Gf. v. (vermutl. Karl 352

Heinrich Erdmann Erbpz., 1759–1817), 1801 aff. in Urania, 1804/1807 Urania aktives Mitgl., 1808/1811 abwes.; Schönberg, Christ. Gottl., Apotheker, 1809 FWzgG, 1810 2. Zensor; Schönberg, Johann Georg, 1806–1822

Großloge Royal York [RY]

Apotheker Zum Einhorn, 1811–1814 Sekr. FWzgG, 1812–1814 Repräsentant FWzgG bei der Großen Loge, 1815 Zeremonienm.; Schönberg, Johann Karl, Kaufmann, 1805/ 1815 Urania, 1811/1813 2. Zensor; Schöndörffer, Ludwig Wilhelm (geb. 1755?), Kaufmann, a. 1779 Zu den drei Disteln in Frankfurt a. M., aff. 1780, 1781 substit. Sekr., 1782 Sekr., 1786/1788 Mitgl.; Schoppe, August Ferdinand (1761–1835), Gold- u. Silberschmied, -händler, 1804 FWzgG, noch 1822 FWzgG; Schoppe, Johann Gottfried, Gold- und Silberhändler, 1811–nach 1815 FWzgG; Schorlemmer, Reinhold Joh. v., Kapt., 1815 Urania abwes.; Schramm, Karl Friedrich (geb. 1776?), Teilhaber d. Vossischen Buchhandlung, 1805/06 Pyth, 1806/07 2. Zensor, 1809 Repräsentant, 1811–nach 1815 Pyth; Schramm, Karl Ludwig, Musikinstrumentenmacher, 1808–nach 1815 FWzgG; Schreiber, Gottlieb Ludwig, Kondukteur, 1805–1809 Urania, 1811 abwes.; Schröder, Ferdinand Wilhelm, Kaufmann, a. 1806 Pyth, 1806 abwes., 1807– 1809 Mitgl., 1811–1815 abwes.; Schröder, Johann Heinrich (1757–1812), Pastellmaler, a. Engl., aff. 1798 FWzgG, (1801) 3Ser; Schubert, Franz Ludwig (geb. 1763?), Ökonomieinspektor d. KPM, a. 1805, 1806–1810/1815 ZsW 1. Zensor, 1814/15 aktives Mitgl.; Schubert, Heinrich Wilhelm (geb. 1766?), Bandfabrikant, a. 1804, 1804–nach 1815 FWzgG; Schüler, Karl Friedrich Wilhelm (geb. 1773?), Dr. med., a. 1797, 1798–1810/11 FWzgG abwes.; Schüler, Peter Gottlieb, Nassauischer Leutn., 1807 ZsW abwes.; Schultze, Johann Kaspar (geb. 1770?), Kaufmann, a. 1801 Urania, 1802–nach 1815 FWzgG; Schultze, Karl Wilhelm Jakob (geb. 1772?), Kaufmann, a. 1799 (–nach 1815) Urania, 1805 Hospitalier; Schulz, Joh. August Wilhelm, Registrator, 1814/15 ZsW; Schulze, Johann Gottlieb (1763–1822), kgl. Operntänzer, a. 1801 (–nach 1815) ZsW, Stew., Hospitalier, 1815 2. Stew.; Schulze, Karl Philipp, kgl. Jagdzeug­ jäger, 1802/03 Pyth, 1803–1811 abwes.; Schumacher, Friedrich Balthasar Gerhard (1755–

nach 1813), Dr. jur., Senior d. Vikarien zum Heil. Peter im Hochstift Lübeck, a. 1778 Isis (Isida) in Reval, RY: 10.5.1793 Besuch, 4.7.1793 aff., 1796/1799, 1800–1801 EM, 1801 Gooes und Gridiron Nro. 1 in London, Reden: Vortrag über die Freude der Tugend an

den geheiligten Altären der Freymaurer gehalten zu Berlin am Johannis-Tage 1793 in der s. e. g. u. v. königl. ◻ York zur Freundschaft von dem Br. Sch.m.ch.r.; Vortrag über seine Erfahrungen über die Hindernisse der wahren Freundschaft und Bruderliebe, Eigennutz, Stolz, Neid und Misstrauen (11. Mai 1801); Abschiedsgedicht: Seiner verehrungswürdigen Mutter-Loge der hochw. Großen Freymauer-Loge R. York zur Freundschaft und seinen biedern Bundesbrüdern in Berlin zum Abschiede von Ihrem dankbar ergebenen Bundesbruder B. G. Schumacher Dr. d. R., Senior der Vicarien zum heil Peter im hochw. Hochstifte Lübeck, Ehrenmitglied der hochw. Großen [Loge] Royale York zur Freundschaft und Mitgl. der ◻ Goose und Gridiron Nro. 1 in London, Berlin 1801. Gedruckt beim Br. J. W. Schmidt, 8 S.); Schumacher, Christoph Albert Nikolaus (geb. 1768?), Musiker, a. 1798 Urania, 1799 FWzgG, gab 1801 kleine mr. Liedersammlung heraus, 1805 Redner, 1811/12 Urania abwes.; Schunke (Schuncke), Joh. (Karl) Anton, Musiker, 1805?/1811–1815 Pyth; Schütz, Karl Heinrich Ferdinand (geb. 1772?), Kaufmann, geht nach Amerika, a. 1796, 1798 abwes., 1802/03 Urania abwes.; Schütze, Heinrich Karl Emanuel (geb. 1774), Registrator, a. 1802 Urania, Mitgl. bis nach 1815; Schwager, Joh. Wilhelm, Kaufmann, 1810–nach 1815 FWzgG; Schwartze, Karl Emanuel (Samuel) (1769–1818), Kaufmann, a. 1800, 1801 in FWzgG, Stew., bis 1818 Pyth; Schwarz, Balthasar v., in Augsburg, 4. Grad (Maître elu) 1793, 1795–1797 EM, abwes.; Schwarz (-tz), Christoph Gottlob, kgl. Kammermusiker, 1800–1807 ZsW; Schwarze (Schwartze?), Karl Ludwig, Kaufmann, 1805 Pyth; Schwerin, Friedrich August Karl Leopold Gf. v. (1750–1836), Oberst, Kommandeur d. Rgt Gensdarmes, Generalmajor, Herr 353

5 Freimaurer-Logen

auf Bohrau/Kr. Oels, a. 1780, 1781–1782 Zeremonienm. d. dt. Arbeiten, 1798/1805 ZsW, 1806–1810/11 abwes.; Seidel, Ernst Ludwig (geb. 1752?), Kaufmann, a. 1797, 1798– 1803/04 Urania; Seidel, Friedrich Ludwig (1765–1831), Organist d. Marienkirche, Wirkl. Musikdir., Komponist, a. 1795, 1799– nach 1815 Pyth; Seiler, Johann Georg Sigismund (1768–1818), Oberjäger, a. 1795, 1799 Pyth, 1803–1810/11 abwes.; Selby, Charles (Karl) Bar. v. (geb. 1778), kgl. dän. Legationsrat, a. 1802 in Pyth, 1802/03 Urania, 1803– 1810/11 abwes.; Sellentin, August Friedrich Wilhelm (1763 nob.) v. (1731–1807), Geh. Rat, Expedient d. Geh. Kanzlei d. Justizministers v. Massow, aff. 1771, 1771 Großarchivar, 1771 interim. Sekr., 1772 1. Stew., 1773 Redner, 1773 Repräsentant Frédéric de l’Amitié in Kassel, 1774 M. v. Stuhl, 1774 Afrik. Bauherrenloge, inaktiv, 1778 Mitgl., deckte mehrere Jahre, 1798 Wiederzutritt ZsW, 1798/1801 Großm., deckte 1806, 1806 aff. FlSt (s. dort), 1805 GNML EM, Reden: Dis-

cours prononcé à la Loge Royal York de l’Amitié, par le Frère chevalier Couston de St. Albert, sur la scene arrivié à le loge Pegase le 30 Septembre 1774 envers le frère de Sellentin de la Royale York; Rede bei der Amtsübernahme des Großmeisters am 28.10.1798; Sergejev, Alexander v. (geb. 1766?), Major, 1800 aff. in FWzgG, Mitgl. ZsW; Serre, Jean (1757– 1827), Geh. Oberakzise- u. Zollrat, Kammerdir. in Kalisch, a. 1779, 1784 Mitgründer Deputation La Fidélité aux trois Colombes (Zur Treue zu den drei Tauben) in Bromberg, 1799 Sokrates zu den drei Flammen in Kalisch M. v. Stuhl, 1803 Zur biederen Vereinigung in Glogau, 1804–1806 Hesperus in Kalisch deput. M., 1803, noch 1806/07 EM GNML; Sessa, François Marcion (geb. 1743), Kaufmann, a. 1786, 4. Grad 1791, 1789/1796 Stew.; Siebmann, Christian Ludwig (1748–1802), Geh. Kriegsrat, aff. 1776, 1777 2. Zensor, 1777/78 1. Aufs. d. dt. Arbeiten, 1779 2. Zensor, 1780– 1782 Redner d. dt. Arbeiten, 1782/83 deput. M. für dt. Sprache, 1787/88 Grand juge, 354

1798–1802/03 Pyth M. v. Stuhl, 6.2.1803 Trauerloge; Siedmogrodzki, Daniel Ludwig v. (geb. 1769), Prof. am Joachimsthalschen Gymn., a. 1803 in FWzgG, 1804/05 ZsW, 1805 Bibliothekar, 1805–1809/1815 Redner, 1805– 1807 Großredner, 1809 M. v. Stuhl, 1805/ 1818 Repräsentant im 1. Kollegium für Victoria zu den drei gekrönten Türmen in Graudenz, Reden: Über die Frage: Hat nicht auch das Glauben seinen Werth?; Über den guten Ge-

brauch der uns angebohrenen Sinnlichkeit für unser zeitliches und künftiges Wohl (5.6.1804); Über das Wesen der AfterKultur (24.6.1804); Rede daß man eher groß, als gut zu seyn trachtet (8.11.1804); Rede betr. einer Parallele zwischen dem Geist unsres Zeitalters und dem Geiste der Königl. Kunst; Über das Wesen der Freymaurerey (24.6.1806); Rede an der Geburtsfeyer des E. Gr:Mstrs. Br. Klein (3.9.1806); Siemers, Johann Georg Heinrich, Kaufmann, 1807/08 FWzgG abwes.; Sigismund, Karl Otto Friedrich (1758–1823), Geh. exped. Sekr. im General-Akzise- u. Zolldepartement, a. 1777, 1778/ 1783 Mitgl., 1799/1800 Pyth Redner, 1802– 1804/05 Archivar, Großsekr., 1800/1805/1808 Repräsentant Zu den drei Flammen in Plauen/ Vogtland, 1803/04 1. Aufs., 1804/05 2. Zensor, 2. substit. Aufs., 1806/07 aktives Mitgl., Reden: Über den Einfluß der schönen Künste und mit denselben die Freymaurerey auf das Herz des Menschen; Zum Lobe des Ordens; Über den Geist der Einigkeit, der Freundschaft und Bruderliebe die unter uns herrschen; Über die Pythagoräische Schule gehalten bey Eröfnung der ◻ Pythagoras zum flammenden Stern den 17t. Julii 1799; Würdigung des verewigten Br: Bartscheerer gehalten in der TrauerLoge den 8t. Decbr. 1799; Wie die Maurerey unter uns geübt seyn will, und welche Hinderniße dieser Uebung zuweilen in den Weg treten; Simon, Johann Eduard (1789–1856), Lehre bei V. Rose d. J., 1814–1851 Apotheker Zum Bären, 1813– nach 1815 FWzgG; Snethlage, Leonhard Wilhelm (geb. 1745?), Dr. jur., a. 1781, 1786 Mitgl. RY; Solger, Joh. Heinrich, Kaufmann, 1811/1813 FWzgG abwes.; Solms, Wilhelm

Großloge Royal York [RY]

Gf. v. (geb. 1755?), Leutn., a. 1780, 1786; Soyaux, Charles Louis (1743–1808), Oberakziseu. Zollrat, a. (aff.?) 1775, 1776 2. Zensor, 1777 1. Zensor, 1777/78 Hospitalier d. dt. Arbeiten, 1778/79 2. Aufs., 1779–1783 1. Aufs., 1781 Generaldir. d. Ökonomie, Dir. d. Logenhausdirektoriums (1783), Stewardskollegium, 1792 Orateur (Redner) d. franz. Arbeiten, 1798–1808 FWzgG, 1806/07 1. Oberaufs. d. Innersten Orients, Rede: Bei der Urne Friedrich’s

des großen Königs. Eine Rede, welche in der L. Royale York zur Fr. in Berlin ist gehalten worden, vom Br. Soyeux, o. O. (1786); Speidel, Georg Karl (geb. 1756?), Kaufmann, a. 1782, 1786/ 1792 3. Grad; Stackelberg, Gustav Adolf Bar. v. (1773?–1848), Rittergutsbesitzer in Estl., a. 1797, 1798 abwes., 1802/03–1810/11 ZsW abwes., 1817–1820 Isis (Isida) in Reval; Stackelroth, Joh. Karl, Dr. med., 1811/12 FWzgG abwes.; Stavenow (Stawenow), Dietrich Wilhelm, Kaufmann, 1813–nach 1815 ZsW; Stegemann, Wilhelm Ferdinand (1774–1822), Kaufmann, a. 1801 Urania, 1802–1822; Steger, Johann Christian Friedrich (1749–1828), Kaufmann, a. 1799 Pyth, 1800–1810/11 abwes., 1803–1823 Ferdinand zur Glückseligkeit in Magdeburg; Steglich, Daniel (1756–1813), Baukondukteur (Gut Machern, Gestüt Neustadt/Dosse), Rendant d. Tierarzneischule, a. 1806 Pyth, 1806–1813 FWzgG; Stein, Georg Wilhelm (1737–1803), Dr. med. in Kassel, Geburtshelfer, 1795/1798 EM; Steinrück, August, Dr. med., 1808 FWzgG, 1815 Hospitalier; Steppe, Johann Georg, Oberamtmann, 1805–1807/08 Urania abwes.; Stern, Samuel Ferdinand, Aktuar am Kreisgericht in Südpr., 1805–1810/11 Urania abwes.; Stibs, Joachim Michael (geb. 1769), Kaufmann, a. 1798, 1801 in FWzgG, 1799–nach 1815 Pyth, 1802–1803/04 2. Stew.; St. Julien, Pierre Casimir (Comte) de (geb. 1756?), Offizier, kgl. Kammerherr, 1781–1788; Stöber, Johann Christian (geb. 1769?), Kaufmann, a. 1796, 1799 in FWzgG, 1799/1815 Pyth; Stockhausen, Friedrich Philipp, Medizinalrat in Heiligenstadt, 1806/07–1810/11 FWzgG ab-

wes.; Stophel, Georg Nikolaus (geb. 1765?), Bankier, Konsul in Frankfurt a. M., a. 1794, 1799/1808 ZsW abwes.; Stovin, Richard Henry (geb. 1774?), engl. Edelmann; a. 1794; Stranz, Karl Friedrich Wilhelm (geb. 1762?), Bildnismaler, a. 1785, 1788 2. Grad; Streicher, Johann Ludwig (1763–1821), Dr. med. et chir., 1794–1821, 1799–1812 Pyth Hospitalier; Strempel, Christian (1744?–1810/11), Oberlotterieeinnehmer, a. 1795, 1799/1810 Urania; Stresemann, August Wilhelm, Kaufmann in Leipzig, 1811–1815 ZsW abwes.; Stropp, Johann Georg (Nikolas) (geb. 1758?), Oberamtmann auf Amt Zechlin, 1797–nach 1815, 1798–1804/05 Urania abwes.; Stümer, Ernst Friedrich v. (geb. 1774?), Leutn., 1798 aff., 1798–1801 ZsW abwes.; Stützke, Friedrich (geb. 1779?), Kaufmann in Livorno, a. 1805, 1806/07–1808/09 FWzgG abwes.; Sutherland, Karl Benjamin, Kaufmann, 1811– nach 1815 FWzgG; Šuvalov, Andrej Petrovič Gf. (1745–1789), Schriftsteller, Übersetzer, 1771–1772 Soveršennogo soglasija (Zur vollkommenen Eintracht), 1786–1787 Schweigsamkeit und Bescheidenheit in St. Petersburg M. v. Stuhl, 1796 prop.; Süvern, Johann Wilhelm (1775–1829), Lehrer am Berlin-Kölln. Gymn. zum Grauen Kloster, Prof. für alte Lit. an Universität Königsberg, Staatsrat in Unterrichtsabt. d. Ministeriums d. Innern, Wirkl. Geh. Oberregierungsrat, a. 1796 Zu den drei Degen in Halle, 1798 aff., 1798 Pyth Redner, 1799 2. Vorst., 1801/02 Zum Bienenkorb in Thorn, 1805–1807 M. v. Stuhl, 1810 E in Berlin (s. dort), 1811/12 Redner, 1812/13 substit. M. v. Stuhl, 1812/13 EM GNML, aff. 1814 3gSchl in Berlin, Rede: Fest der großen

Loge Royale York zur Freundschaft am 28ten Oktober 1798; Sydow, Georg Christian v. (geb. 1752?), Referendar d. kurmärk. Kriegsu. Domänenkammer, a. 1782, 1786/1788 Mitgl.; Taubert, Friedrich Wilhelm (geb. 1778), Geh. Sekr. d. kurmärk. Akzise- u. Zolldirektion, 1804–nach 1815 Pyth, 1805 Sekr.; Tauentzien u. Wittenberg, Friedrich Bogislav Emanuel Gf. v. (1760–1824), Oberst, 355

5 Freimaurer-Logen

ao. Gesandter (St. Petersburg, London), a. sess v. Waldburg, Friedrich Ludwig Gf. (1776– 1777 in Berlin, 1786 RY, 1798 ZsW, 1799 M. 1844), Oberstleutn., a. 1797, 1799/1803 ZsW, v. Stuhl, deckte 1801/02; Tausch, Franz 1801 Zeremonienm., Präparateur, 1802–1811 (1762–1817), Klarinettist, kgl. Kammermu- ZsW abwes.; Ulrich, Johann Andreas (geb. siker, a. 1784, lange Zeit abwes., Wiederbei- 1762/1766?, verschollen), Bildhauer, a. 1798 tritt 1794, 1799/1809 Urania; Taverne, Paul FWzgG, 1798–1801 Urania abwes.; Ulrich, (geb. 1733?), pr. Chirurgiemajor, a. 1769, re- Friedrich Wilhelm (1762?–1798?), Fabrikenaff.? 1780, 1799–1801/02 ZsW; Tettenborn, kommissar, 1795–1798 RY; Vanselow, JoFriedrich Karl Frhr. v. (1778–1845), Rittm., hann Adam (geb. 1771?), Kand. pharm., a. 1818 bad. Minister, 1805/06–1811/12 Urania 1793; Vidal, Fr. Ludwig Josef, Güterverwalter, abwes.; Tevenar, Ernst Christian Gottlieb v. ab 1813 ZsW, 1814 1. Zensor, 1815 Sekr.; (geb. 1773?), Regierungsreferendar, a. 1797, Vogel, Alexander, Kaufmann, 1805–1811 1798 abwes.; Thede, Karl Gottlieb (-lob) (geb. ZsW abwes.; Vogler, August Heinrich, Ma1743?), kgl. Münzm., aff. 1805, 1806/1812 gazinkontrolleur, 1815 ZsW; Waldersee, JoZsW; Théremin, François (geb. 1746?), Ju- hann Georg Franz Gf. v. (1763–1823), Hofwelier, a. 1771 La parfaite Union in London, ämter, Dichter, Übersetzer, a. 1784, 1785 abaff. 1780 RY, 1794 Abschied; Thiedeke, Ju­ wes., 1786–1792 Zur Säule in Breslau, aff. lius Heinrich (1767?–1829), Lehrer an Artil- 1797 Zu den drei Kleeblättern in Aschersleben; lerieschule, Major, 1805/06 ZsW, 1806 2. Wallbaum, Johann, Kaufmann, 1805?–1812 Aufs., 1810/11 Redner, 1814/15 abwes.; ZsW abwes.; Wallenrodt, Friedrich Julius Thomas, Karl Samuel (geb. 1767?), Kauf- Ernst v. (1762–1809), Rittm, a. 1799 FWzgG, mann, a. 1799 Pyth, 1799/1801; Thürschmidt, 1802–1806/07 Pyth abwes.; Walter, Franz Karl (geb. 1753), Kammermusiker, a. Zu den (gest. 1831), kgl. Operntänzer, 1814/15 ZsW; neun Schwestern in Paris, aff. 1797; Tichy, Walter, Friedrich August (1764–1826), Prof. Pierre Guillaume, Weinhändler, ZsW 1805– d. Anat., kgl. Leibarzt, a. 1783, 1786 Mitgl., nach 1815; Tielker, Johann Friedrich (1763– 1788 erneut Mitgl., 4. Grad 1791, 1798 ex1832), Silhouetteur, Bildnismaler, gründete klud.; Walz (Waltz), Joh. Ferdinand, ArtilleKupferdruckerei, a. 1789 Zum Fruchthorn in rieleutn., 1814 Pyth, 1815 1. Stew.; Wanitzer, Lübeck, aff. 1795, 1797 reaff., 1798 FWzgG, Johann August, Buchbinder, Papierhändler, a. deckte 1802/03; Tourton, Louis (geb. 1770?), 1806, bis 1814/15 Pyth; Waremburg, v., 1789 Kaufmann, 1790 Bankier in Paris, a. 1788, Visiteur, aff. 1789; Wartenberg, Joh. Chr. Fr., 1790 3. Grad; Träger, Christian Valentin (geb. Landjäger, 1811–nach 1815 FWzgG; War1766?), Apotheker, 1799 Hofapotheke in tensleben, Alexander Leopold Reichsgf. v. (Berlin-)Charlottenburg, a. 1796, 1799/1800 (1744–1822), Generalleutn., a. 1765, 1770 Urania, aff. 1801 Luise in (Berlin-)Charlotten- Zu den drei Kronen in Königsberg/Pr., 1768 burg, 1802/1803 Zeremonienm., 3.6.1805 StO VII. Provinz, Präfektur Königsberg, Alexexklud.; Treblin, Karl (geb. 1754?), Polizeiin- ander Eq. a tribus turribus, 1773–1786? Zu spektor, a. 1793, 1798 Mitgl. d. Stewardsloge, den drei Türmen in Marienburg deput. M. v. 1799/1811 ZsW, 1799 2. Stew., 1811 gestri- Stuhl, EM, 1789/1790 Zum Tempel der Tuchen; Trombara, Giacomo (Jakov Antonovič; gend in Brandenburg (Havel) EM, 1803 Karl Jacques Josephe-Ignace) (1752–1811), Archi- zu den drei Rädern in Erfurt M. v. Stuhl; Wetekt, a. La Fidèle in Venedig, aff. 1779 RY, ber, Johann Samuel Traugott (geb. 1766?), 1782 St. Petersburg, 1810 Palästina in St. Pe- Kassierer d. Feldhauptmagazinkasse, a. 1796, tersburg, 1811 Amis réunis Trauerloge; True- 1799 Mitgl.; Weber, Karl Gotthilf (geb. be (Trübe), Philipp Casper, Lieferant, Gutsbe- 1749?), Kaufmann, a. 1781, 1783/1786, 1799 sitzer, 1805?/1811–nach 1815 Urania; Truch- Urania Zensor, 1800 Pyth, 1802–1805/06 1. 356

Großloge Royal York [RY]

Zensor, substit. 1. Aufs., 1800–1805 Reprä- 1. Aufs., 1805–1808/09 1. Zensor, 1800/1804 sentant Pax inimica malis in Emmerich beim 1. Repräsentant Zu den drei Flammen in Plauen/ Kollegium d. Großen Loge; Wechmar, Ernst Vogtland, 1811–1814 abwes., 1815 FWzgG; Adolf Heinrich Frhr. v. (geb. 1775), a. 1802 in Weppler, Karl Philipp, kgl. General-PostamtsPyth, 1803–1807/08 abwes.; Wegener, Fried- kalkulator, 1815 Pyth; Werner, Georg Heinrich August (geb. 1773?), kgl. Feldjäger, a. rich (geb. 1769?), Geh. Kammersekr., Regis1797, 1798/99 Urania, 1805–1811 abwes.; trator, a. 1801, 1802/noch 1809 Urania, Weidlich, Ernst Christ. Gottl., Regierungsre- 1803–1804/05 Hospitalier; Wesenberg, Joferendar, 1795/96 1. Grad, 1798 abwes., 1802– hann Friedrich (geb. 1763?), Kaufmann, a. 1810/11 FWzgG abwes.; Weidlich, Georg 1798 ZsW, 1799–nach 1815 Urania, 1800– August Engelhard (geb. 1772?), Kammerrefe- 1803/04 2. Stew., 1804/05 1. Aufs., 1811 1. rendar, a. 1795, 1798 entsagt; Weiland (Wey- Zensor; Wessely, Karl Bernhard (eigentl. land), Karl Friedrich (gest. 1805/06), Rats- Beer, konvert. Jude) (1768–1826), Musikdir. maurerm., a. 1797, 1799 2. Stew., 1805/06 am kgl. Nationaltheater, Geh. kurmärk. KamUrania; Weinbeck, Johann Wilhelm (geb. mersekr., Komponist, Musikschriftsteller, 1767?), Kaufmann, a. 1794, 1799 FWzgG, 1801 in FWzgG, 1802/03 Urania, 1803/04 1801 2. Stew., 1803/04 Repräsentant FWzgG FWzgG, 1804 Sekr., 1805 Bibliothekar?, beim 1. Kollegium d. Großen Loge, 1803/04 1804/1805/1806 Redner, 1808/09 Sekr., Repräsentant Pforte zur Ewigkeit in Hildes- 1807/08 Sekr. d. Stewardskollegium, Reden: heim beim 2. Kollegium, 1803/04 1. Aufs., Vortrag über die Wichtigkeit der Gebräuche u. 1806/1811 aktives Mitgl.; Weiße, Ernst Gott- achtungsvollen Beobachtung derselben (2.2.1804); lob (geb. 1769?), in Geschäften in Posen, a. Über die vorsichtige Aufnahme eines Profanen 1794; Weiße, Friedrich Michael (1752–1814), (5.4.1804); Über die Vorzüge und den hohen Hofkürschner, a. 1803, 1803–1813 FWzgG, Werth der Freymaurerey; Über die Aehnlichkeit 1804/05 1. Stew.; Weitzel, Ludwig Wilhelm der Musik in ihrer Würkung mit der Maurerey; (1754?–1806/07), Senator, Kriegs- u. Stadtrat, Rede bey Gelegenheit des Trauerfestes; Rede über 1794 rektif./aff., 1799 Urania, 1800 Zeremo- Gesetz und Ordnung gehalten am Geburthsfeste nienm., 1806/07 aktives Mitgl.; Welle, Hein- des Königs; Rede bey der Einweihung des neuen rich Friedrich Clemens, Ökonom, 1811– Saals der ◻ zur Standhaftigkeit in Potsdam; nach 1815 Urania; Welle, Samuel Friedrich Über den Unterschied zwischen Wissenschaft Ludwig, Amtmann in Malchow, 1805/1811– und Kunst (10.4.1806); Wetter, Karl August, nach 1815 Urania; Wendt, Georg Wilhelm Kaufmann, 1807 ZsW, 1808 abwes.; Wich(1763–1812), Ratsmaurerm., a. 1798 Pyth, mann, Friedrich (1768?–nach 1828?), Bild1799 Almosenpfleger, 1799 2. Vorst. d. Ste- hauer, Kunsttischler, Möbelfabrikant, a. 1801 wardsloge, 1800 2. Aufs., 1799/1800 Oberal- Ferdinande Caroline zu den drei Sternen in mosenpfleger, 1802–1803/04 2. Zensor, sub- Hamburg, 1802 aff. Urania, 1802/03 Pyth, stit. 2. Aufs., 1803–1804/05 Großschatzm., 1804/05 u. 1807/08 2. Stew., 1805/06 1. 1805/1808/1811 Repräsentant Zur wahren Stew., 1807/08 2. Stew., 1811–1815 abwes.; Eintracht in Schweidnitz beim 1. Kollegium d. Wichmann, Karl Friedrich (1775–1836), BildGroßen Loge; Wendt, Joh. Philipp, Kaufmann, hauer, 1814/15 ZsW; Wiebel, Tobias Nico1811/1815 Pyth, 1814 1. Stew.; Wentzel, laus, Dr. jur., Repräsentant d. Großen Loge bei Karl Wilhelm (geb. 1774?), Kaufmann, a. d. Großen Provinzialloge aller Freimaurer in 1797, 1802–1810/11 Pyth abwes.; Wenzlau, Bremen und Niedersachsen zu Hamburg, 1801 Johann Jakob (geb. 1751?), Kaufmann, a. 1793, abwes.; Wieler, Dietrich Adolf (geb. 1741?), 1799 Zensor, 1802/03 FWzgG, 1802– Kaufmann, a. 1794, 1798/99 abwes., 1802– 1803/04 1. Stew., 1804/05 1. Zensor, substit. 1810/11 Urania abwes.; Wiese, Johann Karl 357

5 Freimaurer-Logen

(geb. 1767?), Partikulier, a. 1796, 1799 Urania Wolff, Christian August (geb. 1751?), Kaufabwes.; Wiesemeyer, Christian Gottlieb (geb. mann, a. 1795, 1799 FWzgG, 1802 2. Stew., 1762?), Fabrikant, a. 1784, 1785 inaktiv, 1798 1804–1810/11 ZsW abwes.; Wolff, Christian aktives Mitgl., 1799/1800 Pyth 2. Stew. in Heinrich Friedrich, Kaufmann, 1813/14 Stewardsloge, 1802 Luise in (Berlin-)Charlot- FWzgG; Wolff, Johann Gottlieb (geb. 1764?), tenburg, 1805/06 1. Zensor; Wilcke, Karl Medizinstudent in Berlin, ball. 1794; Wolff, Ludwig (geb. 1753?), Kaufmann, Gold- Johann Wilhelm (geb. 1766?), Geh. Sekr. d. schmied, a. 1784, 1795 abwes.; Wilcken, Jo- kgl. Lotterie, a. 1791, deckte Loge, 1801 erhann Karl Heinrich (1761?–1799/00), Geh. neut Mitgl., 1803–nach 1815 Urania; Wölffl, exped. Sekr. d. Akzise- u. Zolladministration, Joseph (1773–1812), Pianist, Komponist, a. 1794, 1796 Sekr. adjoint, 1799 FWzgG; k.u.k. Kapellm., 1799 ball., 1800 in Urania, Wilde(r), Wilhelm Heinrich, Kaufmann in 1802–1810/11 Urania abwes.; Woliner, Karl Frankfurt (Oder), 1811/12 FWzgG abwes.; Gottlieb (gest. 1805/06), 1805/06 RY; WolWilimski, Georg (geb. 1763?), Rendant d. ny, François-Adam (1738?–1805/06), kgl. Hauptmagazinkasse, a. 1797, 1798 abwes., Stallm., a. 1780, 1780 2. Stew., 1792 4. Grad, 1800–1822 Zum Totenkopf in Königsberg/Pr., 1799 Wiedereintritt, 1799/1806 ZsW; Würst, 1809 Schatzm.; Wilke, Ludwig Wilhelm Karl Heinrich Wilhelm (geb. 1755), Bergrat, a. v. (1766–1813?), Kapt., a. 1790, 1799/1811 1779, 1781 demiss., 1792 gPfl (s. dort); ZanPyth; Wilkins, Friedrich Wilhelm (geb. der, Daniel Gottlieb (1768–1812), Kaufmann, 1765?), Kalkulator, Oberstadtinspektor in 1799 prop., 1805 FWzgG, 1800–1806/1811 Danzig, a. 1795, 1796/1798 abwes., 1802/03– Pyth, 1807/08 1. Zensor; Zech, Johann Gott1807/08 FWzgG abwes.; Wilm, Heinrich lieb, Kaufmann, 1805–nach 1815 ZsW; ZeLudwig Wilhelm (1778–1836), Gold- u. Sil- hender, Johann Balthasar (1732?–1802), Kaufberhändler, unbesoldeter Stadtrat, a. 1797, mann, a. 1772, 1773–1775 Schatzm., 1787 1799 Pyth, 1799 Sekr., 1800–1807/08 2. Zelateur, Repräsentant Zur wahren Eintracht Aufs., 1808/09 1. Aufs., 1810–1814/15 Aufs., in Schweidnitz, 1789 Schatzm., 1799 Pyth 1812/13 2. Großstew., 1836 M. v. Stuhl, Zensor, 1799/1800 ZsW, 1801 Entlassungsge1.6.1836 Trauerloge; Wisselinck, Leopold such, 6.2.1803 Trauerloge; Zerges, Gottfried, Friedrich Wilhelm Ferdinand (geb. 1765), kgl. Seidenfabrikant, a. 1804, 1805/06 FWzgG; Feldjäger, dann Oberförster, a. 1795, aff. 1805 Zeuner, Karl Traugott (1775–1841), Musiker, Constantia zur gekrönten Eintracht in Elbing/ Komponist, a. 1800 Pyth, 1800/1801 ZsW; Westpr.; Witt (Witte), Johann Jakob, Kauf- Zeyder, Johann Wilhelm (geb. 1772?), Batailmann, prop. 1787, 1788 3. Grad; Witte, lonschir., a. 1799 Urania, 1800 abwes., aff. Georg Karl (gest. 1801), Stadtgerichtsaktuar, 1803 Zu den drei Triangeln in Glatz/Schl.; 1797–1801, 1799 Urania Zensor, 1799/1800 Ziehme, Christian Friedrich (geb. 1773?), Pyth; Witthusen, Karl, kgl. dän. Regiments­ Student in Berlin, a. 1794; Zimmermann, chir., 1805–1811 Pyth abwes.; Wittich, Ludwig Joh. Karl Friedrich, Ratmann, Zimmerm. in Wilhelm, Buchhändler, 1806 Pyth, 1806/07– Neustadt Eberswalde, 1814/15 Pyth; Zinonach 1815 Urania; Wögel, Michael (geb. 1748), vjev (Sinovev), Vasilij Nikitič (1755–1827), Musiker, a. 1782, 1795 abwes.; Wolber, Ger- Schriftsteller, kais. russ. Senator, Geh. Rat, a. hard Friedrich (geb. 1738), Geh. Oberakzise- Pisa, aff. 1783 RY, EM, abwes., 1786 Bienfaiu. Zollrat, Dir. d. Akzisedirek­ tion in Bran- sance in Lyon, 1803 Elisabeth zur Wohltätigkeit denburg (Havel), a. 1757, 1761 E (s. dort), er- in St. Petersburg; Zöller, Karl Friedrich (geb. neut RY, 1763 Mr. Tribunal, 6 Monate ex- 1775?), Regierungskalkulator, 1802 ball., klud., 1763/64 M. v. Stuhl, aff. zw. 1787 u. 1803 in FWzgG, 1803–nach1815 Urania; 1795 Zu den drei goldenen Zirkeln in Stettin; Zolotarjov, Mikhail Petrovič, Kaufmann in St. 358

Großloge Royal York [RY]

Petersburg, 1803 in FWzgG, 1804–1810/11 abwes.; Zum Berge, Friedrich Wilhelm v. (geb. 1747?), Kapt., a. 1781, 1798 abwes.; Zur Hellen (Zurhellen), Wilhelm Jakob (1765– 1839), Kriegs- u. Domänenrat, a. 1795, 1797/1799 abwes., 1799 Sokrates zu den drei Flammen in Kalisch, 1803 Hesperus in Kalisch; Zwicker, Georg Friedrich, Kaufmann, 1811– nach 1815 FWzgG. – Dienende Brüder: André, Jean Jacques (geb. 1739?), Kassengehilfe d. Seehandlung, a. 1777, 1778 entlassen, 1796 3. Grad; Benecke, Kaspar (Gaspard) (geb. 1746?), Domestik, a. 1783; Berthe, Mathieu (geb. 1745), Destillateur, Kaufmann, a. 1777, 1805–1807/08 aktives Mitgl. FWzgG; Castrow (Kastrow), Johann Daniel (1753?– 1802), Friseur, a.1799, 3. Grad 1800; Dietrich, Karl (gest. 1812), Kapelldiener d. kgl. Oper, a. 1759, quitt. mehrere Jahre, kehrte 1778 in s. Amt (frére servant) zurück, 1792/1799 3. Grad, 1806/07 Emeritus; Dornbusch, Johann Friedrich (geb. 1765?), Domestik, a. Hamburg, a. RY 1791; Engel, Johann Georg (geb. 1766?), Gärtner, a. 1793, 1796–1810/11 3. Grad; Gotthilf (auch Gottlieb), Diener Schlichts; 1794/1795; Grünbaum, Joseph (geb. 1768?), Perückenmacherm., 1805 in FWzgG, 1806–1810/11 Gehilfe, 1814/15 aktiv; Kasten, Johann Georg (1741?–1805/ 06), Kassendiener d. Hauptmagazinkasse, a. 1795, 1797–1805/06; Klinker (Klinter), Johann Philipp (gest. 1796), Diener Rettchers (M. v. Stuhl), a. 1794; Kurth (Kuhrt), Georg Friedrich (1762–1821), Diener Küsters, a. 1794, Dekorateur aller Grade, 1796–1810/11; Kuhrt, Julius, a. 1815; Masch, Daniel, a. 1815; Pelloutier, Paul (1734?–1806/07), Domestik, Schneider, a. 1782, 1782–1806/07 Tuileur, Gärtner; Pieper (Piper), Michael (geb. 1762?), Hausangestellter Saltzmanns jun., 1788–1796 1. Grad, 1799–1810/11 Vereinigte Johannislogen; Preußler, Ernst Gottlob (geb. 1761?), Diener Feldmanns, a. 1795, 1797– 1806/07 Vereinigte Johannislogen, 1806/07– 1814/15 Gehilfe; Rost, Johann Heinrich (geb. 1766), Logenökonom, a. 1798, 1800 in

FWzgG, 1799/1816/1822 Ökonom; Springer, Jean Jacques (geb. 1763?), Diener Concia­ linis, a. 1789; Steinert, Johann Kaspar, Hausangestellter Rosenbergs, 1788 1. Grad; Steinert, Jos.(Joh.) Sigismund, a. 1812; Usedi, Isaac Jérémi (geb. 1740?), Hausangestellter Mayets, a. 1787, 1792 2. Grad; Weiß, Christian (1753–1815), Hausdiener Formeys, Schneider, Handelsmann, a. 1793, 1803 in FWzgG, 1797–1810/11, 1814/15 Gehilfe; Züllner, Jean Jacques (Charles), Domestik, 2. Grad 1789, 1792. Auswärtige Mitglieder (repräsentieren die RY bei auswärtigen Tochterlogen): August Friedrich Prinz v. Großbritannien, Herzog von Sussex (1803/04 London); Axen, Otto v., Kaufmann (1803/04 Hamburg); Campe, Friedrich, Dr. phil. (1803/04 Fürth); Firnhaber, Johann Heinrich, Amtsrat, (1803/04 Hildesheim); Fritze, Ernst v., Kapitän von d. Armee, Platzmajor (1803/04 Graudenz); Gottschald, Friedrich August, Advokat (1803/04 Plauen); Grosser, Heinrich Raphael, Kaufmann (1803/04 Hohenstein); Herwarth, Christian Ludwig v., Hauptmann (1803/04 Bayreuth); Lasius, George Otto Siegmund, hannov. Ingenieurleutn., Dir. (1803/04 Hannover); Liebe, George Wilhelm, Dr. med. (1803/04 Freiberg); Linkh, Johann Gottfried, Kaufmann in Hirschberg (1803/04 Schweidnitz); Kalliniech, Christian August, Senator (1803/04 Schweidnitz); Hoffmann, Wilhelm, Regimentschir. (1803/04 Potsdam); Liebeskind, Daniel Christian, Oberlehrer an Sct. Bartholom. Schule (1803/04 Danzig); Meyer, Karl Johann Albrecht, pr. Bergrichter und Auditeur (1803/04 Hof); Souchay, Cornelius Carl, Kaufmann (1803/04 Frankfurt a. M.). Ehrenmitglieder und Repräsentanten: Herda, August Ludwig Frhr. v. (1751?–1811/12), Kapt., 1779–1787 Herkules in Neisse, 1788– 1805 Zur wahren Eintracht in Schweidnitz Stifter, M. v. Stuhl, Repräsentant, EM; Klug, Johann Jakob (geb. 1756?), Bankier in Posen, a. Die gekrönte Standhaftigkeit in Posen, Zur Schule der Weisheit (L’École de la Sa­gesse) in Posen M. v. Stuhl, EM; Klug, Nathanael Théophile (geb. 359

5 Freimaurer-Logen

1765?), Kaufmann in Krakau; a. Die gekrönte Standhaftigkeit in Posen, aff. 1783, EM; Mangin, Philippe Martin de Bionval (geb. 1755?), Hofrat in Paris; a. 1782, 1782 EM, Repräsentant beim Großorient von Frankreich; O’Reilly, John Leonard, Kaufmann, 1788 EM; Porzelius, Zacharias, Kaufmann, 1788 EM; Prati, Alexis, Kapellm. d. Kgn. von Sardinien in Turin, 1782 EM; Raue, Christian Friedrich Amadé, Quartierm., 1788 EM; Ravel, Barthelmi, Kaufmann in Bordeaux, 1785 EM; Richter, Karl Christian, Dr. jur., 1788 EM; Roberjot, Jean Henri, Kaufmann, 1783 EM; Rüchel, Ernst Friedrich Wilhelm Philipp v., Generalleutn., a. 1782 Zur goldenen Krone in Stendal, aff. 1782 Minerva in Potsdam, 1792–1805/06 deput. M., 1801 Logenm., 1800 EM; Schumacher, Balthasar Gerhard, Dr. jur., Vikar am Kapitel in Lübeck, 1796–1799 EM; Sinovev, Basilovič (Zinovjev, Vasilij Nikitič), Edelmann am Hof d. Zarin Katharina II. in St. Petersburg; 1783 EM; Stein, Georg Wilhelm, Dr. med. in Kassel, Frédéric de l’Amitié in Kassel M. v. Stuhl, gründete nach ihrem Untergang La nouvelle Loge de l’Amitié (schott. Direktorialloge für Hessen-Kassel), M. v. Stuhl, Provinzialgroßm., 1799/1802 EM; St. John, Henri, Kammerherr Edward Augusts Hz. von York, EM; Tommel, Heinrich, Geistlicher in Lembeck, 1785? EM. Querverweise auf andere Vereine: Die Loge stand in ihrer Anfangszeit immer im Schatten der beiden anderen Berliner Großlogen und konnte nur mühsam ihre Eigenständigkeit behaupten. Die Feßlerschen Reformen brachten der RY zwar die Anerkennung als Großloge durch den Staat, führten aber auch dazu, dass die  Große Landesloge ihre Beziehungen zur RY abbrach. Eine Verbindung mit der Hamburger Großloge 1801, in der der Freimaurerreformer Friedrich Ludwig Schröder (1744– 1816) wirkte, trat de facto nicht in Kraft. Unter der Großmeisterschaft Ernst Ferdinand Kleins gelang die Aussöhnung mit der Großen Landesloge: 1810 schlossen sich die drei Berliner Großlogen in einem Verein zusammen. – 360

Sehr enge Beziehungen bestanden zur  Gesellschaft der Freunde der Humanität; 13 der 20 Gründungsmitglieder waren Freimaurer, darunter der amtierende Meister vom Stuhl, Carl Friedrich Ludwig Schlicht; auch in den folgenden Jahren waren ca. 30 Prozent der Mitglieder Freimaurer. Der stellvertretende Großmeister und Logenreformer Feßler wurde 1797 Mitglied der Humanitätsgesellschaft und vier Monate später deren Direktor. Die Humanitätsfreunde konnten ihre Versammlungen und Feste mietfrei im Palais der RY durchführen. Bibliographie: 1) Archivquellen: GStA PK, Hauptabteilung Logen: 5.1.5.: Berlin, Großloge Royal York; 5.2. B42.: Berlin, Die vier Berliner Tochterlogen der Royal York. – 2) Mitgliederverzeichnisse (in chronologischer Ordnung): 1782: Tableau général des Freres Francs-Maçons qui ont été initiés aux Mystères de l’Ordre dans la vénérable, très-juste et très parfaite Loge la Royale Yorck de l’Amitié […]. Berlin 5782 [1782] (vorhanden: GStA PK, 5.1.5. Nr. 522). – 1794/95: Tableau des F. F. Membres actuels de la T. S. & ancienne Loge Française Royale York de l’Amitié a l’Or. de Berlin. [Berlin 1794] (vorhanden: GStA PK, 5.1.5. Nr. 552). – 1795/96: Tableau des F. F. Membres actuels de la T. S. & ancienne Loge Française Royale York de l’Amitié a l’Or. de Berlin. [Berlin 1795] (vorhanden: GStA PK, 5.1.5. Nr. 552). – 1797/98: Verzeichnis der Br. Mitglieder der G. und V. Altschottischen Mutterloge Royale York zur Freundschaft im Or. von Berlin. Für das M. Jahr 1797/8. In: Taschenbuch für Freimaurer auf das Jahr 1798. Cöthen 1798. – 1798/99: Tableau der großen Loge Royale York zur Freundschaft zu Berlin […] am 24. Junius 1798. In: Taschenbuch für Freimaurer auf das Jahr 1799. Cöthen 1799. – Ende 1799: GStA PK, 5.1.5. Nr. 557, Bl. 10v– 17v. – 1800/01: Personal-Status der unter Sr. Majestät des Königs von Preußen allerhöchsten Confirmation und Protection dirigirenden Großen Freymaurer-Loge Royale York zur Freundschaft in Berlin [...] am 24. Junius 1800.

Großloge Royal York [RY]

[Berlin 1800] (vorhanden: GStA PK, 5.1.5. Nr. 525). – 1801/02: Personal-Status der unter Seiner Majestät des Königs von Preußen allerhöchsten Confirmation und Protection dirigirenden Großen Freymaurer-Loge Royale York zur Freundschaft in Berlin […] am 13. September 1801. [Berlin 1801] (vorhanden: GStA PK, 5.1.5. Nr. 525). – 1803/04: Personal-Status der unter Seiner Majestät des Königs von Preußen allerhöchsten Confirmation und Protection dirigirenden Großen Loge der Freymaurer in Berlin Royale York zur Freundschaft […] für das Maurer-Jahr 1803 ad 1804. [Berlin 1803] (vorhanden: GStA PK, 5.1.5. Nr. 525). – Personal-Status der Großen Mutter-Loge der Freymaurer in Berlin Royale York zur Freundschaft genannt und aller von denselben sowohl in Berlin als in den sämmtlichen Königlich Preußischen Staaten reßortirender Tochter-Logen, angefertigt am Schluß des Jahres 1805. – Dass. 1807, 1808, 1809, 1810, 1811, 1812, 1813 (GStA PK, 5.1.5. Nr. 560), 1814, 1815 (GStA PK, 5.1.5. Nr. 561). – 3) Satzungen (in chronologischer Ordnung): Code Maçon ou Statuts et Réglemens tant généraux que particuliers pour l’usage et la conduite de la T[rès] S[ublime] L[oge] mère l’Ancienne T[rès] J[uste] et T[rès] P[arfaite] Loge Française Royale Yorck de l’Amitié à l’Or[ient] de Berlin […]. Berlin 1789. – Grundvertrag oder Fundamental-Constitution der gerechten, vollkommenen und vollendeten Grossen Mutter-Loge Royale York zur Freundschaft und aller mit ihr vereinigten Logen. Sanctionirt und beschworen den 3. August 1797. Berlin [1798]. – Gesetzbuch der Grossen Freymaurer-Loge Royale York zur Freundschaft oder des unter Constitution und zu dem Systeme der Grossen Mutterloge R[oyal] Y[ork] z[ur] F[reundschaft] vereinigten Logenbundes. Berlin 1800. – Grundvertrag der Grossen Freymaurer-Loge Royale York zur Freundschaft oder des unter Constitution und zu dem Sys-

teme der Grossen Mutterloge R[oyal] Y[ork] z[ur] F[reundschaft] vereinigten Logenbundes. Zweyte, durchaus revidierte Auflage. Berlin 1800. – Gesetzbuch der Grossen Freymaurer-Loge Royale York zur Freundschaft oder des unter Constitution und zu dem Systeme der Grossen Mutterloge R[oyal] Y[ork] z[ur] F[reundschaft] vereinigten Logenbundes. Berlin 1806. – Grundvertrag der Grossen Freymaurer-Loge Royale York zur Freundschaft oder des unter Constitution und zu dem Systeme der Grossen Mutterloge R[oyal] Y[ork] z[ur] F[reundschaft] vereinigten Logenbundes. Berlin 1806. – 4) Forschungsliteratur (in Auswahl): Flohr, August: Geschichte der Grossen Loge von Preussen, genannt Royal York zur Freundschaft im Orient von Berlin. Bd 1–2, Berlin 1898. – Gerlach, Karlheinz: Royale York zur Freundschaft in Berlin 1762–1806, ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Freimaurerei in Brandenburg-Preußen. In: Quatuor Coronati, Jb. für Frei­mau­rerforschung Nr. 31/1994, S. 51–79. – Gerlach, Karlheinz: Die Freimaurer im Alten Preußen. 1738–1806. Die Logen in Berlin. Innsbruck/Wien/Berlin 2014 (Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei; hg. von Helmut Reinalter in Zusammenarbeit mit dem Institut für Ideengeschichte, Bd. 14). – Gudladt, Katharina: Freimaurerei und Aufklärung in Berlin: die Loge „Royal York zur Freundschaft“. In: Berlin in Geschichte und Gegenwart: Jb. des Landesarchivs Berlin, Jg. 1995, Berlin 1995, S. 37–66. – Heuer, Hans-Joachim / Lustig, Gidon: 200 Jahre Große Loge Royal York zur Freundschaft und ihre vier Berliner Tochterlogen. Festschrift zum 200. Stiftungstag. Berlin 1998. – Maurice, Florian: Freimaurerei um 1800. Ignaz Aure­lius Feßler und die Reform der Großloge Royal York in Berlin. Tübingen 1997 [mit Nachweis der älteren Literatur] (Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung, 5).

Florian Maurice u. Mitarb. von Karlheinz Gerlach und Uta Motschmann 361

5 Freimaurer-Logen

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL] Name: Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Gründung (Konstituierung): 10.8.1769 Zu den drei goldenen Schlüsseln [3gSchl ] 22.11.1769 Andreasloge (Schottenloge) In-

dissolubilis 27.12.1770 Große Landesloge der Freimaurer

von Deutschland 11.3.1771 Zum goldenen Schiff (13.10.1964 erloschen) [gSch] 4.9.1771 Zum Pegasus (Au Cheval Pégase, Zum fliegenden Pferd, Le Pégase) (1973 erloschen) [Peg] 12.10.1775 Zur Beständigkeit [Bst] 1.11.1776 Zum Pilgrim [Pilg] 8.11.1776 Zum goldenen Pflug [gPfl ] 15.11.1776 Zum Widder (17.10.1963 erloschen) [Widd ] Bestand: Bis heute. Sitz: 1780–1791 zur Miete im Gasthaus Zur Stadt Paris Brüderstraße 39 (Gasthaus 1. Klasse, Inhaber Friedrich Adolf Dacke, Mitglied Zum Pilgrim; 1740 Gründungsort der Loge Aux trois Globes). – 1783–1787 zur Miete in den beiden benachbarten Häusern der Witwe Achard (Witwe des Predigers Antoine Achard; Achardsche Stiftungshäuser), Französische Straße 40–41 Ecke Markgrafenstraße 53–54 (in den Untergeschossen wohnten zur Miete der Landesgroßmeister Frédéric de Castillon, sein Vater Jean François Melchior Maux de Castillon und der deputierte Großmeister Burchard Ludwig Werner Cramer); Johannisfeste in der Köpenicker Vorstadt im Kattschen Kaffeegarten in der Stallschreibergasse. – 1789 Miete, 1793 Kauf von Grundstück und Haus (Architekt Christian Friedrich Becherer) des Bankiers Dufour, BerlinSpandauer Vorstadt, Oranienburger Straße 10 (später 27), 24.6.1791 Einweihung, Festvortrag Karl Philipp Moritz (Großredner). – Heute 14195 Berlin, Peter-Lenné-Straße 1–3. 362

Abb. 69  Das Ordenshaus der GLL in der Oranienburger Straße.

Programm: Das Lehrsystem der GLL geht auf das der Großen Landesloge von Schweden zurück. Dieses beruht auf der englischen Freimaurerei, integriert aber auch die Herkunftslegende des Tempelritterordens. Die Ordenslehre des Zinnendorf-schwedischen Systems gründet sich auf die reine, ursprüngliche, von den verschiedenen Anschauungen des Zeitalters unabhängige Lehre Jesu Christi (Runkel 1932). Daher lag auf dem Altar des maurerischen Tempels (Versammlungsraum) die bei dem Johannes-Evangelium aufgeschlagene Bibel. Der Gründer der GLL , Johann Wilhelm Kellner v. Zinnendorf, sprach von der „sinnbildliche(n) und verborgene(n) Lehre, durch welche ich nicht nur Gott den Schöpfer, Erhalter und Beförderer der gan-

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zen Welt am deutlichsten und überzeugendsten kennen lerne und durch welche ich unterrichtet und stark genug werde, seine Ehre und die Glückseligkeit des menschlichen Geschlechts gesetzmäßig, verbessert und vollkommen befördern zu helfen, sondern auch die erwähnte Erkenntnis und das gesagte Vermögen meinesgleichen ebenfalls deutlich lehren und ausführbar machen kann“ (Einleitung zur Geschichte der Einführung der wahren Freimaurerei in Deutschland, zit. nach: Widmann, S. 54). Die Allgemeinen Freimaurerverordnungen, eine ständig ergänzte Sammlung der in der GLL geltenden maurerischen Verordnungen, schrieben vor, dass ein Fremder (Suchender, Kandidat), der nicht sein eigener Herr sei, nicht in den Orden aufgenommen werden könne außer als dienender Bruder (Artikel 2). Ein Freimaurer habe den größten und heilig­ sten Baumeister der Welt (maurerische Umschreibung für Gott) zu verehren und zu lieben. Demzufolge antwortete der Neuaufgenommene oder Kreuzbruder (d. h. der „freie Rittermaurer und Lehrling“ mit Bezug auf den Tempelritterorden) auf die Frage, was ein Freimaurer sei, dass dieser ein freier Mann sei, der seine Neigungen zu überwinden wisse, seine Begierden zu mäßigen verstehe und seinen Willen den Gesetzen der Vernunft unterwerfen könne. Die Aufnahmekriterien hießen Liebe zu Gott, Liebe zu guten Menschen und Liebe zur Freimaurerei. Geschichte: Johann Wilhelm Kellner v. Zinnendorf gründete am 27. Dezember 1770 in Berlin die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland, nach den Vereinigten Logen strikter Observanz und den Afrikanischen Bauherrenlogen der dritte überregionale Logenbund in Brandenburg-Preußen. Zinnendorf führte den Bund mit fester Hand, wenn auch die meiste Zeit aus zweiter Reihe als stellvertretender Großmeister. Die schweren Konflikte zwischen ihm bzw. der Berliner Großen Loge und den meist schnell wechselnden

Abb. 70  Johann Wilhelm Kellner v. Zinnendorf, Gründer der GLL.

auswärtigen Landesgroßmeistern endeten erst mit seinem Tod 1782. Nun kam Stetigkeit in das Amt des Landesgroßmeisters: 13.6.1782 – 24.6.1789 Prof. Frédéric de Castillon 24.6.1789 – 4.1.1799 Major Karl August v. Beulwitz 24. 6.1799 – 27.1.1814 de Castillon 24.6.1814 – 27.10.1817 Generalmajor Joachim Friedrich Wilhelm Neander v. Petersheiden. Die GLL gründete in Berlin sieben Johannislogen sowie für die höheren Erkenntnisstufen die Andreasloge Indissolubilis (1769): 1769 Zu den drei goldenen Schlüsseln. Logenmeister: 1784–1815 Gottfried Ernst Andreas Müller (Landrentmeister); 1771 Zum goldenen Schiff. Logenmeister: 1771–1790 Burchard Ludwig Werner Cramer (Hauptbankbuchhalter); 1790–1809 Leutnant Joachim Friedrich Wilhelm Neander, 1801 nobilitiert v. Petersheiden (1806 Oberst, 1807 Inspekteur der preußischen Artillerie); 1809– 363

5 Freimaurer-Logen

Abb. 71  Landesgroßmeister Frédéric de Castillon.

1815 Premierkapitän Ernst Andreas (1798 nobilitiert) v. Röhl (1811 Major in der Brandenburgischen Artilleriebrigade); 1771 Zum Pegasus (Pégase). Logenmeister (u. a.): 1771–1792 und 1795 Kapitän Pierre François de Boaton; 1778 Peter Fäsch (Kupferstecher); 1792/93 Jacques Louis Dupasquier (französisch-reformierter Prediger, Schwei­ zer); 1793–1796 und 1802–1805 Oberst Chrétien Louis de Marconnay; 1806–1826 Direktor der Geheimen Kriegskanzlei Oberst Christian Ernst v. Malschitzky; 1775 Zur Beständigkeit. Logenmeister: 1783– 1799 Direktor des Adligen Kadettenkorps Oberst Karl August v. Beulwitz; 1790–1791 und 1799–1812 Johann Georg Heinrich Karl Wilhelm Ludwig Friedrich August Wach (Oberauditeur); 1812–1816 Flügeladjutant Major Wilhelm Ludwig Viktor Graf Henckel v. Donnersmarck; 1776 Zum Pilgrim. Logenmeister: 1776–1814 Prof. Friedrich v. Castillon (Prof. der Philosophie an der Artillerieschule, Direktor der Philosophischen Klasse der Akademie der 364

Wissenschaften); 1814–1823 Friedrich Becherer (Geh. Oberhofbaurat); 1776 Zum goldenen Pflug. Logenmeister: 1785–1789 Premierleutnant Johann Christian Friedrich v. Knebel; 1789–1816 Johann Erich Biester (1. königlicher Bibliothekar); 1776 Zum Widder. Logenmeister: 1776–1811 Antoine Thomas Palmié (Weinhändler, Seidenfabrikant); 1811–1828 Johann Michael Palmié Sohn (1. Prediger, Direktor des Französischen Gymnasiums). Die GLL konstituierte erst 1853/1855 in Berlin eine achte Johannisloge (Friedrich Wilhelm zur Morgenröte). Vier Tochterlogen wurden über fast den ganzen Untersuchungszeitraum hinweg von einem bzw. zwei vorsitzenden Meistern (Zu den drei goldenen Schlüsseln, Zum Pilgrim, Zum Widder von Vater und Sohn Palmié, Zum goldenen Pflug von Johann Erich Biester 27 Jahre lang) und zwei Logen, Zum goldenen Schiff und Zur Beständigkeit, von je drei vorsitzenden Meistern regiert. Dies zeigt die große Stabilität der GLL in Berlin. Eine Ausnahme bildete lediglich die französische Loge Pégase mit einer relativ großen Zahl vorsitzender Meister. Zum Bund der GLL gehörten während des Bayerischen Erbfolgekrieges 1778/79 in Brandenburg-Preußen, im Reich und im Ausland 55 Logen, 1784/85: 47, 1787/88: 46, 1795 zum Zeitpunkt des Baseler Friedens 53, 1805 zu Beginn des Vierten Koalitionskrieges 64, 1812 nur noch in Preußen und dem Reich 70 und 1815: 75 Logen (Aschersleben/Eisleben, Berlin, Bremen, Breslau, Bromberg, Cottbus, Emden, Gumbinnen, Harburg [heute zu Hamburg], Hagen, Halberstadt, Hamburg, Hamburger Berg [heute zu Hamburg], Hof, Kleve, Königsberg/Pr., Leer, Leipzig, Löwenberg, Minden, Neisse, Potsdam, Rostock, Schmiedeberg/ Schl., Schwedt, Schweidnitz, Schwerin, Stade, Stendal, Stettin, Tarnowitz, Thorn, Treptow a. d. Rega, außerdem Feldlogen in der preußischen Armee).

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

Die Berliner Filialen machten bei aller Eigenständigkeit mit gewählten Logenbeamten, mit Rechten und Pflichten und eigener Kasse einen gemeinsamen Korpus aus mit einheitlichen Gesetzen und Vorschriften, unter einer gemeinsamen Oberleitung und in gemeinsamem Quartier. Die Jahresplanung der Arbeiten (Logenversammlungen) besorgte das für die Verwaltung zuständige Stewards(Schaffner-)kollegium (gegr. 1771), das jährlich einen bindenden handschriftlichen, später gedruckten Logenkalender zusammenstellte. Er enthielt die Termine der Arbeiten jeder Loge einschließlich der Stiftungsfeste sowie die der gemeinsamen Johannisfeste und Feiern des Geburtstages des Königs. Die Mitglieder konnten auch in ihrem Grad die Versammlungen der anderen Logen besuchen. Die Vergleichsakte (Konfirmationsakte) mit der Großen Loge zu London (1773) und das Protektorium (Schutzbrief) Friedrichs II. (1774) privilegierten die GLL gegenüber allen anderen preußischen Logen. Sie konnte aber ihr Monopol insbesondere gegenüber der Strikten Observanz nicht auf Dauer behaupten. Beide Freimaurersysteme führten einen erbitterten Kampf miteinander, ohne dass eines von ihnen je die Oberhand gewinnen konnte. Die andauernde Auseinandersetzung mit der  ML3W, der Verlust des maurerischen Monopols und der Untergang der Strikten Observanz (1782 Wilhelmsbader Konvent) veranlassten die GLL schließlich, ihr Verhältnis zu den Logen anderer Systeme zu überdenken. Sie erkannte am 11. Juni 1789 alle von den Großen Logen in England, Frankreich, Holland, Schweden, Russland, Österreich und Genf konstituierten Logen als rechtmäßig an, wogegen alle anderen weiterhin als ungesetzmäßige Winkellogen galten, so auch die  Royale York de l’Amitié als Mutterloge und die von ihr errichteten Filialen sowie die von Friedrich Wilhelm III. staatlich anerkannte christlich-jüdische  Loge zur Toleranz. In der Berliner Freimaurerei, namentlich der GLL und der GNML , kehrte Frie-

Abb. 72  Silberpokal des Ordenskapitels der GLL.

den ein. Die Logen beider Systeme unterrichteten sich über wichtige Logensachen und über die Namen von Kandidaten, um den Zutritt der abgelehnten zu verhindern, und besuchten einander (einzeln oder in Delegationen zu den Festen). Das Edict wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen vom 20. Oktober 1798 garantierte der GLL wie den beiden anderen Berliner Mutterlogen politische und recht­ liche Sicherheit, band aber auch sie fest an den preußischen Staat (s.  Die Große Na-

tional-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1786–1815 in Berlin). Die GLL unterrichtete ihre Filialen über das Edict, verpflichtete sie zu dessen Einhaltung und forderte jährliche Arbeitsberichte und Mitgliederlisten (Name, Beruf und Dienststellung, Alter, Logenfunk365

5 Freimaurer-Logen

Abb. 73  Siegel der GLL.

tion) ein. Die staatliche Gleichstellung der altpreußischen Logen entspannte letztlich die Beziehungen der GLL zur RY, auch wenn sie diese nunmehrige Großloge bis in das frühe 19. Jahrhundert nicht anerkannte. Struktur und Organisation: Der Großen Loge, dem Führungsgremium der GLL , gehörten anfangs die Logenmeister und Aufseher der Tochterlogen in Berlin und Potsdam an, später außer den jeweiligen und früheren Logenmeistern, den deputierten Logenmeistern und den Aufsehern der Berliner Johannislogen auch die jeweiligen und früheren Landesgroßmeister, die Provinzialgroßmeister (der untergeordneten Provinziallogen 366

in Pommern, Preußen, Schlesien u. a.), die deputierten, stellvertretenden Landes- und Provinzialgroß- und die Groß- und Provinzialgroßaufseher, die für den gesamten Bund zuständigen Großbeamten. Mitglieder der ersten Großen Loge von 1770 waren der Generalmünzdirektor Martin Kröncke (1770– 1773 Landesgroßmeister), v. Zinnendorf (deputierter Landesgroßmeister), der Quartiermeisterleutnant Levin v. Geusau, Logenmeister der Minerva (1. Großaufseher), und der Hauptbankbuchhalter Burchard Ludwig Werner Cramer (2. Großaufseher), der Oberbauamtssekretär Johann Christian Rätzel (Großsekretär), der Potsdamer Quartiermeisterleutnant Karl Alexander Freiherr von der Goltz (Großredner), der Kaufmann Johann Friedrich Heyl (Großschatzmeister) und der Leutnant Adolf v. Rothe (Großzeremonienmeister). In der GLL galten nach englischem Vorbild das Mehrheitswahlrecht und die gemeinsame Verwaltung der Logensachen (Aufnahmen, Finanzen, Feste, Quartiere usw.). Die Meister besaßen das aktive und passive Wahlrecht. Man entschied durch Ballotage (schwarze und weiße Steine) oder Beifalls- und Handzeichen. Die Allgemeinen Freimaurerverordnungen sahen die geheime Loswahl der Logenbeamten (außer dem vom Logenmeister ernannten deputierten, stellvertretenden Meister) vor, kombiniert aus geheim auszufüllenden Stimmzetteln, aus denen der Sekretär ein Los zog. Eine neu konstituierte Loge zahlte für das meist prächtig gestaltete pergamentene und von den Großbeamten unterschriebene Patent (Freiheitsbrief) 18 Dukaten. Die Loge bewahrte das Patent in ihrem Archiv auf; mehrere sind überliefert. Die Aufnahme bzw. Beförderung kosteten den Lehrling 10 Rtl., den Gesellen 3 Rtl. 8 Groschen und den Meister 6 Rtl. 18 Groschen. Wer zuvor Mitglied einer nicht anerkannten Loge war, bezahlte seine Aufnahme mit 27 Rtl., von denen 18 Rtl. an die Große Loge gingen und 9 Rtl.

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

Abb. 74  Siegel der Loge Zu den drei goldenen Schlüsseln.

Abb. 75  Siegel der Loge Zum goldenen Schiff.

der Loge verblieben. Hinzu kamen freiwillige Gaben zugunsten der Loge, ein Geldgeschenk an den dienenden Bruder sowie die Kosten für Schmuck (Logen- und Beamtenabzeichen) und maurerische Kleidung (Lehrlingskleidung: ungefütterte, weißlederne Schürze bzw. Schurz mit Einfassung, der an einem Knopf der Weste befestigt wurde, ein Paar Damenhandschuhe für die Ehefrau, zwei Paar weiße Herrenhandschuhe, davon eines zur Erinnerung an die Aufnahme, eine silberne, ungeschliffene Maurerkelle, die mit einem weißen ledernen Riemen im dritten Knopfloch des Rocks zu tragen war). Der Monatsbeitrag, den die Filiale erhöhen oder verringern durfte, betrug 18 Groschen. Anfangs erhoben die Logen für maurerische Vergehen Strafgelder, z. B. 12 Groschen für eine

unentschuldigt versäumte Loge, sechs Groschen für den, der in der Versammlung lachte, ohne Auftrag redete, oder wer betrunken nach Hause gebracht werden musste. Im Laufe der Zeit kamen für die Tochterlogen weitere Abgaben hinzu, z. B. für Abschriften der Logen- und Fragenbücher. Ab 1795 beteiligten sich die Berliner Filialen je nach Mitgliederzahl an der Unterhaltung des Logengartens in der Oranienburger Straße. Weitere Einnahmen kamen aus Zinsen von Bankanlagen (Königliche Bank, Preußische Seehandlung) sowie aus Losen der staatlichen Lotterie, außerdem aus Sach- und Geldgeschenken der Mitglieder. Die Große Loge forderte ab 1776 von ihren Tochterlogen unmittelbar nach Johannis (24. Juni) bzw. dem Logenstiftungstag die Mitglie367

5 Freimaurer-Logen

Abb. 76  Siegel der Loge Zum Pegasus (Le Pegase).

Abb. 77  Siegel der Loge Zur Beständigkeit.

derlisten ein (sie trug die Mitgliedernamen in die Matrikel ein) sowie als Gebühren zu Johannis ein Drittel der Aufnahme- und Beförderungsgelder und je Quartal ein Louisdor Armengeld für die Allgemeine Armenkasse des Bundes. Wie allgemein üblich, spendeten die Mitglieder am Schluss einer jeden Logensitzung bzw. der Tafelloge nach eigenem Ermessen für die Armenkasse, in der Regel durchschnittlich fünf bis sechs Groschen. Der Sekretär protokollierte die Summe. Das Armengeld ging an die Allgemeine Armenkasse, die über seine Verwendung verfügte. Um selbst helfen zu können, richteten die Tochterlogen Privatarmenkassen ein, gespeist aus zusätzlichen Kollekten und aus Strafgeldern. Die GLL verwendete das Geld der Allgemeinen Armen-

kasse für regelmäßige diskrete Zahlungen an das ehrenamtliche städtische Armendirektorium, dem stets auch Freimaurer angehörten, und an die Kirchen. Außerdem finanzierte sie mit der Allgemeinen Armenkasse eigene Sozialprojekte, so die Unterstützung armer und reisender Freimaurer, am Johannistag die Verteilung von Geld, Speisen und Sachgegenständen (meist Brennholz) für profane Arme, Witwen und Waisen, für Schulen und Waisenhäuser. Die GLL unterhielt zudem in den siebziger und achtziger Jahren ein Wohltätigkeitsinstitut für von ihr erzogene und unterhaltene arme Kinder und ihre Lehre bei Handwerksmeistern, Freimaurern und Nichtfreimaurern. Außerdem finanzierte sie das Erziehungsinstitut in Nachterstedt bei Halberstadt, unterstützte abgebrannte Städte

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und Dörfer (z. B. 1787/1788 gemeinsam mit allen Logen der Monarchie Neuruppin). Die GLL engagierte sich wie die beiden anderen Berliner Mutterlogen kulturell, wenn auch anders als die Royale York oder die Logen in Stettin und Stendal intern. Sie richtete 1793 eine Ordensbibliothek ein, die aus den Bibliotheken ihrer Berliner Filialen hervorging. Die auf Vorschlag des Landesgroßmeisters Friedrich v. Castillon 1794 gegründete Lesegesellschaft erwarb auf Vorschlag ihrer Mitglieder maurerische Bücher, aber auch nichtfreimaurerische Zeitschriften (Allgemeine Literatur-Zeitung, Gothaische gelehrte Zeitung, Neue Berlinische Monatsschrift), die nach Lektüre und Diskussion in den Besitz der Ordensbibliothek übergingen. Mitglied der Lesegesellschaft konnte ein Freimaurermeister der Berliner Tochterlogen werden. Er zahlte acht Groschen Eintrittsgeld und vier Groschen Monatsbeitrag. Die Gesellschaft trat alle acht oder vierzehn Tage zusammen, diskutierte freimaurerische Themen und Vorträge; Rauchen war verboten. Der Lesegesellschaft traten 1794 63 Meister bei. Die praktischen Arbeiten, z. B. die Zustellung der Bücher, besorgte ein entlohnter dienender Bruder. Ein Ausschuss unter Johann Michael Palmié leitete die Geschäfte; Schatzmeister war der Schauspieler Joseph Michael Böheim. Die Bibliothek besaß im Gründungsjahr 149 Bände. Im Jahre 1802 ordnete ein Ausschuss, dem auch Johann Erich Biester angehörte, das Maurerische Leseinstitut und die Ordensbibliothek neu. Diese erwarb nun auch nichtmaurerische Titel. Die Bibliothek unterstand der Großen Loge, während das Leseinstitut ein Verein Beitrag zahlender Berliner Mitglieder im Meistergrad war (Quartalsbeitrag unverändert zwölf Groschen). Biester vereinbarte mit dem Verlagsbuchhändler Friedrich Nicolai, einem Freimaurer, aber nicht Mitglied einer Berliner Loge, den Kauf von Büchern und Zeitschriften. Der Münzwardein Gottfried Bernhard Loos fertigte einen Buchstempel an (Umschrift: Große Lan-

desloge von Deutschland zu Berlin). Außerdem ließ man alle Bücher gleichmäßig binden. Vorsteher des Maurerischen Leseinstituts und der Bibliothek war 1803 wiederum Johann Michael Palmié. Weitere Mitglieder des Engeren Ausschusses waren u. a. Biester, Loos (Bibliotheksschatzmeister) und der Geh. Sekretär Christian Friedrich Florentin Beckmann, der mit Mehrheit gewählte Bibliothekar der Ordensbibliothek. Der erste Bibliothekskatalog (Alphabetisches Verzeichnis der Büchersammlung

der Hochw. Großen Landesloge von Deutschland zu Berlin) erschien 1803 (511 Nummern mit etwa 670 Werken). Das Leseinstitut hatte 1802/03 84, 1804 109 Interessenten. Die GLL richtete 1804 zudem ein Musikalisches Komitee mit eigenen Gesetzen und eigenem Etat ein. Es wurde von den Logen sowie aus freiwilligen Beiträgen der Mitglieder finanziert. Als Direktor amtierte der greise Antoine Thomas Palmié, als Vorsteher Gottfried Bernhard Loos und der Konzertmeister Karl Hermann Heinrich Benda. Die Mitglieder des Musikalischen Komitees waren Berufs- und Laienmusiker, Instrumentalisten und Sänger, unter ihnen viele namhafte Berliner Künstler, so vom Königlichen Nationaltheater, dessen Intendant August Wilhelm Iff­land, selbst Freimaurer, ihnen freigab, sofern keine Musik auf dem Theaterprogramm stand. Das Komitee zog zu den Konzerten für die Feste der GLL und der Filialen auch Mitglieder fremder Logen heran. Die Logenmusiker spielten auf eigenen oder auf Instrumenten der Loge. Mitglieder: a) Allgemeines: Die Berliner Filialen der GLL organisierten 1786–1815 1.116 Männer, von ihnen 1.086 Berliner und auswärtige Vollmitglieder und 30 dienende Brüder, wenige mehr als die GNML (1.088, davon 1.050 Vollmitglieder und 38 dienende Brüder). Die Summe der nominellen Vollmitglieder betrug 1.108. Sie war höher als die tatsächliche Mitgliederzahl, weil mehrere in zwei oder mehr Filialen erscheinen, z. B. die Gründer einer neuen Tochter. 369

5 Freimaurer-Logen

Die Filialen hatten folgende Gesamtmitgliederzahlen (Vollmitglieder, dienende Brüder): Zu den drei goldenen Schlüsseln 134/4 Zum goldenen Schiff 202/6 Zum Pegasus 111/3 Zur Beständigkeit 186/6 Zum Pilgrim 154/3 Zum goldenen Pflug 162/8 Zum Widder 160/4 Die Logen zählten 1783/84 231 Mitglieder (ohne Ehrenmitglieder wie etwa Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen bis zur Thronbesteigung, und ohne dienende Brüder), von denen 164 Mitglieder in Berlin und 67 außerhalb Berlins (d. h. auch ohne die heute dazugehörenden Städte und Dörfer wie Spandau, Charlottenburg, Köpenick, Schöneberg, Karow, Schönhausen u. a.) wohnten. Die Mitgliederzahl verdoppelte sich bis 1805 auf 457, von ihnen 342 Berliner und 115 Auswärtige, und stieg 1814/15 auf 501, von ihnen 414 Berliner und 87 Auswärtige. Im Logenjahr 1814/15 waren von den 1783/84 231 Mitgliedern noch 37 dabei, von den bis 1800/1801 Hinzugetretenen noch 167, damit war 1814/15 jeder Dritte vierzehn und mehr Jahre Mitglied, eine beachtliche Kontinuität. Langjährige Mitglieder waren, um stellvertretend nur diese wenigen zu nennen, Friedrich Becherer (1777 Minerva in Potsdam, 1784 Zum Pilgrim, 1814–1823 Logenmeister, 1817–1821 Ordensgroßmeister), Johann Erich Biester (1773 Zum Ölzweig in Lübeck, 1776 Zum goldenen Pflug, 1789–1816 Logenmeister, 1790–1815 Großredner), Frédéric de Castillon (1772 Pégase, 1776 Gründer Zum Pilgrim, 38 Jahre Logenmeister, 1799–1814 Landesgroßmeister), der Kaufmann Pierre Truitte, wie de Castillon ein Schweizer (1778–1821 Zum Pegasus, 1783/1784 Sekretär), der Anatomieprofessor der Berliner Universität Christoph Knape, (1778/79 Feldloge Zum goldenen Becher in Breslau, 1779 Zu den drei goldenen Schlüsseln, deputierter Meister, Aufseher, Zeremonienmeister) oder Joachim Friedrich Wilhelm Neander v. Petersheiden (1769 Afrikanischer 370

Bauherr, 1776 Zum goldenen Schiff, 1814– 1817 Landesgroßmeister) – er empfing 1812 in seiner Loge aus der Hand Blüchers, wie er Freimaurer, den Roten Adlerorden, der Heeresreformer Generalmajor Gerhard v. Scharnhorst (Zum goldenen Schiff ) entsiegelte die Kabinettsorder. Die große Mehrheit war bürgerlich (79 Prozent), eine Minderheit adlig (niedere Adlige mit dem Namenszusatz von, Freiherren, vierzehn Hochadlige, darunter zwei Angehörige herrschender Familien, zwölf Grafen), darunter elf vor 1806 nobilitierte Bürgerliche, diese meist Offiziere (Eckenbrecher, Neander, Scharnhorst, Schönermarck u. a.). Der Zahl der Adligen blieb 1786–1815 etwa gleich groß (1782/83: 76, 1805: 86, 1815: 76), während sich der relative Anteil trotz steigender Mitgliederzahl halbierte (1782/83: 33 Prozent, 1805: knapp 22 Prozent, 1815: 15 Prozent). Eine Ausnahme machte die Militärloge Zum goldenen Schiff (1805 absolut 36 Adlige bzw. 44 Prozent, 1815 absolut 36 bzw. 35,3 Prozent). Wie hoch das Ansehen des Adels noch war, erweisen die beiden Landesgroßmeister Frédéric de Castillon (1782– 1789, 1799–1814) und Oberst Karl August v. Beulwitz (1789–1799), übrigens beide Immigranten (de Castillon Schweizer, v. Beulwitz Thüringer). Dagegen stieg der absolute und prozentuale bürgerliche Mitgliederanteil erheblich. Die Berliner GLL entwickelte sich, mit Ausnahme der Militärloge Zum goldenen Schiff, zu einer dominant bürgerlichen Sozietät. Die Zahlen der bürgerlichen und adligen Logenmeister, acht Bürgerliche, zwei Nobilitierte, sieben Geburtsadlige, hielten sich die Waage. Die sozial tragenden Hauptstützen waren die Angehörigen des Staatsapparates, d. h. die Offiziere der Ober- und Unterstäbe (34 Prozent) und die Verwaltungs- und Justizbeamten (knapp 30 Prozent), außerdem die Gewerbetreibenden (knapp 23 Prozent). Drei Behörden wiesen eine besonders große Zahl an Freimaurern der GLL auf: das Gene-

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raldirektorium bzw. die späteren Ministerien als höchste Verwaltungsbehörden (35 Mitglieder bzw. gut 10 Prozent aller Beamten), das Kammergericht (33 Mitglieder bzw. 10 Prozent aller Beamten), überwiegend (22) Referendare und Assessoren, jedoch nur drei Kammergerichtsräte, die eher die GNML bevorzugten, sowie das Oberhofbauamt (9 Mitglieder), unter ihnen die Direktoren Friedrich Becherer und David Gilly. Viele Freimaurer kamen aus der starken Berliner Garnison (neun Regimenter), u. a. aus dem Kürassierregiment Nr. 10 Regiment Gensdarmes (7), den Infanterieregimentern Nr. 19 Friedrich von Braunschweig (5, 1 dienender Bruder), Nr. 25 v. Möllendorff (25, 2 dienende Brüder), Nr. 23 v. Lichnowsky (7, 1 dienender Bruder), dem Husarenregiment Nr. 2 v. Zieten (23) und besonders viele aus dem Artilleriekorps (77). Es waren gerade Artilleristen, die 1774 aus den Afrikanischen Bauherrenlogen zur GLL übergetreten waren. Die Loge Zum goldenen Schiff hatte allein dreizehn Artilleristen in ihren Reihen, unter ihnen Johann August v. Eckenbrecher, Kommandeur des 1. Artillerieregiments und danach der Reitenden Artillerie (Sekretär, Aufseher), Heinrich Christoph Ernst v. Hüser, Kommandeur des 3. Feldartillerieregiments, 1805 des Reitenden Feldartillerieregiments (Logenmeister, Großaufseher), Johann Christian Wilhelm v. Lentcken, Kommandeur des 3. Artillerieregiments, 1797 Chef des 2. Artillerieregiments (Zeremonienmeister), Joachim Friedrich Wilhelm Neander v. Petersheiden, Oberst der Reitenden Artillerie, Direktor des Kriegskollegiums (Landesgroßmeister). Sicher ermutigte die Logenmitgliedschaft eines Kameraden manchen, ebenfalls Freimaurer zu werden. Jedes fünfte Mitglied betrieb ein Gewerbe. Die Listen machen bei vielen lediglich die allgemeine, wenig aussagefähige Angabe „Kaufmann“. Nur einige Unternehmer treten deutlicher ins Licht, so die Bankiers Otto Heinrich Anhalt, David Schickler und Joa-

chim Heinrich Wilhelm Wagener, dieser ein bedeutender Kunstsammler, die Baumwollund Seidenmanufakturunternehmer Isaac Blanc, Antoine Thomas Palmié, Heinrich Wilhelm Wagener und Karl Friedrich Welper, die Ofenfabrikanten Johann Gottfried Höhler und Tobias Christoph Feilner, der Eisenwarenhändler Jacques Ravené, der „Eisenkönig von Berlin“. Die Berliner Verlagsbuchhändler und -drucker organisierten sich überwiegend in der Loge Zur Eintracht (GNML), zwei jedoch in der GLL , der Musikverleger Johann Julius Hummel, der auf Kosten der Loge einen Jungen als Notenstecher ausbildete, und der Buchbinder und Verlagsbuchhändler Johann Friedrich Vieweg. Außerdem traten der GLL vier Bierbrauer (Brauereibesitzer) und acht Weinhändler (u. a. Johann Christoph Lutter, Begründer der Weinhandlung Lutter & Wegner) bei. Die übrigen Berufe waren, entsprechend ihrer Zahl in der bürgerlichen Gesellschaft, weniger zahlreich vertreten: die Ärzte, Chirurgen und Apotheker mit 5,3 Prozent, mit den 35 Militärärzten jedoch 8,6 Prozent, die Theologen mit 1,2 Prozent und die Pädagogen mit 2,6 Prozent. Unter den Medizinern waren so bedeutende Männer wie Friedrich Wilhelm Christ, Apotheker der kgl. Tierarzneischule, Dr. med. Georg David Johann Ellisen, der sich 1786 in Russland um die Freimaurerei verdient machte, der Generalstabs­ chirurg Johann Görcke, seinerzeit der bedeutendste preußische Militärarzt, der aus Wien nach Berlin berufene Augenarzt Johann Nepomuk Rust, Christian Friedrich Siemerling, Gründer eines Entbindungshauses mit Hebammenschule in Aurich oder Karl Daniel Tourte (Logenmeister), der wie Knape und Rust eine Professur an der Berliner Universität erhielt. Fünf Zinnendorfer Freimaurer wurden zu Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften ernannt: Johann Erich Biester, Friedrich v. Castillon, der Direktor der Bauakademie Johann Albert Eytelwein, der Mathemati371

5 Freimaurer-Logen

ker Jean Philippe Gruson und der Schriftsteller Karl Philipp Moritz, Professor der Theorie der schönen Künste und für Altertumskunde an der Akademie der Künste (Redner, Aufseher). Angewandte und bildende Künstler entschieden sich, wenn sie Freimaurer werden wollten, offenbar lieber für die bürgerliche GLL (absolut 85 bzw. knapp 8 Prozent) als die eher staatsnahe GNML (1,4 Prozent). Mindestens sechzehn Logenmitglieder waren Mitglieder der Akademie der Künste, unter ihnen Karl Philipp Moritz, der Bildhauer und KPMSkulpteur Emanuel Bardou und der Maler und Bleiweißfabrikant Paul Joseph Bardou, beide Schweizer Hugenotten, der Historienmaler Asmus Jakob Carstens, der Moritz’ „Götterlehre“ illustrierte, der Maler Johann Konrad Krüger, Professor der Zeichenklasse und Prorektor (Großaufseher), der Hofmedailleur Daniel Friedrich Loos, Senatsmitglied (Aufseher), der Pastellmaler Friedrich Gustav Emilius Taubert, Vorsteher der Figurenmalerei der KPM, und der Maler und Kupferstecher Ulrich Friedrich Ludwig Wolff. Weitere sechzehn Freimaurer waren Mitglieder des Königlichen Nationaltheaters, unter ihnen der Kapellmeister Bernhard Anselm Weber, der Tenor Joseph Anton Ambrosch – er sang 1794 bei der Berliner Erstaufführung von Mozarts Zauberflöte den Tamino und gab mit dem Schauspieler und Sänger Joseph Michael Böheim Freymäurerlieder mit Melodien heraus, die Tenöre Friedrich Eunicke und Otto Grell, der Bass Johann Christian Franz, der Violinist Heinrich Benda, der Schauspieler Franz Joseph Mattausch, der in der Berliner Erstaufführung von Schillers Wallenstein 1799 den Max Piccolo­mini spielte. Die einzelnen Tochterlogen besaßen jeweils ein eigenes soziales Profil. Die GLL sah nicht so streng wie die GNML und die Royale York auf eine annähernd gleiche Größe ihrer Filialen. Die Spanne reichte 1815 von 102 (Zum goldenen Schiff ) bis 372

zu 39 (Pegasus) Mitgliedern. Gemeinsam war allen die Dominanz des Bürgertums (1783: 152 Mitglieder bzw. 65,8 Prozent, 1815: 425 Mitglieder bzw. 84,8 Prozent). Die Zinnendorf-Logen waren überwiegend zivile Gesellschaften. Das Interesse des Adels an der GLL schwand. Waren es 1783 noch 83 Adlige (34 Prozent), betrug ihre Zahl 1815 nur noch 75 (15 Prozent). Die Verwaltungs- und Justizbeamten dominierten in vier, das Militär (Zum goldenen Schiff ) und das Gewerbe (Zum Widder) in je einer Loge. Buchhändler und -drucker, Theologen, Pädagogen, Ärzte, Chirurgen und Apotheker organisierten sich traditionell eher in der GNML , wogegen Künstler die GLL bevorzugten (Zum Pegasus, Zur Beständigkeit, Zum goldenen Pflug, Zum Widder). Insgesamt suchten jedoch alle Freimaurerlogen soziale Einseitigkeit zu vermeiden, vielmehr einen ausgewogenen Querschnitt der bürgerlichen Gesellschaft zu erreichen. Zu den drei goldenen Schlüsseln. Die älteste Berliner Zinnendorf-Loge verdoppelte ihre Mitgliederzahl von 1782 bis 1805 (von 32 auf 66 Mitglieder), die aber schließlich 1815 nur noch 56 Mitglieder betrug. Sie war stets eine überwiegend bürgerliche Gesellschaft (1782: 73,5, 1805: 91,1, 1815: 92,9 Prozent), in der die Verwaltungs- und Justizbeamten dominierten (1782: 32,3, 1805: 46,7, 1815: 48,2 Prozent), während der Mitgliederanteil des Militärs (1782: 20,6, 1805: 16,7, 1815: 17,9 Prozent) und des Gewerbes (1782: 20,6, 1805: 19,7, 1815: 16,1 Prozent) zurückging. Theologen, Pädagogen und Mediziner werden erst 1805 genannt (Theologen 1805: 1,5, 1815: 1,8 Prozent; Mediziner 1805: 6,1, 1815: 5,4 Prozent), dagegen Künstler schon 1782: 2,9, 1805: 4,5, 1815: 5,4 Prozent). Zum goldenen Schiff. Die Militärloge verdoppelte ihre Mitgliederzahl von 1783 bis 1805 (von 40 auf 82), sie betrug 1815 102 Mitglieder, war damit die mitgliederstärkste Berliner Filiale. Die große Zahl der Militärangehörigen (1782: 62,5, 1805: 54,9, 1815: 52,9 Pro-

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

zent) hätte ein Übergewicht des Adels vermuten lassen, was aber nicht der Fall war wegen der vielen bürgerlichen Artilleristen und Angehörigen der Unterstäbe. Der adlige Mitgliederanteil ging sogar erheblich zurück (1782: 45, 1805: 43,9, 1815: 35,3 Prozent). Gegenüber dem Militär war der Mitgliederanteil aller anderen Berufsgruppen relativ gering. Der Anteil der Beamtenschaft fiel von etwa einem Viertel auf ein Fünftel der Mitgliedschaft ab (1782: 27,5, 1805: 25,6, 1815: 21,6 Prozent). Dagegen traten im letzten Jahrzehnt 1805– 1815 zahlreiche Gewerbetreibende in die Loge ein (1782: 7,5, 1805: 7,3, aber 1815: 14,7 Prozent). Die Theologen und Zivilärzte verschwanden ganz aus den Listen, die Pädagogen waren erst gar nicht vertreten (Theologen 1782: 2,5, 1805: 2,4, 1815: 0 Prozent; Mediziner 1782: 0, 1805: 3, 1815: 0 Prozent, allerdings 1805: 6 Militärärzte), Künstler nur in kleiner Zahl (1782: 2,5, 1805: 1,2, 1815: 4,9 Prozent bzw. absolut 5). Zum Pegasus. Die französische Loge war die kleinste Berliner Filiale. Sie hatte zu keiner Zeit mehr als 39 Mitglieder (1782: 37, 1805: 35, 1815: 39 Mitglieder). Der Mitgliederanteil der nur wenigen Adligen halbierte sich (1782: 35, 1805: 17, 1815: 15,6 Prozent), wogegen der des Bürgertums sich auf mehr als vier Fünftel erhöhte (1782: 64, 1805: 83, 1815: 84,4 Prozent). Sie war bis 1805 eine Gesellschaft der Gewerbetreibenden (1782: 37,8, 1805: 40, 1815: 31 Prozent), danach eher eine der Beamten (1782: 8, 1805: 31,4, 1815: 37,8 Prozent). Das Militär war nur anfangs relativ stark (1782: 29,7, 1805: 11,4, 1815: 13,3 Prozent). Theologen traten überhaupt nicht in diese Loge ein, ein Pädagoge nur in den achtziger Jahren, in all den Jahren nur zwei Ärzte und ein Apotheker, dagegen mehrere Künstler, meist Franzosen und Schweizer (1782: 13,5, 1805: 8,6, 1815: 9 Prozent). Zur Beständigkeit. Die Loge verdoppelte ihre Mitgliederzahl von 1783 bis 1805/1814 (1783: 34, 1805: 72, 1815: 72 Mitglieder), wobei der bürgerliche Mitgliederanteil (1783:

67,6, 1805: 82, 1815: 87,5 Prozent) gegenüber dem Adel (1783: 32,4, 1805: 18, 1815: 12,5 Prozent) erheblich zunahm; die Loge wandelte sich zu einer bürgerlichen Gesellschaft. Der gleiche Prozess vollzog sich in der von Mitgliedern der Militärloge Zum goldenen Schiff gegründeten Loge hinsichtlich des Militärs (1783: 41,2, 1805: 22,2, 1815: 8,3 Prozent), während der Mitgliederanteil der Beamtenschaft (1783: 25,5, 1805: 29,2, 1815: 32 Prozent) und des Gewerbes (1783: 6, 1805: 25, 1815: 27,8 Prozent) stieg. Insgesamt wies die Loge eine sozial breit gefächerte Mitgliederstruktur auf. Sie hatte stets Theologen (1783: 6, 1805: 2, 1815: 1,4 Prozent), Pädagogen (1783: 3, 1805: 2, 1815: 2,8 Prozent), Ärzte, Chirurgen und Apotheker (1783: 3, 1805: 8,3, 1815: 11 Prozent) und Künstler einschließlich mehrerer Mitglieder des Nationaltheaters (1783: 8,8, 1805: 7, 1815: 9,7 Prozent) in ihren Reihen. Zum Pilgrim. Die von dem Landesgroßmeister de Castillon geführte, zunächst kleine Loge verdreifachte ihre Mitgliederanzahl bis 1815 (1783: 26, 1805: 69, 1815: 75 Mitglieder). Auch sie wandelte sich zu einer bürgerlichen Gesellschaft (Bürgertum 1783: 63, 1805: 82,6, 1815: 89,3 Prozent, entsprechend der Adel jeweils 37, 17,4 und 10,7 Prozent). Das Militär stellte nur am Anfang die größte Gruppe (1783: 40,7, 1805: 23,2, 1815: 18,7 Prozent) und trat diesen Platz an die Verwaltungs- und Justizbeamten ab (1783: 25,9, 1805: 42, 1815: 34,7 Prozent). Das Gewerbe machte 1815 knapp ein Fünftel der Mitgliedschaft aus (1783: 11, 1805: 14,5, 1815: 18,7 Prozent). Theologen waren nur 1805 vertreten, Pädagogen, abgesehen von Prof. de Castillon, nur am Anfang und am Schluss (1783: 7,4, 1805: 0, 1815: 1,3 Prozent), Mediziner jedoch durchgehend (1783: 7,4, 1805: 2,9, 1815: 2,7 Prozent) und Musiker, Maler und Bildhauer erst nach der Jahrhundertwende (1805: 8, 1815: 9,3 Prozent). Zum goldenen Pflug. Die Loge verdoppelte 1783–1814 ihre Mitgliederzahl (1783: 37, 373

5 Freimaurer-Logen

1805: 65, 1814: 70 Mitglieder). Die Mitgliederzahl der Adligen ging absolut und relativ stark zurück (1783: 48,6, 1805: 16,9, 1814: 11,4 Prozent), wogegen die der Bürgerlichen bis 1814 auf nahezu neun Zehntel stieg (1783: 51,4, 1805: 83,1, 1814: 88 Prozent). Die Ursache lag darin, dass sich immer mehr Verwaltungs- und Justizbeamte (1783: 16,2, 1805: 36,9, 1815: 42,3 Prozent) und Gewerbetreibende (1783: 8,1, 1805: 26,2, 1815: ein Fünftel der Mitgliedschaft) aufnehmen ließen, aber immer weniger die meist adligen Militärs (1783: 48,6, 1805: 20, 1814: 15,7 Prozent). Theologen traten erst nach 1805 (5,7 Prozent) der Loge bei, Pädagogen (zwei) wohl schon im 18. Jh., im 19. Jh. aber nur noch einer (1805: 1,5, 1814: 1,4 Prozent). Der Mitgliederanteil der Mediziner, Ärzte und Apotheker, ohne den einen Militärarzt, ging zurück (1783: 8, 1805 und 1814: 3 Prozent), wogegen der der Künstler etwa gleich blieb (1783: 8, 1805: 10,8, 1814: 7 Prozent), unter ihnen vier Mitglieder des Nationaltheaters. Zum Widder. Die Loge erholte sich nach einer ihre Existenz bedrohenden Krise erst unter Johann Erich Biester, der sie 27 Jahre lang bis zu seinem Tod führte. Sie verdreifachte die Zahl ihrer Mitglieder von 1783 (25, 1805: 68) bis 1815 (81). Der Verein unterschied sich ständisch und beruflich von den anderen Filialen. Das Bürgertum dominierte von Anfang an (1783: 88 Prozent) und machte 1814 nahezu die Gesamtheit aller Mitglieder (95 Prozent) aus, so viel wie in keiner anderen Berliner Zinnendorf-Loge. Zum anderen hatte die Loge den höchsten gewerblichen Mitgliederanteil (bis 1806: 42 Prozent), u. a. den Stifter und Logenmeister Thomas Antoine Palmié und seinen Gesellschafter Emanuel David Geiger, dessen Witwe er heiratete, George Abraham Gabain, wie Palmié und Geiger Seidenmanufakturunternehmer, den Ofenfabrikanten Johann Gottfried Höhler und dessen Gesellen und Nachfolger Tobias Christoph Feilner. Obwohl die Zahl der Kaufleu374

te, Fabrikanten, Juweliere und Partikuliere sich von 1778 bis 1805 verdreifachte, ging in den folgenden Jahren ihr relativer Mitgliederanteil zugunsten anderer Berufsgruppen, der Beamten und der Künstler, zurück. Hatte die Loge bis 1805 lediglich einen Musiker in ihren Reihen, war 1815 jedes zehnte Mitglied ein Maler, Bildhauer, Schauspieler oder Musiker, unter ihnen sechs Mitglieder des Königlichen Nationaltheaters, nächst der Loge Zur Beständigkeit die höchste Zahl in dieser Berufsgruppe. Die Ursachen für die Beliebtheit der Loge unter Künstlern konnte nicht ermittelt werden. Vermutlich zog einer den anderen nach. Alle anderen Berufsgruppen waren nur mit einzelnen Personen vertreten: die Theologen erst nach der Jahrhundertwende, ein Theologe, zwei Pädagogen, drei Ärzte und ein Apotheker. Die Loge war unter Biester eine Gesellschaft der Kaufleute und Künstler. b) Einzelmitglieder 1786–1815 in Berlin: (Der Bindestrich zwischen den Jahreszahlen zeigt die Dauer der Mitgliedschaft an, der Querstrich die Erwähnungen.) Ablé, Johann (1771–vor 1810), Leutn., gSch 1798/1804; Ackermann, Johann (geb. 1749?), Regiments­ chir., Pilg 1789–1812; Adloff, Johann, Geh. exped. Sekr., gPfl 1813/1814; Ahlemann, Friedrich August Ludwig (1754–1809?), Hofu. Kammerfiskal, 3gSchl 1780–1805; Alberti, Johann August Wilhelm, Kaufmann, gPfl 1782/1790; Alberts, August Ferdinand (geb. 1771), Geh. Sekr., Widd 1794–1792; Alberts, Johann Christian (1740–1803/04), königl. Küchenm., gSch 1780–1781, Widd 1790– 1793, 1793 RY; Alkier, Heinrich Friedrich Karl (geb. 1763), Kapt., gSch 1795/1812, 1802/1803 Mr. Leseinstitut; Alt, Peter (geb. 1779), Kaufmann, gSch 1815; Alvensleben, Adolf Ludolf Georg v. (geb. 1767), Leutn. a. D., Grundherr, Pilg 1792–1812; Ambrosch, Joseph Anton (1759–1822), Sänger (Tenor), Bst 1792–1801, 3Ser 1801; André(-ée), Johann Ernst Ludwig (geb. 1738?), Berg- u. Hüttenrat, gSch 1774–1798; Andresse, Peter

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

Ludwig Wilhelm (1789–1865), Dr. med., Bst 1814; Anhalt, Friedrich Wilhelm v. (1769– 1837), Oberstleutn., Generalmilitärkommissar, gPfl 1813/1814; Anhalt, Otto Heinrich (1740–1820), Bankier, 3gSchl 1776, gPfl 1776/1814, 1803 Mr. Leseinstitut; Anthing, Johann Friedrich (geb. 1753), hzl. sachsenweimar. Rat, Pilg 1783–1784/1812; Armelin, Johann Ludwig (1777–1809?), Geh. exped. Sekr., gSch 1802/1804; Arnim, Diettloff Wilhelm v. (1749–1810), Leutn., gSch 1776/1795; Arnim, Friedrich Wilhelm Karl v. (geb. 1786), Leutn., Adj., 3gSchl 1815; Arnim, Jakob Heinrich Ludwig v. (1754–1804), Landrat, gSch 1776–1778; Arnim, Otto Christoph Sigismund v. (1751–1811), Leutn., Pilg 1777– 1778, Widd 1780–1812; Arnous, Jean Bernhard (geb. 1788), Kaufmann, Pilg 1813/1815; Aster, Karl Josef (1759–1796/97), Geh. Sekr., Bst 1795/1796; Bachmann, Johann Friedrich Karl (geb. 1779), Kaufmann, Gutsbesitzer, gSch 1813; Bahn, Heinrich Wilhelm (1745/46–1808/09), Kaufmann, RY 1780, Bst 1799/1806, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Bailliodz, Jonas de (geb. 1756), Kapt., Peg 1790–1793; Bailliodz, Karl Franz v., Leutn., gPfl 1779/1790; Balce, Jacques (1754–1826), Buchhalter, Peg 1780/1816; Balckow, Friedrich Kaspar Leopold (geb. 1772), Bauinspektor, 3gSchl 1797–1811; Balde, Johann Friedrich Sigismund (geb. 1751), Kriegs– u. Domänenrat, gSch 1774–1777; Ballerstedt, Christian Wilhelm (1764–1823), Kaufmann, 3gSchl 1794(–1823), 1803 Mr. Leseinstitut; Ballerstedt, Karl Friedrich (geb. 1770), Buchhalter, Kaufmann, 3gSchl 1793/1815; Bamberg, August Ferdinand (1774–1805), Maler, Widd 1804–1805; Bandemer, Christian August Karl v. (geb. 1774), Ritterschaftsrat, Erbherr, Peg 1802–1823; Barbiéz, Jean Jacques Frédéric (1746–1814), Maler, Zeichenm., Buchhändler, Peg 1777/1812; Bardou, Emanuel (1744–1818), Skulpteur, Peg 1777– 1818?; Bardou, Karl Wilhelm (1774–1865), Porträtmaler, Peg 1801–1821, 1841/1851; Bardou, Paul Joseph (1745–1814), Porträt- u.

Genremaler, Bleiweißfabrikant, Peg 1774– 1814; Bärmann, Karl Ludwig Wilhelm (geb. 1778), königl. Kammermusiker, Bst 1804/ 1814; Barokov, Ludwig Karl v. (geb. 1787), kais. russ. Premierleutn., gSch 1813/1815; Bartels, Johann Ferdinand (geb. 1778?), Schulvorsteher, Bst 1809/1814; Bartelsheim, Kaspar Heinrich (geb. 1782), Kriegskommissar, Widd 1809/1815; Baskowitz, Friedrich v. (geb. 1758), Kaufmann, Widd 1778–1781/ 1801; Bauer, Gabriel Wilhelm (geb. 1775/76), Kaufmann, Kriegskommissar, Widd 1802– 1830; Bauermeister, Ludwig (geb. 1778), Feldjäger, 3gSchl 1814; Baumer, Friedrich Samuel (1768–1796), königl. Kammermusiker (Waldhornist), 3gSchl 1795/1796; Baumer, Johann Andreas (1770–1801), königl. Kammermusiker (Waldhornist) 3gSchl 1795– 1801; Becherer, Christian Friedrich (1746– 1823), Baum., Geh. Kriegs- u. Oberhofbaurat, Dir., Pilg 1784–1823, 1790–1802 Großzeremonienm., 1805 1. Großaufs., 1814–1823 Logenm., 1817–1821 Ordensgroßm., 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1804 Mr. Leseinstitut; Becherer, Karl Wilhelm (geb. 1792), Baukondukteur, Hydrotekt, Pilg 1812/1815; Becker, Johann Heinrich Dettlof (geb. 1776?), Weinhändler, Bst 1810/1814; Beckmann, Christian Friedrich Florentin (1763–1831), Geh. Sekr., Registrator, Widd 1802/1815, 1803/ 1804 Mr. Leseinstitut, 1803 dessen Bibliothekar; Behrendt, Christian Friedrich, Geh. exped. Sekr., Bst 1793/1810; Behrendt, Christian Friedrich (1764–1838), Hofrat, Agent, Bst 1788–1838, 1813/1814 deput. Logenm., 1816–1838 Logenm., 1803/1804 Mr. Lese­ institut; Behrens, Christian Friedrich (geb. 1756), Schifffahrtsinspektor, Steuerkommissar, Bst 1800/1814; Bein, Karl August (1768– 1819), Privatschreiber, Peg 1796–1804; Beittler (Beyttler), Jean, Gouverneur, Peg 1774/1793; Below, Anton Sigismund Justin v., sachsen-coburg. Oberforstm., gPfl 1778/ 1790; Benda, Heinrich (1753–1805), Violinist, Bst 1784/1795; Benda, Karl Hermann Heinrich (1748–1836), Violinist, königl. Ka375

5 Freimaurer-Logen

pellm., 3gSchl 1792–1836, 1805 3. Vorst. d. Apothekengehilfe, 1796 Demonstrator d. Musikgesellschaft; Benecke, Karl Friedrich chem. u. pharmazeut. Wissenschaften an der (geb. 1792), Dr. med., Regimentschir., Pilg Universität Moskau, gPfl 1783/1790; Birkel, 1796–1811; Berger, Gottfried (geb. 1740), Heinrich Ludwig (geb. 1755/56), Hofm., Kaufmann, gSch 1783/1788; Berger, Karl Kanzleisekr., 3gSchl 1776–1790; BirkenhauLudwig Heinrich (1777–1839), Musiker, er, Pilg, 1810 entlassen (Zu den drei goldenen Komponist, 3gSchl 1805–1811; Bergling, Jo- Ankern in Stettin); Blanc, Isaac (1748–1805), hann Gustav (1764–1796/97), Arkanist, gPfl Seidenfabrikant, Peg 1774/1803; Blenck, 1795/1796; Berlepsch, Friedrich v. (1755– Karl (geb. 1769), hzl. mecklenburg-schwerin. 1809/10), Major, 1794 Mr. Lesegesellschaft, Stallm., Bst 1796–1801; Blenz, Wilhelm AleBst 1778/1809; Bernstein sen., Friedrich xander (geb. 1781), Lehrer, Schulvorsteher, Wilhelm (1751–1808/09), Kaufmann, Pilg gSch 1812/1815; Bliesener, August Friedrich 1813/1815; Bernstein jun., Johann Friedrich (geb. 1781), königl. Kammermusiker, Pilg (geb. 1779), Kaufmann, Pilg 1784/1806; 1812/1815; Blume, Samuel Otto Theodor Bertram, Friedrich Wilhelm (geb. 1785), Ba- (geb. 1770), Dr. med., 3gSchl 1793–1797; taillonsarzt, gSch 1815; Bethge, Friedrich Blumenthal, Johann Friedrich Wilhelm (geb. Wilhelm (1770–1808/09), Auditeur, gPfl 1775), Kammergerichtsreferendar, Pilg 1801– 1794/1805; Bethge, Karl August, Kammer- 1819; Boaton, Pierre François de (gest. 1795), gerichtsreferendar, gPfl 1795/1801; Beulwitz, Kapt., Gouverneur, 3gSchl 1770, Peg 1771, Karl August v. (1736–1799), Oberst, dirigier. 1771–1792 u. 1795 Logenm., 1772 1. GroßAssessor, Dir., Bst 1779, 1784–1799 Logenm., aufs., 1778 Großredner; Bock, Johann Lud1784/1785 Großredner, 1788 1. Großaufs., wig (1763–1829), Oberhofbauamtsassessor, 1789–1799 Landesgroßm., 1794 Mr. Lesege- Pilg 1793/1814; Bock, Johann Friedrich Wilsellschaft; Beurmann, Karl Heinrich (geb. helm (geb. 1780), Leutn., 3gSchl 1805–1833; 1781), Lazarettkassenrendant, 3gSchl 1809/ Bock, Karl Friedrich v. (geb. 1761), Kapt., 1814; Bever, Johann Christoph (geb. 1772?), gPfl 1795/1814; Bock, Karl Friedrich WilGeh. exped. Sekr., 3gSchl 1813/1814; Beyer, helm (1759–um 1805), königl. Hofmaler, Pilg Joachim Ludwig Friedrich (1762–1828), Geh. 1798/1806; Böck, Friedrich Moritz Karl v., exped. Sekr., gSch 1788–1828, 1794 Mr. Lese- Kapt., gPfl 1777/1797; Bode, Christian gesellschaft; Beyer, Johann Joachim Gottlieb Friedrich (1751–1796), Regimentsquartierm., (1767–1839/40), Juwelier, gSch 1794–1839; gSch 1775, Widd 1776–1796; Boennig (BöBieske, Karl Ludwig (1777–1842), Regi- ning), August Ferdinand (geb. 1785), Leutn., mentsarzt, Leibarzt, Bst 1806/1814; Biester, Trainoffizier, gSch 1814/1815; Böheim, JoJohann Erich (1749–1816), königl. 1. Biblio- seph Michael (1747–1811), königl. Sänger, thekar, mit F. Gedike Hg. Berlinische Monats- Schauspieler, Bst 1782–1811, 1794 Mr. Leseschrift, gPfl 1776–1816, 1789–1816 Logenm., gesellschaft, 1796 deren Kassenaufsicht, 1793/ 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. Lese­institut 1795 Hg. Freimäurerlieder mit Melodien; Bol(engerer Ausschuss), 1790–1815 Großredner, linger, Johann Friedrich Wilhelm (1777– zahlreiche Reden: Geburtstagsfeier für Fried- 1825), Kupferstecher, Prof., Bst 1809/1814; rich Wilhelm III. über die Verhältnisse der Bolzenthal, Johann Christian Gottfried Maurerei gegenüber der Nichtmaurerei (1800); (1760–1842), Archidiakon, gSch 1782–1797, Bila, Rudolf Ernst Christoph v. (1743–1808), 1797 Zum Brunnen in der Wüste in Cottbus, Oberst, Bataillonschef, gSch 1776–1804; Bil- 1800 u. 1802–1832 Logenm.; Borchmann, lerbeck, Ferdinand Wilhelm Christian v. (geb. Johann Friedrich Karl (geb. 1779), Kaufmann, 1783), Leutn. a. D., Grundherr, Widd 1812/ Gutsbesitzer, gSch 1815; Borchmann, Ludwig 1815; Bindheim, Johann Jakob (1750–1825), Friedrich (geb. 1783), Kaufmann, gSch 376

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

1812/1815; Bornitz, Friedrich August (geb. 1777), Dr. med., Pilg 1814/1815; Bornstedt, August Wilhelm Ferdinand v. (geb. 1785?), Rittm., Bst 1813/1814; Bornstedt, Ernst Gottlob Wilhelm v. (geb. 1757), Leutn., königl. Forstm., gPfl 1778–1794; Borstell, Ludwig Friedrich Hans Wilhelm v. (geb. 1787), Premierleutn., Generaladj., gSch 1813/1815; Bose, Karl Ludwig v. (1757–1817), Geh. Finanzrat, Geh. Staatsrat, gPfl 1782/1814; Bösefleisch, Christian Phi­lipp (geb. 1786), Apotheker, Widd 1812/1815; Bothe, Gustav Friedrich v. (geb. 1772?), Major, Bst 1810; Böttger, Christian Friedrich Jakob (geb. 1771), Geh. Kanzleisekr., Widd 1805–1810; Böttger, Johann Friedrich Gottlieb (1772– 1812), Gymnasialprof., Inspektor, Peg 1806/1811; Bötticher, Joachim Friedrich (gest. 1836/37), pzl. Kammermusiker, gPfl 1795–1836; Bourlet, Jean François (geb. 1750), Fabrikendir., 3gSchl 1793–1814; Bovet, Jacques Henri (1771–1853), Uhrmacher, Peg 1802–1853; Boy, Johann Christian (1778– 1828), Regierungs- u. Baurat, Widd 1805– 1828; Boy, Martin Friedrich (geb. 1772), Oberprediger, gPfl 1799/1814; Boye, Konrad Nikolaus (1754–1795), Bildhauer, Pilg 1789/ 1793; Boyen, Johann Wilhelm Ludwig v. (1763–1846), Kapt., gSch 1797–1837; Boyen, Ludwig Karl Ehrenreich Dietrich Wilhelm v. (geb. 1780), Kapt. im Generalstab, gSch 1809/ 1815; Boyer, Jean Matthieu (geb. um 1755), Maler, Graveur, Peg 1774/1793; Braasch, Friedrich (geb. 1777), Kaufmann, Pilg 1812/ 1815; Bracker, Johann Christian Karl (1765– 1820), königl. Musiker, Peg 1804/1815; Braun, Johann Wilhelm (geb. 1773), Landbaum., 3gSchl 1797–1811; Braun, Karl Ernst Friedrich, Hütteninspektor, gPfl 1803–1814; Braune (Brauns), August Christian, Leutn., gSch 1810/1812; Braune, Johann Friedrich Wilhelm (geb. 1773), Berg- u. Torffaktor, Pilg 1795–1812; Bräunlich, Christian Ludwig, Kammersekr., Regierungsrat, gPfl 1793/1814; Bredoreck, Johann Heinrich (1778–1844), Kalkulator, Pilg 1803/1815; Bredow, Ernst

Karl Ludwig v. (geb. 1762), Kapt. a. D., Holzverwalter, Pilg 1798–1812, 1815; Bredow, Johann Ludwig v. (1759–1794/95), Stabskapt., Bst 1776/1795; Bredow, Karl Christian Siegmund August v. (geb. 1753), Oberstleutn., Bst 1778/1814, 1794 Mr. Lesegesellschaft?; Breetz, Johann Gottfried (1742–1799/00), Major, Bst 1776/1800; Breiding, Konrad Heinrich (geb. 1772), Kaufmann, Widd 1812/1815; Brendel, Christian Friedrich (1746–1825), Kauf- u. Handelsherr, Bst 1778–1825, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Breton, Chrétien Louis (geb. 1756), Kriegs- u. Domänenrat, Aktuar, Peg 1781–1787, 1787 FlSt; Breyer, Friedrich Wilhelm (geb. 1787), Dr. med., Widd 1812/1815; Briesen, Christian Heinrich Ludwig v. (geb. 1770), Leutn. a. D., Erbherr, Bst 1791–1804; Britzke, Friedrich Ernst Florian v. (1742–1802), Oberstleutn., gPfl 1777/1801; Brock, Johann Friedrich (1766–1813), Geh. exped. Sekr., Kalkulator, Pilg 1802/1812; Brockhausen, Karl Friedrich (geb. 1752), Oberst, gSch 1774– 1812; Brose, Johann Friedrich (geb. 1771?), Engl. Bierbrauer, gPfl 1802/1819; Brozowsky, Wilhelm Fabian v., Leutn., gPfl 1813/1814; Brucken genannt v. Fock, Gerhard Christoph (geb. 1753), Leutn., gSch 1781/1795; Brucken genannt v. Fock, Kasimir (geb. 1751), Leutn., gSch 1780–1795; Brunnemann, Karl Samuel (1729–1808), Kanzleidir., Pilg 1780–1784 (1806), Reden: Von der pflichtmä-

ßigen Anwendung der mancherlei Gaben, die wir von des gütigen Schöpfers Hand erhalten haben (1781); Wir leben, um sterben zu lernen, um hiernächst ewig glücklich zu werden. Das ist der Glaube, der sichere Trost des rechtschaffenen Maurers, des Christen (1780); Brunzlow, Ferdinand Wilhelm, Tabakfabrikant, gPfl 1813/ 1814; Bückling, Karl Friedrich (1758–1812), Bauinspektor, gPfl 1781–1783/1790; Budritzky, Karl Friedrich Ludwig v. (1770–1829), Oberstleutn., gSch 1815; Bültzingslöwen, Johann Heimar Hugo v. (geb. 1757), Rittm., Bst 1782/1809; Burghardt, Karl Friedrich Otto (1777–1842), Justizkommissionsrat, 3gSchl 377

5 Freimaurer-Logen

1803/1814; Burgsdorf, Ernst Philipp Ludwig v. (1740–1819), Oberstleutn., gSch 1774–1819?, 1782–1788 Großzeremonienm., 1799–1802 1. Großaufs., 1794 Mr. Lesegesellschaft; Busch, Johann Daniel (geb. 1746), Pagenhofm., Bst 1776–1792, Reden: Über die moralische Schönheit (1778); Über die Beständigkeit in den Maurerpflichten (1779); Betrachtungen über Krieg u. Frieden (1780); Busse, Johann Friedrich (geb. 1781), Kaufmann, Widd 1812/1815; Buttermann, Anton Sigismund Friedrich (1766– 1834), Feldprediger, Oberpfarrer, Superintendent, Bst 1803–1809; Büttner, Joseph (1768– 1844), Regimentschir., gSch 1803, 1825–1838 Logenm.; Calenberg, Alexander Wilhelm Karl v., großhzl. badenscher Hauptmann, gPfl 1810–1811; Carstens, Asmus Jakob (1754– 1798), Historienmaler, Prof., Pilg 1789–1795; Caspari, Georg (geb. 1749), Kaufmann, 3gSchl 1797/1809; Castillon, Friedrich Adolf Maximilian Gustav v. (1747–1814), Prof. d. Phil., Beständiger Sekretar, Peg 1772–1776, 1773–1774 u. 1776–1781 deput. Landesgroßm., 1775–1777 2. Großaufs., Pilg 1776, 1776–1814 Logenm., 1781–1789 u. 1799– 1814 Landesgroßm., 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. Leseinstitut (engerer Ausschuss); Catel, Pierre Frédéric (1747–1791), Kaufmann, Peg 1783–1789; Chambrier, Charles Henri Bar. de (geb. 1767), Schweizer Offizier in holl. Diensten, Peg 1789/1793; Christ, Friedrich Wilhelm (1774–1824), Apotheker, Widd 1801–1824, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Chris­ tiani, Gottlieb (geb. 1742), Proviantkommissar, Bst 1782–1791; Claus, Johann Gottfried (geb. 1757), Privatmann, Peg 1796; Clause, Christian Friedrich (1773–1808/09), Dr. med., Bst 1804/1806; Clausius, Christian Friedrich Gottlob (1750–1816), Baumwoll- u. Seidenmanufakturunternehmer, 3gSchl 1776/1814, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Coester, Ludwig Friedrich (geb. 1750), Kriegs- u. Domänenrat, gSch 1776–1777; Colberg, Johann Friedrich (geb. 1764?), Schulrektor, gPfl 1798/1814; Collignon, César (1738–1800/01), Amts- u. Leibchir., Generalchir., Bst 1778–1800, 1794 378

Mr. Lesegesellschaft; Collignon, César Daniel (geb. 1777), Wechselcourtier, Bst 1778–1800, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Collignon, Philippe Matthieu (1736–1829), königl. Amts- u. Leibchir., Bst 1778/1814, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Concha, Gratien Augustin, Buchhändler, Peg 1796–1799; Conrad, Christian Georg August (geb. 1752), Postm., 3gSchl 1776/1814; Conradi, Christian Karl Benjamin (geb. 1769), Geh. Sekr., Registrator, gSch 1803/ 1815; Conradi, Daniel Heinrich Wilhelm (geb. 1771), Geh. Sekr., Registrator, Widd 1803/1817; Conradi, Daniel Karl, Leutn., Adj., gSch 1805/1815; Coste, Jean Simon (geb. 1787), Lieferant, gSch 1809/1815; Cramer, Burchard Ludwig Werner (1731–1815), Kriegsrat, 1. Buchhalter, E 1763, 3gSchl 1769, 1770 Mitgründer d. Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, gSch 1771, 1771– 1790 Logenm., 1775–1781 1. Großaufs., 1782–1787 deput. Großm., 1799–1803 abgeordneter Landesgroßm., 1814–1815 Ordens­m., 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1802 Mr. Leseinstitut; Creutz, Johann Gottlob (geb. 1751), Kriegsrat, Exped. Sekr., 3gSchl 1776–1809, 1803 Mr. Leseinstitut; Crüsemann, Johann Konrad Christian (geb. 1769), Kaufmann, Widd 1803/1835; Culemann, Friedrich Karl (geb. 1754), Feldkriegszahlm., Widd 1795– 1811; Czekierski, Józef (1775–1826), Dr. med., Prof., 3gSchl 1800–1811; Dacke, Friedrich Adolf (1742–1793), Gastwirt, Pilg 1779/1789; Dallmer, Friedrich Ludwig (1774?–1813), Kapt., Bst 1810/1813; Damnitz, Karl v. (geb. 1774), Premierleutn. a. D., Regierungsassessor, Pilg 1803–1806/1812; Dedenroth, Friedrich Ludwig Wilhelm v. (1750–1797), Kapt., Gouverneur, Bst 1794; Delagarde, Jean Chrétien (geb. 1754), Buchhändler, Peg 1777–1783; Delius, Friedrich Karl Gustav v. (1774–1841), Major, Assessor, gSch 1810/1815; Delius, Johann Karl Ludwig v. (geb. 1776), Leutn., Adj., Widd 1809/1815; Deterding, Karl Friedrich Wilhelm (1755– 1789), Kriegsrat, Buchhalter, Bst 1777–1778, Pilg 1784, 1787/1788 Großredner; Deva­

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

ranne, Simon Pierre (geb. 1789), Goldarbeiter, Peg 1815; Dichow (Dickow), Adrian Jakob Gotthelf (gest. 1897), Kaufmann, gPfl 1796; Dictus, Johann Friedrich Wilhelm (geb. 1778), Künstler, Gastwirt, Bst 1804/1814; Dierssen, Johann Heinrich (1769–1804?), Dr. med., Bst 1790/1804; Dieterich (Ditterich), Philipp Ernst (1754–1823), Mühlenkassenrendant, Vschw 1796, Minerva in Potsdam 1801, Pilg 1815; Dieterici, Johann Heinrich Wilhelm (1758–1837), Verlagsbuchdrucker u. -händler, gPfl 1803–1837; Dietherdt, Karl Johann Christoph v. (1746–1809), Leutn. a. D., Landrat, Pilg 1803/1806; Dietrich, Karl Samuel Ludwig (geb. 1759), Kaufmann, Bst 1787–1798; Dietz, Johann Karl Friedrich (geb. 1775), Bierbrauer, Peg 1811/1815; Ditmar, Johann Friedrich (geb. 1760), Faktor, gPfl 1799/1814; Dittmann, Karl Wilhelm (geb. 1764), Polizeiinspektor, Pilg 1810/1814; Dollfuß, Johann Georg, Kaufmann, Peg 1775/ 1808; Dollfuß, Johann Kaspar, Apotheker, gPfl 1788/1790; Döbler, Wilhelm Gottlieb Friedrich (1762–1809?), Historienmaler, Kupferstecher, Pilg 1790/1806; Dörge, Johann Kaspar Lorenz (1743?–1808/09), Kaufmann, gPfl 1798/1805; Dornäus, Philipp Christoph (geb. 1769), kurtrier. Kammermusiker, Widd 1801–1813; Dumack, Karl Wilhelm (1766– 1813), Glashändler, 3gSchl 1796/ 1811, 1803 Mr. Leseinstitut; Düring, Gottlieb Friedrich Franz v. (gest. 1794/95), Leutn., gPfl 1780–1791; Dürre, Daniel Friedrich (geb. 1780?), Geh. exped. Sekr., gSch 1811/1815; Dupasquier, Jacques Louis, Prediger, königl. Kammerherr, Peg 1789/1793 EM, 1792/93 Logenm.; Ebeling, Johann Friedrich (geb. 1782), Justizoffiziant, Peg 1810/1815; Eben, Johann Ephraim (1748–1806), Bildhauer, 3gSchl 1798–1806, 1803 Mr. Leseinstitut; Eben, Karl Ferdinand (geb. 1750), Kriegsrat, Rendant, 3gSchl 1778/1814, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. Leseinstitut; Eben und Brunnen, Karl Adolf Friedrich v. (geb. 1773), Rittm. a. D., 3gSchl 1795–1811; Eberty, Ernst Wilhelm v. (1765?–1824), Kapt., gSch 1795–

1824, 1815 Logenm., 1802 Mr. Leseinstitut, Mitgl. d. Bibliotheksausschusses; Eck, Gottfried Salomon (geb. 1771), Hofrat, Rendant, 3gSchl 1812, 1814 Schatzm.; Eckardt, Johann Wilhelm (geb. 1780), Leutn., gSch 1810/1815; Eckardt, Karl Heinrich Viktor (geb. 1778), Bauinspektor, Assessor, Pilg 1809/1815; Eckardt, Karl Theodor (geb. 1751), Kaufmann, 3gSchl 1793/1814, 1803 Mr. Leseinstitut; Eckart, Johann Heinrich (geb. 1765), Kaufmann, Pilg 1793–1796; Eckel, Christian Friedrich (1745–1808/08), Kondukteur, Bauinspektor, Pilg 1780/1805; Eckenbrecher, Johann August v. (1743–1822; 1787 nob.), Generalmajor, Kommandeur, gSch 1774–1822, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Eggert, Gottfried Wilhelm (geb. 1790?), Medizinstudent, Pilg 1815/1816; Ehlert, Karl August (geb. 1765), Kaufmann, Widd 1793–1795; Eickstedt, Karl August Ludwig v. (geb. 1796), Leutn., gSch 1815; Eimbke, Georg Matthias (1744–1791), Zivilaktuar, 3gSchl 1774, Bst 1775–1778 u. 1779/1790; Einbrodt, Ernst Gottfried (geb. 1774), Feldjäger, 3gSchl 1814; Eiselen, Friedrich Georg (geb. 1765?), Hüttenfaktor, gPfl 1796/1814; Elitzsch, Johann Friedrich (1754– 1823), Geh. Kanzleidir., Pilg 1784–1823, 1804 Mr. Leseinstitut; Ende, Dietrich Karl Leo­pold Frhr. v. (1753–1813), Geh. Rat, Legationsrat, gPfl 1781/1792; Engel, Johann Friedrich (geb. 1765?), Kassenrendant, Widd 1804–1811; Engel, Karl August (geb. 1766), Kassenrendant, Widd 1795–1810; Engelhardt, Daniel Gotthard (geb. 1775?), Kaufmann, Bst 1814; Englert, Johann Georg, Kaufmann, Widd 1812/1815; Eschke, Ernst Adolf (1766–1811), Oberschulrat, Dir., Bst 1802/1810, 1804 Mr. Leseinstitut; Eunicke, Johann Friedrich (1764– 1844), königl. Sänger (Tenor), Schauspieler, Widd 1799/1820; Eyssenhardt, Christian Friedrich (1770–1829), Tressen­fabrikant, Widd 1800–1814, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Eytelwein, Johann Albert (1764/65–1849), Geh. Oberbaurat, Oberlandesbaudir., gSch 1790/ 1815; Fabe, Johann Gottlob Karl (geb. 1775), Leutn., Quartierm., Oberförster, Pilg 1810/ 379

5 Freimaurer-Logen

1815; Fademrecht, Nathanael Gabriel Gottlob (geb. 1777), Postsekr., Bst 1804/1814; Falkenberg, Christoph Friedrich (1733–1791), Oberproviantm., Bst 1779/1790; Falkenhausen, Ferdinand Ernst v. (geb. 1785), Rittm., gSch 1812; Fantauzzi, Karl Georg Wilhelm Franz (1768–1826), Kaufmann, Widd 1799/ 1815; Fäsch, Peter (1718–1793), Kupferstecher, E 1756, 3gSchl 1769, Peg 1771, 1778 Logenm., 1793; Feilner, Tobias Christoph (1773–1839), Töpferm., Ofenfabrikant, Widd 1801–1839; Felgentreu, Johann Christian (geb. 1772?), Justizkommissar, gPfl 1804/1814; Fenkohl, Karl Friedrich, Auditeur, Bst 1791/1794; Fiebig, Gottlieb Friedrich, Leutn., gPfl 1782/1796; Fiebig, Johann Friedrich Wilhelm v. (1755–1822; 1798 nob.), Major, gPfl 1780/1813; Flanß, August Ferdinand v. (1754–1804), Major, Gouverneur, gSch 1798– 1801, 1804 EM, 1801 Minerva in Potsdam; Fleckeisen, Karl Gottfried (geb. 1756), Buchhändler, Bst 1787–1788; Flemig, Johann Friedrich (1753?–1793), Regimentschir., gPfl 1778–1793; Flemming, Johann Christian (1761–1827), Geh. Registrator, Bst 1805– 1827; Flist, Samuel Friedrich (geb. 1778?), Pensionärchir., Bst 1813/1814; Foelsch, Christian Ludwig (1773–1814/15), Justizaktuar, Pilg 1810–1814; Förster, Johann Gottlieb (1770?– 1811), Hofrat, Peg 1804–1811; Franz, Johann Christian (1762–1812), königl. Kammersänger (Bass), Bst 1794/1801; Fresedy, Johann Matthias (1764–1813), Kaufmann, Widd 1805/ 1812; Freyschmidt, August Ferdinand Leopold (geb. 1779), Kaufmann, Bst 1804; Freytag, Karl David (geb. 1785), Sekondeleutn., gSch 1811/1815; Fridrichsen, Albrecht Peter (geb. 1780?), Weinhändler, Bst 1810/1814; Friedmann, Karl Moritz, Kaufmann, gPfl 1814; Friedrich, Joachim Gabriel (1760– 1808), Gold- u. Silberarbeiter, Peg 1803/1806; Friedrichs, Christian Gottfried (geb. 1762), Kaufmann, Bst 1785–1799, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Fritsche, Karl Christian (geb. 1764), Kaufmann, Pilg 1792/1800; Fromm, Gottlieb Friedrich Helmut (geb. 1774), Auditeur, Jus380

tizkommissar, Widd 1803–1817; Fuchs, John Heinrich Ludolph (geb. 1780), Konditor, Widd 1812/1815; Fuglert, Johann Georg, Kaufmann, Widd 1815; Gabain, George Abraham (1763– 1826), Seidenmanufakturunternehmer, Widd 1787–1826, 1802 Großzeremonienm., 1803/ 1804 Mr. Leseinstitut; Gaillard, Jean Charles Louis (1761–1829), Geh. Sekr., Peg 1789/1815; Gaillard, Pierre Frédéric (1754–1827), Zeichenm., Schulrat, Widd 1777–1827; Gall, Maria Karl (geb. 1783), Kaufmann, Pilg 1810/ 1814; Garten, Johann Ludwig Friedrich v. (1753–1802), Ingenieurkapt., Bst 1776/1801, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Gaudi, Ludwig Ernst Otto v. (geb. 1769), Leutn. a. D., Kriegsrat, Kassenrendant, gPfl 1792–1797; Gaum, Johann Georg Bernhard (geb. 1768), Kaufmann, Bst 1794/1814, 1803/1804 Mr. Lese­ institut; Geest, Karl Heinrich Leopold (geb. 1779), Kaufmann, Peg 1805–1845; Gehrke, Ernst Friedrich Leopold (1766–um 1830), Kriegsrat, Geh. exped. Sekr., Widd 1800, 1816–1840 abgeordneter Logenm.; Geier (Geyer), Siegmund Friedrich Wilhelm v. (1741–1788), Ingenieurkapt., Kartograph, Bst 1781/1786; Geiger, Ema­ nuel David (1754– 1786), Kaufmann, Widd 1778–1786; Geisler, Friedrich Wilhelm (geb. 1767?), Wassermäkler, Bst 1801/1805; Geiß, Johann Konrad (1771–1846), Juwelier, Stadtverordneter, Peg 1803/1821; George, Abel (gest. 1799/1800), Seehandlungsbuchhalter, gSch 1794/1795; George, Paul (1771–1813/14), Weinhändler, Peg 1804–1812; Georgi, Ernst Friedrich Leopold, Kreissekr., gPfl 1804/1810; Gerhard, Johann Friedrich Bernhard (geb. 1767?), Kaufmann, Wassermäkler, Bst 1814; Gerhard, Johann Karl Ludwig (1768–1835), Oberberghauptmann, Geh. Staatsrat, Vschw 1785, Zu den drei Kleeblättern in Aschersleben 1797, 3gSchl 1810/1813 abgeordneter Logenm.; Gericke, Karl Adolf (geb. 1788), Kaufmann, Widd 1813/1816; Gerloff, Wilhelm (1770– 1815), Kaufmann, Widd 1794–1815; Gern, Johann Georg (1757–1830), königl. Kammersänger, Schauspieler, Widd 1799/1817, 1803/

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

1804 Mr. Leseinstitut; Gerstenberg, Abel Bar- königl. Pensionärchir., Bst 1781/1791; Grätz, tholomäus (geb. 1783), Kaufmann, Widd Friedrich Wilhelm (geb. 1787), Kaufmann, 1813/1815; Geyger, Johann Ludwig (geb. Widd 1811/1815; Grave, Karl Ludwig (geb. 1777), Fabrikant, Peg 1806–1812; Gille, 1784), cand. theol., Bst 1805; Grawert, Hans Heinrich Christian (1760–1799), Kaufmann, Friedrich v. (1750–1803), Rittm. a. D., Postm., Bst 1791–1799, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Gil- 3gSchl 1776–1791; Grell, Otto (1773–1831), ly, David Friedrich (1748–1808), Geh. Ober- Geh. Registrator, ftl. Kammersänger, gPfl baurat, (Vize-)Dir., Zum Schild in Stargard 1802/1814, 1805 Musikgesellschaft; Greve, Jo1778/79, Zu den drei goldenen Ankern in Stet- hann, Kaufmann, gPfl 1784/1794; Griebel, tin 1783, 3gSchl 1789–1808?; Gilly, Friedrich Johann Gottlieb Heinrich (1771–1804?), OrDavid (1882–1800), Kondukteur, Inspektor, chestermusiker, Widd 1803/1815; Griesheim, 3gSchl 1792/1795 (bis 1800?); Glaser, Johann Karl Ferdinand v. (geb. 1765), Major, 3gSchl Karl (geb. 1771), Kassierer, 3gSchl 1806–1811; 1806/1814; Gröbenschütz, Johann Christian Gläser, Karl Heinrich (geb. 1786), Kaufmann, Friedrich (1765–1837), Orchestermusiker, Widd 1812/1815; Glöden, Karl Wilhelm v. Musikalienhändler, Widd 1796/1814; Grothe, (geb. 1750), Leutn. a. D., Salz­inspektor, Pilg Karl Ludwig Wilhelm (1769–1836), Kriegs1779–1785/1812; Glohr, Johann Georg (geb. u. Domänenrat, Widd 1798–1820; Grube, 1754), Lederhändler, Peg 1812/1815; Glumer, Karl Heinrich (1753–1820), Kriegsrat, ProFriedrich Konrad v. (geb. 1762), Premier- vinzial- u. Akziserendant, 3gSchl 1782–1787, leutn., gSch 1797/1811; Gobbin, Christian 1788–1814 EM; Grünblatt, Johann David Ludwig (geb. 1753), Kaufmann, 3gSchl 1787– (geb. 1763), Dr. med., Widd 1796–1809; 1809; Göbel, Johann Siegmund (geb. 1758), Grunenthal, Christian Gottfried (1753– Kauf- u. Handelsmann, Bst 1779/1790; Göl- 1822/23), Geh. Postsekr., Kalkulator, Bst be, Ernst Christoph (1777–1813), Kaufmann, 1794–1822, 1802 Mr. Leseinstitut (AusschussWidd 1804/1812; Gölbe, Friedrich Wilhelm mitglied); Grünewald, Heinrich Christoph (geb. 1768), Privatlehrer, 3gSchl 1798/1814, (geb. 1782), Kaufmann, Widd 1812/1815; 1803 Mr. Leseinstitut; Golendzio, Friedrich Grunwald, Karl (gest. 1812/13), Kaufmann, Ernst (geb. 1779), Gutsbesitzer, Pilg 1811/ gPfl 1811; Grunow, August Christian Wil1812; Gontard, Karl Friedrich Ludwig v. helm (1764–1831), cand. theol., Invaliden(1764–1839), Hauptmann, Platzmajor, gPfl hausprediger, gSch 1786/1793; Grunow, 1794–1839, 1803 Mr. Leseinstitut; Göpp, An- Gottlieb Jakob Karl (geb. 1786), Konditor, dreas (1773–1825), Lackierfabrikant, Bst Peg 1814/1815; Gruson, Jean Philippe (1768– 1803–1825; Görcke, Johann (1750–1822), 1857), Universitätsprof. für Math., Bst 1798/ Generalstabschir., Minerva in Potsdam 1780, 1810, 1803 Mr. Leseinstitut; Guiraud, Johann Pilg 1785, gSch 1789?–1822; Görcke (Gehrcke, Mathias, Leutn., Rechnungsführer, gPfl 1814; Gericke), Johann Ludwig (geb. 1764), Gullmann, Johann Jakob, Kaufmann, gPfl Oberchir., gSch 1798–1801; Göritz, Johann 1809/1810; Gumtau, Christian Ludwig (geb. Christian (geb. 1741), Regimentsquartierm., 1782), Amtmann, Peg 1815; Haas(e), August Widd 1782–1801; Görtzke, Friedrich v. (geb. Wilhelm (geb. 1764), Spediteur, Widd 1812/ 1757), Oberstleutn., gSch 1783–1794; Göt- 1815; Haas, Johann Friedrich (geb. 1743), ting, Elias Hermann Florenz (geb. 1748), Geh. Justizrat, Protonotar, 1772 Afrik. BauherrenloSekr., Widd 1802/1815; Gräfe, Karl Fried- ge, gSch 1774–1780, 1790/1815 u. 1817, 1794 rich (1752–1791/92), Geh. exped. Sekr., Pilg Mr. Lesegesellschaft; Haberkorn, Friedrich 1778/1789; Grape, August Sigismund v. (geb. Wilhelm (geb. 1766), Postm., gPfl 1804/1814; 1769), Stabskapt., Pilg 1795–1801; Graß­ Hagemann, Karl Friedrich (1774–1806), Bildmeyer, Paul Friedrich Hermann (geb. 1756), hauer, Widd 1804/1805; Hagen, Ernst Ferdi381

5 Freimaurer-Logen

nand Gottfried (geb. 1773?), Geh. exped. Sekr., gPfl 1795, Bst 1796/1811, gPfl 1809/ 1813; Hagen, Karl Friedrich (geb. 1769), Musikinstrumentenbauer, Peg 1806, gPfl 1809/1814; Hägermann, Johann Karl Ludwig (geb. 1779), Kaufmann, Widd 1811/1814, Hahn, Karl Ludwig v. (1755–1835), Kapt., Bst 1779–1835, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Hanisch, Karl Christian Samuel (1777–1824), Administrator, Gutsbesitzer, Pilg 1802–1824; Hänlein, Konrad Sigismund Karl (1760– 1819; 1814 v.), Geh. Regierungsrat, Gesandter, Bst 1795/1814; Hans, August Ferdinand v. (geb. 1755), Major a. D., Bst 1798; Hansmann, August Heinrich Leopold (geb. 1776), Kantor, Musikdir., Widd 1815; Hartmann, Johann Christoph Traugott v., Leutn., gPfl 1782–1797; Hausbrand, Johann Gottfried Julius, Kreisphysikus, gPfl 1814; Heege, Karl Gottlieb (gest. 1810/11), Buchhalter, gPfl 1810; Hegener, Karl Gottlob August (geb. 1763), Buchhalter, Peg 1803–1821; Hegewaldt, Johann David (geb. 1773), Hauptrendant, gSch 1809/1815; Hegewaldt, Karl Heinrich (geb. 1771), Geh. Sekr., 3gSchl 1805–1833; Heidebrandt, Karl Franz v. (geb. 1748), Kapt., gSch 1783/1795; Heidemann, August Wilhelm (1773–1813), Prof. d. Rechte, Oberbürgerm. in Königsberg/Pr., gPfl 1802–1805; Heidemann, Joachim Karl (geb. 1765), Auditeur, Bst 1793/1801; Heidenreich, Friedrich Theodor (geb. 1770), Kapt. v. d. Armee, gSch 1795/1810; Heinecke, Karl Samuel Jakob (1775–1823), Garnisonschulrektor, Prediger, 3gSchl 1803–1810, Reden:

nuel Gf. (1785–1876), Rittm., Brigadeadj., Pilg 1809/1815; Henckel v. Donnersmarck, Wilhelm Ludwig Viktor Gf. (1775–1849), Major, Flügeladj., Bst 1798–1816 u. 1834– 1849, 1813/1814 Logenm., 1838–1841 u. 1842/43 Landesgroßm.; Henne, Johann Heinrich August (1751–1816), Buchhalter, Widd 1779–1816, 1801–1806 Großsekr., 1811–1816 deput. M., 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Henning, Karl Wilhelm (geb. 1784), königl. Musiker, Opernkomponist, Widd 1809/1815; Henning, Michael (1764?–1808/09), Kaufmann, gPfl 1795/1805; Herr, Georg Benjamin (geb. 1755), Kaufmann, Pilg 1780–1812; Herrmann, Johann Christian Ferdinand (1772– 1818), Stadt- u. Justizsekr., Pilg 1798/1815; Herrmann, Johann Friedrich (geb. 1773), Polizeiassessor, gSch 1802/1815; Herrmann, Johann Heinrich v. (geb. 1762), Stabskapt., gSch 1801/1812; Herrmann, Johann Karl Gottlieb (1771–1809), Eskadronchir., gSch 1802/1804; Hertzberg, Friedrich Wilhelm v. (1768–1844), Major, Traindir., gSch 1796, 1825–1828 abgeordneter Logenm.; Heyden, Friedrich August v. (1789–1851), Dr. phil., Regierungsreferendar, Schriftsteller, 3gSchl 1815; Heyden, Samuel Gottlieb (geb. 1763?), Premierleutn., gSch 1800/1815; Heyfelder, Paulus Andreas Gottlob (geb. 1757), Kaufmann, Widd 1791–1809, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Heymert, Johann Gottlieb (1756– 1809), Bergkommissar, Buchhalter, 3gSchl 1777/1805; Hillberg, Johannes (geb. 1750), Kaufmann, Widd 1779–1784; Hillmann, Moritz (geb. 1787), Kaufmann, Widd 1814/1815; Über den Zweck des Ordens und der Menschheit Hirsekorn, August Friedrich Ferdinand, überhaupt (1805); Über Fortschritte der Bildung Kaufmann, gPfl 1806/1814; Hoffmann, Anddes Menschengeschlechts mit Rücksicht auf die reas (1769–1804/05), Kaufmann, Bst 1793/ wichtigen Momente der Zeit und deren Rückwir- 1804; Hoffmann, Anton Albrecht Friedrich, kung (1806); Heitmann, Gottlieb Ludwig Kaufmann, Widd 1812/1815; Hoffmann, (1767–1836), Kaufmann (Posamentierm.?), Pilg Georg Ludwig (1759–1795), Hofgerichtskir1793/1815; Hellwig, Johann Karl Ludwig (geb. chenprediger, Bst 1782–1795; Hoffmann, Jo1778?), Justizkommissar, gPfl 1804/1814; hann Friedrich (1755–1803), Geh. Sekr., Pilg Henckel v. Donnersmarck, Georg Gf. (geb. 1799/1803; Hoffmeister, Ernst Ludwig (geb. 1774?), Rittm., Bst 1798/1806; Henckel v. 1774), Leutn., gSch 1802/1812; HohenhauDonnersmarck, Lazarus Adolf Aloisius Ema- sen und Hochhaus, Sylvius Franz Xaver Frhr. 382

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

v. (1742?–1804), Leutn., Adj., gSch 1774, FlSt 1775–1804; Hohenstädt, Friedrich Ludwig Eberhard v. (1757–1805/06), Oberst, Pilg 1778/1805; Höhler, Johann Gottfried (1744– 1812), Töpferm., Zuckerformen-, Ofenfabrikant, gSch 1774, Widd 1776–1812, 1788– 1805 Großschatzm.,1803/1804 Mr. Leseinstitut; Höhler, Johann Gottlob (1756–1805), Geh. Sekr., Rendant, Widd 1778, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Hollfelder, Johann Heinrich Wilhelm (geb. 1789), Kommerzienrat, Kaufmann, Widd 1814/1816; Holland, Johann Moritz (geb. 1765), Rendant, Widd 1795– 1806/1813; Holländer, Christoph (geb. 1783), Jurastudent, Bst 1805; Holthof, Johann Wilhelm (1776–1846), Polizeidir., Pilg 1804/1815; Holzschuh, Johann Georg (1772–1810/11), Kaufmann, 3gSchl 1797/1810; Höning, Peter Jakob, Kaufmann, gPfl 1803–1810; Höpfner, Eduard Heinrich (geb. 1790), Dr. med. et chir., Stabsarzt, Pilg 1815/1816; Höpfner, August Gotthilf (1747–1807), Major, Widd 1776/1806, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Hoppe, Christoph August Friedrich (1774–1827), Bauinspektor, Assessor, Pilg 1800/1815; Horch, Johann Gottfried (geb. 1768), Kaufmann, Widd 1812/1815; Höwecker, Karl Friedrich (geb. 1765), Eskadronchir., Stadtchir., 3gSchl 1806/ 1814; Hübner, Christian Friedrich (1770– 1813/14), Dr. med., Bst 1794/1813; Hübner, Friedrich Ludwig (geb. 1785?), Oberarzt, Bst 1814; Hülsen, Christian Ludwig (1779–1857), Prediger, gPfl 1809/1814; Hülsen, Karl v. (geb. 1785), Stabskapt., gSch 1812/1815; Humbert, Charles Jerémie de (geb. 1769), Leutn., Bst 1798–1801; Humbert, Karl Daniel (geb. 1779), Kaufmann, Peg 1809/1815; Hummel, Johann Julius (1728–1798), Kommerzienrat, Notenstecher, Musikverleger, Bst 1777/1795; Hunn, Josef (1761–1808/09), Hofinstrumentenbauer, Bst 1795/1806, 1803/1804 Mr. Lese­institut; Hüser, Heinrich Christoph Ernst v. (1741–1821), Oberst, Kommandeur, 1772 FlSt (Afrik. Bauherrenloge), gSch 1774–1789 u. 1794?/1815, 1791–1793 Logenm., 1802– 1806 2. Großaufs., 1794 Mr. Lesegesellschaft,

1802 Mr. Leseinstitut; Hüser, Johann Christian Ludwig v. (geb. 1789), Premierleutn., gSch 1815; Hüser, Johann Eberhard v. (geb. 1750), Kapt., gSch 1774, Bst 1775–1810; Hüser, Johann Hans Heinrich Gustav v. (geb. 1782), Stabskapt., gSch 1809/1815; Iden (Jelen), Friedrich Ludwig (geb. 1764?), Landschaftsmaler, Lithograph, 3gSchl 1792/1814; Ivernois, François de (geb. 1789), Premierleutn., Peg 1815; Jäck, Karl (1763–1808), Geograph. Kupferstecher, gPfl 1795/1810, 1803 Mr. Lese­ institut; Jacob, Ludwig (1753–1814), Kaufmann, Peg 1780/1814, 1806 substit. Großschatzm., 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. Leseinstitut; Jacobi, August Friedrich (geb. 1777), Kaufmann, Pilg 1801/1806; Jacobi, Johann Heinrich Friedrich (geb. 1759), Kaufmann, Widd 1791/1815; Jahn, Karl Wilhelm (1773–1813/14), Geh. exped. Sekr., Pilg 1811/ 1812; Janson, August Philipp Alexander (geb. 1783), Premierleutn., Brigadeadj., gSch 1814/ 1815; Jeanneret, François Denis Bar. de (geb. 1751), Kapt., Gouverneur, Peg 1778/1812; Jensch (Jentsch?), Johann Jakob, Justizrat, 3gSchl 1813; Jordan, Johann Georg Gottfried Wilhelm v. (1776–1841), kurbayer. Rittm., gPfl 1797/1801; Jordan, Paul (1740–1798), Kaufmann, Peg 1776/1793; Jüngken, Justus Phi­lipp (1746–1786), Administrator, Bst 1776/1785; Kalinowski, Joseph Gf. v. (geb. 1780), Ritter d. Malteserordens, Widd 1806/1812; Kallasch, Karl Gottlob (1759–1802/03), Buchhalter, Bst 1787/1801, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Kampe, August Friedrich Daniel v. (geb. 1784), Leutn., Generaladj., gSch 1813/ 1815; Kamptz, Adolf Ch. August v. (1763?– 1809?), Kapt. im Generalstab, 3gSchl 1792/ 1805; Karger, Franz Karl Josef v. (1773–1827), Major, Peg 1810/1814; Karger, Friedrich Franz v. (geb. 1774), Forstrat, Widd 1804– 1818; Katte, Otto Aemilius Hermann v. (1771–1822), Rittm., Bst 1797/1810, 1803 Mr. Leseinstitut; Keber, Karl Adolf (1746– 1815), Materialist, 3gSchl 1781, 1813/1814 EM; Keibel, Christian Heinrich (geb. 1760?), Weinhändler, gPfl 1795/1814; Keibel, Gott383

5 Freimaurer-Logen

hilf Benjamin (geb. 1771), Ingenieurkapt., hann Christian Friedrich v. (1745–1789), PregPfl 1799–1810; Keilberg, Johann Christian mierleutn., 3gSchl 1773, gPfl 1776, 1780–1785 (1746–1788), Kaufmann, Bst 1783–1788; deput. M., 1785–1789 Logenm.; Knebel, JoKeilberg, Johann Gottlieb (1740–1798), hann Friedrich Wilhelm v. (1750–1823), Buchhalter, 3gSchl 1779–1798; Kellner, Gott- Oberst, Kommandeur, Peg 1773–1823, 1784– hilf Friedrich (geb. 1749), Hutfabrikant, 1773 1786/1789 deput. M., 1805 Großzeremo­ TolL, gSch 1791/1815, 1794 Mr. Lesegesell- nienm.; Knobelsdorff, Heinrich Alexander schaft; Keyling, Gottlieb August (1755–1829), Karl Frhr. v. (1764–1810), Major, Dir., 3gSchl Kaufmann, Gutsbesitzer, Widd 1783–1797; 1791/1805, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Knoe­ Kiekebusch, Christian Ludwig (geb. 1769), nagel, August Heinrich (geb. 1782), PolizeiKaufmann, Bst 1797/1814, 1803/1804 Mr. bürgerm., Pilg 1810/1815; Knorre, Johann Leseinstitut; Kienitz, Friedrich v., Leutn. a. D., Friedrich Andreas (1763–1841), Porträt- u. Postm., Pilg 1776/1801; Kienitz, Friedrich Historienmaler, Prof., Dir., 3gSchl 1792– Wilhelm v., Diplomatiker, Peg 1815; Kienitz, 1810; Koch, Ferdinand Heinrich Gottlob Ludwig Karl (geb. 1772), Baukondukteur, (geb. 1781), Oberamtmann, 3gSchl 1809/ Pilg 1796/1800; Kimpfel, Johann Christoph 1814; Koch, Johann Ernst (1758–1802), Geh. (1750–1805), Porträt- u. Historienmaler, Pilg Oberfinanz-, Kriegs- u. Domänenrat, Bst 1795/ 1792/1805, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Kinder- 1802; Koch, Ludwig Eduard (geb. 1786), ling, Johann Friedrich (1775–1827), Schul- Kammergerichtsreferendar, Peg 1814/1815; rektor, Brigadeprediger, Bst 1798/1814; Kin- Köhne, Adolf Friedrich (1725–1794), Buchdermann, Christoph Friedrich (1771–1812), halter, 3gSchl 1780–1794; Köhne, Karl BernKaufmann, Widd 1803–1812; Kirchhoff, Jo- hard Wilhelm (1789–1860), Geh. exped. Sekr., hann Wilhelm (geb. 1772), Baukondukteur, Bst 1813/1814; Kolbe, Johann Gottfried WilWidd 1796–1800/1813; Klage, Johann Karl helm (1752–1827), Geh. Kriegsrat, Seehand(geb. 1785), Musiklehrer, gSch 1811/1815; lungsdir., Peg 1778/1815; Kolbe, Johann Karl Klapperbein, David Friedrich (1772–1809?), (1762–1831), königl. Kammermusiker, Pilg Premierleutn., Adj., gSch 1798/1805; Klein, 1804/1815; Kolbe, Karl Wilhelm Heinrich, Johann Gottlieb (1777–1856), Kammerge- Stadtgerichtsassessor, gPfl 1813/1814; Köllrichtsreferendar, Stadtrat, Widd 1806, 1828– ner, Franz Gottfried, Rendant, gPfl 1814; 1851 Logenm.; Kleist, Friedrich Anton Jo- Könen, Georg Friedrich Karl v. (1781–1818), seph (1776–1822/23), Geh. exped. Sekr., gPfl Kammergerichtsassessor, gSch 1811/1815; 1804–1822/23; Kleist v. Nollendorf, Fried- Könen, Ludwig Ernst v. (1770–1753), Dr. rich Ferdinand Gf. (1762–1823), Quartier- med., Obermedizinal- u. Sanitätsrat, Stadtmeisterleutn., Feldmarschall, Pilg 1790–1823; physikus, gSch 1798/1812; König, Friedrich Klischnigge, Christian Friedrich (geb. 1765), Wilhelm, Kaufmann, Widd 1815; König, Karl Geh. exped. Sekr., Bst 1789–1795, FlSt 1796; Detloff (geb. 1784), Kaufmann, Widd 1813/ Klitzing, Johann Christian Heinrich (geb. 1815; Könitzer, Ernst Friedrich August 1751), Kaufmann, Widd 1782–1801; Kluge, (1767–1816), Hofrat, Regierungsassessor, Pilg Johann Daniel (1739–1797), Geh. Kriegsrat, 1806/1815; Korff genannt Schmiesing, Geh. Etatssekr., 3gSchl 1776/1795 (bis 1797?); Ewald Engelbrecht Heinrich v. (geb. 1764), Knape, Christoph (1747–1831), Dr. med., Sekondeleutn., gSch 1788/1795; Kosbow, JoObermedizinal- u. Sanitätsrat, Prof. phil., hann Joachim (geb. 1767), Ratmann, Amtsakmed., chir., 3gSchl 1779/1814, 1790 1. Groß- tuar, Pilg 1812/1815; Kosmann (Cosmann), aufs., 1794 Mr. Lesegesellschaft; Knauff, Jo- Johann Wilhelm Andreas (1761–1804), Gouhann Ludwig (geb. 1763?), Kriegsrat, Geh. verneur, Prof., Kammerassessor, Pilg 1793/ exped. Sekr., gSch 1804/1812; Knebel, Jo- 1803, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Kraegelius, 384

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

David Heinrich Siegmund (geb. 1755), Kaufmann, Pilg 1784/1786; Kraewel, Christian Friedrich David v. (1776–1841), Regimentsquartierm., gSch 1806–1833; Krause, Karl Friedrich, Hauptmann, Pilg 1815/1816; Krausemann, Christian Friedrich Wilhelm (geb. 1749), Deichsekr., Rendant, Widd 1803– 1809; Kriebel, Daniel Gottlob, Stabsarzt, Pilg 1815/1816; Krigar, Johann Friedrich (geb. 1773), Hüttenfaktor, Pilg 1805/1815; Krohn, Johann Friedrich v. (geb. 1774 [1760–1834]?), Major, Kommandeur, Pilg 1810/1815; Krüger, August Alexander Anton (1746–1801), Kassierer, gSch 1777–1801; Krüger, Johann Heinrich Wilhelm (geb. 1757), Justizbürgerm., Bst 1784/1801; Krüger, Johann Konrad (1733–1791), Porträtmaler, Prof., Prorektor, gSch 1774–1791, 1782–1788/89 2. Großaufs.; Kruthoff, Franz Heinrich (geb. 1781), Kaufmann, Widd 1809/1815; Kufahl, Friedrich Theodor (geb. 1773?), Expedient, gPfl 1794/1814, 1803 Mr. Leseinstitut; Kühn, Johann Gottlieb (1734–1807), Hofbuchdrucker, Widd 1784–1797; Kühn, Karl August Heinrich (geb. 1782), Kaufmann, Widd 1809/1815; Kühnemann, Friedrich Wilhelm (gest. 1822/23), Bürgerm., gPfl 1805–1822/23; Kuhnert, Johann Friedrich (1766–1829), Kaufmann, Widd 1795/1815; Kunsemüller, Friedrich Wilhelm (1760–1809/10), Dr. med., Widd 1797/1806; Kypcke, Franz Wilhelm (1770– 1803), Bauinspektor, 3gSchl 1795–1802; Kypcke, Johann Christoph (1764–1799), Geh. Archivar, 3gSchl 1790/1795; Labadie, André (geb. 1731), Holzschnitzer, 3gSchl 1770–1791, 1788 TolL; Lackmann, Karl Heinrich (geb. 1778), Hofpostsekr., Widd 1810/1815; Langen, Friedrich Wilhelm v. (geb. 1772), Kapt. a. D., gPfl 1804/1805; Langen, Johann Ludwig Gottlieb v. (geb. 1778), Premierleutn., Pilg 1809/1815; Lanz, Joseph Laurentius Martin (1745–1798), Schauspieler, Theaterinspektor, Bst 1784/1795, 1794 Mr. Lesegesellschaft; La Roche, Georg Karl Frank genannt (1766–1839), Oberbergrat, Kommissar, 1786 3Ser, 3gSchl 1804/1814; Latelle, Anton

Wilhelm (geb. 1765), Gymnasialprof., Widd 1797–1811; Laube, Johann Michael (1742– 1823/24), Generalchir., 3gSchl 1799–1824; Laur, Jakob Ludwig Ernst (geb. 1765), Kaufmann, 3gSchl 1792/1814; Lauterbach, David Ludwig, Hofm., gPfl 1778/1783; Lautier, Charles Pierre (1730–1806), Galanteriewarenhändler, Peg 1775–1783; Lautier, François, Juwelier, Peg 1776, Widd 1776–vor 1785; Lehmann, Gustav Friedrich (1743–1817), Oberst, Bst 1775/1814; Lehmann, Johann Friedrich Samuel (geb. 1783), Bierbrauereibesitzer, Peg 1811/1815; Lehmann, Johann Gottlieb (geb. 1765), Regimentschir., Pilg 1802/1815; Lehmann, Karl (1752–1810/11), General- u. Regimentschir., Bst 1779 u. 1785/1809, 1793 u. 1803 Mr. Leseinstitut; Lehmann, Karl Friedrich Heinrich (1765– 1819), Regimentschir., Kastellan, Pilg 1799/ 1815; Lehmann, Karl Wilhelm (1764–1845), königl. Musiker, Pilg 1803/1815; Lehnhardt, Gottfried Heinrich Wilhelm (geb. 1761), Justizaktuar, gSch 1797/1815, 1802 Mr. Leseinstitut; Leithold, Karl Friedrich Andreas v. (1769–1819), Premierkapt., Pilg 1799–1802 u. 1804–1819, 1814/1815 deput. Logenm.; Lengnich, Johann Christian Wilhelm (gest. 1804/05), Hofrat, Registrator, gPfl 1801– 1804, 1803 Mr. Leseinstitut (engerer Ausschuss); Lentken, Johann Christian Wilhelm v. (1735–1808), Generalmajor, Regimentschef, gSch 1776/1802; Lentken, Johann Daniel Siegfried Friedrich v. (1742–1812), Oberstleutn. v. d. Armee, gSch 1776/1805, Pilg 1776/1812, 1789–1790 deput. M., 1804 Mr. Leseinstitut; Lentz, Christian Friedrich, Hauptkriegskommissar, 1792–1793 3gSchl; Leon, Jacques André, Geh. Seehandlungssekr., gPfl 1811/1814; Lepel, Ernst Gotthard v. (1746–1820), Major, gSch 1776, Pilg 1776– 1797, 1797–1812, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Lepel, Felix Ludwig Idam v. (1750–1834), Major, Kommandeur, gSch 1776, gPfl 1776/ 1814, 1788 1. Großaufs., 1794–1798 2. Großaufs.; Lepel, Friedrich v. (geb. 1753), Hauptmann a. D., Postm., 3gSch 1776, Pilg 1776– 385

5 Freimaurer-Logen

1811; Le Plat, Georg Friedrich (geb. 1768), Weinhändler, Widd 1803–1810; L’Estocq, Anton Wilhelm v. (1738–1815), Oberst, Regimentschef, gSch 1784/1812, 1810 EM; L’Hiver, Friedrich Wilhelm (geb. 1774), Exped. Sekr., Exekutionsdir., Widd 1815/1816; Liebich, Johann Gottfried (geb. 1767?), Kaufmann, gPfl 1804/1814; Liebrecht, Johann Ernst Gustav (geb. 1767), Gouverneur, Prof. für dt. Sprache, 3gSchl 1791/1814, 1803 Mr. Leseinstitut; Lietzmann, Karl Heinrich Bernhard (geb. 1767), Geh. exped. Sekr., gSch 1792/1812; Lindecke, August Gottlob (geb. 1776), Dr. med., Bst 1796/1804; Lindecke, Christian Friedrich (geb. 1766), Kaufmann, Bst 1801/1810; Linder, Heinrich Friedrich (1772–1804/05), Hofm., gSch 1801/1804; Lindthorst, Joachim Wilhelm (geb. 1777), Kammersekr., 3gSchl 1803–1811; Lindthorst, Johann Otto (geb. 1747), Oberhofbaugerichtsrat, Bst 1782–1803, 1794 Mr. Lesegesellschaft (Ausschussmitglied), 1803 Mr. Leseinstitut (Ausschussmitglied); Lobedan, Heinrich Wilhelm (geb. 1788), Stadtgerichtsreferendar, Peg 1815; Löffler, Johann August (1751– 1837), Kaufmann, Pilg 1784–1837, bis 1803 Mr. Leseinstitut; Löffler, Johann Konrad (1752?–1812/13), Inspektor, gPfl 1797/1814, 1803 Mr. Leseinstitut; Löffler, Karl Theodor (geb. 1789), Kaufmann, Ratskämmerer, Pilg 1814/1815; Lohausen, Friedrich Wilhelm Ludwig genannt v. Kalkhun (geb. 1776), franz. Oberstleutn., 3gSchl 1812/1813; Lohbeck, Theodor August v., Rittm., gSch 1797/1815; Lohmeyer, Johann Karl Jakob (geb. 1777), Dr. med., Pilg 1806/1815; Loos, Daniel Friedrich Moritz (1735–1819), Hofmedailleur, Münzwardein, 3gSchl 1773, gPfl 1774/1814, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. Leseinstitut; Loos, Friedrich Wilhelm (1766–nach 1819), Hofmedailleur, gPfl 1793–1810, 1803 Mr. Leseinstitut; Loos, Gottfried Bernhard (1773– 1843), Münzrat, Generalmünzwardein, gPfl 1792–1843?, 1803 Mr. Leseinstitut (engerer Ausschuss, Schatzmeister), 1805 2. Vorst. d. Musikgesellschaft; Loos, Karl Friedrich v. (geb. 386

1772), Kapt., Ingenieur vom Platz, gSch 1803/1815; Loeper, Friedrich Wilhelm August (geb. 1789), Kammergerichtsreferendar, Peg 1815; Lücke, Johann Christian Friedrich (1752–1800/01), Seidenappreteur, Bst 1785– 1800, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Lüderitz, Ernst August Konstantin v. (geb. 1758), Kapt. v. d. Armee, Servisrendant, gSch 1804/1805; Ludwig Karl Friedrich Pz. von SachsenCoburg-Saalfeld (1755–1806), Premierkapt., Bst 1776/1810; Luhmann, Adolf Friedrich (gest. 1795), Kaufmann, gPfl 1782–1795, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Luther, Johann Friedrich Ludwig (geb. 1784), Kammerreferendar, Widd 1815; Lutter, Johann Christoph (geb. 1783), Weinhändler, Pilg 1812/1815; Lycken, Adam Ernst Dettlef v. (geb. 1773), Leutn. a. D., Landkavalier, gSch 1796/1815; Maederjan, Ernst Wilhelm Christoph v. (1755–1800), Leutn., Proviantm., Widd 1785/1795; Magenhöfer, Johann Friedrich (geb. 1772), Leutn., gSch 1806/1823; Malschitzky, Christian Ernst v. (1750–1835), Oberst, Dir., Peg 1775, 1796–1797 u. 1802–1805 deput. M., 1806–1826 Logenm.,1803 Mr. Leseinstitut; Maltzahn, Gustav Friedrich Karl (Frhr.) v. (1776–1813), Major, Regimentskommandeur, gSch 1804–1813; Mandel, August Ferdinand (geb. 1771), Oberhofbauinspektor, Bauakademielehrer, gSch 1792/1813, 1802 Mr. Lese­ insti­tut, Mitgl. d. Bibliotheksausschusses; Manz (-tz), Gottfried (1755?–1812), Kaufmann, 1775 RY, Peg 1775/76, Widd 1776; Marchand, August (geb. 1787), Chir., Pilg 1812/ 1815; Marconnay, Chrétien Louis de (gest. 1805), Oberst, 3gSchl 1771, Peg 1802–1805 Logenm.; Maré, Jean-Charles (geb. 1773), geograph. Kupferstecher, Prof., Pilg 1811/1815; Maréchaux (Marecheaux), Charles, Graveur, 3gSchl 1770, Peg 1771–1783; Marquard, Georg, Kammermusiker, gPfl 1795/1797; Marquard, Heinrich Jakob Friedrich (geb. 1778), Privatlehrer, Peg 1812/1815; Marsch, Johann Ernst Gottfried (geb. 1759), Kapt., gSch 1791/1812, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Martini, Karl Georg (gest. 1830?), Stadtgerichtsaktuar,

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

gSch 1794–1800?; Marx, Friedrich Immanuel (1762–1826), Orgelbauer, gPfl 1802/1804; Mating, Karl Gottlob (geb. 1769), Sekr., Bst 1799/1810; Matke, Friedrich Wilhelm (1743–1818), Major, gSch 1776, gPfl 1776– 1790 u. 1815; Mattausch, Franz Joseph (1768–1833), Schauspieler, Bst 1793/1814, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Matthes, Johann Wilhelm, pzl. Kammermusiker (Violinist), Kapellm., gPfl 1777/1792; Matthias, Friedrich August (1743–1809), Oberrechnungsrat, gPfl 1799–1803, 1803 Mr. Leseinstitut; Matthias, Karl Gottlieb, Leutn., gPfl 1781/1797; Matthieu, Daniel, Apotheker Schweizer Apotheke, Hofrat, Peg 1777–1784, RY 1784; Mebes, Johann Gottfried (1740–1796), Leutn., gSch 1793/1795; Meinhold, Johann Friedrich (geb. 1752), Kaufmann, Widd 1781– 1801; Meißner, Karl Leopold, Physikus, gPfl 1814; Meister, Johann Christian Friedrich (geb. 1756), Prof. beider Rechte, Bst 1777/ 1794; Mentz (Manz), Johann Christian Ferdinand (geb. 1774), Kontrolldir., Geh. Oberrechnungsrat, gPfl 1796/1814; Métivier, Philippe Jean (1745–1784), Kaufmann, Peg 1777/1781; Metzel, Ernst Friedrich (geb. 1772), Seidenfabrikant, 3gSchl 1798–1801; Metzel, Wilhelm Heinrich (geb. 1745), Seidenfabrikant, 3gSchl 1776–1801; Meudtner, Otto Philipp (geb. 1789?), Kaufmann, Bst 1814; Meuron, Charles Daniel Comte de, königl. Kammerherr, Colonel, Peg 1789/1793 EM; Mewes, Johann Christian (geb. 1765), Hauptbuchhalter, 3gSchl 1804–1833; Mey­ brink, Johann Theodor (1754?–1808/09), Kassierer, gPfl 1797/1805, 1803 Mr. Leseinstitut; Meyen, Maximilian Alexander (1762– 1827), Kriegsrat, Proviantm., gSch 1802– 1827; Meyer, Friedrich Wilhelm (geb. 1777?), Kupferstecher, Ökonomieinspektor, Bst 1811/ 1814; Meyer, Johann Martin Daniel (geb. 1769), Oberbergamtsassessor, Pilg 1814/1815; Michaelis, August Ferdinand v., Leutn., gPfl 1813/1814; Michaelis, Ernst (geb. 1787), Rendant, Peg 1813/1815; Michaelis, Friedrich Wilhelm Ludwig (geb. 1784), Kaufmann,

Pilg 1811/1815; Michaelis, Karl Georg Heinrich (1752–1812), Hof- u. Domprediger, Kirchenrat, 3gSchl 1776, gPfl 1776–1778, 1779 Großredner, Peg 1776 u. 1803–1812; Michalski, Stanislaus v. (geb. 1770?), Kammerrat, Geh. exped. Sekr., gPfl 1802/1809; Mieg, Matthias (geb. 1753), Kaufmann, Peg 1775/ 1793; Miethmann, Karl Friedrich (geb. 1756), Buchhalter, Widd 1780–1801; Miltitz, Phi­ lipp Sigismund v. (1732–1799), Dir., 3gSchl 1769/1794; Minter, Karl Friedrich (1780– 1847), Miniatur- u. Porträtmaler, Lithograph, Pilg 1811/1815; Mohr, August Gottlob Wilhelm (geb. 1773), Armenchir., Inspektor, gSch 1809/1815; Möllendorff, Karl Wilhelm Friedrich Titus v. (1761–1799), Landkavalier, gSch 1797/1798; Moltke, Friedrich Philipp Viktor v. (1768–1845), Leutn., gPfl 1793/1796; Moritz, Karl Philipp (1756–1793), Hofrat, Prof., Schriftsteller, Bst 1779–1793, Reden: Des Maurergesellen Wanderschaft; Die Stufen des Gesellengrades; Die Symbole der Maurerei; Des Lehrlings Weihe; Moser, Johann Friedrich (geb. 1771), Bauinspektor, Pilg 1801/1815; Moser, Johann Georg (1761–1818), Oberhofbaurat, Stadtrat, Pilg 1786/1815, 1804 Mr. Leseinstitut; Most, Karl Gottlieb David (geb. 1785), Kaufmann, gSch 1813/1815; Moutier, François de Vaux du, Offizier, Peg 1775/1793; Movius, Johann Georg Heinrich (geb. 1767), Amtmann, Bst 1793/1810; Mozilewski genannt Bandow, Georg Friedrich (geb. 1775?), Dr. med., gPfl 1804/1814; Mügge, August Friedrich (1759–1829), Kriegsrat, Geh. exped. Sekr., gSch 1801–1829, 1802 Mr. Lese­ institut; Müller, Christian Ludwig August Wilhelm (geb. 1761), Oberamtmann, 3gSchl 1783/1814; Müller, Ferdinand (1770–1850), Prediger, 3gSchl 1799/1814; Müller, Ferdinand Wilhelm (geb. 1754), königl. Kammermusiker, Peg 1778–1786, 3Ser 1786; Müller, Gottfried Ernst Andreas (1748–1815), Landrentm., Assessor, 3gSchl 1775, 1780–1788 u. 1799–1801 Großsekr., 1784–1815 Logenm., 1789–1799 u. 1814/1815 deput. Landesgroßm., 1815 Ordensgroßm., 1794 Mr. Lese387

5 Freimaurer-Logen

gesellschaft, 1803 Mr. Leseinstitut; Müller, Heinrich Ludwig (geb. 1780), Lederfabrikant, Pilg 1809/1815; Müller, Ludwig Wilhelm, Justizrat, gPfl 1799/1802; Müller, Ludwig Wilhelm (geb. 1762?), Kaufmann, gPfl 1805; Müller, Peter Gottlieb (1776–1804), Landschaftsmaler, Widd 1794/1804; Münchow, v., Kapt., gSch 1796/1805; Mundt, Christian Ludwig (geb. 1745), Buchhalter, Bst 1789/ 1795; Mundt, Karl Friedrich Daniel (1735– 1811), Miniaturmaler, Bst 1775/1810, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Nagel, Johann Daniel Ludwig (geb. 1773?), Hüttenschreiber, Kon­ trolleur, gPfl 1801/1809; Nagel, Johann Martin, Kaufmann, 3gSchl 1795–1798; Nachtigall, Christian Friedrich (1748–1810), Kriegsrat, Administrator, Geh. Kabinettssekr., gSch 1796–1801; Natzmer, Friedrich Karl Heinrich v. (geb. 1769), Premierleutn., Bst 1795– 1810; Neander v. Petersheiden, Joachim Friedrich Wilhelm v. (1743–1817; 1801 nob.), Oberst, Assessor, Inspekteur, Kommandant, gSch 1774–1817, 1776–1790 deput. M., 1781/ 1782 Großzeremonienm., 1790–1809 Logenm., 1791–1793/94 1. Großaufs., 1802 Mr. Leseinstitut, 1806–1814 abgeordneter Landesgroßm., 1814–1817 Landesgroßm., 1815– 1817 Ordensm.; Neander v. Petersheiden, Karl Gottlieb (1762–1842), Kapt., Kommandeur, gSch 1795/1812; Neubauer, Johann Karl Konrad (geb. 1784), Geh. exped. Sekr., Kalkulator, 3gSchl 1814; Neubauer, Konrad Friedrich (geb. 1787), Kalkulator, 3gSchl 1815; Neuendorff, Johann Friedrich (1766– 1831), Proviantm., Widd 1803–1811; Neumann, Johann Christian (1739–1805), Hof- u. Bankcourtier, gSch 1774, 1801 Großstew.; Neumann, Johann Gottlob Emanuel (1776– 1816), ehemal. Getreidehändler, Partikulier, Widd 1805–1815/16; Neumann, Johann Philipp (1747–1821?), Regimentsfeldscher, Bst 1777–1781; Neumann, Karl Heinrich (geb. 1781), Kammerkondukteur, 3gSchl 1809; Neumann, Ludwig Wilhelm (1762–1847), Stadtrichter, Justizrat, gPfl 1795/1814, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1802 Mr. Leseinstitut; 388

Neumann, Tobias Lorenz (geb. 1764), Kaufmann, Widd 1806/1815; Nicolas, Jean (1773– 1818), Peg 1814/1815; Niedlich, Johann Karl (geb. 1783), Hofrat, Geh. Registrator, Widd 1815; Niesener, Karl August (geb. 1750), Polizeikommissar, Pilg 1789/1815, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Nitsche, Johann Friedrich, Papierfabrikant, gSch 1815; Nitschke, Johann Friedrich Gottlieb (geb. 1788), Geh. Sekr., Registrator, Widd 1813/1815; Noack, Johann Gottlieb (1757–1842), Kriegsrat, Vizedir., 3gSchl 1799/1814, 1803 Mr. Leseinstitut; Nogier, Johann Stephan (geb. 1759?), Peg 1805–1812; Nöldechen, August Theodor (geb. 1779?), Premierleutn., 3gSchl 1810/ 1814; Nothardt, Friedrich Magnus (1766– 1804; 1786 nob.) v., Leutn., Kammerdir., gSch 1792/1804; Odenthal, Karl Andreas (geb. 1784), Premierleutn., 3gSchl 1815; Oeffelein, Gottfried (geb. 1772), Kaufmann, gSch 1804/ 1811; Oehrl, Johann Karl Friedrich (1765– 1809/10), Oberchir., Pilg 1800/1809; Ohne­ sorge, Christian Ludwig (1744–1813), Kaufmann, Widd 1785–1797; Oppen, Johann Ludwig (1775–1825), Geh. Sekr., Registrator, Peg 1803/1823; Örtel, Johann Christian (geb. 1785), Leutn., gSch 1810/1811; Osten, Heinrich Karl v. d. (geb. 1754), Leutn., gPfl 1787/1792; Otto, Johann Friedrich, Ökonom, gPfl 1814; Otto, Karl Ludwig (geb. 1769), Kaufmann, Pilg 1797–1812; Palme, Gottfried de la, Kapt. a. D., gSch 1812 ; Pagel, Johann Karl Christian (geb. 1785), Dr. med., Stadtchir., Widd 1812/1815; Palmié, Antoine Thomas (1739–1811), Weinhändler, Seidenfabrikant, 3gSchl 1771, Peg 1771, 1772 u. 1778 2. Großaufs., 1773–1777 Großschatzm., Widd 1776, 1776–1811 Logenm., 1778–1804 2. bzw. 1. Landesgroßaufs., 1803 Mr. Leseinstitut, 1805 Dir. d. Musikgesellschaft; Palmié, Jean Charles (1755–1859), Kaufmann, Widd 1803–1859?; Palmié, Jean François (1767–1806), Kaufmann, Widd 1792–1806, 1803/1804 Mr. Lese­institut; Palmié, Jean Michel (1767–1841), 1. Prediger, Prof., Dir., Widd 1790–1841, 1791 u. 1797–1811 wortführender M., 1811–1828

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

Logenm., 1821–1841 Ordensm., deput. Landesgroßm., 1837/1838 Landesgroßm., 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Panse, Georg Hermann Friedrich (geb. 1772), Regierungsassessor, 3gSchl 1799–1811; Päpcke, Karl Heinrich (geb. 1776), Apotheker, 3gSchl 1806/1814; Pape, Daniel (geb. 1763), Kammergerichtssekr., 3gSchl 1806/ 1814; Patze, Karl Ludwig (geb. 1780?), Kaufmann, Münzoffiziant, gPfl 1805/1814; Patzig, Karl Friedrich Wilhelm, Kaufmann, gPfl 1809/1814; Pauswang, Karl Heinrich, Dr. med., Regimentschir., Pilg 1806–1816; Peicke, Karl Philipp Leberecht (geb. 1779), Buchhalter, 3gSchl 1814; Peiding, Karl Heinrich, Kaufmann, Widd 1812; Pelkowski, Johann Friedrich Ludwig v. (geb. 1755), Buchhalter, Pilg 1800/1815, bis 1803 Mr. Leseinstitut; Pelkowski, Johann Georg Karl Albrecht v. (geb. 1771), Kapt., Bst 1802/1814; Penne, Karl Ferdinand Heinrich (v.) (1770–1811/12), Leutn., Adj., gSch 1795–1796, 1798 EM; Penne, Karl Ludwig Werner v. (gest. 1799), Major, 3gSchl 1770, gSch 1771, 1784/1785 1. Großaufs., 1794 Mr. Lesegesellschaft; Pennicke, Friedrich Wilhelm (geb. 1776), Konsum­ tionssteuereinnehmer, Widd 1811/1815; Perlitz, Johann Friedrich (1773–1813), Kapt., 1. Adj., gSch 1802/1812; Peretti, Josephe (geb. 1764), Kaufmann, Widd 1804; Perrier, Jean (geb. 1766), Maler, Widd 1802/1815; Peschel, Gottfried Wilhelm (geb. 1781), Bataillonsarzt, Pilg 1815/1816; Petiscus, August Heinrich (1780–1846), 1808 Prediger d. Friedrichswaisenhauses, 1812–1815 Pfarrer d. Parochialkirche, 1811 Prof. für Gesch. u. Erdkunde, gPfl 1809/1814; Petsch, Karl Leberecht (geb. 1763), Buchdrucker, Widd 1792–1795; Pfeffer, Johann Gottlob (1773–1820), Bildhauer, Pilg 1793/1815, 1804 Mr. Leseinstitut; Pfeil, Johann Karl Heinrich (v.) (geb. 1771), Leutn., Adj., gSch 1799/1815; Pfuhl, Karl Friedrich Ludwig v. (1761–1844), Stabskapt., gSch 1805/1806; Pfützenreuter, Ludwig Friedrich (gest. 1796/97), Kammergerichtsreferendar, gPfl 1795–1796; Philippi, Johann Eberhard

Wilhelm (geb. 1761), Geh. exped. Sekr., 3gSchl 1792, 1801 Luise in (Berlin-)Charlottenburg, 1803/04 M. v. Stuhl, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Pichon, Charles Henri Louis (1776–1855), Prediger, Pilg 1804/1811; Pietschmann, Karl Ferdinand Daniel (1752–1796), Polizei- u. Stadtrat, Pilg 1778–1796, Reden: Warum wird

Erkenntnis der Tugend in der Ausübung verleugnet? (1779); Woher es kommt, dass wir bei dem besten Vorsatze noch immer viele unserer Pflichten unerfüllt lassen (1784); Pietzker, Friedrich August (1750–1808/09), Polizeikommissar, Rendant, Bst 1782/1806, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Pietzker, Karl Friedrich Christian (geb. 1771), Geh. exped. Sekr., 3gSchl 1804–1809; Pipping, Karl Friedrich August (1766– 1813/14), Obermarstallsekr., Bst 1801–1813, 1804 Mr. Leseinstitut; Pischel, Ernst Joseph (geb. 1784), Leutn., 3gSchl 1811/1814; Plessmann, Georg Ferdinand, Oberstleutn., Kommandeur, gPfl 1814; Plieth, Georg Friedrich Heinrich (1762–1832), Feld- u. Lazarettprediger, Widd 1788–1790; Plietmann, Karl Friedrich (1769–1810), Stadtgerichtsregistrator, Widd 1802/1810; Podscharly, Johann Friedrich Ludwig (geb. 1786), Leutn., gSch 1813/1815; Pohle, Andreas Friedrich Arnold (1749–1825), Geh. exped. Sekr., gSch 1776– 1825; Polenz, Friedrich Gottlob Lebrecht (geb. 1756), Kalkulator, Geh. Sekr., Pilg 1796–1811; Ponikau, Johann Ludwig Rudolf v. (1749?–1800), königl. Kammerherr, Kapt. v. d. Armee, 3gSchl 1774, gPfl 1776–1786; Prae­ torius, Friedrich Karl Philipp Leopold, Stadtjustizrat, gPfl 1810/1814; Praetorius, Friedrich Wilhelm (1770?–1848), Hütteninspektor, Berginspektor, gPfl 1794–1803 u. 1811/1814, 1803–1810 EM; Praetorius, Georg Christian Bernhard, Tabakfabrikant, gPfl 1811/1814; Praetorius, Jakob Friedrich (1756–1830), Oberbergrat, Dir., gPfl 1794/1814, 1803 Mr. Leseinstitut; Praetorius, Johann August Dieterich, Tabakfabrikant, gPfl 1811/1814; Precht, Anton Maximilian Heinrich (geb. 1777), Geh. Kalkulator, 3gSchl 1811/1814; Preller, Adam Friedrich (1739–1786), Kammersekr., Widd 389

5 Freimaurer-Logen

1778/1785; Priem, Karl Friedrich August (geb. 1787), Kaufmann, Pilg 1813/1815; Pritzelwitz, Joachim Heinrich v. (1764–1811), Premierleutn., gSch 1795/1811; Pröbel, Johann Friedrich Samuel (geb. 1766), Leutn., gSch 1801/1805; Proeck, Ferdinand Wilhelm v. (geb. 1750?), Oberst, Kommandeur, gPfl 1793/1811; Prozenius, Johann Friedrich (1772–1818/19), Dr. med. et chir., Oberstabs­ chir., Pilg 1810/1815; Puhlmann, Johann Ludwig Christian Friedrich (1772?–1808/09), Bergfaktor, gPfl 1802/1805; Puppel, Friedrich Emanuel Theodor (geb. 1780), Justizkommissar, Notar, Bst 1805/1814; Putlitz, Karl Heinrich Ludwig Gottlob Gans Edler Herr zu (geb. 1780), Kammerreferendar, Bst 1806/1810; Puttkamer, Wilhelm v. (geb. 1782), Major, Adj., Pilg 1814/1815; Pyl, Johann Theodor (1749–1794), Dr. med., Medizinalrat, Stadtphysikus, gPfl 1778–1794; Quast, Wolf Friedrich Ludwig v. (1769– 1812), Leutn. a. D., Landkavalier, Bst 1792– 1796; Rabe, Johann August Ferdinand (geb. 1753), Geh. Kriegsrat, Kriegszahlm., 3gSchl 1776–1813, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Rabe, Karl Ludwig Friedrich (geb. 1747), Justizrat, Regierungsprotonotar, gSch 1791/1812, 1793 deput. M., 1794 Mr. Lesegesellschaft; Radecke, Friedrich Wilhelm (geb. 1760), Kaufmann, 3gSchl 1785–1789; Rademacher, Gottlieb Immanuel (geb. 1763), Stadtchir., Bst 1801/ 1814, 1803/04 Mr. Leseinstitut; Rähm, Friedrich August (1748–1809), Kaufmann, Widd 1782/1806, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Ramin, Martin Friedrich (1774–1829), Kaufmann, Peg 1803–1819; Rathmann, Johann Heinrich Friedrich (geb. 1771), Justizkommissar, Pilg 1795/1811; Raticke, Johann Peter Emil (geb. 1770), Premierleutn., Dir., gSch 1805/1811; Raute, Anton Friedrich (1768–1836?), Kaufmann, gPfl 1801–1836; Ravené, Jakob (Jacques) (1751–1828), Eisenwarenhändler, gPfl 1798– 1828; Ravené, Jacques (geb. 1760?), Uhrmacher, gPfl 1799/1811; Rebentisch, Johann Friedrich (geb. 1772), Oberchir., gSch 1805/ 1806; Regemann, Heinrich Detlof Helmut v. 390

(1772–1824), Leutn. (a. D.), Oberakzisein­spek­ tor, Bst 1797–1798; Reiche, Karl v., Hauptmann, Widd 1815; Reichard, Johann Karl Gottfried (1786–1844), Chemiker, Physiker, Ballonfahrer (1818), Bst 1811/1814; Reimann, Theodor Friedrich Wenzel (geb. 1760), Baumwollfabrikant, Bst 1785/1818, 1803/ 1804 Mr. Leseinstitut; Reinbaben, Maximian Traugott v. (1752?–1809?), Major, gPfl 1794/ 1805; Reinholdi, Friedrich Wilhelm (1751– 1814), Geh. exped. Sekr., Peg 1802/1812; Remde, Johann Christian Friedrich (geb. 1779?), Musiker, gPfl 1804/1814; Renner, Karl v. (geb. 1746), Justizrat, 3gSchl 1779– 1787; Rentzel, Georg Wilhelm v. (1758– 1815), Premierkapt., gSch 1796–1815; Rentzel, Johann Friedrich v., Leutn., Grenadieradj., gPfl 1777/1792; Rese, Johann Peter Friedrich (geb. 1753), Amtschir., Pilg 1780– 1812; Reuß, Ludwig Heinrich v. (geb. 1781?), Leutn., Bst 1809/1814; Reuter, Friedrich Wilhelm (1768–1834), königl. Hofmaler, gPfl 1794/1800; Ribbe, Johann Christian (geb. 1755), Musiker, Bst 1787/1801, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Ribbeck, Hans Georg Karl Friedrich v. (1772–1804/05), Erb- u. Gerichtsherr, Bst 1796/1804; Richthofen, Phi­ lipp Heinrich v. (geb. 1776), Leutn., Rendant, Grundherr, gSch 1801/1815; Rick, Karl Philipp (1761–1812), Kriegsrat, Rendant, Bst 1785/1811, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Ricquet, Franz August (1778–1839), Prediger, Widd 1803–1812; Rimpler, Ernst Gottlob (1751– 1797), Hofpostsekr., gSch 1786/1797; Rissmann, Christian Heinrich Erdmann (geb. 1781), Oberamtmann, Widd 1814/1815; Ritter, Christian Gottlieb Ludwig (geb. 1780), Dr. med., Peg 1805–1818; Ritter, Reinhard Karl (geb. 1786), Kaufmann, 3gSchl 1815; Rittmann, Ludwig v. (gest. 1814), Major, Peg 1806/1812; Rocholl, Friedrich Heinrich (geb. 1776), königl. Pensionärchir., Widd 1811/1815; Rochow, Karl August v. (geb. 1766), Leutn., gSch 1795–1798, 1798/1815 EM; Röhl (Roell), Ernst Andreas v. (1761– 1830; 1798 nob.), Major, gSch 1784/1815,

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

1799–1804 deput. M., 1802 Mr. Leseinstitut, 1809–1815 Logenm.; Rohr, Vivigenz (Viviens) v. (gest. 1791), Rittm. a. D., Gutsherr, gSch 1775–1791; Roitzsch, Karl Heinrich Günter (1774–1833), Kammergerichtsrat, 3gSchl 1814/ 1815; Römer, Friedrich Adolf (geb. 1772), Dr. med., 3gSchl 1800–1811; Römhild, Gottlieb Erdmann (geb. 1763?), Dr, med., Physikus, gPfl 1801/1810; Ronsdorff, Ludwig (geb. 1737), Major, gSch 1779/1795; Rösch, Johann Georg (geb. 1767?), Bergassessor, Arkanist, gPfl 1795/1814; Rosché (Roché), Johann Karl Ludwig (1765–1808), Hofuhrmacher, Peg 1805/1806; Rose, Georg Friedrich (geb. 1737), Seehandlungsbuchhalter, Bst 1778; Rose, Karl Friedrich Ferdinand, Rentei- u. Polizeibeamter, gPfl 1814; Rösel, Johann Gottlob Samuel (1768–1843), Landschaftsmaler, Prof., Pilg 1805/1815; Rosenfeld, Johann Gotthilf August (geb. 1764), Geh. Sekr., gSch 1811/1815; Rostopšin, Teodor de (1765– 1826), kais. russ. Offizier, Peg 1786/1793; Rothe, Adolf v. (1741–1801), Kapt., 3gSchl 1770– 1788 (1801), 1773/74 deput. Landesgroßm., 1776–1778 u. 1782/83 Logenm., 1782–1783 1. Großaufs.; Rothenburg, Karl Wilhelm Sigismund v. (1777–1837), Oberstleutn. im Generalstab, gSch 1814/1815; Rother, Christian, Geh. exped. Sekr., 3gSchl 1810/1814; Roussel, Jérémie Étienne (1745–1797), Tuchwarenhändler, 3gSchl 1792/1797; Roussel, Karl Ferdinand (geb. 1754), Tuchwarenhändler, 3gSchl 1810/1814; Roussel, Pierre (geb. 1754), Tuchwarenhändler, 3gSchl 1792–1794; Roussel, Pierre Louis (geb. 1750), Kaufmann, Peg 1778/1793; Rousset, Karl Ferdinand (geb. 1785), Kaufmann, 3gSchl 1810/1814; Royer, Philippe (1745–1795), Kaufmann, Peg 1776/ 1793; Rubow, Karl Wilhelm Ferdinand (geb. 1777), Oberchir., Widd 1810/1812; Rüdinger, Andreas Christof v. (1746–1797), Kapt., dän. Geh. Legationsrat, 1775 3gSchl, gPfl 1776, 1776–1785 Logenm., 1775 u. 1780/ 1781 Großredner, 1776/1777 Großsekr., 1788/1796 EM; Rudolph, Karl Gottlob (1774–1834), Geh. Registrator, Pilg 1804–

1834; Rudolphi, Julius Ludwig v. (geb. 1772), Premierleutn., Gouverneur, 3gSchl 1798– 1813; Rudorff, Friedrich Adolf Franz Heinrich v. (geb. 1783), Rittm., Eskadronchef, gSch 1813/1815; Rudorff, Wilhelm Heinrich Gottlieb v. (1741–1832; 1786 nob.), Generalmajor, Regimentschef, gSch 1775/1776 u. 1806/1815; Runckel, Karl H. August v. (geb. 1751), Leutn., Peg 1775–1782; Rungenhagen, Karl Friedrich (1777–1851), Kaufmann, Widd 1805/1815; Ruscheweyh, Friedrich Christian Franz (1777–1800/01), Maler, Bst 1798/1800; Rust, Johann Nepomuk (1775– 1840), Augenarzt, Generaldivisionsarzt, Pilg 1815/1816; Rüts, Ernst August Ludwig v. (1744–1790), Kapt., 3gSchl 1774–1790, 1786– 1790 deput. M.; Saagern, Christoph F. (1738– 1800), Pontonierhauptmann, Bst 1779/1800; Sabatier, Jean Daniel (1744?–1814), Kaufmann, gPfl 1803/1813; Sabouré, Pierre François (geb. 1767), Sprachlehrer, Peg 1790/1796; Safft, Karl Ludwig (geb. 1747; 1810 nob.), Regimentschir., 3gSchl 1781/1813, 1803 Mr. Leseinstitut; Safft, Karl Wilhelm Theodor (1780–1861; 1810 nob.), Kapt., Adj., 3gSchl 1805–1833; Salbach, Johann Christian (geb. 1777), Rendant, Bst 1811/1814; Salviati, Charles Benjamin de (1750–1803), Graveur, Akzise- u. Zollinspektor, Peg 1783/1802; Sanitz, Karl Wilhelm v. (1747–1821), Generalmajor, Regimentschef, Bst 1813/1814 EM; Sannow (Sanno), Johann Christoph Ludwig (1743–1811), Prediger, ftl. ansbach. Kirchenrat, gSch 1795–1811; Sannow, Ludwig Heinrich Ferdinand (geb. 1771), Packhofbuchhalter, Güterverwalter,, Peg 1802/1812; Šapoliov, Aleksej v., kais. russ. Offizier, Peg 1773/1793; Sartori, Konstantin Philipp Georg (1747– 1816), königl. Hofstuckateur, Fayencefabrikant, 1770 Minerva in Potsdam, Pilg 1815 EM, 1791 Großaufs.; Savoré, Gustave (1769–vor 1810), Leutn., gSch 1796–1798; Säwert, Christian Friedrich (geb. 1775), Regierungsrat, gPfl 1799–1809; Schack v. Wittenau, Magnus August Gf. v. (geb. 1765), Kriegs- u. Domänenrat, Peg 1793–1804; Schade, Jo391

5 Freimaurer-Logen

hann Jakob v. (geb. 1761), Widd 1782–1801; Schaller, Johann Gottfried, Kupferstecher, Widd 1794/1800; Schaller, Karl Wilhelm Ludwig (geb. 1768), Geh. Sekr., Registrator, Bst 1799/1813; Scharnhorst, Gerhard Johann David v. (1757–1813), Generalmajor, Chef d. Generalstabs, gSch 1802–1813, 1802 Mr. Leseinstitut; Schauroth, Friedrich Ernst Karl Heinrich v. (1747–1815), Oberst, Kommandeur, Peg 1777–1815; Schauß, Johann Gottlieb Ferdinand (geb. 1787), Konditor, gSch 1812; Schauß, Johann Martin (geb. 1766), Kammerkondukteur, gSch 1794/1815; Schauß, Johann Peter (1742–1815), Konditor, gSch 1778–1815, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1802 Mr. Leseinstitut (Ausschussmitglied); Scheel, Friedrich Wilhelm Ludwig (1766–1852; 1825 nob.), Wirkl. Geh. Kriegsrat, gSch 1803/1819; Scheele, Johann Heinrich Friedrich (1742– 1809/10), Kriegsrat, Oberpostkommissar, gSch 1774, Bst 1775–1780, 1809 EM; Scheele, Paul Joachim, Dr. med., Stadtphysikus, gPfl 1782/1792; Scheffner, Johann Gottfried (1768–1825), Zeichenm., Kupferstecher, Widd 1794–1798/1799; Schemel, Christian Wilhelm (1736–1790), Kaufmann, Widd 1781/ 1783; Scherz, Johann Gottlieb (geb. 1758), Generalpostamtssekr., Bst 1803/1814; Schickler, David (geb. 1754), Manufakturunternehmer, Peg 1775–1794; Schiele, Johann Friedrich (geb. 1769), Kaufmann, Widd 1801/1823, 1803 Mr. Leseinstitut; Schierstedt, Hans Wilhelm Ludwig Friedrich v. (geb. 1786), Leutn., Adj., gSch 1811/1812; Schlätzer, Johann Gottlob (1770–1824), Hofrat, Bauinspektor, Prof., Pilg 1804/1815; Schlegel, Anton Friedrich Wilhelm (geb. 1790), Leutn., Pilg 1815/1816; Schleußner (Schleißner), Karl, Kaufmann, 3gSchl 1774, Widd 1776–1801; Schlichting, Christoph Friedrich v. (1747– 1799), Kapt., gSch 1774/1795; Schlumberger, Daniel (geb. 1761), Buchhalter, Bst 1785/ 1810; Schluppmann, David (1754–1812/13), Buchhalter, gSch 1778–1782; Schlüsser, Ferdinand (geb. 1748), Kriegsrat, Rendant, gSch 1774/1778, 1798/1815; Schmahel, Franz, 392

Hüttenfaktor, Pilg 1814/1815; Schmalz, Theodor Heinrich Anton (1760–1831), Geh. Justizrat, Prof. d. Rechte, Rektor, FlSt 1808 M. v. Stuhl, Peg 1814 Logenm., Großredner; Schmedding, Joseph (geb. 1776), Stadtchir., Bst 1804/1814; Schmidt, Christian Friedrich (geb. 1748), Advokat, Justizkommissar, gSch 1774–1787; Schmidt (v. Ludwigslust), Franz Christian Ludwig (geb. 1763), Gutsbesitzer, Peg 1796–1818; Schmidt, Heinrich Friedrich (1746–1792), Kapt. a.  D., Rendant, gSch 1774/1788; Schmidt, Jobst (geb. 1770), Petinetfabrikant, Widd 1810/1815; Schmidt, Johann Friedrich Adolph (geb. 1770), cand. theol., Erzieher, Pilg 1809/1815; Schmidt, Johann Heinrich (1767–1830), Kaufmann, gPfl 1801–1804, 1809/1814 EM; Schmidt, Johann Heinrich Otto v. (1758–1841; 1792 nob.), Major, gSch 1798, 1802 Mr. Leseinstitut, 1818–1837 Landesgroßm.; Schmidt, Johannes (1763–1806), Kaufmann, gPfl 1800–1804; Schmidt, Karl Friedrich (gest. 1802/03), Geh. Rat, Regimentsquartierm., Bst 1796/1803, 1802/1803 Mr. Leseinstitut; Schmidt, Karl Friedrich (geb. 1777), Kaufmann, Widd 1804–1823; Schmidt, Karl Ludwig (geb. 1772), Geh. Kanzleidir., 3gSchl 1798–1810, 1803 Mr. Leseinstitut; Schmidt, Moritz, Kaufmann, Pilg 1814/1815; Schmiedecke, Wilhelm Ferdinand Heinrich (geb. 1775), Geh. Sekr., Kalkulator, Peg 1805–1811; Schnabel, Johann August (1765–1800/01), Dr. med. et chir., Bst 1796/1800; Schnackenberg, An­ dreas Erdmann (geb. 1747), Bankbuchhalter, gPfl 1796–1804; Schneider, Georg Abraham (1770–1839), königl. Kammermusiker (Hornist), gPfl 1801/1814; Schneider, Friedrich Jakob (geb. 1782?), Handlungsdisponent, Bst 1813/1814; Schneider, Joachim Heinrich Friedrich (geb. 1771), Domänenamtmann, Widd 1805/1815; Schneider, Johann Friedrich (1766–1826), Kapt., gSch 1806–1826; Scholtz, Leonhard Gottlob (1770–1812), Kriegsrat, Assessor, Widd 1796/1812; Scholz, Christian Friedrich (geb. 1776), Kaufmann, gSch 1813/1815; Scholz, Maximilian (1744–

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

1834), Schauspieler, Bst 1782/1783 (1799); Schönborn, Karl Gottlieb (geb. 1770), Apotheker, Bst 1794–1804; Schönebeck, Johann Friedrich Karl (geb. 1752), Kriegsrat, 3Ser 1775–1776, Pilg 1776–1780, 3Ser 1786–1791; Schönermarck, Georg Friedrich Wilhelm v. (1740–1807; 1786 nob.), Generalmajor, Regimentschef, Peg 1774, gSch 1774–1776, Bst 1775–1807; Schönermarck, Karl Heinrich v. (geb. 1744), Leutn., Bst 1776–1778; Schonert, Christoph (geb. 1761), Weinhändler, Peg 1809/1815; Schoppé, Friedrich Jakob (geb. 1764), Juwelier, Bst 1804/1814; Schrader, August Gottlieb (geb. 1780), Leutn., gSch 1810/1815; Schröck, August Gottlieb (geb. 1779), Musiker, 3gSchl 1806–1825?; Schröder, Justus Heinrich (geb. 1780), Kaufmann, Widd 1811–1814; Schröer, Christoph Adolf (geb. 1772), Hofrat, ehemal. Regierungssekr., Peg 1809/1815; Schubert, Karl Ferdinand v. (geb. 1775), Leutn., gSch 1800/ 1815; Schüler, Karl Julius Christian (geb. 1746), Schauspieler, Bst 1783/1800; Schultz, Johann Friedrich (1745–1806), Finanzrat, gSch 1795, 1802/1803 1. Großaufs., 1805 abgeordneter Landesgroßm., 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. Leseinstitut (engerer Ausschuss); Schultz, Johann Jakob (geb. 1753), Kaufmann, gSch 1796/1815; Schultz, Wilhelm Friedrich (1767–1799), Hofmusiker, Organist, 3gSchl 1794–1795; Schultze, August Ferdinand (geb. 1786), Stadtjustizrat, Peg 1812/1815; Schultze, Gottlob (geb. 1762), königl. Hausadministrator, Bst 1790/1814; Schulz, Christian Gottfried (geb. 1762?), Kriegsrat, Geh.exped. Sekr., gPfl 1803/1814; Schulz, Ernst Ludwig, Geh. Registrator, gPfl 1803/1814; Schulz, Johann Friedrich Wilhelm (geb. 1784), Hauptmann, Widd 1814/1815; Schulz, Salomo Friedrich (geb. 1766), Dr. med., Oberchir., Peg 1809/1815; Schulze, Christian Friedrich (1757–1819), Kriegsrat, Geh. Oberfinanz-, Kriegs- u. Domänenrat, Pilg 1786/1815, 1801 deput. Landesgroßm., 1807/1813 Großsekr., Reden: Vom Nachdenken über sich selbst (1790); Vom

Wert des guten Rufs (1792); Was haben wir der Leitung des Ordens zu verdanken? Über die Zufriedenheit (1794); Über die Freundschaft (1798); Schulze, Karl Friedrich Wilhelm (1771– 1849), Kreiseinnehmer, 3gSchl 1799/1813, 1803 Mr. Leseinstitut; Schumacher, Ernst Jakob Wilhelm (geb. 1776), Hauslehrer, Pastor, gSch 1805/1806; Schumann, August Ferdinand (1754–1828), Stadtrichter, Bst 1782– 1792; Schunigk, Benjamin Friedrich (geb. 1775), Uhrmacher, Bst 1805/1814; Schütz, Gustav Friedrich v. (1747–1820), Major, gSch 1774/1815, 1802 Mr. Leseinstitut; Schütze, Ernst Ludwig (geb. 1783?), Regierungssekr., Bst 1810/1814; Schütze, Georg Johann Gottfried (1766–1839), Hofm., Prediger, gPfl 1791–1797 u. 1811/1814; Schütze, Georg Wilhelm (geb. 1774), Generalpostamtssekr., Bst 1806/1814; Schwachhöfer, Franz, königl. Kammermusiker, Widd 1810/1815; Schwahn, Johann Friedrich (1764–1812), Buchhalter, Pilg 1803/1812; Schwanebach genannt v. Bachenschwanz, Gustav Adolf (geb. 1768?), Hauptmann, gPfl 1804/1814; Schwartz, Johann Karl (geb. 1768?), Administrationsin­ spektor, Bst 1811/1814; Schwarz, Eberhard Friedrich (geb. 1774), Kammermusiker, gPfl 1795–1804; Schweder, Friedrich August v. (1749–1802/03), Major, gSch 1777–1802; Schweder, Georg Ludwig (1771–1805), Justizkommissar, 3gSchl 1779–1789; Schwensitzki, Karl Anton Ludwig v. (geb. 1752), Major, 3gSchl 1776, gPfl 1777–1797 u. 1810/ 1814; Seefisch, Philipp Ludwig Wilhelm, Exped. Kammergerichtssekr., Pilg 1815/1816; Seelen, Friedrich Wilhelm v. (geb. 1754), Oberst, Bst 1783/1810; Seidel, Günter Karl Friedrich (1764–1799/1800), Gymnasialprof., Bst 1789/1800; Seidlitz, Ferdinand Heinrich Sigismund Frhr. v. (1770–1811), Justizrat, Peg 1793–1796, 1804–1811 Logenm., 1801 2. Pro­ vinzialgroßm.; Senstius, Johann Friedrich (1767–1843), Bankier, Pilg 1795/1815, bis 1803 Mr. Leseinstitut; Seydlitz, Hans Gottlob Kurczibok v. (geb. 1778), Leutn., Pilg 1809/ 1815; Seyer, Karl Friedrich August (1769– 393

5 Freimaurer-Logen

1831), Geh. Forstsekr., Kontrolleur, Widd 1797/ 1815, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Seyffert, Heinrich Abel (1768–1834), Bildnis- u. Figurenmaler, Bst 1794, gPfl 1794/1814; Seyffert, Karl Friedrich (1773–1821), Kattunfabrikant, Peg 1804/1815; Sieg, Peter Gotthilf (geb. 1778), Kaufmann, Widd 1810/1815; Siegmund, Karl Gottlieb (geb. 1768), Bataillons­ chir., gSch 1809/1815; Siemerling, Christian Friedrich (1752–1823), Landphysikus, 3gSchl 1780–1789; Silberberg, Ferdinand (geb. 1771), Kaufmann, Pilg 1798–1812; Simann, Daniel Gottfried (geb. 1758), Banksekr., 3gSchl 1789; Simon, Paul Ludwig (1771– 1815), Geh. Oberbaurat, Oberlandesbaudir., Pilg 1792/1814, 1804 Mr. Leseinstitut; Singer, Johann August Friedrich (1754–1821), Bergrat, 3gSchl 1785/1814, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Soltau, Friedrich Christian (geb. 1751), Kaufmann, Widd 1781–1788; Soltmann, Konrad Heinrich (1782–1859), 1807–1810 Provisor d. Roseschen Apotheke Zum weißen Schwan, kaufte Apotheke Zum gekrönten schwarzen Adler, Pilg 1809/1815; Sowiński, Józef Longin (1777–1831), Leutn., gSch 1811; Spalter, Franz Joseph (1773–1806), Pensionärchir., Pilg 1805/1809; Spieß, Johann Abraham Ernst (geb. 1786), königl. Kammermusiker, Widd 1815; Spieß, Johann Christian (1761–1804), Kaufmann, Bst 1803/04; Spieß, Karl Gottlieb (geb. 1748), Kaufmann, 3gSchl 1775/1814, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. Leseinstitut; Sporer, Johann, Kaufmann, Peg 1775/1793; Spranger, Johann August Sigismund (geb. 1781), Geh. Kanzleidir., Geh. exped. Sekr., Bst 1806/1815; Sprenger, Friedrich Ludwig v. (geb. 1784?), Leutn., Bst 1809/ 1814; Spreuth, Christian (geb. 1764), Major, Pilg 1790/1815; Stamer, Christian Wilhelm (geb. 1784), Schifffahrtskommissar, Pilg 1809/ 1812; Stanckar, Johann Friedrich Gottlob v. (geb. 1754), Kapt., Pilg 1779–1801, 1815; Standtcke, Karl Gustav Heinrich (geb. 1783?), Kaufmann, Bst 1810/1814; Starck, Johann Ludwig (1750–1799/00), Kauf- u. Handelsmann, Bst 1777–1799/00, 1794 Mr. Lesege394

sellschaft; Starcke, Alexander Gottlieb Oswald (geb. 1773), königl. Pensionärchir., gSch 1803/1805; Stein, Friedrich Ludwig Christoph v. (1768?–1814/15), Kapt., gPfl 1796/ 1814; Stein, Gustav Friedrich Gottlieb (1771– 1818), Dr. med. et chir., Regimentschir., Pilg 1804/1815; Steinbach, Gottlob Thomas Friedrich (geb. 1782?), Geh. exped. Sekr., Kassenrendant, Bst 1810/1814; Steinert, Johann Christian (1764?–1810?), Destillateur, gPfl 1797–1810, 1803 Mr. Leseinstitut; Steinhausen, Johann Friedrich (geb. 1754), Regimentschir., Bst 1789/1794; Steinhausen, Johann Friedrich Wilhelm (geb. 1788), Kammergerichtsreferendar, Peg 1815; Steinmetz, Moritz v. (1757?–1854), Major, Kommandeur, Widd 1815; Steinwehr, Christian Ludwig v. (1738–1804), Oberst, gSch 1774–1804, EM; Stenger, Erdmann Friedrich Wilhelm (geb. 1786), Stadtgerichtsreferendar, 3gSchl 1812/1814; Sterling, Friedrich Leopold (gest. 1786), Depositenrendant, Bst 1782; Stickelberger (Stückel-), Johannes (geb. 1786), Kaufmann, Pilg 1812/1815; Stier, Balthasar Ernst (geb. 1776), Kalkulator, gSch 1809/1815; Stier, Heinrich Wilhelm Ferdinand (geb. 1780), Magazinkassenkontrolleur, gSch 1806/1815; Stier, Karl August (geb. 1774), Geh. Sekr., Kalkulator, gSch 1806/1815; Strahl, Karl Friedrich (geb. 1779), Kaufmann, Bst 1805/1814; Strebelow, Martin Gottlob (geb. 1780), Musiker, Peg 1805/1812; Streccius, Christian Friedrich (geb. 1756), Landchir., Pilg 1778–1780; Streit, Ferdinand Ludwig (1762–1813), Premierleutn., Prof. d. Militärwissenschaft, Pilg 1787/1812, Reden: Wie man den Weg zur Wahrheit gewinnt und sich moralisch belehrt (1799); Standpunkt eines Maurers als den eines Menschen, der nach dem möglichst höchsten Grade moralischer Vollkommenheit strebt und Liebe und Wohltun für jedes Wesen im Herzen trägt (Druck 1800); Strenge, Friedrich August (geb. 1780?), Hofrat, Geh. Sekr., Registrator, Bst 1810/1814; Stricker, Karl Friedrich (geb. 1749), Kriegsrat, Dir., Pilg 1804/1815; Stübner, Christoph (geb. 1761?), Kanzleisekr.,

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

3gSchl 1813/1814; Stümer, Johann David Oberamtmann, 3gSchl 1791–1792; Traufeld, Heinrich (1789–1856), Sänger, Peg 1814/ Friedrich Gottlieb Heinrich (v.) (1739–1802), 1815; Süvern, Johann Wilhelm (1775–1829), Kapt., Bst 1775–1791; Trautvetter, Friedrich Staatsrat, E 1810–1814, 1812/13 substit. M. v. Wilhelm (1751–1819), Geh. Kriegsrat, GeneStuhl, 1814 3gSchl; Swildens, Johan Hendrik ralrendant, gSch 1775/1785; Troschel, Ernst (1745–1812), cand. jur., gPfl 1779/1790; Sy- Leberecht Freymuth (1776–nach 1850), dow, Otto Ferdinand (1754–1818), Prokon- Kriegsrat, Oberauditeur, Bst 1803/1814; sul, Stadtsekr., 1783–1801 Bst, 1801 Luise in Truchsess zu Waldburg, Ludwig Otto Gf. (Berlin-)Charlottenburg, 1801–1803 M. v. (1750–1789), Premierleutn., gPfl 1782/1788; Stuhl; Sydow, Wilhelm Ludwig v. (1748– Truckenbrodt, Georg Friedrich (1744– 1826), Landrat, Peg 1777/1793; Taubenheim, 1822/23), Kauf- u. Handelsmann, Bst 1778– Christoph Ludwig v. (1747–1797?), Major, 1822, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. LeseHauptlazarettdir., gSch 1798–1800; Tauben- institut; Truitte, Jean Gaspard (geb. 1758), heim, Friedrich Wilhelm Heinrich v. (geb. Kaufmann, Peg 1778/1793; Truitte, Pierre 1774), Rittm., 3gSchl 1811/1813; Taubert, (1752–1824), Kontrolleur, Peg 1778/1821, Friedrich Gustav Emilius (1755–1839), Hof- 1803 Mr. Leseinstitut; Trumpf, Karl Wilhelm rat, Pastellmaler, Vorsteher, gPfl 1777/1812– Gottfried (1775–1816/17), Postsekr., Zollas1839, 1816 Logenm.; Templin, Johann Chris- sistent, Pilg 1810/1815; Tscharner, Friedrich toph (geb. 1768), Forstsekr., 3gSchl 1796/ v. (geb. 1754), Schweizer Kapt., Peg 1778/ 1809; Ternite, Friedrich Wilhelm Ludwig 1793; Uhde, Johann Wilhelm Karl (geb. (1784–1871), Porträtmaler, gSch 1812/1815; 1786?), Magazinassistent, Bst 1813–1813/14; Teschen, Gottfried Bernhard Wilhelm v. Uhlich, Ernst Wilhelm (1765?–1808/09), (1764–1815), Kapt., gSch 1797–1815; Te- Musiker, gPfl 1803/1805; Ulrich, Christian schen, Joachim August Christoph v. (geb. Samuel (geb. 1767?), Konrektor, Bst 1810/ 1745), Rittm., gSch 1796/1812; Teschen, Jo- 1814; Ulrici, Albin Karl Maximilian (geb. hann Christian v. (geb. 1765), Premierleutn., 1784), Kaufmann, Pilg 1815/1816; Ulrici, gSch 1797/1812; Textor, Johann Christian Karl Heinrich, Kommerzienrat, (TabakmanuAnton Heinrich v. (1767–1811), Kapt., gSch fakturunternehmer?), gSch 1774–1780; Un1795/1811; Thielemann, Johann Gottlob ruh, August Alexander v. (gest. 1809), Leutn., (geb. 1765), Möbelfabrikant, Musikinstrumen­ Adj., 3gSchl 1798–1805; Ursinus, August tenbauer (Gitarren, Harfen), Akadem. Künst- Friedrich (1754–1805), Kriegsrat, Geh. exler, gSch 1810/1815; Thom, Georg (1757– ped. Sekr., 3gSchl 1776–1803 (1805?); Valen1808), Dr. med., Leibarzt, Pilg 1780/1811; tini, Ferdinand Ludwig Heinrich v. (geb. Thürnagel, Christoph Daniel (1756–1822/23), 1756), Kapt., gPfl 1779–1795; Venino, Karl Justiz- u. Kriminalrat, Bst 1783–1822; Tie- Gotthold Gabriel (1751–1789), Buchhalter, fensee, Heinrich Daniel Friedrich (geb. 1768), gSch 1778/1789; Vetter, Karl Wilhelm, Jus1798–1808 Apotheker Zum gekrönten Adler, tizkommissar, gPfl 1809/1814; Vieweg, Frieddann Apothekenmakler, Bst 1801/1814, 1803 rich Wilhelm (geb. 1765), Buch- u. PapierMr. Leseinstitu; Tilly, August (geb. 1775), händler, Bst 1786/1814; Vieweg, Johann Geh. Sekr., Widd 1801–1811, 1803/1804 Mr. Friedrich (geb. 1738), Buchhändler, Bst Leseinstitut; Timmann, Daniel Gottfried (1758– 1777/1793; Vieweg, Johannes Friedrich 1823/24), Hauptbankbuchhalter, 3gSchl 1786– (1760–1835), Buchbinder, Verlagsbuchhänd1823, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. Lese- ler, Bst 1777/1811; Vieweg, Karl Friedrich institut; Tourte, Karl Daniel (1776–1847), Dr. (geb. 1761), Kriegsrat, Geh. Sekr., Bst 1781/ phil., Handelsschullehrer, Pilg 1806, 1833– 1814, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Vigny, Karl 1847 Logenm.; Toussaint, Pierre (geb. 1763), Wilhelm v. (1767–1808/09), Leutn., gPfl 395

5 Freimaurer-Logen

1797/1805; Vogel, Friedrich Ludwig (1773– 3gSchl 1776/1794; Wahlen Jurgass, Otto Al1842), Landrentm., 3gSchl 1796–1833, 1803 brecht Ludwig v. (geb. 1751), Oberst, Bst Mr. Leseinstitut, 1814/15 Großschatzm., 1815– 1776/1814; Walpurger, Johann Gottlieb (geb. 1832 Logenm., 1820–1822 Großaufs.; Vogel, 1776), Juwelier, Bst 1796/1814; Walter, Karl Friedrich Wilhelm (1750–1804/05), Kapt., Friedrich (geb. 1774), Kattunfabrikant, Peg Pilg 1776/1801; Vogel, Friedrich Wilhelm 1809/1814; Waltershausen, Friedrich Georg (1773–1842), Rentm., Pilg 1778–1786; Karl v. (geb. 1766), Kriegsrat, Auditeur, Pilg Volckart, Christian Ludwig (geb. 1774), 1795–1801, bis 1803 Mr. Leseinstitut; WalKaufmann, Widd 1809/1815; Volkmann, ther, Christian Gotthold, Forstkondukteur, Martin Heinrich (1761–1802/03), Kaufmann, gPfl 1781/1790; Walther, Karl Friedrich (geb. Bst 1798/1803, 1803 Mr. Leseinstitut; Voll- 1748), Kaufmann, gSch 1780/1812; Wartensbrecht, Johann Gottfried (geb. 1780), Exped. leben, Christian Heinrich Ferdinand Ludwig Sekr., Widd 1814/1815; Voeltzcke, Johann Gf. v. (1767–1838), Leutn. a. D., Gutsherr, Jakob (1764–1836), Dr. h.c., Generalchir., königl. Kammerherr, Schlosshauptmann, gPfl Pilg 1801–1827; Voß, Friedrich Wilhelm 1789–1791, gSch 1804/1822; Watteville, GaLudwig v. (1775–1835), Kapt., Lazarettdir., briel de (geb. 1756), Kaufmann, Peg 1778/ gSch 1801–1835; Voß, Heinrich Ludwig 1793; Weber, Bernhard Anselm (1766–1821), (1745–1802), Sekr., Kalkulator, gSch 1774, königl. Kapellm., Komponist, Widd 1793/ Pilg 1779–1781; Voß, Otto Lorenz (geb. 1815; Wedel, Ernst Ludwig Friedrich v. 1773), Dr. med., 3gSchl 1800–1802; Wach, (1747–1812), Kapt. v. d. Armee, Gutsherr, Johann Georg Heinrich Karl Wilhelm Lud- Kreisdeputierter, gSch 1774–1789; Wegener, wig Friedrich August (1749–1812), 2. Ober- August Friedrich, Kaufmann, Widd 1812/ auditeur, Bst 1775, 1782 u. 1788–1797 Groß- 1815; Wegener, Christian Friedrich (geb. sekr., 1800/1801 2. Großaufs., 1790–1791 u. 1750), Kaufmann, Peg 1785/1793; Wegener, 1799–1812 Logenm., 1798 deput. Landes- Gottlieb Wilhelm (geb. 1787), Kaufmann, großm.,1793–1812 Leitung d. Mittwochs-Bru- Widd 1814/1816; Wegener, Johann Gottlieb dermahls, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1803 Mr. Wilhelm (geb. 1789), Essigfabrikant, Widd Leseinstitut (Ausschussmitglied); Wach, Karl 1814/1815; Weigel, Johann Karl (1768– Wilhelm (1787–1845), Maler, Bst 1813/1814; 1817), Kaufmann, Widd 1796/1814; Weiß, Wagener, Heinrich Wilhelm (1747–1820), Johann Philipp (1773–1814/15), Hof- u. Baumwollfabrikant, 3gSchl 1776, Widd 1776/ Bankcourtier, Widd 1802–1814; Weiß, Karl 1815, 1803/1804 Mr. Leseinstitut, 21 Jahre Friedrich Wilhelm (geb. 1780), Kaufmann, ununterbrochen Logenämter; Wagener, Joa- Widd 1809/1811; Weiße, Gottfried Samuel chim Heinrich Wilhelm (1782–1861), Bankier, (1780–1831), Fabrikant, Stadtältester, Widd Kunstsammler, Widd 1811/1815; Wagener, 1804/1820; Weiße, Karl Friedrich Ernst, Julius Christian (1754?–1827), (Haupt-)Buch- Kaufmann, Widd 1811/1815; Weißer, Chrishalter, gPfl 1795–1827; Wagener, Karl Fried- tian Ludwig (1753–1811/12), Kaufmann, Pilg rich (geb. 1763?), Hüttenfaktor, gPfl 1797/ 1780/1812; Welle, Johann Friedrich (geb. 1814; Wagener, Samuel (gest. 1804), Holz- 1769), Oberstabschir., gSch 1812/1815; Welhändler, gPfl 1798–1804; Wagner, Heinrich per, Karl Friedrich (1750–1816), ManchesWilhelm (1747–1789), Geh. exped. Sekr., terfabrikant, 3gSchl 1794/1814, 1814 leitete Pilg 1776–1789?, 1776/77 u. 1782/83 deput. Mittagstafel d. Mittwochs-Brudermahle; WentM.; Wahlen Jurgass, Adolf Friedrich Chris­ zel, Johann Friedrich v., Kapt., gPfl 1776/ tian v. (1749–1796), Leutn. a. D., Forstrat, 1795; Werder, Friedrich Wilhelm v., Rittm. gSch 1774–1796; Wahlen Jurgass, Hans Otto v. d. Armee, gSch 1811/1815; Werder, JoAlbrecht v. (1747–1796), Geh. Kriegsrat, hann Wilhelm Benjamin v. (geb. 1782), Pre396

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

mierleutn., gSch 1809; Werder, Karl August Ludwig v. (1773–1813), Major, gSch 1796/ 1811, 1802 Mr. Leseinstitut; Werder, Karl Friedrich (geb. 1763), Kaufmann, Bst 1791/ 1814; Werdy, Friedrich August (1770–1847), Schauspieler, Widd 1804–1812; Werkmeister, Rudolf Heinrich Jakob (geb. 1776), Kaufmann, 3gSchl 1803/1814; Wermuth, Karl Friedrich (geb. 1765), Kammerreferendar, gPfl 1791/1795; Wernitz, Paul Friedrich v. (1738–1826), Oberst, Kommandeur, gSch 1776–1799, 1794 Mr. Lesegesellschaft, 1800/ 1812 EM; Westenholtz, Friedrich Ludwig Franz (geb. 1779), königl. Kammermusiker, Bst 1806/1814; Wiebel, Johann Wilhelm (1767–1847), Dr. med. et chir., Regiments­ chir., Pilg 1796–1804; Wiehler, Johann Wilhelm (geb. 1764), Kaufmann, gSch 1794/1805; Wieler, Johann Wilhelm (geb. 1770), Kaufmann, Bst 1796/1810; Wilkins, Christian Johann Friedrich (1753–1833), Obersteuerrat, gSch 1776/1815, 1802 Mr. Leseinstitut; Wilkins, Wilhelm Karl Theodor (1756?–1833), Major, gSch 1802–1833; Willmann, Karl Adolf (1768–1816/17), Major, gSch 1799/ 1815, 1803 Mr. Leseinstitut; Wilmanns, Johann Christoph (1771–1831), Kammergerichtsrat, 3gSchl 1810/1814; Winkelmann, Karl Friedrich (1755–1800), Kaufmann, 3gSchl 1794/1799; Winter, Johann Hartwig (1764– 1814), Justizrat, Kammergerichtssekr., 3gSchl 1804–1813; Wißkott, Georg Christian (1759– 1838), Stadtwundarzt, gSch 1796–1797; Wißmann, Karl Heinrich (geb. 1787), Kaufmann, gSch 1813/1815; Witte, Heinrich Leopold (1780–1831), Major, 3gSchl 1806–1831; Witte, Karl Ludwig (1755–1810), Kriegs- u. Domänenrat, 3gSchl 1798; Wohlers, Christian Friedrich Gottlieb (1771–1829), Kadettenkorpsgouverneur, Prof., 3gSchl 1793–1829, 1803 Mr. Leseinstitut; Wohlfahrt, Johann Friedrich (geb. 1767?), Geh. exped. Sekr., gPfl 1802/1814; Wöhner, Paul Heinrich Ludwig, Baukondukteur, Regierungsbauin­ spektor, gPfl 1809/1814; Wolff, Albrecht Ludwig (1748–1835), Bildhauer, Kupferste-

cher, gSch 1792/1815, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Wolff, Ulrich Friedrich Ludwig (1776– 1832), Maler, Kupferstecher, gSch 1793/1815, 1794 Mr. Lesegesellschaft, bis 1803 Mr. Leseinstitut; Wolffschmidt, August (geb. 1784), Gastwirt, Pilg 1815; Wunder, Johann August Heinrich (geb. 1786?), Kaufmann, Bst 1813/1814; Wunder, Johann Konrad (1754– 1826), Stadt- u. Wundarzt, Assessor, Bst 1795– 1826, bis 1826 Großzeremonienm., 1803/ 1804 Mr. Leseinstitut; Wurm, Johann Friedrich Wilhelm (1772–1833), Buchhalter, Bst 1801–1833, 1803/1804 Mr. Leseinstitut; Würst, Christian Ludwig Gottlieb (1754–1831), Posamentenhändler, Pilg 1792/1815; Würst, Heinrich Wilhelm (geb. 1755), Bergassessor, Bergrat, RY 1779–1781, Pilg 1792, gPfl 1792– 1805; Wyschelsky, Ignatius v. (geb. 1787), Premierleutn., gSch 1815; Zahn, Johann Christian, königl. Kammermusiker, Widd 1814/1816; Zander, Georg Friedrich Wilhelm (geb. 1785), Kammergerichtsreferendar, Peg 1812/1814; Zander, Johann Christian, Realschullehrer, gPfl 1797; Zepp, Johann Peter August, Bierbrauereibesitzer, gPfl 1809/ 1814; Zernial, Johann Gottlieb Christian (geb. 1786), Dr. phil., Lehrer, Pilg 1812/1815; Ziegler, Friedrich August v. (1772–1844), Leutn., gSch 1796, 1839–1843 Logenm.; Ziegler, Friedrich Wilhelm (geb. 1785), Kaufmann, gSch 1810; Ziegler (Ziegeler), Friedrich Wilhelm (geb. 1786), Kaufmann, Widd 1811/1815; Zieliński, Ignace v., Erb- u. Gutsherr, Peg 1804/1812; Zier, Johann Friedrich Wilhelm (1748–1834), Hofrat, Rendant, 3gSchl 1773, Pilg 1776/1823 (bis 1834?), 1790–1799 deput. M., 1794 Mr. Lesegesellschaft; Zieten, Gottfried Christoph Daniel v. (1757–1812), Rittm., Bst 1782/1805; Zimmermann, Karl Friedrich, (geb. 1758), Dir., Kaufmann, Widd 1791–1809, 1791 deput. M., 1794 Mr. Lesegesellschaft; Zimmermann, Karl Friedrich (geb. 1767), Oberstabschir., Pilg 1814/1815; Zinnow, August Wilhelm Heinrich Leopold v. (1773?–1809?), Leutn., gSch 1796/1805; Zitelmann, Joachim Ludwig 397

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(1768–1823), Landbaum., 3gSchl 1792–1809, 1794 Mr. Lesegesellschaft; Zschock, Heinrich Wilhelm Ludwig (geb. 1785), Kammergerichtsreferendar, Peg 1812/1815; Zuckschwerdt, Friedrich Heinrich Theodor (1786– 1815), Lehrer, Pilg 1812/1815; Zumpft, Johann Gottlieb (geb. 1778?), Geh. Registrator, gPfl 1804/1814. – Dienende Brüder: Beyer, Johann Nikolaus (geb. 1755?), Gipsfigurenarbeiter, gPfl 1796/1801; Brandt, Karl Friedrich (geb. 1763?), Viktualienhändler; Geilig, Johann Friedrich (geb. 1764), Diener, Bst 1794/1800; Hildebrandt, Johann (geb. 1769), Diener, Peg 1798–1806; Horstmann, Johann Wilhelm (geb. 1775), Friseur, Pilg 1811/1815; Jean, Jean (geb. 1730), Avertisseur, 3gSchl 1778/1803; Kiefer, Johann (geb. 1750?), Musketier, gSch 1774, 1779–1805 Kastellan d. Logenhauses, dienender Bruder der Lesebibliothek; Krasinsky, Michael (1749–1809/10), Diener, Bst 1777/1809; Küpper, Johann Friedrich Wilhelm (geb. 1772), Diener, 1814/1815; Lehmann, Friedrich (1766–1805), Hauptmagazindiener, Peg 1804/1805; Massi, Johann Domenik August (1767–1827/28), Diener, Bote, gSch 1797/1815, gPfl 1803/1813; Matthis, Joachim Hermann, Bote, Widd 1813/1816; Menz, gPfl 1796/1797; Priebe, Franz (geb. 1785), Diener, gSch 1815; Reckling, Joachim Friedrich (geb. 1752), Destillateur, Bürger, Bst 1793/1811; Sabatier, Mathieu, Bankbote, Peg 1772, Bst 1779–1792; Schlagter, Christian August (1718?–1808/09), Diener, gSch 1776, 3gSchl 1778–1780, gPfl 1799/1802; Schmidt, Johann Daniel (geb. 1766), Diener, Bst 1806, 1814 Kastellan im Logenhaus; Schmidt, Johann Gottfried (1773– 1823/24), Kanzleidiener, 3gSchl 1804–1824; Schmidt, Karl Friedrich (geb. 1766), ehemal. Kammerdiener, 3gSchl 1814; Schnakenburg, gPfl 1796/1797; Schreiber, Johann Wilhelm (geb. 1770), Diener, Bierschenker, gSch 1805/ 1811; Silber, Johann Leonhard (1745–1812/13), Musketier (Invalide), Bst 1793, Widd 1793/ 1806, 1803/1809 dienender Bruder d. Lese­ instituts, 1810/1811 Kastellan im Logenhaus; 398

Stier, Heinrich Wilhelm Ferdinand (geb. 1780), Magazinkassenkontrolleur, gSch 1805/ 1809; Stübner, Christoph (geb. 1760), Diener, 3gSchl 1795/1805; Völcker, Johann Christian Samuel, Peg 1806/1815; Wagner, gPfl 1796/ 1797; Walter, Georg (geb. 1750), Musketier, gPfl 1780/1790; Weidich, Johann Wilhelm, Diener, gPfl 1809/1813; Wustel, Johann Karl (1748–1810), Vergolder, Widd 1794, dienender Bruder d. Lesebibliothek 1810; Ziegernitz, Christian (1742–1820), Musketier, Friseur, gPfl 1776, Pilg 1776/1815. Bibliographie: a) Quellen: GStA PK, Freimaurerbestände: Freimaurer, 5.1.3. Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland, 5.2. B 19, 5.2. A 33, 5.2. B 21, 5.2. B 24, 5.2. B 43, 5.2. B 46, 5.2. B 48, 5.2. B 53, 5.2. B 54, 5.2. B 64. – b) Forschungsliteratur: [Weitere Literatur im Artikel Die Berliner Freimaurer vor 1786 ]. – Bausteine zur Geschichte der Johannis-Loge Zu den drei goldenen Schlüsseln den Brüdern zum 150jährigen Bestehen am 19. Oktober 1919 gewidmet. Berlin (1919). – Berthold, (Ludwig): Geschichte der unter Konstitution der Hochwürdigen Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland zu Berlin arbeitenden St. Johannis-Loge Pegase nebst einem Anhange, Reden der BBr. von Marconnay, Devaranne, von Silasins­ ky enthaltend, zur Feier des 112. Stiftungsfestes am 4. September 1882. Berlin 1882. – Brögelmann, Paul: Kurzgefasste Geschichte der Johannis-Loge „Zum goldenen Schiff“ Berlin W 30, Eisenacher Str. 12/13 seit ihrer Gründung in der Reihenfolge der hammerführenden Logenmeister. Berlin 1921. – Burmeister, Paul Fr.: Denkschrift zum 150. Stiftungsfest den Bbrn. gewidmet. 21. Februar 1926 [Johannisloge zum Pilgrim]. (Berlin 1926). – Dennert, Friedrich: Hundert Jahre Bibliothek der Großen Landesloge. 1802 bis 1902. In: Zirkelcorrespondenz, 53. Jg. (1924), S. 242– 265, 283–289. – Gerlach, Karlheinz: Die Große Landesloge der Freimaurer in Deutschland 1769–1807 in Berlin. Zur Sozialgeschich-

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 1786–1815 in Berlin [GLL]

te der deutschen Freimaurerei im 18. Jahr- europäischen Freimaurerei, hg. von Helmut hundert. In: Quatuor Coronati Jahrbuch, Nr. Reinalter in Zusammenarbeit mit dem Ins30/ 1993. – Gerlach, Karlheinz: Die Berli- titut für Ideengeschichte, Bd. 14). – Indissoner Freimaurer 1783. Eine sozialgeschichtliche lubilis 1776–1926. Die ersten 150 Jahre des Untersuchung. In: Reinalter, Helmut  /  Ger- Großen Ordens-Kapitels der Großen Landeslach, Karlheinz (Hg.): Staat und Bürgertum Loge der Freimaurer von Deutschland. Handim 18. und frühen 19. Jahrhundert. Studien zu schrift für Kapitelbrüder-Ritter von Westen. Frankreich, Deutschland und Österreich. In- Berlin 1926. – Poselger, (Heinrich): Hundert grid Mittenzwei zum 65. Geburtstag (Schrif- Jahre der St. Johannis-Loge zum Widder von tenreihe der Internationalen Forschungsstel- 1777 bis 1877. Zur Erinnerung an die Säcule „Demokratische Bewegungen in Mitteleu- lar-Festfeier am 3. Februar 1877 (Mit Genehropa 1770–1850“, Bd. 17, Hg. Helmut Rein- migung der Gr. Landes-L. gedruckt.). Beralter). Frankfurt a. Main 1996, S. 191–245. lin 1877. – Possart, Felix: Die St. Johannis– Gerlach, Karlheinz: Die Berliner Freimau- Loge zur Beständigkeit in Berlin von 1775 bis rer 1740–1806. Zur Sozialgeschichte der Frei- 1900. Zum 125jährigen Stiftungsfeste. Handmaurerei in Brandenburg-Preußen. In: Europa schrift für Brüder. Berlin 1900. – Runkel, in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Ferdinand: Die Johannis-Loge zur BestänMühlpfordt, Bd. 4 Deutsche Aufklärung. Hg. digkeit von 1775 bis 1925. Zum 150jährigen v. Erich Donnert. Weimar/Köln/Wien 1997, Stiftungsfest. Handschrift für Freimaurer. BerS. 417–453. – Gerlach, Karlheinz: Theodor lin 1925. – Runkel, Ferdinand: Geschichte Fontanes Großväter Pierre Barthélemy Fon- der Freimaurerei in Deutschland, 3 Bde. Bertane und Jean François Labry (Freimaurer im lin 1932, Nachdr. Königswinter 2006 (Mit e. friderizianischen Preußen, 14). In: Bundes- Nachw. von Peter Broers). – Toeche, Theoblatt, 96. Jg. (1998), H. 2. – Gerlach, Karl- dor: 100 Jahre der St. Johannis-Loge zum golheinz: Johann Karl Ludwig Gerhard und Ge- denen Pflug in Berlin. Den Brüdern dargeorg Karl von Frank genannt La Roche – zwei stellt von Br. Theodor Toeche. Berlin 1876. preußische Bergbeamte (Freimaurer im fride- – Wald, Wilhelm (Hg.): Geschichte der Grorizianischen Preußen, 19). In: Bundesblatt, 99. ßen Landesloge der Freimaurer von DeutschJg. (2001), H. 2. – Gerlach, Karlheinz: Wil- land zu Berlin, Bd. 1: Das erste Jahrhunhelm Friedrich Ernst Bach (Freimaurer im fri- dert des Bestehens umfassend. Berlin 1920. – derizianischen Preußen, 20). In: Bundesblatt, Widmann, A(dolf): Über den Inhalt des ers99. Jg. (2001), H. 5. – Gerlach, Karlheinz: Die ten Fragebuchs und über die Geschichte der Freimaurer im Alten Preußen. 1738–1806. Akten der G. L. L. [Großen Landesloge der Die Logen in Berlin. Innsbruck/Wien/Bo- Freimaurer von Deutschland]. In: Zirkelkorzen 2014. (Quellen und Darstellungen zur respondenz, 1. Jg. (1872), S. 93–104.

Karlheinz Gerlach

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Der Gold- und Rosenkreuzerorden 1779–1789 in Berlin [GRO] Name: Bruderschaft (Orden) der Gold- und Rosenkreuzer. Gründung der Berliner Zirkel: 21.9.1779 Heliconus 1779 Rufus 1780 Neastes 1781 Banderesius 1781 Hilarion. Bestand: Bis Januar 1789. Programm: Der Hauptplan von 1777, das rosenkreuzerische Kerndokument, enthält das esoterische Programm des Ordens, die Ordenslehren, welche die Rosenkreuzer zur Erkenntnis Gottes und der Natur führen sollten. Das spirituelle Programm schöpfte aus dem umfangreichen Fundus der frühneuzeitlichen esoterischen Schriften. Die neun Ordensstufen führten von der Alchemie zur Magie. Der 1. Grad der Juniores (oder Zelators) enthielt bereits das gesamte esoterische Ordensprogramm (Alchemie, Hermetik, Kabbala, Magie), die folgenden Grade dienten der inhaltlichen Ausbildung. Die Grade 1 bis 4 (2. Theoretiker, 3. Praktiker, der das chaotische Extractum minerale bereiten konnte, 4. Philosoph) vermittelten die Grundlagen der Alchemie, die Grade 5 bis 8 (5. der geringere Adept, der Wunderkuren tun konnte und die philosophische Sonne sah, 6. der höhere Adept, 7. der auserwählte Adept mit der Erkenntnis vom Stein des Weisen, der Kabbala und Magia naturali, 8. der Meister, der das große Werk, den Lapis philosophorum, den Stein des Weisen, bereitete) führten in die Laborverfahren ein, die mittel- oder unmittelbar die Herstellung des Steins des Weisen (der Universalmedizin) zum Inhalt hatten. Die Umsetzung des esoterischen Programms war an die Gnade Gottes gebunden. Der 9. Grad der Magie, den vermutlich kein Rosenkreuzer erreichte, sollte über die Kraft der Vorhersage und Wundertätigkeit verfügen und war der Erleuchtung durch göttliche Gnade anheimgestellt. Der spezifische 400

Charakter der Spiritualität der Bruderschaft war somit die Verbindung von christlichen und esoterischen Elementen. – Der Hauptplan definierte zudem das Verhältnis zwischen den Gold- und Rosenkreuzern und den Freimaurern, das dem zwischen den Tempelherren der Strikten Observanz und den Freimaurern entsprach. Der Orden galt als der Ursprung, die Freimaurerlogen als dessen Schöpfung und waren ihm daher untergeordnet. Der Orden wucherte gleichsam in der Freimaurerei. Der Rosenkreuzer und Freimaurer Johann Christoph Woellner formulierte 1782 das Verhältnis so: Die Freimaurerei sei „zu dem Ende von unseren höchsten Ordensoberen erfunden […], dass sie die Pflanzschule abgeben soll, in welcher Menschen vorbereitet und zugezogen werden, um von dort aus in den wahren hohen Orden zu gelangen. Die Freimaurerei ist der Vorhof des Tempels, dessen verborgener Eingang nur den würdigen Freimaurern entdecket und eröffnet wird, und die Hieroglyphen derselben erhalten bloß im Innern unsers hochheiligen Ordens ihre wahre Deutung und Wesenheit und bleiben ohne und außer demselben Schattenbilder ohne Realität und wahres zeitverderbendes Spielwerk“ (H[eliconus]: Vorrede zu: Die Pflichten der Gold- und RosenCreuzer alten Sistems). Geschichte: Die Rosenkreuzerbewegung entstand im frühen 17. Jahrhundert in einer Zeit sozialer, politischer und geistiger Spannungen und Krisen. Sie suchte eine radikale Neuorientierung von Religion, Wissenschaft und Gesellschaft anzubahnen (vgl. Geffahrt, S. 42); erschien aber erst um 1760 als wirkliche Organisation. Sie griff von Süddeutschland, wo die Ordensführung saß, nach Österreich, Ungarn, Sachsen, Brandenburg-Preußen und Russland über. Der neue Gold- und Rosenkreuzerorden war strikt geheim, dicht vernetzt und verfügte über ein einheitliches Programm und eine durchbildete Hierarchie.

Der Gold- und Rosenkreuzerorden 1779–1789 in Berlin [GRO]

[…] Sein unnatürliche(r) Durst nach geheimen Wissenschaften […] verdunkelte nach und nach seinen sonst hellen Kopf, und seine irregeführte Einbildungskraft ließ ihn allenthalben Geheimnisse und Wunder sehen. Von dieser Zeit an stürzte er sich in den bodenlosen Abgrund der Magie und Geisterseherei. Wenn man einmal die gesunde Vernunft verlässt und von ihr verlassen wird, so ist keine Rettung“ (Friedrich Nicolai: Vorrede, Neue Allgemeine Deutsche Bibliothek, Bd. LXVIII, S. II, IV f., VIII f.). Woellner ist möglicherweise von François du Bosc, dem Dresdener Ordenshauptdirektor des Ordenszirkels Soc und vorsitzenden Meister der von ihm gegründeten Leipziger Zinnendorf-Loge Balduin (1776–1780), in den Orden aufgenommen worden und erhielt die Ordensnamen Heliconus und Ophiron. Woellner gründete am 21. September 1779 in Berlin den ersAbb. 78  Teppich (Tapis) der Theoretischen Brüder der Gold- und Rosenkreuzer. ten Zirkel, nach ihm Heliconus benannt. Er ließ seine Versammlungsrede am ersten Konventionstag von dem Hofbuchdrucker GeDer Prinz Heinrichsche Kammerrat Johann org Jakob Decker, wie er Rosenkreuzer mit Christoph Woellner, in den Vereinigten Logen dem Ordensnamen Gareus, „mit aller nötistrikter Observanz Altschottischer Obermeis- gen Vorsicht“ drucken. So sei denn, heißt es ter, lernte spätestens 1777 das Gold- und Ro- in der Widmung für den „hochwürdige(n) senkreuzertum kennen. Damals fiel dem Ber- herzlich geliebteste(n) Vater“, „der Hohe Orliner Aufklärer Friedrich Nicolai an seinem den auch bei uns durch Gottes Gnade und bisher hoch geschätzten ökonomischen Re- Ihrer väterlichen Fürsorge zum wahren Heil zensenten eine „Veränderung in seinen Ge- meiner hiesigen Brüder glücklich gegrünsinnungen“ auf, welche dieser „nur mit halb- det worden“. In den nächsten Jahren folgverständlichen Worten und Anspielungen“ ten in Berlin weitere vier Zirkelgründungen: zu erkennen gab. „Wir wussten oft nicht, was 1779 Rufus mit dem Direktor Generalleuter eigentlich wollte, zumal da er nicht sel- nant Friedrich August Herzog von Braunten dasjenige, was er ganz ernsthaft schien schweig (Nationalgroßmeister der Vereinigten gesagt zu haben, wieder für eine Art von Logen strikter Observanz ), 1780 Neastes mit Scherz ausgab, vermutlich wenn er glaubte, dem Direktor Generalstabsarzt Johann Chrissich etwa allzu deutlich ausgedrückt zu ha- tian Anton Theden (Meister vom Stuhl Zur ben. Freilich, wie sich nachher deutlich zeig- Eintracht), 1781 Banderesius mit dem Direkte, kam dies daher, dass er sich schon längst, tor Kapitän Christian Adam Marschall v. Bieuns unbewusst, sehr tief in das Innere der ge- berstein (Meister vom Stuhl Zum flammenheimen Gesellschaften eingelassen hatte und den Stern), 1781 Hilarion mit dem Direktor von der Zeit an in den hoch gelobten Or- Kammergerichtsrat Johann Wilhelm Bernden der Gold- und Rosenkreuzer alten Sys- hard Hymmen (ML3W), außerdem 1780 tems eingetreten war oder einzutreten strebte. in Potsdam Farferus mit dem Direktor Ma401

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jor Hans Rudolf v. Bischoffwerder (geb. 1741 Georg Wilhelm Eustachius v. Köhler (1769– in Ostramonda, gest. 1803 in Marquard, Ver- 1784, Neastes) und Johann Christian Anton trauter des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, Theden (1784–1794, Zirkeldirektor Neas1758 von der Loge Philadelphia zu den drei tes); Zur Eintracht: Theden (1768–1785) und verbundenen Händen in Halle/Saale aufge- Georg Jakob Decker (1785–1794 Heliconus); nommen, Ritter [Eques] der Strikten Ob- Zum flammenden Stern: Marschall v. Bieberservanz, am 24.12.1779 in Leipzig durch stein (1770–1786; jedoch nicht sein Nachfoldu Bosc in die Bruderschaft aufgenommen, ger Gabriel Philipp de Rapin Thoyras); Zu 1.1.1780 1. Grad, 1780–1789 Zirkeldirektor den drei Seraphim: Karl Anton v. Pénavaire des Zirkels Farferus in Potsdam, Ordensname (1774–1785, Hilarion), Franz Wilhelm MarFarferus Phocus Vibron de Hudlohn, ab den chand (1785–1788, Rufus) und Louis Auguste siebziger Jahren nirgends mehr Mitglied einer Émile François de Guionneau (1788–1818, Freimaurerloge). Rufus, 1804 Nationalgroßmeister) und Zur Die preußische Haupt- und Residenzstadt Verschwiegenheit: Georg Eberhard Friedrich war eine Hochburg der Gold- und Rosenkreu- (1786 nobilitiert) v. Beyer (1778–1818, Hezer. Sie war der Sitz der Hauptdirektion für liconus). Außerdem waren zahlreiche weitere Nord- und Mitteldeutschland (Brandenburg- Logenbeamte (deputierte Meister, Vorsteher, Preußen, Sachsen, Thüringen, außerdem Sekretäre usw.) Rosenkreuzer. Russland). An seiner Spitze stand ein Trium- Um die vier Berliner Johannislogen strikter virat mit Woellner (Kreisdirektor), Herzog Observanz genauer kontrollieren zu können, Friedrich August v. Braunschweig und dem beschloss am 10. August 1782 die rosenkreuköniglichen Kammerherrn Friedrich Ludwig zerische Große National-Mutterloge zu den drei v. Rochow. Weltkugeln [GNML] (bis auf einen waren alle Der GRO war eine Gründung der Führung Mitglieder Rosenkreuzer), dass ihre Mitglieder Berliner Vereinigten Logen strikter Obser- der, eingeteilt in Quadrils, an jeder Logenvanz, deren Erbe er antrat. Der Orden hat- sitzung der unteren Grade teilnehmen sollte 1779–1787 die Berliner Vereinigten Logen ten, und zwar 1) Woellner, v. Köhler, Schultz, fest in der Hand. Beide Vereine waren durch in dessen Abwesenheit Piquot, 2) Peters, Dezahlreiche gemeinsame Mitglieder eng mit- cker, Sostmann, 3) Theden, Buchholtz, Graf, einander verknüpft. Wie die Hauptdirek­ 4) Marschall v. Bieberstein, v. Legat, de Ration sowie die Zirkeldirektorate zeigen, be- pin Thoyras (als einziger kein Rosenkreustand eine große Übereinstimmung zwischen zer), 5) de Pénavaire, Marchand, Hymmen, 6) den Führungen des GRO und der Vereinig- v. Schierstädt, v. Goldbeck, Gause, 7) Fritze, ten Logen. Deren Führung war rosenkreuze- Brendel, Beyer. Woellner begründete diese risch: der Nationalgroßmeister Friedrich Au- Entscheidung mit der nachlassenden Aktivigust v. Braunschweig (ML3W), sein Stellver- tät der Mitglieder, die ihre Kenntnisse doch treter, der Schottische Obermeister Woellner der hohen Gnade der Ordensoberen zu ver(Zur Eintracht) sowie die deputierten (stell- danken hätten. vertretenden) schottischen Obermeister Karl Anders als in den Freimaurerlogen üblich, Ludwig Peters (1780–1785 Zur Eintracht, He- bei denen sich die Anwärter meldeten und liconus), Christian Adam Marschall v. Bie- über deren Aufnahme die Meister abstimmberstein (1785–1786 Zum flammenden Stern, ten, wählten die Ordensoberen des GRO ihNeastes) und Johann Christoph Anton May- nen genehme, durch Gesinnung und Facher (1786–1793 Zur Verschwiegenheit, Neastes), kenntnis geeignete Kandidaten unter größter des Weiteren die vorsitzenden Meister sämtli- Geheimhaltung aus. Sie bevorzugten wohlcher fünf Berliner Logen: ML3W: Ehrenreich bekannte und vertraute Mitglieder der eige402

Der Gold- und Rosenkreuzerorden 1779–1789 in Berlin [GRO]

nen Logen, auf deren Loyalität sie fest bauen konnten. Infrage kamen jedoch nur Freimaurermeister (4., Schottengrad). Die Ordensoberen suchten auch Aufklärer, ihre Gegner, zu werben, wenn sie der Bruderschaft nützlich sein konnten. An Friedrich Gedike traten sie offenbar nicht heran, obwohl er Schottenmeister der Loge Zur Eintracht war. Er ließ an seiner Abneigung gegenüber den Rosenkreuzern keinen Zweifel. In Berlin, schrieb Gedike 1783 in der Berlinischen Monatsschrift (Über Berlin. Von einem Fremden, Vierter Brief  ), sei die Geisterseherei Mode, beim Kronprinzen, in der gehobenen Gesellschaft wie im Volk. „Auch hier sind Rosenfelder und Rosenkreuzer, Goldmacher und Geisterseher, Monddoktoren und Universaldoktoren, Exjesuiten und Lämmleinsgesellschafter. Es gibt hier stockfinsteren dicken Aberglauben unter dem gemeinen, dem wohlhabenden, dem bebänderten und dem durchlauchtigen Pöbel.“ Woellner hoffte dagegen, den Verlagsbuchhändler Friedrich Nicolai, einen Freimaurer, wenn auch nicht in Berlin organisiert, zu gewinnen. Nicolai verfügte über weitreichende Verbindungen und genaue Sach- und Literaturkenntnis. Nicolai berichtete darüber nach dem Tod Woellners. Dieser glaubte wohl, dass er 1781 auf seiner Reise durch Süddeutschland und die Schweiz „ihnen unbekannte Kenntnisse erlangt und besonders auch gewisse Adressen gefunden, wonach sie schon lange gesucht und wovon sie durch mich eine nähere Spur zu finden hofften“. Woellner machte ihm im Ernst „vertraute Eröffnungen über eine Frau, die Erscheinungen hatte“, und über eine „magische Bouteille, welche […] nach der Aussage eines Geistes war verfertiget worden“ und ein „unwiderleglicher Beweis“ sei, dass „Geister dem Menschen erscheinen und auf sie wirken könnten“. Nicolai wies das Ansinnen zurück. Nun warnte man ihn, hierüber nichts öffentlich zu sagen, wollte er sich nicht nach dem Tode Friedrichs II. „unausbleiblichen Unannehmlichkeiten aussetzen“ (Vor-

rede zu Neue Allgemeine Deutsche Bibliothek, Bd. LXVIII, S. X–XII). Nicolai ließ sich nicht einschüchtern, schwieg aber zwei Jahrzehnte. Schwieriger war es für Freimaurer, eine Werbung abzuwehren, wenn sie selbst in der Strikten Observanz führend tätig waren und loyal zu ihren Logenoberen standen, etwa für den neologischen Theologen Johann Friedrich Zöllner oder den Pharmazeuten Martin Heinrich Klaproth. Zöllner war als Propst an St. Nikolai und Mitglied des Oberkonsistoriums dem Königshaus verpflichtet – er schloss die morganatischen Ehen Friedrich Wilhelms II., war aber ein Gegner des Woellnerschen Religionsedikts, Autor der Berlinischen Monatsschrift und Mitglied der  Gesellschaft der Freunde der Aufklärung. Er vereinte in seiner Person den Widerspruch zwischen Aufklärung und Gegenaufklärung. Er war sich dessen bewusst, behielt aber seine Vorbehalte für sich. Zöllner war einer der Reformer der GNML und in seinen letzten Lebensjahren deren Nationalgroßmeister. Ähnlich kritisch sah Klaproth, wie Woellner, Zöllner und Gedike Mitglied der hoch angesehenen Loge Zur Eintracht, die Rosenkreuzer, aber auch er schwieg lange aus Loyalität. Als der Hamburger Freimaurer Friedrich Ludwig Schröder ihn bei seinem Berlinbesuch 1800 fragte, „wie er, als einer der größten Chemiker, sich so lange hätte können betrügen lassen“, entgegnete er, „er habe gleich gesehen, dass es Betrug war, aber ich wollte verhüten, dass meine Kollegen nicht gar zu arg sollten betrogen werden. Anfänglich dachte ich, man wolle uns auf die Probe stellen, wäre ich nicht gewesen, so wäre durch eine Operation, welche alles zerschmettert hätte [Klaproth meinte die rosenkreuzerischen Laborversuche im Palais Friedrich Augusts, der sie nach der Warnung erschreckt einstellte, d. Vf.], ein großes Unglück entstanden. Ich bewies es den hohen Obern, aber sie antworteten nicht“ (Tagebuch, 20. Juli 1800). Die Aufnahme Friedrich Wilhelms Prinz von Preußen in den Orden am 8. August 1781 – er 403

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Abb. 79  Johann Christoph v. Woellner, Gründer und Kreisdirektor Berlin des GRO.

erhielt den Ordensnamen Ormesus magnus –, hatte auch einen politischen Hintergrund. Herzog Friedrich August führte ihn feierlich in den Orden ein, Woellner hielt die Weiherede, v. Bischoffwerder war sein Geleitsmann. Indem sich die Bruderschaft des Thronfolgers versicherte, erhielt sie die Möglichkeit, künftig Einfluss auf den Thronfolger und späteren König und damit auf den Staat zu gewinnen. In diesem Sinne war der GRO eine politische Geheimgesellschaft. Der Orden nutzte die Gelegenheit zu politischer Einflussnahme, als Friedrich Wilhelm seinen Ordensbruder Woellner, einen ausgewiesenen Wirtschaftsund Verwaltungsfachmann, zu Vorlesungen aufforderte. Woellner hielt dem Kronprinzen ab Juni 1784 Vorträge über die Verwaltung und die Finanzen des Staates, die Steuerverwaltung, das Fabriken- und Kommerzwesen, das Forstwesen, die Bevölkerung, die Leibeigenschaft, die Religion. „Diese Vorlesungen“, schreibt der Woellner-Biograf Karl 404

Bailleu, „in ihrer Gesamtheit betrachtet, bilden wohl die schärfste Kritik des friderizianischen Systems, die damals geschrieben ist, und zugleich ein in die Zukunft weit voraus greifendes, grundstürzendes Reformprogramm“. Außerdem erarbeitete Woellner für die Hand des Thronfolgers die Charakteristika von hundert guten Beamten. Als Friedrich II. am 17. August 1786 starb, sahen die Rosenkreuzer ihre Stunde gekommen. Friedrich Wilhelm II. berief mehrere von ihnen in wichtige Staatsämter. Er ernannte den von ihm nobilitierten Woellner 1788 zum Minister des Geistlichen Departements. Woellner sah in einer Aufklärung, die das Volk erfasste, eine Gefahr für den Staat und dessen Reformierung. Er wollte der wahren Religion im Lande empor helfen, „eine Sache, die ihm der Orden sehr hoch anrechnen würde“, andererseits „die Aufklärer […] demütigen“ (Promemoria, 1786). Er dachte an Friedrich Nicolai und Johann Erich Biester, in seinen Augen „Apostel des Unglaubens, welche das bisschen Religion und Gottesfurcht unter den Leuten noch vollends verdrängen“ (Abhandlung über die Religion, 1784). 1788 begann die praktische Umsetzung dieses gegenaufklärerischen Programms. Am 9. Juli 1788 erging das

Edikt, die Religions-Verfassung in den Preußischen Staaten betreffend, Ende des Jahres folgte das ergänzende Erweiterte Zensuredikt. Zu diesem Zeitpunkt hatte indes der GRO bereits als Organisation zu bestehen aufgehört. Im Januar 1787 ordneten die Ordensoberen statt der fälligen Reform im Reich ein Silanum, den Stillstand der Zirkelarbeiten und die Auflösung der äußeren Organisation der Bruderschaft, an. Struktur und Organisation: Die Ordensreform von 1767 gliederte den Orden in Kreise und Zirkel. An der Spitze des GRO standen die unbekannten Hauptdirektoren und an der der Zirkel die nur den Zirkelbrüdern bekannten Direktoren, all denen die Ordensmitglieder gläubigen und blinden Gehorsam zu leis-

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ten hatten. Der Zirkel sollte höchstens neun bruder ja auch noch seine Mitgliedschaft in Mitglieder haben, „weil diese heilige Zahl 3 einer Loge finanzieren musste. Die doppelmal 3 in sich hält und uns zum Zeichen des ten Kosten lagen schwer auf der Tasche eiEndes aller geschaffenen Dinge gesetzt ist“ nes jeden Ordensbruders. Daher überrascht (Johann Joachim Christoph Bode). Der Berli- es nicht, wenn jeder Dritte Mühe hatte, die ner Hauptdirektion unterstanden in Branden- hohen Beiträge aufzubringen, auch wenn die burg-Preußen 42 Zirkel, tatsächlich nur 36, Oberen Zahlungen stundeten oder strichen. weil mehrere Zirkel mit dem neuen Direktor Dennoch, wer in Rückstand geriet, wurde dessen Ordensnamen annahmen, während nicht befördert. die Mitglieder dieselben blieben. Die Zirkel hatten 204 Mitglieder in der Mark Branden- Mitglieder: a) Einzelmitglieder der Berliner burg (Berlin, Potsdam, Frankfurt a. d. Oder, Zirkel des GRO 1779–1789: Axt, Karl HeinBrandenburg a. d. Havel, Züllichau), im Her- rich Friedrich (geb. 1745), Geh. Sekr., Resizogtum Magdeburg (Magdeburg, Aschersle- dent, Zur Eintracht 1777, Neastes 1779 1. ben), in Pommern (Stettin mit Verbindungen Grad, auswärt. Bruder, Ordensname Chrifilanach Stargard und Trollenhagen in Mecklen- tus Verax de Crucifrons; Beyer, Georg Eberburg-Strelitz), im Königreich (Ost-)Preußen hard Friedrich (1739–1818), Geh. Oberrech(Königsberg, Memel) und in Schlesien (Glo- nungsrat, Dir., Zur Verschwiegenheit 1776, gau, Herrnstadt, Wohlau, Oels). Woellner er- 1778–1818 M. v. Stuhl, 1817 zugeordn. Natihielt außerdem von den Zirkeldirektoren in onalgroßm., Heliconus 1779–1786, 1782 8. Dresden, Leipzig, Coburg, Erfurt, Eisenach, Grad, Redner, Ordensname Egregius Ferus Hof, Wildenfels, Trollenhagen, Lübeck, Hei- Victor Herbei de Byrreas; Bockum (Altenligenbrunn bei Danzig, Prag, Neusohl (Gali- bockum), Ernst Johann Bar. v. (geb. 1747), zien) und Moskau die Kalkulationslisten mit Premierleutn., Zum flammenden Stern 1778/ den Namen der Mitglieder teilweise in Ge- 1780, Rufus 1781–1782, 1781 2. Grad, Orheimschrift, mit ihren Charakteristiken, per- densname Alanus Bonus Kreon de Menetresönlichen, rosenkreuzerischen (einschließ- tis); Böhme, Johann Gottlieb (1746–1787), lich der Geheimnamen) und finanziellen Da- Bücher-Auktionskommissar, Zur Verschwieten zugeschickt. Die Letzteren betrafen die genheit 1777–1787, 1784 1. Stew., Rufus geleisteten, dispendierten und geschuldeten 1779–1784, 1783 5. Grad, Ordensname Jonas Rezeptionsgebühren. Die Höhe der Gebüh- Amadeus Behemeon; Bonin, Friedrich Karl v. ren lassen sich nur indirekt erschließen. Die (1740–1810), Kapt. a. D., Postm., Zur EinSummen der geleisteten Rezeptionsgebühren tracht 1770–1810, Banderesius 1781–1784, betrugen 9, 18, 27, 36 Groschen, sodass der 1783 6. Grad, Ordensname Berenitenus Foe­ Monatsbeitrag vermutlich 9 Groschen betrug. dus de Gordios (Gorgos); Boumann, Michael Außerdem war, wie auch in den Logen üb- Philipp Daniel (1747–1803), Oberbaurat, Aslich, jede Beförderung zu bezahlen, die auf sessor, Zur Verschwiegenheit 1775–1803, deden untersten rosenkreuzerischen Grad der put. M. 1795–1803, Altschott. Oberm. 1796, Juniores mit 9 Dukaten (in Gold bzw. 27 Rtlr. Rufus 1779–1788, 1783 5. Grad, Kassierer, in Silber) und mit jedem höheren Grad um Ordensname Philammon Cephalus Pinupi; weitere 9 Dukaten erhöht wurde, also für den Brendel, Johann Gottfried (1730?–1805/06), 2. Grad des Theoreticus 18 Dukaten betrug Geh. Kriegsrat, Exped. Sekr., Zur Eintracht usw. Dies waren noch nicht alle Kosten, weil 1762–1805, 1768 Sekr. für III./IV. Grad, das Mitglied auch noch die Ordenskleidung, 1775–1791 2. Vorst., 1796–1801 1. Großdie Anschaffungen der Zirkel u. a. zu bezah- vorst., StO: VII. Provinz Präfektur Templin, len hatte. Zu bedenken ist, dass der Ordens- 1770 Frater a corona, Banderesius 1781 Senior 405

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(Stellvertreter d. Dir., Aktuar), Ordensname in Frankfurt (Oder) 1778, Zum flammenden Nodus Geberion de Florandis; Buchholtz, Stern 1781–1792, Heliconus 1780–1785 ausFriedrich August Ludwig (geb. 1743), Hofrat, wärt. Bruder, 1781 4. Grad, 1785 Ferreus in Landrentm., Mutterloge zu den drei Weltkugeln Königsberg/Pr., Ordensname Philomederus 1767/1775, Zur Eintracht 1769–1784, 1770/ Cevicennus Fodiforus de Flammis; Dörnberg, 1777 Redner, 1778/1780 Großredner, Neas- Friedrich Karl Frhr. v. (1754–1803), Kamtes 1782–1784, 1783 4. Grad, Ordensname merherr der Pzn. Amalia v. Preußen, Zu den Ballendus Jovizethus Crucifoldus Chutgrus; drei Seraphim 1779, 1781–1786 Sekr., Hila­ Campagne, Karl Joseph v. (geb. 1751), Leutn., rion 1781–1784, Ordensname Regulus ForriZum flammenden Stern 1776/1784, Bandere­ con (Dorricon) Faber de cedris; Eugen Friedsius 1781–1784, 1785 5./6.? Grad, Ordensna- rich Heinrich Pz. von Württemberg-Stuttme Sophus Clarus Megapon de Jeia; Decker gart (1758–1822), Oberst, Regimentschef, sen., Georg Jakob (1732–1799), Oberhof- Feldloge in Troppau 1778/79, Zu den drei Sebuchdrucker, Zur Eintracht 1762, 1768–1776 raphim 1779, Friedrich zur Tugend in Branden1. Vorst., 1778–1785 deput. M., 1785–1794 burg (Havel) 1779–1806, Mitgründer, Schl. M. v. Stuhl, StO: VII. Provinz Präfektur Tem- Nationalloge Christian zum Firmament 1788/ plin, 1768–1771 auch Afrik. Bauherrenloge, 1792, Friedrich zum goldenen Zepter in Breslau Heliconus 1779–1786, 1785 8. Grad, Kassierer, 1788 M. v. Stuhl, Rufus 1780 auswärt. Bruder, Ordensname Gobii Gareus Keder Cocus; Helenus in Brandenburg (Havel) 1781–1782, Deutsch, Christian Wilhelm (geb. 1741), Senior (Stellvertreter d. Dir., Justitiar), PhiloKriegsrat, Administrator, Philadelphia zu den crates in Glogau 1782, Ordensname Victrinus drei goldenen Armen in Halle (Saale) 1763, Zur Egregius Enverus Trifer de Dimibard; ForesEintracht 1764, 1771 Schatzm. d. kombinier- tier, Johann Karl v. (geb. 1753?), Leutn., Zu ten Mutterloge u. Concorde, StO: VII. Provinz den drei Seraphim 1775–1782, 1776–1782 Präfektur Templin, 1771 Frater Christianus a Sekr., Rufus 1781–1782, 1781 2. Grad, Orfonte (fonde), Heliconus 1779, Farferus 1780– densname Coralinus Faustus Pareon Victor de 1787, Ordensname Viventius Sehistar (Schis- Essaeis; Francke, Johann Friedrich Wolfgang tus) de Chrumhall; Dietzsch, Johann Fried- (1745–1819), Sekondeleutn., Zum flammenrich Rudolf (geb. 1730?), Hofrat, Dir., Zu den den Stern 1775, 1777 2. Vorst. d. Stewardsloge, drei Degen in Halle (Saale) 1766, Zur Eintracht 1780/1784 2. Vorst., Neastes 1782–1783, 1768, Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1775– 1782 2. Grad, Ordensname Cedrus Fluvigerus 1784, Heliconus 1780–1785 auswärt. Bruder, Sangoniom Cirathkan (Ciraffkun); Friedrich 1783 2. Grad, Ordensname Joannes Zophorus August Hz. von Braunschweig-LüneburgFerarchus Dies Dilide; Dittmar, Christoph Oels (1740–1805), Generalleutn., RegimentsNathanael (1741–1792), Justizkommissar, Jus- chef, Gouverneur, StO: 1771 Braunschweiger titiar, Zur Eintracht 1778–1792, 1782 Biblio- Kapitel, 1772 Superior ordinis in d. Preußithekar, 1783/84 2. Vorst., 1786–1792 1. schen Staaten, Präfekt in Templin, Friedericus tio­ nalVorst., Neastes 1784, 2. Grad, Ordensname Eques a leone aureo, 1772–1799 Na­ Theophilus Michaos Duranthon; Dittmar, großm. in den Preußischen Staaten, Rufus Theodor Jakob (1734–1791), 1. Prorektor, 1779–1787, Dir., Mitglied d. Triumvirats, OrProf. für Geographie, Geschichte, dt. Stil, Zur densname Rufus Bubruma (Bubnuma) Vir Verschwiegenheit 1781, 1783 2., 1784 1. Biblio­ rectus de Lunegurgis et Gaudies; Friedrich thekar, Neastes 1784, 3. Grad, Ordensname Wilhelm Pz. von Preußen, 1786–1797 Kg. Bichamus Rotatus Edorodi; Dönhoff-Ho- von Preußen (1744–1797), Zu den drei goldehendorf, Paul Aemilius Friedrich Magnus Gf. nen Schlüsseln 1772–1786 EM, GRO 8.8. v. (geb. 1748), Leutn., Zum aufrichtigen Herzen 1781, Ordensname Ormesus Magnus, 1782 406

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8. Grad; Friese, Georg Wilhelm Jakob (1739– 1786), Kammergerichtsrat, Assessor, Philadelphia zu den drei goldenen Armen in Halle (Saale) 1759, Zur Eintracht 1777–1786, 1778– 1785 Redner, Neastes 1779, Redner, 1780 Senior (Stellvertreter d. Dir., Justitiar), 1783 4. Grad, Ordensname Ficus (Vicus) Vigorosus Geberus a Milleteli (mille vehi); Fritze, Johann Friedrich (1735–1807), Dr. med., Charitéarzt, Prof. d. Therapie, Philadelphia zu den drei goldenen Armen in Halle (Saale) 1763, Zur Eintracht 1764–1794, 1775–1791 Krankenpfleger (1775 Großalmosenier), StO: VII. Provinz Präfektur Templin, 1769 Eques a serpente (auch a globo aureo), Neastes 1782– 1784, 1782 1. Grad, Ordensname Idineas Zethus Efferon Riej; Gause, Wilhelm Chris­tian (1740–1786), Hofrat, Kammergerichtsrat, Zur Eintracht 1769, 1772 Schatzm. aller drei Logen (Mutterloge, Eintracht, L’Amitié), 1778 Stewardsloge (Mitglied d. Bibliothekskasse, 1779 deput. M.), 1780 Großschatzm., 1786 deput. Oberm., Neastes 1779, Heliconus 1781–1782/83, 1783 8. Grad, Ordensname Thalamogus Chreshilinus (Chressilinus) Vivus; Gohl, Johann Christian Samuel (1743–1825), Intendant, Hofmarschall Friedrich Augusts Hz. v. Braunschweig, Zu den drei Seraphim 1784, 1786 Großsekr., 1797 Altschott. Direktorium, 1799–1823 Großarchivar, Neastes 1780–1783, Rufus 1784–1788, 1784 5. Grad, Actuarius, Ordensname Celosus (Celofus) Magnus Nathaniel Hyfor (Hufor); Goldbeck, Heinrich Julius Bar. v. (1733–1818), Kammergerichtspräsident, Generalpostamtsdir., Zur Eintracht 1768–1800, StO: VII. Provinz Präfektur Templin Eques a cratere, Heliconus 1779–1786, 1782 8. Grad, Aktuar, Ordensname Cubus Chondrillus de Kegey; Graf, Karl Friedrich (1722–1792), Geh. Sekr., Mutter­ loge zu den drei Weltkugeln 1761 Schatzm., Schottenloge Zum roten Löwen 1761 Sekr., Zur Eintracht 1761, 1768–1772 Sekr. für III./ IV. Grad, 1775–1791 1. Vorst., 1784 Bibliothekar, StO; VII. Provinz Präfektur Templin, 1768 Eques a hyacintha alba, Banderesius

1781–1784, 1784 4. Grad, Actua­r ius, Ordensname Rogarius Flacius Ferridi; Grothe, Karl Gottfried (geb. 1746), Geh. Sekr., Zu den drei Seraphim 1774, 1775 2. Stew., 1778–1784 Schatzm., 1786 Sekr., 1787 Großsekr., 1788/ 1791 1. Vorst., 1788/1796 Großschatzm., 1796 2. Großvorst., Neastes 1784–1788, 1788 4. Grad, Ordensname Cedrus florus Godogorothu; Grynaeus, Johann Daniel (1736?– 1784), Leutn., Zum flammenden Stern 1775, 1777–1784 Schatzm., Hilarion 1781, 1781 1. Grad, Ordensname Genius Jonas Laenedrian; Guionneau, Louis Auguste Emile François de (1749–1829), Leutn., Flügeladj. Friedrich Augusts Pz. v. Braunschweig, Zum flammenden Stern 1774, 1775–1788 Sekr., Zu den drei Seraphim 1788–1818 M. v. Stuhl, 1803 Altschott. Oberm., 1804–1829 Nationalgroßm., Rufus 1779–1788, 1781 5. Grad, Redner, Ordensname Montgallion sauvé de la vie guisée (guerée); Hagen, Johann Philipp (1734–1792), Amtschir., Assessor, Hebammenlehrer, Zur Eintracht 1773, 1775 Armenpfleger, 1777– 1792 Schatzm., Neastes 1779–1788, 1779/1781 Kassierer, 1781 4. Grad, Ordensname Phile­ sius Phoenipagon; Hecker, Johann Christian Nathanael (1753–1810), Realschullehrer, Zur Eintracht 1777–1809, 1778–1782 Bibliothekar, 1786–1792 2. Vorst., 1793–1801 1. Vorst., 1801–1809 deput. M., 1796–1806 Großredner, Neastes 1784–1788, 1788 1. Grad, Ordensname Chrisinus Thanat Hales a Senne­ jeka; Hohenhausen u. Hochhaus, Sylvius Franz Xaver Bar. v. (1742?–1804), Premierleutn., Afrik. Bauherrenloge 1770, Zum goldenen Schiff 1774, Zum flammenden Stern 1775– 1804, Banderesius 1784, 1784 1. Grad, Ordensname Chiliarchus Funiforus de Heunesse; Hymmen, Johann Wilhelm Bernhard (1731– 1787; 1786 nob.), Geh. Justiz-, Hof- u. Kammergerichtsrat, Zu den drei Zirkeln in Stettin 1764/1767, Afrik. Bauherrenloge in Berlin 1774, Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1771– 1785, 1774 Redner, StO: VII. Provinz Präfektur Templin, 1771 Bernhardus Eques a lyra, Hilarion 1781–1784, Zirkeldir., 1784 5. Grad, 407

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Ordensname Mundanus Hilarion Hem; Jugel, Johann Gottfried (1707–1786), Montanist, Metallurg, Alchemist, 1742–1771 preuß. Bergdir., in Berlin, 1781 mit Woellner Hg. d. rosenkreuzerischen Lehrschrift Annulus Platonis, schrieb Physica mystica et Sacra sacratissi-

ma, eine Offenbarung der uns unsichtbaren magnetischen Anziehungskraft aller natürlichen Dinge (Berlin/Leipzig 1782), Loge nicht ermittelt, Hilarion 1781, Heliconus 1782–1785, 1782 8. Grad, Ordensname Janus Leofidus Edegorgon; Klaproth, Martin Heinrich (1743–1817), Apotheker, Assessor d. Pharmazie, Prof. d. Chemie, Zur Eintracht 1776–1817, 1778 Sekr. d. Stewardsloge, 1794–1815 M. v. Stuhl, 1801 Großsekr., 1804–1817 deput. Nationalgroßm., Heliconus 1779–1786, 1783 8. Grad, Manipulant, Ordensname Philocritus Traminus Krean; Kleist, Felix Friedrich v. (1726– 1792?), Major, Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1764–1788?, 1768 1. Vorst., 1778/79 Deputationsmilitärloge zum flammenden Stern in Landeshut/Schl., StO: VII. Provinz Präfektur Templin 1766, Fridericus Eques a rosa nigra, Neastes 1779 auswärt. Bruder, Philocrates in Glogau 1779, 1781 3. Grad, Aktuar, 1784 8. Grad, auswärt. Bruder, Ordensname Felix Keilitroff (Keilytruff) de Cherson; Kleist, Karl Friedrich Bar. v. (geb. 1726), Andreasloge in Königsberg/Pr. 1760 2. Oberaufs., Zu den drei Kronen in Königsberg 1761 2., 1763 1. Aufs., StO: VII. Provinz Präfektur Königsberg 1764, Heliconus 1780 auswärt. Bruder, dann Ferreus in Königsberg, Sophon in Memel 1782–1784, Ordensname Ciricollus Refestus de Idrick; Knyphausen u. Innhausen, Karl Gustav Frhr. zu (1749–1841), Leutn., königl. Kammerherr, Zum flammenden Stern 1780, Banderesius 1781–1784, 1783 3. Grad, Ordensname Knurysigus Vastus de Phaleron; Köhler, Ehrenreich Georg Wilhelm Eustachius v. (1729–1784), Gutsherr, Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1758–1761 2. Vorst., 1769/1775–1784 M. v. Stuhl d. kombinierten Berliner Logen, StO: VII. Provinz Präfektur Templin 1764 Georgius eques ab alis nigris, 408

1769 Hauskomtur d. Kommende Brandenburg, Neastes 1782–1784, 1783 4. Grad, Ordensname Chiliarchus Millegogus Vivus Rechky Efferetus de Eneu; Legat, August Christian Heinrich v. (1732–1816), Major, Zum flammenden Stern 1773, 1775 1. Stew., 1777–1778 deput. M. d. Stewardsloge, 1778 Mitgründer Deputationsmilitärloge zum flammenden Stern in Landeshut/Schl., 1779 2. deput. M., Rufus 1779–1783, 1781 Kassierer, 1783 5. Grad, Kassierer, Ottocarus 1784–1785 in Heiligenbrunn bei Danzig, Ordensname Nigrinus Chalastricus de Severtaguth; Lestwitz, Karl Rudolf Bar. v. (gest. 1803), Herr auf Ober-Tschirnau/Schl., Zur gekrönten Schlange in Görlitz 1767, Cherub vor Eden in Glogau 1779 Leiter d. I./II. Grades, Mutterloge zur goldenen Himmelskugel in Glogau 1780– 1792 M. v. Stuhl, Schl. Nationalloge Christian zum Firmament 1792, StO: VII. Provinz Präfektur Appelstädt, 1772 Carolus eques ab aequitate, Neastes 1779 auswärt. Bruder, Philocrates in Glogau 1779–1789 Ober-/Hauptdir., Ordensname Vultus Philocrates de Zuludros; Marchand, Franz Wilhelm (1738–1788), Kommerzien- u. Kabinettssekr., Polizeiinspektor, Zur Eintracht 1764, Zu den drei Seraphim 1774 Mitstifter, 1774–1775 2. Vorst., 1775– 1778 1. Vorst., 1785–1788 M. v. Stuhl, 1774– 1786 Großsekr., StO: VII. Provinz Präfektur Templin, Eques a castore, Rufus 1779–1788, 1779 4. Grad, Aktuar, 1783 5. Grad, 1784 Senior (Stellvertreter d. Dir., Justitiar), Ordensname Ulmus Rhustans (Rhusticus) de Machina Crucis; Marschall v. Bieberstein, Christian Adam (1732–1786), Major, Prälat, Dir., Zur Eintracht 1765, Zum flammenden Stern 1770–1786 Stifter, M. v. Stuhl, bis 1785 Schatzm. Mutterloge zu den drei Weltkugeln, 1785–1786 Altschott. deput. Oberm., StO: VII. Provinz Präfektur Templin, 1767 Eques ab oleo virente, Neastes 1779, 1779 1. Grad, Senior (Stellvertreter d. Dir., Justitiar), Banderesius 1781–1784 Zirkeldir., 1783 7. Grad, Ordensname Banderesius Armillatus Bates de Schwichtron; Mayer, Ernst Christian Fried-

Der Gold- und Rosenkreuzerorden 1779–1789 in Berlin [GRO]

rich (geb. 1755), Geh. exped. Sekr., Referen- 1783?, 1782 4. Grad, Thesaurarius, Ordensnadar, Zur Eintracht 1775, Zu den drei Zirkeln in me Torquatus Pison de Enip; Ritter, Johann Stettin 1775, Neastes 1779–1781, 1781 4. Christoph (1744–1826), Forstkondukteur, Grad Actuarius, Ordensname Christianus sin- Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1762, Maria cerus a fide Trummey Reverus; Mayer, Jo- zum goldenen Schwert in Köslin 1777, vor hann Christoph Andreas (1747–1801), Dr. 1802 Zur Eintracht, 1797–1807 Großzeremomed., Prof. d. Med., a. in Leiden, Mutterloge nienm., Geh. Ordenskanzlist, Neastes 1779, zu den drei Weltkugeln 1773, Zur Verschwie- 1782 4. Grad, Dienstbruder, Ordensname genheit 1775 3. Vorst., Bibliothekar, Zum auf- Iphi­crates tertius Hornoscron; Rochow, richtigen Herzen in Frankfurt (Oder) 1778– Friedrich Ludwig v. (1745–1808), Leutn. 1786/87 M. v. Stuhl, Zur Verschwiegenheit a. D., königl. Kammerherr, Grundherr, Zur 1786/87, 1786/87–1793 deput. Oberm., Ne- Verschwiegenheit 1777, 1778 2. Vorst., Zum astes 1779 auswärt. Bruder, Homerus in Frank- flammenden Stern 1786–1796, Heliconus 1779, furt 1780–1784/1787 Oberdir., Ordensname 1780 7. Grad, Senior (Stellvertreter d. Dir., Ranastrinus Homerus de Chrysopoeia,; Pap- Justitiar), Mitgl. d. Triumvirats, Ordensname pelbaum, Georg Gottlieb (1745–1826), Feld- Cruciflorus Redivivus de Rudoch; Rückling, prediger, Diakon, Zur Eintracht 1780, 1784– Johann Arnold Gottlieb (geb. 1747?), hzl. 1786 2. Bibliothekar, 1793–1796 u. 1805/06 braunschweig. Ingenieurleutn. bei Friedrich Redner, 1794/1803 Armenpfleger, 1801/1803 August Pz. v. Braunschweig, Zum flammenden Vorbereit. Bruder, 1803–1815 Großalmose­nier, Stern 1777, 1786–1791 Schatzm., Rufus Hilarion 1781–1784, 1784 2. Grad, Kassierer, 1783–1788, 1783 2. Grad, Ordensname CoeOrdensname Amadeus Pampigogus Plerubea; limagus Radiannus Dilinas Hekron; Schier­ Pénavaire, Charles Antoine de (1732–1788), stedt, August Wilhelm Ludwig v. (1746– Hofmarschall Friedrich Augusts Pz. v. Braun- 1830), Kapt., Zur Eintracht 1767, Mutterloge schweig, Dir., L’Amitié aux trois Colombes zu den drei Weltkugeln 1775–1802, StO: VII. (RY) in Berlin 1757, Mutterloge zu den drei Provinz Präfektur Templin, Heliconus 1779– Weltkugeln 1757–1769, Zur Eintracht 1770, 1786, 1779 8. Grad, Geh. Registrator b. DiZu den drei Seraphim 1774–1785 Stifter, M. v. rektorium, 1784 Kreiskassierer, Ordensname Stuhl, StO: VII. Provinz Präfektur Templin, Soldidecus Tuvar Vestigator de Chur; Schopp, 1771 Eques a tribus columbis, Hilarion 1781– Johann Friedrich (1728?–1797), Dr. med., 1784, 1782 im 2. Grad dispens., 1784 4. Grad, Arkanist, Zu den drei goldenen Schlüsseln Senior (Stellvertreter d. Dir., Justitiar), Or- 1774–1782, 1773 Großsekr., 1777–1778 1. densname Capareus Velatus (Philatus) Orion Aufs., Großes Ordenskapitel Indissolubilis, Bande Nina; Peters, Karl Ludwig (1736–1785), deresius 1781–1784, 1781 1. Grad, OrdensnaFinanzrat, 1. Rechnungsdir., De la parfaite me Cippus Scridion Charitons; Schroetter, Union in Stettin 1763, Zur Eintracht 1764– Friedrich Leopold Frhr. v. (1743–1815), Kapt., 1785, 1776–1779 1. Vorst., 1780–1785 deput. Zu den drei Kronen in Königsberg 1764, 1774 Oberm., bis 1771 auch Afrik. Bauherrenloge, Bibliothekar, 1779–1787 2. Vorst., erarbeitete StO: VII. Provinz, Präfektur Templin, Eques a Gesetze für Johannisgrade, Große Nationalcolumna, Heliconus 1779, 1783 8. Grad, Kas- Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1802 EM, sierer, Ordensname Loturus Radicescus Vol- StO: VII. Provinz Präfektur Königsberg, Senior pe; Piquot, Johann Peter (1728?–1786), Franz. Capituli, Heliconus 1780 auswärt. Mitglied, Obergericht-Aktuar, Assessor, Registrator, 1786 6. Grad, Ferreus in Königsberg 1782– Zur Verschwiegenheit 1775, 1775 Armenpfle- 1786 Zirkeldir., Ordensname Chodipharus ger, 1777/1778 Stewardsloge, 1778–1784 1. Ferreus Leobetor de Redoctis; Schultz, AuVorst., Assistent d. Großschatzm., Neastes 1779– gust Ludwig (1725?–1803), Kriegsrat, De409

5 Freimaurer-Logen

chant, Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1752, Stuhl, 1815 Großsekr., Hilarion 1781–1784, Zur Eintracht 1764–1778, Ferdinand zur 1784 4. Grad, Ordensname Nezellithon RediGlückseligkeit in Magdeburg 1778–1803, Stif- vivus Verax Rniftagran de Tune; Woellner, ter, StO: VII. Provinz Präfektur Templin, 1765 Johann Christoph (1732–1800; 1786 nob.), Augustus eques a faro, Rufus 1779–1783, Se- Pz. Heinrichscher Kammerrat, Rendant, Zur nior (Stellvertreter d. Dir., Justitiar), Schedifer Eintracht 1768, Zu den drei Seraphim 1774– in Magdeburg 1786, Ordensname Clusus 1798, 1775–1797 Altschott. Oberm., 1791– Gusthura (Gusthaze); Schwahn, Christian 1799 zugeordneter Nationalgroßm., StO: Gottlieb (geb. 1740), Kaufmann, Zur Ein- 1768 Eques a cubo, 1775 Präfekt d. Präfektur tracht 1777, Neastes 1779–1781, Ordensname Templin, Heliconus 1779 Gründer, Zirkeldir., Chimarchus Justus Suhanadon; Sieburg, Ge- 1780 Oberhauptdir. in Brandenburg-Preußen org Justus (1754–1822), Manufakturunter- einschl. Sachs., Thür., Meckl., Russl., Ornehmer, Pégase 1778–1782, Zur Eintracht densname Heliconus Solaster Ruwenus Ophi1782, Hilarion 1784–1788, 1. Grad, Ordens- ron; Zöllner, Johann Friedrich (1753–1804), name Vivus Egregius Bigustor; Sostmann, Charitéprediger, Archidiakon, Propst, Zum Nikolaus Friedrich (1724?–1799), Kriegs- aufrichtigen Herzen in Frankfurt (Oder) 1777, kommissar, Rendant, Zur Verschwiegenheit Zur Eintracht 1779–1804, 1784–1791 Groß1775, 1775–1780? Schatzm., 1780 1. Stew., redner, 1799–1804 Nationalgroßm., Neastes 1791 M. v. Stuhl d. Stewardsloge, Rufus 1779, 1780, 1782 4. Grad, 1782/1783 Redner, 1783 Banderesius 1781, 1784 7. Grad, 1782/1784 Aktuar, 1788 Senior (Stellvertreter d. Dir., Janitor (Pförtner), 1783 Aktuar, Ordensname Justitiar), Ordensname Zeus Rorelion Nadir Crates Mirificulosus de Saron; Teichert, Jo- Cinifer. – Dienstbrüder: Gerloff, Johannes hann Gottfried Emanuel, in keiner branden- Christian Bernhard (geb. 1742?), Kammerhuburg-preuß. Loge ermittelt, Rufus 1780–1782 sar Friedrich Augusts Pz. v. Braunschweig, 1. Grad, Ordensname Eventinus Chamaleon Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1777 dieGestrop (Gestor) de Rudof; Theden, Johann nender Bruder, Rufus 1783–1788, 1783 2. Christian Anton (1714–1797), Generalchir., Grad, Ordensname Heridonus Refflictus La parfaite Union in Stettin 1762?, Zu den drei Rhonnas Legishabron; Laue, Johann HeinZirkeln in Stettin, Mitgründer, 1763–1765 M. rich, in keiner brandenburg.-preuß. Loge erv. Stuhl, Zur Eintracht 1765, 1768–1784 M. v. mittelt, GRO 1780–1788, 1781 Manipulant, Stuhl (Hauskomtur), Mutterloge zu den drei 1782 8. Grad, Ordensname Enniarchus NaWeltkugeln 1784–1794 M. v. Stuhl, StO: VII. jeus Leo, Dienstbruder?; Ritter, Johann Provinz Präfektur Templin, 1766 Antonius Christoph, Neastes 1782 Dienstbruder (s. o.); eques a tarda, Neastes 1779, Zirkeldir., 1781 8. Taumeyer, Johann Heinrich (geb. 1739?), Grad, Ordensname Neastes Justus Archon de Viktualienhändler, adjunkt. Ausrufer d. BüJanthinion; Überson, Johann Christian, in cher-Auktionskommission am Kammergekeiner brandenburg-preuß. Loge ermittelt, richt, Zur Eintracht 1775, Mutterloge zu den Neastes 1780 1. Grad; Winterfeld, Christian drei Weltkugeln 1780/1791 dienender Bruder, Alexander Vivigenz v. (1754–1822), Kam- Heliconus 1780–1786, 1780 1. Grad, Ordensmergerichtsreferendar, Assistenzrat, Zum auf- name Anyacethus Ireneus Hermion. – b) richtigen Herzen in Frankfurt (Oder) 1776, Mitgliederstruktur: Die fünf Berliner Zirkel Zum flammenden Stern 1777, Zu den drei Sera- hatten insgesamt 67 Mitglieder: Heliconus 16 phim 1778 Redner, 1780 Stewardsloge, 1780/ (darunter vier auswärtige Brüder und ein die1784 1. Vorst., Zu den drei Kronen in Königs- nender Bruder), Rufus 16, Neastes 21, Bandeberg/Pr. 1784–1809, 1787 Sekr., 1794 deput. resius 7, Hilarion 7. Jeder dritte brandenburgM., 1799 deput. Oberm., 1804–1809 M. v. preußische Rosenkreuzer war in Berlin orga410

Der Gold- und Rosenkreuzerorden 1779–1789 in Berlin [GRO]

nisiert. Acht Brüder der Berliner Zirkel waren Auswärtige, u. a. Friedrich Leopold Freiherr v. Schroetter, ein Kantianer und späterer preußischer Reformer, und der Arzt Johann Christoph Andreas Mayer. Fünf Zirkelmitglieder sind in keiner Freimaurerloge BrandenburgPreußens ermittelt, und zwar der Mineraloge Johann Gottfried Jugel (Heliconus), der 1782 wegen „Unfolgsamkeit“ ausgeschlossene Johann Gottfried Emanuel Teichert (Rufus), der Hofmeister Johann Christian Überson (Neastes), der 1780 in Westpreußen eine Stellung fand, sowie Johann Heinrich Laue und Johannes Christian Bernhard Gerloff, Kammerdiener des Zirkeldirektors Friedrich August v. Braunschweig, beide vermutlich Dienstbrüder (Rufus). Sie waren wohl dennoch Freimaurer, mit Sicherheit „Br[uder] Jugel“, dessen Begräbniskosten die ML3W am 10.8.1786 übernahm (GStA PK, Freimaurer, 5.1.4. Nr. 1301). 62 Rosenkreuzer (92,5 Prozent) kamen aus Logen der Strikten Observanz, von ihnen 54 (81 Prozent) aus den Berliner Vereinigten Logen. Lediglich Dr. med. Johann Friedrich Schopp, Arkanist (Chemikus) der königlichen Porzellanmanufaktur, war zuvor (1774– 1782) Mitglied einer Zinnendorf-Loge (Zu den drei goldenen Schlüsseln), schloss sich nach seinem Austritt aber keiner anderen Loge mehr an. Der Zirkeldirektor Theden charakterisierte ihn als einen sehr rechtschaffenen, aufrichtigen, aber etwas empfindlichen und hitzigen Mann, der es vielleicht nicht mit seinem Gewissen vertrug, zugleich Rosenkreuzer und Zinnendorfer zu sein. Schopp war übrigens nicht der einzige Rosenkreuzer aus der Großen Landesloge, die den GRO heftig ablehnte und eine Mitgliedschaft verbot. Der Potsdamer Zirkel Farferus Johann Rudolf v. Bischoffwerders hatte in seinen Reihen drei Mitglieder der Zinnendorf-Loge Minerva, den späteren Generalquartiermeister Friedrich Wilhelm Erhart v. Knobloch, den Hofmeister Johannes David Bräunlich und den späteren Generalchirurg Johann Görcke. Der Grund bestand wohl in der Nähe v. Bischoff-

werders und der Loge Minerva zum Kronprinzen Friedrich Wilhelm, einem Freimaurer und Rosenkreuzer. 25 Zirkelmitglieder waren zugleich Mitglieder der Freimaurerloge Zur Eintracht, deren Stuhlmeister Theden zugleich Zirkeldirektor von Neastes war. Die anderen waren Mitglieder der Logen Zum flammenden Stern (10), Zur Verschwiegenheit (8), Zu den drei Seraphim (6) und der ML3W (4). Die Sozialstruktur der Ordenszirkel war differenziert wie die der Freimaurerlogen und erfasste alle relevanten Berufe, wenn auch anders verteilt. Herangezogen werden nur die 65 Vollmitglieder. Die meisten Ordensbrüder waren Bürgerliche (absolut 44 bzw. 78,6 Prozent gegenüber 26 Adligen, von ihnen 3 Nobilitierte und 3 Hochadlige). Die Beamten (absolut 27 bzw. 41,5 Prozent), unter ihnen 16 Räte, und Offiziere (absolut 22 bzw. 33,8 Prozent), meist Leutnants (11), außerdem je ein Generalleutnant, Oberst und Major, zwei Kapitäne sowie je ein Feldprediger und Militärarzt, machten die große Mehrheit der Berliner Ordensbrüder aus (75 Prozent). Die Rosenkreuzerzirkel fußten im Staatsapparat. Alle anderen Berufsgruppen, die Unternehmer (3), die Erbund Grundherren (3) sowie die Intellektuellen (1 Theologe, 3 Pädagogen) waren nur in geringer Zahl vertreten, am häufigsten noch die für die Laborarbeiten unverzichtbaren naturwissenschaftlich gebildeten Ärzte, Chirurgen, Apotheker und Mineralogen (6). Künstler fehlten ganz. Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: GStA PK, Rep. 92, Woellner II, 24 Bl. 33. – GStA PK, Freimaurer, 5.1.4. Nr. 2279, 4028, 4130, 4131, 4150, 4152, 4159, 4172, 4175, 4238, 4245, 4247, 4270. – GStA PK, VI. HA Nachlass Woellner, J. Chr. v., Nr. 18– 25, 34–38, 75 (Nr. 18 Ordensschrift, Chiffren. – Nr. 19 Manuskripte zu Aufsätzen, Reden, 1764, 1771–1795. – Nr. 20 Urkunden über Beförderungen und Amtsübertragungen, 1771–1780. – Nr. 21 Berichte von Ro411

5 Freimaurer-Logen

senkreuzern, 1776–1787. – Nr. 22 Kalkula- phie, Bd. 44 (1896, Ndr. 1971), S. 148–158. turtabellen verschiedener Rosenkreuzerzir- – Frick, Karl R[ichard] H[ermann]: Die Erkel, 1779–1792. – Nr. 23 Ordensangehöri- leuchteten. Gnostisch-theosophische alchege an die Triumviratsvorsteher des deutschen mistisch-rosenkreuzerische GeheimgesellGeneralrats; Ordensangelegenheiten, 1780, schaften bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. 1783, 1786. – Nr. 24 „Rosenkreuzergeheim- Ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Neunisse“, 1781–1786. – Nr. 25 Berichte an die zeit. Graz 1973. – Geffarth, Renko D.: ReliOberhauptdirektion des Rosenkreuzerordens gion und arkane Hie­rarchie. Der Orden der und Antworten darauf, 1784, 1787. – Nr. 34 Gold- und Rosenkreuzer als Geheime KirBriefwechsel in Freimaurerfragen, 1768– che im 18. Jahrhundert. Leiden/Boston 2007 1778. – Nr. 35 Woellner u. a. an Ordensobe- (Aries Book Series. Texts and Studies in Wesre, an Prinz Ludwig von Hessen-Darmstadt, tern Esotericism, 4). – Gerlach, Karlheinz: Hemmann an Woellner, 1775–1787. – Nr. 36 Die Gold- und Rosenkreuzer in Berlin und Briefwechsel mit Herzog Friedrich Au- Potsdam (1779–1789). Zur Sozialgeschichte gust von Braunschweig (Rufus), 1777–1791. des Gold- und Rosenkreuzerordens in Bran– Nr. 37 Briefwechsel mit König Friedrich denburg-Preußen. In: Quatuor Coronati Jb., Wilhelm II. über Ordenssachen, 1787–1796. Nr. 32/1995, S. 87–147. – Gerlach, Karlheinz: – Nr. 38 Johann Rudolf v. Bischoffwerder Die Freimaurer im Alten Preußen. 1738– (Farferus) an [Woellner?] und an Friedrich 1806. Die Logen in Berlin. Innsbruck/Wien/ August v. Braunschweig (Rufus): Berichte Bozen 2014 (Quellen und Darstellungen zur über Friedrich Wilhelm II. (Ormesus Ma- europäischen Freimaurerei, hg. von Helmut gus) u. a., 1792. – Nr. 75 Drucksachen, 1693– Reinalter in Zusammenarbeit mit dem Insti1786). – b) Gedruckte Quellen: [Bode, Jo- tut für Ideengeschichte, Bd. 14). – McIntosh, hann Joachim Christoph] (Hg.): Starke Er- Christopher: The Rose Cross and the Age weise aus den eigenen Schriften des hoch- of Reason. Eighteenth-century rosicruciaheiligen Ordens Gold- und Rosenkreutzer nism in Central Europe and its relation­ship in für die Wahrheit, daß seine in Gott ruhen- the Enlightenment. Leiden/Köln/New York de Väter von ewiger Thät- und Wirksamkeit 1992. – Marx, Arnold: Die Gold- und Rosind. Nach abgelaufenen ersten Decennio ans senkreuzer. Ein Mysterienbund des ausgeLicht gestellt von einem ächten Liebhaber des henden 18. Jahrhunderts in Deutschland. In: wahren Lichtes. Rom 5555 [Leipzig 1788]. – Das Freimaurer-Museum 5 (1930), S. 1–168. Haupt-Plan für das gegenwärtige Decennium. – Möller, Horst: Die Bruderschaft der GoldNach Übereinstimmung der Brüder des Gol- und Rosenkreuzer. Struktur, Zielsetzung denen Rosen Kreuzes bei der gewöhnlichen und Wirkung einer anti-aufklärerischen GeOrdens Reformation errichtet im Jahre des heimgesellschaft. In: Ludz, Peter ChristiHerrn 1777. – (H)eliconus: Vorrede zu: Die an (Hg.): Geheime Gesellschaften. HeidelPflichten der G(old-) und R(osen)C(reuzer) berg 1979, S. 153 ff. – Preuß, Johann David alten Sistems in Juniorats-Versammlungen Erdmann: Zur Beurteilung des Staatsminisvon Chrysophiron, nebst einigen beigefüg- ters von Wöllner. In: Zs. f. Preußische Geten Reden anderer Brüder. [Berlin] 1782. – schichte und Landeskunde 2 (1865), S. 577– Schröder, Friedrich Ludwig: Tagebuch, die 604, 746–774, 3 (1866), S. 65–95. – RunMaurerei betreffend, auf einer Reise vom kel, Ferdinand: Geschichte der Freimaurerei 30. Mai bis 29. Juli 1800. In: Cirkelkorres- in Deutschland. Bd. 2, Berlin 1932. Nachpondenz. Hamburg, Nr. 140 (1859/60). – c) dr. Königswinter 2006 (Mit e. Nachw. v. PeLiteratur: Bailleu, Paul: Woellner, Johann ter Broers). – Schwartz, Paul: Der erste KulChristof v. In: Allgemeine Deutsche Biogra- turkampf in Preußen um Kirche und Schule 412

Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz 1782–1792 in Berlin [TolL]

(1788–1798). Berlin 1925 (Monumenta Germaniae paedagogica, 58). – Steiner, Gerhard: Freimaurer und Rosenkreuzer. Georg Fors-

ters Weg durch Geheimbünde. Neue Forschungsergebnisse auf Grund bisher unbekannter Archivalien. Berlin 1985.

Karlheinz Gerlach

Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz 1782–1792 in Berlin [TolL] Name: Loge zur Toleranz; Toleranzloge. Gründung: Vermutlich 1782. Bestand: 1792 Arbeiten eingestellt. Sitz: Unbekannt.

rüttet worden, wenn wir ohne alles Dunkel im vollen Lichte und ganzer Wahrheit die reine Glückseligkeit genießen und in ihr unzerrüttbare Menschen sein werden!“

Programm: Die Loge zur Toleranz publizierte 1790 das humanistische und kosmopolitische Bekenntnis zur Loge der Toleranz. Es ist ein Dokument der Berliner Aufklärung. Die klare Gedankenführung spricht für eine Autorschaft des Lessing-Verehrers Markus Herz. Der Zweck und der Versammlungskreis seien das ganze Menschengeschlecht. Das freimaurerische Geheimnis bestehe in dem „Verbinden alles Wissens und Denkens der verschiedenen Menschen“, das „nur durch die vereinigten Kräfte einer stets tätigen Gesellschaft bewirkt werden“ könne. Wesentliche Eigenschaften des wirklichen Freimaurers seien „gerader Sinn und gerades Herz“; „um richtig wahrzunehmen“ und „unparteiisch zu handeln“. – Wie die preußische Freimaurerei insgesamt, bekundete auch das Bekenntnis die Unschädlichkeit der Freimaurerei für den Staat. Der Autor hielt Frauen sowie solche Männer für nicht logenfähig, „die nicht Herren ihrer Person, Stunden und Geschäfte sind“. Die Programmschrift mündete wie Lessings Ernst und Falk in eine soziale und politische Utopie. Die Freimaurerei sei dann nicht mehr nötig, „wenn alle Menschen an Leib und Seele gesund sind, wenn alle Künste, Wissenschaften, Stände, Religionen, Systeme und Regierungsformen in eins verschlungen sind, wenn durch das Bemühen der Freimaurerei der allgemeine glückselige Stand wieder ersetzt ist, der durch Naturbegebenheit zer-

Geschichte: Das aufgeklärte Berlin schuf wie kaum eine andere preußische Stadt die Voraussetzungen für eine christlich-jüdische Sozietät. Es gab der Emanzipation der preußischen, ja der europäischen Juden wichtige Impulse. In Berlin schlossen Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Nicolai und Moses Mendelssohn Freundschaft. Mendelssohn war das Vorbild des Nathan in Lessings dramatischem Gedicht Nathan der Weise. Das Epoche machende Werk Über die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781/1783) ging aus der Berliner Aufklärung hervor. Sein Autor, der preußische Beamte Christian Wilhelm Dohm, war gemeinsam mit Nicolai, der das Buch verlegte, und Mendelssohn Mitglied der  Gesellschaft von Freunden der Aufklärung (Berliner Mittwochsgesellschaft). Mit Dohm und mit Moses Mendelssohns Buch Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum (1783) begann die neuere Geschichte des Judentums. Die gemeinsamen Reformbestrebungen der Berliner Aufklärer, der sich emanzipierenden Juden und der aufgeklärten Bürokratie, die rechtliche und politische Stellung der Juden zu heben, führten indes erst nach dem Untergang des Alten Preußens zu einem Erfolg (1812). Das am 17. April 1750 von Friedrich II. erlassene Revidierte General-Privilegium und Regle­

ment für die Juden in den Preußischen Landen regelte das Niederlassungs- und Erwerbsrecht mit zahlreichen bedrückenden und demüti413

5 Freimaurer-Logen

genden Einzelbestimmungen. Obwohl es in Zeremonialgesetzen und Kleidervorschriften, Berlin von Anfang an kein Ghetto gab, lebten lernten deutsch, nahmen die deutsche aufgedie jüdischen Familien doch überwiegend in klärte Kultur auf und vermittelten ihren KinAlt-Berlin, wo auch die Synagoge stand. Im dern eine aufgeklärte Bildung. letzten Jahrhundertdrittel erhielten einzelne Der anonyme Verfasser des Aufsatzes Geist wirtschaftlich sehr erfolgreiche Juden Gene- der Maurerei (1802) berichtete, dass der preuralprivilegien, die sie mit den Rechten christ- ßische Kriegsrat Otto v. Hirschfeld bei der licher Kaufleute ausstatteten, so am 9. März Betrachtung eines Gemäldes von Loren1761 Daniel Itzig und Nathan Veitel (Heine) zo Pastinelli in Schloss Bückeburg darin beEphraim, am 7. September 1765 Isaak Ben- stärkt worden sei, eine „dem aufgeklärten Jujamin Wulff, am 16. Februar 1786 Salomon den und den Christen“ geöffnete Loge zu Moses Levi Erben, am 6. April 1787 Liepman gründen. „Wenn der heilige Johannes, dachMeyer Wulff und am 14. April 1789 Moses, te er, der Schutzpatron der St. JohannisloIsaak, Israel und Zippora Levin. Als einziger gen, selbst vor Pharisäern predigte und Juden Berliner Jude erhielt Daniel Itzig für sich und und Nichtjuden zuließ, sollten wir Maurer da seine Familie am 2. Mai 1791 ein Natura- wohl Anstand nehmen, der jüdischen Relilisationspatent, das ihn und alle seine Nach- gion Zugetane zuzulassen?“ Die TolL wollte kommen zu wirklichen Bürgern erhob. Es daher solche Juden aufnehmen, „welche sich gestattete ihnen, sich überall niederzulassen, schon zu einer beträchtlichen Stufe der Kulalle Berufe zu wählen, in allen Städten Ämter tur emporgeschwungen hatten und die nur und Würden zu erlangen, befreite sie von al- Familienverhältnisse abhielten, sich öffentlich len Beschränkungen vor Gericht (bei Ritual- zur christlichen Religion zu bekennen“. Sie fällen einschließlich der Eheschließungen galt legten den Eid auf das Johannis-Evangelium jedoch jüdisches Recht) und allen jüdischen ab. Otto v. Hirschfeld und der KanzleidirekAbgaben, legte ihnen aber im Gegenzug alle tor Johann Friedrich Catter gründeten die staatsbürgerlichen Pflichten einschließlich der TolL vermutlich 1782; sie stellte 1792 ihre Armilitärischen auf. Isaak Daniel Itzig trat im beiten ein. Es ist möglich, dass sich einzelne Range eines Hofrats als Dezernent für den Mitglieder noch einige Zeit trafen. Die Loge Chausseebau im Generaldirektorium in den existierte aber sicher nicht mehr 1798 bei ErStaatsdienst, sein Schwager David Friedlän- lass des preußischen Edicts wegen Verhütung der als Assessor beim Manufaktur- und Kom- und Bestrafung geheimer Verbindungen, das in merzienkollegium, sie wurden damit Beam- Preußen nur die drei Berliner Mutterlogen te. Zwei Enkel Daniel Itzigs nahmen an den zuließ. Es ist 1798 nichts von einem Versuch Kämpfen gegen Napoleon teil. Benjamin It- der TolL bekannt, in eine von ihnen aufgezigs Sohn Jakob (geboren 1786) fiel 1809 als nommen zu werden. Soldat der Deutschen Legion in Spanien, und Die TolL arbeitete in den ersten fünf Jahren Moritz Jonathan (geboren 1787), Sohn Isaak als unabhängige Freimaurergesellschaft nach dem Zinnendorfschen System, aus dem die Daniel Itzigs, fiel 1813 bei Lützen. Diese reiche unternehmerische Oberschicht beiden Gründer kamen. Sie wandte sich an einschließlich der Intellektuellen, unter ande- verschiedene Freimaurer und an Logen, um ren die Kantianer Salomon Maimon, Lazarus ein Konstitutionspatent zu erhalten, also die Bendavid und Markus Herz, integrierte sich gültige Anerkennung in der Freimaurerei. in das neue Bürgertum. Sie blieben zumin- Am 4. April 1787 richteten neun Mitgliedest in der ersten Generation Juden, lösten der der TolL (v. Willmanns, v. Hirschfeld, v. sich aber langsam und gegen den Widerstand Renner, Hulbe, Leisten, Melzer und die in der orthodoxen Rabbiner von den jüdischen London aufgenommenen Benjamin Daniel 414

Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz 1782–1792 in Berlin [TolL]

Itzig, Benjamin Isaak Wulff und Jakob Wulff) an die Loge  Royal York de l’Amitié ein Konstitutionsgesuch. Die Antragsteller konnten hoffen, dass die RY ihren Wunsch erfüllen würde, da diese am 8. August 1767 einen Juden, den Kaufmann Salomon Tobias Moïse (Moses), wenn auch mit dem üblichen Religionsvermerk, aufgenommen und zum Gesellen befördert hatte (Nr. 311 im 1782 gedruckten Tableau général, dem Gesamtmitgliederverzeichnis der RY ). Moses legte den Eid nicht auf das Johannes-Evangelium, sondern den Pentateuch, die fünf Bücher Moses, ab. Er nahm am 9. September 1768 seinen Abschied. Noch am 8. März 1775 gab er die RY gegenüber der Amsterdamer Loge La bien Aimeé als seine Loge an. Der Conseil suprême, das Führungsgremium der RY, stimmte am 11. April 1787 dem Anerkennungs- und Konstitutionsgesuch der TolL zu. Dennoch folgte keine Konstitutionserteilung. Die Johannisloge RY besaß eine nur schwache, besonders von der  Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland angezweifelte maurerische Rechtsstellung, zudem musste sie auf die beiden streng christlichen Berliner Mutterlogen Rücksicht nehmen. Als nächstes schrieb die TolL am 18. Juli 1787 an Ferdinand Herzog von Braunschweig, im selben Jahr an Ernst II. Herzog zu SachsenGotha, den früheren Landesgroßmeister der GLL, am 7. Dezember 1787 an die Große Loge in Amsterdam und am 16. Dezember 1789 an den preußischen Staats- und Justizminister Johann Christoph v. Woellner. Ob Ferdinand antwortete, ist nicht ermittelt. Dagegen ist ein Brief Herzog Ernsts II. vom 15. August 1787 „an die sehr ehrwürdige Loge zur Toleranz im Orient von Berlin“ überliefert. Dieser sah sich außerstande, die Wünsche der TolL zu erfüllen. Seine Rolle in der Maurerei sei „bloß die eines jeden andren simpeln Maurers und verhält sich nur leidend. Ich bin auf keine Weise berechtigt, irgendeiner Loge eine Konstitution zu erteilen, und müsste überdies, wenn ich es wäre, was doch nicht ist,

im gegenwärtigen Falle Bedenken tragen, es zu tun, da zu Berlin zwei gesetzmäßige große Logen sind, die auf das rühmlichste wetteifern, das Licht der Maurerei zu verbreiten, und von denen eine oder die andre es sich gewiss zur Ehre schätzen wird, eine Loge an ihre Kette anzuschließen, die, wie ich aus Ihrer Unterschrift mit Vergnügen ersah, so verdiente Männer unter ihren Gliedern zählt und so sehr nach den Grundsätzen der echten Maurerei arbeitet, deren Zweck ist, gute Menschen zu guten Absichten zu vereinigen, ohne sich durch ihre Meinungen irren zu lassen“. Mehr Erfolg hatte die TolL in ihren Bemühungen, ein staatliches Protektorium zu erhalten. Sie verdankte die Legalisierung der Vermittlung durch Landgraf Karl von Hessen-Kassel, Statthalter der dänischen Herzogtümer Schleswig und Holstein und dänischer Feldmarschall. Er nahm auf Einladung Friedrichs II. in dessen Stab als Volontär am Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/79) teil und erwarb sich dessen Achtung und Freundschaft. Er war ein alter Freimaurer. In der Asiatischen Brüderschaft (siehe unten) übte er eine Führungsrolle aus. Von dorther rührte die Bekanntschaft zwischen ihm und Isaak Daniel Itzig. Der Landgraf vermutlich riet ihm, sich an den König zu wenden. Itzig schrieb am 16. Dezember 1789 an den Staats- und Justizminister Johann Christoph v. Woellner. Diese Loge, schreibt Itzig, arbeite in dem von den übrigen Berliner Logen angenommenen richtigen System, sei auch nicht von der „so gehassten Illuminatenpartei angesteckt. Und was etwa die jüdischen Brüder unserer Loge betrifft, so sind es nicht allein solche, die in auswärtigen Ländern und wo ein Unterschied der Religion auch niemand nicht einmal im Sinn kommt, rezipiert und zu sehr hohen Graden befördert, sondern ich würde auch zu beweisen mich getrauen, dass die Grundsätze der echten Maurerei auf die jüdische Religion und ein Teil der damit verbundenen Gebräuche ruhet“. Er bat ihn, indes erfolglos, über den Generalgroßmeister Ferdinand von Braunschweig und 415

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den Nationalgroßmeister Friedrich August Eine amtliche Veröffentlichung erfolgte ofvon Braunschweig dem König „die Ausferti- fensichtlich nicht. Catter machte das Protekgung der Konstitution gnädigst in Erinnerung torium am 27. Januar 1790 der Loge bekannt. (zu) bringen und uns solche bald gefälligst zu- Die staatliche Anerkennung ermutigte Otto v. fertigen zu lassen“. Itzig wandte sich schließ- Hirschfeld, sich am 5. Februar 1790 an den lich am 14. Januar 1790 immediat, unittelbar, Landesgroßmeister Levin v. Geusau zu wenan den König. Er beschwerte sich, dass der den. Dem Gesuch lag eine Abschrift des ProLoge „die gewöhnliche Konstitution deshalb tektoriums bei. Hirschfeld argumentierte, dass hier verweigert“ werde, „weil jüdische Reli- „die mehresten Monarchen ihnen jetzt die bisgionsverwandte darin befindlich sind. In kei- her so sehr beschränkt gewesenen Rechte der nem Orte der Welt scheidet diese Religion Menschheit wieder eingeräumt haben. Sollvon der Freimaurerei, vielmehr gelangen jü- ten also Maurer wohl hart genug sein köndische Brüder in allen andern Ländern zu den nen, sie ihrer Gemeinschaft nicht würdigen zu höchsten Stellen des Ordens.“ Er bat ihn, der wollen?“ Die TolL arbeite nach dem System Maurerloge zur Toleranz „eine Konstitution (Lehrart) der GLL. Alle Mitglieder wünschausfertigen zu lassen oder derselben Höchst- ten, mit den unter dem Großmeistertum v. selbst ein Protektorium huldreichst zu bewil- Geusaus stehenden Johannislogen vereinigt ligen“. Friedrich Wilhelm II. erteilte darauf- zu werden. Er bat, der TolL „gegen die erhin am 20. Januar 1790 der TolL ein Protek- forderlichen Gebühren eine Konstitution gütorium, also die staatliche Anerkennung. Das tigst zu erteilen und solche in die Zahl IhSchreiben lautete: „Se. Königliche Majestät rer verbundenen sehr ehrwürdigen St. Johanvon Preußen, Unser allergnädigster Herr, las- nis-Logen brüderlich auf- und anzunehmen“. sen dem Ober-Hof-Banquier Itzig auf seine Die jüdischen Mitglieder hätten sich „von der alleruntertänigste Vorstellung vom 14t. dieses alten jüdischen Orthodoxie befreit, verehrten zur Resolution erteilen, dass wenn seine un- Christus und würden nur durch Familienverter dem Namen Toleranz gestiftete Freimau- hältnisse und die Gefahr des unausbleiblichen rerloge nichts gegen die christliche Religi- Verlusts ihres beträchtlichen Vermögens veron und gegen den Staat enthält, auch mit de- hindert, sich nach christlichem Gebrauch der nen anjetzt so berüchtigten Illuminaten und Taufhandlung zu unterziehen“. Dies war alandern aufrührerischen oder auch mit aller- lerdings nur teilweise richtig. Die jüdischen lei geheimen Künsten und Betrügereien sich Mitglieder hatten sich wohl von den strenabgebenden Sekten in keiner Konnexion ste- gen Geboten der jüdischen Orthodoxie gelöst. het, sondern bloß die Verbesserung der Sitten Sie trugen nicht mehr den ursprünglich unihrer Mitglieder, die Wohltätigkeit gegen die abdingbaren Bart, wie die Porträts von Isaak Armen, den Gehorsam der Untertanen ge- Daniel Itzig und Markus Herz zeigen. Sie wagen ihre Obrigkeit und andere dergl. bürger- ren aufgeklärt. Aber keiner von ihnen konliche Tugenden lehret, als welches nach dem vertierte. Ermessen Sr. Königlichen Majestät der End- Die GLL beschloss, wie v. Beulwitz am 23. zweck einer jeden guten Freimaurerloge in März 1792 in der Quartalsversammlung der allen Ländern sein muss, Allerhöchst Diesel- GLL erklärte, „dieser Gesellschaft eine abben gefallen wollen, dass gedachte Loge ihre schlägliche Antwort zu erteilen, weil ein Versammlungen ungehindert fortsetzen kön- Jude als Jude nicht Freimaurer sein und folgne und ihr unter obigen Bedingungen durch lich auch eine Gesellschaft, in welcher sich gegenwärtiges erteiltes Protektorium gegen Juden befinden, für gesetzmäßig nicht aneralle Beeinträchtigungen und Störungen den kannt und mit einer echten und gesetzmälandesherrlichen Schutz angedeihen lassen.“ ßigen Freimaurerverbindung nicht vereiniget 416

Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz 1782–1792 in Berlin [TolL]

werden können“. Sie hatte bereits v. Hirschfeld am 19. Februar 1792 die Absage mitgeteilt. Die TolL verwahrte sich am 3. März entrüstet gegen Ton und Inhalt der Antwort, konnte aber an der endgültigen Absage nichts ändern. Am 9. Juni 1792 erfolgte, „den Gesetzen des Ordens gemäß“, die endgültige Ablehnung des Konstitutionsgesuchs der „seit vielen Jahren bereits frevelhaft bestehenden, aus Juden und Christen bestehenden, in Form einer Freimaurerloge und unter dem Namen Toleranz zusammengetretenen Gesellschaft, für deren Meister sich der ehemalige, jetzt in Preußen wohnende Kriegsrat von Hirschfeld ausgibt“. Die GLL änderte auch im frühen 19. Jh. ihre Haltung nicht, wie 1801/02 der Fall Israel Levin zeigt. Levin wollte nach seiner Rückkehr aus Russland von der Minerva, der Potsdamer Filiale der GLL, angenommen werden, die ihn jedoch zurückwies, weil sie nur Christen aufnehme. Nun schrieb er am 4. Juli 1802 an die GLL. Er sei von der christlichen Loge Concordia in St. Petersburg „von christlichen Brüdern“ aufgenommen und bis zum Meister befördert und auch von der Hamburger Loge Pelikan angenommen worden. Er habe 1789 durch König Friedrich Wilhelm II. „Bürgerrecht in sämtlichen Preußischen Staaten erhalten“, stehe „unter keiner jüdischen Gerichtsbarkeit, sei von allen jüdischen Abgaben völlig frei, solle in keiner Rücksicht mit andern Juden vermengt werden“ und „gelte vor Gericht wie ein Christ“. Es sei für ihn schmerzhaft, wenn ihm der Eintritt in eine Loge seiner Geburtsstadt verwehrt würde. „Er sei als unbefleckter Mensch bekannt, besitze alle christlichen Rechte, sei in eine christliche Loge aufgenommen, deren Mitglied“ und „dort wegen seines rechtschaffenen bürgerlichen Betragens und guten moralischen Charakters mit offenen Armen empfangen“ worden. In England und zu London seien Israeliten eingelassen und hätten Ämter. Er berief sich auf das Alte Testament. Dennoch lehnte der Landesgroßmeis-

ter de Castillon am 7. August 1802 sein Gesuch ab mit der Begründung, „laut Gesetzen könne keiner aufgenommen werden, der nicht ein Christ sei“. Die  Mutterloge zu den drei Weltkugeln vertrat dieselbe Auffassung wie die GLL. Auch sie ersetzte „die Bestimmung der ‚Alten Pflichten‘, dass jeder freie Mann von gutem Rufe der Loge zugeführt werden könne, durch die Bestimmung, dass nur ein ‚freier Christ‘ von gutem Rufe Mitglied ihrer Logen werden könne“ (Jüdisches Lexikon). Sie verlangte von ihren Tochterlogen eine gleiche Haltung. Als z. B. ihre Filiale Zum aufrichtigen Herzen in Frankfurt an der Oder am 13. Februar 1790 ein Schreiben des Juden Jakob Itzig aus Züllichau, welcher gemeinsam mit seinem ältesten Sohn David um die Aufnahme bat, verhandelte, aber sich nicht entscheiden wollte oder konnte, fragte sie das Altschottische Direktorium, also das Führungsgremium der GNML, „ob die Aspiranten vielleicht in die Berliner so genannte Toleranz-Loge aufgenommen werden mögten“. Die Antwort ist nicht überliefert, war aber sicher ablehnend, weil der Frankfurter Protokollvermerk durchgestrichen ist. Jakob Daniel Itzig wurde am 14. April 1790 in Berlin von der TolL aufgenommen. Möglich war indes die Aufnahme zum Christentum konvertierter Juden. So affiliierte die Loge Zur Eintracht am 31. Januar 1806 den 1804 von der Havelberger Loge Zur Freundschaft und Wohltätigkeit aufgenommenen, zum Luthertum konvertierten Berliner Kaufmann Karl Caspari. Caspari war als Siebzehnjähriger nach Berlin gekommen, wo er, unterstützt von Moses Mendelssohn, seine Talmudstudien fortsetzte. Caspari erwarb sich durch Handelsgeschäfte bald ein bedeutendes Vermögen. Er ließ sich 1804 mit Frau und Tochter taufen. Sein gleichfalls konvertierter Bruder Johann Heinrich war am 21. September 1806 im Logenhaus der  Royal York, dem Palais Kameke in der Dorotheenstraße, aufgenommen worden. Nach einer Ballotage von 34 zu 417

5 Freimaurer-Logen

2 Stimmen in der Eintracht affiliierte ihn die Loge Zum flammenden Stern. Der Versuch der aufgeklärten Berliner Juden, die Akkulturation der Juden mit Hilfe der Freimaurerei voranzutreiben, war gescheitert. Aber auch der Weg über die Berliner Aufklärungsgesellschaften führte nicht weiter. Der  Montagsclub, lange Zeit das „Hauptquartier der Berliner Aufklärung“, hatte im 18. Jahrhundert kein einziges jüdisches Mitglied aufgenommen. Dies lag wohl nicht an dem Klub selbst, an dessen Spitze lange Zeit Friedrich Nicolai, der Freund Moses Mendelssohns, stand. Auch Johann Erich Biester, Sekretär der  Gesellschaft von Freunden der Aufklärung, gelang es nur unter großen Schwierigkeiten, Mendelssohn zu bewegen, sich wenn schon nicht als Mitglied, dann doch als Ehrenmitglied zu beteiligen. Mendelssohn blieb bis Anfang der neunziger Jahre die Ausnahme. Struktur und Organisation: Die TolL besaß ein eigenes Logenzimmer und einen Logengarten, deren Orte nicht bekannt sind, aber vielleicht ihrem Mitgründer Isaak Daniel Itzig gehörten. – Nach v. Hirschfeld hatte die TolL 1787 „einige 30“ Mitglieder, von denen etwa jedes Zweite (18) namentlich ermittelt und 13 biografisch, wenn auch nicht alle sicher, identifiziert sind. Mindestens zehn der 18 Mitglieder waren alte Freimaurer. Sie kamen aus allen Berliner Großlogen: aus der GLL (v. Hirschfeld, der von der Bauherren- zur Landesloge wechselte, Kellner, Labadie, außerdem v. Willmanns aus dem Äskulap im schlesischen Heilsberg), den Afrikanischen Bauherrenlogen (Catter, v. Hirschfeld; zu den Bauherren s. den Einleitungstext „Die Berliner Freimaurer vor 1786“), der GNML (Hulbe), der RY (Leisten aus deren Potsdamer Deputation De la Sagesse), drei waren von der Grand Lodge in London aufgenommen worden (Benjamin Daniel Itzig, Isaak Benjamin Wulff, Jakob Wulff). Dass Isaak Daniel Itzig ebenfalls ein alter Freimaurer war, geht daraus hervor, dass er sich 1790 gegen418

über dem König als Stifter der TolL ausgab. – Da keine Mitgliederlisten und keine Protokolle überliefert sind, ist nicht bekannt, wie die TolL ihre Funktionäre bestimmte. Vermutlich stand Otto v. Hirschfeld die ganze Zeit über als Meister an der Logenspitze, auch dann noch, als er von Berlin nach Ostpreußen zog. Er ernannte bereits in den ersten Jahren einen Deputierten, Johann Friedrich Catter, einen Kollegen in der kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer. In den Jahren 1787 und 1789 fungierten v. Hirschfeld, Catter, v. Renner und Labadie als Vorsteher (Aufseher), Herz als Redner und Kellner als Schatzmeister, Hulbe (1789) und Johann Adam oder Isaak Daniel Itzig als Sekretär (vor 1787 und nach 1789?). Mitglieder und Mitgliederstruktur: a) Einzel­ mitglieder 1782–1792: Catter, Johann Friedrich, Kanzleidir., 1773 Zum goldenen Anker (Afrik. Bauherren) im 6. Grad Sekr., TolL Mitstifter, 1787/1789 deput. M.; Guirmand, Daniel, 9.9.1789 aff.; Herz, Markus (1747– 1803), Dr. med., approbierter Arzt jüdischer Nation, Hofrat, Prof. d. Phil. (Honorarprof.), 1787 Redner; Hirschfeld, Andreas Otto v. (1737–1812), Premierleutn. a. D., Kriegs- u. Domänenrat, Afrik. Bauherrenloge, a. 1774 Zum goldenen Schiff, 1784 auf eigenen Wunsch entlassen, 1782 Mitgründer, 1782–1792 M. v. Stuhl; Hulbe, Johann Adam, Regimentsquartierm., Lotteriedir., a. Mutterloge zu den drei Weltkugeln 1761, 1762 Schatzmeister, 1774 inaktiv, TolL 1789 Sekr.; Itzig, Benjamin Daniel (1756–1833), Ban­ kier, a. 1776 Große Loge von England in London, Mitgl. (noch 1792/1801) d. Obermeisterschaft Berlin d. Asiat. Brüder (Ordensname Marcus Ben Melchzedeck), TolL er oder sein Bruder Isaak Daniel 1787/1789 Zeremonienm.; Itzig, Isaak Daniel (1750–1806), Oberhofbankier, Chaussee-Bauinspektor, Hofbaurat, Mitgl. d. Obermeisterschaft Berlin d. Asiat. Brüder (Ordensname Matthias Ben Elohim), TolL Mitgründer, er oder sein Bru-

Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz 1782–1792 in Berlin [TolL]

der Benjamin Daniel 1787/1789 Zeremonienm.; Itzig, Jakob Daniel (1764–1838), Geldwechsler, a. 1790; Kellner, Gotthilf Friedrich (geb. 1749), Hutfabrikant, a. 1771 Zum goldenen Schiff, TolL 3.7.1773, 1787/1789 Schatzm., 12.2.1791 erneut Zum goldenen Schiff, 1793/1795 Zeremonienm., 1809 Großes Ordenskapitel Indissolubilis; Kenzler, v., 1789 1. Vorst.; Labadie, André (1831– nach 1808), Holzbildhauer, Maler, Vergolder, a. 1770 Zu den drei goldenen Schlüsseln, 1771 2. Aufs., 1778 1. Aufs., 11.8.1788 Mahnung wegen rückständ. Beitragsgelder 1784– 1787, 24.2.1791 ausgeschlossen wegen Mitgliedschaft in TolL, 1787/1789 u.? 1790/91 2. Vorst.; Leisten, Martin (geb. 1746), franz. Sprachm., Schreibm., Stadtkontrolleur, a. 1777 De la Sagesse in Potsdam, 1778 Redner, 1781 1. Vorst., TolL 1787; Levin, Israel, a. Concordia in St. Petersburg, Pelikan in Hamburg, TolL Mitgl. (o. Jahr), 4.7.1802 aus Potsdam Antrag an GLL, aufgenommen zu werden, 7.8.1802 Landesgroßm. v. Castillon lehnte Gesuch ab mit Begründung, laut Ge-

setzen könne keiner aufgenommen werden, der nicht ein Christ sei; Melzer (ident. mit Philipp Friedrich Meltzer, 1780?–1793 Zu den drei Ankern in Königsberg/Pr.?), TolL 1787, 1789; Renner, Karl v. (geb. 1746), Landvogteigerichts- u. Justizkommissionsrat, Kriminalrat, a. 1779 Zu den drei goldenen Schlüsseln, 1787 exklud., TolL 1787 1. Vorst., noch 1792/1801 Mitgl. d. Obermeisterschaft Berlin d. Asiat. Brüder (Ordensname Jonathan); Willmanns, Anton Karl v., Leutn. a. D., a. 1782 Äskulap in Heilsberg/Schl., TolL 1787 Mitgl.; Wulff, Isaak Benjamin (1731?– 1802), Kattunfabrikant, Gemeindeältester, a. 1753 Grand Lodge in London, TolL 1787 Mitgl., noch 1792/1801 Mitgl. d. Obermeisterschaft Berlin d. Asiat. Brüder (Ordensname Lucas Ben Salom); Wulff, Jakob, a. 1753 Grand Lodge in London, TolL 1787 Mitgl. – b) Sozialstruktur: Die Sozialstruktur der TolL glich der der anderen Berliner Logen. Die Mitglieder, ausschließlich Män-

ner, kamen aus den sozietäts- bzw. logenfähigen Bevölkerungsgruppen. Sie waren Verwaltungs- und Justizbeamte und ehemalige Offiziere, Finanz- und Manufakturunternehmer und Intellektuelle (je ein Arzt und ein Künstler). Es fehlten lediglich die Theologen und Pädagogen. Auch die Berliner Logen wiesen keineswegs immer die Gesamtheit aller möglichen sozialen Gruppen auf. Insgesamt repräsentierte die TolL jene neuen sozialen Gruppen, die sich im 18. Jahrhundert außerhalb der altständischen Gesellschaft konstituierten, aber mit der Besonderheit, dass Juden in die bürgerliche Gesellschaft integriert waren. Vier Mitglieder gehörten dem niederen Adel an (v. Hirschfeld, v. Kenzler, v. Renner – Kaiser Leopold I. verlieh am 24.11.1701 seinem Vorfahr Johann Christoph Renner den Reichsadel –, v. Willmanns). Fünf bzw. sechs Mitglieder standen als mittlere Beamte im königlich-staatlichen Dienst, und zwar bei der kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer in Berlin (Catter, v. Hirschfeld), je einer bei der Akzise (Leisten), beim Kammergericht (v. Renner) und bei der königlichen Lotterie (Hulbe); schließlich auch (durch das Naturalisationspatent 1791) Isaak Daniel Itzig. Zwei Mitglieder standen als Direktoren einer Kanzlei bzw. einem Büro vor, zwei weitere besaßen den Rang eines Rates und der vierte den eines Akziseinspektors. Die zwei Offiziere, Leutnants, hatten den Militärdienst quittiert, von denen v. Hirschfeld die Beamtenlaufbahn eingeschlagen hatte. Sechs Mitglieder, sämtlich Juden, gehörten dem Finanz- und Manufakturbürgertum an (die drei Brüder Itzig, Levin, die beiden Wulffs). In diese Gruppe gehört wohl auch der christliche Hutfabrikant Kellner, vielleicht eher ein Handwerkerunternehmer als ein kleiner Gewerbetreibender, der im 18. Jahrhundert in Preußen nicht logenfähig war. Die Intelligenz war mit einem praktizierenden Arzt und Honorarprofessor (Herz) und einem Holzbildhauer (Labadie) vertreten. Vermutlich bekannten sich die meisten christlichen Mitglieder zum Luthertum, auch wenn 419

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Abb. 80  Palais Itzig, Burgstraße 26/27 (im Hintergrund die Marienkirche). Vermutlicher Versammlungsort der Toleranzloge.

nur ein Lutheraner (Kellner) und ein Katholik (Leisten) ermittelt sind. Sieben Mitglieder waren Juden (Herz, die Brüder Itzig, Levin, die beiden Wulffs). Isaak Daniel Itzig und seine jüngeren Brüder Benjamin Daniel und Jakob Daniel waren Söhne des friderizianischen Bankiers und Manufakturunternehmers Daniel Itzig (1723– 1799). Daniel Itzig war in den sechziger Jahren einer der 44 Bankiers und Manufakturunternehmer, die Rolf Straubel unter dem Begriff der „Elite“ der Berliner Kaufleute und Manufakturunternehmer, die innerhalb der Kaufmannschaft eine besondere Fraktion bildeten, zusammenfasst, wobei die Juden eher am Rande dieser Führungsschicht standen. Itzig hatte durch Münzpacht und andere lukrative Geschäfte ein riesiges Vermögen erworben, das er nach dem Siebenjährigen Krieg zum Teil in Berliner Grundstücke und Gewerbebetriebe anlegte, u. a. 1772 in eine englische Lederfabrik in Potsdam, die ab 1789 sein Sohn Elias Daniel leitete. Friedrich 420

II. ernannte Daniel Itzig 1775 zum Oberlandesältesten der sämtlichen Judenschaften der preußischen Staaten, also zum Repräsentanten der preußischen Juden gegenüber dem Staat. Das Generalprivileg vom 9. März 1761 und besonders das Naturalisationspatent vom 2. Mai 1791 hob die Familie Itzig noch mehr aus der Berliner jüdischen Gemeinde heraus. 1792 leisteten David Itzig, seine vier Söhne und sechs Schwiegersöhne (unter ihnen David Friedländer) den Berliner Stadtbürgereid, nicht mit Berufung auf christliche Glaubensformeln, sondern auf Adonai. Die Familie Itzig übernahm damit „eine Art Pilotfunktion für die gesamte preußische Judenheit“ (Albert A. Bruer). Daniel Itzig erwarb nach der Verleihung des Generalprivilegs von den Nachkommen des preußischen Unternehmers François Matthieu Frhr. v. Vernez­obre de Laurieux (1690–1748) dessen Palais in der Alt-Berliner Burgstraße (25). Nach dem Kauf von Nachbargrundstücken ließ Itzig den Komplex von dem Oberbaudirektor Au-

Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz 1782–1792 in Berlin [TolL]

gust Gotthilf Naumann d. J. zu einem großen, zweiflügeligen Wohnhaus umbauen, dem Itzigschen Palais. Es verfügte über eine Haussynagoge – obwohl die Synagoge in der Heidereutergasse keine fünf Minuten entfernt lag. Der kunstsinnige Bankier besaß eine auserlesene Sammlung von Gemälden, u. a. des Potsdamer Hofmalers Antoine Pesne. Nach dem Tode des königlichen Leibarztes Johann Theodor Eller kaufte Itzig dessen in der Köpenicker Vorstadt (heute Stadtbezirk Friedrichshain) gelegenen, großen und schönen französischen Garten mit einem Gartentheater. Vielleicht versammelte sich die TolL hier oder in dem Itzigschen Palais? Drei der fünf Söhne Daniel Itzigs waren Freimaurer und zugleich Asiatische Brüder. Der älteste Sohn, Isaak Daniel, war Hofbankier des Prinzen Heinrich, des Bruders Friedrichs II., und Oberhofbankier Friedrich Wilhelms II. (1797), er trat, wie erwähnt, als erster preußischer Jude in den Staatsdienst. Seine Firma Itzig & Co., zusammen mit seinem Bruder Benjamin Daniel, fallierte 1796/97. Isaac Daniel gründete 1781 gemeinsam mit seinem Schwager David Friedländer die deutsch unterrichtende Jüdische Freischule für arme jüdische Kinder (siehe auch  Chevrat chinuch néarim). Der jüngste Sohn Daniel Itzigs, Jakob Daniel, war in Münzgeschäften tätig, geriet gleichfalls 1797 in geschäftliche Schwierigkeiten und stellte 1808 seine Zahlungen ein. Alle drei Söhne Daniel Itzigs heirateten Töchter des Kattunfabrikanten Isaak Benjamin Wulff, eines Mitglieds der TolL, mit dem sie bereits durch ihre Mutter Marianne Wulff (1725–1788) verwandt waren. Auch der Kattunfabrikant und Gemeindeälteste Isaak Benjamin Wulff erhielt wie der mit ihm verschwägerte Daniel Itzig ein Generalprivileg (7. September 1765). Er übernahm wenige Jahre nach dem Tode seines Vaters Benjamin Elias Wulff dessen Kattunmanufaktur. 1785 war er mit 110 Stühlen, hundert Druckereiarbeitern und annähernd 100.000 Rtlr. Jahresproduktion der bedeu-

tendste Baumwollproduzent Berlins. Er nahm 1774 auf Wunsch Friedrichs II. zusammen mit seinem Schwager Moses Daniel Itzig (1754– 1783) die Seidenfabrikation in Berlin und Potsdam (Nowawes) und 1777 in Bernau bei Berlin auf, verkaufte aber Mitte der 80er Jahre die Seidenbetriebe wieder. Als in den 90er Jahren die Baumwollproduktion zurückging, schrumpfte auch die Wulffsche Kattunproduktion (auf 50 Stühle). Die Kattunmanufaktur Isaak Benjamin Wulffs befand sich in der Neuen Friedrichstraße neben der Garnisonschule; vermutlich wohnte hier auch der Besitzer. Die Wulffsche Bleiche und Färberei, deren Grundstücke ihm der König geschenkt hatte, lagen im Tiergarten an der Spree, zu der ein „Judenallee“ genannter Reit- und Fahrweg führte. Jakob Wulff konnte nicht ermittelt werden. Markus Herz wurde 1747 in Berlin als Sohn eines armen Thoraschreibers geboren. Er studierte bei Immanuel Kant in Königsberg Philosophie und wurde Kants Lieblingsschüler. Der 21-jährige Student war der Respondent bei der öffentlichen Verteidigung Kants. Nach seiner Rückkehr nach Berlin verbreitete Herz in Vorträgen und Publikationen (u. a. Betrachtungen aus der spekulativen Weltweisheit, 1771) die Kantsche Philosophie. Moses Mendelssohn zog den jungen Herz als Freund und Arzt in seinen Kreis jüdischer Aufklärung. Der Unternehmer und jüdisch-aufgeklärte Schriftsteller David Friedländer unterstützte Herz darin, in Halle das Medizinstudium fortzusetzen (ab 1771) und 1774 zu promovieren. In Berlin hielt er Kollegia über Medizin, die Philosophie (u. a. Versuch über den Geschmack, 1776, 1790) und Experimentalphysik. Schließlich André Labadie, ein 1731 in Bautzen in der Oberlausitz geborener Maler und Holzbildhauer. Sein Berliner Zeitgenosse Friedrich Nicolai, der ihn vermutlich persönlich kannte, schreibt in seiner Beschreibung der königlichen Residenzstädte über ihn, dass er „meisterhaft in Zierraten, Uhrgehäusen, 421

5 Freimaurer-Logen

Tischfüßen und deren Vergoldung (arbeitet). Er malt auch in Öl und Pastell“. Querverweise auf andere Vereine: Wie die TolL nahm auch der zur gleichen Zeit gegründete Orden der Ritter und Brüder St. Johannis des Evangelisten aus Asien, die Asiatischen Brüder, Christen und Juden als Mitglieder auf. Gegen einen direkten Zusammenhang spricht jedoch, dass die Gründer der TolL, v. Hirschfeld und Catter, keine Asiatischen Brüder waren. Die „alchymistisch-rosenkreuzerische, stark mit talmudisch-spekulativer Philosophie“ durchsetzte Lehre der Asiatischen Brüder, eines Hochgradsystems, und das aufgeklärt-humanistische Programm der TolL widersprachen einander, die TolL arbeitete zudem nicht nach dem Ritual der Asiatischen Brüder, sondern nach dem der GLL. – Die Brüderschaft der Asiatischen Brüder errichtete in Berlin eine Ortsorganisation, die Obermeisterschaft Berlin. Sie war eine Gliederung des Brandenburgischen Provinz-Administrationskapitels der Provinz von Norden, an deren Spitze als Provinzialgroßmeister Landgraf Karl von Hessen-Kassel (1744–1836; Ordensname Ben Oni Ben Mirjam) stand. Die im Vergleich zu Wien, Innsbruck oder Hamburg kleine Obermeisterschaft Berlin hatte sechs Mitglieder: den Provinzadministrator und zugleich Obermeister Hofbankier Isaak Da­niel Itzig (Ordensname Matthias Ben Elohim) sowie den Münzassistenten Johann Andreas Schlegel (Isaac), den Kriegsrat Johann Friedrich Karl Schönebeck (Albia), den Kriminalrat Karl v. Renner (Jonathan) und die Fabrikanten Benjamin Isaak Wulff (Lucas Ben Salom) und Benjamin Daniel Itzig (Marcus Ben Melchzedeck). Renner, Schlegel, Benjamin Isaak Wulff, Benjamin Daniel Itzig, Isaak Daniel Itzig sowie Karl Friedrich v. Boscamp werden noch in einer 1792 angefertigten und im Juli 1801 ergänzten Großen Ordensliste als Mitglieder der Asiatischen Brüderschaft geführt. Karl Friedrich v. Boscamp Lasopolski (Ordensname Serug) war Beamter beim 422

Bergwerksdepartement in Berlin, wurde am 28. August 1788 aufgenommen, war jedoch nicht Mitglied in Berlin, sondern in Hamburg; er ist nicht als Mitglied der TolL nachgewiesen. Außerdem war der jüdische Berliner Kaufmann Johann Kohlmann (Ordensname Astrug) auswärtiges Mitglied der Hamburger (Melchisedek-) Loge Zum glänzenden Felsen. – Vier Mitglieder der Berliner Obermeisterschaft, Isaak Daniel und Benjamin Daniel Itzig, Wulff und v. Renner, waren zugleich Mitglieder der TolL, eine Mitgliedschaft von Schönebeck (GLL) und Schlegel (Vereinigte Logen) scheint möglich. Der Münzbuchhalter Johann Andreas Schlegel war 1776 1. Aufseher der Zinnendorf-Loge Zu den drei goldenen Schlüsseln, die ihn 1777 ausschloss. Der Kriegsrat Johann Friedrich Karl Schönebeck war 1776 einer der Mitgründer der Zinnendorf-Loge Zum Pilgrim und nach seinem Ausschluss 1786 Mitglied der Loge Zu den drei Seraphim (Vereinigte Logen). Insgesamt bestand eine erhebliche personelle Übereinstimmung zwischen der Obermeisterschaft Berlin der Asiatischen Brüder und der TolL. Bibliographie: Ungedruckte Quellen: Den danske frimurerorden. Ordensarkivet, Kopenhagen, F VII vol. 15/16, 15e, 15f, 16h. – Großosten der Niederlande, Bibl. Kloss. Ms. 190 B 32 a. – GStA PK, HA I, Rep. 96 Acta des Kabinetts Friedrich Wilhelms II. 1786– 1797 Nr. 260. – GStA PK, Freimaurer, 5.1.3. Nr. 842, 3650, 8105 (u. a. Correspondence der

Loge zur Toleranz de 1787 und Protectorium für solche von Sr. Königl. Majestät von Preußen Höchsten Person, eine am 1.10.1841 angefertigte Abschrift des französischen Protokolls der RY vom 11.4.1787, Zertifikate, auch Entwürfe, der TolL, ein Brief Markus Herz‘ an Isaak Daniel Itzig); 5.1.4. Nr. 1551, 4116; 5.2. A 33 Nr. 84, 5.2. B 60 Nr. 1, 5.2. F 28 Nr. 6, 5.2. P 25 Nr. 2. – Literatur: Adresskalender der kgl.-preuß. Haupt- und Residenzstadt Berlin, besonders der daselbst befindlichen hohen und niederen Kollegien, Instanzien

Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz 1782–1792 in Berlin [TolL]

und Expeditionen, auf das Jahr 1782, 1790. – dert in Mitteleuropa. Hg. v. Helmut Rein[Anonym]: Geist der Maurerei nach Akten- alter. Frankfurt a. M. 41993. – Lessing, Gottstücken nebst einer ausführlichen Geschich- hold Ephraim: Ernst und Falk. Gespräche für te der Toleranzloge in Berlin, gestiftet durch Freimäurer. In: Gotthold Ephraim Lessing. die hochwürdigen Brüder v. Hirschfeld und Gesammelte Werke, Bd. 8. Hg. v. Paul Rilla. Catter. In: Bekenntnis zur Loge der Toleranz. Berlin 1956. – Maurerisches Taschenbuch auf Berlin 1790. – Brabbée, Gustav: Die Asiati- das Jahr 5802–5803 (=1802/03) von X.Y.Z. schen Brüder in Berlin und Wien. In: Lato- Berlin 1802. – Rachel, Hugo: Die Juden im mia, 22. Jg. (1863), S. 18 ff. – Bruer, Albert Berliner Wirtschaftsleben zur Zeit des MerA.: Geschichte der Juden in Preußen (1750– kantilismus. In: Zs. f. die Geschichte der Ju1820). Frankfurt a. M./New York 1991. – den in Deutschland, 2. Jg. (1930). – Rachel, Encyclopaedia Judaica, vol. 9. Jerusalem 1972. Hugo / Wallich, Paul: Berliner Großkaufleu– Geiger, Ludwig: Geschichte der Juden in te und Kapitalisten. Bd. 2: Die Zeit des MerBerlin. Festschrift zur zweiten Säkular-Fei- kantilismus 1648–1806. Neu hg. v. Johannes er. Anmerkungen, Ausführungen, urkund- Schultze / Henry C. Wallich / Gerd Heinliche Beilagen und zwei Nachträge (1871– rich. Berlin 1967. – Runkel, Ferdinand: Ge1890). Mit einem Vorwort von Hermann schichte der Freimaurerei in Deutschland. Simon. Bd. 2, Berlin 1871, Reprint 1989. – Bd. 1–3, Berlin 1932. Nachdr. KönigswinGerlach, Karlheinz: Die Loge zur Toleranz ter 2006. (Mit e. Nachw. von Peter Broers). 1782–1792 in Berlin. In: Zs. f. Internationa- – Scheiger, Brigitte: Juden in Berlin. In: Von le Freimaurerforschung, 1. Jg. (1999), H. 2. – Zuwanderern zu Einheimischen. HugenotGerlach, Karlheinz: Die Freimaurer im Alten ten, Juden, Böhmen, Polen in Berlin. Hg. v. Preußen. 1738–1806. Die Logen in Berlin. Stefi Jersch-Wenzel / Barbara John. Berlin Innsbruck/Wien/Bozen 2014 (Quellen und 1990. – Straubel, Rolf: Kaufleute und ManuDarstellungen zur europäischen Freimaure- fakturunternehmer. Eine empirische Unterrei, hg. von Helmut Reinalter in Zusammen- suchung über die sozialen Träger von Hanarbeit mit dem Institut für Ideengeschich- del und Großgewerbe in den mittleren preute, Bd. 14). – Jacobson, Jacob (Hg.): Die Ju- ßischen Provinzen (1763 bis 1815). Stuttgart denbürgerbücher der Stadt Berlin 1809–1851, 1995 (hier S. 192 f.) (Vierteljahresschr. für Somit Ergänzungen für die Jahre 1791–1809. zial- und Wirtschaftsgeschichte, Beih. 122). – Berlin 1962 (Veröffentlichungen der Histori- Volkov, Shulamit: Die Juden in Deutschland schen Kommission zu Berlin: Quellenwerke, 1780–1918. München 1994 (Enzyklopädie 4, 1). – Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädi- deutscher Geschichte, 16). – Wininger, Sasches Handbuch des jüdischen Wissens in vier lomon (Hg.): Große Jüdische National-BioBänden. Begr. von Herlitz, Georg / Kirsch- graphie. Ein Nachschlagewerk für das jüdiner, Bruno. Bd. 3, Berlin 1929. – Katz, Jakob: sche Volk und dessen Freunde. Bd. 3, NenDer Orden der Asiatischen Brüder. In: Frei- deln/Liechtenstein 1979. maurer und Geheimbünde im 18. JahrhunKarlheinz Gerlach

423

6  Freundeskreise mit vereinsartiger Struktur

Die im Folgenden beschriebenen Vereinigungen waren keine vereinsmäßigen Organisationen mit klaren formellen Bestimmungen, sondern durch gemeinsame Interessen verbundene Freundeskreise. Sie unterschieden sich von anderen Freundesbünden aber durch einen formalen Zusammenschluss und einen gemeinsamen Zweck. Sie konstituierten sich durch Vorschriften oder gemeinsame Absprachen, teils aber auch durch Statuten ( Tugendbund) zu einer festen, nach außen hin abgeschlossenen Verbindung. Es gab regelmäßige Zusammenkünfte und mehr oder weniger geregelte Aufnahmepraktiken. Die Vereinigungen hatten ein meist kleineres, überschaubares Mitgliederensemble. Der begrenzte Teilnehmerkreis bestand oft aus einem engeren und einem weiteren Kreis von Freunden bzw. Gleichgesinnten mit einem literarisch-philosophischen Interessenspektrum. Die Zusammenkünfte dienten der Besprechung eigener literarischer Arbeiten und Entwürfe oder waren Studien zur deutschen Literaturgeschichte gewidmet. Protokolle wurden in der Regel nicht geführt. Konnten einige der Freunde durch Weggang aus Berlin nicht mehr an den Zusammenkünften teilnehmen, erlaubte der kleine Teilnehmerkreis eine Fortsetzung der Gespräche und Diskussionen in brieflicher Form. War der frühe Tugendbund der Selbstbildung und der Erhöhung der sittlich-moralischen Vollkommenheit einer kleinen Freundes- und Liebesverbindung gewidmet, vereinten der  Freitag, der  Polarsternbund, der  Seraphinenorden und der  Maikäferklub romantische Dichtergruppen. Diese wollten zwar durch ihre Publikationen (literarhistorische Aufsätze, Kritiken, eigene literarischphilosophische Werke oder Periodika) in der Öffentlichkeit wirksam werden, jedoch nicht als Gruppe, Zirkel, Bund oder Klub. Der Freundeskreis war das vorbereitende und verdichtende Medium, aus dem Veröffentlichungen hervorgingen, die der Einzelne in dieser Art nicht hervorgebracht hätte. Man arbeitete oft gemeinsam an einem Werk, es war ein Geben und Nehmen, das auch Unstimmigkeiten, Missverständnisse oder Neid hervorbringen konnte und durch die Freundschaftsstruktur leicht der Gefahr der Auflösung unterlag, besonders wenn eine charismatische Zentralfigur die Gruppe verließ. Die privaten bis intimen Freundeskreise hatten einen geselligen Charakter, man aß, trank, musizierte und wanderte zusammen. Es waren in der Regel junge Leute, die sich teils während ihrer Studienzeit kennengelernt hatten und noch am Anfang ihrer Berufslaufbahn und ihrer schriftstellerischen Entwicklung standen. Wenn auch die Freundschaftsbünde zerbrachen oder erlöschten, hatte die gemeinsame Schaffenszeit doch für viele Protagonisten eine prägende und anhaltende Wirkung und wurde nicht selten in der Erinnerung idealisiert. Uta Motschmann 424

Tugendbund (um Henriette Herz) [TBH]

Tugendbund (um Henriette Herz) [TBH] Name: Der Freundschafts- und Veredlungsbund wurde von den Mitgliedern meist als „Verbindung“ oder „Verbündung“ bezeichnet; Henriette Herz sprach später von „einer Art Tugendbund“. (Der TBH darf nicht verwechselt werden mit dem späteren antinapoleonischen  Tugendbund preußischer Patrioten.) Gründung: Ende 1787. Auflösung: Ende der Blütezeit Mitte 1789, informelle de facto -Auflösung seit 1790. Sitz: Man traf sich in den Wohnungen der Mitglieder (vor allem bei Henriette Herz, Neue Friedrichstraße 22) und pflegte lebhaften Briefkontakt. Nicht-Berliner sowie Mitglieder, die längere Zeit von Berlin abwesend waren, wurden bzw. blieben als korrespondierende Mitglieder einbezogen. Der TBH hatte insofern auch den Charakter eines brieflichen Netzwerks, in dessen Mittelpunkt Henriette Herz und Brendel Veit (geb. Mendelssohn, spätere Dorothea Schlegel) in Berlin standen. Programm: „Moralische Ausbildung“ (Wilhelm v. Humboldt) bzw. „gegenseitige sittliche und geistige Heranbildung sowie Übung werktätiger Liebe“ (H. Herz) standen im Mittelpunkt. Praktische Caritas im Rahmen des TBH übten vor allem H. Herz und B. Veit. Das vorrangige Wirken nach „innen“ in konkrete Vorschriften zu fassen, war schwierig. Die ursprünglichen Statuten (von Carl v. La Roche und H. Herz, Jahreswende 1787/88) und der „revolutionäre“ Vorschlag zu ihrer Veränderung durch das Neumitglied Caroline v. Beulwitz (Januar 1789) sind nicht überliefert. Hier folgen Auszüge aus einem Entwurf W. v. Humboldts (März 1789) für C. v. Beulwitz, welche auf dieser Grundlage eine revidierte Fassung der Statuten erstellen sollte: „Wäre unser zwek die erreichung irgend einer einzelnen absicht, wollten wir irgend ein einzelnes unternehmen ausführen; so wären die vorschriften [= Gründungs-Statuten] vortref­

lich. […] So aber ist unser zwek ausbildung unsrer selbst, erhöhung unsrer inneren moralischen vollkommenheit […]. Darum muss das erste gesez bei uns freiheit sein, und alles, was diese freiheit einschänkt ist dem zwekke entgegen. Wir haben uns verbunden weil durch freundschaft und liebe die vollkommenheit, nach der wir streben, am schnellsten und besten reift. Nun fragt es sich, warum es dazu einer ☉ [= Verbündung] bedürfe? […] 1., wenn wir uns absichtlich mit einander zu höherer moralischer ausbildung verbunden haben, so behalten wir diesen zwek besser vor augen; suchen mehr durch gegenseitige mit­ theilung unsren ideen klarheit und bestimmtheit zu geben; mehr durch beispiel und rath auf den charakter einer des andren zu wirken; […] 2., bei einer ☉ ist es leichter neue mitglieder mit in den bund aufzunehmen […]. Es ist so schwer, dass personen – vorzüglich beiderlei geschlechts – wie gleichgestimmt sie auch sein mögen, […] sich kennen, sich finden, sich verstehn. […] So geschieht diess alles auf einmal durch die aufnahme. Weil aber freilich auf der andren seite von einer solchen ☉ auch mancherlei nachtheile zu besorgen sind, […] so haben wir folgendes unter einander ausgemacht: / 1., unverbrüchliche verschwiegenheit. / 2., ausserdem aber hat keiner irgend eine pflicht gegen den andren. Niemand kann fordern, ieder muss verdienen. Was man thut, thut man aus liebe […]. / 3., Es bleibt also ieder völlig frei. Die ☉ ändert nicht das geringste in dem Verhältniss, in dem er schon vorher mit iedem Einzelnen stand […]. Die einzige aenderung […] ist die, dass iedem der gedanke lebendiger bleibt, dass sein verhältniss mit den übrigen den bestimmten zwek der moralischen ausbildung hat. / 4., Allein nicht bloss in der ☉ hat ieder diese uneingeschränkte freiheit, sondern auch ausser derselben. […] / 5., Schon aus dem vorigen folgt, dass auch gegenseitiges vertrauen auf keine weise als pflicht gefordert 425

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

werden kann […]. In absicht des entdekkens und H. Herz zählte, aber seit dem Herbst 1787 von dingen, die von verbündeten oder frem- in Frankfurt/Oder studierte. W. v. H. wurde den als geheimnisse anvertraut worden sind, während eines Berlinbesuchs, wohl zu Anfang ändert die ☉ nichts. Sie überlässt darin alles des Jahres 1788, in den TBH aufgenommen. der beurtheilung, und dem moralischen Ge- Die von den Statuten geforderte und anfangs fühl iedes Einzelnen. / 6., Der zwek der ☉ ist praktizierte Pflicht zu vorbehaltloser gegenmoralische ausbildung. Die verbündeten wer- seitiger Offenheit in allen Dingen des Denden daher suchen, gegenwärtig auf ihren cha- kens und Fühlens funktionierte in der Grünrakter zu wirken. […] / 7., Neue mitglieder dungs-Euphorie, da viele Mitglieder liebesarkönnen nur mit einwilligung iedes Einzelnen me Kindheiten, Einsamkeit oder unausgefüllte aufgenommen werden. Dass ieder sie auch Ehen verarbeiten mussten. Nach einer sehr rapersönlich kennen [muss], ist nicht nothwen- tional ausgerichteten Erziehung, die den meisdig […]. Dass ieder das recht hat[,] vorge- ten Mitgliedern zuteil geworden war, kam der schlagne mitglieder zu verwerfen[,] versteht „Sturm und Drang“ im TBH den Bedürfnissich von selbst, er hat aber auch nicht einmal sen der Lebensphase der Adoleszenz entgegen nöthig, seine gründe dazu anzugeben“ (Wil- (im Fall der durch frühe Vermählung in die helm v. Humboldt an Caroline von Beulwitz, Welt der Erwachsenen getretenen B. Veit und Göttingen, 20. März 1789). H. Herz wurde diese Phase nun nachgeholt). Liebe und Freundschaft lösten ein soziales und Geschichte und Programmatik: Obwohl moralisches Experiment innerhalb des TBH man den TBH keinen Verein im strengen Sin- aus. Man riss für den Moment die Standesne nennen kann, verdeutlicht er als Vorstufe schranken zwischen Adel und bildungsbürgereines Vereins das Bedürfnis nach einem formal lichem Judentum nieder und fand emotionadeklarierten Zusammenschluss von Gleichge- len Halt in einer Gruppe von Gleichgesinnten. sinnten zu einem gemeinsamen Zweck. Der Zärtliche Küsse gehörten dazu; Freundschaft TBH konstituierte sich durch „Vorschriften“ und Liebe hatten fließende Übergänge. Manbzw. „Statuten“ als feste Verbindung. Proto- che Arkana des damals blühenden Geheimkolle und Mitgliederlisten gab es nicht, doch bundwesens lassen sich auch im TBH finden. lässt sich die Geschichte des TBH durch erhal- Dem TBH standen Alexander v. Humboldt, tene Briefe der Mitglieder weitgehend rekon- Brenna de Lemos (Schwester von H. Herz) struieren. – Die Gründungsphase 1787/88: und Henriette Mendelssohn (Schwester von B. Gegen Ende des Jahres 1787 wurde der TBH Veit) nahe, ohne dass sich ihre Mitgliedschaft als Freundschafts- und Veredlungsbund von sicher belegen lässt. Henriette Herz, Brendel Veit und Carl v. La 1788: Durch die Vermittlung C. v. La RoRoche gegründet. Anlass zur Konstituierung ches bezog man Anfang 1788 dessen Freundin als Personenverband waren geographische Caroline v. Dacheröden in Thüringen als ersTrennungen innerhalb des Berliner Freun- te auswärtige Bundesschwester ein. Zwischen deskreises, welcher durch eine formelle Ver- Berlin, Schönebeck bei Magdeburg, Thürineinigung gefestigt werden sollte. Die Statu- gen und Göttingen, wo W. v. Humboldt seit ten entwarf C. v. La Roche mit H. Herz um dem Frühjahr 1788 studierte, wurde ein dichdie Jahreswende 1787/88, bevor La Roche im tes Netz von Korrespondenzen gespannt; BeJanuar 1788 Assessor am Salzamt Schönebeck suche untereinander waren außerhalb Berlins bei Magdeburg wurde. Wesentlich mitge- vor allem den mobileren männlichen Mitglieprägt wurde der TBH von Wilhelm v. Hum- dern möglich. Während seiner Bildungsreiboldt, der mit seinem Bruder Alexander be- se im September/Oktober 1788 schrieb W. v. reits seit 1786 zu den Freunden von B. Veit Humboldt ein Reisetagebuch für die Freunde 426

Tugendbund (um Henriette Herz) [TBH]

Abb. 81  Henriette Herz, Stahlstich von Albert Teichel nach dem Gemälde von Anton Graff, 1792.

Abb. 82  Brendel Veit (Dorothea Schlegel), anonyme Bleistiftzeichnung, 1798.

im TBH. Humboldts Bewunderung für Therese Forster geb. Heyne, die er in Göttingen kennengelernt hatte und im Oktober 1788 in Mainz besuchte, ließ ihn zum ersten Mal Abstand vom TBH gewinnen. (Ein Beitritt Therese Forsters zum TBH wurde von Humboldt wahrscheinlich angeregt, kam jedoch nicht zustande.) Briefliche Debatten der Mitglieder berührten persönliche Erlebnisse, emotionale, philosophische und gelegentlich auch religiöse Themen sowie immer wieder Fragen der Bundesverfassung. Die zugleich introvertierten wie extrovertierten Zielsetzungen des TBH (moralische Vervollkommnung und ein soziales Netzwerk der Liebe und Freundschaft), die bei aller Geheimhaltung doch auch nach außen hin ausstrahlen sollten, waren subjektiver und komplexer als bei anderen Vereinen. Gerade deshalb glaubte man auf Statuten nicht verzichten zu können, geriet jedoch unter einen permanenten Perfektionierungsdruck.

Mit einer gewissen inneren Logik sahen besonders der frisch bestallte junge Beamte La Roche einerseits und die rechtlichen Außenseiterinnen H. Herz und B. Veit andererseits (die als Untertanen ohne Amt, als Frauen und als jüdische Frauen von bürgerlicher Mitbestimmung ausgeschlossen waren) in der Konstituierung des Vereins mit Statuten einen wichtigen legislativen Akt. Humboldt dagegen meldete schon Ende 1788 seine Bedenken gegen eine zu enge Reglementierung an. (Er lehnte die Tendenz zur „Gestalt eines Ordens“ ab, wobei er an Adam Weishaupts Illuminatenorden denken mochte.) In direkter Wechselwirkung mit der Grundsatzdebatte löste das Weiterreichen von Briefen Kettenreaktionen und kontroverse Diskussionen aus, wobei es um „Vertrauen“ (gewünschte Offenheit aller Mitglieder gegen alle) einerseits und „Vertraulichkeit“ (Beziehungen einzelner Mitglieder untereinander) andererseits ging. Später behauptete Humboldt, stets ein427

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

zelne Punkte der ursprünglichen Vorschriften abgelehnt zu haben. Er betonte, eine größere Freiheit der Mitglieder gegenüber deren Pflichten erhöhe die Würde und Stabilität des Bundes. Seine angebliche Bezeichnung des TBH als „Loge“ ist ein Transkriptionsfehler. Es war für W. v. Humboldt charakteristisch, wie er den TBH auffasste und „seinen Ideen anzupassen sucht[e]“ (Paul Schwenke). Humboldt vertrat bezüglich der Höflichkeit den Standpunkt, dass unter den „Verbündeten“ die „Schranken des bloß konventionellen“ Anstands „aufgehoben“ sein sollten. Hier ergaben sich ähnliche Probleme wie bei der Pflicht zu absoluter gegenseitiger Offenheit. Was im mündlichen Verkehr vielleicht möglich war, konnte brieflich verletzen. 1789: Als C. v. Dacherödens Freundin Caroline v. Beulwitz (geb. v. Lengefeld, später Schillers Schwägerin) im Januar 1789 in Rudolstadt durch den Bundesgesandten W. v. Humboldt in den TBH aufgenommen worden war, legte sie unverzüglich einen Entwurf zur Statutenreform vor. Offenbar hatte sie bereits bei der Aufnahme Humboldt gegenüber gewisse Vorbehalte bezüglich der bestehenden Vorschriften geäußert. Auch C. v. Dache­ röden begrüßte die Neuerungen als „große Revolution“ im „System“. Bei den Gründungsmitgliedern hingegen weckten solche Bestrebungen keine Begeisterung, obgleich oder sogar weil auch C. v. La Roche bereits mit einer Revision der Statuten betraut war. Als La Roche erklärte, die von Humboldt gewünschten Änderungen seien ihm zu unklar, weshalb dieser selbst sie formulieren solle, trat Humboldt die Aufgabe im März 1789 an C. v. Beulwitz ab. Die Freundin sei besser geeignet als er, die Statuten in eine klare Form zu bringen. Humboldt übermittelte ihr in einem ausführlichen Brief seine Vorschläge und entwarf sieben Punkte als Arbeitsgrundlage. Es ist nicht sicher, ob C. v. Beulwitz mit einem zweiten Vorstoß erfolgreich war – die Sache verlief wahrscheinlich im Sande. C. v. Beulwitz, C. v. Dacheröden und W. v. Hum428

boldt bildeten seit dem Frühjahr 1789 eine Art thüringische Fraktion des TBH. Die emotionalen Bindungen des TBH mit unklaren Grenzen zwischen idealer und irdischer Liebe wirkten nicht nur hilfreich, sondern komplizierten auch die wechselnden erotischen Konstellationen der Mitglieder innerhalb und außerhalb des Bundes. W. v. Humboldt widmete dem TBH während seiner Reise ins revolutionäre Frankreich in Ermenonville ein empfindsames Andenken. Am 22. August 1789 schrieb er in sein Tagebuch, er habe nahe der Begräbnisinsel Rousseaus in eine Pappel die Buchstaben „K. J. / W“ (Karl – Jette / Wilhelm) geschnitten. Am Ende dieses Jahres bestärkte C. v. Beulwitz W. v. Humboldt und C. v. Dacheröden in ihrer gegenseitigen Neigung und riet Humboldt, der noch immer den älteren Rechten C. v. La Roches den Vortritt lassen wollte, sich gegenüber Caroline zu erklären. Nach dem Wiedersehen des Paares am 16. Dezember 1789 in Erfurt fand die heimliche Verlobung statt. 1790: Der Eintritt W. v. Humboldts in den preußischen Staatsdienst als Auskultator beim Stadtgericht führte ihn wieder für längere Zeit nach Berlin und in den nahen Umgang mit H. Herz und B. Veit. Die TBH-Mitglieder waren schon vor den Familien des Brautpaars über die geheime Verlobung informiert. Fragen der Bundesverfassung wurden nicht mehr berührt. Zu alter Anhänglichkeit an die Berliner Freundinnen gesellte sich eine wachsende Distanz. Im Spätsommer 1790 begann W. v. Humboldt damit, H. Herz maßlos gegenüber seiner Braut und anderen zu kritisieren. Die Gründe sind vielschichtig und erklären sich wohl nicht allein aus Humboldts Erkenntnis, dass selbst die einst vergötterte H. Herz menschliche Schwächen besaß. Seine neue Rolle ließ ihn Zukunftspläne schmieden und stellte ihn primär an die Seite seiner Braut. Durch sie und C. v. Beulwitz, deren Schwester Charlotte v. Lengefeld im Februar 1790 Friedrich Schiller geheiratet hatte, eröffnete sich die Perspektive einer Freund-

Tugendbund (um Henriette Herz) [TBH]

schaft mit dem bewunderten Dichter. Neue nahme einer ausgewogenen Bewertung von Berliner Bekanntschaften und Sorgen um sei- Ernst Behler in der Kritischen Schlegelne berufliche Zukunft im Konflikt mit sei- Ausgabe). Es sollte allerdings nicht übersenen Vorstellungen von Persönlichkeitsentfal- hen werden, dass es sich erstens um vertrautung stürzten Humboldt in eine latente Krise, liche (geheime!) Mitteilungen handelte, und in welcher ihm der TBH nur biographischer zweitens um eine empfindsame Revolution Ballast war. Humboldts unverhüllte Egozen­ mit ernsthaftem Hintergrund. Des Weiteren trik und sein sehr emotional aufgeladenes Ver- stammen die erhaltenen Quellen seit 1789 hältnis zu Frauen gaben damals antijüdischen überwiegend aus der Perspektive der sich Stereotypen Raum, die vor allem H. Herz formierenden Thüringer Opposition. – W. v. trafen. W. v. Humboldt reagierte zunehmend Humboldt schrieb 1810 über den TBH, diegereizt auf TBH-Assoziationen und mokierte ser habe viel Gutes in ihm zur Entfaltung gesich z. B. im September 1790 über „die Her- bracht; zwar sei er den Bundesschwestern um zisch und Veitische Sucht zu wirken und zu seiner Braut willen „untreu“ geworden, doch bessern, was nur irgend neben mir athmet“. sein Fazit über den TBH war: „Ich werde Arrogante und speziell auch judenfeindliche die Verbindung immer lieb haben“. RückÄußerungen sind um 1790 vor allem in sei- blickend betrachtete auch H. Herz, wenn nem Briefwechsel mit K. G. v. Brinckmann man Fürsts Überlieferung hier trauen kann, zu finden. Später legte sich die Unduldsam- den TBH mit einer Mischung von Nostalkeit Humboldts bezüglich des TBH wieder, gie, Ironie und Selbstironie. Um den TBH ja er stellte sogar klar, der TBH habe seine zu verstehen, muss man das Experiment der jugend­ liche Persönlichkeitsentwicklung po- Synthese von traditionellem Freundschaftssitiv gefördert. Die Erinnerungen an den kult mit neuen egalitären Impulsen und eiTBH und seine Zielsetzungen bestärkten W. v. ner vereins-analogen Organisation als solches Humboldt später in seinem Engagement zu- würdigen. Den geistigen Nährboden für den gunsten der Judenemanzipation. TBH bildeten die verschiedenen Arten des Ohne explizite Auflösung ließ man den TBH zeitgenössischen Freundschaftskults, Einflüsse seit etwa 1790 ruhen. Falls die von Karl Au- aufgeklärter Popularphilosophie, die Bestregust Varnhagen (nach Erinnerungen seiner bungen zur philanthropisch geprägten MenFrau Rahel) überlieferten und von Ludmil- schenkenntnis, Freiheitsliebe und Weltverla Assing publizierten Angaben zum TBH besserung, die Aktivitäten der  Freimaurer nicht auf Irrtümern beruhen, könnte es sein, und Illuminaten, der empfindsame Bekenntdass (um 1790/92?) dennoch weitere Mit- nistrieb verwandter Seelen und die egalitäglieder aufgenommen wurden, die den en- ren Verbrüderungsgedanken des Sturm und geren Bund erweitern sollten. Das hätte den Drang. Für die Zuordnung zur FrühgeStatuten gemäß allerdings das Einverständnis schichte der Berliner Vereine ist die formaaller Mitglieder erfordert und ist daher un- le Konstituierung des Bundes wichtig. Man wahrscheinlich. Laut Varnhagen wurde da- hatte im Kreise der Herz die Entwicklung mals (oder doch schon früher?) die junge Ra- der Vereinigten Staaten von Amerika diskuhel Levin zur Teilnahme eingeladen, was die- tiert, die sich kurz zuvor eine Verfassung gese jedoch als „empfindsames Tändelwerk“ geben hatten (N.B.: Benjamin Franklin war und „eitles Schönthun“ ablehnte. als junger Mann der Gründer eines geselligen Bewertung: Die emotionale Intensität vie- Debattierclubs mit Statuten); zugleich stand ler Briefe aus dem Kreis des TBH hat in der in Preußen damals die Kodifikation des PreuLiteratur zu einer überwiegend spöttischen ßischen Allgemeinen Landrechts kurz vor dem Einschätzung des Vereins geführt (mit Aus- Abschluss. 429

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

Der Tugendbegriff (seit Cicero und Mon- doch auf „doppelten“ Korrespondenzen, mit taigne stets das Fundament wahrer Freund- „zeigbaren“ und „nicht zeigbaren“ Briefen. schaft) war für das späte 18. Jahrhundert Manches erinnert an Freimaurer-Zeremonoch ein verbindlicher ethischer Fixpunkt. nien: Bei der Aufnahme spielten Zirkel und Freundschaft und Tugend sollten äußere Ring eine Rolle, die von den „Verbündeten“ Schranken und Konventionen überwinden, geküsst wurden. Hans Landsberg nannte den im TBH konkret durch das Experimentie- TBH treffend ein „Freimaurertum des Herren mit neuen Geselligkeits- und Kommuni- zens“ (S. 54). In den Briefen wurde der TBH kationsebenen im Kontext jüdischer Haska- mit dem astronomischen Symbol der Sonla und Akkulturation. Der TBH war (selbst ne in unserem Planetensystem, einem Zirkel in seinen zuletzt divergierenden Standpunk- bzw. Kreis mit einem Mittelpunkt („☉“) beten) das Musterbeispiel eines freiheitlich-hu- zeichnet. Das war auch, wie schon P. Schwenmanitär fundierten Tugendstrebens im Sin- ke anmerkte, das Zeichen der Illuminaten, die ne von Spätaufklärung und Neuhumanismus, allerdings von ihrem „Zirkel“, nicht von der Welten entfernt von dem, was jenseits des „Verbündung“ sprachen. Bezeichnend war Rheins sich im Namen der Tugend (Robes­ eine gewollt egalitäre Struktur mit brüderlipierres „vertu“ der von ihm diktatorisch de- chem/schwesterlichem Umgang und der Anfinierten „volonté générale“) zu entwickeln rede „Du“. Die innere Struktur war verwandt begann. Die Erklärung der Menschenrechte mit religiöser Seelenerforschung (wie z. B. im passte ins Konzept des TBH; die ehemaligen Pietismus), der Charakteranalyse in der TradiMitglieder waren dagegen schockiert von der tion literarischer „Portraits“ des 17. JahrhunPerversion der „Tugend“ in der Terreur. derts und der zeitgenössischen „Erfahrungsseelenkunde“ (Karl Philipp Moritz). Die vorStruktur und Organisation: Die Zusam- behaltlosen Bekenntnisse von Gedanken und menkünfte hatten die Form eines freien, in- Gefühlen sind zudem Echos auf die Schriften formellen Beisammenseins der Mitglieder von Rousseau und Richardson. bzw. jeweils einiger Mitglieder; es gab ge- Die Mitglieder des TBH, vor allem die Bergenseitige Besuche, wann immer das mög- linerinnen, waren karitativ engagiert. Man lich war. Reisen zu auswärtigen Mitgliedern unterstützte Bedürftige, B. Veit gründete in und rege Korrespondenz (auch Sammelkor- Schönhausen ein Waisenhaus für jüdische respondenzen) waren erwünscht. Die Fäden Kinder und H. Herz erzog ein Bettlerkind in des TBH -Netzwerks liefen bei H. Herz zu- ihrem Hause. sammen, die ein „Verbindungsarchiv“ in Ver- Formelle Gremien und Ämter gab es in diewahrung hatte. Auf seiner Bildungsreise im ser zahlenmäßig überschaubaren Verbindung Sommer 1788 verfasste W. v. Humboldt ein nicht. Jedes Mitglied konnte Funktionen in Tagebuch für den TBH. der Gesellschaft übernehmen (z. B. als AbgeEine Verschlüsselung der Korrespondenz soll- sandter des TBH ). Ein Mitgliedsbeitrag wurte gewährleisten, dass keine Außenstehenden de nicht erhoben. (Ehemänner, Erzieher, Verwandte) die vertraulichen Briefe verstehen konnten. Bei den Mitglieder: a) Allgemeines: Neuaufnahmen Chiffren handelte es sich nicht um hebräische erfolgten auf Vorschlag von mindestens eiSchriftzeichen, sondern um Zeichen für Na- nem Mitglied. Kontrovers wurde diskutiert, men und den TBH. (C. v. Beulwitz und C. ob das Veto eines Mitglieds gegen einen Kanv. Dacheröden verwendeten ähnliche Kür- didaten begründet werden müsse. Dem Einzel in den Briefen an Lotte Schiller.) Die we- tritt eines neuen Mitgliedes ging theoretisch sentliche Geheimhaltungstaktik beruhte je- eine einjährige Wartezeit voraus, die aber bei 430

Tugendbund (um Henriette Herz) [TBH]

bereits bestehender näherer Bekanntschaft mitglied); Veit, Brendel (geb. Mendelssohn, nicht zwingend war. – Es gab keine formel- spätere Dorothea [v.] Schlegel; 1763–1839), len Austritte, wohl aber die bereits beschrie- Schriftstellerin und Übersetzerin (Gründungsbene latente thüringische Opposition, die zur mitglied). inneren Sezession wurde. Zum engeren Kreis um den TBH gehörInitiatoren: Henriette Herz, Carl v. La Roche, ten auch W. v. Humboldts Freundin TheBrendel Veit (Dorothea Schlegel). rese Forster sowie Geschwister der Mitglieb) Mitgliederspektrum: Es handelte sich um der, die sich nicht mit Sicherheit als Mitgliejunge jüdische Frauen sowie junge christliche der nachweisen lassen und wohl auch keine adelige Männer und Frauen mit bildungs- waren: Forster, Therese (geb. Heyne, spätebürgerlichen Idealen. Die durch Genese und re Huber; 1764–1829), Schriftstellerin und Zielsetzung des TBH bedingte recht frauen- Redakteurin, durch W. v. Humboldt dem zentrierte Ausgestaltung war etwas Beson- TBH eng assoziiert und möglicherweise von deres im Kontext des Vereinswesens. Durch ihm für einen Beitritt vorgesehen; Humboldt, die Beteiligung von Frauen und speziell jüdi- Alexander v. (1769–1859), Botaniker, Bergschen Frauen gehört der TBH in den Kon- fachmann, Naturforscher, Forschungsreisentext der frühen Frauenemanzipation und der der, lebenslanger Freund von H. Herz; LePionierzeit jüdischer Akkulturation in Ber- mos, Brenna de (1770–1815), Schwester von lin (Brendel Veit war die älteste Tochter Mo- H. Herz, Pastellmalerin, wurde als möglises Mendelssohns). Zur Zeit des Bundes wa- che Braut für C. von La Roche diskutiert; ren die Mitglieder Studenten, Berufsanfän- Mendelssohn, Henriette (Jente) (1775–1831), ger (Beamte, Bergfach, Jura), junge Ehefrau- Schwester von B. Veit, erhielt brieflich Leen und junge Mädchen mit musischen und bensratschläge im Stil des TBH, später Pä­ literarischen Inter­ essen. Einige der Mitglie- dagogin. der machten sich später als Schriftsteller/in- Der von Paul Schwenke (1891) und Albert nen, Gelehrte, Salonnièren oder Diplomaten Leitzmann (1907/1920) eröffnete kritische (bzw. Diplomatenfrauen) einen Namen. Diskurs über faktische, mögliche und irrtümc) Alphabetisches Mitgliederverzeichnis: lich zugeschriebene TBH -Mitgliedschaften Beulwitz, Caroline (Karoline) v. (geb. von ist nur unzureichend rezipiert und fortgesetzt Lengefeld, spätere v. Wolzogen; 1763–1847), worden. Zur Quellenkritik und den mögliSchriftstellerin, Schwägerin und Biographin chen und angeblichen Mitgliedern des TBH Schillers, korrespondierendes Mitglied (seit Ja- vgl. eine kommentierte Liste im Supplementnuar 1789); Dacheröden, Caroline (Karoline, Band. Lina, Li) v. (verehelichte v. Humboldt; 1766– 1829), Salonnière, Briefschreiberin, korres­ Querverweise auf andere Vereine: Vereine, pondierendes Mitglied (seit Anfang 1788); die dem TBH nahe standen, waren die  Herz, Henriette (Jette) (geb. de Lemos; 1764– Bauersche Lesegesellschaft, die  Feßlersche 1847), Salonnière, Brief- und Memoiren- Mittwochsgesellschaft und später das Brinckschreiberin (Gründungsmitglied); Humboldt, mannsche Dienstags-Teekränzchen von Mlle. Wilhelm (Bill) v. (1767–1835), Staatsmann, Hainchelin, Henriette Herz u. a. Die beteiSprachforscher, vielseitiger Gelehrter (Mit- ligten Personenkreise überschnitten sich, was glied seit Ende 1787/Anfang 1788); La Roche, z. T. irrtümliche Mitgliedschafts-Zuweisungen Carl (Karl) v. (1766–1839; Sohn der Schrift- zum TBH erzeugte. Ferner ist die personelle stellerin Sophie v. La Roche), Bergfach-Eleve Verknüpfung des TBH mit den „Freitagabenin Berlin, Berg-Assessor in Schönebeck, später den“ im Hause Herz und den frühen SalonGeheimer Oberbergrat in Berlin (Gründungs- strukturen auf dem Hintergrund der aufblü431

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

henden weiblichen Geselligkeitskultur aufschlussreich. Gewisse Parallelen gab es auch zu zeitgenössischen geselligen Kreisen wie den „Empfindsamen“ in Darmstadt, zum Emkendorfer Kreis um Julia Gräfin v. Reventlow in Holstein und zur religiös geprägten Familia Sacra um die Fürstin Amalie v. Gallitzin in Münster. Der TBH war zahlenmäßig kleiner und intimer als die zuletzt genannten Kreise. Ein Vergleich des TBH mit Geheimgesellschaften ergab formale Ähnlichkeiten in den Mitteln des Zusammenhalts, aber große Unterschiede im Selbstverständnis, in der Mitgliederzahl und in der Wirkung nach außen (vgl. Hammacher). Bibliographie: a) Autobiographien und Briefe: Es gab ein nicht erhaltenes „Verbindungsarchiv“, in dem Briefe gesammelt wurden. – Das Material zum TBH ist sehr punktuell und verstreut. Ein Teil der Originalbriefe ist verschollen oder zerstört, wennschon oft Abschriften oder Publikationen die Lücken füllen. Erhaltene Briefe befinden sich u. a. im Archiv der BBAW und in der SBB PK Berlin, ferner in der Sammlung Varnhagen (heute Kraków, Biblioteka Jagiellońska, vgl. die Übersicht in Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin, Berlin 1911, Kat. 89, S. 364). Hilfreich, auch zu Datierungsfragen, ist Philip Mattson, Verzeichnis der Briefe Wilhelm von Humboldts, 2 Bde., Heidelberg 1980. Beulwitz, Caroline v., siehe unter Wolzogen. – Dacheröden, Caroline v., siehe unter Humboldt. – Forster, Therese, siehe unter Huber. – [Herz, Henriette:] Henriette Herz. Ihr Leben und ihre Erinnerungen, hg. v. J[oseph] Fürst. Berlin 1850, S. 148–152. – [Herz, Henriette:] Henriette Herz. Ihr Leben und ihre Zeit, hg. v. Hans Landsberg. Weimar 1913. – [Herz, Henriette:] Henriette Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnissen, hg. v. Rainer Schmitz. Leipzig, Weimar, Frankfurt/Main 1984, über den Tugendbund dort S. 81–84, Briefe S. 207– 250. – [Herz, Henriette:] Berliner Salon. Erin432

nerungen und Porträts, hg. u. m. e. Nachw. vers. v. Ulrich Janetzki. Frankfurt/Main, Berlin, Wien 1984. – [Herz, Henriette/Nachlass:] Heinrich Hahn (Hg.): Aus dem Nachlaß von Henriette Herz. In: Nord und Süd. 63 (1892), S. 58–74. – Herz, Henriette: Briefe an Karl Gustaf von Brinckmann. In: Neue Briefe von Karoline von Humboldt. Rudolf Haym zum Gedächtniss, hg. u. erl. v. Albert Leitzmann. Halle/Saale 1901, S. 140 f. – Huber, Therese: Briefe, Bd. 1: 1774–1803, bearb. v. Magdalene Heuser […]. Tübingen 1999. – Humboldt, Alexander v.: Briefe Alexander von Humboldts an seinen Bruder Wilhelm, hg. v. der Familie von Humboldt. Berlin 1923. – Humboldt, Alexander v.: Jugendbriefe 1787–1799, hg. v. Ilse Jahn und Fritz G. Lange. Berlin 1973 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, 2). – [Humboldt, Caroline v.:] Caroline von Dacheröden, verehelichte von Humboldt [Briefe an Charlotte v. Lengefeld, verehelichte Schiller]. In: Charlotte von Schiller und ihre Freunde, hg. v. Ludwig Urlichs. Bd. 2, Stuttgart 1862, S. 145–214. – [Humboldt, Caroline v.:] Briefwechsel zwischen Karoline von Humboldt, Rahel und Varnhagen, hg. v. Albert Leitzmann. Weimar 1896. – [Humboldt, Caroline v.:] Neue Briefe von Karoline von Humboldt. Rudolf Haym zum Gedächtniss, hg. u. erl. v. Albert Leitzmann. Halle/Saale 1901. – [Humboldt, Caroline v.:] Karoline von Humboldt in ihren Briefen an Alexander von Rennenkampff, nebst einer Charakteristik beider als Einleitung und einem Anhang, hg. v. Albrecht Stauffer. Berlin 1904. – [Humboldt, Caroline v.:] Karoline von Humboldt und Friedrich Gottlieb Welcker, Briefwechsel 1807–1826, hg. v. Erna Sander-Rindtorff. Bonn 1936. – Humboldt, Caroline v. / Friederike Brun: Frauen zur Goethezeit. Ein Briefwechsel. Briefe aus dem Reichsarchiv Kopenhagen und dem Archiv Schloß Tegel, Berlin, erstmalig hg. u. komm. v. Ilse FoerstCrato. Düsseldorf 1975. – [Humboldt, Caroline v.:] Caroline von Humboldt. Ein Leben in Briefen, hg. u. m. e. Nachw. vers. v. Günther

Tugendbund (um Henriette Herz) [TBH]

Tietz. Frankfurt/Main […] 1991. – Humboldt, Wilhelm v.: Briefe. Bd. 1: 1781 – Juni 1791, hg. u. kommentiert von Philip Mattson. Berlin 2014 (Wilhelm von Humboldt: Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, Abt. 1: Bis zum Beginn der diplomatischen Laufbahn 1781– 1802). [Lag erst unmittelbar vor dem Druck vor und konnte nur bedingt berücksichtigt werden]. – Humboldt, Wilhelm v.: Briefe an Henriette Herz. In: Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense. Briefe von Chamisso, Gneisenau, Haugwitz, W. von Humboldt, Prinz Louis Ferdinand, Rahel, Rückert, L. Tieck u. a. Nebst Briefen, Anmerkungen und Notizen von Varnhagen von Ense [hg. v. Ludmilla Assing]. Bd. 1, Leipzig 1867, S. 1–20 [Kommentar Varnhagens] und S.  21–133 [Briefe]. – [Humboldt, Wilhelm v.: Briefe an Caroline v. Wolzogen u. a., in:] Schwenke, Paul (Hg. u. Komm.): Aus Wilhelm von Humboldt’s Studienjahren. Mit ungedruckten Briefen. In: Deutsche Rundschau 66, 17. Jg. (1891), S. 228–251. – [Humboldt, Wilhelm v.:] Wilhelm von Humboldt, Briefe an Karl Gustav von Brinkmann, hg. u. erl. v. Albert Leitzmann. Leipzig 1939. – Humboldt, Wilhelm v.: Briefe. Auswahl von Wilhelm Rößle. München 1952. – [Humboldt, Wilhelm v., Brief an Caroline v. Beulwitz, Göttingen, 20. März 1789, in:] Foerst-Crato, Ilse (Hg. u. Komm.): Wilhelm von Humboldt an Karoline von Beulwitz über den Tugendbund (1789). In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 41 (1967), S. 192–201. – Humboldt, Wilhelm v.: Tagebücher, hg. v. Albert Leitzmann. Bd. 1: 1788– 1798, Berlin 1916 (Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften, hg. v. der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 14 [= 3. Abt., Bd. 1]). – [Humboldt, Wilhelm v.:] Wilhelm von Humboldt. Sein Leben und Wirken, dargestellt in Briefen, Tagebüchern und Dokumenten seiner Zeit, hg. v. Rudolf Freese, 2. […] Aufl. Darmstadt 1986. – [Humboldt, Wilhelm und Caroline v.:] Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren

Briefen, hg. v. Anna von Sydow, Bd. 1: Briefe aus der Brautzeit (1787–1791). Berlin 1906, vor allem S. 13–109 ff., vgl. Bd. 2–7, Berlin 1907–1916. – [Humboldt, Wilhelm und Caroline v.:] Die Brautbriefe Wilhelms und Carolines von Humboldt, hg. v. Albert Leitzmann. Leipzig 1920. – [La Roche, Carl v., Briefe, in:] Charlotte von Schiller und ihre Freunde, hg. v. Ludwig Urlichs. Bd. 3, Stuttgart 1865, S. 283–292. – [Schiller, Friedrich und Charlotte:] Briefwechsel zwischen Schiller und Lotte, 1788–1805, hg. u. erl. v. Wilhelm Fielitz. Bd. 1: Bis zur Verlobung, Bd. 2: Aus dem Brautstande. 3. Ausgabe, Stuttgart 1896 (mit Briefen von Caroline v. Beulwitz und Erwähnungen von Carl v. La Roche). – [Veit-Schlegel, Dorothea:] Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bd. 1: Bis zur Begründung der romantischen Schule. 15. September 1788 – 15. Juli 1797, m. Einl. u. Komm. hg. v. Ernst Behler. Paderborn, München, Wien, Zürich 1987 (Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, 3. Abteilung: Briefe, Bd. 1; Gesamtreihe: Bd. 23). – [Wolzogen, Caroline v., Briefe an Charlotte Schiller, in:] Charlotte von Schiller und ihre Freunde, hg. v. Ludwig Urlichs. Bd. 2 und 3, Stuttgart 1862– 1865. – b) Forschungsliteratur: Arendt, Hannah: Berliner Salon. In: Deutscher Almanach für das Jahr 1932. Leipzig 1931, S. 173–184, zum TBH S. 174 f. – Behler, Ernst: Einleitung und Kommentar. In: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel, Bd. 1: Bis zur Begründung der romantischen Schule. 15. September 1788 – 15. Juli 1797 […]. Paderborn, München, Wien, Zürich 1987, vor allem S. XXXI–XXXII, S. 379 ff. und S. 388 f. (Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, 3. Abteilung: Briefe, Bd. 1; Gesamtreihe: Bd. 23). – Deibel, Franz: Dorothea Schlegel als Schriftstellerin im Zusammenhang mit der romantischen Schule. Phil. Diss. Greifswald, Berlin 1904, S. 29 f. (Anm. 3). – Drewitz, Ingeborg: Die Brüder Humboldt und die Berliner Salons. In: Universalismus und Wissenschaft in Werk und Wirken der Brüder Humboldt. Im Auf433

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

trag der Humboldt-Gesellschaft hg. v. Klaus und Porträts. Frankfurt/Main, Berlin, Wien Hammacher. Frankfurt/Main 1976, S. 17–28. 1984, Nachwort, S. 236 f. – Kaeh­ler, Siegfried – Foerst-Crato, Ilse: Wilhelm von Humboldt A.: Wilhelm v. Humboldt und der Staat. Ein an Karoline von Beulwitz über den Tugend- Beitrag zur Geschichte deutscher Lebensgebund (1789). In: Dt. Vierteljahrsschr. für Lite- staltung um 1800. München, Berlin 1927. – raturwissenschaft und Geistesgeschichte 41 Landsberg, Hans: Henriette Herz. Ihr Leben (1967), S. 192–201. – Frank, Heike: Die Dis- und ihre Zeit. Weimar 1913, Vorwort, S. 54 f. – harmonie, die mit mir geboren ward, und mich Leitzmann, Albert: Rezension zu: Wilhelm nie verlassen wird. Das Leben der Brendel / und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, Dorothea Mendelssohn-Veit-Schlegel (1764– hg. v. Anna von Sydow, Bd. 1: Briefe aus der 1839). Frankfurt/Main, Bern […] 1988, zum Brautzeit (1787–1791). Berlin 1906. In: TBH S. 41–46. – Gall, Lothar: Wilhelm von Euphorion 14 (1907), S. 365–383. – LeitzHumboldt. Ein Preuße in der Welt. Berlin mann, Albert: Die Brautbriefe Wilhelms und 2011. – Gessinger, Joachim: „Es ist ein sonder- Carolines von Humboldt. Leipzig 1920, Einbares Gefühl, sich auf dem Papier jemand nä- leitung, S. VII–XX, hier v. a. S. XIII–XVI. – hern zu wollen.“ Literarisches Leben im Ber- Leitzmann, Albert: Georg und Therese Forster lin des späten 18. Jahrhunderts. In: Der und die Brüder Humboldt. Urkunden und Deutschunterricht, Jg. 44, Heft 5 (1992), Umrisse. Bonn 1936. – Mattenklott, Gert: JüS. 8–23, zum TBH S. 17 f. – Güntter, Otto: dische Frauen im Briefwechsel. Gedanken zu Schillers Rede „Die Tugend in ihren Folgen „Geschichtlichkeit und Erbe der Romantik“. In: betrachtet“. In: Ders. (Hg.): Marbacher Schil- Jüdinnen zwischen Tradition und Emanzipatilerbuch, II. Stuttgart, Berlin 1907, S. 205–233. on, hg. v. Norbert Altenhofer und Renate – Hahn, Heinrich: Aus dem Nachlaß von Heuer. Bad Soden 1990, S. 67–79, zum TBH Henriette Herz. In: Nord und Süd, 1892, S. 67, vgl. S. 76. – Potter, Edith: Caroline von S. 58–65. – Hammacher, Klaus: Tugendbund Wolzogen und ihre Freunde. In: Caroline von und Proselytenmacherei. Des jungen Hum- Wolzogen (1763–1847), hg. v. Jochen Golz. boldt Stellung zu den geheimen Gesellschaf- Weimarer Schillerverein/Weimar, Deutsche ten. In: Die Dioskuren. Probleme in Leben Schillergesellschaft/Marbach 1998, S.  81–99, und Werk der Brüder Humboldt. Abhandlun- hier S. 82–84. – Rosenstrauch, Hazel: Wahlvergen von Hanno Beck, Helmut Gipper, Hilmar wandt und ebenbürtig. Caroline und Wilhelm Grundmann […]. Mannheim 1986, S. 16–32. von Humboldt. Frankfurt/Main 2009, S.  32 – Hillebrand, Karl: Die Berliner Gesellschaft in und 38–48. – Schaffstein, Friedrich: Wilhelm den Jahren 1789 bis 1815 (Revue des deux von Humboldt. Ein Lebensbild. Frankfurt 1952, mondes, März, Mai und November 1870). In: S. 20 f. – Schirmer, Walter F.: Die große Jette: Ders., Unbekannte Essays. Aus dem Französi- Henriette Herz und ihr Freundeskreis. In: Der schen und Englischen übers. u. […] hg. v. Bär von Berlin, 14 (1975), S. 92–115. – Schmitz, Hermann Uhde-Bernays. Bern 1955, S. 13– Rainer: Henriette Herz in Erinnerungen, Brie81, zum TBH S. 25–27. – Honigmann, Peter: fen und Zeugnissen. Leipzig, Weimar 1984 Über den Unterschied zwischen Alexander (Frankfurt/Main 1984), Nachwort, S.  441. – und Wilhelm von Humboldt in ihrem Ver- Schoeps, Julius H.: Im Kreise der Aufgeklärten. hältnis zu Juden und Judentum. In: Heuer, Der Einfluss Moses Mendelssohns und David Renate / Wuthenow, Ralph-Rainer (Hg.): Friedländers auf die Reformkonzepte Wilhelm Konfrontation und Koexistenz. Zur Geschich- von Humboldts. In: Zs. für Religion und Geiste des deutschen Judentums. Frankfurt/Main, tesgeschichte 62, H.  3 (2010), S.  209–226. – New York 1996, S. 46–81. – Janetzki, Ulrich: Schwenke, Paul: Aus Wilhelm von Humboldt’s Henriette Herz, Berliner Salon. Erinnerungen Studienjahren. Mit ungedruckten Briefen. In: 434

Die Freitag-Gesellschaft [FR]

Deutsche Rundschau 66, 17. Jg. (1891), S. 228– Flügel wünschen.“ Das Leben der Dorothea 251. – Seibert, Peter: Der „Tugendbund“. Ein Schlegel. Reinbek bei Hamburg 1990, S. 58–66. soziales Experiment des späten 18. Jahrhun- – Sydow, Anna v.: Einleitung zu Wilhelm und derts. In: Jüdinnen zwischen Tradition und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, Bd. 1: Eman­zipation, hg. v. Norbert Altenhofer und Briefe aus der Brautzeit (1787–1791). Berlin Renate Heuer. Bad Soden 1990, S.  48–66 1906, S. XII f. und XVIII–XXIII. – Weisz, Pe(quellenkritisch zu J. Fürsts Ausgabe: Ders.: ter: Beziehungserfahrung und Bildungstheorie. Henriette Herz: Erinnerungen. Zur Rekon­ Die klassische Bildungstheorie im Lichte der struktion einer frühen Frauenbiographie. In: Briefe Caroline und Wilhelm von Humboldts. Der Deutschunterricht, 41. Jg. [1989], H. 2, Frankfurt/Main, Berlin […] 2005, zum TBH S. 37–50). – Stern, Carola: „Ich möchte mir v.  a. S. 80–90.

Petra Wilhelmy-Dollinger

Die Freitag-Gesellschaft [FR] Name: Freitag-Gesellschaft; (Der) Freitag. Gründung: Neugründung 1802 in Berlin (Erstgründung 1799 in Halle/Saale). Bestand: Bis 1873 (Tod Friedrich v. Rau­mers; vgl. dessen Lebenserinnerungen und Brief­wechsel von 1861, Bd. 2, S. 106: „Nur der Tod hat diese, auf echte Freundschaft gegründete, über fünfzig Jahre ausdauernde Gesellschaft sehr gelichtet; die wenigen Überlebenden kommen immer noch Freitags zusammen und erheitern die Gegenwart durch die Erinnerung an die Vergangenheit“). Sitz: Die Zusammenkünfte fanden in den Privatwohnungen der Mitglieder in Halle bzw. Berlin statt. Programmzitat: „Schon in Halle hatte sich eine Gesellschaft von Freunden vereinigt, wöchentlich einmal zusammenzukommen, um über literarische Gegenstände zu sprechen, sich eigne Ausarbeitungen oder auch gedruckte Werke vorzulesen“ (Solger, Nachgelassene Schriften I, 140). Geschichte und Programmatik: Hallenser Zeit 1799–1801: Die Freitag-Gesellschaft, auch einfach Freitag genannt, war ursprünglich eine studentische Vereinigung von Juristen und Philologen, die ein gemeinsames

Interesse für literarische und philosophische Neuerscheinungen verband. Kennengelernt haben sie sich vermutlich beim gemeinsamen Besuch von F. A. Wolfs Vorlesungen. – Berliner Zeit 1802–1849: Nach dem Studium in Halle kam ein Teil der Gruppe gemeinsam zum Referendariat nach Berlin (Solger, Hagen, Krause, Kessler, auch Abeken, den Solger in seinem Jenaer Semester kennengelernt und in die Gesellschaft eingeführt hatte). Nach einer sehr regen Tätigkeit zwischen 1802 und 1808 lichtete sich der Kreis, so dass im Sommer 1808 teilweise gar keine Treffen stattfanden. In der Zeit der Befreiungskriege und bis 1817 bestand der FR in Berlin nur aus Solger und Krause (Besuche von Toll und von Kessler in Potsdam sind jedoch nachgewiesen). In Breslau fanden sich in der gleichen Zeit v.d. Hagen, Raumer und Büsching zusammen. Der regelmäßige Briefwechsel mit anderen Mitgliedern blieb erhalten. Die Personenkonstellation änderte sich mit Solgers Tod 1819, der ungefähr zeitgleich mit Raumers und Hagens Berufung nach Berlin zusammenfiel. – Aktivitäten und Kontakte: Die wichtigste Tätigkeit des FR bestand in der Auseinandersetzung mit literarischen Neuerscheinungen und der Diskussion eigener Entwürfe. „Man recensirte sich gegen435

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

Nimm meinen Rath, vernimm ihn, zarte Pflanze, Nicht wächst die Zeder aus der Tulpe Knoll, Die Lerche übertönet Zeus Geroll, Mit Helden streitet nicht der saubre Schranze.

Sieh! immer traf den Ring Tolls starre Lanze! Hör’! immer seinen Ruhm die Glocke scholl! Er singt dasselbe Lied aus Dur u Moll, Sein Kopf ist kugelrund, u fasst das Ganze.

Drum sieh ihm staunend nach, o theurer Abeken, Vertrau auf Gott, der Schaf ’ u Bök’ erkühret; Er wird dich drum nicht stoßen zu den Hammeln.

Wer nicht ein Priamus, ist drumm kein Knabeken. Nicht ahm’ ihn nach, wie sehr er dich gerühret. Was über Kräfte stieg, wird schmälich bammeln. (Quelle: GSA 1/179, Bl. 1)

Abb. 83  Gedicht Solgers o. O., o. D, verzeichnet als „an den Freitag“, eigentlich nur an Toll und Abeken, von daher wahrscheinlich aus der Zeit um 1801/02.

seitig mit freier Männlichkeit; Schmeicheln, rich Heinrich v. d. Hagens und Büschings weichliches Loben war dieser Versammlung Museum für altdeutsche Literatur und Kunst ganz fremd“ (Solger, Nachgelassene Schriften I, (hg. zusammen mit B. J. Docen, 1809–1811) S. 141). Raumer spricht von „ein[em] Kreis und das Buch der Liebe (1809 bei Hitzig ervon Freunden, die sich ihre literarischen Ar- schienen). Darüber hinaus wurden Subskripbeiten zu strenger Kritik vorlegten“ (Lebens- tionen für Veröffentlichungen von FR-Miterinnerungen, Bd. 2, S. 106). Über den eige- gliedern organisiert, etwa für die Sammlung nen Kreis hinaus wurden in den Jahren 1803 altdeutscher Volkslieder, 1807 herausgegeben bis 1805 in August Bodes Polychorda Beiträ- von Büsching und v. d. Hagen bei Braunes ge veröffentlicht, die unmittelbar den Dis- in Berlin. Ludwig Hain begeisterte die ankussionen der Gesellschaft entstammten. Au- deren Mitglieder für die Orientalistik; F. H. ßerdem sind die meisten Beiträge in dem v. d. Hagen wurde in seinen Nibelungenliedvon Johann Ludwig Büsching und Fried- forschungen von den anderen Mitgliedern rich Ludwig Kannegießer 1810 herausgege- begleitet. Dies ist für die Zeit um 1802 und benen Pantheon. Eine Zeitschrift für Wissen- dann wieder um 1818 nachweisbar (vgl. Brief schaft und Kunst von FR-Mitgliedern verfasst. von Solger an Abeken vom 23. Januar 1818: Ein weiteres gemeinsames Projekt war Fried- „Der Freitag beschäftigt sich jetzt mit Lesung 436

Die Freitag-Gesellschaft [FR]

altdeutscher Gedichte und zwar gegenwärtig den Parsifal“ [GSA Weimar 01/140, Bl. 10]). – Die Interessenschwerpunkte des FR spiegeln die Entwicklung des Zeitgeistes wider. Die Bewunderung für Goethe geht jedoch über das Zeittypische hinaus: Mindestens drei Beiträge aus dem Jahr 1809 setzen sich für die Wahlverwandtschaften ein, die sonst wenig enthusiastisch rezipiert wurden. Drei FR-Mitglieder (Abeken, Krause, Kessler) übten sich ernsthaft in der Shakespeare-Übersetzung; Dante und Cervantes wurden ebenfalls gemeinsam gelesen und kommentiert; selbst in späteren Jahren werden brieflich noch Übersetzungen Calderons diskutiert. Die Diskussionen verliefen jedoch nicht immer harmonisch. Die zu Studienzeiten konvergierenden Interessen spitzten sich in späteren Jahren und unter dem Einfluss der politischen Ereignisse zu. Der Streit zwischen Solger und v. d. Hagen von September 1819 bezüglich der Bedeutung der christlichen Religion als Ursprung aller Kultur ist dafür ein Beispiel (vgl. Briefe von Solger an Fr. H. v. d. Hagen vom 11. und 19. September 1819, in: Solger, Nachgelassene Schriften I, S. 741–760 und dessen Antwort ebd., S. 760–772). Schon ab 1815 wird die Entfremdung spätestens bei der Veröffentlichung von Solgers Erwin deutlich. Die FR-Mitglieder werden in der Literatur zwar alle als „Romantiker“ zusammengefasst – d. h. als zur Generation gehörend, die Literatur und Patriotismus vereinte, sich vom französischen Kanon entfernte und eine neue Literaturgeschichte zu schreiben suchte –, doch sind starke Abweichungen in den wissenschaftlichen und politischen Ansprüchen bemerkbar. Bezeichnenderweise kristallisierte sich das, was die FR-Mitglieder ursprünglich zusammenbrachte, die Rezeption der Antike im Rahmen von F. A. Wolfs Hallenser Vorlesungen, in späteren Jahren als Streitpunkt heraus. Die produktive Rezeption der Antike entwickelte sich teilweise (etwa bei Fr. H. v. d. Hagen) zu einer kritischen Haltung. Deshalb ist die Aussage Abe-

kens über eine Mitgliedschaft von Johann Heinrich Voß d. J. (Goethe in meinem Leben, 1954, S. 51–52), der den philologischen Überzeugungen seines Vaters zeit seines Lebens treu blieb, trotz persönlicher Freundschaften mit Abeken, Kessler, Hain und Solger, stark in Zweifel zu ziehen. Die Nähe Ludwig Tiecks zu mehreren FR-Mitgliedern (v. d. Hagen, v. Raumer, Solger) ist ebenfalls bekannt, ohne dass er je zum FR gehört hätte. Ebenfalls mit dem FR befreundet war G. Detlefsen, der aber schon 1808 starb (Brief von Solger an Abeken vom 1. Mai 1808; GSA Weimar 01/160). – Mehrere FR-Mitglieder unterhielten seit der frühen Berliner Zeit intensive Kontakte zu Adelheid v. Bassewitz. So verfolgte man 1812 gemeinsam Magnetismus-Experimente. Abeken nennt auch die Brüder Christian und Friedrich Schlosser als FR-Mitglieder. Diese waren jedoch nur kurzzeitig um 1801 mit dem FR assoziiert. – Ab 1802/03 pflegten die FR-Mitglieder einen regen Briefaustausch. Die Briefe wurden oft explizit von mehreren FR-Mitgliedern verfasst bzw. an mehrere FR-Mitglieder gerichtet oder weitergeleitet, so dass die Mitglieder über räumliche Entfernungen hinweg in ständigem Kontakt standen und durch ein immerwährendes Gespräch verbunden blieben. – Während der Befreiungskriege überschatteten die politischen Ereignisse die belletristische Tätigkeit des zu dieser Zeit auf Krause und Solger beschränkten FR. Beide engagierten sich 1813 publizistisch und nahmen am Landsturm teil. Kessler war seinerseits Offizier bei der Landwehr. Daraus ergaben sich Gespräche zur Form der Teilnahme Intellektueller am Krieg und eine kritische Auseinandersetzung mit dem  Tugendbund. Noch im April 1847 sind im Briefwechsel zwischen Abeken und v. d. Hagen Zusammenkünfte nachgewiesen. Von den Gründungsmitgliedern lebten zu dieser Zeit neben dem in Osnabrück tätigen Abeken allerdings nur noch v. d. Hagen und v. Raumer. Die Gesellschaft erlosch vermutlich mit dem Tod 437

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

Friedrich Heinrich v. d. Hagens 1856, spätes- – c) In der Berliner Zeit dazugekommen: Jotens aber 1873 mit dem Tod Raumers. hann Gustav Gottlieb Büsching (1807), Karl Friedrich Ludwig Kannegießer (1807), FriedStruktur und Organisation: Der FR war zu rich v. Raumer (1802), Willudowius (1808). keiner Zeit eine vereinsmäßige Organisation, sondern ein durch gemeinsame Interes- Querverweise auf andere Vereine: Mehrere sen verbundener Freundeskreis, „doch unter- FR-Mitglieder waren auch in anderen Vereischied er sich von einem solchen wiederum nen aktiv, so u. a. in der  Berlinischen Gewesentlich durch seinen verfassungsmäßigen sellschaft für deutsche Sprache (Friedrich HeinCharakter und durch seine Konzentration bzw. rich v. d. Hagen und Johann Gottlieb Pfund), Beschränkung auf gemeinsame wissenschaft- in der  Gesetzlosen Gesellschaft (Nr. 2) (Sollich-literarische Tätigkeit, die sich ihrerseits ger, Schultz, Büsching), in der  Philomatifreilich nur auf der Grundlage freundschaftli- schen Gesellschaft (Solger, Sotzmann) oder in cher Verbundenheit entfaltete“ (Henckmann, der  Gesellschaft der Freunde der HumaniS. 203). Obwohl es kein Vereinsstatut, kei- tät (Büsching, v. d. Hagen, Krause, Solger). – ne Wahlen und keine Vereinsämter gab, er- Die Beschäftigung mit der spanischen Literafolgte die Aufnahme neuer Mitglieder nicht tur wurde durch eine in den 1820er Jahren willkürlich, sondern nur über eine Empfeh- nachgewiesene sogenannte Spanische Geselllung durch mindestens ein Mitglied. Die wis- schaft, der u. a. Schleiermacher und Reimer senschaftlich-literarischen Arbeiten wurden angehörten, fortgesetzt. gemeinsam beschlossen und realisiert. Auch wenn Abeken rückblickend Solgers Füh- Bibliographie: a) Quellen: Abeken, Bernrungsrolle hervorhebt (Goethe in meinem Le- hard Rudolf: Goethe in meinem Leben. Erben, S. 52), kann man davon ausgehen, dass innerungen und Betrachtungen, aus dem keines der Mitglieder eine herausgehobene Nachlaß hg. v. A. Heuermann. Weimar 1904, Stellung innehatte, die Gruppe fungierte im- S. 51–52. – Raumer, Friedrich v.: Lebensermer gemeinsam als Gruppe. – Die Zusam- innerungen und Briefwechsel. Leipzig, 1861, menkünfte fanden wöchentlich freitags in den Bd. 2, S. 106. – Solger, Karl Wilhelm FerdiPrivatwohnungen der Mitglieder statt. nand: Nachgelassene Schriften und Briefwechsel, hg. v. Ludwig Tieck und Friedrich Mitglieder: a) Gründungsmitglieder aus der v. Raumer. Leipzig 1826, Bd. 1, S. 140–142. Hallenser Zeit (1799–1801): Friedrich Hein- – Pantheon. Eine Zeitschrift für Wissenschaft rich von der Hagen, Ludwig Hain, Georg Wil- und Kunst, hg. von Johann Ludwig Büsching helm Kessler, Ludwig Krause, Karl Wilhelm und Friedrich Ludwig Kannegießer. Leipzig Ferdinand Solger, Johann Daniel Sotzmann, 1809–1810. – Polychorda. Eine Zeitschrift, Friedrich v. Toll, Friedrich August Gotthold. – hg. v. August Bode. Penig 1803–1805. – Eine Im Brief von Solger an seine Freunde in Halle digitale Edition aller erhaltenen Briefe des vom 27. November 1801 werden zusätzlich ge- FR ist für 2014 im Rahmen der Nachwuchsnannt: August Bode, Johann Gottfried Pfund, gruppe „Berliner Intellektuelle 1800–1830“ Christoph Friedrich Ludwig Schultz sowie zwei an der HU Berlin geplant. – b) Forschungsweitere namens Bitter und Fromm (Henck- literatur: Baillot, Anne: Genèse et réception mann, 1978, S. 64). Erwähnt wird auch ein de la pensée esthétique de Solger entre 1800 Lindau, der nach der Studienzeit verschwindet et 1830. Diss. Paris 2002 [http://tel.archivesund erst 1816 wieder in Erscheinung tritt. – b) ouvertes.fr/tel-00783069]. – Henckmann, Während Solgers Studienzeit in Jena dazu- Wolfhart: Solger und die Berliner Kunstszene. gekommen: Bernhard Rudolf Abeken (1802). In: Pöggeler, Otto / Gethmann-Siefert, An438

Polarsternbund (Nordsternbund) [PB]

nemarie (Hg.): Kunsterfahrung und Kulturpolitik im Berlin Hegels. Bonn 1983, S. 199– 228 (Hegel-Studien, Beiheft 22). – Henckmann, Wolfhart: Solgers Schellingstudium in Jena 1801/02. In: Hegel-Studien, Beiheft 13, Bonn 1978, S. 53–74. – Wruck, Peter: Arti-

kel „Freitag“. In: Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825– 1933. Hg. v. Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr. Stuttgart, Weimar 1998, S. 111– 112 (Repertorien zur Deutschen Literaturgeschichte, hg. v. Paul Raabe, Bd. 18).

Anne Baillot

Polarsternbund (Nordsternbund) [PB] Name: Die Mitglieder benutzen keinen eigentlichen Namen, sondern sprechen einfach von „uns“, den „Brüdern“, von „dem Bund“ oder „unserem Bund“, dem „Orden“ u. ä. Oft wird über das Symbol vom „Polarstern“ bzw. die griechische Entsprechung τò τоῦ πόλου ἄστρον oder deren Abkürzung τ.τ.π.ἄ. auf den Freundeskreis Bezug genommen. Lediglich einmal fällt der Ausdruck „Orden vom Polarstern“ (Karl August Varnhagen an Louis de La Foye, April 1806). Varnhagen spricht in seinen postum erschienenen Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens an einer Stelle von dem „Polarsternbund“. Daneben gebrauchen die Mitglieder auch das Synonym „Nordstern“. Der in der späteren Literatur begegnende Ausdruck „Nordsternbund“ wurde wohl erst im Jahr 1853 von dem Literaturhistoriker Julian Schmidt geprägt; die älteren umfangreichen Literaturgeschichten vor und auch nach Schmidt (etwa Georg Gottfried Gervinus, August Koberstein, Rudolf Haym) kennen weder diese noch eine andere Bezeichnung. Die Wahl des Polarsterns als Symbol der gemeinsamen Verbrüderung geschah in Anlehnung an Franz v. Baaders Schrift Über das py-

thagoräische Quadrat in der Natur oder die vier Weltgegenden, die August Wilhelm Schlegel in seinem im Winter 1802/1803 gehaltenen zweiten Zyklus der Vorlesungen über schöne Litteratur und Kunst referiert hatte. Während die Freunde den dritten Zyklus von Schlegels Vorlesungen im Winter 1803/1804 besuchten, ist nicht bekannt, ob einer von ihnen schon

bei dem zweiten Zyklus dabei war, doch bezieht Varnhagen sich in den Denkwürdigkeiten ausdrücklich auf Schlegels Vorlesungen, deren Inhalt ihm auch indirekt bekannt geworden sein kann. Schlegel teilt den vier ursprünglichen und ewigen Anlagen des menschlichen Geistes jeweils eine Himmelsrichtung zu: Norden – Wissenschaft (Philosophie), Süden – Kunst (Poesie), Osten – Religion und Westen – Sittlichkeit. Jede Anlage soll in ihrer eigenen Sphäre kultiviert, aber nicht von den anderen Bereichen isoliert werden und in ihren eigenen Grenzen auch die übrigen drei realisieren. Die Verbindung der Wissenschaft mit dem Norden wird durch die Deutung des Polarsterns als Orientierungszeichen sowie des nach Norden weisenden Magneten als dem „Symbol von der Unwandelbarkeit und Identität des Selbstbewußtseins, welche das Fundament aller Wissenschaft, aller philosophischen Existenz ist“, versinnbildlicht. Die Wahl des Nordens bei der Namensgebung des Bundes indiziert so David Ferdinand Koreffs natur- und identitätsphilosophisches Verständnis. Vor allem die jüngeren Mitglieder haben an diese Konzeption weitgehende Hoffnungen geknüpft. Gründung: Frühjahr 1804; das genaue Datum ist nicht bekannt. Auflösung: Die Verbindung der Freunde wurde zumindest bis in den Herbst 1806 aufrechterhalten. Eine eigentliche Auflösung gab es nicht. Adelbert v. Chamisso fügte der Unterschrift seiner Briefe noch bis 439

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

Abb. 84  Griechische Grußformel auf einem Brief Chamissos an de La Foye vom 26. Juni 1804.

Abb. 85  Siegel des Polarsternbundes auf dem dazugehörigen Briefumschlag.

ins Jahr 1809 mit einiger Regelmäßigkeit τ.τ.π.ἄ. hinzu, nachdem alle anderen längst darauf verzichtet hatten, und sogar 1821 beruft er sich auf der Titelseite des Berichts über seine Weltreise mit der Angabe τò τоῦ πόλου ἄστρον noch auf das Erkennungszeichen. Auch danach bestanden die Freundschaften, abgesehen von der Entfremdung 440

zwischen einzelnen von ihnen, weiter, und es gab 1814 und 1819 auch Versuche zu einer Wiederbelebung des Kreises unter veränderten Bedingungen, aber mit einem größeren Teil der früheren Mitglieder ( Seraphinenorden/Serapionsbrüder). Die griechischen Worte erscheinen auch wieder auf den Titelblättern der von Julius Eduard Hitzig postum herausgegebenen Biografie Chamissos (1839). Sitz: Der „Bund“ wurde erst gegründet, als ein Teil des Freundeskreises Berlin verließ, daher verlief die Kommunikation zu einem erheblichen Teil auf brieflichem Weg. Der weitere Freundeskreis, aus dem der PB hervorging, traf sich in den Jahren 1803/1804 in Berlin in den Wohnungen der einzelnen Freunde, zuerst bei der Familie Ephraim und Philippine Cohen in der Münzstraße 20, dann bei Julius Eduard Hitzig in der Familienresidenz Itzig in der Burgstraße 16 direkt am Ufer der Spree, späterhin abwechselnd auch bei Graf Alexander v. d. Lippe, Ludwig Robert und Franz Theremin. Wenn Adelbert v. Chamisso, der dem preußischen Militär als Offizier angehörte, am Brandenburger oder Potsdamer Tor Wache leistete, fanden die Treffen dort statt. – Nach der Auflösung des Berliner Kreises bildeten sich zwischen 1804 und 1809 an verschiedenen Orten kleinere Gruppen aus Angehörigen des PB, die zusammen oder eng benachbart wohnten: März 1805 bis Oktober 1806 Karl August Varnhagen, Wil-

Polarsternbund (Nordsternbund) [PB]

helm Neumann und August Wilhelm Neander als Schüler und Studenten in Hamburg und Halle; Ende 1806 Neumann und Neander als Studenten in Göttingen; Frühjahr 1807 Neumann und Varnhagen in Halle; Spätsommer 1807 bis Herbst 1808 und September 1812 bis Anfang 1813 Chamisso, Hitzig, Neumann, Theremin und Varnhagen in Berlin, mit häufigen Besuchen bei Friedrich de la Motte Fouqué in Nennhausen; 1814/1815 Chamisso, Hitzig, Koreff, Neumann, Theremin in Berlin, wo ab 1818 und 1819 auch Chamisso nach seiner Weltreise und Varnhagen nach dem Ende seiner Diplomatenkarriere wieder dauerhaft anzutreffen waren. Im Sommer 1810 begegneten sich Chamisso, Koreff und Varnhagen in Paris. Programmzitate: Zahlreiche Briefe enthalten umfangreiche programmatische Äußerungen, besonders zwei Schreiben Neumanns und Varnhagens an La Foye im Juni 1805, in denen sie ihn aufforderten, nach Deutschland zu kommen und gemeinsam mit ihnen zu leben und zu studieren. „Fast alles habe ich aufgegeben, aber die Hoffnung nicht, daß wir einst und gewiß bald vereint werden leben können; sie ist Gewißheit in mir, denn dies hängt nicht von äußeren Umständen, sondern von unserem festen, unveränderlichen Willen nur ab […] wir arbeiten rastlos, wir erwerben uns dadurch die Kraft zu neuer, schönerer Arbeit und alles soll gemeinschaftlich errungen und genossen werden. […]. Kann es eine schönere Familie geben, als die unsrige? Und, beim Himmel, sie soll nicht getrennt sein! Wahrlich, es ist kein Zufall, der dieses schöne, reine, vielleicht einzige Bündnis zusammenführte, der ihm die wachsende Macht, das unversiegbare Feuer verlieh; und wir sollten dem Zufall erlauben, es wieder zu zerstören? […] Wir bedürfen unserer ganzen gegenseitigen Liebe, um den Wellen des Lebens mit vereinter Kraft zu widerstehen. […] Unser Bund ist sanktioniert: eile deinen Platz darin persönlich zu nehmen. ‚Seid fleißig

und sinnig!‘ sagte der Meister [Koreff]. Tue du das und vernachlässige mir nicht das Griechische, denn Hellas ist eine Hauptdomäne unseres unermeßlichen Reiches“ (Neumann an La Foye, 22. Juni 1805). – Ebenso programmatisch sind viele Gedichte im Musenalmanach auf das Jahr 1805, so die Eingangsgedichte und unter diesen das erste, Neumanns und Chamissos Sonett An Fichte. Folgende, erst in der Rückschau formulierte programmatische Äußerung lässt eine spätere Umdeutung des Bundes sichtbar werden: „Du fragtest mich wegen des Polarsterns. […] Schon längst hatte uns [den Gründungsmitgliedern des PB] die Deutung der Himmelsgegenden auf geistige Regionen gefallen, wie sie, nach Baaders pythagoräischem Quadrat, auch W. Schlegel in seinen Vorlesungen mitgetheilt hatte; der Norden als Region der Wissenschaft war unser erwähltes allgemeines Gebiet, der Polarstern Zeichen dieser Richtung und zugleich der Unwandelbarkeit. […] Auf Ausdehnung und Verbrüderung war es nicht abgesehen, an irgend Bedingungen oder Regeln wurde nicht gedacht. […] Nie war eine Spur von Ordenswesen dabei, das Ganze nur ein Freundschafts- und Studienzeichen, ein Erkennungsschrei, den wir uns einander zusandten“ (Varnhagen an Hitzig, 2. Dezember 1838). Geschichte und Programmatik: Der Gründung des PB ging eine Zeit engen Kontaktes innerhalb eines Freundeskreises voraus, der in Berlin zwischen Mitte 1803 und Mitte 1804 bestand. Dieser geht auf die erste Bekanntschaft zwischen Karl August Varnhagen und Adelbert v. Chamisso im Frühsommer 1803 auf einer Gesellschaft bei Fanny Bernhard in Charlottenburg zurück. Die poetische Produktion und gegenseitige Kritik regte sie zur Herausgabe eines Almanachs an. Neben Wilhelm Neumann kamen Franz Theremin und Julius Eduard Hitzig hinzu. Ludwig Robert agierte nur am Rand und teilte die romantischen Tendenzen der übrigen Freunde nicht, 441

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

wohl aber ihre Verehrung Fichtes und Goe- Motte Fouqués, der zwar dem PB aus prinzithes. Die Teegesellschaften des Berliner Bür- pieller Abneigung gegen eine Zugehörigkeit gertums (Sophie Sander, Philippine Cohen) zu einer Gruppe nicht beitrat (Chamisso an waren der Ort, wo aus kleinbürgerlichen Varnhagen, 23. Juli 1806), aber doch wie ein oder deklassierten Familien stammende Stu- Mitglied behandelt wurde und sich trotz der denten und Angestellte (Varnhagen, Student Missbilligung August Wilhelm Schlegels am der Medizin und Hofmeister bei der Fami- dritten Musenalmanach beteiligte. lie Ephraim und Philippine Cohen, und Wil- Der Lesekanon der Gruppe umfasste die Lekhelm Neumann, ein Ziehsohn dieser Fami- türe der Werke Schillers und Goethes, besonlie und Handelsgehilfe im Bankhaus Cohen), ders Wilhelm Meisters Lehrjahre, der romantiAngehörige von Berliner Hugenotten- oder schen Autoren und Schleiermachers. BesonEmigrantenfamilien (Franz Theremin, Stu- deren Einfluss übte Johann Gottlieb Fichte dent der Theologie, und Chamisso, Offizier aus, der mit mehreren der Freunde gut beder preußischen Armee) und getaufte Juden kannt war und ihnen gesprächsweise die Ge(Julius Eduard Hitzig, Jurist; Ludwig Robert, danken seiner populärphilosophischen Schrifangehender freier Schriftsteller und Journa- ten nahebrachte. Auf Fichte gehen auch die list) – fast alle gerade Anfang 20 Jahre alt – – direkt gegen August Wilhelm Schlegel geihre gemeinsamen literarischen und geistigen richtete – Bevorzugung des klassischen AlterInteressen kultivieren konnten. In dieser frü- tums und der alten Sprachen zurück. Fichhen Phase fand man sich regelmäßig zu „po- te hat den Freunden so seine Idee eines paetischen Tees des grünen Buches“ zusam- triotischen deutschen Kosmopolitismus und men. Der erste Almanach, wegen der Um- der engen Verwandtschaft von Deutsch- und schlagfarbe „der Grüne“ genannt, erschien Griechentum vermittelt, und vermutlich haEnde 1803 und ist erkennbar am Vorbild des ben die freimaurerischen Elemente seines Musenalmanachs für das Jahr 1802 von Au- Denkens auch die Bundesideen beeinflusst, gust Wilhelm Schlegel und Ludwig Tieck die die Freunde aus den Lehrjahren und aus orientiert. Es ist nach dem 1800 erschiene- dem von Chamisso wie von Varnhagen genen Memnon des Jenaer Kreises von Clemens schätzten Roman Dya-Na-Sore von Wilhelm Brentano, Ernst August Klingemann und Ste- Friedrich von Meyern bezogen. phan August Winkelmann wohl die erste Pu- Der erste Jahrgang des Musenalmanachs war blikation einer romantischen Gruppierung, vornehmlich nur in der Wahl romanischer die die Gemeinsamkeit der Jenaer Frühro- und streng antikisierender Gedichtformen mantik zu wiederholen und zu erneuern ver- von der Romantik geprägt und steht sonst in suchte. Im Lauf des Jahres 1803 erweiterte Kontinuität zu den literarischen Tendenzen sich der engere Freundeskreis um den emi- des 18. Jahrhunderts und des poetischen Ideagrierten Franzosen und Offizier Louis de La lismus Schillers. Viele der Texte weisen deutFoye und um David (seit seiner Taufe 1816: liche Zeichen des Anfängerhaften auf. Trotz Johann) Ferdinand Koreff, der gerade in Hal- der wenigen, meist unfreundlichen Rezensio­ le sein Medizinstudium abgeschlossen hatte. nen entschloss sich die Gruppe dazu, einen Auf Empfehlung Koreffs wurde im Mai oder weiteren Jahrgang herauszugeben. Im zweiten Juni 1804 schließlich auch der Sinologe Julius Almanach sind – ebenso wie im dritten – TexKlaproth aus Halle in den Kreis der Freunde te von 14 Autoren versammelt gegenüber acht aufgenommen, dem er bis zu seiner Abreise im ersten. Der Musenalmanach auf das Jahr nach Zentral- und Südostasien im März 1805 1805 (erschienen im Dezember 1804), der auf angehörte. Im Frühsommer 1806 machte der Titelrückseite das Erkennungswort Τò τоῦ Chamisso die Bekanntschaft Friedrich de la πόλου ἄστρον trägt und sich mit seinen zahl442

Polarsternbund (Nordsternbund) [PB]

Abb. 86 und 87  Der grüne Einband und das Titelblatt des „Musenalmanach auf das Jahr 1805“.

reichen Bezügen auf die Nordstern- und Magnet-Motivik wie ein Manifest des „Bundes“ ausnimmt, weist in viel höherem Maß romantische Züge auf und orientiert sich auch in der Themenwahl (Mittelalter, Religion) stärker an den jüngsten Tendenzen des SchlegelTieckschen Kreises. Dieser Almanach wurde von Caroline Schlegel-Schelling in einer ano­ nymen Besprechung in dem maßgeblichen kritischen Organ, der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung, verrissen – fast alle anderen Rezensionsorgane orientierten sich an diesen Urteilen – und auch von August Wilhelm Schlegel in Briefen an Dritte abgelehnt (Fouqué an A. W. Schlegel, 11. April 1806). Der im September 1806 erschienene Musenalmanach auf das Jahr 1806 ist hinsichtlich der literarischen Qualität der gelungenste. Ein geplanter vierter Jahrgang kam nicht mehr zustande.

Neben den Almanachen gibt es eine Reihe weiterer literarischer Veröffentlichungen, die in engerem Zusammenhang mit der Gruppe stehen, so eine von Varnhagen und Neumann herausgegebene Sammlung polemischer Zeugnisse, die gegen den AlmanachKritiker Garlieb Merkel gerichtet ist (1806), eine von denselben Herausgebern besorgte Sammlung Erzählungen und Spiele (1806), die auch Texte des geplanten vierten Almanachs enthält, und der gemeinschaftlich von Fouqué, Varnhagen, Neumann und August Ferdinand Bernhardi verfasste satirische Roman Die Versuche und Hindernisse Karls. Erster Theil (1808). Die von Neumann und Fouqué 1812–1813 herausgegebene Zeitschrift Die Musen ist wahrscheinlich die Verwirklichung eines schon früher gefassten Planes zu einer gemeinsamen Zeitschrift. Chamisso hat seine Almanachgedichte in seine späteren 443

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

Gedichtsammlungen nicht wieder aufgenommen, dagegen haben Varnhagen und Koreff ihre frühen lyrischen Texte in ihren zwischen 1815 und 1818 erschienenen Werksammlungen dokumentiert. Die Schriften von Neumann, dem gewandtesten unter den Dichtern des Almanachs, bestehen zu einem erheblichen Teil aus den Werken dieser Jahre. Die Findung des Symbols τò τоῦ πόλου ἄστρον geht laut einer Notiz Varnhagens in seinem Stammbuch auf eine gemeinsam zugebrachte Nacht im Garten „bei der Sonnenuhr im Cohenschen Haus“ zurück. Im Frühsommer 1804 schworen sich Chamisso, Koreff, La Foye, Neumann, Varnhagen und wohl auch Theremin ewige Freundschaft; dieser Schwur, mit dem der „Bund“ gegründet wurde, geht auf eine Anregung Koreffs zurück und wird in späteren Briefen häufig erwähnt. Koreff, La Foye und Chamisso erwarben Siegelringe mit der Aufschrift τ.τ.π.ἄ. für alle Mitglieder des Bundes, auch für den bereits nach Warschau abgereisten Hitzig. Varnhagen berichtet in seinen Denkwürdigkeiten: „Wir siegelten fortan alle unsre Briefe mit diesem Zeichen, fügten die Buchstaben τ.τ.π.α. überall unserer Namensunterschrift bei, und selbst zum Anruf und Gruße gebrauchten wir die uns angenehm tönenden Worte gleich maurischen Erkennungslauten.“ Koreff war seit seinem Beitritt zu dem Kreis die dominierende, von allen bewunderte Gestalt. Er übte vor allem auf Varnhagen einen tiefgehenden Einfluss aus. Die von den meisten Freunden verfolgten ernsthaften Sprachstudien und die Pläne zur Aufnahme eines wissenschaftlichen Studiums gehen wesentlich auf ihn zurück. Koreffs Verständnis des von ihm gestifteten Bundes wird besonders in einem Brief an Varnhagen von Anfang Juni 1804 betont, in dem er ein an die Symbolik der Himmelsrichtungen anknüpfendes, hier persönlich adressiertes Szenario der harmonischen Vereinigung des Getrennten, aber Zusammengehörigen entwirft: „Wir haben uns beide mächtig aus dem Schutte unsers Jahrhundertes 444

heraufgearbeitet. […] Mit bedeutend ernstem Blicke sehen wir in den wiederlichen Schutt, das unsterbliche Leben so manches plastischen Kunstwerkes über die gesunkenen Brüder seine stille Ewigkeit fortsetzen, wir wollen diese chaotische Zerstreuung durch höhere Verknüpfung und Gleichung zur sinnigen Masse zusammenfassen u. organisch im Totalen machen, was im Einzelnen so unendlich verworren und todt scheint. Was Wunder, wenn Wir uns da gefunden haben wo 2 Augen fühlen, dass sie nur 2 Weltgegenden beschauen können u. dass nur 4 Augen Representanten des Quadrates der Natur sind, in welchem Typus sie ihre Bildungen zur unsterblichen Erzeugung verheurathet. Auf dieser Höhe, mein geliebter Freund, haben wir uns gefunden, wiewohl wir uns in den ersten Momenten nicht erkannten, weil jeder zu ernst und zu eigen in seine Weltgegend, du in den Süden [zur Poesie] u. Westen [zur Moral], u. ich in den Norden [zur Philosophie] und Osten [zur Reli­g ion], hinausstarrten als dass die thierische Rückenseite sich hätte erkennen können, aber es fehlten jedem zwey Weltgegenden und wir haben uns umgewandt und wie wir uns beide an den Hals lagen und uns froh und satt weinten, weiss ich garnicht zu sagen – genug wir fühlten es dass wir uns integrirten u. so sind die Zweige unsrer Lebensbäume wild und harmonisch in einander verschlungen.“ Schon frühzeitig bemühte sich Varnhagen, der seit 1804 literaturkritisch und journalistisch tätig war, um Kontakte zu anderen romantischen Autoren, in Berlin um Ludwig Achim von Arnim, in Württemberg um den schwäbischen Dichterkreis um Ludwig Uhland und Justinus Kerner. Während eines Aufenthaltes in Berlin im Jahr 1807 machte auch E. T. A. Hoffmann, der Hitzig aus der vorangehenden gemeinsamen Warschauer Zeit kannte, Bekanntschaft mit den übrigen in Berlin befindlichen Mitgliedern; in seinen Denkwürdigkeiten nennt Varnhagen ihn einen „unserm Bund in der Ferne längst Ange-

Polarsternbund (Nordsternbund) [PB]

hörigen“. Umgekehrt wurde die durch den Berliner Musenalmanach sichtbar gewordene Gruppierung auch von außen aufmerksam verfolgt. Der Schlegelkreis, zu dem zu dieser Zeit auch Caroline Schelling noch zu rechnen ist, nahm eine distanzierte und sehr kritische Position ein, August Wilhelm und Friedrich Schlegel bemühten sich aber bei persönlichen Kontakten darum, sich die jungen Autoren nicht ganz zu entfremden. In Südwestdeutschland beobachtete Clemens Brentano vor allem Varnhagens Tätigkeit mit großer Aufmerksamkeit und mit Spott (Clemens Brentano an Arnim, 15. Februar 1805). Von Warschau aus verfasste Zacharias Werner, anscheinend in Kenntnis der Gründung des „Ordens“, eine umfangreiche, seinerzeit unpubliziert gebliebene Rezension des Musenalmanachs auf das Jahr 1804; darin bespricht er die Texte des Bandes im Sinn seiner eigenen Bundes- und Vereinigungsvorstellungen. Dieser Text, der den Freunden über Hitzig bekannt wurde, hat offenbar auf das Selbstverständnis der Gruppe eingewirkt. Auch in Briefen an Varnhagen und Chamisso versuchte Werner Einfluss zu nehmen. Nach der Auflösung des Berliner Kreises wurde die Idee des Bundes in den Briefwechseln vielfach wiederholt und weiter ausgeführt. Hier finden sich die zahlreichen programmatischen Formulierungen, deren hohes Pathos indiziert, wie sehr es den Korrespondenten um ihre Sache zu tun war. In vielen Äußerungen der Jahre 1804–1806 nimmt der Bund geradezu den Charakter einer neugegründeten Religion an, der die Freunde allein angehören und der sie „Proselyten“ werben wollen (La Foye an Chamisso, 14. Juli 1804). Der missionarische Bildungsgedanke deutet sich in einem Brief Neumanns an La Foye vom April 1806 an: „Ueber das historische unseres Zusammentreffens und des Resultats davon, der festeren, näheren Verbrüderung zu Einem Zweck, hast du teils durch meinen Brief von Hamburg, teils durch beigehende Briefe von Karl und Adelbert hinlänglichen Be-

richt: dieser Zweck ist zunächst die Bildung unserer selber, dann dessen, was uns umgibt, endlich des Ganzen“ [Hervorhebungen von den Verfassern]. In einem Fall wurde diese Werbung in die Tat umgesetzt: In Hamburg schlossen Neumann und Varnhagen, die dort zum Erlernen der alten Sprachen noch einmal die Schule besuchten, am Johanneum mit David Mendel Freundschaft. Mendels Übertritt am 25. Februar 1806 war zunächst allein von dem Wunsch motiviert, die Freunde nach Halle begleiten und an ihrem „Orden“, den er als eine platonisch-christliche Kirche verstand, teilnehmen zu können. Bei der Taufe nahm er die Vornamen Varnhagens und Neumanns und den gräzisierten Nachnamen des letzteren an: August Wilhelm Neander. Er siegelte seine Briefe fortan mit dem Erkennungszeichen des Bundes. Während seines in Halle und Göttingen aufgenommenen Studiums der Theologie bekehrte Neander sich aber zu einem regulären protestantischen Christentum und löste sich schon 1806 sehr rasch von dem PB. Die im Jahr 1806 von Neumann, Varnhagen und Chamisso verfolgten Pläne zu einem erneuten Zusammentreffen und gemeinsamen Leben der Mitglieder des PB an einem Ort ließen sich nicht verwirklichen. Trotz aller Bemühungen verliefen die Lebenswege der Freunde in den Jahren nach 1806 zu verschieden und waren die Zeitläufte zu unruhig, als dass sich der Bund länger hätte aufrecht erhalten lassen. Koreff hatte von Anfang an nicht mit derselben Intensität an der gruppeninternen Kommunikation teilgenommen. Seine rasche Karriere führte ihn auch bei späteren Treffen nur selten wieder in eine gleichermaßen enge Beziehung zurück. Klap­ roth war mit seiner Abreise aus dem Gesichtskreis der Freunde verschwunden, nur Chamisso kreuzte während seiner Weltreise in St. Petersburg seine Spuren. Theremin scheint sich durch seinen kurzen Genfer Aufenthalt ebenfalls rasch aus der Gruppe gelöst zu haben; im Jahr 1807 kam es in Berlin zu einem persönlichen Zerwürfnis mit Varnha445

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

gen, nach dem er trotz fortbestehenden Beziehungen aus dem engeren Freundeskreis und damit zugleich aus der Überlieferungsgeschichte der Nachrichten über den PB ausschied. La Foye musste sich in Caen in seine provinzielle französische Umgebung einfügen und hielt im Wesentlichen nur über Chamisso Kontakt. Ähnlich erging es Neumann bei seinem langwierigen Weg, sich in Berlin eine Stellung zu schaffen. Chamisso hatte seine dichterischen Ambitionen vorerst aufgegeben und begab sich 1814 auf Weltreise, hielt aber am längsten am PB fest; trotzdem hat er die Verheißungen der Polarstern-Idee bereits in dem Prosatext Adelberts Fabel (April 1806) kritisch reflektiert und sie in dem späten Gedicht Salas y Gomez (1830) als romantische Illusion de­struiert. Hitzig, die am wenigsten in den Bund integrierte Gestalt, führte nach seiner Rückkehr aus Warschau seine von den Vorstellungen des Bundes abweichenden Pläne zu geselliger literarischer Gemeinschaftsbildung in Berlin fort. Varnhagens Karriereambitionen sorgten für zeitweilige Entfremdung und für langjährige Abwesenheit; nach seiner Rückkehr nach Berlin 1819 nahm er die Fäden wieder auf, wollte sich aber an Hitzigs Versuch, E. T. A. Hoffmann in den Freundeskreis zu ziehen, nicht beteiligen und kam erst um 1821/1822 wieder in engen gesellschaftlichen Kontakt zu Chamisso und Hitzig. Struktur und Organisation: Schon der frühere Freundeskreis lässt eine Struktur erkennen, da es einen weiteren und einen engeren Kreis gab. Manche Personen, zu denen einzelne oder mehrere Mitglieder freundschaftliche Beziehungen unterhielten, gehörten nicht zum engeren Kreis, der dann noch in weitere Untergruppierungen zerfiel (Varnhagen–Neumann, La Foye–Chamisso); Hitzig hatte eine Sonderstellung und unterhielt zu Chamisso, Koreff, Neumann und Varnhagen enge Beziehungen, obgleich die zwischen Hitzig und Varnhagen auch von Eifersucht und unterschwelliger Abneigung überschat446

tet war. Theremins Rolle wird in den verfügbaren Dokumenten nicht deutlich. Nach dem Eintreten Koreffs in den Kreis, waren wohl alle Mitglieder – vielleicht mit Ausnahme Theremins und Hitzigs – auf ihn zen­ triert, nach seiner Abreise zerfiel der Kreis rasch. Varnhagens Freund Nikolaus Harscher wurde auch zu einem engen Freund Chamissos, wie auch die Schwestern (Augusta Klap­roth, Rosa Maria Varnhagen) in freundschaftliche Beziehungen zu der Gruppe traten, ohne ihr anzugehören. Zuletzt gab es beim PB aber keine explizit formulierten und schriftlich festgehaltenen Statuten oder organisatorischen Regeln. Die Zusammenkünfte fanden unregelmäßig statt. Einzig belegt ist die späte Stunde, zu der man in der Anfangsphase zusammentraf: Man versammelte sich erst um Mitternacht und blieb bis zum hellen Morgen beisammen. Von großer Bedeutung für die Gruppenbildung und -kommunikation war nach der Berliner Zeit die Herausgabe des Musenalmanachs. Die Redaktionsarbeit wurde größtenteils per Brief abgehandelt. Der erste Jahrgang erschien im Verlag C. G. Schmidt in Leipzig, die beiden anderen Jahrgänge bei Heinrich Frölich in Berlin. Die Mitglieder: 1) Mitglieder des PB: Adelbert v. Chamisso, Karl August Varnhagen, Fried­rich Wilhelm Neumann, Julius Eduard Hitzig, Franz Theremin, Louis de La Foye, David Ferdinand Koreff, Heinrich Julius Klap­roth, August Wilhelm Neander, Friedrich de la Motte Fouqué (kein formelles Mitglied, aber sehr eng mit dem PB verbunden). – 2) Eng verbundene Freunde: Graf Alexander v. d. Lippe, Heimann Ephraim (später Hermann Eberty), Ludwig Robert (1803/04 locker mit dem Kreis verbunden), Rosa Maria Varnhagen, Augusta Klaproth, Caroline de la Motte Fouqué, Karl v. Raumer, Adolf v. Uthmann, Karl Christian Wolfart, Nikolaus Harscher. Querverweise auf andere Vereine: Wegen der zahlreichen personellen und inhalt-

Polarsternbund (Nordsternbund) [PB]

lichen Kontinuitäten kann der  Seraphinen­ orden/Serapionsbrüder als eine Fortsetzung des PB angesehen werden. Personelle Kontinuität besteht auch zu der im Jahr 1824 von Hitzig in Berlin gegründeten Mittwochsgesellschaft, der auch Chamisso und Varnhagen angehörten. Bibliographie: 1) Archivquellen: Sammlung Varnhagen der ehem. Preußischen Staatsbi­ bliothek in der Biblioteka Jagiellońska in Kraków. – Nachlass Adelbert v. Chamisso in der SBB PK, Nachlass Nr. 152. – Nachlass Julius Eduard Hitzig in der Stiftung Stadtmuseum Berlin. – Nachlass Louis de La Foye, SBB PK, Nachlass Nr. 239. – 2) Publikationen des PB oder einzelner Mitglieder: [Bernhardi, August Ferdinand / Fouqué, Friedrich de la Motte / Neumann, Wilhelm / Varnhagen, Karl August:] Die Versuche und Hindernisse Karls. Eine deutsche Geschichte aus neuerer Zeit. Erster Theil. Berlin 1808. – Chamisso, Adelbert v.: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Hg. v. Friedrich Baron de la Motte Fouqué. Nürnberg 1814. – Ders.: Bemerkungen und Ansichten auf einer Entdeckungsreise unternommen in den Jahren 1815 […] von dem Naturforscher der Expedition Adelbert v. Chamisso […] τò τоῦ πόλου ἄστρον. Weimar 1821. (Entdeckungs-Reise in die Süd-See und nach der Berings-Straße zur Erforschung einer nordöstlichen Durchfahrt unter dem Befehle des Lieutenants der Russisch-Kaiserlichen Marine Otto von Kotzebue; 3). – Chamisso, Adelbert v. / Varnhagen, Karl August (Hg.): Musenalmanach auf das Jahr 1804. Leipzig 1804. – Dieselben (Hg.): Musenalmanach auf das Jahr 1805. Zweiter Jahrgang. Berlin 1805. – Dieselben (Hg.): Musenalmanach auf das Jahr 1806. Dritter Jahrgang. Berlin 1806. (Nachdr. des 3. Jg. hg. v. Ludwig Geiger. Berlin 1889). – Koreff, David Ferdinand: Lyrische Gedichte. Paris 1815. – Neumann, Wilhelm: Schriften. In zwei Theilen. [Hg. v. Karl August Varnhagen v. Ense.] Leipzig 1835. – Neumann, Wilhelm /

Fouqué, Friedrich de la Motte (Hg.): Die Musen. Eine norddeutsche Zeitschrift. Berlin 1812–1813. – Neumann, Wilhelm / Varnhagen, Karl August (Hg.): Erzählungen und Spiele. Hamburg 1806. – Neumann, Wilhelm / Varnhagen, Karl August (Hg.): Testimonia Auctorum de Merkelio, das ist: Paradiesgärtlein für Garlieb Merkel. Kölln [d. i. Berlin] 1806. – Theremin, Franz: Abendstunden. 3 Bde., Berlin 1833–1839 [enthält verstreute autobiographische Informationen]. – Varnhagen v. Ense, Karl August: Deutsche Erzählungen. Stuttgart und Tübingen 1815. – Ders.: Vermischte Gedichte. Frankfurt a. M. 1816. – 3) Zeitgenössische Literatur: [Assing, Rosa Maria:] Adelbert von Chamisso und Rosa Maria. In: Der Freihafen 1839, I, S. 1–27. – Arnim, Ludwig Achim v.: Werke und Briefwechsel. Bd.  32,1: Briefwechsel III (1805– 1806). Text. Hg. v. Heinz Härtl u. Mitw. v. Ursula Härtl. Berlin, New York 2011, S. 554 [Clemens Brentano an Arnim, 15.2.1805]. – Baader, Franz v.: Über das pythagoräische Quadrat in der Natur oder die vier Weltgegenden. o. O. 1798. – Fouqué, Friedrich de la Motte: Lebensgeschichte. Halle 1840, S. 270 f. – Geiger, Ludwig: Aus Chamissos Frühzeit. Ungedruckte Briefe nebst Studien. Berlin 1905. – Hitzig, Julius Eduard: Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso. Fünfte vermehrte Auflage [hg. v. Friedrich Palm]. 2 Bde., Berlin 1864 (11839). – Körner, Josef (Hg.): Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis, Bd. 1. Bern, München 1969, S. 306–318 [Fouqué an A. W. Schlegel, 11. April 1806]. – Oppeln-Broni­ kowski, Friedrich v. (Hg.): David Ferdinand Koreff. Serapionsbruder, Magnetiseur, Geheimrat und Dichter. Der Lebensroman eines Vergessenen. Aus Urkunden zusammengestellt. Berlin, Leipzig 21928. – Pille, René-Marc: Sechs ungedruckte Briefe Koreffs an Chamisso. Zeugnisse einer erloschenen Freundschaft. In: ZfG 8 (1987), S. 171–178. – Riegel, René: Correspondance d’Adalbert de Chamisso. Fragments inédits (Lettres de Chamisso, Louis de la 447

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

Foye, Helmina de Chézy, Varnhagen von Ense, 21843, S. 54–69. – Ders.: Denkwürdigkeiten Wilhelm Neumann, J. A. W. Neander) suivis des eigenen Lebens. Hg. v. Konrad Feilchende Das stille Julchen par Helmina von Chézy. feldt. Bd. 1, Frankfurt a. M. 1987, bes. S. 239– Paris 1934. – Rogge, Helmuth (Hg.): Der 477. – Walravens, Hartmut: Zur Geschichte Doppelroman der Berliner Romantik. Zum der Ostasienwissenschaften in Europa. Abel ersten Male hg. u. m. Erl. dargestellt. 2 Bde. Rémusat (1788–1832) und das Umfeld Julius Leipzig 1926 [enthält in Bd. 2 umfangreiche Klaproths (1783–1835). Wiesbaden 1999, Auszüge aus den Briefwechseln]. – [Schlegel- S.  146–149 [Stammbuchblatt Klaproths für Schelling, Caroline: Rezension von:] Musen- Chamisso, 1. Juli 1804] (Orientalistik Biblioalmanach auf das Jahr 1805. Herausgegeben graphien u. Dokumentationen; 3). – Werner, von A. v. Chamisso und K. A. Varnhagen. In: Friedrich Ludwig Zacharias: Briefe. Hg. v. Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung 2 Oswald Floeck. Bd. 2, München 1914, S. 4–7 (1805), Nr. 107, 6. Mai, Sp. 241–245. – [Dies.: [Werner an Chamisso, 14. Februar 1806], Rezension von:] Erzählungen und Spiele. He- S.  43–47 [an Varnhagen, Sommer 1806], rausgegeben von Wilhelm Neumann und Karl S. 359–375 [Rezension des Musenalmanachs August Varnhagen. In: Jenaische Allgemeine auf das Jahr 1804]. – 4) Forschungsliteratur Literatur-Zeitung 4 (1807), Nr. 120, 23. Mai, (Auswahl): Berbig, Roland: MittwochsgesellSp.  345–350. – Schlegel, August Wilhelm: schaft (Berlin). In: Handbuch literarisch-kulVorlesungen über schöne Literatur und Kunst. tureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825– Zweiter Teil: Vorlesungen über schöne Litera- 1933. Hg. v. Wulf Wülfing, Karin Bruns u. tur (1802/1803). In: Ders.: Kritische Ausgabe Rudolf Parr. Stuttgart u. Weimar 1998, S. 326– der Vorlesungen. Bd. 1: Vorlesungen über Äs- 332 (Repertorien zur deutschen Literaturgethetik I (1798–1803). Hg. v. Ernst Behler. Pa- schichte; 18). – Blum, Franz: Die Musen. derborn u. a. 1989, bes. S. 507–510. – Ders.: Eine norddeutsche Zeitschrift. HerausgegeVorlesungen über schöne Literatur und Kunst. ben von Friedrich Baron de la Motte Fouqué Dritter Teil: Vorlesungen über die romanti- und Wilhelm Neumann. Ein Beitrag zur Gesche Literatur. In: Ders.: Kritische Ausgabe schichte der Spätromantik. Diss. München der Vorlesungen. Bd. 2,1: Vorlesungen über 1913, S. 3–16. – Bohrer, Karl Heinz: Der MyÄsthetik (1803–1827). Hg. v. Ernst Behler. thos vom Norden. Studien zur romantischen Paderborn u. a. 2007. – Schneider, Karl Theo- Geschichtsprophetie. Diss. Köln 1961, S. 20 f. dor: August Neander. Beiträge zu seinem Le- – Dorsch, Nikolaus: Julius Eduard Hitzig. Liben und Wirken. Schleswig 1894, S. 262–275 terarisches Patriarchat und bürgerliche Karrie[Briefe Neanders an Chamisso u. an Neu- re. Eine dokumentarische Biographie zwimann, 1806–1808]. – [Varnhagen v. Ense, schen Literatur, Buchhandel und Gericht der Karl August:] Lebensumriß. In: Wilhelm Jahre 1780–1815. Frankfurt a. M. u. a. 1994, Neumann’s Schriften. In zwei Theilen. Leip- S.  103–136 (Marburger germanistische Stuzig 1835, Theil 1, S. 3–12. – Ders.: Zum Ge- dien; 15). – Dufraisse, Roger: Un ami mal dächtnisse Adelbert’s von Chamisso. In: Der connu de Chamisso: Louis de la Foye. In: Freihafen 1838, IV, S. 1–61. – Ders.: Koreff. Chamisso. Actes des journées franco-allemanIn: Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense. des des 30 et 31 mai 1981. Sainte-Menehould Biographische Portraits. Nebst Briefen von 1982, S. 63–90. – Feudel, Werner: Adelbert Koreff, Clemens Brentano, Frau von Fouqué, von Chamisso. Leben und Werk. Leipzig Henri Campan und Scholz. Leipzig 1871, 31988, S. 25–46 (Reclams Universalbibliothek; S. 1–58. – Ders.: Ludwig Robert. In: Ders.: 490). – Frank, Erich: Rezensionen über schöDenkwürdigkeiten und vermischte Schriften. ne Literatur von Schelling und Caroline in der Bd. 5: Vermischte Schriften, Teil 2, Leipzig Neuen Jenaischen Literatur-Zeitung. Heidel448

Polarsternbund (Nordsternbund) [PB]

berg 1912, S.  50–54 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akad. d. Wiss., philos.-histor. Klasse; 3,1). – Gatter, Nikolaus: „An Naturell, Karakter, Lebenssinn  … ihrem Manne weit überlegen“. Versuch über Karl August Varnhagen und das Ehepaar Fouqué. In: Jb. d. Fouqué-Gesellschaft Berlin-Brandenburg 2001/02, S. 41–60. – Geiger, Ludwig: Einleitung. In: Musenalmanach auf das Jahr 1806. Herausgegeben von L. A. Chamisso und K. A. Varnhagen. Dritter Jahrgang. Hg. v. Ludwig Geiger. Berlin 1889, S. I–XXVI (Berliner Neudrucke; 2. Serie, Bd. 1). – Greiling, Werner: Wilhelm Neumann – Ein vergessener Dichter? In: Weimarer Beiträge 29 (1983), H. 7, S. 1306–1308. – Hoffmann, Volker: Nachwort. In: Adelbert von Chamisso: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Textredaktion Jost Perfahl. Anmerk. u. Nachw. v. Volker Hoffmann. Bd. 2, München 1975, S. 665–699. – Hüttmann, Hilde: August Neander (David Mendel) in seiner Jugendentwicklung. Diss. Hamburg 1936. – Immer, Nikolas: Berliner Sympoesie. Adelbert von Chamisso als Mitherausgeber des Musenalmanachs (1804–1806). In: Federhofer, Marie-Theres / Weber, Jutta (Hg.): Korrespondenzen und Transformationen. Neue Perspektiven auf Adelbert von Chamisso. Göttingen 2013, S.  125–141 (Pa­ laes­ tra; 337). – Kossmann, Ernst: Chamissos Nasengedichte. In: Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte 4 (1891), S. 181–186. – Kling, Christian Friedrich: D. August Neander. Ein Beitrag zu seinem Lebensbilde. In: Theologische Studien u. Kritiken 24 (1851), S. 459–538. – Krüger, Hans Karl: Berliner Romantik und Berliner Judentum. Mit zahlreichen unbekannten Briefen und Dokumenten. Bonn 1939, S. 10–24 [antisemitisch]. – Lenz, Max: Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms Universität zu Berlin. Bd. 1: Gründung und Ausbau. Halle a. S. 1910, S. 552 f., 614–626. – Müller-Jabusch, Maximilian: Thersites. Die Erinnerungen des deutsch-baltischen Journalisten Garlieb Merkel 1796–1817. Berlin 1921, S. 159– 166. – Lüders, Else: Die Sanders. Ein Famili-

enschicksal aus Preußens Notzeit und Aufstieg. Leipzig 1940, S. 111–124. – Metzner, Joachim: Persönlichkeitszerstörung und Weltuntergang. Das Verhältnis von Wahnbildung und literarischer Imagination. Tübingen 1976, S. 84–87 (Studien zur deutschen Literatur; 50). – Miller, Norbert: Chamissos Schweigen und die Krise der Berliner Romantik. In: Aurora 39 (1979), S. 101–119. – Nadler, Josef: Die Berliner Romantik (1800–1814). Ein Beitrag zur gemeinvölkischen Frage: Renaissance, Romantik, Restauration. Berlin 1921, S. 114–120. – Pissin, Raimund (Hg.): Almanache der Romantik. Berlin-Zehlendorf 1910, Sp. 29–78 (Bibliographische Repertorien; 5). – Pille, René-Marc: Adelbert von Chamisso vu de France 1805–1840. Genèse et réception d’une image. Paris 1993, S. 19–22. – Riegel, René: Adalbert de Chamisso, sa vie et son œuvre. 2 Bde., Paris 1934, bes. Bd. 1, S. 51–122. – Römer, Friedrich: Varnhagen von Ense als Romantiker. Diss. Berlin 1934. Köln 1934, S. 21– 72. – Schlitt, Christine: Chamissos Frühwerk. Von den französischsprachigen Rokokodichtungen bis zum Peter Schlemihl (1793–1813). Würzburg 2008, S. 115–121 (Studien zur Literatur- und Kulturgeschichte; 20). – Schmidt, Julian: Geschichte der deutschen Nationalliteratur im neunzehnten Jahrhundert. Bd.  1, Leipzig 1853, S. 369–372. – Selge, Kurt-Victor: August Neander – ein getaufter Hamburger Jude der Emanzipations- und Restaurationszeit als erster Berliner Kirchenhistoriker (1813–1850). In: Besier, Gerhard / Gestrick, Christof (Hg.): 450 Jahre Evangelische Theologie in Berlin. Göttingen 1989, S. 233–276. – Sproll, Monika: Wiederentdeckte Dokumente aus dem Nachlass Adelbert von Chamissos zum Musenalmanach auf das Jahr 1804. In: Federhofer, Marie-Theres / Weber, Jutta (Hg.): Korrespondenzen und Transformationen. Neue Perspektiven auf Adelbert von Chamisso. Göttingen 2013, S. 143–155 (Palaes­ tra; 337). – Wilhelmy, Petra: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert 1780–1914. Berlin, New York 1989, S. 623 f., 816–820 (Veröf449

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

fentlichungen der histor. Kommission zu Berlin; 73). – Wistoff, Andreas: Die deutsche Romantik in der öffentlichen Literaturkritik. Die Rezensionen zur Romantik in der „All-

gemeinen Literatur-Zeitung“ und der „Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung“ 1795– 1812. Bonn 1992, S. 240–248 (Mitteilungen zur Theatergeschichte der Goethezeit; 10).

Dietmar Pravida / Anna Busch / Janine Katins

Seraphinenorden / Serapionsbrüder [SeO] Name: Seraphinenorden, Serapionsbrüder. Gründung: September oder Oktober 1814 als Seraphinenorden; Neugründung am 14. November 1818 als Serapionsbrüder. Auflösung: Vermutlich Ende 1819 oder Anfang 1820. Sitz: Zunächst Kaffeehaus Manderlee (Unter den Linden 44), später wechselnde Orte, ab 1818 in E. T. A. Hoffmanns Wohnung (Taubenstraße 31). Programm: Programmatische Äußerungen sind nicht bekannt. Julius Eduard Hitzig bezeichnet als Zweck der Gesellschaft das Beisammensein „in vernünftigen [!], nicht philistrigen [!] Gespräch“ (an Fanny Tarnow, 26.4.1815). Die romantische Philisterfeindschaft wird auch im einleitenden Gespräch von E. T. A. Hoffmanns Novellensammlung Die Serapionsbrüder (Band 1, 1819) als Grundmotiv genannt. Geschichte und Programmatik: Eigentliches Zentrum des SeO war zunächst Julius Eduard Hitzig, der seinen Freund E. T. A. Hoffmann am Tag nach seiner Ankunft in Berlin am 26. September 1814 mit Schriftstellern aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis in enge Verbindung brachte. Unter diesen verbanden sich neben Hitzig und Hoffmann Adelbert v. Chamisso und Karl Wilhelm Salice Contessa zu einem engeren Kreis, zu dem auch noch Friedrich de la Motte Fouqué zu zählen ist, der sich jedoch nur gelegentlich – so im Herbst 1815 – in Berlin aufhielt und an dem „geistreichen Zirkel“ teilnahm (Hoffmann an F. Speyer, 18.7.1815). Die Benen450

nung der Gesellschaft als Seraphinenorden geht auf Hoffmann zurück, der eine Vorliebe für katholische Heilige hatte und die Gesellschaft nach dem hl. Seraphinus von Montegranaro (gest. 1604) benannte (J. G. Seegemund an W. Neumann, 19.[7.]1815; die eigenhändige Datierung auf „März“ ist mit Sicherheit falsch). Möglicherweise geschah dies am Namenstag des Heiligen; in Heiligenkalendern wird als Namenstag vorwiegend der 12. Oktober genannt, daneben aber auch der 26. September – das Datum von Hoffmanns Ankunft in Berlin – und der 20. November (vgl. Vollständiges Heiligen-Lexikon, hg. v. J. E. Stadler u. a., Bd. 5, Augsburg 1882, S. 252). Im ersten dreiviertel Jahr trafen sich Chamisso, Contessa und Hoffmann fast täglich, doch gab es einen festen wöchentlichen Termin – die „Seraphinen-Abende“ – bei dem neben Hitzig dann auch weitere Freunde und Gäste teilnahmen, die zum Teil über einen längeren Zeitraum hinweg kamen, teilweise aber – wie Ludwig Devrient am 12. November 1816 – für besondere Ereignisse eigens eingeladen wurden oder – wie David Ferdinand Koreff Ende Juni/Anfang Juli 1815 und Hoffmanns Freund Theodor Gottlieb v. Hippel im Frühjahr 1816 – sich nur für kurze Zeit in Berlin aufhielten. Nach Chamissos Aufbruch zu seiner Weltumseglung am 15. Juli 1815 wurde Koreff, der im Dezember 1815 für längere Zeit nach Berlin kam, zum dauerhaften Mitglied. Die Treffen waren von geistreicher Unterhaltung über meist literarische Themen und von dem Vorlesen neuentstandener Dichtungen der Teilnehmer

Seraphinenorden / Serapionsbrüder [SeO]

Abb. 88  Julius Eduard Hitzig, Brustbild mit Rotem Adler­orden IV. Klasse, den Hitzig im Jahr 1832 erhalten hat; Lithographie von Meyer (1837) nach einer Zeichnung von Franz Krüger (1825).

Abb. 89  Porträt von E. T. A. Hoffmann, Kupferstich nach einer Zeichnung von Wilhelm Hensel, 1821 (© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 236-1885).

– meist wohl Hoffmanns – bestimmt. Zu besonderen Anlässen gab es scherzhafte Zeremonien, wie „ein mit bunten Bändern geschmückter EhrenRothstift“ bezeugt, den Hoffmann zum Ende seiner stellvertretenden Direktion im Instruktionssenat des Berliner Kammergerichts im Frühjahr und Sommer 1816 „in einer außerordentlichen Seraphinen-Versammlung“ überreicht bekam (Hoffmann an Hippel, 30.8.1816). Seit dem Januar 1815 verfolgten die drei Dichter unter den vier Hauptmitgliedern zusammen mit Fouqué den Plan eines „Roman en quatre“, der an den Roman Die Versuche und Hindernisse Karls. Erster Theil (1808) anschloss, welcher im Jahr 1807 gemeinschaftlich von Fouqué, Karl August Varnhagen, Wilhelm Neumann und August Ferdinand Bernhardi verfasst worden war und an dessen Entstehen auch Hoffmann während eines früheren Aufenthaltes in Berlin und Chamisso durch die

Briefe der Berliner Freunde Anteil genommen hatte. Der Roman des Freiherrn von Vieren blieb mit Chamissos Abreise unvollendet und ist nur fragmentarisch erhalten. Als eine Fortsetzung des Unternehmens gemeinsamer Autorschaft können die beiden jeweils zu Weihnachten des Jahres 1816 und 1817 erschienenen Bände der Kinder-Mährchen von Contessa, Fouqué und Hoffmann angesehen werden. Neben der von Fouqué und Hoffmann seit Frühjahr 1815 betriebenen Bemühung um die Aufführung der schon vor Hoffmanns Ankunft verfertigten Oper Undine (Libretto von Fouqué, Musik von Hoffmann) weisen auch die Erzählungen Chamissos, Contessas, Hoffmanns und Fouqués Wechselbezüge (Anspielungen, Nachahmungen, Figurenübernahmen) in einer solchen Dichte auf, wie dies sonst bei keiner anderen Dichtergruppe der Romantik der Fall ist. 451

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

Die häufigen, fast täglichen Zusammentref- genden Tag für einen Abend mit den Freunfen von Mitgliedern des Kreises fanden zu- den verwendet haben, zu denen auch der seit mindest bis zu Chamissos Aufbruch zu seiner Oktober 1818 wieder in Berlin anwesende Weltreise am 15. Juli 1815 statt, spätestens seit Chamisso gehörte. An diesem Abend soll die Contessas Wegzug von Berlin im Lauf des- Gesellschaft mit Bezug auf den Heiligen des selben Jahres wurden sie aber unregelmäßiger, Tages, den Märtyrer Serapion (gest. 249; vgl. wiewohl weiterhin „Seraphinen-Abende“ ge- Vollständiges Heiligen-Lexikon, Bd. 5, S. 254), halten wurden und die Freunde in engem ge- in Serapionsbrüder umbenannt worden sein; sellschaftlichen und brieflichen Kontakt blie- für die geplante Sammlung ist der neue Tiben (der zwischen Hoffmann, Chamisso und tel Die Serapionsbrüder brieflich erstmals am Contessa stets über Hitzig lief) und sich in ih- 30. November 1818 bezeugt. Hitzig, der von ren Werken auf einander bezogen; auch zu der Neugründung und Umbenennung in seiAnfang 1817 beruft sich Contessa noch auf ner Hoffmann-Biographie berichtet, schreibt die Gemeinschaft und hofft auf deren künf- weiterhin, dass man jetzt „einmal in der Wotiges Wiederzusammentreten, wenn er Hit- che in Hoffmanns Wohnung zusammen kam, zig, Hoffmann und Koreff als „das Seraphi- um sich miteinander zu besprechen, und das nendrey“ anruft (an Hitzig, 7.1.1817). Schon etwa Gearbeitete mitzutheilen, wobei, um im Lauf des Jahres 1815 – seit seinem Um- den Charakter dieser Gesellschaft nicht zu zug in die Taubenstraße 31, wo er Nachbar verletzen, die höchste Mäßigkeit als Hauptund engster Freund des Schauspielers Lud- gesetz angenommen war“. Weitere Treffen wig Devrient wurde – und verstärkt 1816/17 nach dem 14. November 1818 und etwa bis bewegte sich Hoffmann aber auch in ande- Anfang 1820 sind durch kein einziges zeitgeren Zirkeln, zumal in der Weinstube Lutter nössisches Zeugnis belegt; immerhin entspreund Wegner in der Charlottenstraße um die chen zahlreiche Angaben zu den Umständen Ecke seiner neuen Wohnung. Er entzog sich der erzählten Serapionsabende in den zwiso Hitzigs Vorhaben, ihn ebenso wie vor- schen Februar 1819 und Mai 1821 erschieneher Chamisso, Contessa und andere Freun- nen vier Teilen der Sammlung dokumentade engstens an sich zu binden und zu einem risch belegbaren Vorkommnissen aus diesem Teil seiner Familie zu machen (Chamisso hei- Zeitraum. Hoffmanns Sammlung erzählt von ratete 1819 eine Pflegetochter Hitzigs, eben- acht Abenden, an denen sich die sechs Freunde Ottmar, Theodor, Sylvester, Vinzenz, Loso Wilhelm Neumann). Die Wiederbelebung des Kreises im Herbst thar und Cyprian treffen, miteinander dispu1818 geht hauptsächlich auf Hoffmanns Plan tieren und Geschichten erzählen und vorleeiner Sammlung seiner im Wesentlichen seit sen. Die ersten vier Figuren des Rahmen1814/15 entstandenen Erzählungen zurück, gesprächs wurden von Hitzig auf sich selbst, die nach dem Vorbild der Novellentradition, Hoffmann, Contessa und Koreff bezogen, in besonders aber von Ludwig Tiecks Phantasus den letzteren beiden hat man mit geringerem (1812–1816), mit einer Rahmenerzählung Recht, aber schon kurz nach Hoffmanns Tod versehen werden sollte. Hoffmann sah seit Fe- (1822) Chamisso und Fouqué wiedererkenbruar 1818 die Unterhaltungen des Freundes- nen wollen. Da sich in den Erzählungen Hoffkreises als Vorbild für diese Rahmengespräche manns auch schon lange vor den Serapionsbrüseiner Sammlung vor, die zu dieser Zeit noch dern Rahmengespräche finden, können die reden Titel Die Seraphinen-Brüder tragen sollte. alen Seraphinenabende nur unter Vorbehalt als Als sein Verleger Georg Andreas Reimer ihm historisches Vorbild der Gespräche der fiktiven am 13. November einen Vorschuss auf die Serapionsbrüder gelten – ebenso könnte man Sammlung auszahlte, soll er das Geld am fol- ein umgekehrtes Verhältnis annehmen. 452

Seraphinenorden / Serapionsbrüder [SeO]

Struktur und Organisation: Der SeO bestand aus einem Kern von vier Mitgliedern (Hitzig, Hoffmann, Contessa, bis Mitte 1815 Chamisso, ab Ende 1815 Koreff), der sich in den ersten Monaten wöchentlich und später wohl ebenfalls in nicht zu großen zeitlichen Abständen zu „Seraphinen-Abenden“ traf. Die Abende fanden in dem gewählten Lokal in einem abgetrennten Raum statt, wo sich, so Hitzig, „um Hoffmann und seine nächsten Freunde als Centrum ein größerer, lebendiger und in sich höchst zufriedener Zirkel“ bildete. Die zusätzlichen Teilnehmer waren stets Freunde und Bekannte, Frauen waren nicht darunter. Formelle Bestimmungen gab es nicht. Die von Teilnehmern der Gesellschaft gemeinschaftlich verfertigten literarischen Werke erschienen ohne Verweis auf den Zirkel. Mitglieder: a) Regelmäßige Teilnehmer: Adelbert v. Chamisso, Karl Wilhelm Salice Contessa, Julius Eduard Hitzig, E. T. A. Hoffmann, David Ferdinand Koreff, Friedrich de la Motte Fouqué (nur selten anwesend, aber eng zugehörig). – b) Gelegentliche Teilnehmer, Gäste: Johann Georg Seegemund, Ernst v. Pfuel, Friedrich v. Pfuel, Ludwig Robert, Theodor Gottlieb v. Hippel (d. J.), Ludwig Devrient, Werner v. Haxthausen, Adam Oehlenschläger. – In der Literatur werden noch weitere Namen genannt, die in Hoffmanns Tagebuch erwähnt werden, die aber nicht mit ausreichender Gewissheit zum Kreis des SeO gerechnet werden können. Querverweise auf andere Vereine: Chamisso, Hitzig, Fouqué und Koreff waren schon vor 1814 seit über einem Jahrzehnt miteinander bekannt und gehörten zum Kreis des seit 1803/04 bestehenden  Polarsternbundes (Nordsternbundes), zu dessen Mitgliedern auch Wilhelm Neumann, Franz Theremin, Karl August Varnhagen u. a. zählten. Der Polarsternbund, den Varnhagen gelegentlich auch als „Orden“ bezeichnet hat (an L. de la Foye,

[April 1806]), ist formell nie aufgelöst worden, und namentlich Chamisso blieb lange an seinem Fortbestehen besonders interessiert. Varnhagen betrachtete Hoffmann in seinen Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens (1846) rückblickend und mit Bezug auf ein Treffen im Jahr 1815 als einen „unserm Bund in der Ferne längst Angehörigen“. Da Die Versuche und Hindernisse Karls in diesem Kreis entstanden sind, ist durch den Plan eines „Romans en quatre“ aus der Feder von vier Autoren auch eine sachliche Anknüpfung gegeben, so dass der SeO als eine Fortsetzung des Polarsternbundes angesehen werden kann, wenngleich er weder dessen freimaurerische Riten noch die Ernsthaftigkeit des Ordens- und Brüderschaftsgedankens übernimmt. (Zudem heißt auch die höchste Ehrenauszeichnung der schwedischen Mon­ archie Seraphinenorden, der wiederum nur an Träger des schwedischen Nordsternordens verliehen werden kann.) Varnhagen, der trotz seiner Anerkennung für Hoffmanns Person und Werk keine Sympathien für ihn hegte, versuchte im Jahr 1815 und dann wieder 1819, an den alten Polarsternbund anzuknüpfen; auch Chamisso betrachtete den Polarsternbund im Jahr 1821 zumindest als ideell noch fortbestehend. – Im Jahr 1824 gründete Hitzig eine Mittwochsgesellschaft, bei der auch Chamisso, Contessa und Varnhagen Mitglieder waren. Der Sache nach ist diese Gesellschaft eher ein Gegenentwurf zum SeO: es war dort verboten, aus eigenen Werken vorzulesen. – Mitte der 1820er Jahre verkehrten Hitzig, Chamisso, Contessa und Fouqué auch im Salon von Caroline und Wilhelmine von Bardua. – Eine eigentliche Fortwirkung hatte die Gesellschaft nur durch Vermittlung von Hoffmanns Novellensammlung, die für viele spätere literarische Vereinigungen als mehr oder weniger verbindliche Referenz diente: Der Tunnel über der Spree knüpfte in manchem an dieses Vorbild an und veröffentlichte im Jahr 1832 sogar eine zweibändige Sammlung Rosetten

und Arabesken. Novellen, poetische Gemäl453

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

de und satyrische Skizzen der jüngeren Serapi- Wulf Segebrecht u. Mitarb. v. Ursula Segeonsbrüder. Auch das im Jahr 1852 gegründete brecht. Frankfurt a. M. 2001. – Bd. 6: Späte Rytly, ein Nebenverein des Tunnels über der Prosa, Briefe, Tagebücher und AufzeichnunSpree, zu dem auch Theodor Fontane gehör- gen. Juristische Schriften. Werke 1814–1822. te, ist stark von Hoffmann beeinflusst. Ro- Hg. v. Gerhard Allroggen, Friedhelm Auhubert Schumann hat sich auf Hoffmanns Sera- ber, Hartmut Mangold, Jörg Petzel und Hartpionsbrüder bezogen, und die fiktiven „Da- mut Steinecke. Frankfurt a. M. 2004. – Opvidsbündler“, Schumanns Idee eines Künst- peln-Bronikowski, Friedrich v. (Hg.): David lerbundes, und vielleicht auch dessen reales Ferdinand Koreff. Serapionsbruder, MagneGegenstück, die Tafelrunde Leipziger Künst- tiseur, Geheimrat und Dichter. Der Lebensler, die sich ab 1833 in dem Kaffeehaus Zum roman eines Vergessenen. Aus Urkunden zuarabischen Coffee-Baum traf, sind von diesem sammengestellt. 2. Aufl., Berlin und Leipzig Vorbild mit angeregt. Die Schriftstellergrup- 1928. – Riegel, René (Hg.): Correspondance pe der Serapionsbrüder von Petrograd, die sich d’Adalbert de Chamisso. Fragments inédits. 1921 gegründet hatte, berief sich direkt auf Suivis de „Das stille Julchen“. Paris 1934, Hoffmann und seine Novellensammlung als S. 106–109 (Varnhagen an L. de la Foye, undapoetologisches Vorbild. tiert [April 1806]). – Rogge, Helmuth (Hg.): Der Doppelroman der Berliner RomanBibliographie: 1) Zeitgenössische Litera- tik. Zum ersten Male hg. u. m. Erl. dargetur: Dorsch, Nikolaus: Julius Eduard Hitzig. stellt. 2 Bde. Leipzig 1926. – Schnapp, FriedLiterarisches Patriarchat und bürgerliche Kar- rich: Korrekturen und nachträgliche Bemerriere. Eine dokumentarische Biographie zwi- kungen zur Neuausgabe des Hoffmannschen schen Literatur, Buchhandel und Gericht der Briefwechsels. In: Mitteilungen der E. T. A. Jahre 1780–1815. Frankfurt a. M. u. a. 1994, Hoffmann-Gesellschaft 17 (1971), S. 36–49, S. 283–291 (J. E. Hitzig an Fanny Tarnow, hier: S. 40 (Contessa an Hitzig, 7.1.1817). – 26.4.1815). (Marburger germanistische Stu- Schnapp, Friedrich (Hg.): E. T. A Hoffmann dien; 15). – Hitzig, Julius Eduard: Karl Wil- in Aufzeichnungen seiner Freunde und Behelm Salice Contessa. In: Neuer Nekrolog der kannten. Eine Sammlung. München 1974. – Deutschen, 3. Jg., 1825, H. 1. Ilmenau 1827, Schnapp, Friedrich: Drei Billetts Hoffmanns S. 600–606. – Hitzig, Julius Eduard: E. T. A. an Ludwig Devrient und ein Brief Hoffmanns Hoffmann’s Leben und Nachlaß. Dritte verm. an Friederike Krickeberg. In: Mitteilungen u. verb. Aufl., Bd. 2, Stuttgart 1839, S. 86 f., der E. T. A. Hoffmann-Gesellschaft 28 (1982), 98–100. – Hitzig, Julius Eduard: Leben und S. 1–11, hier: S. 3 f. (Hoffmann an L. DevriBriefe von Adelbert von Chamisso. Fünf- ent, 12.11.1816). – Segebrecht, Wulf: Zwei te verm. Aufl. [hg. v. Friedrich Palm]. Ers- bisher unbekannte Briefe E. T. A. Hoffmanns. T.  A. Hoffmann-Jb. 2 (1994), S.  29– ter Theil. Berlin 1864. – Hoffmann, E. T. A.: In: E.  Briefwechsel. Gesammelt und erläutert von 35, hier: S. 32 (Hoffmann an G. A. Reimer, Hans v. Müller und Friedrich Schnapp. Hg. 30.11.1818). – Varnhagen v. Ense, Karl Auv. Friedrich Schnapp. Bd. 2, München 1968, gust: Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens. S.  100 (Hoffmann an Hippel, 30.8.1816), Hg. v. Konrad Feilchenfeldt. Bd. 2, Frankfurt S. 230 (Hoffmann an L. Robert, 20.12.1819). a. M. 1987, S. 685 f. – Witt, Tobias: Gottwalt – Hoffmann, E. T. A.: Tagebücher. Nach der der Zelotes-Mensch oder Kunst und Religion Ausgabe Hans v. Müllers mit Erläuterungen in Preußen um 1815. Über das Ehepaar Fouhg. v. Friedrich Schnapp. München 1971. – qué, Johann Georg Seegemund und E. T. A. Hoffmann, E. T. A.: Sämtliche Werke in sechs Hoffmann. Mit zwei unveröffentlichten BrieBänden, Bd. 4: Die Serapionsbrüder. Hg. v. fen Seegemunds. In: Jb. der Fouqué-Gesell454

Seraphinenorden / Serapionsbrüder [SeO]

schaft Berlin-Brandenburg 2011, S.  152– Carl Georg v.: Vorbemerkungen. In: E. T. A. 180, hier: S. 174–179 (J. G. Seegemund an W. Hoffmanns Sämtliche Werke. Historisch-kriNeumann, 19. März [recte: Juli] 1815). – 2) tische Ausgabe mit Einleitungen, AnmerkunForschungsliteratur: Appel, Bernhard: Schu- gen und Lesarten von Carl Georg von Maasmanns Davidsbund. Geistes- und sozialge- sen. München und Leipzig 1908–1928; Bd. 6: schichtliche Voraussetzungen einer romanti- Die Serapions-Brüder. Zweiter Band, 1912, schen Idee. In: Archiv für Musikwissenschaft S. VII–LVIII. – Bd. 7: Die Serapions-Brüder. 38 (1981), S. 1–23. – Becker-Glauch, Wulf: Dritter Band, 1914, S. VII–LII. – Bd. 8: Die E. T. A. Hoffmann in russischer Literatur und Serapions-Brüder. Vierter Band, 1925, S. VII– sein Verhältnis zu den russischen Serapions- C. [Der fünfte Band der Ausgabe mit der Gebrüdern. In: Mitteilungen der E. T. A. Hoff- samteinleitung zu den Serapionsbrüdern ist mann-Gesellschaft 9 (1962) S. 41–54. – Ellin- nicht erschienen; in Maassens Nachlass in der ger, Georg: Einleitung des Herausgebers. In: UB München ist kein Manuskript dieser EinE. T. A. Hoffmanns Werke in fünfzehn Tei- leitung erhalten.] – Maassen, Carl Georg v.: len. Auf Grund der Hempelschen Ausgabe Einleitung. In: Carl Wilhelm Salice Contessa: neu hg., m. Einleit. u. Anm. vers. von Georg Serapiontische Erzählungen. Hg. v. Carl GeEllinger. Teil 5: Die Serapionsbrüder. Erster org von Maassen. München 1922, S. IX–XXV. Teil, Berlin und Leipzig 1912, S. 7–48. – Fri- – Müller, Hans v.: Gesammelte Aufsätze über cke, Hermann: Die „Ellora“ und das „Ryt- E. T. A. Hoffmann. Hg. v. Friedrich Schnapp. ly“. Zwei Seitentriebe des „Tunnel über der Hildesheim 1974. – Petzel, Jörg: „AnspruchsSpree“. In: Jb. f. brandenburgische Landesge- volle Quasselei“ oder einige Marginalien zur schichte 7 (1956), S. 19–24. – Günzel, Klaus: Hoffmann-Rezeption Theodor Fontanes. In: Wahrhaftige Nachricht von den Berliner Se- Mitteilungen der E.  T.  A. Hoffmann-Gesellrapionsbrüdern. In: Die Serapionsbrüder. schaft 34 (1988), S. 84–88. – Schnapp, FriedMärchendichtungen der Berliner Roman- rich: Der Seraphinenorden und die Serapionstik. Hg. u. m. e. Nachw. vers. v. Klaus Gün- brüder E. T. A. Hoffmanns. In: Literaturwiszel. Köln 1986, S. 565–609. – Holtze, Fried- senschaftliches Jb., N. F. 3 (1962), S. 99–112. rich: E. T. A. Hoffmann und die Schwestern – Segebrecht, Wulf: Die Serapionsbrüder. In: Marcuse. In: E. T. A. Hoffmann, „Das Sanc- E. T. A. Hoffmann: Sämtliche Werke in sechs tus“ und „Die Brautwahl“. Einleitungen von Bänden. Bd. 4: Die Serapionsbrüder. Hg. v. Friedrich Holtze, Texte von Hans v. Müller. Wulf Segebrecht u. Mitarb. v. Ursula SegeBerlin 1910, S. 3–19 (Schriften des Vereins für brecht. Frankfurt a. M. 2001, S. 1228–1255. die Geschichte Berlins, 43). – Koning, Henk – Wilhelmy, Petra: Der Berliner Salon im 19. J.: Carl Wilhelm Salice-Contessa (1777– Jahrhundert 1780–1914. Berlin und New York 1825). Ein Schriftsteller aus dem Kreis um 1989, S. 505 f. (Veröffentlichungen der historiE. T. A. Hoffmann. Kampen 1987. – Maassen, schen Kommission zu Berlin, 73).

Dietmar Pravida

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6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

Maikäferklub [Maikk] Name: Maikäferklub, Maikäferei, Klub, später auch: Haller’sche Gesellschaft, Berlinischer Hallerklub. Gründung: Wahrscheinlich Ende 1815 oder Januar 1816 (erste Erwähnung: 27. Januar 1816). Auflösung: Wahrscheinlich vor Mai 1818 (letzte Erwähnung: 20. März 1818). Sitz: Speisehaus an der Schlossfreiheit, von Frühjahr bis Sommer Café Bony im Tiergarten. Programm: Programmatische Aussagen sind nicht bekannt. Eine einschlägige Äußerung in Ernst Ludwig v. Gerlachs Familiengeschichte ist erst mehr als dreißig Jahre nach dem Ende der Gesellschaft niedergeschrieben worden: „Das Hauptinteresse der Maikäferei war patriotisch-romantisch-genial-christliche Poesie“. Geschichte und Programmatik: Im Freundeskreis der Brüder Wilhelm, Leopold und Ernst Ludwig v. Gerlach geht der Plan zur Gründung eines „Klub[s], der alle 14 Tage Sonnabend Abend zusammen ist“ auf Dezember 1814 zurück (E. L. v. Gerlach an Leopold v. Gerlach, 9.12.1814). Teilnehmen sollte zunächst der engere „Zirkel“ um die Brüder Gerlach, der aus Freunden bestand, die teils seit Kindheit und Schule, teils seit dem gemeinsamen Studium in Heidelberg, Göttingen und Berlin, teils seit der Militärzeit miteinander bekannt waren. Kriegsbedingt konnte dieser Plan nicht verwirklicht werden. Erst nach der endgültigen Rückkunft der vorgesehenen Beteiligten aus dem Kriegsdienst kam es Ende 1815 oder spätestens Januar 1816 zur Gründung. Federführend war Clemens Brentano, der nicht dem engeren Kreis angehörte, aber viele der Beteiligten bereits seit Anfang 1815, in einzelnen Fällen schon seit 1810/1811 kannte. Der Klub erhielt den Namen „Maikäferklub, weil der erste Wirt Mai hieß“ (E. L. v. Gerlach an Karl Sieveking, 3.6.1816). 456

Der Kreis, der nach den Kriegen wieder in Berlin zusammentraf, bestand aus höchstens 15 Personen, der engere Kreis aus etwa zehn Mitgliedern, welche sich selbst als „Clique“ bezeichneten und von denen viele auch neben dem „Klub“ in engeren Freundschaftszirkeln intensive Beziehungen untereinander pflegten. Neben dem Besuch des „Klubs“ nahmen die einzelnen Mitglieder auch sonst sehr rege am Berliner Gesellschaftsleben teil. Die Klubangehörigen waren überwiegend junge unverheiratete Männer mit akademischer Bildung im Alter zwischen 22 und 30 Jahren. Sie gehörten zum größeren Teil dem preußischen Landadel an. Die meisten von ihnen hatten in den Kriegen 1813–1815 teilgenommen. Teils waren sie künftige Gutsbesitzer, teils besaßen sie gute Aussichten auf die Zugehörigkeit zu den staatlichen Funktionseliten in Militär, Diplomatie, Verwaltung, Justiz oder Universität. Zahlreiche Mitglieder, vor allem die jüngsten unter ihnen, suchten sich in der noch zukunftsoffenen Phase zwischen Kriegsende und der einsetzenden Formierung der politischen und religiösen Verhältnisse in der beginnenden Restaurationszeit zu orientieren. Eine intensive protestantische, aber im ganzen Zeitraum, in dem der Maikk bestand, weder pietistische noch streng konfessionelle Frömmigkeit ist für einige – nicht für alle – Mitglieder charakteristisch. Es scheint sogar, als seien die zu dieser Zeit religiös weniger stark engagierten Mitglieder, wie Carl v. Voß und Bülow, im „Klub“ neben dem dezidiert christlichen Wilhelm v. Gerlach die eigentlichen Habitués gewesen. Brentano, der für seine auffallend unbürgerliche Selbstinszenierung im gesellschaftlichen Leben Berlins bekannt war, dominierte die erste Phase des „Klubs“, die bis Ende Mai 1816 reicht. Gegenüber den auseinanderstrebenden Tendenzen innerhalb des Kreises, der sich stets in kleinere, engstens miteinander kommunizierende und auf größere freundschaftliche Intimität oder auf gesteigerte weltanschauliche

Maikäferklub [Maikk]

oder religiöse Homogenität zielende Kleingruppen aufzulösen drohte, wirkte er als Integrationsfigur. Er übertrug auf den „Klub“ dieselbe Form einer von literarischen Interessen bestimmten, von intellektueller und studentischer Ausgelassenheit geprägten und um ihn selbst als Zentrum (und im „Klub“ als weitaus ältestes Mitglied) gruppierten Geselligkeit, die er während seines Wiener Aufenthaltes von Sommer 1813 bis Frühjahr 1814 der sogenannten Gesellschaft aus dem Strobelkopf aufgeprägt hatte. Anders als bei der Wiener Strobelkopfgesellschaft gab es aber im Maikk keine gemeinschaftlichen literarischen, publizistischen oder geschäftlichen Projekte, auch scheint Brentano keinen erheblichen persönlichen Einfluss auf einzelne Mitglieder ausgeübt zu haben. In dieser ersten Phase wurden unpublizierte Dichtungen Brentanos und Bülows vorgetragen oder gemeinsam gesungen. Die schlichten Melodien zu den Liedern stammten von Goetze; einige davon sind ohne Nennung des Komponisten in Brentanos Drama Viktoria und ihre Geschwister (1817) erschienen und haben sich so erhalten. Bethmann-Hollweg beklagte die „Kälte“ und „innere Rohheit“, mit der der „junkerliche Kreis“ trotz aller aufrichtigen Freundschaft die Rezitation autobiographisch motivierter Dichtungen Brentanos aufnahm. Dass in der Gesellschaft ein „wüster“, lautstarker und absprechender Ton vorherrschte, wird auch in anderen Quellen vielfach berichtet. Brentano selbst stand Below, Bülow und Goetze am nächsten, Ernst Ludwig v. Gerlach wohl am fernsten. Die zweite Phase in der Geschichte des Maikk reicht von Juni 1816 bis etwa Mai 1818 und ist durch größere organisatorische Offenheit bestimmt. Jetzt drangen in verstärktem Maß die politischen und religiösen Themen in die Diskussionen ein, die die einzelnen Mitglieder außerhalb des Klubs beschäftigten. Seit April 1817 wurde der erste Band von Carl Ludwig v. Hallers Restauration der Staatswissenschaft diskutiert, dessen altkonservative Positionen sich mehrere Mitglieder zu eigen

Abb. 90  Brentano-Porträt von Wilhelm Hensel, 1817 (Brentano als Vorleser seiner Werke); es ist wohl im Zusammenhang mit Brentanos Besuchen 1816/1817 in dem kleinen Kreis um Hedwig Staegemann entstanden (© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 9/17).

machten. Während die „Clique“ in ihrem engeren gesellschaftlichen Umkreis bald als eine Gruppe doktrinärer Haller-Anhänger wahrgenommen wurde, blieb die Diskussion innerhalb des Maikk kontrovers und führte bei allen gegenrevolutionären und reformkritischen Übereinstimmungen ansatzweise zu einer Ausdifferenzierung der politischen Positionen von einem stärker etatistischen Beamtenkonservativismus bis hin zu einem ständischen Altkonservativismus. Die studentische Ausgelassenheit trat zunehmend hinter ernsthafter Auseinandersetzung zurück. Brentano nahm in dieser zweiten Phase zwar noch gelegentlich teil, wobei dann der unbeschwertere Charakter der ersten Phase an manchen Abenden wieder auflebte, er weigerte sich jedoch zu akzeptieren, dass im Maikk politische Positionsnahmen über gesellige Beziehungen gestellt wurden. Durch seine Weiter457

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

gabe eines Berichts über die Allgäuer Erweckungsbewegung an einzelne Mitglieder des Maikk, die den Brief ihrerseits verbreiteten, spielte Brentano im Sommer 1816 eine auslösende Rolle bei der Entstehung der Erweckungsbewegungen in Berlin und in Pommern; der Bericht war im Maikk aber nur am Rand ein Thema. Die Berliner Erweckungsbewegung um die Jahreswende 1816/1817 erfasste auch einzelne Teilnehmer, die sich danach vom Maikk entfernten (so Below und Thadden, jedoch nicht Rappard). Der Patriotismus der Befreiungskriege und die  Turnbewegung spielten nur für kurze Zeit eine Rolle für einige Mitglieder und wichen rasch der Ablehnung dieser Bestrebungen. Die lebensgeschichtliche Orientierungsphase endete bei fast allen Angehörigen des Maikk mit einer Option für jeweils verschiedene konservative Positionen, welche oft von dem Eintritt in den Beruf und Heirat, bei mehreren zusätzlich von religiöser Erweckung begleitet waren. Der Maikk gehörte zur Vorbereitung der späteren Entscheidungen, er war jedoch nicht die Institution, die diese herbeigeführt oder beschleunigt hätte oder innerhalb deren sie getroffen worden wären. Mit dem Abschluss der Orientierungsphase hörte auch der Maikk zu existieren auf. E. L. v. Gerlach nahm spätestens ab Mai 1818 nicht mehr teil, und wahrscheinlich hat sich der Maikk zu dieser Zeit oder früher aufgelöst. (Nach der Familiengeschichte E. L. v. Gerlachs geschah dies erst 1819.) Einen direkten Nachfolger hat die Maikäferei nicht gefunden. Nach dem Ende im Frühjahr 1818 scheint bei einigen Mitgliedern, so bei E. L. v. Gerlach, der samstägliche Besuch im Salon Amalie v. Helvigs an die Stelle des Maikk getreten zu sein. Das durch die Maikäfer-Gesellschaft befestigte Netzwerk persönlicher Beziehungen, das später vielfach noch durch über Heiraten hergestellte verwandtschaftliche Beziehungen verstärkt wurde, blieb jedoch bestehen und hat so auch die zum Teil Jahrzehnte späteren Beziehungen und die Zusammenar458

beit vieler ehemaliger Angehöriger in religiösen Bewegungen und Vereinen sowie in politischen und publizistischen Gruppierungen, die zur Vorgeschichte der preußischen konservativen Partei gehören, mit vorbereiten helfen. Damit hat die Maikäferei indirekt bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fortgewirkt, wenngleich ihr Einfluss später oft stark überschätzt wurde und auch nicht für alle Mitglieder angesetzt werden kann (so wohl nicht für Alvensleben, Bülow und andere). Außerhalb des Berliner gesellschaftlichen Lebens – vor allem im Umkreis Friedrich Carl v. Savignys, bei dem viele der Mitglieder häufig zu Gast waren – ist der Maikk selbst jedoch kaum wahrgenommen worden; lediglich Karl August Varnhagen erwähnt im Jahr 1820 zweimal eine Haller’sche Gesellschaft in seinen Tagebüchern, und Friedrich Ludwig Jahn spricht in den 20er und 30er Jahren in seinen Briefen von einem von Clemens Brentano gegründeten Berlinischen Hallerklub, den er mit den Autoren des 1831 gegründeten Berliner Politischen Wochenblatts in Verbindung bringt. In der späteren Literatur wird der Kreis – abgesehen von einigen verstreuten Erwähnungen in Briefpublikationen und Memoiren seit 1855 – erstmals 1872 in der ersten Biographie Clemens Brentanos von Johannes Baptista Diel erwähnt, die ersten genaueren Auskünfte gab Ernst Ludwig v. Gerlachs Familiengeschichte, die im Jahr 1903 erschien. Struktur und Organisation: Der in den Quellen bei weitem geläufigste Name Klub benennt auch die organisatorische Verfassung der Maikäferei: „Clubb (engl.), eine geschlossene Gesellschaft, welche entweder zu geselligem Vergnügen oder zur Erreichung anderer Zwecke, z. B. Berathung über Kunst- und wissenschaftliche Gegenstände, oder auch über Staatsangelegenheiten, an einem bestimmten Orte sich versammelt“ (Univer-

sal-Lexikon, oder vollständiges encyclopädisches Wörterbuch, hg. v. H. A. Pierer, Bd. 5, Altenburg 1835, S. 424). Die Aufnahme in den

Maikäferklub [Maikk]

Kreis war an die Zugehörigkeit zur engeren „Clique“ oder an die Bekanntschaft mit Clemens Brentano oder anderen Mitgliedern geknüpft. Nach der Einführung und informeller Kooptation hatten Gäste (wie Groote im Frühjahr 1816) auch über einen längeren Zeitraum Zutritt. Die Treffen fanden jeden Samstag statt, auch bei in den Sommermonaten manchmal geringer Teilnehmerzahl und auch an kirchlichen Feiertagen. Zwischen dem 27. Januar 1816 und dem 21. Februar 1818 sind 27 Klubabende belegt. Außer der Begrenzung des Mitgliederkreises, einer informellen Hierarchie und der differenziert abgestuften freundschaftlichen Nähe unter den einzelnen Mitgliedern scheint es keine weiteren formellen Bestimmungen zur Organisation gegeben zu haben. Abgesehen von Ort und Zeitpunkt fehlen Bestimmungen zum Ablauf der Abende, zu dem aber jedenfalls das gemeinsame Abendessen gehörte. In der zweiten Phase des Maikk wurde die Teilnahme sporadischer. Es gab keine nach außen sichtbare Form der Selbstdarstellung und keine öffentlichen Auftritte. Nach den verfügbaren Quellen waren die einzigen aus dem Üblichen herausfallenden Veranstaltungen des Maikk eine Feier zum Geburtstag Shakes­ peares am 23. April 1816 und eine Geburtstagsfeier für Wilhelm v. Gerlach in einem erweiterten Kreis am 10. Mai 1817. Mitglieder: a) Reguläre Mitglieder: Albrecht v. Alvensleben (gelegentliche Teilnahme), Clemens Brentano, Friedrich Carl v. Bülow, Ernst Ludwig v. Gerlach, Leopold v. Gerlach, Wilhelm v. Gerlach, August Wilhelm Goetze, Carl Ludwig Heinrich Otto, Carl Rappard, Cajus v. Stolberg, Georg Anton v. Stosch, Peter Feddersen Stuhr (gelegentliche Teilnahme), Adolf v. Thadden (gelegentliche Teilnahme), Carl v. Voß, Otto v. Voß (gelegentliche Teilnahme), L. Wolf (Art der Teilnahme unsicher). – b) Gäste: Ludwig Achim v. Arnim, Behr (Identität unsicher), Gustav v. Below (gelegentliche Teilnahme 1816/1817), Ludwig Berger, Moritz Au-

gust v. Bethmann-Hollweg, Eberhard v. Groote, Wilhelm Hensel, Reitzenstein (Identifikation unsicher), Richthofen (Identität unsicher), Victor August v. Staegemann, Eduard Waldersee (Teilnahme unsicher), Eduard v. Waldow. In der Sekundär- und Tertiärliteratur werden zahlreiche weitere Namen genannt, die zum Teil auf falsche Identifikationen zurückgehen, sich auf die Mitglieder benachbarter Kreisbildungen und Kränzchen beziehen oder aber Personen betreffen, die lediglich mit den Brüdern Gerlach zu verschiedenen Zeiten in engerer oder fernerer Beziehung standen. Querverweise auf andere Vereine: Zumindest für einen Angehörigen bzw. Gast des Maikk, der die über Brentano nach Wien laufende Filiation der Gesellschaft nicht kannte, war die Maikäferei „gleichsam eine Fortsetzung der edlen Tischgenossengesellschaft, welche vor mehreren Jahren von den Dichtern Achim von Arnim und Klemens Brentano gestiftet wurde“ (Below an einen Freund S., 13.12.1816). Die Kontinuität zur  Deutschen Tischgesellschaft besteht vornehmlich in der von Brentano gepflegten Form literarischer Geselligkeit mit dem Vortrag und dem gemeinsamen Gesang patriotischer und anderer Dichtungen. Personelle Kontinuität besteht zudem bei Brentano, Wilhelm v. Gerlach, C. L. H. Otto und Carl v. Voß. Übergreifende ideologische oder politische Gemeinsamkeiten gibt es jedoch nicht. – Einige ehemalige Mitglieder des Maikk gehörten dem am 26. Februar 1819 konstituierten „pie­tistischen Klub“ an, einem religiöser Selbstversicherung gewidmeten Zirkel um Thadden, der anfangs mehrmals in der Woche zusammenkam und dann als DonnerstagsGesellschaft bis ins Jahr 1820 bestand. Sie betrachteten diesen Kreis aber nicht als Fortsetzung der Maikäferei. Bibliographie: 1) Quellen: Die wöchentlichen Abende wurden außer in den privaten Tagebuchnotizen und brieflichen Äuße459

6  Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur

rungen der Teilnehmer nicht dokumentiert. (F. L. Jahn an August Leopold Bucher, 13. Es ist kein einziger Text überliefert oder be- Oktober 1825), S. 402 (F. L. Jahn an Friedrich zeugt, der besonders für den Maikk verfasst Christian August Hasse, 11. November 1836). oder durch ihn angeregt worden wäre, wäh- – Schoeps, Hans-Joachim (Hg.): Aus den Jahrend Brentano in demselben Zeitraum zahl- ren preußischer Not und Erneuerung. Tagereiche Werke für andere gesellschaftliche An- bücher und Briefe der Gebrüder Gerlach und lässe geschrieben hat. Fast alles, was über den ihres Kreises. Berlin 1963, S. 170–299 (TageMaikk bekannt ist, stammt aus den Tagebü- bücher E. L. v. Gerlachs, 1816–1818), S. 563 f. chern Ernst Ludwig v. Gerlachs, dessen Per­ (E. L. v. Gerlach an Karl Sieveking, 3.6.1816), spektive für die übrigen Mitglieder des Maikk S. 568 (Carl v. Voß an Leopold v. Gerlach, oder für den Maikk als ganzen nicht unbe- 26.6.1816), S. 580 (Wilhelm v. Gerlach an dingt als repräsentativ angesehen zu werden Leopold v. Gerlach, 11.7.1817), S. 582 (Carl braucht, auch wenn sie immer dafür genom- v. Voß an Wilhelm v. Gerlach, 10.8.1817). – men wurde. – 2) Zeitgenössische Literatur: Schoeps, Hans-Joachim: Clemens Brentano. Bethmann-Hollweg, Moritz August v.: Fa- Nach Ludwig von Gerlachs Tagebüchern und milien-Nachricht. (Als Manuscript gedruckt). Briefwechsel. In: Ders.: Ein weites Feld. GeBd. 1, Bonn 1876, S. 230 f. – Brentano, Cle- sammelte Aufsätze. Berlin 1980, S. 201–224. mens: Sämtliche Werke und Briefe. Bd. 33: – Spiertz, Willi: Eberhard von Groote. LeBriefe 1813–1818. Hg. v. Sabine Oehring. ben und Werk eines Kölner Sozialpolitikers Stuttgart 2000, S. 208 (C. Brentano an Jo- und Literaturwissenschaftlers (1789–1864). hann Nepomuk Ringseis, November 1815 – Köln, Berlin, Wien 2007, S. 131 (Tagebuch1. April 1816), S. 425 f. (C. Brentano an Lu­ise eintrag Grootes, 13. März 1816). – VarnHensel, 9. Dezember 1818). – Bd. 34: Brie- hagen v. Ense, Karl August: Blätter aus der fe 1819–1825. Hg. v. Sabine Oehring, Stutt- preußischen Geschichte. (Aus dem Nachlasgart 2005, S. 257–260 (C. Brentano an A. W. se Varnhagen’s von Ense). Bd. 1, Leipzig 1868, Goetze, 19. März 1822). – Cardauns, Her- S. 47 (Tagebuchnotiz vom 20. Januar 1820), mann: Aufzeichnungen und Briefe von Lu- S. 76 (10. Februar 1820). – Wangemann, Herise Hensel. In: Frankfurter zeitgemäße Bro- mann Theodor: Geistliches Regen und Rinschüren N. F. 35, H. 3. Hamm 1916, S. 66– gen am Ostseestrande. Ein kirchengeschichtli103, hier: S. 74 (Aufzeichnung Luise Hensels, ches Lebensbild aus der ersten Hälfte des XIX. 1852/53). – Gerlach, Ernst Ludwig v.: Auf- Jahrhunderts. (Ein selbständiger Nachtrag zu zeichnungen aus seinem Leben und Wirken den „Sieben Büchern Preußischer Kirchenge1795–1877. Hg. v. Jakob v. Gerlach. Bd. 1, schichte“). Berlin 1861, S. 4–7 (Brief Gustav Schwerin i. Meckl. 1903, S. 94–120 (E. L. v. v. Belows an einen Freund S., 13. Dezember Gerlachs Familiengeschichte, 1816–1820). 1816). – 3) Forschungsliteratur (Auswahl): – Goetze, Marie / Goetze, Hildegard: Un- Althausen, Johannes: Kirchliche Gesellschafsere Voreltern und unsere Eltern. Zum 15. ten in Berlin 1810–1830. Ein Beitrag zur GeMai 1895 für die Familie als Manuskript ge- schichte der Erweckungsbewegung und des druckt. Wernigerode 1895, S. 108–113 (Zita- Laienapostolats in den evangelischen Kirchen te aus Briefen und Dokumenten August Wil- des 19. Jahrhunderts. Diss. (masch.) Halle/ helm Goetzes). – Jahn, Friedrich Ludwig: Die Saale 1965, Bd. 1, S. 19–26; Bd. 2, S. 265–268. Briefe Friedrich Ludwig Jahns gesammelt und – Diel, Johannes Baptista: Clemens Brentano. im Auftrage des Ausschusses der Deutschen In: Stimmen aus Maria-Laach 3 (1872), S. 60– Turnerschaft hg. v. Wolfgang Meyer. Leip- 76, 154–170, 240–255, 429–445, 544–562, zig 1913, S. 260 (F. L. Jahn an [August Alex- hier: S. 241. – Frühwald, Wolfgang: Das Spätander?] Mützell, 10. November 1823), S. 288 werk Clemens Brentanos (1815–1842). Ro460

Maikäferklub [Maikk]

mantik im Zeitalter der Metternich’schen Restauration. Tübingen 1977, S. 111–113 (Hermaea, N. F. 37). – Keyserling, Leonie v.: Studien zu den Entwicklungsjahren der Brüder Gerlach. Mit Briefen Leopolds von Gerlach und seiner Brüder an Karl Sieveking. Heidelberg 1913, S. 62–76 (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 36). – Kraus, Hans-Christof: Ernst Ludwig von Gerlach. Politisches Denken und Handeln eines preußischen Konservativen. Bd. 1, Göttingen 1994, S. 74–91 (Schriftenreihe der Histor. Komm. bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 53). – Meinecke, Friedrich: Zur Geschichte Bismarcks. II. Bismarcks Eintritt in den christlich-germanischen Kreis. In: Historische Zeitschrift 54 (1903), S. 56– 92, hier: S. 75–79 (wieder in: Ders.: Brandenburg – Preußen – Deutschland. Kleine Schriften zur Geschichte und Politik. Werke, Bd. 9,

hg. v. Eberhard Kessel. Stuttgart 1979, S. 442– 475). – Oehring, Sabine: Untersuchungen zur Brentano-Forschung der beiden Jesuiten Johann Baptist Diel und Wilhelm Kreiten. Frankfurt a. M. (u. a.) 1992, S. 113–117 (Europäische Hochschulschriften I/1299). – Pravida, Dietmar: Brentano in Wien. Clemens Brentano, die Poesie und die Zeitgeschichte 1813/14. Heidelberg 2013, S. 96– 101, 371–373 (Frankfurter Beiträge zur Germanistik 52). – Rupprich, Hans: Brentano, Luise Hensel und Ludwig von Gerlach. Wien und Leipzig 1927, S. 26–35 (Deutsche Kultur 6). – Wendland, Walter: Studien zur Erweckungsbewegung in Berlin (1810–1830). In: Jb. f. Brandenburgische Kirchengeschichte 19 (1924), S. 5–77, hier: S. 24–26, S. 28–47. – Wiegand, Friedrich: Der Verein der Maikäfer in Berlin (1815–1819). In: Deutsche Rundschau 160 (1914), S. 279–291.

Dietmar Pravida

461

7  Kunstausübende Vereine

7.1 Berlinischer Künstler-Verein [BKV] Name: Berlinischer Künstler-Verein (BKV ); auch: Verein der Maler, Bildhauer, Baukünstler und Kunstgenossen (Mitgliedsurkunde 1814); Berliner Künstler-Verein (Klebebände mit Zeichnungen, um 1829); Künstler Verein zu Berlin 1814 (Vereinsstempel); Berlinischer Künstler-Verein (Vereinsstempel, 2. Hälfte 19. Jahrhundert); Älterer Berlinischer Künstler-Verein. Gründung: 22. November 1814. Bestand: Nach 1871 Anschluss an den 1841 gegründeten Verein Berliner Künstler ; bestand dort bis 1955 als Traditionsgruppe innerhalb des Vereins Berliner Künstler und nannte sich zuletzt Berlinischer Künstler-Verein (1814). Das letzte Mitglied war der Landschaftsmaler Carl Kayser-Eichberg. Tagungsort: 1814–1871/72: Englisches Haus, Mohrenstraße 49; im Sommer Ausflugslokale in der Umgebung Berlins; 1872–1889 im Vereinslokal des Vereins Berliner Künstler, Kommandantenstraße 77–79; ab 1889 Lesezimmer im Verein Berliner Künstler im Architektenhaus, Wilhelmstraße 92/93; seit 1898 in dem für den Verein Berliner Künstler errichteten Künstlerhaus, Bellevuestraße 3. Programmzitat: „Der Künstlerverein ist eine Vereinigung von Künstlern und Kunstfreunden zu einem denselben heiligen Zweck, nehmlich die möglichste Erhöhung und Verbreitung der Kunst, Kunstfertigkeit und des Kunstgeschmacks im mahlerischen, zeichnenden, architektonischen und Bildhauerfache, sowohl unter sich als im allgemeinen. […] Jedes Mitglied verpflichtet sich daher durch seinen Ein462

tritt in diesen Verein im allgemeinen so viel es kann zu diesem Zwecke beizutragen, und insbesondere die dahin abzielenden Gesetze des Vereins genau zu befolgen“ (Gesetze, 1817, Tit. I. Zweck des Künstlervereins, §§ 1 und 2). Geschichte und Programmatik: Über das Zustandekommen der Vereinigung im Jahr 1814 berichtet der Bildhauer Johann Gottfried Schadow rückblickend: „In diesem Monat [November] kamen die Künstler nach einem Aufrufe des Architekten Catel zuerst zusammen, um einen stehenden Verein zu verabreden, dessen Statut erst im folgenden Jahre zustande kam, der heute, im Jahre 1847, noch besteht“ (Schadow, Kunstwerke/Kunstansichten Bd. 1, S. 105). Getroffen hatten sich Schadow, Friedrich Georg Weitsch, Carl Franz Jacob Heinrich Schumann, Johann Joseph Freid­hoff, Louis (Ludwig Friedrich) Catel, Karl Friedrich Hampe, Carl Wilhelm Kolbe d. J. und Heinrich Anton Dähling – mit Ausnahme Catels allesamt Professoren an der Akademie der Künste. Am 22. November 1814 erfolgte die Gründung des BKV in einer ersten konstituierenden Sitzung im Englischen Haus, Mohrenstraße 49. Hierzu war durch ein Rundschreiben (Circular), dem am 17. November 1814 eine Anzeige in den Ber-

linischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen folgte, von den acht Initiatoren eingeladen worden. Die Einladung richtete sich an namhafte Berliner Künstler, Architekten und an einige wenige Kunstfreunde, vornehmlich aus dem akademischen Umfeld des

7.1  Berlinischer Künstler-Verein [BKV]

Abb. 91  Gustav Taubert, Sitzung des Berlinischen Künstler-Vereins im Englischen Haus, Feder- und Pinselzeichnung 1830.

Bildhauers Schadow. Die 32 Gründungsmitglieder hatten bereits ein fortgeschrittenes Alter, zwei Drittel gehörten als Mitglieder der Akademie der Künste an. Schadow war zum Zeitpunkt der Vereinsgründung Vizedirektor der Akademie der Künste, zu deren Direktor er 1815 gewählt wurde. Er selbst wies darauf hin, dass die Initiative zur Gründung von dem umtriebigen Architekten Catel ausging. Da dieser jedoch bereits 1819 starb, wurde Schadow für die Gestaltung des Vereinslebens maßgebend. Die Vereinsgründung war nicht zuletzt getragen von der euphorischen Stimmung nach der Überwindung Napoleons – erst am 7. August 1814 hatte König Friedrich Wilhelm III. mit den siegreichen preußischen Truppen in Berlin Einzug gehalten –, sie war geprägt von der Vorstel-

lung, durch die allgemeine Verbesserung des künstlerischen Geschmacks zur Bildung eines neuen vaterländischen Bewusstseins beitragen zu können, denn ein kaum gekanntes Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit verband sich nunmehr im Bürgertum mit der Hoffnung auf eine stärkere Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben, auf ein Aufblühen von Gewerbe und Kunst nach Krieg und Besetzung. Die wichtigste Überlieferung zum Vereinsleben stellt heute das 1914 verfasste und 1920 ergänzte Typoskript von Max Wiese zur Vereinsgeschichte dar, denn Wiese standen noch die im Zweiten Weltkrieg vernichteten Sitzungsprotokolle zur Verfügung. Darüber hinaus haben sich mit den gedruckten Gesetzen des Vereins von 1817 und den revidier463

7  Kunstausübende Vereine

ten Statuten von 1843 zwei Primärquellen nungen und druckgraphische Blätter für ein erhalten, deren Vergleich ursprüngliche Idee Vereinsarchiv anfertigen sollten, um auf dieund Veränderungen im Vereinsleben deut- se Weise Rechenschaft über die Vereinsaktilich macht. vitäten wie auch die künstlerische EntwickIm Mittelpunkt standen anfangs das Anferti- lung ihrer Zeit zu geben. 1818 wurde der Begen künstlerischer Skizzen, die konstruktive schluss noch einmal bekräftigt. Im Dezember Kritik derselben, das Interesse an Neuerun- 1819 stiftete der als Zeichner bei der Königgen auf dem Gebiet der Reproduktionsgra- lichen Porzellan-Manufaktur (KPM) beschäfphik und des Kunstgeschehens, ferner Vorträ- tigte Miniaturmaler Johann Heusinger Porge zu kunst- und kulturhistorischen Themen, träts der Mitglieder als Sepiazeichnungen. vereinzelt auch zu literarischen Gegenständen, Auch der Landschaftsmaler Carl Blechen sowie der Austausch mit auswärtigen und be- steuerte eine größere Anzahl von Bildnissen freundeten Künstlern und anderen Gästen. bei. (Sie wurden vermutlich nach 1850 im „Vorzugsweise soll ein Urtheil der Künstler „Großen Buch“ (heute Buch K) zusammenüber von Mitgliedern des Vereins angefertig- gefasst, das 54 Künstlerporträts und 59 großte Kunstwerke, Kunstentwürfe und Skizzen formatige Zeichnungen sowie graphische Arein Gegenstand der Sitzung seyn“ (Gesetze, beiten aus dem Zeitraum 1815/1840 enthält, 1817, Abschnitt II. Gegenstände der Sitzun- siehe Katalog, 1983, S. 208–262). Auch wähgen, §  1). An den Sitzungen konnten Mit- rend der Sitzungen entstandene Skizzen wurglieder und Ehrenmitglieder sowie Gäste teil- den gesammelt und später in vier weiteren Alnehmen, mit der Einschränkung, dass in Ber- ben zusammengefasst, welche chronologisch lin ansässige Künstler nicht häufiger als zwei geordnet Blätter der Jahre 1816–1834 enthalMal jährlich eingeladen werden durften. Im ten (siehe Katalog, 1983, Alben A–C). Über Kreise Gleichgesinnter wollten sich die Ver- die Blätter dieser Alben hinaus entstand in den einsmitglieder frei von akademischen und an- folgenden Jahrzehnten eine nicht überlieferte deren offiziellen Zwängen den unterschied- Sammlung, die Arbeiten der Mitglieder wie lichsten Aspekten der Kunst widmen. Ganz auch Geschenke an den BKV umfasste. 1853 der Rangfolge der akademischen Wertschät- erwog der BKV den Verkauf einzelner Stüzung folgend, behandelte man in den Sitzun- cke, 1854 veräußerte er meistbietend Doubgen bevorzugt historische Sujets, insbeson- letten. Auch waren die Vereinsmitglieder aufdere Szenen aus der griechischen und römi- gefordert, ihre Biographie einzureichen, woschen Antike sowie christliche Themen, aber von 52 Biographien und Nekrologe überlieauch Landschaften und Porträts fanden ih- fert sind (Archiv der Akademie der Künste, ren Platz bei den wöchentlichen Erörterun- Sammlung Verein Berliner Künstler, Nr. 41– gen. Auch sollten im künstlerischen Wett- 64, einige davon kommentiert und veröffentstreit, den sogenannten Concurrenzen, er- licht von Reimar F. Lacher). mittelte besonders gelungene Blätter einzel- Im Sommer fanden die Sitzungen häufig in ner Mitglieder vervielfältigt und zum Verkauf den Ausflugslokalen der Umgebung statt, angeboten werden. Ausarbeitungen zu The- auch gehörten kurze Reisen und Ausflüge men historischer und aktueller Fragestellun- zum Vereinsleben. Eine in dem ihm eigenen gen, literarisch inspirierte Blätter, aber auch humorvollen Ton gehaltene, mit geistreichen Entwürfe zu antikisierenden Grabmalen und Anspielungen durchwobene Reisebeschreierstmals zu Kriegerdenkmälern, wurden zur bung nach Potsdam, die am 13. August 1825 Beurteilung vorgelegt. Im April 1815 wurde stattfand, stammt aus Schadows Feder. Sie beschlossen, dass die Mitglieder ihre Porträts wird u. a. illustriert durch eine Radierung der und eigens für den Verein gefertigte Zeich- Porträts der Mitreisenden sowie durch eine 464

7.1  Berlinischer Künstler-Verein [BKV]

Lithographie von Heinrich Stürmer, welche die Reisegruppe auf der Pfaueninsel vor dem Wohnhaus des Hofgärtners Fintelmann zeigt (siehe Katalog, 1983, S. 72–86). Stand 1817 noch das Verfertigen eigener Arbeiten im Mittelpunkt des Vereinslebens, so verschob sich der Schwerpunkt bis 1843 auf das gesellige Beisammensein mit Vorträgen und Ausflügen. Regelmäßige Kunstausstellungen, wie sie die späteren Kunstvereine zur Förderung ihrer Mitglieder durchführten, gehörten allerdings nicht zu den Vereinsaktivitäten, da die Künstler mehrheitlich nicht auf eine wie auch immer geartete Förderung angewiesen waren. Lediglich der fünfte Jahrestag des BKV wurde am 6. Januar 1820 mit einer eintägigen Ausstellung eigener Werke im Englischen Haus begangen. Ab Mitte der 1820er Jahre entstand dem BKV deutliche und weitaus klarer profilierte Konkurrenz. 1824 bildete sich der Architekten-Verein zu Berlin mit dem Ziel, die künstlerische und bauhistorische Ausbildung von Architekten zu vertiefen. Mit seinen Monatskonkurrenzen, monatlichen Wettbewerben zu aktuellen Bauaufgaben, deren jeweils beste Entwurfslösungen veröffentlicht wurden, bot der Architekten-Verein seinen Mitgliedern eine erfolgreiche und öffentlichkeitswirksame Plattform. In dem in sprechender Abgrenzung zum BKV 1825 gegründeten Verein jüngerer Künstler fand die aufstrebende Künstlergeneration ein ihr gemäßes Forum. Hieraus sollte 1841 der bis heute bestehende Verein Berliner Künstler hervorgehen. In dem ebenfalls 1825 unter maßgeblicher Beteiligung der Brüder Humboldt ins Leben gerufenen Verein der Kunstfreunde im preußischen Staate traf sich die geistige, politische und künstlerische Elite Berlins zum befruchtenden Meinungsaustausch, wobei Jahresausstellungen und Jahresgaben das interessierte Publikum auch mit neuesten Strömungen der Kunst bekannt machten. Hier verfolgte man das Ziel, auf das Kunstleben und dessen Entwicklung in Preußen Einfluss zu nehmen, durch publikumswirksame

Ausstellungen geschmacksbildend zu wirken sowie Künstler und Käufer zusammenzubringen. Schließlich gründete Friedrich Christoph Förster 1827 den Wissenschaftlichen Kunstverein zu Berlin, der ab 1829 zusammen mit der Königlichen Akademie der Künste das Berliner Kunst-Blatt unter Leitung des Archäologen Ernst Heinrich Toel­ken herausgab. Diese Neugründungen trugen der zunehmenden Differenzierung im Bereich Bildender Künste und Architektur, Kunstkritik und Kulturwissenschaft, Kunstfreunde und Kulturpolitik sowie einem wachsenden, von bürgerlichen Interessen bestimmten Kunstmarkt Rechnung. Die Vereinsaktivitäten des BKV verzeichneten dagegen einen Rückgang, was nicht zuletzt auch mit der beginnenden Überalterung der Mitglieder zusammenhing. 1824 ruhten sie zwischenzeitlich von Mai bis Juli; der Sitzungsturnus wurde kurzzeitig auf eine 14-tägige Periode verlängert, bis man im Herbst 1825 zum wöchentlichen Rhythmus zurückkehrte. 1834 machte der Verein seinem Vorsteher Johann Gottfried Schadow zu dessen siebzigsten Geburtstag ein besonderes Geschenk: 30 Dessertteller, deren Spiegel von den Mitgliedern bemalt worden waren. (Elf Teller sind in Privatbesitz erhalten. Jedes Mitglied wählte ein für sein Schaffen charakteristisches Motiv, wobei eine der Lithographie verwandte Zeichentechnik zur Ausführung kam, siehe Katalog, 1983, S. 188–196.) Den veränderten Bedingungen trug der Verein mit seiner 1843 erlassenen revidierten Satzung Rechnung. So ist dort in den Sommermonaten Mai bis Juli nur noch ein monatlicher Sitzungsturnus vorgesehen. Nachdem Johann Gottfried Schadow am 27. Januar 1850 hoch betagt gestorben war, fanden ab 1851 die Sitzungen auch winters nur noch monatlich statt. 1859 bot der Verein Berliner Künstler dem BKV den Beitritt an, der sich jenem daraufhin als Traditionsgruppe anschloss. Der BKV ist einer der frühesten der sich um 1820/40 in allen größeren Städten gründenden Künstlervereine, die im Verlauf des 19. 465

7  Kunstausübende Vereine

Jahrhunderts politisch einflussreich und stil- und Funktionsträger wurden mittels Ballotage bildend Einfluss auf das Kunstleben im Deut- mit schwarzen Kugeln und weißen Würfeln schen Kaiserreich nehmen sollten. Im Unter- gewählt. Die Vereinsstatuten lagen 1817 unschied zu den nachfolgenden Künstlerverei- ter dem Titel Gesetze des Berlinischen Künstnen, die aktiv am gesellschaftlichen und po- lervereins gedruckt vor; 1843 wurden sie revilitischen Leben teilnahmen, den Austausch diert. Ebenfalls 1817 wurde von Johann Gottzwischen Künstlern und Kunstfreunden fried Schadow, dem Architekten Catel, dem durch regelmäßige Kunst- und Verkaufsaus- Maler Carl Wilhelm Kolbe sowie dem Mastellungen bzw. Verlosungen beförderten und ler und Geheimen Hofrat beim Hofmarauf kulturpolitische Entscheidungen Einfluss schallamt Ernst Friedrich Bußler verabredet, zu nehmen suchten, war dies von den Mit- jeweils eine Mitgliederurkunde (Diplom) zu gliedern des BKV nicht intendiert. Noch gestalten. Schadows Ausarbeitung fand die ganz den Traditionen der im 18. Jahrhundert allgemeine Zustimmung (siehe Katalog, 1983, gegründeten Privatgesellschaften verbunden, S. 173, Nr. 168). Doch erst nachdem 1822 stand hier die fachliche Erörterung in geselli- noch einmal ausdrücklich beschlossen worger Runde im Mittelpunkt des Vereinslebens. den war, dass neu aufgenommene VereinsmitNach außen öffnete sich der BKV nur an sei- glieder auch Diplome erhalten sollten, scheint nen Vereinsfesten. Entsprechend waren es vor die graphische Umsetzung durch den Kupferallem die prächtigen Festveranstaltungen der stecher Johann Friedrich Jügel erfolgt zu sein ersten Jahre mit ihrer aufwändigen Ausstat- (zu den erhaltenen Exemplaren, datiert auf tung und ihren renommierten Mitwirken- 1822 und 1825, siehe Katalog, 1983, Nr. 169, den, die den Künstlerfesten der jüngeren Ver- S. 174). – Das Stiftungsfest wurde am 18. Okeine zum Maßstab und Vorbild werden konn- tober begangen, am Namenstag des Hl. Luten. Aber auch die Vereinsstatuten wurden als kas, des Patrons der Bildenden Künstler, zuAnregung genommen. (So stellt das 1843 er- gleich Jahrestag der Völkerschlacht bei Leiplassene Statut des am 12. Juni desselben Jah- zig. Schon 1817 wurde es als eigenständires gegründeten Vereins Deutscher Künstler ge Festveranstaltung aufgegeben, jedoch als in Berlin [GStA PK, I. HA Rep. 76 Ve, Sect. besondere Sitzung beibehalten, an der auch 4, Abtlg IV, Nr. 2, Bd. 1, p. 9–11] eine stark der verstorbenen Mitglieder gedacht wurde. gekürzte Fassung der im selben Jahr erschie- – Künstlerfeste: Die Künstlerfeste fanden jenenen revidierten Statuten des BKV dar, bis weils am 6. Januar, dem Fest der Heiligen Drei hin zu dem Umstand, dass man sich ebenfalls Könige, statt. Einladungen ergingen an Familienmitglieder und Freunde, an Mitglieder des mittwochs um 7 Uhr abends traf.) Königshauses und führende Ministerial- und Struktur und Organisation: Die Sitzun- Hofbeamte sowie an Musiker, Schauspieler gen fanden im Winter (September bis Mai) und Schriftsteller. Insbesondere die frühen mittwochs von 19 bis 20 Uhr im Englischen Feste waren opulent ausgestattet. Hier wurHaus statt. Ab 17 Uhr traf man sich zum un- den die weit gespannten Verbindungen der gezwungenen Gespräch, von 19 bis 20 Uhr Mitglieder und ihres Vorsitzenden Schadow folgte die eigentliche Sitzung, anschließend zu den führenden Persönlichkeiten des Berliwar die Möglichkeit zum Abendessen ge- ner Kulturlebens und darüber hinaus deutlich. geben. Die in den Sitzungen zu behandeln- Für die große Feier des Jahres 1816 steuerte den Themen wurden ab 1815 zum Jahresbe- Goethe auf Bitten des Bildhauers das Festgeginn bestimmt, um den Vortragenden Zeit dicht bei. Vor dem Festmahl kam eine Posse zur Vorbereitung zu geben. Jede Sitzung wur- zur Aufführung. Gemalte Transparente illus­ de protokolliert. Mitglieder, Ehrenmitglieder trierten so genannte Lebende Bilder. Gedich466

7.1  Berlinischer Künstler-Verein [BKV]

Abb. 92  Johann Gottfried Schadow, Entwurf für ein Vereins-Diplom (verschollen), Zeichnung 1817.

te und eigens geschaffene Festkompositionen, vorgetragen von Laien und Mitgliedern des Königlichen Schauspielhauses, musikalisch begleitet von Sängern der  Sing-Akademie zu Berlin, ließen dieses wie auch weitere Feste des Vereins zu viel beachteten Ereignissen der Berliner Gesellschaft werden. – Der Elan der ersten Jahre kam nach 1823 allmählich zum Erliegen. Die Feste fanden in einem einfacheren Rahmen statt, schließlich auch nicht mehr jährlich. Gelegentlich wurden Künstler- und Stiftungsfest miteinander verbunden. 1831 fiel das Fest wegen der herrschenden Choleraepidemie aus. 1833 fand ein größeres Fest zur Erinnerung an den im Jahr zuvor verstorbenen Johann Wolfgang von Goethe statt, der

dem Verein über dessen Vorsitzenden Schadow besonders verbunden war, auch wenn in künstlerischen Fragen zeitweilig ein gespanntes Verhältnis vorherrschte. Den Mittelpunkt der Festdarbietung bildete ein Katafalk, auf dem die antikisch gewandete Figur des verehrten Dichters ruhte. Man trug Texte aus seinen Werken vor, die durch gemalte Transparente illustriert wurden. 1839 beging der Verein sein 25-jähriges Jubiläum noch einmal in großem Rahmen (Schadow Kunstwerke/ Kunstansichten Bd. 1, S. 216–219). Das Festgedicht wurde unter dem Titel Tafel-Gesän-

ge zur fünfundzwanzigjährigen Stiftungsfeier des Berliner Künstler-Vereins, vom 18. Oktober 1839 veröffentlicht (Archiv der Akademie 467

7  Kunstausübende Vereine

der Künste Berlin, Sammlung Verein Berliner Künstler, Nr. 635). – Finanzierung: Die Gesetze von 1817 bestimmten einen Beitrag von einem Taler Courant im Quartal, die revidierten Statuten von 1843 zudem noch eine Aufnahmegebühr von einem Friedrichsd’or. Der Säckelmeister konnte zwei Silbergroschen Strafgeld von säumigen Mitgliedern erheben. – Armenkasse: 1822 wurde eine Armenkasse zur Unterstützung Not leidender Künstler eingerichtet, aus der auch Bestattungskosten beglichen werden konnten. Die Beiträge hierzu wurden laut Statut des Jahres 1843 vierteljährlich und auf freiwilliger Basis erhoben. Hilfsgesuche konnten beim ersten Vorsitzenden eingereicht werden, dem auch die Prüfung des Antrags oblag. Die Mehrheit der Mitglieder entschied danach über Bewilligung und Höhe des zu zahlenden Betrags. Schadow hat hierfür 1832 ein eindrückliches Blatt zum Spendenaufruf geschaffen (Kata- Abb. 93  Johann Gottfried Schadow, Der alte Malog, 1983, S. 182, Nr. 175). – Vereinsämter: ler, Zinkdruck 1832 (Blatt zu Gunsten der UnterDie Wahlen zum Vorstand fanden am ersten stützungskasse des Vereins) (© Kupferstichkabinett, Mittwoch im November, später im Dezem- Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 651-116). ber statt. Gewählt werden konnten die ordentlichen, nach den Statuten von 1843 dann auch die Ehrenmitglieder. Die Wiederwahl ßen zusammen (zwei Vorsteher, zwei Schreiber, war ohne Beschränkung möglich. Tatsäch- ein Säckelmeister): 1819: Schadow, Weitsch, lich zeigt der Vorstand eine große personel- Pascal, Justizrat Troschel, Bonte. – 1820 und le Kontinuität. Erster Vorsteher war von 1814 1821: Schadow, Weitsch, Pascal, Wittich und bis zu seinem Tod 1850 der Bildhauer Johann der Prediger der Petrikirche, Carl Helm. – 1822: Gottfried Schadow, der 1833 auf Lebenszeit Schadow, Weitsch, Troschel, Helm, Wittich. – gewählt wurde. Zweiter Vorsteher wurde 1823–1825: Schadow, Weitsch, Troschel, Pas1814 bis 1826 der Historien- und Bildnisma- cal, Wittich. – 1826: Schadow, Schumann, Pasler Friedrich Georg Weitsch. Die Position ei- cal, Troschel, Wittich. – 1827 und 1828: Schanes dritten Vorstehers ist erst in den Statuten dow, Hampe, Pascal, Troschel, Wittich. – 1829, 1843 festgeschrieben, wurde aber wohl nicht 1830: (bei Wiese 1914/1920 nicht erwähnt). besetzt. Louis Catel hatte seit 1814 bis zu sei- – 1831–1838: Schadow, Hampe, Seidel, Tronem frühen Tod 1819 die Position des ersten schel, Mauch. – 1839 und 1840: Schadow, BeSchreibers inne. Zum zweiten Schreiber wur- gas, Seidel, Troschel, Hesse. – 1841 und 1842: de 1814 der Zeichner und Kupferstecher Jo- Schadow, Begas, Kopisch, Seidel, Pascal, Heshann Joseph Freidhoff bestimmt, der bereits se. – 1843: Schadow, Stier, Seidel, Hesse, Tro1818 starb. Der Historien- und Genremaler schel. Ab 1844 führt zumeist Stier den Vorsitz. – Heinrich Anton Dähling übernahm 1814 die 1844: Schadow, Stier, Pascal, Lüderitz, Hesse. – Aufgabe des Säckelmeisters. – Der Vorstand: 1845: Schadow, Stier, Bartsch, Lüderitz, Hesse. Bis 1850 setzte sich der Vorstand folgenderma- – 1846 und 1849: Schadow, Stier, Lüttke, Tro468

7.1  Berlinischer Künstler-Verein [BKV]

schel, Maas. – Die Wahl 1850 wird auf Januar 1851 verschoben: Stier wird erster Vorsteher; Troschel, Vollgold und Maas leiten den Verein. Mitglieder: Im Unterschied zu den späteren Kunstvereinen war die Mitgliedschaft einem exklusiven Kreis anerkannter Berliner Künstler vorbehalten, weshalb nur wenige Kunstfreunde zum Beitritt aufgefordert wurden. Angehende Künstler konnten keine Mitgliedschaft erwerben, da „[j]eder dem die wirkliche Mitgliedschaft des Vereins zu Theil werden darf, […] den Zweck derselben auf irgend eine Art zu befördern im Stande seyn, mithin zu einer Art von Kunstthätigkeit […] qualificirt seyn“ musste (Gesetze, 1817, Abschnitt IV, § 1). „Es sind daher Kunstschüler von der Mitgliedschaft ausgeschlossen, und der Begriff Kunstmeister wird für diesen Verein dahin festgestellt, daß derselbe die Kunst als ein selbstständiges Gewerbe treibt, und wirkliche Kunstwerke eigener Erfindung gearbeitet hat“ (ebd., § 2). „Außer den Kunstmeistern können wirkliche Mitglieder werden, a) Dilettanten, d. h. die mit der Kunst kein Gewerbe treiben, und sich auch zum Kunstgewerbe nicht bilden, jedoch in der Kunst etwas zu leisten qualificirt sind.

b) Kunstfreunde, welche die Kunst gar nicht practisch üben, aber ihren Kunstgeschmack theoretisch gebildet haben, und auf diese Art durch Kunsttheorien, ästhetische Abhandlungen und Kunstkritiken, für den Verein arbeiten, und Gelegenheit zu Kunstdiscussionen geben können“ (ebd., § 3). Zwei Drittel der 32 Gründungmitglieder waren auch Mitglieder der Akademie der Künste, einige in lehrender und leitender Funktion. Die Mehrzahl hatte die Lebensmitte bereits überschritten. Diese stimmten in der zweiten Sitzung am 30.11.1814 der Aufnahme von weiteren sieben Künstlern und am 14.12.1814 von sechs neuen Mitgliedern zu. 1815 wurden nur sechs neue Vereinsmitglieder aufgenommen, 1816 zehn. In den weiteren Jahren bis zum Tod Schadows 1850 sollten nur 34 weitere hinzukommen, in einigen Jahren erfolgte überhaupt keine Neuaufnahme. Das Jahr 1829 bildete mit neun Neuaufnahmen, die Jahre 1833 mit 19, 1836 mit zehn und 1840 mit elf Ausnahmen, die zugleich deutlich machen, dass die Gründergeneration nun ausschied und jüngere Künstler und künstlerisch Interessierte nachrücken konnten.

Einzelmitglieder bis 1815 (alphabetisch) Name

Aufnahme/ Lebensdaten G= Gründungsmitglied/ Austritt

Beruf

Bardou, Emauel

22.11.1814/G

1744–1818

Bildhauer

Berger, Daniel

22.11.1814/G

1744–1824

Kupferstecher

Bollinger, Friedrich Wilhelm

22.11.1814/G

1777–1825

Kupferstecher

Buchhorn, Karl Ludwig Bernhard Christian

22.11.1814/G

1770–1847

Kupferstecher

Burnat, Peter Ludwig

22.11.1814/G

1762–1817

Dekorationsmaler

Bußler, Ernst Friedrich

22.11.1814/G

1773–1840

Maler/Geheimer Hofrat am Hofmarschallamt

Catel, Louis (Ludwig Friedrich)

22.11.1814/G

1776–1819 Architekt

Collmann, Johann Friedrich Wilhelm Ferdinand

22.11.1814/G

1763–1837

Maler

469

7  Kunstausübende Vereine

Name

Aufnahme/ Lebensdaten G= Gründungsmitglied/ Austritt

Beruf

Dähling, Heinrich Anton

22.11.1814/G/1831

1773–1850

Historienmaler

Eckert, Heinrich Gottlieb

22.11.1814/G

1751–1817

Kupferstecher/ÖkonomieInspektor der Akademie

Eging, ?

05.03.1815

?

Rentier

Frauenholz, Johann Friedrich

22.11.1814/G

1758–1822

Kunsthändler in Nürnberg, 1792 Gründer des dortigen Vereins für Künstler und Kunstfreunde

Frégevize, Fréderic

30.11.1814/1824

1770–1849

Porträt-/Landschaftsmaler

Freidhoff, Johann Joseph

22.11.1814/G

1768–1818

Kupferstecher

Gentz, Johann Friedrich

22.11.1814/G

1764–1832 General-Münzdirektor

Giese, Gottlieb Christian Johann

22.11.1814/G

1787–1838

Maler/Architekt

Gubitz, Friedrich Wilhelm

22.11.1814/G

1786–1870

Publizist/Holzschneider/ Zeichner

Hampe, Karl Friedrich

22.11.1814/G

1772–1848

Historienmaler

Helm, Carl

31.05.1815

1770–1841

Prediger an der Petrikirche

Herbig, Wilhelm

22.11.1814/G/1831

1787–1861

Historienmaler

Herdt, Friedrich Wilhelm

14.12.1814

1782–1842

Historien-/Bildnismaler

Heusinger, Johann

22.11.1814/G/1825

1769–1846

Miniaturmaler

Hummel, Johann Erdmann

30.11.1814

1769–1852

Maler

Jachtmann, Johann Ludwig

30.11.1814

1776–1842

Medailleur

Jury, Wilhelm

22.11.1814/G

1763–1829

Maler, Radierer, Kupferstecher

Kolbe, Carl Wilhelm d. J.

22.11.1814/G/1831

1781–1853

Historienmaler

Kretschmar, Johann Karl Heinrich

22.11.1814/G/1840

1769–1847

Historien-/Bildnismaler

Kuhbeil, Carl Ludwig

22.11.1814/G

1766–1823

Historienmaler

Mecheln, Christian v.

05.03.1815

1737–1817

Kunsthändler/Kupferstecher

Minter, Karl Friedrich

05.03.1815

1780–1847

Porträtist/Lithograph

Moser, J. C. F.

30.11.1814

?

Bauassessor

Müller, Ludwig Leopold

14.12.1814

1767–1839

Malerdilettant/Farbenhändler

Pascal, Jean Barthélemy

15.02.1815

1774–1853

Landschaftsmaler/Kunsthändler

Posch, Leonhard

14.12.1814

1750–1831

Medailleur

Raabe, Karl Joseph

05.04.1815/1825

1780–1849

Landschaftsmaler

Riese, Johann Carl Friedrich

14.12.1814

1759–1834

Modelliermeister der KPM

Salzwedel, ?

22.11.1814/G

?

nicht identifiziert

Schadow, Johann Gottlieb

22.11.1814/G

1764–1850

Bildhauer

470

7.1  Berlinischer Künstler-Verein [BKV]

Name

Aufnahme/ Lebensdaten G= Gründungsmitglied/ Austritt

Beruf

Schlätzer, Johann Gottlieb

22.11.1814/G

1771–1824

Baurat

Schmidt, Carl Ludwig

30.11.1814

?

Genremaler

Schumann, Carl Franz Jacob Heinrich

22.11.1814/G

1767–1827

Historienmaler

Seyffert, Heinrich Abel

22.11.1814/G

1768–1834

Miniaturmaler/Porträtist

Simony, Julius

22.11.1814/G

1785–1835

Bildhauer

Study, Heinrich

30.11.1814

gest. 1824

Intendanturrat

Stürmer, Johann Heinrich

30.11.1814/1844

1775–1857

Historien-/Landschaftsmaler

Taubert, Gustav Friedrich Amalius

22.11.1814/G

1755–1839 Vorsteher Figurenmalerei der KPM

Völcker, Gottfried Wilhelm

22.11.1814/G/1848

1755–1849

Blumenmaler/Direktor der KPM

Wachsmann, Anton

14.12.1814

um 1765– 1829

Zeichner/Kupferstecher

Weitsch, Friedrich Georg

22.11.1814/G

1758–1828

Porträt-/Historienmaler

Wichmann, Carl Friedrich

22.11.1814/G

1775–1836

Bildhauer

Wichmann, Ludwig Wilhelm

22.11.1814/G

1788–1859

Bildhauer

Mitglieder 1816–1850 (Auswahl) Name

Aufnahme/Austritt Lebensdaten

Beruf

Ahlborn, August Wilhelm Julius

06.12.1826

Beckmann, Carl Friedrich Ferdinand

30.10.1833/1843 1799–1859

1796–1857 Architekturmaler Landschaftsmaler

Begas, Carl Joseph

27.11.1833

Porträtist

Berger, Ferdinand

21.08.1816

gest. 1849

Kupferstecher

Blechen, Karl

06.12.1826

1798–1840

Landschaftsmaler

Bötticher, Karl Gottlieb Wilhelm

02.03.1836/1844 1806–1889 Architekt

1794–1854

Busse, Carl Ferdinand

18.03.1840

1802–1868 Architekt

Cantian, Gottlieb Christian

08.05.1822

1794–1866

Devaranne, Siméon Pierre

04.11.1829/1849 1789–1859

Elsholtz, Ludwig

30.11.1839

1805–1850

Schlachtenmaler

Fintelmann, Joachim Anton Ferdinand

21.09.1825

1774–1863

Hofgärtner

Gaertner, Johann Philipp Eduard

27.02.1828

1801–1877 Architekturmaler 1807–1875 Genremaler

Baurat Juwelier

Hosemann, Theodor

08.11.1837

Jügel, Friedrich

10.01.1821/1832 1772–1833

Kupferstecher

Kloeber, August v.

07.01.1829

Historienmaler

1793–1864

471

7  Kunstausübende Vereine

Name

Aufnahme/Austritt Lebensdaten

Loos, Gottfried Bernhard

06.03.1833

Beruf

1773–1843 General-Münzwardein

Lütke, Ludwig Eduard

09.12.1835

1801–1850

Landschaftsmaler

Mantel, Julius Wilhelm

25.03.1846

1820–1896

Modellmeister der KPM

Menzel, Adolph

19.12.1838

1815–1905

Historienmaler

Rösel, Johann Gottlob Samuel

05.12.1827

1768–1843

Landschaftsmaler

Schadow, Friedrich Gottlieb

13.12.1816

1761–1831

Hofbaurat

Schirmer, Johann Wilhelm

07.02.1827

1807–1863

Landschaftsmaler

Schoppe, Julius

31.07.1833

1795–1868

Bildnismaler

Steffeck, Carl

25.03.1846

1818–1890

Pferdemaler

Stier, Friedrich Ludwig Wilhelm

23.10.1833

1799–1856 Architekt 1800–1865 Architekt

Stüler, Friedrich August

11.03.1840

Ternite, Friedrich Wilhelm

03.12.1828/1849 1786–1871

Troschel, Ernst Leberecht

13.03.1816

1776– nach Justizrat/Zeichner 1850

Wittich, Ludwig Wilhelm

13.12.1816

1773–1832

Ehrenmitglieder: „Ehrenmitglieder können Gelehrte und Künstler anderer Fächer der Kunst, als welche Gegenstände des Vereins sind, oder Kunstsammler welche Kunstverkehr befördern, werden, wenn der Verein sie dazu für würdig erklärt“ (Gesetze, 1817, Abschnitt IV). Name

Aufnahme

Hofrat/Galerieinspektor

Kunstverleger

Es wurden nur wenige Ehrenmitglieder aufgenommen, in manchen Jahren erfolgte keine Neuaufnahme. Wie bei der Wahl der Vereinsmitglieder stand als Auswahlkriterium für die Aufnahme als Ehrenmitglied auch hier die Nähe zum Verein und dessen künstlerischen Zielen vor politischem Kalkül. Lebensdaten

Beruf

Spiker, Johann Heinrich Samuel

31.05.1815 1786–1858

Bibliothekar

Rungenhagen, Karl Friedrich

17.01.1816 1778–1851

Komponist, Direktor der SingAkademie zu Berlin

Zelter, Karl Friedrich

17.01.1816 1758–1832

Komponist, Direktor der SingAkademie zu Berlin

Levezow, Jakob Andreas Konrad

17.01.1816 1770–1835 Archäologe

Rühle v. Lilienstern, Johann Jakob Otto August

10.04.1816 1780–1847 Generalmajor und Chef des Generalstabs

Menu v. Minutoli, Johann Heinrich Carl

31.07.1816 1772–1846 Generalmajor, Prinzenerzieher, Ägyptologe

Bonte, Johann Friedrich

07.03.1821 1781–1832 Gutsbesitzer Neu Hardenberg, Seidenbandfabrikant, Malerdilettant

Kunicke (Kunike), Adolph Friedrich 03.07.1822 1777–1838

Seit 1817 als Lithograph in Wien tätig

Lundt (Lund), Johan Ludwig Gebhard

Maler in Kopenhagen, Prof. an der dortigen Akademie

472

25.01.1825 1777–1867

7.1  Berlinischer Künstler-Verein [BKV]

Name

Aufnahme

Reindel, Albert Christoph

25.01.1825 1784–1853

Lebensdaten

Haas, Wilhelm 06.09.1826 1766–1838 (oder dessen Sohn Georg Wilhelm) oder 1792–1853

Beruf

Kupferstecher, Leiter der Malerakademie in Nürnberg Buchhändler in Basel (eher Buchdrucker)

Harlem, August Otto Johann Georg v.

10.01.1827 1778–1857 Geheimer Oberregierungsrat im Preußischen Kultusministeriums

Fühsly, Dr., wohl Johann Heinrich Füßli

07.03.1827 1745–1832

schweiz. Historiker, Prof. für vaterländische Geschichte, Ratsmitglied, Schriftsteller und Compagnon der Buchhandlung Orell, Gessner, Füssli & Co. in Zürich

Stein zum Altenstein, Karl Sigmund Franz Frhr. vom

07.03.1827 1770–1840

Reformpolitiker, erster Kultusminister Preußens

Mendelssohn Bartholdy, Felix

16.04.1828 1809–1847

Komponist, General-Musikdirektor

Seidel, Carl

14.05.1828 1788–1844

Kunsthistoriker, Schriftsteller

Nagler, Carl Ferdinand Friedrich v. 10.12.1828 1770–1846 Generalpostmeister Gropius, Carl Wilhelm

23.10.1829 1793–1870

Höfel, Blasius

06.01.1830 1792–1863 Zeichenlehrer der Militärakademie in Wiener Neustadt, Erfinder neuer Holzschnittverfahren

Toelken, Ernst Heinrich

08.09.1830 1786–1869 Archäologe

Grell, Eduard

29.01.1834 1800–1886

Komponist, Organist, Direktor der Sing-Akademie zu Berlin

Lenné, Peter Joseph

29.01.1834 1789–1866

Direktor der Potsdamer Gärtnerlehranstalt, Königlicher Gartendirektor

Glatz, J? B?

23.10.1839 gest. 1848

Hofzimmermeister, Maschineninspektor der Königlichen Theater

Schneider, Louis (Ludwig Wilhelm)

04.10.1843 1805–1878

Hofschauspieler, Theaterschriftsteller

Korneck, Friedrich Rudolf Albert

08.01.1845 1813–1905

Porträtist und Historienmaler

Wiese, Max

04.03.1903 1846–1925

Bildhauer, Verfasser der Chronik des Berlinischen KünstlerVereins 1914/1920, seit 1920 Vereinsvorsitzender

Querverweise auf andere Vereine: Da nahezu das gesamte Vereinsarchiv am Ende des Zweiten Weltkriegs untergegangen ist, und Max Wiese in seiner 1914 verfassten Vereinsgeschichte seinen Fokus auf die Entwicklung

Bühnenbildner, Dioramenbesitzer

des Vereinslebens gerichtet hat, sind es vor allem die größeren Vereinsfeste, an denen die Verbundenheit mit anderen Berliner Einrichtungen deutlich wird. Es war wohl an erster Stelle die  Sing-Akademie zu Berlin, mit 473

7  Kunstausübende Vereine

der ganz offenkundig die engsten Kontak- lung: GHZ Künstler, Schadow Kassetten 1–8 te gepflegt wurden. Hier trug die langjähri- sowie GHZ Künstler, VBK Kassetten 24, 25, ge freundschaftliche Verbundenheit von Scha- 25a, 25b, 26–28. – Der archivalische Nachdow und Zelter musische Früchte. Ihre Leiter lass des Vereins Berliner Künstler, der die ArZelter, Rungenhagen und Grell sowie der ins- chivalien des BKV einschließt, befindet sich besondere Zelter nahe stehende Felix Men- im Archiv der Akademie der Künste Berdelssohn Bartholdy wurden Ehrenmitglieder lin. Das Findbuch zum Bestand Verein Berlides BKV, und die Mitwirkenden der Sing- ner Künstler verzeichnet unter „14.01. Älterer Akademie waren hoch geschätzte und unver- Berlinischer Künstlerverein“ 41 Archivalien. zichtbare Mitwirkende der jährlichen Ver- – Schadow, Johann Gottfried: Schreibkaleneinsfeste, denen sie musikalischen Glanz auf der, 1814–1850, Stiftung Preußischer Kulturhöchstem Niveau verliehen. besitz, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, Nr. NL Sw 19–73 (an den SitzungstaBibliographie: a) Quellen: Gesetze des Ber- gen meist stichwortartige Einträge zu den Verlinischen Künstlervereins, Berlin 1817, 2 Ex- einssitzungen). – Schadow, Johann Gottfried: emplare: 1. SBB PK, Sign. 1196; 2) Herzo- schriftlicher Nachlass „Künstlervereine“, Stifgin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Sign. tung Preußischer Kulturbesitz, Staatliche Mu16,6:83 [1]. – Statuten des im Jahre 1814 ge- seen zu Berlin, Zentralarchiv, Nr. NL Sw 237. stifteten Berlinischen Künstler-Vereins revidirt – Graphische Blätter: Anonym: Einladung und erneuert im Jahre 1843, 4 Exem­plare: 1. zum St. Lukas-Fest, Lithographie, um 1830, SBB PK, Nr. 1200 (nebst Verzeichniß der jet- Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Staatliche zigen Mitglieder des Künstler-Vereins); 2. Ar- Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Stellchiv der Akademie der Künste Berlin, Ar- Nr. 5000,28. – Kloebers, August v.: Einladung chiv der Preußischen Akademie der Küns- zur 25-jährigen Stiftungs-Feier des Berliner te Nr. PrAdK 1/367; 3. (nebst Verzeichniß Künstler Vereins, Radierung von Gustav Lüder jetzigen Mitglieder des Künstler-Vereins), deritz, 1839; Stiftung Preußischer Kulturbesitz GStA PK, I. HA Rep. 76 Ve, Sect. 4, Abtlg Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, KupferIV, Nr. 2, Bd. 1, p. 12–21; 4. Stiftung Stadt- stichkabinett, Nr. 359-103 und Stiftung Stadtmuseum Berlin, Graphische Sammlung, GHZ, museum Berlin, Graphische Sammlung, Nr. Künstler VBK, Kassette 24, Künstler A–L. – VII 80/2440 w. – Kopisch, August: KunstheDer bildkünstlerische Nachlass des BKV be- roen der Vorzeit, ein Geisterzug bei der 25. findet sich heute in der Graphische Sammlung Stiftungsfeier des Berliner Künstlervereins am der Stiftung Stadtmuseum Berlin, und besteht 18. October 1839, … scenisch vorgeführt von im Wesentlichen aus folgenden Konvoluten: August Kopisch und als Denkmal desselben Alben A–D, vier Alben mit ursprünglich 602 Festes auf Stein gezeichnet von August von Skizzen und Zeichnungen von 46 Vereinsmit- Kloeber (verlegt zur Erinnerung an das 25jähgliedern, angefertigt zwischen 1816 und 1834. rige Stiftungsfest des Berlinischen Künstlerver– Großes Buch oder Buch K, Großfolioband eins). Berlin 1840 (1. Bibliothek der UdK Bermit ursprünglich 54 Portraits von Vereinsmit- lin, Signatur: RK 1818; 2. SBB PK, Nr. Nv gliedern sowie 59 ausgearbeiteten Zeichnun- 5466. – Schadow, Johann Gottfried: Sechs Digen und wenigen graphischen Blättern, 1804– plome für den Berlinischen Künstler-Verein, 1839, heutige Zusammenstellung um 1850. Aquatintaradierungen, 1822 bzw. 1825 von F. – Aus den vier Alben sowie dem Großfolio- Jügel, geätzt von E. Eichens; Stiftung Preußiband ausgelöste und als Einzelblätter aufge- scher Kulturbesitz Berlin, Staatliche Museen legte Zeichnungen in Sammelkassetten, Stif- zu Berlin, Kupferstichkabinett, Nrn. 779-783tung Stadtmuseum Berlin, Graphische Samm- 95 und 360-95. Der verschollene Entwurf von 474

7.1  Berlinischer Künstler-Verein [BKV]

1817 und Schadows hierin enthaltene Erläu- ta v. [Bearb.]: Johann Gottfried Schadow. Die terungen zur Vereinsgründung, in: Katalog, Zeichnungen. 3 Bde., Berlin 2006. – Brom1983, Nr. 168, S. 173 und in: Sibylle Badstüb- menschenkel, Karin: Berliner Kunst- und ner-Gröger, Claudia Czok, Jutta von Simson: Künstlervereine des 19. Jahrhunderts bis zum Johann Gottfried Schadow, Die Zeichnungen, Weltkrieg. Diss. Masch., Berlin 1942. – KataBd. 2, Berlin 2006, Nr. 1114, S. 431 f. – Scha- log, 1983 = „… und abends in Verein“. Jodow, Johann Gottfried: Eine Reise-Beschrei- hann Gottfried Schadow und der Berlinische bung von Freiwilligen des Berliner Künstler- Künstler-Verein 1814–1840, hg. v. Rolf BoVereins, Doppelblatt mit Text und vier Litho- the. Katalog Berlin Museum, Berlin 1983. – graphien, 1825, Stiftung Stadtmuseum Berlin, Lacher, Reimar F.: Johann Gottfried Schadow, Graphische Sammlung, Künstler VBK, Kas- Der schriftliche Nachlaß, hg. v. Jörn Grabowsette 24, Künstler A–L (Folio). Das Manu- ski, Staat­liche Museen zu Berlin. Berlin 2006. skript hierzu im schriftlichen Nachlass Scha- – Lacher, Reimar F.: Künstler(auto)biographidows, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Staat- en. In: „Berliner Klassik. Eine Großstadtkulliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, tur um 1800/Online-Dokumente“, BBAW, Nr. NL Sw SZ, S. 190–197. – Schadow, Jo- 2005; URL: http://www.berliner-klassik.de/ hann Gottfried: Titelblatt für ein Sammel- publikationen/werkvertraege/lacher_autobioheft lithographischer Arbeiten, Zinkdruck grafien/lacher_biografien.pdf. – Matelows1828; Stiftung Preußischer Kulturbesitz Ber- ki, Anke: Berliner Künstlerleben, Fotografien lin, Staatliche Museen zu Berlin, Kupfer- und Dokumente des Vereins Berliner Künststichkabinett, Nr. 646-116. – Schadow, Jo- ler seit 1841. Akademie der Künste, Archivhann Gottfried: Titelblatt zu einem Sammel- Blätter 16. Berlin 2007, bes. S. 11–17. – Schaheft „Concors 1829 Berliner Zeichnungen dow, Kunstwerke/Kunstansichten = Schadow, mit der Künstler Namen“, Zinkdruck 1829; Johann Gottfried, Kunstwerke und KunstanStiftung Preußischer Kulturbesitz, Staatliche sichten, darin: Erläuterungen der Abbildungen Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Nr. von den Bildhauer-Arbeiten des Johann Gott646-115. – Schadow, Johann Gottfried: Der fried Schadow, seines Sohnes Ridolfo Schaalte Maler, Zinkdruck 1832 (Blatt zu Guns- dow und der Transparentgemälde des Profesten der Unterstützungskasse des Vereins), Stif- sors Kolbe, nach Gedichten des Johann Wolftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, Staatli- gang von Göthe – Ein Quellenwerk zur Berche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, liner Kunst- und Kulturgeschichte zwischen Nr. 651-116. – Schadow, Johann Gottfried: 1780 und 1845. Komm. Neuausg. der VeröfEine Reise-Beschreibung von Freiwilligen des fentlichung von 1849. Hg. v. Götz Eckardt, 3 Berliner Künstler-Vereins, Folioheft mit Text Bände. Berlin 1987. – Von Chodowiecki bis und vier Lithographien, 1825, Stiftung Preu- Liebermann, Katalog der Zeichnungen, Aquaßische Schlösser und Gärten Berlin-Branden- relle, Pastelle und Gouachen des 18. und 19. burg, Schloss Charlottenburg. – Taubert, Gus- Jahrhunderts. (Bestandskatalog Berlin Museum) tav: Sitzung des Berlinischen Künstler-Ver- bearb. v. Dominik Bartmann und Gert-Dieter eins im Englischen Haus, Feder- und Pinsel- Ulferts. Berlin 1990. – Wiese, Max: Geschichte zeichnung 1830, Stiftung Stadtmuseum Berlin, des Berlinischen-Künstler-Vereins 1814–1914 Graphische Sammlung, Nr. GHZ 95/60,80. nebst Mitglieder-Verzeichnis (Typoskript Ber– b) Forschungsliteratur: Badstübner-Grö- lin 1914/1920, Archiv der Akademie der Künsger, Sibylle / Czok, Claudia / Simson, Jut- te Berlin, Verein Berliner Künstler, Nr. 24).

Sybille Gramlich

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7  Kunstausübende Vereine

7.2 Musik- und Gesangsvereine Konzert der Musikliebhaber [KML] Name: Konzert der Musikliebhaber ; LiebhaberKonzert; auch: Bachmannsche Gesellschaft. Gründung: 1770. Auflösung: 1795. Sitz: Gasthaus Corsica hinter dem Zeughaus; spätestens ab 1793 Lingersches Haus. Programm: Statuten, Mitgliederverzeichnisse und andere Vereinsmaterialien liegen nicht vor; zuverlässige Aussagen zum Vereinscharakter des KML sind deshalb nicht möglich. Wenn es in der zeitgenössischen Literatur als „Gesellschaft“ (Reichardt), „Institut“ (Rellstab) und „Verein“ (Hartung/Klipfel) bezeichnet wird, so sagt dies über die Organisationsform nichts Konkretes aus. Vielmehr zielen die unterschiedlichen Begriffe auf den Zweck des Unternehmens: die gemeinschaftliche Kunstübung von professionellen Musikern und Dilettanten. Geschichte und Programmatik: Das gemeinsame Musizieren von professionellen und Laien-Musikern verbindet das von den Hofmusikern Ernst Benda und Carl Ludwig Bachmann gegründete KML mit den Musikgesellschaften der Vorkriegszeit, der  Musikübenden Gesellschaft, der Akademie, der Assemblee und dem Konzert, die ebenfalls sämtlich von Mitgliedern der Hofkapelle geleitet wurden. Allerdings verknüpften Benda und Bachmann damit kommerzielle Interessen. (Ob dies von Anfang an der Fall war, entzieht sich unserer Kenntnis.) Dies entsprach einem Trend im Berliner Musikleben seit dem Siebenjährigen Krieg. Die Einschränkung der Hofmusik infolge der Abwesenheit des Königs und seiner Brüder sowie der zeitweisen Evakuierung der Königinnen nach Magdeburg, nicht zuletzt auch die Einschränkungen bei den Gehaltszahlungen, hatten die Hofmusiker veranlasst, alternative Tä476

tigkeits- und Erwerbsmöglichkeiten im öffentlichen Musikleben der Stadt zu suchen. Kaum zufällig wurden bald nach Kriegsausbruch groß besetzte Gottesdienstmusiken in einigen Kirchen veranstaltet, insbesondere in St. Petri. Ab 1762 gab es in diversen Gasthäusern (Sandkrug am Schönhausenschen Graben, Donner am Zeughaus, Justinischer Garten in der Scheunengasse, Justinischer Saal in der Neuen Kommandantenstraße usw.), aber auch in Privatwohnungen (z. B. Dorlet bei der Jungfernbrücke) Konzerte, zu denen man für Geld (acht, zwölf oder 16 Groschen, später auch ein Taler) Zutritt hatte. Teils bestritten durchreisende Virtuosen das Programm, teils handelte es sich um Darbietungen ortsansässiger Veranstalter. Zielten die Konzerte auf die ökonomisch gut gestellte bürgerliche Oberschicht, gab es bald auch preiswertere Angebote, so z. B. ab 1774 beim „Koffetier“ Koch (nahe der Gertraudenbrücke) jeden Freitag für vier Groschen. Träger dieser Veranstaltungen waren vor allem freiberuflich tätige Musiker und Musikliebhaber, aber auch Mitglieder der Hofkapelle. Eine quasi nebenberufliche Betätigung im städtischen Musikleben nach der Wiederherstellung der regulären Hofmusik nach Kriegsende war für sie (wie schon vor dem Krieg) problemlos möglich. Da Benda und Bachmann als nachgeordneter Geiger bzw. als Bratschist zu den gering Verdienenden in der Kapelle gehörten – ihr Jahresverdienst betrug 300 Taler (Benda) bzw. 140 Taler (Bachmann) –, war ihre Suche nach Nebeneinkünften verständlich. Bachmann etwa betätigte sich nebenbei auch als Geigenbauer sowie als Konzertveranstalter (z. B. 1775 für George Noëlli, den berühmten Pantaleonspieler; 1793 für den Harfenisten Niemezeck; zusammen mit Ernst Benda mehrfach auch im Zeitraum von 1781 bis 1784). Einkünfte aus einer Musikgesellschaft zu gewin-

7.2  Konzert der Musikliebhaber [KML]

nen, war eine naheliegende Idee. In erster Li- auf hören, welche diesem vor­treflichen Instinie kamen dafür die Beiträge in Frage, die tut durch Ihren edlen und öfter Beytritt keivon den Abonnenten erhoben wurden, also ne geringe Aufmunterung und Würde geben.“ denjenigen Mitgliedern, die ausschließlich als Im Rückblick blieb die Erinnerung konserZuhörer in Erscheinung traten. Den jährli- viert, dass das KML „den Geschmack veredelchen Reingewinn schätzte Rellstab 1789 auf te, die Kunst beförderte, den reinsten Genuß maximal 200 Taler. Das System der Abonne- steigerte, und das Leben verschönte“ (Harments trug dem Bedarf an Konzertveranstal- tung/Klipfel, S. 8). tungen beim musikinteressierten, selbst nicht musikalisch aktiven Publikum Rechnung und Hartung/Klipfel datieren die Entstehung des sorgte gleichzeitig für eine gewisse Exklusivi- KML auf die Mitte der 1760er Jahre („bald tät. Zum einen betrug der monatliche Mit- nach dem ersehnten Hubertusburger Friegliedsbeitrag einen Taler bzw. zwei Taler „für den“ bzw. „nach dem blutigen, siebenjähridie Entrée mit einer oder auch zwei Damen“ gen Kriege, ungefähr 1765 oder 66“, S. 8 bzw. (Berlinische Musikalische Zeitung, 1793, S. 17) S. 17). Tatsächlich aber erfolgte die Gründung und zum andern war der sporadische Zutritt erst im Frühjahr 1770, denn am 13. April von Fremden zu den Konzerten reglementiert. 1776 berichteten die Berlinischen Nachrichten Ein ähnliches Konzept verfolgten den Anga- von einem Konzert vom Vortag, bei dem das ben in der Presse zufolge das 1776 gegründe- KML „wegen der bereits sechsjährigen Daute Übungskonzert bzw. (ab 1779) Konzert der er dieses ruhmwürdigen musicalischen InstiMusiker Müller und Leuschke, das von dem tuts“ Carl Heinrich Grauns Te Deum zur AufMusikus Baumann geleitete Concert von ver- führung gebracht hatte. Und am 1. Mai 1778 schiedenen Liebhabern und Musikern (Berlini- beging es einem Bericht vom 7. Mai zufolge sche Nachrichten v. 2. September 1788) so- mit einem Konzert sein 9. Stiftungsfest. Die wie das 1787/88 bestehende Konzert für Ken- Entwicklung des KML wurde durch zwei ner und Liebhaber von Johann Carl Friedrich Wechsel im Direktorat geprägt. Zunächst Rellstab. gab es eine Doppeldirektion: Rellstab zufolIn der öffentlichen Wahrnehmung spielten ge war Ernst Benda für die künstlerische Leinur die ästhetischen und sozialen Aspekte tung und Carl Ludwig Bachmann für die order Tätigkeit des KML eine Rolle. So wur- ganisatorischen und finanziellen Angelegenden etwa in einer Konzertbesprechung in den heiten, d. h. die Saalmiete, Abonnements und Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehr- Pressemitteilungen zuständig. Nach dem Tod ten Sachen vom 17. Januar 1777 die Qualität Bendas am 24. Februar 1785 übernahm Bachder Darbietung und die Zusammenarbeit mit mann zusätzlich die Aufgaben des VerstorbeMusikern aus den Kapellen des Königs, seiner nen. Vom Herbst 1792 an teilte er sich die Brüder und des Kronprinzen hervorgehoben: Leitung des KML mit Joseph Simon Hänze „Unser hiesiges Concert der Musikliebhaber (Heinze), dem Konzertmeister der 1789 aufbehauptet seine Würde, und den Beyfall, wo- gelösten Hofkapelle des Markgrafen Heinrich mit es ein respectives Publicum und die Ken- in Schwedt. Wahrscheinlich konzentrierte ner schon viele Jahre beehrt haben [sic], tag- er sich nun wieder auf die organisatorischen täglich mehr. Es werden nicht nur von Zeit Belange. Rellstab deutet an, dass die Veränzu Zeit die größten Meisterstücke der Ton- derung in der Leitung 1785 ungünstige Folkunst in jeder Art vom Concert angekauft gen für die Qualität der Aufführungen hatte. und auf das vollkommenste executirt, sondern Er bestätigt indirekt das vernichtende Urteil es lassen sich auch sehr oft Virtuosen der Kö- des anonymen Reisenden aus Halle von 1788. niglichen und der Prinzlichen Kapellen dar- Die unpraktische Aufstellung des Orchesters, 477

7  Kunstausübende Vereine

die unproportionierte Besetzung der Strei- Oktober bis Mai wöchentlich, in den Somcher, die Inkompetenz des Direktors, das un- mermonaten Juni bis September aber nur einheitliche Zusammenspiel sowie die man- einmal im Monat zum Musizieren zusamgelnde Disziplin der Musiker, aber auch des mentrat, scheint von Anfang an Geltung gePublikums waren dessen Hauptkritikpunkte. habt zu haben. Darauf weisen indirekt einige Welche Auswirkungen die Beteiligung Hän- Nachrichten in den Berliner Tageszeitungen zes an der Direktion hatte, ist unbekannt. Auf hin. So wurde in den Berlinischen Nachrichten jeden Fall hat sie die Krise, in die die Gesell- vom 1. August 1776 die Verschiebung des schaft geriet, wohl letztlich nicht behoben. „monatlichen“ Sommerkonzerts bekannt geNach Hartung/Klipfel war sie eine Folge des geben. Allerdings hatte die Sommerperiode Geschmackswandels, der zum einen zur all- offensichtlich eine unterschiedliche Ausdehmählichen Abkehr von den Klassikern der fri- nung, denn am 1. September 1785 erschien derizianischen Epoche im Repertoire, zum dort die Nachricht, dass am kommenden Tag anderen auch zu gesteigerter Professionalisie- das erste der wöchentlichen Konzerte stattrung und nicht zuletzt zur Monumentalisie- finde. Denselben Inhalt hatte die am 2. Seprung der Aufführungen führte. Sie sprechen tember 1790 erschienene Anzeige. 1792 davon der „Auflösung des Liebhaber-Concerts gegen begannen die Winterkonzerte einer nach und nach“ (S. 17) und seinem Ende im Annonce in der Vossischen Zeitung vom 2. Jahr 1797. Tatsächlich ruhten bereits im Win- Oktober zufolge quasi pünktlich drei Tage ter 1794/95 die Aktivitäten. Am 19. Febru- später. – Der favorisierte Konzerttag war der ar 1795 kündigten die Direktoren in den Ber- Freitag. Ab 1789 wurde er in der Karnevalslinischen Nachrichten ein Benefizkonzert von saison auf den Donnerstag verlegt, wahrCharlotte Wilhelmine Caroline Bachmann an scheinlich weil die Abonnenten und /oder und verwiesen darauf, dass das KML „nicht die mitwirkenden Hofmusiker wegen der für immer aufgehört hat, wenn es gleich die- Opernaufführungen an diesem Wochentag sen Winter hat unterbrochen werden müs- verhindert waren. Dem Zeugnis eines Reisen“. Ob die Musiker des KML an dieser Ver- senden zufolge begannen die Konzerte um 17 anstaltung beteiligt waren, geht aus der An- Uhr (vgl. Schwarz 1977). Die schon bei der nonce nicht hervor. Das letzte nachweisbare Musikübenden Gesellschaft übliche VerbinKonzert unter der Leitung der beiden Direk- dung von Musizierübung und Darbietung toren fand am Karfreitag des Jahres 1795 statt: (vor einem Publikum) wirft die Frage auf, ob Das Stiftungsfest wurde hier letztmalig mit es möglicherweise einen Unterschied zwider Aufführung von Grauns Der Tod Jesu be- schen Zusammenkünften, die man eher als gangen. Danach sind in den Zeitungen keine Proben bezeichnen kann, und regelrechten Nachrichten mehr überliefert. Die Annon- Aufführungen vor den Abonnenten gegeben cen für die Passionskonzerte der Jahre 1796 hat. Vielleicht ging der Aufführung auch stets und 1797 unter der organisatorischen Leitung eine Probierphase voraus. Es ist nämlich von Charlotte Wilhelmine Caroline Bach- schwer vorstellbar, dass ein von Woche zu mann erwähnen das KML nicht mehr. Inso- Woche wechselndes Repertoire, dessen fern ist die Information Ledeburs, dass Fried- Schwierigkeitsgrad im Laufe der Zeit stieg, rich Wilhelm Bachmann von seinem Bruder von einem Ensemble aus 25 bis 30 Ins­ Carl Wilhelm Ludwig 1797 noch für kurze trumentalisten, teilweise mit Vokalsolisten Zeit die Direktion des Konzerts übernommen und einem Chor, prima vista mit befriedihabe, mit Skepsis aufzunehmen. gendem Resultat gespielt werden konnte, zuAktivitäten: Die von Friedrich Nicolai 1793 mal ein Teil der Musiker Dilettanten waren. mitgeteilte Regel, dass die Gesellschaft von Die Frage muss offenbleiben. Die Aktivitäten 478

7.2  Konzert der Musikliebhaber [KML]

des KML erschöpften sich nicht in den regel- fuhr das KML in den Jahren 1775 bis 1781; in mäßigen Zusammenkünften. So wirkte es dieser Zeit gingen die Zeitungen jährlich auf mindestens zwischen 1782 und 1787 bei (al- fünf (1775, 1781) bis elf seiner Veranstaltunlen?) Konzerten des Musikdirektors Johann gen (1777) ein. Ob das abflauende Interesse Georg Lehmann in St. Nicolai mit, 1783 in den Redaktionen etwas mit der nachlasauch bei der Uraufführung von Johann senden Aufführungsqualität zu tun hatte, lässt Christoph Kühnaus Oratorium Das Weltge- sich nicht mit Bestimmtheit sagen. – Geht richt in der Dreifaltigkeitskirche (siehe die Ta- man von mindestens 40 Konzerten pro Jahr aus, belle der Konzerte). Vorangegangen waren kann man mit ca. 1000 Veranstaltungen in den 1774 Aufführungen einer Passions- und einer 25 Jahren des Bestehens des KML insgesamt Ostermusik in St. Petri unter der Leitung des rechnen. Weniger als 15 Prozent der KonzertKantors Rudolph Dietrich Buchholtz; sie termine und knapp 12 Prozent der Programme fanden wahrscheinlich im Gottesdienst statt. sind mehr oder (eher) weniger vollständig Im selben Jahr stand das KML dem Kantor Ja- überliefert. (Indirekte Hinweise in Annoncen cob Ditmar zur Gestaltung eines Konzerts in anderer Veranstalter, die damit werben, dass ein der Klosterkirche anlässlich des 200. Grün- Künstler bereits im KML aufgetreten sei, bleidungsjubiläums des Berlinischen Gymnasi- ben hier unberücksichtigt, ebenso pauschale ums zum Grauen Kloster zur Verfügung. Ei- Hinweise wie etwa Johann Friedrich Reichgene Kirchenkonzerte veranstaltete das KML ardts Bemerkung, dass ihm im Winter 1773/74 1776 und 1780, wobei ersteres ein Wohltätig- „den größten Gewinn und höchsten Genuß keitskonzert war. – Als Informationsquellen […] die Aufführungen Händel’scher Oratorien über die aufgeführten Werke dienen ganz in dem Liebhaberconcert“ (Schletterer 1865, überwiegend die Tageszeitungen. Ergänzend S. 139) gewährt hätten). An den Programmen können einige überlieferte Libretti (siehe Bi- kann man zwei Konzerttypen ablesen: das bliographie) sowie der Reisebericht eines große Vokalkonzert und das gemischte KonBremer Kaufmanns von 1777 (vgl. Schwarz zert. Während das gemischte Konzert, wel1977) herangezogen werden. In den Zeitun- ches in bunter Folge Arien, Ensembles, Kongen findet man einerseits (nachträgliche) Be- zerte, Sinfonien und solistische Werke bzw. richte über Konzerte und anderseits Konzert­ einzelne Sätze daraus brachte, quasi den Allankündigungen bzw. Informationen zu Ver- tag bestimmt haben dürfte, bestanden die Voanstaltungen, die sich offensichtlich an die kalkonzerte in der Regel aus einem großen Mitglieder bzw. Abonnenten richteten. Al- Werk. Vor allem geistliche Dramen und Oralerdings nutzte die Direktion die Zeitungen torien wurden hier gegeben, vereinzelt auch dafür mit wechselnder Intensität (siehe Opern wie z. B. Johann Adolf Hasses Piramo Tab. 1): Nachdem sie 1776 damit begonnen e Thisbe, Gottfried Schwanbergers Romeo e hatte, erschienen mehr als drei Mitteilungen Giulia, Friedrich Bendas Orpheus, Johann oder Annoncen zunächst nur 1778 und dann Friedrich Reichardts Erwin und Elmire sowie in höherer Anzahl erst wieder am Anfang der Auszüge aus Christoph Willibald Glucks 1790er Jahre. Möglicherweise hatte damals Iphigènie en Tauride. Es handelte sich stets um die Zahl der Abonnenten nachgelassen und konzertante Aufführungen überwiegend in man zielte nun auf Durchreisende, die nach deutscher Sprache. Berücksichtigt man zueiner Abendunterhaltung Ausschau hielten sätzlich die überlieferten Textdrucke des und über die Direktoren Zugang zu den Ver- KML, die Belege für die Aufführung von anstaltungen finden konnten (siehe unten). Opernszenen Giovanni Paisiellos und AntoUmgekehrt erschien der letzte Konzertbe- nio Sacchinis enthalten, dann kamen über die richt 1790. Besondere Aufmerksamkeit er- genannten Komponisten auch moderne 479

7  Kunstausübende Vereine

Italiener zum Zuge. Bei den geistlichen Dramen und oratorischen Kompositionen dominierten freilich ältere oder zeitgenössische nord- und mitteldeutsche Komponisten: Carl Ditters v. Dittersdorf, Carl Heinrich Graun, Johann Adolf Hasse und Johann Heinrich Rolle (siehe Tab. 2). Mehr als einmal standen auf dem Programm: Dittersdorfs Hiob (4 x) und Esther (3 x), Georg Friedrich Händels Alexanderfest und Judas Maccabäus (je 2 x), Hasses La caduta di Gerico (4 x) und I pellegrini al sepolcro (2 x), Joseph Haydns Il ritorno di Tobia (2 x), Rolles Abraham auf Moria (4 x), Der Tod Abels (3 x), Idamant oder das Gelübde, Davids Sieg im Eichthale, Saul oder die Gewalt der Musik, Lazarus und die Feier der Auferstehung sowie Thirza und ihre Söhne (je 2 x), schließlich Les Chœurs d’Athalie von Johann Abraham Peter Schulz (ebenfalls 3 x). Mit Abstand am häufigsten erklangen jedoch zwei Werke von Graun: Der Tod Jesu (14 x) und das Te Deum (13  x). Bei der Passionskantate machte das KML die alljährliche Aufführung zur festen Einrichtung. (Der erste Nachweis stammt aus dem Jahr 1775.) Allerdings fand sie keineswegs – was Johann Georg Lehmann in einer Annonce in der Königlich privilegier-

ten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen vom 26. März 1793 behauptete und später von Hartung/Klipfel überliefert wurde – immer am Karfreitag statt: 1776 und 1777 lagen die Termine vor dem Osterfest, 1779 fand die Aufführung sogar danach statt! Somit wurde die Tradition wohl erst im darauffolgenden Jahr begründet. Die Aufführungen waren außerordentlich beliebt, was man wiederholt an Zusätzen zu den Annoncen in der Art der nachstehend zitierten ablesen kann: „Wegen des außerordentlichen Zudrängens zum Charfreytagsconcert der Musikliebhaber, sieht sich die Direction desselben genöthigt, zu bitten: daß sich niemand in den unangenehmen Fall, abgewiesen zu werden, setzen möge, weil dieses schlechterdings bey jedem geschehen wird, welcher nicht das 480

Abonnementsbillet beym Eingang vorzeigen kann“ (Berlinische Nachrichten v. 8. April 1784). Grauns Te Deum wiederum, eine von der Prinzessin Anna Amalia nach dem Beginn des Siebenjährigen Krieges in Auftrag gegebene Festmusik, entwickelte sich zu einer Art preußischer Staatskomposition, die ab 1757 vorzugsweise bei militärisch-politischen und dynastischen Feierlichkeiten eingesetzt wurde. Sie erklang in Berlin aber auch bei Jubiläen von Schulen und Musikgesellschaften. Das KML trug diese Entwicklung und damit auch die Kanonisierung Grauns zum Klassiker wesentlich mit. Das Te Deum wurde vornehmlich anlässlich des regelmäßig gefeierten Geburtstags des Königs (24. Januar) auf das Programm gesetzt. Vorher erklang eine extra gedichtete und komponierte Festkantate. Auch sonst ist die preußisch-patriotische Gesinnung der Direktoren und Mitglieder nicht zu übersehen: Der Friedensschluss von Teschen 1779 und die Rückeroberung der von den französischen Revolutionstruppen besetzten Stadt Mainz im Juli 1793 wurden bejubelt und der Tod der Prinzessin Luisa Amalia, der Witwe des Prinzen August Wilhelm, 1780 betrauert. Konzertaufführungen: Im Folgenden sind sämtliche nachweisbaren Darbietungen des KML aufgeführt. Mit * markiert sind die Konzerte, bei denen das KML mitgewirkt hat, aber nicht selber der Veranstalter war. BN = Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude- und Spenersche Zeitung), BPZ = Berlinische privilegierte Zeitung (Vossische Zeitung, bis 1778), KBPZ =

Königlich-berlinische privilegirte Staats- und gelehrte Zeitung (Vossische Zeitung, 1779– 1784), KPZ = Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung, ab 1785), Studien = Studien für Tonkünstler und Musikfreunde, 2 Bde., Berlin 1793. Reprint Hildesheim/New York 1992.

7.2  Konzert der Musikliebhaber [KML]

Nr. Datum 1 11.09.1772

Komposition(en) / Anlass / evtl. Ort Ode, C. H. Graun: Te Deum Geburt der Prinzessin Friederike Christine 2 06.08.1773 [C. H. Graun]: Kantate Andenken an Johann Joachim Quantz 3 30.03.1774* [C. Ph. E.] Bach: Passions-Kantate St. Petri (R. D. Buchholtz) 4 03.04.1774* [C. Ph. E.] Bach: Auferstehungsmusik St. Petri (R. D. Buchholtz) 5 23.11.1774* C. H. Graun: Te Deum 200. Gründungsjubiläum des Gymnasiums Klosterkirche (J. Ditmar) 6 14.04.1775 C. H. Graun: Der Tod Jesu 7 01.09.1775 J. H. Rolle: Der Tod Abels 8 20.10.1775 C. Ditters v. Dittersdorf: Esther 9 08.12.1775 C. Ph. E. Bach: Die Israeliten in der Wüste 10 28.12.1775 E. W. Wolf: Polyxena 11 16.02.1776 J. A. Hasse: La caduto di Gerico 12 15.03.1776 G. A. Homilius: Passionsoratorium 13 29.03.1776 C. H. Graun: Der Tod Jesu 14 12.04.1776 C. H. Graun: Te Deum 6. Stiftungsfest 15 07.06.1776 J. A. Hasse: Piramo e Tisbe 16 09.08.1776 monatliches Konzert 17 06.09.1776 J. A. Hasse: Il Cantico de tre fanciulli 18 30.10.1776 C. Ph. E. Bach: Die Israeliten in der Wüste, C. H. Graun: Te Deum St. Marien, „zum besten der Armen aller Religionen“ 19 22.11.1776 G. F. Händel: Alexanderfest 20 19.12.1776 J. H. Rolle: Der Tod Abels 21 17.01.1777 S. D. Grosse: Violinkonzert, A. Lolli: Violinsonate Solist: S. D. Grosse aus der Kapelle des Kronprinzen 22 24.01.1777 ital. Kantate, J. H. Rolle: Idamant oder Das Gelübde 23 14.02.1777 J. G. Schwanberger: Romeo und Julie 24 21.02.1777 Solisten: Oboist Matthes jun. u. Flötist Prinz aus der Kapelle des Markgrafen von Schwedt 25 14.03.1777 u. a. H. Raab: Violinkonzert, Solist: H. Raab aus der Kapelle des Prinzen Ferdinand 26 23.03.1777 C. H. Graun: Der Tod Jesu Corsica, „öffentliches Konzert“ 27 28.03.1777 C. H. Graun: Der Tod Jesu Corsica, exklusiv für Mitglieder 28 11.04.1777 C. Ditters v. Dittersdorf: Esther 7. Stiftungsfest 29 02.05.1777 J. H. Rolle: Davids Sieg im Eichthale 30 06.06.1777 G. F. Händel: Judas Makkabäus 31 06.09.1777 J. H. Rolle: Idamant oder das Gelübde, C. H. Graun: Te Deum

Nachweis BN 12.9.1772 BN 7.8.1773 BN 26.3.1774 BN 26.3.1774 BN 17.11.1774

BN 15.4.1775 BN 5.9.1775 BN 24.10.1775 BN 9.12.1775 BN 4.1.1776 BN 17.2.1776 BN 19.3.1776 BN 30.3.1776 BN 13.4.1776 BN 8.6.1776 BN 1.8.1776 BN 10.9.1776 BN 29.10. u. 2.11.1776 BN 26.11.1776 BN 19. u. 21.12.1776 BN 21.1.1777 BN 25.1.1777 BN 15.2.1777 BN 25.2.1777 BN 18.3.1777 BN 20. u. 29.3.1777 BN 20.3.1777 BN 12.4.1777 BN 6.5.1777 BN 3., 5. u. 7.6.1777 BN 4.9.1777 481

7  Kunstausübende Vereine

Nr. 32 33 34 35

Datum 14.11.1777 17.10.1777 05.12.1777 14.12.1777

36 01.01.1778 37 30.01.1778 38

06.03.1778

39 17.04.1778 40 01.05.1778 41 05.06.1778 42 25.06.1778 43 44 45 46 47 48 49 50 51

03.07.1778 07.08.1778 04.09.1778 11.09.1778 30.10.1778 13.11.1778 27.11.1778 11.12.1778 31.01.1779

52 05.03.1779 53 13.04.1779 54 07.05.1779 55 04.06.1779

56 03.09.1779 57 17.09.1779 58 01.12.1779 59 04.02.1780

60 24.03.1780 61 01.09.1780 62 10.10.1780 63 26.01.1781

482

Komposition(en) / Anlass / evtl. Ort G. F. Händel: Judas Maccabäus J. Haydn: Il ritorno di Tobia J. H. Rolle: Abraham auf Moria J. H. Rolle: Abraham auf Moria öffentliches Konzert J. H. Rolle: Abraham auf Moria J. F. Reichardt: „ganz neue Musik“ Geburtstag Friedrichs II. u. a. H. Raab: Violinkonzert, Solisten: H. Raab, J. B. Mara, E. Schmehling C. H. Graun: Der Tod Jesu O. C. E. von Kospoth: Die Macht der Harmonie (Kantate) 9. Stiftungsfest J. H. Rolle: Abraham auf Moria Solist: Mandolinspieler Zaneboni Corsica J. H. Rolle: Saul oder die Gewalt der Musik J. H. Rolle: Davids Sieg im Eichthale große Vokal- u. Instrumentalmusik J. A. Hasse: La caduta di Gerico u. a. C. Benda: Violinkonzert u. a. C. Benda: Violinkonzert J. G. Schwanberger: Romeo e Giulia C. Ditters v. Dittersdorf: Esther Kantate auf den Geburtstag Friedrichs II., C. H. Graun: Te Deum J. A. Hasse: I pellegrini al sepolcro C. H. Graun: Der Tod Jesu (zweimal hintereinander) Corsica J. H. Rolle: Saul oder die Gewalt der Musik J. F. Reichardt: Die Wiederkehr des Friedens, C. H. Graun: Te Deum Feier des Friedens von Teschen u. a. C. Ph. E. Bach: Klavierkonzert, Solistin: Frl. von Schmalensee J. H. Rolle: Lazarus oder die Feier der Auferstehung Konzert zur 10. Stiftungsfeier [G. F. Händel:] In lactu Zion est, et plena planctorum (= The Ways of Zion do mourn HWV 264), Trauermusik für Prinzessin Luisa Amalia C. H. Graun: Der Tod Jesu J. A. Hasse: La caduta di Gerico J. H. Rolle: Die Befreiung Israels St. Nicolai Musik zum Geburtstag Friedrichs II., C. H. Graun: Te Deum

Nachweis vgl. Schwarz 1977 BN 21.10.1777 BN 9.12.1777 BN 11. u. 13.12.1777 BN 1.1.1778 BN 2.2.1778 BN 10.3.1778 BN 16.4.1778 BN 7.5.1778 BN 4.6.1778 BPZ 23. u. 25.6.1778 BN 2.7.1778 BN 6.8.1778 BN 8.9.1778 BPZ 15.9.1778 BN 28.11.1778 BN 28.11.1778 BN 26.11.1778 BPZ 10.12.1778 BN 2.2.1779 BN 9.3.1779 BN 13.4.1779 BN 11.5.1779 BN 8.6.1779

BN 7.9.1779 BN 21.9.1779 BN 30.11.1779 BN 5.2.1780

BN 25.3.1780 BN 1.9.1780 BN 5., 7. u. 10.10.1780 BN 1.2.1781

7.2  Konzert der Musikliebhaber [KML]

Nr. 64 65 66 67 68 69

Datum 01.03.1781 13.04.1781 04.05.1781 12.10.1781 07.12.1781 11.12.1781

70 20.12.1781 71 03.05.1782 72 12.09.1782 73 24.10.1782*

74 24.11.1782 75 23.01.1783 76 10.04.1783* 77 06.05.1783* 78 24.07.1783 79 30.01.1784

80 09.04.1784 81 01.10.1784 82 83 84 85

06.01.1785 01.07.1785 02.09.1785 12.10.1785

86 87 88 89

02.12.1785 14.04.1786 16.03.1787 21.03.1787*

90

07.09.1787

91 15.02.1788 92 21.03.1788 93 01.01.1789

Komposition(en) / Anlass / evtl. Ort J. Haydn: Il ritorno di Tobia C. H. Graun: Der Tod Jesu J. A. Hasse: Piramo e Tisbe J. H. Rolle: Thirza und ihre Söhne G. F. Händel: Der Messias J. H. Rolle: Thirza und ihre Söhne Corsica J. A. Hasse: La caduta di Gerico Corsica J. H. Rolle: Lazarus oder die Feier der Auferstehung Solisten: E. Schick u. J. B. Triclair Corsica F. Bertoni: Kantate, C. F. Ch. Fasch: Erntefestkantate, J. A. Hasse: Te Deum St. Nicolai (J. G. Lehmann) [J. F. Klöffler:] zweichörige Bataille Corsica J. F. Reichardt: Kantate zum Geburtstag Friedrichs II., C. H. Graun: Te Deum G. A. Homilius: Passionsmusik St. Nicolai (J. G. Lehmann) J. Ch. Kühnau: Das Weltgericht Dreifaltigkeitskirche (J. Ch. Kühnau) Solistin: Mad. Syrmen Corsica Kantate auf den Geburtstag Friedrichs II., C. H. Graun: Te Deum Corsica C. H. Graun: Der Tod Jesu C. Ph. E. Bach: Klopstocks Morgengesang am Schöpfungsfeste Konzert Solist: J. L. Dussek erstes der wöchentlichen Konzerte J. G. Haumann: Kyrie u. Gloria, J. A. Hasse: Te Deum St. Nicolai (J. G. Lehmann) Solisten: Gebrüder Beck C. H. Graun: Der Tod Jesu Giuseppe Sarti: Miserere C. H. Graun: Der Tod Jesu St. Nicolai (J. G. Lehmann) J. Haydn: Die sieben letzten Worte Stadt Paris F. Benda: Orpheus Konzert J. A. P. Schulz: Les Chœurs d’Athalie

Nachweis BN 5.3.1781 BN 14.4.1781 BN 8.5.1781 BN 16.10.1781 BN 6.12.1781 BN 8. u. 11.12.1781 KBPZ 6., 18. u. 20.12.1781 BN 7.5.1782 BN 10. u. 12.9.1782 BN 19., 22. u. 24.10.1782 KBPZ 21. u. 23.11.1782 BN 25.1.1783 BN 5., 8. u. 10.4.1783 BN 1., 3. u. 6.5.1783 KBPZ 22. u. 24.7.1783 KBPZ 3.2.1784

BN 8.4.1784 BN 5.10.1784 KBPZ 18.1.1785 KPZ 7.7.1785 BN 1.9.1785 BN 08. u. 11.10.1785 KPZ 6.12.1785 BN 13.4.1786 BN 20.3.1787 BN 17. u. 20.3.1787 BN 4.9.1787 BN 19.2.1788 VZ 18.3.1788 BN 1.1.1789 483

7  Kunstausübende Vereine

Nr. 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103

Datum 31.07.1789 21.08.1789 28.08.1789 04.02.1790 03.09.1790 25.10.1790 06.01.1791 04.03.1791 11.03.1791 08.04.1791

104 06.05.1791 105 09.09.1791 106 30.09.1791 107 06.10.1791 108 16.10.1791 109 21.10.1791 110 04.11.1791 111 10.02.1792

112 113 114 115 116 117

02.03.1792 30.03.1792 01.06.1792 06.07.1792 17.08.1792 05.10.1792

118 119 120 121 122 123

26.10.1792 23.11.1792 07.12.1792 21.12.1792 15.02.1793 18.02.1793

124 125 126 127

01.03.1793 22.03.1793 29.03.1793 12.04.1793

128 07.06.1793 129 05.07.1793 484

Komposition(en) / Anlass / evtl. Ort Konzert Konzert Konzert F. Benda: Orpheus Konzert Konzert Konzert Konzert J. G. Naumann: Cora C. H. Graun: Te Deum, J. A. P. Schulz: Les Chœurs d’Athalie 22. Stiftungsfest J. H. Rolle: Der Tod Abels Konzert A. Gürrlich: Kantate auf den Geburtstag Friedrichs II., J. F. Reichardt: Arie u. Der 64. Psalm Solisten: Pianist Rück, Mad. Bachmann u. a. J. G. Naumann: Arie, G. M. Giornovichi: Violinkonzert; Solisten: A. Schmalz, F. F. Hurka, C. Möser Konzert C. Ditters v. Dittersdorf: Hiob J. F. Reichardt: Ouvertüre, Tauber: Flötenkonzert, J. G. Naumann: Terzett; Solist: C. Möser, Kammermusiker Tauber aus Anhalt-Bernburg C. Ditters v. Dittersdorf: Hiob, 1. Teil A. Rosetti: Der sterbende Erlöser 2. Sommerkonzert 3. Sommerkonzert 4. Sommerkonzert F. Tausch: Klarinettenkonzert, P. Aldey: Violinkonzert, A. Gürrlich: Szene; Solisten: Mad. Bachmann, C. Möser, F. Tausch J. A. P. Schulz: Les Chœurs d’Athalie C. Ditters v. Dittersdorf: Hiob, 1.Teil J. F. Reichardt: Der 65. Psalm u. a. A. Cartellieri: Kontimar und Zora A. Salieri: Oratorium J. F. Reichardt: Erwin und Elmire öffentliches Benefizkonzert für Ch. W. C. Bachmann J. Haydn: Die sieben letzten Worte C. J. Rodewald: Stabat Mater C. H. Graun: Der Tod Jesu C. H. Graun: Te Deum 23. Stiftungsfest 2. Sommerkonzert 3. Sommerkonzert

Nachweis VZ 30.6.1789 BN 30.7.1789 BN 30.7.1789 BN 6.2.1790 BN 2.9.1790 BN 21.10.1790 BN 6.1.1791 BN 3.3.1791 BN 3.3.1791 BN 7.4.1791

BN 3.5.1791 BN 30.8. u 8.9.1791 Studien, S.19 BN 6.10.1791 Studien, S.19 BN 20.10.1791 BN 20.10.1791 Studien, S.19

VZ 1.3.1792 VZ 29.3.1792 VZ 31.5.1792 VZ 05.7.1792 VZ 2.8. u. 16.8.1792 VZ 2.10.1792

VZ 25.10.1792 VZ 22.11.1792 VZ 6.12.1792 VZ 20.12.1792 BN 14.2.1793 BN 14.2.1793 VZ 28.2.1793 VZ 21.3.1793 VZ 28.3.1793 VZ 11.4.1793 VZ 6.6.1793 VZ 4.7.1793

7.2  Konzert der Musikliebhaber [KML]

Nr. Datum 130 02.08.1793 131 14.08.1793

132 04.10.1793 133 18.10.1793 134 08.11.1793 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144

15.11.1793 14.01.1794 07.03.1794 27.03.1794 11.04.1794 18.04.1794 06.06.1794 04.07.1794 29.08.1794 03.10.1794

145 12.12.1794 146 22.02.1795 147 03.04.1795

Komposition(en) / Anlass / evtl. Ort 4. Sommerkonzert C.H. Graun: Te Deum, G. F. Händel: Halleluja (aus: Der Messias) Feier der Kapitulation von Mainz Konzertsaal des Herrn Fliess 1. Winterkonzert u. a. G. Sarti: Te Deum Geburtstag der Königin C. H. Graun: Te Deum Feier der Rückkehr des Königs Ch. W. Gluck: Iphigènie en Tauride, 1. u. 2. Akt C. Ditters v. Dittersdorf: Hiob, 2.Teil J. H. Rolle: Abraham auf Moria, 1. Teil J. A. Hasse: I pellegrini al sepolcro A. Rosetti: Der sterbende Erlöser C. H. Graun: Der Tod Jesu 2. Sommerkonzert 3. Sommerkonzert letztes Sommerkonzert J. F. Reichardt: Te Deum, [Opern-]Szenen, Solistin: M. L. Schick C. F. Ch. Fasch: Mendelssohniana Benefizkonzert von Ch. W. C. Bachmann, „unterstützt von berühmten Königl. Virtuosen“ C. H. Graun: Der Tod Jesu 25-jähriges Jubiläum

Nachweis VZ 1.8.1793 VZ 10.8.1793

BN 1.10.1793 VZ 17.10.1793 VZ 7.11.1793 VZ 14.11.1793 BN 14.1.1794 VZ 6.3.1794 VZ 27.3.1794 VZ 10.4.1794 VZ 17.4.1794 VZ 5.6.1794 VZ 3.7.1794 VZ 28.8.1794 VZ 2.10.1794 BN 11.12.1794 VZ 19.2.1795 BN 2.4.1795

Tab. 1: Das Konzert der Musikliebhaber in den Berliner Tageszeitungen

485

7  Kunstausübende Vereine

Tab. 2: Die in den Konzerten am häufigsten vertretenen Komponisten

Organisation: Abgesehen von der Tatsache, dass die Direktoren (bzw. der Direktor) die Geschicke des KML in künstlerischer und organisatorischer Hinsicht leiteten, wissen wir über die Entscheidungsprozesse und den Geschäftsgang nichts. Kaum zufällig werden in den Zeitungsannoncen und in der Berichterstattung ausschließlich die jeweiligen Direktoren namentlich genannt. Folgende Meldung in den Berlinischen Nachrichten v. 3. Mai 1791 freilich deutet auf ein klares Mitspracherecht der Musiker, vielleicht auch der Abonnenten hin: „Da die resp. Mitglieder des Concerts der Musikliebhaber einstimmig verlangt haben, das Oratorium, der Tod Abels von Rolle zu hören; so mache ich hierdurch bekannt, daß selbiges kommenden Freitag, den 6ten dieses, mit der bestmöglichen Vollkommenheit aufgeführt werden wird. Bachmann.“ – Um sich als Solist bei einem Konzert hören zu lassen, bedurfte es augenscheinlich des persönlichen Kontakts zu den Direktoren. Dies gilt auch für die sporadisch interessierten Zuhörer, z. B. auswärtige Besucher in der Stadt. Sie konnten sich Nicolai zufolge von einem Mitglied einführen lassen oder bei den Direktoren ein Billet für 16 Groschen erwerben. 486

Mitglieder: Dem Anonymus aus Halle zufolge setzte sich das KML aus neun 1. Violinen, fünf bis sechs 2. Violinen, je zwei bis drei Bratschen und Celli sowie zwei Kontrabässen zusammen, außerdem aus „gehörigen Blasinstrumenten“ (Anon., S. 11). Zehn davon sollen professionelle Musiker gewesen sein. Man kann demnach von einem Stamm von ca. 30 Mitgliedern ausgehen. Ob die an den Darbietungen regelmäßig beteiligten Sängerinnen dazuzählten, ist ungewiss. An erster Stelle ist hier Charlotte Wilhelmine Caroline Bachmann geb. Stöwe, die Ehefrau des Direktors ab 1785, zu nennen, welche von Jugend an als Sängerin und Pianistin im KML mitwirkte. (Der Anonymus stellte die Klavierspielerin weit über die Gesangskünstlerin.) Rellstab erwähnt darüber hinaus noch eine Demoiselle Schadow aus Potsdam. Und in der Berlinischen Musikalischen Zeitung werden Frau Justizkommissar Sebald und eine Demoiselle Sander genannt. – Das heute noch bekannteste Mitglied war der Schriftsteller und Verleger Christoph Friedrich Nicolai. Er saß unter den Violinen. Ihm attestierte Reichardt nicht nur, „ein feiner und geschmackvoller Kenner der Musik“ zu sein, sondern auch, im KML „zu dessen beständiger Verbesse-

7.2  Konzert der Musikliebhaber [KML]

rung“ beizutragen. Möglicherweise tat Nicolai dies, indem er ihm seine eigene Notensammlung zur Verfügung stellte (Teile davon sind im Bestand der Sing-Akademie zu Berlin überliefert) bzw. sein Korrespondentennetz zur Besorgung neuer Musikalien nutzte. Dem Zeugnis des Wiener Schauspielers Johann Heinrich Friedrich Müller zufolge soll er sogar das von ihm am 3. Oktober 1776 besuchte Konzert geleitet haben: „Nach unserer Rückkunft besuchten wir das sogenannte Liebhaberkonzert in Korsika. Nicolai dirigierte es. Hier machte ich Bekanntschaft mit Ramler“ (Müller 1958, S. 70). – Rellstab berichtet, dass der Violinist Böttcher aus der Kapelle des Kronprinzen Friedrich Wilhelm in Potsdam (seit 1786 Mitglied der Hofkapelle, 1798 pensioniert) an der Seite Bendas am 1. Pult saß. Er soll bald nach dessen Tod das KML verlassen haben. Schließlich enthält die Berlinische Musikalische Zeitung eine Liste von regelmäßig konzertierenden Instrumentalisten. Man findet hier die Violinisten Clemens (Geheimer Sekretär), Mahlow (ab 1796 Mitglied der Hofkapelle), Carl Möser (ab 1792 Mitglied der Hofkapelle) und Carl August Seidler (ab 1793 Mitglied der Hofkapelle), den Bratschisten Franz Xaver Semler (ab 1795 Mitglied der Hofkapelle), den Cellisten Heinrich Große (ab 1797 Mitglied der Hofkapelle), den Flötisten König, den Oboisten Große (seit 1785 Mitglied der Hofkapelle), den Klarinettisten Franz Tausch (ab 1800 Mitglied der Hofkapelle), den Fagottisten Christoph Gottlieb Schwarz (ab 1790 Mitglied der Hofkapelle), die Hornisten Lehmann und Richter, den Harfenisten Treyse sowie als Generalbassspieler („auf dem Flügel accompagnirt“) Joseph Augustin Gürrlich (seit 1784 Organist an St. Hedwig, ab 1793 auch Violonist in der Hofkapelle). In den Berlinischen Nachrichten vom 7. Mai 1778 schließlich wird der Königliche Kammerherr Otto Carl Erdmann Frhr. v. Kospoth genannt; als einer der „edelmütigsten Mäcene dieses Concerts“ steuerte er zum 9. Stiftungsfest eine Kantate bei.

Querverweise auf andere Vereine: Hinweise auf formelle Verbindungen zu anderen Vereinen gibt es nicht. Welches Interesse bzw. welche Programmatik hätte auch den Anlass für die Pflege solcher Beziehungen geben sollen? Die Liebhabergesellschaften und die kommerziell orientierten Konzertanbieter bedienten jeder für sich verschiedene Facetten der wachsenden Nachfrage in der städtischen Bevölkerung. Kooperationen bestanden eher mit den etablierten Institutionen; als Beispiel kann die langjährige Zusammenarbeit des KML mit dem städtischen Musikdirektorat gelten. Nicht nur aufgrund personeller Kontinuitäten könnte man die  SingAkademie zu Berlin in gewisser Weise als ‚Erbe‘ der Bachmannschen Gesellschaft ansehen. Denn sowohl Friedrich Nicolai als auch Charlotte Wilhelmine Caroline Bachmann wurden Mitglieder dieses 1791 gegründeten Instituts, das die Grundidee der älteren Gesellschaft, die gemeinschaftliche Kunstübung als Selbstzweck, nun bezogen auf Vokalmusik a cappella, an das 19. Jahrhundert vermittelte. Bibliographie: 1) Archivquellen: Vereinsunterlagen sind nicht erhalten. Überliefert sind aber handschriftliche Stimmen zu C. H. Grauns Te Deum aus dem Besitz Carl Ludwig Bachmanns (SBB PK, in: Mus. ms. 8170/6); sie dürften im KML benutzt worden sein. Darüber hinaus sind 20 Textdrucke aus den Konzertveranstaltungen erhalten (ebenfalls in der Musikabteilung der SBB PK): Carl Philipp Emanuel Bach: Die letzten Leiden des Erlösers (Mus. Tb 92), o. D.; Wilhelm Friedrich Ernst Bach: Colma (Mus. Tb 105), 1791; Carl Heinrich Graun: Te Deum (2 in: Mus. Td 385, 1 in: Mus. Tg 885/1, 2 in: Mus. Tr 205), jeweils o. D.; dass. (zus. mit der Can-

tate am Acht und Sechszigsten Geburtstage Seiner Majestät des Königs von Preussen, Mus. Tg 855/2), 1779; Joseph Augustin Gürrlich: Scena aus Artimisia (Mus. Tg 1101), 1788; ders.: Cantate zur hohen Geburtsfeyer Seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm II. (Mus. Tg 487

7  Kunstausübende Vereine

1103), 1791; ders.: Magnificat (12 in: Mus. T 94), o. D.; Georg Friedrich Händel: Alexan­ ders Fest oder Die Gewalt der Musik (Mus. Th 28/2), 1776; dass. (Mus. Th 28/17), o. D.; ders.: Judas Maccabäus (Mus. Th 46/3), 1777; ders.: Trauergesang über den Tod Sr. Majestät Friedrich II. Königs von Preussen. „Nach Händelscher Musik“ (Mus. Th 63/1), 1786; Johann Adolf Hasse: I pellegrini al sepolcro (Auszug, 27 in: Mus. T 94), o. D.; Joseph Haydn: Stabat Mater (Pa­ rodie, 26 in: Mus. T 94), o. D.; Giovanni Paisiello: Scena aus La Disfatta di Dario (ital., 7 in: Mus. T 94), 1784; Johann Friedrich Reichardt: Cantate zum Zwey

und Siebenzigsten Geburtstage Seiner Maiestät des Königs von Preussen (1 in: Mus. Tr 205), 1784; ders.: Der 65. Psalm (3 in: Mus. Tr 205), 1786; Antonio Sacchini: Scena aus Chimène ou Le Cid (ital., Mus. Ts 20), 1784; Johann Zach: Stabat Mater (44 in: Mus. T 96), o. D. – 2) Drucksachen: Anonymus: Bemerkungen eines Reisenden über die zu Berlin vom September 1787 bis Ende Januar 1788 gegebene öffentliche Musiken, Kirchenmusik, Concerte, Oper, und Königliche Kammermusik betreffend. Halle 1788, S. 10–23. – Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude- und Spenersche Zeitung). Berlin 1770–1797. – Berlinische Musikalische Zeitung historischen und kritischen Inhalts, hg. v. J. G. C. Spazier. Berlin 1793. – Berlinische privilegierte Zeitung (Vossische Zeitung). Berlin 1770–1778. – Hartung, August u. Klipfel, Karl Wilhelm: Zur Erinnerung an Charlotte Wilhelmine Karoline Bachmann, geb. Stöwe, Karl Friedrich Christian Fasch und Julie Pappritz, verehel. Zelter. Berlin 1818. – Königlich-berlinische privilegirte Staats- und gelehrte Zeitung (Vossische Zeitung). Berlin 1779–1784. – Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung). Berlin 1785–1797. – Ledebur, Carl Frhr. v.: Tonkünstler-Lexikon Berlin’s von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Berlin 1861. – Müller, Johann Heinrich Friedrich: Theater­ 488

erinnerungen eines alten Burgschauspielers, hg. v. R. Daunicht. Berlin 1958. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend. Berlin 1793. Reprint Gesammelte Werke 6, Hildesheim 1987, S. 153. – Reichardt, Johann Friedrich: Briefe eines aufmerksamen Reisenden die Musik betreffend. Teil 1, Frankfurt u. Leipzig 1774. Reprint Hildesheim 1977, S. 32 f. – Rellstab, Johann Carl Friedrich: Ueber die Bemerkungen eines Reisenden die Berlinischen Kirchenmusiken, Concerte, Oper, und Königliche Kammermusik betreffend. Berlin 1789, S. 16–19. – Schletterer, Hans Michel: Johann Friedrich Reichardt. Sein Leben und seine musikalische Thätigkeit. Augsburg 1865 (darin Wiedergabe von bis dahin unpublizierten Teilen von Reichardts Autobiographie). – Schwarz, Klaus: Ein Berlin-Besuch vor 200 Jahren. Aus dem Tagebuch eines Bremer Kaufmanns von 1777. In: Der Bär von Berlin 26, 1977, S. 51–52. – 3) Forschungsliteratur: Busch, Gudrun: Zwischen Berliner Musikliebhabern und Berliner Ang­lophilie, Aufklärung und Empfindsamkeit. In: Lütteken, L. (Hg.): Händel-Rezeption der frühen Goethe-Zeit. Kassel 2000, S. 81– 134 (= Marburger Beiträge zur Musikwissenschaft 9). – Henzel, Christoph: Quellentexte zur Berliner Musikgeschichte im 18. Jahrhundert. Wilhelmshaven 1999, S. 120–129 (= Taschenbücher zur Musikwissenschaft 135). – Ders.: Das Konzertleben der preußischen Hauptstadt 1740–1786 im Spiegel der Berliner Presse. In: Jb. des Staatlichen Instituts für Musikforschung PK 2004, S. 216–291 (Tl. 1); 2005, S. 139–241 (Tl. 2). – Ders.: Das Konzertleben der preußischen Hauptstadt 1787– 1792 im Spiegel der Berliner Presse. In: Jb. des Staatlichen Instituts für Musikforschung PK 2006/07, S. 42–116. – Ders.: Berliner Klassik. Studien zur Graunüberlieferung im 18. Jahrhundert. Beeskow 2009, S. 342–351 (= ortus studien 6). – Ders.: Hiller – Lehmann – Zelter. Zu einigen Berliner ‚Messias‘-Aufführungen.

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

In: Händel-Jb. 2009, S. 225–274. – Schütz, Gudula: Vor dem Richterstuhl der Kritik. Die Musik in Friedrich Nicolais ‚Allgemeiner deutscher Bibliothek‘ 1765–1806. Tübingen 2007, S. 10–29 (= Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung 30). – Dies.: Zwischen Erziehung und Unterhaltung. Friedrich Nicolai und die

Musik. In: Friedrich Nicolai und die Berliner Aufklärung, hg. v. Rainer Falk u. Alexander Košenina. Hannover 2008, S. 67–84. – [Uta Motschmann bin ich für die Bereitstellung der Daten aus den Zeitungen der Jahre 1793 bis 1797 sowie für weitere Hinweise zu herzlichem Dank verpflichtet.]

Christoph Henzel

Sing-Akademie zu Berlin [SAK] Name: Sing-Akademie zu Berlin (offizieller Name seit dem 29. Oktober 1792), bis ca. 1850 auch: Sing=Akademie; Singacademie; Singe-Accademie; Singakademie zu Berlin. Gründung: 24. Mai 1791. Bestand: Fortdauernd bis heute (2014). Sitz: 1791–1793 ohne festen Sitz, wechselnde Domizile in Privatwohnungen (u. a. beim Geheimrat Milow, Spittelbrücke 17; in den Wohnungen der Madame Voitus, Unter den Linden 59). – Ab 22. Oktober 1793 bis 1827: im sog. Runden Saal der Königlich-Preußischen Akademie der Schönen Künste (Marstall- und Akademiegebäude), Unter den Linden. – 2. Januar 1827 bis 23. November 1943: Eigenes Haus der SAK (auch: Haus am Kastanienwäldchen), Am Festungsgraben 2. – 1943–1964: wechselnde Probenorte, u. a. im Gemeindesaal der Nathanael-Kirche Friedenau. – 10. Oktober 1964 bis 2003: Proben im Chorsaal der Berliner Philharmonie. – 2003–2007: Proben und Verwaltung in der Chauseestraße 151. – Seit 2007 Proben in der Villa Elisabeth, Invalidenstraße 3, Verwaltungsräume in der Ackerstraße 3a, 10115 Berlin. Programmzitat: „Die Sing=Akademie ist ein Kunstverein für die heilige und ernste Musik, besonders für die Musik im gebundnen Styl, und ihr Zweck: practische Uebung an den Werken derselben, zur Erbauung der Mitglieder, daher sie nur selten und nie anders,

Abb. 94  Ältestes Emblem der Sing-Akademie zu Berlin.

als unter der Leitung ihres Directors öffentlich auftritt“ (§ 1 aus dem Grundriß der Verfassung, 1816). Geschichte und Programmatik: Die SAK zu Berlin ist einer der traditionsreichsten, seit seiner Gründung im Jahr 1791 bis heute ununterbrochen fortbestehenden Vereine der Stadt. Bei keiner vergleichbaren Gesellschaft lässt sich die für die „Berliner Klassik“ spezifische Herausbildung einer bürgerlich-autonomen Kunstreligion derart mustergültig nachvollziehen. Zahlreiche Nach- und Neugründungen von Chorvereinigungen in Eu489

7  Kunstausübende Vereine

ropa, Russland und Amerika bezeugen den nicht zu überschätzenden Einfluss dieses Modell-Vereins auf die abendländische Chorund Musikkultur. Am Anfang der reichen Vereinsgeschichte steht eine Initiative des Komponisten und zweiten Hofcembalisten Carl Friedrich Christian Fasch. Nach dem Tod Friedrichs II. vertiefte sich der von seinen Diensten als Accompagnist des Königs befreite Fasch in das Studium einer von Hof kapellmeister Johann Friedrich Reichardt 1778 aus Venedig mitgebrachten sechzehnstimmigen Missa in Diluvio von Orazio Benevoli (1605–1672). Diese frühe Form eines rein ästhetischen Interesses für eine katholische Kirchenmusik außerhalb ihrer gottesdienstlichen Einbindung war im protestantisch geprägten Berlin äußerst ungewöhnlich. Ab 1786 veranlasst Fasch einige seiner Musikschüler zur Einstudierung italienischer A-cappella-Werke sowie eigens für diese Übungsstunden komponierter Stücke. Zu diesem ersten Schülerkreis zählen u. a. Lieutenant v. Bülow, der Staatsrath Uhden, Justiz-Rath Jordan, aber auch Damen der höheren Gesellschaft, darunter jüdische Salonièren. Anfangs versucht Fasch das Personal der Hofoper, des Theaters sowie der Berliner Schul- und Singechöre einzubeziehen. Doch diese groß angelegten Versuche scheitern, zu fern scheint die komplexe polyphone Textur den Berliner Zeitgenossen. Mithilfe der Demoiselle Milow kommt es im Sommer 1790 im Haus ihres Vaters, des Geheimrats Milow (Spittelbrücke 17), zu einigen Proben im kleineren Kreis. Neun Damen und drei Herren sollen beteiligt gewesen sein. Vor allem auf das Betreiben der kunstliebenden Damen hin vollzieht sich im nächsten Frühjahr die offizielle Gründung der SAK: Am 24. Mai 1791 versammeln sich in der Wohnung der Witwe des General-Chirurgen Voitus, Unter den Linden 59, erstmals 28 Sängerinnen und Sänger. Der Dienstag wird als fester Probentag bestimmt. Damit beginnt das rege Vereinsle490

Abb. 95  Anton Graff: Porträt von Carl Friedrich Christian Fasch, Ölgemälde, ca. 1790, Bildarchiv PK.

ben einer Liebhabergesellschaft, die sich allerdings von Beginn an in ihrem künstlerischen Anspruch von den üblichen, der bloßen Unterhaltung dienenden „Singe-Thees“ absetzt. Im Oktober 1791 taucht erstmals der spätere Direktor Carl Friedrich Zelter als Tenor in den Listen auf. Dem empfindsam-spätauf klärerischen Programm gemäß tritt die SAK zunächst kaum öffentlich in Erscheinung. Viel wichtiger als Repräsentation ist die kunstreligiöse „Erbauung der Mitglieder“, die Herzensbildung des freien bürgerlichen Subjekts durch Kunstausübung. Entsprechend komponiert Fasch für seine Sängerinnen und Sänger geistliche Gesänge, deren Hauptzweck nicht etwa Gottesdienst, sondern künstlerische Selbsterfahrung im Vollzug des Singens ist. In einer seiner Choralbearbeitungen (nach einem Text von Johann Samuel Diterich) für den Chor heißt es entsprechend: „Wer bin

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

ich? Welche wicht’ge Frage! / Herr: lehre sie mich recht verstehen!“ In der Gründungsphase des Vereins entstehen auch die schon wegen ihrer Textvorlage für den gottesdienstlichen Gebrauch nicht in Frage kommenden Mendelssohniana, Chorstücke nach Moses Mendelssohns Übersetzung der Psalmen. Die enge Verbindung der SAK mit den jüdischen Kreisen der Stadt wird in diesen Stücken deutlich. Einer kleinen Öffentlichkeit präsentiert sich die Gesellschaft erstmals im September 1791. Dies geschieht nicht etwa im Rahmen eines Konzerts, sondern in Form eines musikalischen Raum-Experiments. Fasch hatte ein achtstimmiges Miserere komponiert, das er „mit entfernter Stellung der beiden Chöre“ in der Marienkirche erklingen lässt (Lichtenstein, VII). Die Aktion ist weder in einen gottesdienstlichen Kontext eingebunden noch entspricht sie einem der üblichen, an den kommerziellen Einnahmen interessierten Liebhaberkonzerte. Im Zentrum stehen vielmehr die Erforschung eines ästhetischen Phänomens – das des mehrstimmigen Raumklangs – sowie die kunstreligiöse Selbsterfahrung der Ausführenden. Die geschichtliche Dimension des Ereignisses zeigt sich auch darin, wie mit ihm gleich mehrere gesellschaftliche Paradigmen außer Kraft gesetzt werden: 1. Es erklingt eine lateinische, historisierend nach dem Vorbild katholischitalienischer Kirchenmusik komponierte Musik in einer protestantischen Berliner Kirche. – 2. Die in der Berliner Gottesdienstordnung dieser Zeit klassische Position des Chores als auf der Empore dienendes Instrument wird aufgelöst, der Chor singt nun u. a. vom Altar aus, erhält derart künstlerische Autonomie und tritt außerhalb des kirchlich-institutionellen Rahmens in Erscheinung. – 3. Es singt ein Chor, der nicht konfessionell gebunden ist, an dem auch Damen und Herren jüdischen Glaubens beteiligt sind. – 4. Der Chor setzt sich aus Frauen und Männern zusammen. Der Jahrhunderte hindurch gelten-

de paulinische Grundsatz, die Frau habe in der Kirche zu schweigen, wird hier aufgehoben. Nach dem leitenden Prinzip eines ästhetisch autonomen, nicht an äußere Zwecke gebundenen Studiums der Werke wird die Arbeit an dem Miserere das ganze Jahr 1792 über fortgesetzt und mit einer zweiten Versuchsanordnung am 25. Juni 1792 wiederholt. In den Folgemonaten hat die Chorvereinigung regen Zulauf. Bald schon werden die Privaträume zu klein, Fasch wendet sich an die Staatsminister v. Herzberg und v. Heinitz mit der Bitte um ein größeres Probendomizil. Am 22. Oktober 1793 zieht der inzwischen auf über 50 Sängerinnen und Sänger angewachsene Chor in das gemeinsam von der Akademie der Künste und der Akademie der Wissenschaften genutzte Gebäude Unter den Linden um und nimmt dort seinen Probenbetrieb auf. Erstmals werden Vorsteher gewählt, die Singe-Accademie erhält ihren anfangs wohl auch etwas spöttisch gemeinten Namen. Während die Ordentlichen Mitglieder der Akademie in ihren Räumen tagen, singen im Runden Saal des Hauses deren Gattinnen. Nach und nach richtet sich aber auch das Interesse der Männer auf die neuartige Vereinigung. Bedeutende Persönlichkeiten der Berliner Gesellschaft (wie der Musikdirektor Ludwig Hellwig, der spätere Intendant des Kgl. Theaters Graf Brühl oder der Lehrer und pädagogische Schriftsteller Friedrich Philipp Wilmsen) treten ihr bei. Neben Fasch beginnt auch Hof kapellmeister Reichardt eigene Kompositionen zu liefern, erstmals werden die Motetten von J. S. Bach ins Repertoire genommen. Am 8. April 1794 findet ein erstes Auditorium statt, dem Prinz Louis Ferdinand von Preußen und mehrere Personen des Hofes beiwohnen. Der wachsende Ruf der Einrichtung, bald schon weit über die Stadtgrenzen hinaus, führt dazu, dass immer mehr Besucher den Proben folgen wollen. Aus Kopenhagen ist Kapellmeister Schulz zu Gast, aus Italien Signora Marchetti, aus Mainz Kapellmeister Sterkel, aus 491

7  Kunstausübende Vereine

Schwerin Kapellmeister Naumann. Auch Johann Heinrich Voß, Ignaz Aurelius Feßler und Elisa von der Recke sollen sich auf der heute verlorenen Gästeliste befunden haben. Am 21. Juni 1796 kommt es zu einem Probenbesuch Beethovens, der am Flügel eine Fantasie zu einem Fugenthema von Fasch improvisiert. Als 1797 der Bruder des Königs, Friedrich Ludwig Karl von Preußen, genannt Prinz Louis, stirbt, führt die SAK zu seinen Ehren eine Trauer-Motette von Fasch auf. Damit beginnt eine langsame Annäherung der freien bürgerlichen Liebhabergesellschaft an den Hof. Immer häufiger wird die bürgerlich-säkulare SAK statt kirchlicher Institutionen in höfische Feiern eingebunden. Zwei Monate vor seinem Tod, am 26. September 1797, stattet König Friedrich Wilhelm II. der SAK erstmals einen Besuch ab. Die Proben sind nun nicht mehr allein zur Erbauung der Ausführenden da. Sie nehmen zunehmend den Charakter von öffentlichen Ereignissen an, die sich allerdings von auch damals schon etablierten öffentlichen Konzerten unterscheiden. Im Gegensatz zur Konzertform steht hier der Bildungsgedanke im Mittelpunkt. Ausführenden wie Zuhörenden sollte im gemeinsamen Musikerlebnis eine kunstreligiöse Erbauung und Vertiefung in die Werke der Vergangenheit zuteil werden. Die verlorenen Gästelisten sollen in der Zeit um 1800 bis zu 80 Namen pro Probe verzeichnet haben. Kaum ein bekannter Berlinreisender der Zeit, der nicht der neuartigen SAK einen Besuch abgestattet und über sie berichtet hätte. 1798 wird Fürst Radziwil mit der Einrichtung vertraut. Zu weiteren bekannten Gästen der Auditorien gehören der französische Gesandte Abbé Sieyès, der spätere amerikanische Präsident John Quincy Adams, Christoph Wilhelm Hufeland, aber auch der Physiker und Astronom Chladni, der Komponist und Pianist Joseph Wölfl, die Dichter Christoph August Tiedge und Wilhelm Heinrich Wa492

ckenroder. Große Feierlichkeiten begleiten 1799 die „Wiederherstellung“ der Akademie der Wissenschaften und den Geburtstag Friedrichs II. Für beide Anlässe liefert Reichardt Kantaten. Ab 1798 übernimmt Assistent Zelter für den erkrankten Gründer Fasch die Probenarbeit. Spätestens am 15. Juli 1800 scheint die Leitung der SAK ganz in Zelters Hände übergegangen zu sein. Faschs Handschrift verschwindet aus den Präsenzlisten, am 2. August 1800 stirbt er. In mehreren Konzerten und Auftritten ehrt die SAK ihren ersten Leiter. Den Höhepunkt bildet die Berliner Erstaufführung des Mozart-Requiems in deutscher Textfassung (zum Besten des  Berlinischen Bürgerrettungs-Institutes) am 8. Oktober 1800 in der Garnisonkirche. Es handelt sich dabei um das erste große öffentliche Konzert der SAK, zu dessen Zweck ein Orchester eingerichtet wird, das in der sogenannten „Gyps-Klasse“ der Kunst-Akademie geprobt haben soll. Zelter lässt wissen: „Die Aufführung gelang ohne Fehler. Die Tempi waren gut getroffen, doch die Instrumentalmusik war wieder zu schwach. Die große Kirche war, was man voll nennen kann.“ Das Orchester muss teils aus Laien, teils aus bezahlten Musikern der Hof kapelle bestanden haben. Hiermit beginnt eine öffentliche Konzertpraxis der SAK, die sich von den Liebhabertreffen und Auditorien zunehmend unterscheidet, in den ersten Jahren aber noch einen wohltätigen Charakter behält. Zumeist werden dabei die Stadtarmen bedacht. Immer wieder muss die SAK, trotz ihres wachsenden Renommees, ihren Versammlungsort wechseln, da Kunstausstellungen oder Bauarbeiten das Proben in der Akademie unmöglich machen. So ist der Chor vom 7. April 1801 bis zum 20. Oktober in der Petrikirche zu Gast. Am 27. Oktober kehrt sie mit einer kleinen Feier in die Akademie zurück und lässt bei dieser Gelegenheit eine Marmorbüste von Fasch aufstel-

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

len, die man bei Schadow in Auftrag gegeben hatte. Unter Zelters neuer Leitung beginnt die SAK ihr Profil zu verändern und ihre öffentlich-repräsentativen Tätigkeiten zu erweitern. In den Jahren seiner Leitung wird sie zu einem Zentrum des geselligen Lebens in Berlin. Ist ihre Konzerttätigkeit zunächst noch an festliche Anlässe des Hofes und der Kirche gebunden, so emanzipiert sie sich davon zunehmend. Feste Reihen und autonome Konzertformate entstehen, deren Zen­ trum allein das Kunstereignis und seine gesellschaftsstiftende Funktion bilden. In einer Rede an den Chor formuliert Zelter seinen erweiterten Anspruch: „Ein neues Jahrhundert beginnt, die Welt fühlt das Nahen erschütternder Begebenheiten; in Allem, was den Geist beschäftigt, regt sich Fortschritt in ungewohntem Drängen. Auch die Kunst wird davon berührt, und dem stillen Verein, dessen Aufgabe mehr die Erhaltung des Bestehenden in der Kunst als die Öffnung neuer Bahnen ist, wird mit dem Tode seines Stifters die Bestimmung, seine Volljährigkeit zu bewähren, im deutschen Vaterlande durch sein Beispiel ein edleres geselliges Kunststreben zu wecken und sich sein Bestehen unter dem Drange widriger Verhältnisse durch beharrliches Festhalten an seinem Beruf zu erkämpfen“ (Lichtenstein, S. 11). Der Chor richtet sein Programm nun nicht mehr nur an den Wünschen des Direktors aus, er orientiert sich auch an jenen seiner Mitglieder und Anfragen aus der Berliner Bürgerschaft. So wird auf Anregung der Madame Bachmann (Mitglied seit 1791) am Karfreitag des Jahres 1801 Grauns Tod Jesu im Saal des Königlichen Opernhauses aufgeführt. Nicht nur Zelter, auch die Vorsteherschaft musste dem Gesuch zustimmen. Der enorme Erfolg dieses Karfreitagskonzerts führt zu Wiederholungen in den nächsten Jahren. Für die Berliner Kirchenmusik vollzieht sich damit ein entscheidender Paradigmenwechsel. War die traditionelle Karfrei-

tagsmusik der Berliner Bürger früher jene in der Nicolai-Kirche, unter Leitung des dortigen Kantors Lehmann, so werden nun die nicht mehr in einen gottesdienstlichen Kontext eingebundenen Karfreitagsmusiken der SAK zum Mittelpunkt der Osterfeierlichkeiten. Am 8. und 15. Mai 1804 sind Schiller und seine Frau Charlotte in einem Auditorium anwesend. Zelter war mit Schiller schon seit einigen Jahren durch die gemeinsame Arbeit am Musen-Almanach im Kontakt. Durch Schillers Vermittlung entstand auch die langjährige, im über dreißig Jahre anhaltenden Briefwechsel gut dokumentierte Freundschaft mit Goethe. Beide Weimaraner Dichterfürsten haben die Entwicklung der SAK in diesen ersten Jahren intensiv begleitet. Im Oktober 1806 kommt es mit der französischen Besatzung zu einer einschneidenden Zäsur auch für die Arbeit des Chores. Der Probenbetrieb wird eingestellt, bis zum 10. Februar des Folgejahres ruht die Arbeit. In einem Rundschreiben an die Mitglieder lässt Zelter wissen: „Der allgemeine Antheil pa­ t riotischer Gemüther ist in diesen letzten Tagen auf äußere Zustände gestellt, die wichtig genug sind, unseren Bemühungen um die Kunst entgegenzustehen. Deshalb lassen wir die nächsten Uebungen ausgesetzt, um solche in günstigeren Tagen fortzusetzen. Ich selber werde mich zu den gewohnten Stunden auf meinem Posten finden lassen und das Wohl des Instituts, als das Nächste an meinem Herzen, persönlich wahrnehmen“ (Eberle 1991, S. 59). So kann auch des Todes von Zelters zweiter Frau Juliane Pappritz, die im März desselben Jahres verstarb, nur mit großer Verspätung gedacht werden. Sie hatte schon seit 1790 zu Faschs Schülerkreis gehört und von 1791 bis zu ihrem Lebensende zahlreiche Solo-Partien übernommen. Die SAK entschließt sich, zu ihren Ehren Händels Alexanderfest aufs Programm zu setzen. Wie zuvor bei der Aufführung des Mozart-Requiems für Fasch, 493

7  Kunstausübende Vereine

so stellt sich auch hier die Frage nach dem Der Zulauf zum Chor ist 1808 so groß geOrchester. Zelter gründet daher eine eige- worden, dass ein Aspirantenchor (auch Küne Orchesterschule der SAK, Ripienschu- kenchor genannt) gegründet wird. Die bisher le genannt, die am 10. April 1807 ihre Ar- freiwilligen Übungen am Montag nehmen beit aufnimmt. Für jedes Instrument wird die Gestalt einer ordentlichen Singschule an. mindestens ein bezahlter Musiker engagiert, Zudem erteilt Zelter an den Vormittagen die weiteren Partien übernehmen geschul- Einzel- und Gruppenunterricht in Stimmte Laien. Die Ripienschule veranstaltet ei- bildung. Das bei Fasch dominierende Ideal gene Konzerte, widmet sich auch den Ins- der individuellen Herzensbildung verschiebt trumentalwerken J. S. und C. P. E. Bachs, sich sichtbar zugunsten eines Paradigmas der versucht sogar in einer frühen Form histo- „gesellschaftlichen Bildung und Erbauung“ rischer Aufführungspraxis sich einem his- (Eberle 1991, S. 21). Es ist Zelters erklärtes torischen Stimmton anzunähern und über- Ziel, die SAK institutionell mit der Akadenimmt schließlich auch den Orchesterpart, mie der Künste zu verbinden. Seit 1802 führt als am 13. Oktober 1807 das Alexanderfest Zelter einen Briefwechsel mit Staatsminiserklingt. Johann Gottfried Schadow ehrt ter v. Hardenberg und versucht, der bisher Juliane Pappritz aus diesem Anlass mit einer an der Akademie fehlenden Musik einen Büste, Wilhelm Schadow mit einem Gemäl- Ort zu verschaffen. Auf Hardenbergs Bitte de, das die verstorbene Sängerin dabei zeigt, hin verfasst er drei Denkschriften, die heuwie sie der heiligen Cäcilie die sechzehn- te als Gründungsdokumente der staatlichen stimmige Messe von Fasch in den Himmel Musikpflege in Preußen gelten dürfen. In hinaufreicht. Der Erfolg des Konzerts ist so ihnen entwirft Zelter sein bürgerliches Bilgroß, dass einen Monat später eine Wieder- dungsprogramm aus dem Geiste der Musik. aufführung im Konzertsaal des Opernhau- „Da die Musik mit allen schönen Künsten einen gemeinschaftlichen Zweck hat, so kann ses stattfinden muss. 1808 erweitert Zelter die traditionelle Kar- sie auch gemeinschaftlich mit ihnen wirken. freitags- um eine Ostermusik und lässt bis Dieser gemeinschaftliche Zweck ist: Bildung, 1812 jährlich ein Doppelkonzert veranstal- und die Bildung besteht in einer Thätigten. Sein eigenes Oratorium Die Auferste- keit innerer oder Gemüthskräfte, wodurch hung und Himmelfahrt ergänzt ab dem 17. der Mensch an sich selbst vollkommener April 1808 für einige Jahre die Graunsche und also edler wird“ (Zit. nach Eberle 1991, Passion. Mit der Etablierung fester Konzert- S. 47). Die SAK begreift Zelter als bürgerformen lässt Zelter die SAK von einer a-ca- liche Bildungseinrichtung, die das Zentrum pella singenden Liebhabervereinigung all- einer umfassenden kirchlichen und schulimählich zu einer gesellschaftlichen Institu- schen Musikreform darstellt. Dabei geht es tion des Berliner Kulturlebens werden. We- dem Verfasser der Denkschriften auch um der die französische Besatzung noch die seine eigene Absicherung. Denn als Direkfortdauernden Kriege scheinen die Arbeit tor der SAK erhält er zu dieser Zeit ledigder SAK nachhaltig beeinträchtigt zu ha- lich ein „Wagengeld“. Schon am 1. August ben. Als Mitglied des zur Verwaltung der 1804 hatte er sich hilfesuchend an den König Stadt durch die Franzosen eingesetzten „co- gewandt: „Die Sing-Akademie ist jetzt 200 mité administratif “ wusste Zelter offenbar Personen stark, und die Arbeit dabey mir so auch aus dieser Situation Vorteile für die in ans Haupt gewachsen, daß ich unterliegen ihrer freien bürgerlichen Ausrichtung den müste, wenn ich nicht auf eine höhere HilIdealen der Französischen Revolution nicht fe hoffte, die nur Ein König, mein König geganz fernstehenden SAK zu ziehen. ben kann“ (Eberle 1991, S. 49). 494

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

Als am 26. Dezember 1808 die letzten französischen Besatzungstruppen abziehen, sucht Zelter als ehemals stolzer „Kaiserl. franz. Königl. Italienischer Heptarch der ci-devant Residenz Stadt Berlin“ (Zelter an Goethe, 6. April 1808, zit. nach: Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 20 I, S. 175) seine Tätigkeit als Beamter von Napoleons Gnaden vergessen zu machen. Er reist nach Königsberg, wo die Königsfamilie im Exil ist, und bittet um die Erlaubnis, mit der SAK Aufführungen im königlichen Opernhaus durchführen zu dürfen. Die Reise lohnt sich, fast alle Forderungen Zelters werden erfüllt. Am 17. Mai 1809 wird er zum Professor an der Akademie der Künste ernannt. Als königlicher Beamter hat er künftig die Berliner Kirchenund Schulmusik zu beaufsichtigen. Die SAK erhält die königliche Zusicherung, auf unabsehbare Zeit in der Akademie proben zu dürfen. Ihr Programm nimmt im weiteren Verlauf der Napoleonischen Kriege zunehmend patriotische Züge an. Als der König am 23. Dezember 1810 nach Berlin zurückkehrt, feiert der Chor das Ereignis zunächst mit einer internen Aufführung von Händels Dettinger Te Deum. „Auf allerhöchsten Befehl“ treten am 13. März 1811 im Weißen Saal des Königlichen Schlosses 207 Sängerinnen und Sänger zu Ehren des Königs auf. Nie zuvor war der Chor in derart großer Besetzung zu hören gewesen. Im Zusammenhang mit der Rückkehr des Königs steht auch die bereits im Januar 1809 erfolgte Gründung der  Liedertafel, einer monatlichen Zusammenkunft von 25 männ­lichen Mitgliedern der SAK, bei der gesellige Lieder mit patriotischer Ausrichtung gesungen wurden. Aus Anlass des Todes der Königin Luise werden im Juni 1811 die Proben für zwei Wochen eingestellt. Die SAK gestaltet mehrere Trauerfeiern, am 18. August bringt sie eine Kantate zu Luises Ehren von G. A. Schneider im Opernhaus zur Aufführung. Zu Lebzeiten soll die Königin die SAK oft mit ihren Kindern besucht ha-

ben (Schünemann, S. 32). Sicher nachzuweisen ist nur ein Probenbesuch am 12. November 1805. Noch das fünfzigste und neunzig­ ste Jubiläum dieses Ereignisses wird in den Jahren 1855 und 1895 von der SAK gefeiert. So sehr er den Hof zur Durchsetzung seiner institutionelle Ziele benötigt, dem noch in Faschs spätaufklärerischem Geist der Kunst­ religion geprägten Zelter ist die neue patriotische Tendenz seines Instituts anfangs durchaus zweifelhaft. Im Februar 1813 wird die Stadt neuerlich besetzt. Die Proben der SAK müssen ausfallen, der Chor wird aufgefordert, sich mit einem wohltätigen Konzert zugunsten der „vaterländischen Krieger“ zu engagieren. Zelter schreibt am 25. Februar an die Vorsteher: „Von mehreren Seiten ist mir der Antrag gemacht, den Judas Makkabäus als etwas unseren Tagen Zustehendes öffentlich zum Besten der organisierenden Streiter für das Vaterland aufzuführen. So groß meine Neigung zu dergleichen Enterprisen seyn mag, so kommt es auf die Beantwortung der Frage an: Ob sich die Sing-Akademie als solche freiwillig in die Hände der weltlichen Mächte zu mischen und Parthey zu nehmen habe? Ich denke: Nein!“ (Eberle, S. 68). Mit einer Aufführung von Händels Oratorium hätte sich die SAK politisch bekannt, denn das von Thomas Morell stammende Libretto basiert auf der biblischen Schilderung des erfolgreichen jüdischen Widerstands gegen die Eroberung Judäas durch die Seleukiden (1. Makk, 2–8). Unmissverständlich hätte ein Konzert dieser Art die Franzosen mit den unterlegenen Seleukiden, die Preußen mit dem siegreichen Gottesvolk Israel gleichgesetzt. Die kunstreligiöse Ausrichtung der SAK wäre hier erstmals zugunsten eines patriotischen Musikfests aufgegeben worden. Für das Jahr 1813 lehnt die SAK eine solche Aufführung noch ab. Sie zieht sich aus der Verlegenheit, indem sie die Einnahmen ihres traditionellen Osterkonzerts dem Lützowschen Freicorps zukommen lässt. Auf das Programm wird das unverfänglichere Himmel495

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fahrts-Oratorium von Zelter gesetzt. Weitere ner Abwesenheit durch Vizedirektoren, die Bitten um Wohltätigkeitskonzerte – so etwa Erweiterung der Vorsteherschaft auf vier Dader Wunsch „zum Besten der Unglücklichen“ men und vier Herren. Ihrer Tendenz nach der zerstörten Festung in Spandau zu singen versucht die Satzung sich an dem durch Fasch – verweigert die SAK. Noch versucht sie po- vorgeprägten Ideal des Selbstzwecks aller litisch neutral zu bleiben. Diese Neutralität Kunstausübung zu orientieren und den alten weicht mit der Leipziger Völkerschlacht im Geist gegen die neue patriotische Tendenz zu Oktober desselben Jahres einem patriotischen beschwören. Die Satzung liest sich auch wie Bekenntnistaumel. Sogleich werden Chö- ein Protest gegen die neue, sich vom aufkläre aus dem Judas Makkabäus ins Programm rerischen Bildungsideal entfernende Politiaufgenommen. Am 29. März 1814 zelebriert sierung. Eine Entwicklung, die freilich kaum man statt eines Passionskonzerts erstmals ein mehr aufzuhalten ist: Die SAK braucht das vaterländisches Musikfest. Diesmal erklingt durch öffentliche Konzerte und durch die Händels Befreiungsoratorium in voller Län- Nähe zum Hof eingenommene Geld allein ge, das Geld kommt den verwundeten Krie- schon um den „Mangel eines eigenen Logern zugute. cals“ zu beheben. Es bleibt ihr nichts andeMit dieser zunehmenden Politisierung schaf- res übrig, als auch ein „Institut zur Nationalfen Zelter und die SAK freilich auch die Vo- bildung“ zu werden (Eberle 1991, S. 65). Die raussetzungen für den Fortbestand des Insti- neue Satzung verfehlt ihre Wirkung nicht. tuts. Es scheint, als ob die SAK sich um 1815 Am 26. Juli 1817 erteilt das Ministerium des neu orientieren muss, um ihren Erhalt zu si- Inneren der SAK die Korporationsrechte. Sie chern. Der kunstreligiöse Impetus war of- ist nun offiziell staatlich anerkannt. fenkundig in einen Konflikt mit der gesell- Auch mit dem zweiten der beiden Pläne schaftlich-politischen Breitenwirkung des schreitet der Verein voran. Bereits 1812 hatte Chores geraten. Man fürchtet das „Zeitalter Schinkel Pläne für ein eigenes Gebäude entder Unbeständigkeit“ für den Verein. Ent- worfen. Ein Querbau über den Hof der Akasprechend ergreifen Zelter und die Vorste- demie der Künste soll entstehen, „ein Panher zwei Maßnahmen: 1. Sie veranlassen die theon, worin Bildsäulen berühmter TonEntstehung einer bisher nicht existenten Ver- künstler aufgestellt werden“ (Schünemann, fassung für die Gesellschaft. 2. Sie entwerfen S.36). Der Runde Saal, der nur 180 Sänger die Pläne zu einem eigenen Haus der SAK. fasst, ist längst zu klein geworden. Doch an Seit ihrer Gründung war die SAK ohne die Realisierung dieser Pläne lässt sich anschriftlich fixierte Regeln ausgekommen. gesichts der Kriegswirren nicht denken. Erst „Alles beruhte auf Herkommen, gegenseiti- 1821 gelingt es der SAK, am Festungsgraben gem Vertrauen, dem edlen Willen und Stre- einen geeigneten Bauplatz zu finden. Nach ben des Leitenden wie aller Zugehörigen – dreijährigen Bemühungen erhält sie am 7. wahrlich, ein untrügliches Zeichen für die April 1824 per Kabinetts-Ordre des Königs Lebensfähigkeit der Gesellschaft“ (Vorwort das Grundstück. Das Geschenk ist versehen zur Verfassung, Berlin 1816). Nun aber sieht mit der Auflage, „daß dasselbe niemals eidie Vorsteherschaft sich veranlasst, den Mit- ner anderen als jetzt beabsichtigten oder diegliedern einen Grundriss der Verfassung der ser ähnlichen Bestimmung gewidmet werSing=Akademie zu Berlin mitzuteilen. Das den darf “ (Eberle 1991, S. 76). Die SAK inDokument erscheint 1816 in der Johann vestiert 10.000 Taler, Mitglieder geben dem Friedrich Ungerschen Buchdruckerei. Ge- Verein eine Anleihe von weiteren 24.000 Taregelt werden darin die Verwaltung des Ka- lern. Trotz großer finanzieller Widerstände pitals, die Vertretungen des Direktors in sei- kann das auf einem Entwurf von Schinkel 496

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

Abb. 96  Das Haus der SAK am Festungsgraben. Nicht ausgeführter Entwurf von Karl Friedrich Schinkel, 1821.

Abb. 97  Ansicht des von Carl Theodor Ottmer erbauten, 1827 eingeweihten Hauses der SAK am Festungsgraben.

basierende, durch den Braunschweiger Hofbaumeister Karl Theodor Ottmer realisierte Haus am 2. Januar 1827 eröffnet werden. Bis zur Zerstörung des Hauses durch Brandbomben am 22. November 1943 wird die SAK ihr Haus bespielen. Mit seiner Eröffnung werden die Bedingungen geschaffen für eine bis heute andauernde Fortexistenz des Vereins, die in bislang vier Chroniken (Lichtenstein 1841, Blumner 1891, Schünemann 1941, Eberle 1991) ausführlich dokumentiert ist. Das weltweit erste Haus, das allein der Chormusik und der bürgerlichen Musikpraxis gewidmet war, sollte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein fester Bestandteil des kulturellen und bürgerlichen Lebens in Berlin sein. Auch nach der weitgehenden Zerstörung und Zweckentfremdung seines Hauses in Folge des Zweiten Weltkriegs ist die SAK als Verein lebendig und lebensfähig geblieben. Sie gibt bis heute mit ihren zahlreichen Aktivitäten ein bleibendes Zeugnis von der reichen Berliner Vereinskultur um 1800. Was Zelter und seinen Vorstehern in ihrem ersten Grundriss zu einer Verfassung vorschwebte, das scheint ihnen mit ihren um 1815 veranlassten Maßnahmen aufs Beste gelungen: die „Einheit des Zwecks (…)“ dieses Vereins „länger noch zu erhalten, ja, wenn es sein könnte, zu verewigen“.

Struktur und Organisation: Die Vereinsstruktur der SAK in den ersten Jahren ihrer Existenz ist durch diverse Chroniken gut dokumentiert, obgleich heute die meisten der bis 1945 vorhandenen Originalquellen verloren scheinen (Stammrollen, Gästelisten, Verhandlungsakten). Zum Zeitpunkt ihrer Gründung hatte die Gesellschaft noch keine Ämter. Nicht einmal einen Namen besaß der um Fasch versammelte Kreis. Zu einer Benennung als Sing-Akademie kommt es erst, als sie 1793 ihre Probenarbeit im Akademiegebäude aufnimmt. Am 29. Oktober werden in der Privatwohnung von Sidonie Voitus die ältesten Mitglieder zu Vorstehern ernannt: „Mad. Voitus, Demoiselle Dietrich, Mad. Sebald, Herr Geheimerath Zencker, Herr Prediger Messow und Herr Hartung“. Zu deren Aufgaben heißt es: „Die Vorsteherinnen sollten die jungen Damen unter ihren Schutz nehmen und gemeinschaftlich die Ökonomie der Gesellschaft besorgen.“ Fasch selber zeichnet für die „musikalische Direction und was dahin gehört“ verantwortlich. Für alle Mitglieder, die Liebhaber sind, wird ein Mitgliedsbeitrag von monatlich zwölf Groschen festgelegt. Alle beteiligten „Musiker von Profession“ sind davon ausgenommen. Fasch soll die SAK in den ersten Jahren „durchaus patriarchalisch“ geleitet haben 497

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(Lichtenstein, XV). Der Vorstand hatte eher dienende Funktion. Entsprechend ist über die Versammlungsabläufe und Vorstandssitzungen wenig bekannt. Erste Berichte hierüber beginnen erst nach Faschs Tod, mit den Planungen zu einer Aufführung des Mozart-Requiems zu seinen Ehren. Die Sitzungen fanden in Privatwohnungen statt, so etwa regelmäßig beim Geheimen Rat Zencker. Von diesem stammte auch der verlorene erste Kassenbericht der SAK, der im Jahr 1800 einen Besitz von 404 Talern verzeichnet haben soll. Neben dem ersten Vorsitzenden gab es zu Amtsantritt Zelters einen zweiten (Prof. Hartung) sowie einen dritten (der Assessor und spätere Kriegsrat Schulz). Demoiselle Dietrich ist für die Verteilung der Einlasskarten zuständig. Die Direktoren Fasch und Zelter erhalten bis 1809 lediglich ein sogenanntes Wagengeld von jährlich 100 Talern, das 1809 auf 300 Taler erhöht wurde (Schünemann, S. 32). – Eine grundlegende Änderung vollzieht sich erst aus Anlass der Entstehung einer „Verfassung“ der SAK. Am 18. Januar 1815 wird die Vorsteherschaft erweitert, zunächst um die Herren Staatsrat Schulz, Prediger Ritschl und Professor Lichtenstein. Die vermutlich seit Zelters Amtantritt übliche Zahlung eines Mitgliederbeitrags wird von zwölf auf 16 Groschen gesteigert, der Direktor erhält fortan 600 Reichstaler im Jahr. Es wird beschlossen, dass eine förmliche Jahresabrechnung vorzulegen ist. Die Musikalien und Utensilien im Besitz der SAK werden erstmals verzeichnet. Im Juli 1815 treten auch die Staatsrätin Alberti, Frau Professorin Woltmann und Fräulein Rosenstiel in den Vorstand ein. Es gibt fortan vier Vorsteher und vier Vorsteherinnen. Das damit hergestellte paritätische Verhältnis zwischen den Geschlechtern ist ein für die Berliner Vereinsgeschichte wohl einmaliger Fall. Im Zuge der Neustrukturierung veröffentlicht die SAK 1816 ihre erste Satzung. C. F. Rungenhagen und Hellwig werden zu Vize-Direktoren bestellt. Die gewünschte An498

erkennung als juristische Person erfolgt ein Jahr später, mit der Verleihung der Corporationsrechte als Gesellschaft. An dieser Vereinsstruktur wird sich bis ins späte 20. Jahrhundert kaum etwas ändern. Erst in den neunziger Jahren wurde sie auf vier Mitglieder reduziert und der Verein, der eine Gesellschaft preußischen Rechts war, in die juristische Form eines gemeinnützigen Vereins überführt. – Die Direktoren (bis 1815): Carl Friedrich Christian Fasch (1791–1800); Carl Friedrich Zelter (1800–1832). – Die Vorsteher (bis 1815): Zenker, Geh. Hofrat, 1792–1802 (1. Vorsitzender und Kassenverwalter); Messow, Prediger, 1792–1800; Hartung, Professor, 1792–1822; C. L. F. Schulz, Staatsrat 1815–1817. – Die Kassenverwalter (bis 1815): Zenker, Geh. Hofrat 1792–1800; Schulz, Kriegsrat, 1800–1818. – Die Vorsteherinnen (bis 1815): Frau Professorin Sidonie Voitus, 1792–1821; Frau Sebald, 1792– 1815; Frl. Charlotte Dietrich, 1792–1798; Frau Staatsrätin Alberti, 1815; Frau Professorin Woltmann, 1815–1823; Frl. Rosenstiel (später Schadow), 1815–1822. Die Mitglieder: a) Mitgliederstruktur: Zur Zeit ihrer Gründung ist die Mitgliederstruktur der SAK maßgeblich durch selbständige Berliner Bürgerinnen und Bürger bestimmt. Jenseits des Hofes und der Kirche widmen diese sich mit einem eigens entwickelten Bildungsprogramm ihrer eigenen Erbauung. Eine besondere Funktion kommt dabei dem weiblichen Schülerkreis von Carl Friedrich Christian Fasch zu. Vereinzelt sind auch Adlige und Geistliche zu finden. Zelter schildert die soziologische Struktur der Gründungsmitglieder wie folgt: „Jeder Fremde und jedes hinzutretende Mitglied fand darin etwas, wo die Tugend gern verweilt: Aufmerksamkeit ohne sichtbare Anstrengung, Schönheit ohne Vorzug, Mannigfaltigkeit aller Stände, Alter und Gewerbe, ohne affektierte Wahl, Ergötzung an einer schönen Kunst, ohne Ermüdung; die Jugend, das Alter, den Adel und

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

den Mittelstand; die Freude und die Zucht, den Vater und die Tochter, die Mutter mit dem Sohn, und jede Vermischung von Geschlechtern und Ständen, die, gleich einem Blumengarten im Frühling, den feinsten Sinn bildsamer Menschen nur ergötzen kann. Diese Gesellschaft erschuf und erzog sich selber, regierte, ernährete und beschützte sich selber, ohne weitere Pläne, ohne Förmlichkeit und strenge Justiz – und in dieser Verfassung hat sie ihr Stifter hinterlassen“ (Zelter, 1801, S. 33). Die Zahl der rasch sich vermehrenden Mitgliederschar wächst zwischen 1791 und 1815 von 27 auf 291 Sängerinnen und Sänger an. Eine detaillierte Übersicht zu dieser Entwicklung findet sich bei Lichtenstein, S. XXIX. Die 27 Gründungsmitglieder des Jahres 1791 finden sich in einer verlorenen, aber bei Schünemann reproduzierten Liste in Faschs Handschrift. Zu den prominenten Mitgliedern der ersten zehn Jahre gehören neben Fasch und Zelter u. a. der Verleger Friedrich Nicolai, Graf v. Brühl, die Kammermusiker Adam und Baumer, die Sängerin Charlotte Wilhelmine Caroline Bachmann, Abraham Mendelssohn, Sara Levy, Kriegsrat Beyer, Geheimsekretär Clemen, die Majorin Dietrich, der Königliche Sänger Fischer, die Justiz-Räthin Flamminius, die Professoren Hartung und Ideler, Medailleur Loos und Münz-Meister Loos, Juliane Pappritz, Polizei-Rätin Lütke sowie der Musik-Direktor Hellwig. – Während Fasch die Aufnahme in die SAK noch durch eine unverbindliche Prüfung vornimmt, beginnt – auch bedingt durch den starken Andrang – mit Zelter eine strenge Auswahl der Mitglieder nach musikalischen Kriterien (wie gleicher Gewichtung der Stimmgruppen, stimmliche Eignung, Notenkenntnisse etc.). 1804 wird eine Expectanten-Liste angelegt, wobei die Vorsteher gemeinsam mit dem Direktor über eine Aufnahme beraten haben. Die genauen Kriterien hierfür verzeichnet erstmals die Verfassung von 1816. Unter den zwischen 1800 und 1815 beigetretenen Mitgliedern sind u. a.

Giacomo Meyerbeer (Beitritt 1805) und Friedrich Schleiermacher (Beitritt 1809) hervorzuheben. Die Mitgliederzahl der SAK wird seit 1791 fortlaufend gezählt, die aktuelle Mitgliederzahl liegt bei 10.054 (Stand Juli 2013). Zu den prominentesten Mitgliedern im 19. Jahrhundert zählen u. a. Felix Mendelssohn Bartholdy, Otto Nicolai und Otto von Bismarck. – b) Einzelmitglieder bis 1815 (mit Ein- und Austrittsdaten): Fr. Abich, geb. Klaproth, Berg-Räthin, 1807; H. Adam, Kammer-Musikus, 1793–1799; H. Adelung, Cantor, 1799–1799; Fr. Alberti, Staats-Räthin, 1794; Frl. Alexander I., 1806–1806; H. Altmann, 1811–1811; Frl. v. Alvensleben, 1812– 1814; H. Ambrosch, Königlicher Sänger, 1810–1817; H. Amelang, Geheimer Rat, 1804–1809; Frl. Amelang I., 1801–1809; Frl. Amelang II., 1801–1804; Frl. Andresse, 1812– 1833; H. Angely, Hof-Staats-Secretair, 1798– 1809; Fr. v. Arnauld, geb. Müller, 1813–1833; Fr. Arndt, geb. Schleiermacher, Predigerin, 1809–1813; Fr. v. Arnim, geb. Brentano, 1810–1812; Fr. v. Arnstein, 1794–1794; Frl. v. Arnstein, 1802–1802; H. Alsmann, Conducteur, 1808–1808; H. Auerswald, Hofrat 1812–1829; Fr. August, geb. Fischer, Gymnasial-Directorin, 1810–1838; H. v. Babo, Stud., 1814–1816; H. Bach, Musik-Direktor, 1815; Fr. Bachmann, Sängerin, 1791–1817; Fr. Bading, Rendantin, 1805–1806; H. Balan, Kaufmann, 1807–1809; Frl. Balan, 1806–1826; Frl. Balk, 1811–1811; Frl. Barandon 1799–1813; Frl. Barbiez, 1806–1823; H. Barez, Cand., 1809–1812; Frl. v. Barleben, 1804–1806; Frl. Bartikow, 1813–1814; Frl. Bauer, 1796–1800; H. Baumer, Kammer-Musikus, 1794–1794; H. Bechtold, Kriegs-Rat, 1803–1831; Frl. Becker I., 1809–1811; Frl. Becker II., 1811– 1812; H. Meyer Beer (Meierbeer), KapellMeister, 1805; H. Heinrich Beer, Particulier, 1805; H. Wilhelm Beer, Geheim. CommerzRat, 1812–1831; Fr. Beer, geb. Meyer, 1814– 1834; Frl. Beerbaum I., 1809–1811; Frl. Beerbaum II., 1809–1820; H. Beekow, Küster an der Petri-Kirche, 1810–1810; Frl. Behrend I., 499

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Abb. 98  Handschriftliche Mitgliederliste der Sing-Akademie von Carl Friedrich Fasch, 1791.

1797–1798; H. Bellermann, Professor, 1814; H. Benda, Hofrat (Rendant), 1809; Frl. Bendemann, 1814–1819; H. Berger, Musiklehrer, 1803–1804; H. Bergmann, Kriegs-Rat, 1807– 1808; Fr. Bergling, 1794–1804; Frl. Bernard I., 1805–1808; Frl. Bernard II., 1806–1813; H. Berndt, 1812–1814; Frl. Bernoulli, 1798– 500

1799; H. Beschort, Königl. Schauspieler, 1805; H. Bethke, Lehrer, 1801–1807; H. Beuth, Wirkl. Geheim. Reg. Rat, 1805–1826; H. v. Beyer, Kammergerichts-Rat, 1807–1826; H. v. Beyer, Oberst, 1809–1834; H. Beyer, KriegsRat, 1791–1814; H. Beyer, Geheim-Secretair, 1793–1795; H. Beyer, Lotterie-Director,

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

1810–1815; Fr. v. Beyer, geb. Hueser, 1814– 1826; Frl. v. Beyer, Minette, 1811–1830; Frl. v. Beyer, Emilie, 1811–1830; Frl. Beyrich, Henriette, 1800–1806; Frl. Beyrich, 1804–1812; H. Biester, 1804–1806; H. Birnbach, Musiklehrer, 1801–1801; H. Blanck, Kaufmann, 1800–1824; Frl. Blanck, 1793; Frl. Caroline Blancke, 1802–1811; Fr. Bloch, geb. Leo, 1815–1833; H. Blüher, 1812–1813; H. Blume, Stud, 1807–1819; H. Bode, Chef-Präsident, 1814–1841; Fr. Bode, geb Neubronner, 1797–1802; Frl. Bode, Emmeline, 1793– 1796; Frl. Bode, Caroline, 1801–1813; Frl. Böheim, 1795–1801; Frl. v. Böhmer, 1805– 1807; H. Bonte, 1794–1796; H. Bornemann I, Gen. Lotterie-Director, 1801; Frl. Bornemann, 1802–1804; H. Bossart, 1811–1812; H. Bothe, Informator, 1798–1799; H. Bothe, Doctor, 1806–1814; H. Boule, Kaufmann, 1804–1804; H. Boy, Informator, 1804–1805; Fr. v. Brandenstein, Hauptmännin, 1798– 1804; Frl. v. Brandenstein, 1799–1804; Fr. Brasch, geb. Spener, 1805–1817; H. Brassert, 1794–1794; H. Brassert, Geh. Ober Trib. Rat, 1813–1814; H. Braun, Schul-Director in Coblenz, 1810–1812; Fr. Braun, geb. Fischer, 1801–1812; H. Brese, Ausculator, 1807–1831; Frl. v. Britzke, 1809–1812; Fr. Brose, geb Fetschow, 1803–1804; Fr. Brose, geb Karsten, 1808–1814; H. Graf v. Brühl, Wirkl. Geheimer Rat, 1793–1837; Fr. Brusselin, 1796– 1797; Fr. v. Budberg, 1813–1817; Fr. Büsching, Professorin, 1804–1805; Frl. v. Burgsdorff, 1813–1816; Fr. Burnat, 1798–1799; H. Bussler, Hof-Staats-Secretair, 1800–1823; Fr. Bussler, geb Krüger, 1811–1816; Frl. Butze, 1801–1804; Frl. Calix I., 1796–1797; Frl. Calix II., 1796–1798; H. Caspar, Geheimer-Medizinal-Rat, 1810–1825; Fr. Caspar, geb Robert, 1814–1825; Fr. Catel, geb Schiller, 1801–1810; Frl. Cavan I., 1814–1833; H. Chifflar, Portrait-Maler, 1802–1802; H. Claudius, 1814–1815; H. Clemen, Geheim-Secretair, 1793–1793; Frl. Clemen, 1791–1792; Fr. Clodius, geb. Witthauer, 1811–1812; H. Crae­ lius, Kammer-Sänger, 1801–1802; Fr. Crelin-

ger, geb Düring, Königl. Schauspielerin, 1814–1818; H. Crelle, Geh. Ober-Bau-Rat, 1809–1834; H. Croll, 1805–1807; H. Cube­ lius, Kammer-Musikus, 1813; Fr. Dälicke, geb. Seydel, 1813; H. Danefield, Calculator, 1801–1804; H. Debeau, KammergerichtsReferendar, 1807–1807; Fr. Decker, KriegsRätin, 1796–1819; H. Delbrück, General-Superintendent, 1802–1810; Frl. Delius, 1792– 1793; H. Delley, 1794–1794; H. Desmann, 1791–1793; Frl. Dethmar, 1813–1814; H. Detmann, Kaufmann, 1803–1829; Frl. Dettmann, 1811; H. Dettmold, Kaufmann, 1803; Frl. Dietrich I., später verehel. v. Hausen, Majorin, 1790–1801; Frl. Dietrich II., 1801– 1801; Frl. Dietrich III., 1801–1806; H. Diettenhöfer, 1797–1798; H. Dönnich, Referendar, 1801–1806; Fr. Dönnich, geb Rosenstiel, 1801–1808; Frl. Dönnich, 1798–1827; Fr. Doussin, geb. Barbiez, 1806–1822; Fr. Dracke, geb. Schwan, 1801–1824; H. Drege, Stud., 1813–1820; H. Dreist, Prediger in Schmiedeberg, 1813–1820; Fr. Dubois, geb. Henry, 1800–1824; Frl. Dubois, 1806–1812; H. Dunckel, 1814–1818; H. Duncker, Buchhändler, 1808; Frl. Dutitre, 1813–1819; Fr. Dzimsky, geb. Giesemann, 1813–1816; H. Ebel, 1798– 1799; Frl. Eben (nachmals Geh. R. Bethe) 1799–1803; H. Ebert, 1794–1794; H. Eberwein, Kapell-Meister, 1809–1809; H. Eckart, 1796–1797; H. Ehrhard, Referendar, 1796– 1797; Fr. Eiselen, geb Bornemann, 1836; Frl. Eisendecher, 1805–1807; Frl. Eltester I., 1813–1819; Frl. Eltester II., 1814–1819; H. Ephraim, 1804; H. Erard, Auditeur, 1805– 1805; Fr. v. Erhard, geb. Bode, Oberst-Lieutenantin, 1807; Fr. v. Ernsthausen, geb. Meyer, 1814–1827; H. Eunicke, Königl. Sänger, 1810; H. Falk, Justiz-Rat, 1801–1808; Frl. Falkmann, 1800–1807; H. Fasch, Musik-Direktor, 1790–1800; H. Feldmann, 1795–1795; H. Felgentreff, Canzlei-Director, 1804–1832; Frl. Ferber, 1792–1797; H. Graf v. Finckenstein I, 1795–1799; H. Graf v. Finckenstein II., 1797–1799; Frl. Gräfin v. Finckenstein I., 1796–1799; Frl. Gräfin v. Finckenstein II., 501

7  Kunstausübende Vereine

1797–1799; Frl. Fischbach, 1806–1819; H. Fischer, Königl. Sänger, 1792–1793; H. Fischer (Sohn), Königl. Sänger, 1793–1796; H. Fischer, Professor, 1813–1841; Fr. Fischer, Königl. Sängerin, 1792–1793; Fr. Flamminius, geb. Clemen, Geh. Justiz-Rätin, 1791–1794; H. Flemming, Doctor Medic., 1803–1813; Fr. Flittner, geb Krause, 1794–1798; Frl. Flügge, 1810–1811; H. Focke, 1801–1804; Fr. Förster, geb. Gedicke, 1813; Fr. Fournier, geb. Müller, 1793–1798; Frl. Francius, 1813–1814; H. Francke, Cantor, 1794–1795; Fr. Gräfin v. Franckenberg, 1802–1803; Fr. Freitag, geb. Windhorn, 1801–1812; Frl. Freund, 1800– 1803; Frl. Freyschmidt, 1810–1812; Frl. Freyschmidt, 1813–1814; Fr. v. Freystedt, geb. Hauchecorne, 1800–1804; Fr. Freytag, geb. v. Haak, 1799–1803; H. Frick, Referendar, 1802–1806; H. Frick, 1808–1809; Frl. Frick I., 1808–1809; Frl. Frick II., 1810–1827; H. Friedrich, Rendant, 1813–1815; Frl. Fritzsch, 1801–1803; H. Fromm, Auditeur, 1801–1803; Frl. Fromm, 1795–1796; H. Froriep, Professor, 1808–1808; H. Funck, 1813–1814; Fr. Funck, geb. Clausius, 1798–1807; H. Fux, 1792– 1793; Fr. Gadebusch, geb. Metzner, 1809– 1813; H. Gaede, Geheim-Secretair, 1808– 1812; Frl. Gebhard, 1800–1808; H. Gedicke, Kammergerichts-Rat, 1806–1839; Fr. Gedicke, geb Marcuse, 1803; Frl. George (nachmals Fr. Chodowiecki), 1793–1794; Frl. George, 1808–1812; H. Gerber, 1793–1794; Fr. v. Gerlach, Präsidentin, 1799–1803; Frl. Gerlach, 1815–1816; H. Germershausen, Kaufmann, 1807–1817; H. Gern, Königl. Sänger, 1801–1830; H. Gern (Sohn), Königl. Schauspieler, 1807–1810; H. Gersdorff, Cantor, 1797–1807; H. Gertich, 1800–1800; Frl. Gibsone, 1812–1817; H. Giesemann, Geheim-Secretair, 1805–1822; H. Glaser, Geheim-Secretair, 1796–1799; Frl. Göcking, 1801–1804; H. Göpp, Fabrikant, 1804–1806; Frl. Görwitz, 1808–1808; Frl. Goltz, 1798– 1800; Frl. Goslar, 1799–1799; H. Gotthold, Referendar, 1801–1804; H. Gradolff, 1793– 1795; H. Gräfe, Musiklehrer, 1803–1805; H. 502

v. Gräfe, Geheimer-Med.-Rat, 1811–1814; Fr. v. Grävenitz, 1810–1810; Frl. Graf, 1801– 1804; H. Grahl, Musikus, 1797–1799; H. Grapengießer, Doctor Med., 1802–1807; Frl. Grapengießer, 1803–1807; H. Graßhoff, 1808–1822; Frl. Graziani, 1791–1792; H. Grell I., Geheim. Registrator, 1794–1826; H. Grell II., Prediger, 1809–1821; Fr. Grell, geb. Karbe, Predigerin, 1804–1821; Frl. Haake, 1797–1804; Frl. Haake, 1802–1803; Frl. Haas, 1811–1812; Fr. v. Häseler, geb. v. Sydow, 1814; Fr. Gräfin v. Hagen, 1804–1810; Frl. Gräfin v. Hagen, verehel. v. Tronchin, 1804– 1810; H. Hagen, Referendar, 1802–1806; Fr. Hagemann, geb. Hauchecorne, Amts-Rätin, 1810–1810; H. Hahn, Professor, 1807–1809; Frl. v. Halle, 1814–1814; H. Hansmann, 1792–1793; H. Hardege, Doctor, 1802–1804; H. Harnecker, 1813–1818; Frl. Hartig, 1813– 1816; H. Hartung I., Professor, 1791–1839; H. Hartung II., Cantor, 1799–1804; Fr. Hartung, Professorin, 1799–1804; Fr. Hartung, geb. Hartung, 1799–1816; H. Hauchecorne, Referendar, 1814–1816; Frl. Hauchecorne, 1807–1809; Fr. v. Hausen, geb. Dietrich, Majorin, 1790–1801; Frl. Heim, 1801–1802; H. Heinart, 1806–1807; Frl. Heiner, 1801–1804; H. Heise, 1792–1798; Frl. Helling, 1809– 1833; H. Ludwig Hellwig, Musik-Director, 1793–1838; H. Hellwig, Justiz-Rat, 1800– 1827; H. Friedrich Hellwig, Legationsrat, 1814–1832; Fr. Hellwig, geb. Jachtmann, 1796–1818; Fr. Hellwig, geb. Jordan, MusikDirectorin, 1808; Fr. Hellwig, geb. Pochhammer, 1805–1839; H. Helms, 1794–1794; Fr. Helms, geb. Kreuz, 1810–1831; H. Henneberg, Geh. Justiz-Rat, 1797–1836; Fr. Henneberg, geb. Troschel, 1793; H. Henry, 1809– 1813; Fr. Henry, 1800–1809; Fr. Hentschel, geb. Hauchecorne, 1799–1804; Fr. Herbst, geb. Unzelmann, 1804–1805; Frl. Herdt, 1806–1807; H. Herrosee, 1794–1795; H. Herz, 1809–1809; Frl. Herz, 1813–1814; H. Herzberg, Lehrer, 1813–1817; Frl. Herzberg, 1814–1823; H. Herzog, Gymnasial-Director, 1797–1798; Fr. Hesse, geb. v. Halle, Stadträtin,

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

1800; Frl. Heyl, 1813–1814; Frl. v. Hinrichs, 1812–1816; Frl. Hintze, 1799–1801; H. Hofmann, Kammer-Secretair, 1802–1809; Fr. Hoffmann, Pauline, 1802–1805; Frl. Hofmann, 1800–1802; Frl. Hoffmann, 1814; H. Holle, Buchhändler, 1802–1803; H. v. Holzendorff, 1810–1811; Fr. Horn, geb. Gedicke, Doctorin, 1799–1806; Fr. Hufeland, geb. Troschel, Staats-Rätin, 1804–1814; Frl. Hufeland (nachm. Fr. Majorin Becherer), 1813– 1820; Fr. Humblot, geb. Jordan, 1808–1813; H. Hurka, Sänger, 1791–1801; H. Jachtmann, Bauinspector, 1796–1811; H. Jahn, Bauinspector, 1795–1795; H. Jancke, Doctor, 1810–1816; Fr. Jancke, geb. Elze, 1813–1814; H. Jawureck, 1813–1813; H. Ideler, Professor, 1794–1799; Frl. Jeschke, 1797–1813; H. Ihring, 1797–1799; H. Johannes, 1790–1790; Fr. Jonas, geb. v. Halle, 1806–1841; H. Jordan Friedel, 1794–1838; H. Charl. Jordan, Geh Justiz-Rat, 1792–1831; H. Emil Jordan, 1810– 1828; Fr. Jordan Friedel, 1793–1837; Frl. Jordan, Henr., 1809–1816; H. Josting, 1805– 1805; H. Jouanne, 1812–1814; H. Graf v. Itzenplitz, 1814–1827; Frl. Itzig, Recha, 1806– 1841; H. Jungius, Professor, 1806–1809; Frl. v. Kalb, 1804–1813; H. Kannenberg I., Secretär, 1812–1827; H. Kannengießer, 1808–1811; H. Kanzler, Professor, 1807–1827; H. Karges, Referendar, 1803–1805; Fr. Karsten, geb. Rosenstiel, Geh. Ober-Berg-Rätin, 1802; Frl. Mariane Karsten, 1810; Frl. Kemnitz, 1812; Fr. Keßler, geb. Bonte, 1794–1799; H. Kettler, Bau-Conducteur, 1802–1804; Frl. v. Klaas I., 1799; Frl. v. Klaas II, 1799–1803; H. Klage, Musikhändler, 1807–1832; H. Klein, 1802– 1804; Fr. Klein, geb. Parthey, 1814–1829; H. Kleinhans, 1791–1793; Frl. Kleinhans I., 1804–1807; Frl. Kleinhans II., 1804; H. v. Kleist, 1810–1814; H. Klipfel I., Hofrat, 1810–1827; Frl. Klipfel, 1808–1812; Fr. Kluge, geb. Kolbe, Geh Medicinal-Räthin, 1800– 1831; Frl. Knigge, 1812–1816; H. Knievel, 1807–1810; H. Knönagel, 1811–1812; Fr. Knorr, geb. Wahlstab, 1794–1794; Frl. Koblanck, 1801–1801; H. Koch, Kriegs-Rat,

1800–1802; H. Koch, Referendarius, 1802– 1804; H. Koch, Referendarius, 1813–1816; Fr. Koch, 1793–1793; Frl. Koch, 1796–1802; Frl. Friderike Koch, 1797; H. Köhler, 1806– 1826; H. Köhler, Kriegs-Rat, 1807–1814; H. Köhler, Staats-Rat, 1813; Frl. Köls, 1803– 1837; H. König, Cantor, 1807–1809; Fr. König, 1806–1807; H. v. Königsmark, 1803– 1804; H. Köpke, Professor, 1800–1804; Fr. Köpke, Professorin, 1803–1807; H. Körner, Staats-Rat, 1815–1831; Fr. Kohlrausch, geb. Eichmann, Geheime Med.-Räthin, 1800– 1825; Frl. Kolbe (nachm. Fr. Prof. Catel), 1800–1808; H. Kramer, Kriegs-Rat, 1813– 1837; H. Krause, Doctor philos., 1814–1823; Fr. Krause, geb. Seebald, Justiz-Räthin, 1801; Frl. v. Krohn, 1811; Frl. Kroll, 1797–1797; H. Krüger, 1807–1813; Fr. Krüger, geb. Gabain, 1811–1816; Fr. Krüger, geb. Eunicke, 1811– 1816; Frl. Jul. Krüger, 1807; Fr. Krug, geb. Koch, 1796–1799; Fr. Krukenberg, geb. Reil, 1811–1814; H. Kühnau, Organist, 1807– 1820; H. Kühnau, 1813–1824; H. Kühtze, 1800–1800; Fr. Küster, Inspectorin, 1801– 1809; H. Kuhfahl, Informator, 1803; H. Kuhl­ meyer, Referendarius, 1807–1808; Frl. Kummer, 1795–1797; Frl. Kuntz I., 1799–1801; Frl. Kuntz II., 1799–1808; H. Laake, 1794– 1795; H. de Lacoix, Legationsrat, 1805; Frl. Lagarde, 1802–1809; H. v. Lancizolle I., Legationsrat, 1810–1829; Fr. v. Lancizolle, geb. Marcuse, Legationsräthin, 1803–1826; H. Landschulz, Doctor Philos., 1804–1811; H. Lange, Geheim-Secretär, 1806–1813; H. Lange, Gesandtschafts-Secretär, 1807–1809; Frl. v. Lange, 1799–1801; Fr. Langerhans, geb. Schlegel, 1799–1803; H. Langermann, StaatsRat, 1810–1821; Frl. Lantz, 1793–1801; H. Latrobe, 1793–1795; H. Lattig, 1803–1804; Fr. v. Lauer, 1804–1812; H. Lauska, Componist, 1799–1825; Fr. Lauska, geb. Ermeler, 1809–1826; H. Lautier, 1795–1798; Fr. Lautier, geb. Ferber, 1792–1797; Fr. Lautier, geb. Sufsmann, 1796–1797; Frl. Lautier, 1809– 1811; Fr. Lebrun, geb. Thieme, 1803–1830; Fr. Lecoq, geb. Lefebre, Geh. Staatsräthin, 503

7  Kunstausübende Vereine

1800–1817; Fr. Lecoq, geb. Chodowiecki, Präsidentin, 1801–1816; H. Lehmann, Musik-Director, 1791–1810; H. Lehmann, Geh. Ob. Regierungs-Rat, 1797–1801; H. Leis, 1800–1801; Fr. v. Lemberg, geb. Schüler, 1799–1809; Frl. Lemke, 1807–1814; H. Leo, 1813–1827; Frl. Leschke, 1805–1814; Fr. Leßling, Ober-Bau-Räthin, 1802–1805; H. Marcus Levy (gen. Delmar), 1800–1830; Fr. Rosa Levy, 1800; Frl. Levy, 1810; H. Lichtenstein, Geh. Medicinal-Rat, 1810; Fr. Lichtenstein, geb. Hotho, Geh. Räthin, 1813; Fr. Liebert, geb. Gottheiner, 1810–1832; Fr. Liemann, 1792–1806; Frl. Lindenau, 1803–1825; H. Lockstedt, 1796–1797; Fr. Löder, geb. Kellner, 1794–1797; H. Löst, Geh. Kriegs-Rat, 1800– 1808; H. Löwe, Candidat, 1806–1806; H. v. Löwenstein, 1798–1799; Frl. v. Löwenstein, 1798–1799; Frl. v. Löwenstein, 1799–1799; H. Löwenthal, Studiosus, 1804–1805; H. Loos, Medailleur, 1792–1795; H. Loos, MünzMeister, 1793–1812; Fr. Loos, geb. Patzig, 1801–1808; Fr. Lorenz, geb. Falkmann, 1800– 1804; Fr. Lork, geb. Hotho, 1813–1823; H. Lortzing, 1801–1816; H. Ludolff I., JustizRat, 1814–1818; Fr. v. d. Lühe, 1805–1813; Frl. v. d. Lühe I., 1805–1809; Frl. v. d. Lühe II., 1805–1807; Frl. Lütke (nachm. verehel. Fr. Rück), Polizei-Räthin, 1793–1796; Fr. v. Lützow, geb. v. Loder, 1810–1813; Frl. v. Lützow, (nachmals Gräfin Dohna), 1806– 1808; Fr. v. Lützow, geb. v. Laroche, 1812– 1814; H. Luther, 1802–1804; Frl. Maaß, Königl. Schauspielerin, 1806–1808; H. v. Magalon, Lieutenant, 1801–1802; Frl. v. Magalon, 1798–1799; H. Magnus, Maler, 1830–1833; H. Malinsky, 1812–1812; H. Mann, Superintendent, 1804–1807; H. Marechaux, 1801– 1803; H. Marmalle, 1813–1826; H. Marot, Superintendent, 1793–1795; H. Baron v. Martens, 1804–1804; H. Martini, Referendarius, 1796–1796; Fr. Martini, geb. Förster, 1813–1820; H. Marzancka, 1794–1804; Fr. v. Massenbach, 1808–1808; Fr. v. Massenbach, 1812; Frl. Mathés, 1801–1801; H. Mathias, Ober-Land-Bauinspector, 1802–1802; Fr. 504

Mathias, 1805–1805; Frl. Mayer, 1797–1800; H. Mayet, 1806–1808; Fr. Mayet, geb. Zencker, Geh. Calculator, 1802–1808; Fr. Meinert, 1807–1808; H. Meinicke, Dr. Hofrat, 1795–1795; H. Abrah. Mendelsohn, 1793– 1833; H. Nath. Mendelsohn, 1807–1836; H. Alex. Mendelsohn, 1812–1814; Fr. Mendelsohn, geb. Salomon, 1796–1825; Frl. Mendelsohn, 1794–1799; H. Mendheim, Buchhändler, 1813; Frl. Menzel, 1809–1810; Frl. Menzel, 1812–1814; Fr. Merzdorff, geb. Lefebre, 1801–1802; Frl. Merzdorff, 1809–1814; H. Messow, Prediger, 1791–1794; H. Messow, Dom-Candidat, 1794–1796; Fr. Messow, Predigerin, 1790–1794; H. Meyer, Maler, 1807– 1808; Fr. Meyer, Geheime Räthin, 1790– 1791; Fr. Meyer, geb. Gedike, Doctorin, 1799–1835; H. Michaelis, Referendar, 1808– 1816; Frl. Michaelis, 1800–1800; Fr. Michelet, 1796–1802; Fr. Anna Milder, Königl. Sängerin, 1815–1837; H. Mißer, 1810; Fr. Mirus, geb. Schulz, 1799–1802; H. v. Mittelstedt, 1807–1809; Frl. L Möllinger, 1803–1812; Frl. H Möllinger, 1803–1808; H. Moritz, Geheim-Secretair, 1797–1797; H. Moser, BauRat, 1801; H. Moser, Kaufmann, 1801–1802; Frl. Minna Moser, 1804–1807; Frl. Hanna Moser, 1804–1807; Frl. v. Mühlen, 1815– 1815; H. Müller, 1801–1809; H. Müller, Buchhändler, 1807–1813; Frl. Müller, 1797– 1804; Frl. Müller 1813–1816; H. Muhr, 1800–1800; Frl. Natusch, 1801–1803; H. Naue, Univers. Musikdir. in Halle, 1810– 1810; Frl. Naumann, 1802–1804; H. Neo, 1799–1821; Fr. Nernst, geb. Formey, 1813– 1834; H. Neubauer, Referendar, 1807–1819; Fr. Neubauer, geb. Mendheim, 1813–1825; H. Neuendorff, 1812–1813; Frl. Neuhaus, 1806; Frl. Neumann, 1807–1808; H. Fr. Nicolai, Buchhändler, 1792–1793; H. Nicolai, Prediger, 1805–1808; Fr. Charlotte Nicolai, 1793–1793; Fr. L. Nicolai, 1795–1808; Fr. Nicolai, geb. Eichmann, 1803–1807; Fr. Niemeyer, geb. Eberus, Professorin, 1811–1814; Fr. Niemeyer, 1811–1813; Fr. Nobiling, geb. Gardemin, 1792–1794; Fr. Nobiling, geb. It-

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

zig, 1814–1833; H. Nowack, Registrator, 1806–1811; H. Olivier, 1803–1803; Frl. Oppenheim, 1808; H. Oppermann, Informator, 1801–1809; H. Oswald, 1808–1816; Fr. Oswald, 1808–1823; H. Otto, Post-Secretär, 1800; Frl. Otto, 1802; Frl. Otto, 1804–1808; H. Paasche, Geh. Hofrat, 1806; H. v. Palm, 1811–1812; H. Pampe, 1811–1815; H. Pape, Kammer-Secretär, 1795–1808; Fr. Parthey, geb. Nicolai, Hofräthin, 1793–1796; H. Patté, 1792–1797; H. Patzig, Geh. Regierungs-Rat, 1795–1840; H. Patzig, Musikus, 1804–1819; Fr. Patzig, geb. Fuchs, 1801–1835; Fr. Pauli, geb. Müller, 1793–1802; Fr. Pelkmann, geb. Troschel, Superintendentin, 1792–1808; Frl. v. Pellet, 1802–1803; Frl. Petermann, 1804– 1804; Fr. Peters, geb. Klipfel, 1813–1828; H. Petersen, Doctor Med., 1807–1828; H. Petersen, Apotheker, 1810–1814; Fr. Petersen, geb. Kramer, Doctorin, 1812–1817; Frl. Petri, 1804–1804; Frl. Petzko, 1811–1812; Frl. Pflug, 1806–1808; Frl. Pflug, 1807–1808; H. Pfund, 1807–1808; Fr. Pfund, 1815–1817; Fr. Pinkert, geb. Jordan, 1813–1833; H. Pistor, Geh. Post-Rat, 1803–1805; Fr. Pistor, geb. Hänselen, 1803–1834; Frl. v. Plater, 1798–1798; Frl. Platzmann I., 1798–1799; Frl. Platzmann II., 1798–1800; H. Pochhammer, 1805; H. Pochhammer, Geheim-Secretär, 1814–1836; Fr. Pochhammer, geb. Rosenstiel, 1797–1816; H. Pölchau, 1814–1836; Fr. Pölchau, 1814–1817; Fr. Pösch, 1800–1803; H. Poppe, Stud., 1802– 1803; H. Poselger, Referendar, 1807–1808; H. Preuß, 1810–1815; Fr. Preuß, 1791–1791; Frl. Preuß, 1791–1799; Fr. v. Pröckh, geb. Delius, Majorin, 1794–1795; Frl. v. Pröckh, 1813– 1814; Fr. Püttmann, 1812–1815; H. v. Puttkammer, 1801–1830; Frl. v. Puttlitz, 1806– 1813; Fr. Quade, Stadträthin, 1799–1799; Frl. Rabe, 1813–1816; H. v. Raumer, Professor, 1801–1839; Fr. Raumer, geb. Riedel, 1813– 1816; H. Ravache, Seehandlungs-Secretär, 1802–1810; Fr. Ravache, geb. Hansen, 1802– 1810; H. Rebenstein, Cantor, 1791–1796; Fr. v. Reck, geb. v. Bölzig, 1812–1820; Fr. Reclam, 1803–1804; H. Redtel, Ob. Landes Ge-

richtsRat, 1804–1819; Fr. Redtel, geb. Püttmann, 1807–1819; Fr. Rehage, geb. Hauchecorne, 1801–1809; Frl. Reichert, 1796–1798; H. Graf v. Reichenbach, 1803–1803; Fr. v. Reichenbach, geb. Welper, 1813–1824; H. Reimann, Privatgelehrter, 1793–1794; H. Reiß, 1812; H. Reißert I., 1800–1830; H. Reißert II., Geh. Secretair, 1801–1809; Fr. Reißert, geb. Bardou, 1800–1809; H. Rellstab, 1792–1797; Fr .Rellstab, 1806; Fr .Rellstab, 1809–1829; H. Remde, 1804–1805; H. Rex, Musik-Director, 1807; H. Ribbeck, Dr., Gymnasial-Director, 1800; Frl. Charlotte v. Ribbentrop, 1814–1816; Frl. Richet, 1802– 1804; Fr. v. Ridderstolpe, geb. Kolbe, 1813– 1816; H. Riedel, 1803–1803; Frl. Riedel (nachm. Fr. Doctorin Raumer), 1799–1814; Frl. Riedel, 1813–1816; H. Riefenstahl, 1795–1795; Frl. Riemann, 1804–1807; H. Rienecker, Chor-Director, 1801–1812; H. Riese I., Modelleur, 1805–1810; Fr. Rintel, geb. Zelter, 1797–1817; H. Ritschl, Evangel. Bischof, 1805–1827; Fr. Ritschl, geb. Meudtner, 1813–1820; H. Ritzenfeld I., Musiklehrer, 1800–1800; H. Ritzenfeld II., Musikus, 1800–1800; H. Römer, Doctor Phil., Hofrat, 1812–1814; H. Röhn, 1811–1812; H. Rohleder, 1797–1798; H. Rong, 1799–1799; H. Ronnenberg, Secretair, 1812–1813; H. Rosenau, 1796–1796; Fr. Rosentreter, 1797–1798; Frl. v. Rudorff, 1814; Frl. Rummel, 1793– 1797; H. Rungenhagen, Musik-Director, 1801; Frl. Rust, 1807–1807; Fr. Safft, 1802– 1803; Fr. Saling, geb. Salomon, 1804–1808; H. Salpius, Cand. Theol., 1808–1811; H. Sander, 1793–1793; H. Sander, Buchhalter, 1801–1832; Fr. v. Sartorius, 1807–1809; Fr. v. Savigny, 1810–1813; H. Schabe, Corrector, 1791–1804; H. Schauß, Kaufmann, 1802; Fr. Schede, 1812–1825; Frl. Schede I., 1812; Frl. Schede II., 1812–1824; Frl. v. Schenckendorff, 1800–1801; Fr. Schickedanz, geb Rebstock, 1813–1835; H. Schilling, Doctor, 1794–1794; Fr. Schiller, geb. Pappritz, 1811–1824; Fr. Schirrmann, Geh. Räthin, 1797–1827; Frl. Schläger, 1803–1807; H. Schleiermacher, 505

7  Kunstausübende Vereine

Theol. Dr. und Professor, 1809–1834; Fr. Schleiermacher, 1809–1814; H. v. Schlichting, 1811–1812; Frl. Schlinzig, 1805–1805; H. Schlosser, Doctor, 1806–1807; Fr. Wilhelmine Schmalz, 1808–1835; Fr. Auguste Schmalz, 1808–1829; Frl. Schmalz, Königl. Sängerin, 1790–1792; Fr. Schmeling, geb. Jahn, 1814– 1816; H. Schmidt I., Candidat, 1801–1801; H. Schmidt, 1801–1808; H. Schmidt, Hofrat, 1804; H. Schmidt, Assessor, 1813–1813; H. Schmidt, Kupferstecher, 1817–1824; Fr. Schmidt, geb. Zencker, 1820–1828; Frl. Schmidt, 1794–1794; Frl. Schmidt, 1802– 1832; Frl. Schmidt, 1806–1807; H. Schneider, Rechnungsrat, 1812–1824; Fr. Schneider, 1796–1796; H. Schoch, 1813–1831; Fr. Fried. Schoch, 1809–1822; Frl. Schöning, 1809– 1811; Frl. Scholz, 1794–1794; H. Schondorff, 1796–1797; Fr. Schrader, geb. Bode, Medicinal-Assessorin, 1793–1796; H. Schregel, 1793–1795; H. Schröder, Schauspieler, 1792– 1793; H. Schuhmacher, Musiklehrer, 1796– 1808; Frl. Schuhmacher, 1797–1798; H. Schumann, Prof. an d Akad. d. Künste, 1800– 1804; H. Schultz, Geh. Ober-Reg.-Rat, 1808–1821; H. Schulz, Kammer-Musikus, 1791–1798; H. Schulz, Kriegs-Rat, 1795– 1820; H. Schulz, Referendar, 1800–1820; H. Schulz, Berg-Cadet, 1802–1805; H. Schulz, Bau-Conducteur, 1803–1804; H. Schulz, Divisions-Prediger, 1809; Fr. Schulz, geb. Kilitschky, Königl. Sängerin, 1806; Fr. Schulz, geb. Rellstab 1814–1819; Frl. Caroline Schulz, 1812–1831; Fr. Schumann, geb. Hagen, 1794– 1795; Frl. Schwadke, (nachmals Fr. Cavan) 1793–1793; H. Schwarz, Lehrer am Gr. Kloster, 1812–1814; H. Schwiening, Prediger, 1805–1806; Fr. Sebald, geb. Schwadke, 1791– 1795; H. Seeger, Stadtrat, 1802–1819; H. Seidel, Kapellmeister, 1791–1831; H. Seidel, Studiosus, 1807–1808; Fr. Seligmann, geb. Itzig, 1792–1794; Frl. Seligmann (nachmals Fr. Bendix), 1811–1814; Fr. Semler, geb. Nobiling, 1790–1794; H. Senayders, 1791–1793; H. Sieber, Geheim-Secretär, 1804–1805; Frl. Simon, 1795–1813; Frl. Solmar, 1807–1828; 506

Frl. Soltner, 1814–1822; H. Sotzmann, Referendar, 1802–1804; Frl. Sotzmann, 1801– 1801; H. Spatzier, Hofrat, 1791–1794; Fr. Spatzier, geb. Meyer, 1794–1794; H. Spiker, Dr., Bibliothekar, 1807; H. Spillecke, Professor, 1800–1820; Fr. Spillecke, geb. Küster, 1803–1812; Fr. Sprengel, 1798–1799; H. Staberoh I., Kaufmann, 1815–1840; H. Stägemann, Prediger, 1797–1812; Fr. v. Stanisczuska, 1795–1795; Fr. Starke, geb. Zenker, 1813; Fr. Stavenhagen, geb. Sterling, 1797–1809; H. Steinbach, Geheim-Secretär, 1813–1824; H. Steinbeck, Referendar, 1797–1830; H. Steinmeyer, 1811; Fr. Steinmeyer, geb. Wimmel, 1811; Fr. v. Steinmetz, 1814–1814; Frl. v. Steinmetz, 1814–1814; H. Stenge, 1795– 1795; Frl. Stierle, 1809–1810; H. Stobwasser I., 1814; Fr. v. Stojenthin, geb. v. Zenge, 1812–1814; Frl. Stotzer, 1813–1820; H. Streit, Cantor, 1796–1819; Fr. Strenge, geb. Andresse, Geh. Räthin, 1808; H. Stümer, 1804; Fr. Stümer, geb. Welz, 1813–1828; Frl. Surleau, 1806–1814; Frl. v. Taubenheim (nachm. Fr. v. Heister), 1792–1793; Fr. Taubner, 1805– 1806; Fr. Teichert, geb. Hobert, 1804–1805; Fr. v. Tettenborn, geb. v. Piper, 1810–1816; Fr. v. Thadden, geb. v. Hallmann, 1796–1798; Frl. Therbusch, 1808–1810; H. Theremin, Candidat, 1799–1801; H. Thielemann, Mus. Instrumentenmacher, 1805–1821; Frl. v. Thümen, 1808–1819; Fr. Tietze, Doctorin, 1811– 1814; H. Tilly, Secretair, 1802–1810; H. Töpfer, 1813–1814; Frl. Tollin, 1801–1804; Fr. Tomasini, geb. Croll, 1802–1804; Fr. Toussaint, geb. Engel, 1795–1805; H. Trautvetter, 1803–1804; Fr. v. Treskow, geb. Jouanne, 1801–1828; H. Troschel, Justiz-Rat, 1796– 1804; Fr. Troschel, geb. Niclas, 1790–1800; H. Graf Truchseß, 1800–1801; Fr. Truitte, 1799– 1802; Fr. Türke, Justiz-Räthin, 1808–1820; Fr. Türrschmidt, geb. Braun, 1814; H. Ulrici, Kaufmann, 1803–1808; Fr. Ulrici, geb. Gürrlich, 1807–1817; Frl. Julie Ulrici, 1801–1812; Fr. Unger, geb. Pappritz, 1801–1805; Frl. Unger, 1802–1810; Frl. Unzelmann, 1805–1807; Frl. Valentin, 1812–1813; Fr. Veit, geb. Men-

7.2  Sing-Akademie zu Berlin [SAK]

delsohn, 1796–1799; H. Vettien, Prediger, 1803–1810; Fr. Vettien, geb. Bitter, Ober Regierungs-Räthin, 1808–1810; Fr. Villaume, geb. Deutsch, 1798–1804; H. Violet, Candidat, 1810–1812; H. Vogel, Candidat, 1812– 1816; Frl. Vogel, 1797–1802; Frl. Louise Vogel, 1802–1804; Frl. Nina Vogel, 1802–1804; Fr. Voitus, geb. Pappritz, Professorin, 1791– 1837; Frl. Voitus, Minna, 1793–1800; Frl. Voi­ tus, Ernestine, 1796; Frl. Vollney, 1800–1801; Fr. Wache, 1815–1822; Frl. Wachenhausen, 1813–1817; Frl. Wagener, 1796–1797; Frl. Walter, 1802–1807; Frl. Walther, 1810; Frl. Walther, 1803–1803; Fr. Walther, Professorin, 1805–1807; H. Waxmann, 1795–1795; Fr. Weber, Kapellmeisterin, 1811–1834; Fr. Wegely, 1792–1800; Frl. Wegely, 1799–1800; Frl. Wegely, 1800–1802; Frl. Wegely, Philippine, 1801–1802; Fr. v. Wegener, geb. Barandon, 1799–1808; Frl. v. Wehmar, 1805–1806; H. Weisse, Kaufmann, 1810–1820; H. Weisse, Lehrer, 1813–1820; Fr. Weisse, geb. Andresse, 1808–1814; H. Weitsch, Rector, 1794–1795; Fr. Weitsch, 1800–1806; H. Weitzmann, I., Kammer-Secretair, 1800–1802; H. Weitzmann, II., Schauspieler, 1800–1804; H. Wendt, Referendar, 1804–1804; Frl. Wentz, 1796– 1796; Frl. Wesendonk, 1805–1806; H. Westenholz, Musikus, 1797–1799; H. Wilmsen, Prediger, 1793–1803; Fr. Wilmsen, geb. Zencker, 1795–1812; H. Wimmel, SteinmetzMeister, 1809–1814; H. v. Winning, 1800– 1802; H. v. Winterfeld I., Geh Ober-Trib-Rat, 1809–1816; H. v. Winterfeld II., 1809–1809; Fr. v. Winterfeld, geb. v. Thümen, 1808–1816; H. Winzer, Referendar, 1804–1808; Fr. Winzer, geb. Pochhammer, 1803–1838; Frl. Witte, 1796–1799; Frl. Woderb, geb. Langerhans, 1826–1799; Frl. Woderb (nachmals Fr. Bieler), 1810–1816; Fr. Wolf, geb. Itzig, 1799–1807; Frl. Wolf (nachmals Fr. Körte), 1807–1809; Frl. Wolf, 1812–1833; H. Wollank, Justiz-Rat, 1799–1831; Frl. Wollank, 1799–1808; H. Woltmann, Professor, 1803–1822; H. Wurm, Banko Buchhalter, 1801–1816; Fr. v. Wurmb, geb. v. Göcking, 1799–1801; Frl. Zahn, 1799–

1803; H. Zelle, Prediger, 1808–1818; H. Zelter, Professor, 1791–1832; H. Georg Zelter, 1803–1803; H. Adolph Zelter, 1812–1816; Fr. Zelter, geb. Pappritz, 1790–1806; Fr. Doris Zelter, 1802; H. Zencker, Geh. Hofrat, 1790– 1802; Fr. Zencker, 1815–1820; Frl. v. Zenge, 1798–1799; Frl. Henriette v. Zenge, 1812– 1813; Frl. Caroline v. Zenge, 1812–1825; H. Zeune, Professor, 1806; H. Zeunert, 1793– 1794; H. Ziegler, Lieutenant, 1802–1804; H. v. Ziethen, Forstmeister, 1803–1803; Fr. v. Ziethen, 1804–1806; Fr. Zimmermann, geb. Rieß, 1814–1834; H. Zobel, 1798–1799; Fr. Zschock, Geh. Ob. Finanz-Räthin, 1802; H. Zugbaum, Musiklehrer, 1814–1814; H. Zumpft, Geh. Registrator, 1806–1808; H. Zwicker, Geh. Ob. Trib-Rat, 1810; Fr. Zwicker, geb. Schoch, 1806–1810; Frl. Zwicker, 1810–1815; Fr. v. Zylow, 1793–1794 (Quelle: Namen-Verzeichniss der Personen, welche in den ersten 50 Jahren der Sing-Akademie angehört haben. In: Lichtenstein, 1843). Querverweise auf andere Vereine: In vielerlei Hinsicht ist die SAK ohne Vorbild. Weder gab es vor ihrer Gründung irgendwo in Europa einen gemischt singenden Chorverein, noch lässt sich die Existenz einer ähnlich autonom auf die Kunstausübung ausgerichteten, von Hof und Kirche weitgehend unabhängige Gesellschaft nachweisen. Das neue Ideal einer Kunstreligion scheint, zumindest was die Musik betrifft, erst mit der Gründung der SAK in die Welt getreten. Dennoch gibt es Gesellschaften und Vereine, die den Boden für eine derart wirkmächtige Berliner Laienbewegung bereitet haben. Dabei ist zunächst die 1749 von Johann Philipp Sack gegründete  Musikübende Gesellschaft zu nennen. Personelle Überschneidungen gibt es auch zum  Konzert der Musikliebhaber, dem u. a. Carl Ludwig Bachmann als Vorsteher, seine Frau Charlotte Wilhelmine Caroline Bachmann als Sängerin und Friedrich Nicolai als Violinist angehörten. Viele Mitglieder dieser Konzerte im Corsicaschen Haus finden sich auch 507

7  Kunstausübende Vereine

in der SAK wieder. Ähnlich verhält es sich mit Rellstabs Konzert für Kenner und Liebhaber, dessen Sologeiger der junge Zelter war. Freilich waren diese Einrichtungen sämtlich auf die Instrumentalmusik beschränkt. Im Bereich der Vokalmusik gibt es nichts Vergleichbares. Die Berliner Schul- und Singechöre werden in zeitgenössischen Berichten als von besonders schlechter Qualität getadelt. – So wenig Vorläufer die SAK hatte, so sehr war sie Vorbild für die Herausbildung neuer Vereine nach ihrem Muster. Zu den unmittelbar aus der SAK hervorgegangenen Instituten und Gesellschaften gehören die Ripienschule (1807), die  Liedertafel (1809) und der Wissenschaftliche Verein in der Sing-Akademie (vermutlich 1829). Nach dem Vorbild des Berliner Mustervereins gründen sich auch in Bamberg, Frankfurt, Hamburg, Königsberg, St. Petersburg, Potsdam, Schwerin, Wien und in vielen anderen Städten SingAkademien, die den Namen und die ästhetische Ausrichtung übernehmen. Bibliographie: 1) Archivquellen: Die meisten der noch 1945 lückenlos vorhandenen Vereinsunterlagen müssen derzeit als verloren gelten. Weder Anwesenheitslisten noch die Vorsteherakten, Gästelisten oder Probenbücher sind vorhanden. Die Rekonstruktion der frühen Geschichte der SAK bleibt ein Desiderat, das derzeit ein DFG-Forschungsprojekt der Universität Münster zu den frühen Quellen der SAK zu beheben versucht. Das lange verloren geglaubte, 2001 aus Kiew zurückgekehrte Archiv der SAK umfasst im Wesentlichen Zelters private Notensammlung, die er mit enzyklopädischem Anspruch angelegt hat. Zwar lassen sich durch diese Bestände die Tätigkeiten der Ripienschule und die musikästhetische Ausrichtung der Gründer der SAK nachweisen, eine Rekonstruktion der Chorund Probenarbeit ist durch die vorhandenen Quellen jedoch nur in sehr eingeschränktem Umfang möglich. Das Archiv, bestehend aus

241 Kisten mit ca. 264.100 Seiten Autographe, Abschriften und einigen seltenen Notendrucken, wird derzeit in der Staatsbibliothek zu Berlin PK aufbewahrt. Alle Bestände sind über den Leihverkehr im Musiklesesaal der Staatsbibliothek Berlin (Haus: Unter den Linden) einsehbar und der Forschung in vollem Umfang zugänglich. – 2) Literatur: Blumner, Martin: Geschichte der Sing-Akademie zu Berlin, eine Festgabe zur Säcularfeier am 24. Mai 1891. Berlin 1891. – Bollert, Werner (Hg.): Sing-Akademie zu Berlin, Festschrift zum 175jährigen Bestehen. Berlin 1966. – Eberle, Gottfried: 200 Jahre Sing-Akademie zu Berlin. „Ein Kunstverein für die heilige Musik“. Berlin 1991. – Eberle, Gottfried: Die Sing-Akademie zu Berlin und ihre Direktoren. Berlin 1998. – Goethe, Johann Wolfgang v.: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Bde. 20.1–20.3: Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1799 bis 1832. Hg. v. Hans-Günter Ottenberg und Edith Zehm in Zusammenarb. m. Anita Golz, Jürgen Gruß, Wolfgang Ritschel und Sabine Schäfer. München 1991–1998. – Lichtenstein, Martin Hinrich Karl: Zur Geschichte der Sing-Akademie in Berlin. Nebst einer Nachricht über das Fest am fünfzigsten Jahrestage ihrer Stiftung und einem alphabetischen Verzeichniss aller Personen, die ihr als Mitglied angehört haben. Berlin 1843. – Scheideler, Ulrich: Komponieren im Angesicht der Musikgeschichte. Studien zur geistlichen a-cappella-Musik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Umkreis der Sing-Akademie zu Berlin. Berlin 2010. – Schünemann, Georg: Die Sing-Akademie zu Berlin 1791–1941. Regensburg 1941. – Wagner, Günther: Die Anfänge der Sing-Akademie zu Berlin und ihr frühes Repertoire. In: Jb. des Staatlichen Instituts für Musikforschung PK. Mainz [u. a.] 2002, S. 25–40. – Zelter, Carl Friedrich: Karl Friedrich Christian Fasch, mit einem Bildnisse. Berlin 1801.

Christian Filips 508

7.2  Liedertafel [LT]

Liedertafel [LT] Name: Liedertafel, später auch Ältere (Berli- Nukleus im Gefüge des Zelterschen Musikner) Liedertafel, spätestens ab Juli 1832 Zelter- und Menschenbildungsprogramms insgesamt. – Die Gründungsgeschichte der LT wird in sche Liedertafel. Gründung: 2. Mai 1809. mehreren, miteinander konkurrierenden MyBestand: Bis April 1945. then überliefert, deren Autoren Bornemann Sitz: Englisches Haus (Mohrenstraße); Ther- und Zelter mit ihrer Darstellungsweise jeweils buschsche Ressource (heute „Krausnickpark“); spezifische Interessen verfolgten. Zuverlässig in den Sommermonaten „Kämpfer“ (Tier- belegt ist, dass die Sing-Akademie am 8. Mai garten); ab 1814 zeitweise auch „Börsenhaus“ 1808 im Englischen Haus eine Abschiedsfeier (Lustgarten). für ihr verdientes Mitglied Otto Grell veranstaltete, der als Kammersänger in die Kapelle Programm: Der erste Entwurf der Statuten des Fürsten Esterhazy wechselte. Der Theolovom 28. Dezember 1808 steckte bereits ein ge und Dichter Johann Wilhelm Jakob Bornehalbes Jahr vor der ersten Zusammenkunft mann schilderte in seiner 1851 erschienenen den ideellen und strukturellen Rahmen des Geschichte der LT, wie er für diesen Anlass Vereins ab. Er wurde von einem Kreis von sechs launige Gedichte schuf und sie von Zelacht ausgesuchten Mitgliedern der  Sing- ter und den Gelegenheitskomponisten Carl Akademie unter Carl Friedrich Zelters Lei- Friedrich Ludwig Hellwig, Friedrich Johann tung sorgfältig ausgearbeitet. In der Präam- Ernst Wollank und Friedrich Ferdinand Flembel heißt es: „Das Bedürfniß solcher deut- ming für Männerstimmen mit Klavierbegleischen, besonders mehrstimmigen Gesän- tung vertonen ließ (Bornemann, S. X). Da für ge, die deutschen Sinn Ernst und Frölichkeit den Flügel der Platz fehlte und die ersatzweiathmen und also keine bloße Nachahmungen se herbeigeholte Gitarre nicht durchzudrinausländischer Formen sind nimmt in dem gen vermochte, sang man kurzerhand a capMaaße zu, als der Gesang selbst ein Attribut pella. Obgleich bei dieser Gelegenheit mögligeistreicher Tischgesellschaften geworden ist. cherweise erstmals unbegleitete mehrstimmi/ Wenn nun nach und nach gute deutsche ge Männergesänge erklungen sind, wurde der Lieder gleichsam zufällig entstanden sind, so Klang als „goldrein“ und „tonfest“ wahrgefehlt hergegen ein Ort sie zu sammeln, zu er- nommen. Am darauf folgenden Tag ging Zelhalten, zu vermehren, wodurch Dichter und ter zu Bornemann und fragte: „Schwebte IhKomponisten belohnt und angeregt würden“ nen nicht gestern Abend König Arthurs Ta(Archiv der Sing-Akademie zu Berlin, N. Mus. felrunde vor? Wiedererwecken wollen wir SA 280, fol. 3r). das alte Sängerwesen“ (ebd., S. XI). Zu dieser Schilderung gehört eine Art Vorgeschichte aus Geschichte und Programmatik: 1. Chrono­ dem Sommer 1807, in der Friedrich Wilhelm logischer Abriss: Wenngleich die wissen­ III. bei Tauerlaken an der Dange vom Vortrag schaftliche Erforschung der LT auf der Grund- eines russischen Soldatenchors begeistert war lage der überlieferten Originalquellen erst in und der zufällig anwesende Bornemann den den vergangenen Jahren eingesetzt hat, las- königlichen Auftrag erhielt, mit Zelter zu besen die ersten Ergebnisse doch den Schluss zu, raten, wie die Sing-Akademie bei der „Fördedass man die LT nicht als eine von mehre- rung allgemeiner militairischer Sangfertigkeit“ ren Neugründungen Zelters unter dem gro- mitwirken könne (ebd., S. VII). Bornemann ßen Dach der Sing-Akademie zu begreifen notierte diese Episoden kurz vor seinem Tod hat, sondern vielmehr als den intellektuellen im Alter von 85 Jahren, zu einer Zeit also, als 509

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ihm niemand mehr die Deutungshoheit über die Ereignisse hätte streitig machen können, und mit der offenkundigen Intention, seine eigene Rolle in der Gründungsgeschichte zu akzentuieren. – Zelters Version der Gründungsgeschichte setzt erst knapp eineinhalb Jahre später ein, und zwar mit einer Konzert­ aufführung der Sing-Akademie am 21. Dezember 1808. Inwiefern der Abzug Napoleons aus Berlin und Zelters 50. Geburtstag wenige Tage zuvor zur besonderen Gunst der Stunde beigetragen haben, kann nur vermutet werden. Jedenfalls lud Zelter im Anschluss an die Aufführung acht ausgewählte Mitglieder in die Wohnung seiner Schwägerin Sidonie Voitus ein, um ihnen den Plan einer monatlichen Tafelgesellschaft zu offenbaren. Die Herren Hartung, Schulze, Jordan, Hellwig, Rungenhagen, Flemming, Wollank und Bornemann waren allesamt langjährige Mitglieder der Sing-Akademie und dadurch als versierte Sänger ausgewiesen. Wenige Tage darauf, am 26. Dezember, berichtete Zelter seinem Intimus Goethe: „Zur Feier der Wiederkunft des Königes habe ich eine Liedertafel gestiftet: Eine Gesellschaft von 25 Männern, von denen der 25te der gewählte Meister ist, versammelt sich monatlich einmal bei einem Abendmahle von zwei Gerichten und vergnügt sich an gefälligen deutschen Gesängen. Die Mitglieder müssen entweder Dichter, Sänger oder Komponisten sein. Wer ein neues Lied gedichtet oder komponiert hat, lieset oder singt solches an der Tafel vor, oder läßt es singen. Hat es Beifall; so geht eine Büchse an der Tafel umher worin jeder (wenn ihm das Lied gefällt,) nach seinem Gefallen einen Groschen oder mehr hinein tut. An der Tafel wird die Büchse aus gezählt[,] findet sich so viel darinne daß eine silberne Medaille, einen guten Taler am Wert davon bezahlt werden kann, so reicht der Meister im Namen der Liedertafel dem Preisnehmer die Medaille, es wird die Gesundheit des Dichters oder Komponisten getrunken und über die Schönheit des Liedes gesprochen. Kann ein Mitglied, 510

Abb. 99  Carl Friedrich Zelter, Ölgemälde von Carl Joseph Begas (1827).

zwölf silberne Medaillen vorzeigen; so wird es auf Kosten der Gesellschaft einmal bewirtet; ihm wird ein Kranz aufgesetzt; er kann sich den Wein fordern welchen er trinken will und erhält eine goldene Medaille 25 rh. am Wert. Das Übrige besagt der Plan welcher jetzt eben zirculiert. Wer etwas kompromittierendes ausplaudert was einem Mitgliede oder der Tafel zuwider ist zahlt Strafe. Satirische Lieder auf Personen werden nicht gesungen. Jeder hat volle Freiheit zu sein wie er ist, wenn er nur liberal ist. Gesetze dürfen nur 12 sein; drunter geht an, drüber nicht. [...] Die Mitglieder sind alle enthusiastisch und können die Ankunft des Königes kaum erwarten“ (Goethe, Sämtliche Werke, Bd. 20.1, Nr. 130, S. 206– 207). Zelters Version des Gründungsmythos unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der Bornemannschen. Die Abschiedsfeier für Otto Grell wird hier ebenso übergangen wie der Rekurs auf die Artusrunde oder Bornemanns Treffen mit dem König im ostpreußischen Exil. Stattdessen betont Zelter die all-

7.2  Liedertafel [LT]

Abb. 100  Entwurf einer Sitzordnung für die zweite Versammlung der Liedertafel am 6. Juni 1809. Zelter platzierte sich selbst in der Mitte der Tafel unter der Chiffre „25“ (Archiv der Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens Feuchtwangen).

gemeine Sehnsucht nach der Rückkehr des Königshauses und räumt dem Wettbewerbsgedanken (der später deutlich in den Hintergrund treten sollte) breiten Raum ein. Vor allem aber präsentiert er sich gegenüber Goethe als alleiniger Schöpfer der LT, Bornemann kommt in seiner Schilderung nicht vor. Über die Nähe beider Gründungsgeschichten

zur Wahrheit ist aus der historischen Distanz heraus nur schwer zu befinden. Da aber sowohl Bornemanns als auch Zelters Erzählungen offensichtlich ideologische Zwecke verfolgen und überdies literarisch überhöht werden, empfiehlt es sich in jedem Falle, bei der Lektüre der Quellen eine gewisse Vorsicht walten zu lassen. – Seit dem 28. Dezember 511

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1808 wird die Überlieferungssituation zuverlässiger, da mit diesem Datum die Protokolle der LT einsetzen, die von nun an alle Geschehnisse minutiös und in oftmals launigem Tonfall dokumentieren. Vom 28. Dezember datiert auch der erste, von dem Justizkommissar Wollank vorgelegte Statutenentwurf, der anschließend unter den designierten Mitgliedern zirkulierte und mit kritischen Anmerkungen versehen wurde. Der Entwurf enthält bereits eine große Zahl der Charakteristika, die zum Markenzeichen der LT werden sollten. So hat der § 2, welcher bestimmt, dass ein Täfler singen, dichten oder komponieren können müsse, bis zum Ende des Vereins Bestand gehabt. Auch die exakte Zahl von 24 Mitgliedern und die für den Meister reservierte Zahl 25 blieben unverrückbar. Die Statuten wurden auf der Grundlage des Zirkulars noch einmal einer gründlichen Revision unterzogen, von 28 auf 19 reduziert und am 24. Januar 1809 von nunmehr 17 Mitgliedern verabschiedet. Am gleichen Tag wurde Zelter zum ersten Meister gewählt. Die inhaltliche und organisatorische Konzeption der LT lag nun vollständig ausgearbeitet vor. Da die ersehnte Wiederkunft des Königs, an die der Beginn der regelmäßigen Versammlungen gekoppelt war, jedoch auf sich warten ließ, wich man kurzerhand von dieser Vereinbarung ab und traf sich am 2. Mai 1809 im Englischen Haus in der Mohrenstraße zur ersten förmlichen Versammlung. Von diesem Tag an kam man allmonatlich im Anschluss an die Proben der Sing-Akademie zum geselligen Singen und Tafeln zusammen. Die Protokolle dokumentieren für die Ära Zelter insgesamt 264 Versammlungen. Ob und inwiefern die LT, die sich zu Ehren ihres Gründers spätestens nach dessen Tod 1832 Zeltersche Liedertafel nannte, im Laufe des 19. Jahrhunderts unter den Meistern Carl Friedrich Rungenhagen (1833–1851), August Eduard Grell (1853–1876) und Martin Blumner (1876–1900) an ihren Traditionen festgehalten bzw. sich den politisch-sozi512

alen Veränderungen ihrer Zeit behutsam angepasst hat, ist bislang noch kaum erforscht. Sicher ist indes, dass sie ihr Tun unbeirrt fortsetzte, und das bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Ein viel sagender Umstand mag den damaligen exklusiven Rang der LT belegen. Der nach Blumners Rücktritt 1900 so elanvoll angetretene neue Sing-Akademie-Direktor Georg Schumann zögerte, zugleich mit seinem Direktorenamt dasjenige des Meisters der Tafel zu übernehmen, als erweckte dieser Bund eine ehrfürchtige Scheu, an der jede reformistische Energie verebbte. Dem Liedertäfler Hermann Kuhlo zufolge befanden auch die Mitglieder, dass, um den Charakter zu erhalten, neben der musikalischen Tüchtigkeit „für den neuen Meister eine gewisse Erfahrung notwendig war, die nicht aus Erzählung oder Studium, sondern nur im lebendigen Verkehr in und mit der Tafel zu gewinnen war“ (Kuhlo, S. 152). Schumann entschied, dem bisherigen Beimeister Hermann Kawerau das Meisteramt zu überlassen und zunächst zu hospitieren – eine für einen bereits europaweit bekannten Interpreten und Komponisten ausgesprochen demütige Haltung. 1909 dann, nach dem Tode Kaweraus, trat Schumann das Meisteramt an und behielt es bis zum Schluss. Während die Sing-Akademie ihre Probenarbeit durch die Kriegsjahre hindurch nahezu lückenlos fortsetzte und auch ihre Konzerttätigkeit schon im November 1945 wieder aufnahm, verstummte die LT im April 1945 für immer. Noch ist ungeklärt, ob der Verlust des „Flemming“ (vgl. weiter unten), dessen Spur sich in den Kriegswirren verloren hatte, oder der schiere Mangel an Männern dafür die entscheidende Ursache war. – 2. Themen- und Diskussionsschwerpunkte (bis 1815): Die erhaltenen Protokolle der LT informieren detailliert über den Ort, die Zeit und den Verlauf der Versammlungen, über die anwesenden Mitglieder und sogar die gesungenen Lieder. Über die in der verbliebenen Zeit diskutierten Themen legen sie jedoch einen er-

7.2  Liedertafel [LT]

staunlich dichten Mantel des Schweigens, so dass sich zwischen den bahnbrechenden historischen Ereignissen der Zeit und dem Tun in der LT keinerlei Bezüge herstellen lassen. Dieser Befund lässt sich einerseits damit erklären, dass die LT ihrem Wesen nach auf geselliges harmonisches Beisammensein und nicht auf die Ausbildung einer wissenschaftlichen oder politischen Diskussionskultur zielte, andererseits damit, dass solches Politisieren in den unsicheren Zeiten generell nicht protokolliert wurde, um die Existenz des Vereins nicht zu gefährden. Die in den regelmäßigen Versammlungen präsenten Themen lassen sich jedoch auf andere Weise wenigstens in Umrissen nachzeichnen, nämlich über das gesungene Repertoire. Die Liedtexte reflektieren mehrheitlich das eigene Handeln, in dem sie dem geselligen Beisammensein und dem Genuss des Weins huldigen. Vaterländische Gesänge gewinnen erst in den späten 1820er Jahren zunehmend an Raum. Stattdessen werden die Frauen, die Liebe und die Musik besungen, während Themenfelder wie Vergänglichkeit oder Kunst- und Naturerlebnis nur eine Nebenrolle spielen. Ein Blick auf die Texte der 25 am häufigsten gesungenen Lieder der Ära Zelter überrascht, denn dort liegt der Schwerpunkt nicht etwa auf mehr oder weniger anspruchslosen Trinkliedern, sondern einerseits auf antiken Autoren wie Horaz und Sueton, andererseits auf bereits kanonisierten Klassikern wie Lessing, Schiller und – immer wieder – Goethe. Eine herausragende Stellung kommt der Horazischen Ode Integer vitae zu, die in der schlichten Vertonung des Augenarztes Friedrich Ferdinand Flemming über Jahrzehnte unangefochten den Spitzenplatz behauptete und damit so etwas wie die inoffizielle Hymne der LT wurde. Der Text ist ein Schlüssel zum innersten Wesenskern der LT und hat entscheidend zu ihrem nachhaltigen Erfolg beigetragen. Ein kurzer Blick auf die Rezeption der Ode, in der die Tafelrunde ihr ästhetisches Programm fand, mag die höchst differenzier-

ten Denkformen und den exklusiven Kunstanspruch dieser Institution erahnen lassen, die sich im Herzen der Sing-Akademie entfaltete. Am Anfang steht die Tugend: Wer unbefleckt von Schuld und rechtlich wandelt, Der kann Geschoß und Speer und gift’ge Pfeile Die auch den stärkern Feind des Wilden tödten, Ruhig entbehren. (Die Liedertafel, Berlin 1818, S. 451).

Die Täfler setzten bei ihrer Lektüre die Gestalt Flemmings immer in die Position des lyrischen Ichs. Und der Preis der Tugendhaftigkeit des Arztes war ein bereits kurz nach seinem Tode geradezu schwärmerisch überhöhter Topos. Aber er bildet nur den Ausgangspunkt der Arbeit am Flemming-Mythos. Das lyrische Ich der Ode ist, die dritte Strophe enthüllt es, nicht vor allem Übel gefeit, weil es „unbefleckt von Schuld“ ist, sondern wegen seiner dichterischen Berufung: Denn als ich einsam im Sabinerwalde Dichtend und meiner Lalage gedenkend Mich ganz verlor, geschah’s, daß einen Wolf ich Wehrlos verscheuchte. (Ebd.)

Erst das Dichten verleiht dem Individuum jenen eigentümlichen Schutz vor äußerer Gefahr, verkörpert vom Wolf im Sabinerwald. Man muss sich den Schutz künstlerisch „erarbeiten“ – so wie Flemming das getan hat und wie es der Bund unter seinem Patronat fortzuführen gedachte, der im Wolf durchaus Napoleon sehen mochte. Die Intonation des Integer vitae glich einem dauernden Appell an die Gemeinschaft, sich nicht mit Tugendhaftigkeit zu begnügen, sondern durch das fortwährende künstlerische Tun, nämlich das Singen, Dichten und Komponieren, den Fortbestand der Tafel und ihrer Ideale zu sichern. Erst der Kunstanspruch vervollkommnet das täflerische Tugendideal. Seine Physiognomie, in der christliche und antike Denkformen eigentümlich verwoben sind, ist 513

7  Kunstausübende Vereine

eine höchst originelle Eigenschöpfung dieses nach die LT nahezu einzig und allein dem Bundes. So ging der Verein in einem schwär- Lobe des Vaterlandes und des Königs gewidmerischen, antikisierend-christlichen Kultus met gewesen sei. Bei der Beantwortung der auf, in dessen Kontext sich die ursprüngli- Frage nach der Ausprägung nationalistischer chen patriotischen Intentionen völlig verlo- Denkformen der LT, die angesichts ihrer ren. Stattdessen war ein neues bildungsbür- musikalisch-ideologischen Ausstrahlung über gerliches Tugendideal geboren. – 3. Bewer- ganz Deutschland von zentraler Bedeutung tung und Einordnung: Bei der Beschäfti- ist, ist neben den Protokollen und Statuten gung mit der Geschichte des mehrstimmigen auch das gesungene Repertoire zu betrachdeutschen Männergesangs steht die Frage ten. Schwiegen erstere so auffallend in allen nach der politisch-ideologischen Orientie- politischen Dingen, so müsste sich der zenrung der Vereine alsbald im Mittelpunkt des trale Patriotismus-Diskurs, der von der SeInteresses. Dies hat seine Ursache darin, dass kundärliteratur von Anbeginn gleichsam leitsich die Männerchöre im Laufe des 19. Jahr- motivisch postuliert wurde, dort umso stärker hunderts mehr und mehr als Hüter konser- widerspiegeln. Doch auch davon kann keivativer gesellschaftlicher und politischer Wer- ne Rede sein. Auf der Repertoireebene setzt te begriffen und nicht selten in nationale und sich eine differenzierte, zuweilen sogar disnationalistische Gesinnungsmilieus münde- tanzierte, in liberalen Vorstellungen verwurten. Im Falle der LT, zweifelsohne der Keim- zelte Haltung zum zeittypischen Nationalpatzelle des mehrstimmigen deutschen Männer- riotismus Arndtscher Prägung fort, der in der gesangs, ist diese Frage insbesondere im Hin- musik- und literaturhistorischen Forschung blick auf die so genannten „Befreiungskriege“ bisher noch kaum in den Blick genommen zu diskutieren. Setzt man die Protokolle der wurde. Eine hasserfüllte, frankophobe StröLT zu den politischen, künstlerischen und mung ist in den Jahren der so genannten „Bewirtschaftlichen Ereignissen der europäischen freiungskriege“ nicht nachweisbar. So fand und besonders der preußischen Geschichte in sich unter den beliebtesten 25 Gesängen der Beziehung, zeigen sich überraschenderwei- Ära Zelter lediglich ein einziges patriotisches se keinerlei Bezüge. Ob Moskau brannte, die Lied. Dass Nationalismus, Patriotismus und Völkerschlacht tobte oder Napoleon bei Wa- Frankophilie in dieser Generation nicht als terloo unterging, die Reflexe in den Doku- unvereinbare Gegensätze verstanden wurden, menten fehlen. Dass ein Verein in derart un- ist eine Erkenntnis der jüngeren Geschichtssicheren Zeitläuften mit dem Politisieren sei- forschung, deren weitere Verbreitung – zuner Mitglieder seine Existenz riskierte, ist mindest im Falle des Männergesangswesens bekannt. Es wäre indes banal, jene die drama- – dringend notwendig wäre. Ein markantes tischen Ereignisse in ihrer stilistischen Mun- Beispiel ist das Gedicht Becher-Weihe (1813) terkeit geradezu konterkarierenden Züge der des Vereinsmitgliedes Johann Gottfried Pfund Protokolle und Zirkulare mit bloßer Dis- (Die Liedertafel, Berlin 1818, S. 9–15). Dort kretion erklären zu wollen. In ähnlich elitä- heißt es: „Lasst im Gesetz die Freiheit walre Gesellschaften wie die  Deutsche Tisch- ten; Den König liebt im Herzverein.“ Begesellschaft, zu deren Mitgliedern auch Zelter merkenswert explizit fordert der Autor hier zählte, war der neue patriotisch-nationalis- ein, der Verfassung die Idee der Freiheit zutische Ton eines Arndt oder Jahn ja unver- grunde zu legen, da sie nur dann dauerhaft hohlen eingezogen. Dieser Quellenbefund ist Bestand haben könne. Hierin spiegelt sich der überraschend und deckt sich in keiner Weise Wunschtraum einer freiheitlichen Grundordmit den über ein Jahrhundert lang in der For- nung, die die Rechte der Bürger (wenigstens schungsliteratur perpetuierten Thesen, wo- der Bildungsbürger) regelt. Friedrich Wil514

7.2  Liedertafel [LT]

helm III. hatte zwar bereits im Finanzedikt „Meister“ (auch „Obermeister“), der gegebevon 1810 die Schaffung einer Nationalreprä- nenfalls vom „Vizemeister“ (auch „Nebensentation zugesichert, war die Einlösung aber meister“ oder „Beimeister“) vertreten wurde. bis dato schuldig geblieben. Selbstverständ- Für die ökonomischen Belange und die orgalich wird der obligatorische Aufruf zur Kö- nisatorische Vorbereitung der Versammlunnigsliebe nicht vergessen, doch er erfolgt der- gen hatte der „Tafelmeister“ (auch „Rendant“ art am Rande, dass er die Frage, inwiefern oder „Säkkelmeister“) Sorge zu tragen. Eine der König an der zukünftig zu bildenden Re- anspruchsvolle Aufgabe kam dem „Schreibgierung beteiligt sein solle, auf elegante Wei- meister“ (auch „Schreiber“ oder „Sekretär“) se gleich mit beantwortet: nämlich möglichst zu. Er hatte unter anderem die Protokolle der wenig. Bei aller Vorsicht ist hierin doch eine Versammlungen zu verfassen, die nicht nur akerstaunlich liberale, nach weitgehender bür- ribisch das Geschehen und die gesungenen gerlicher Autonomie strebende Grundhal- Lieder dokumentieren, sondern darüber hintung zu erkennen. Und da das Becher-Wei- aus launig und unterhaltsam formuliert sein he-Gedicht von mehreren Sprechern in der sollten, um beim Verlesen zu Beginn der folLT zu herausgehobenem Anlass feierlich re- genden Versammlung für Heiterkeit zu sorzitiert worden war, darf man annehmen, dass gen. Ferner gab es bis ca. 1819 noch das sepauns hier nicht etwa Pfunds Privatmeinung, rate Amt des „Archivarius“ (auch „Schlüsselsondern durchaus so etwas wie die politische meister“), der sich um die Akten und Noten Orientierung der LT insgesamt entgegentritt, zu kümmern hatte. Aufschlussreich ist, dass die in eklatanter Weise von dem überkom- Zelter als „Meister“ seiner LT durchaus nicht menen Bild abweicht. Die seit einem Jahr- unangefochten war, sondern sich häufig mit hundert fortgeschriebene These von der LT Gegenkandidaten konfrontiert sah. Wennals monarchistisch-reaktionärem Bund dürfte gleich er letztlich stets die Oberhand behielt demnach als obsolet gelten. Die häufig zitier- und im Amt bestätigt wurde, so zeigt der Bete Schilderung Zelters, er habe die LT „zur fund doch das ausgeprägt demokratische Feier der Wiederkunft des Königes“ gestif- Selbstverständnis der Mitglieder. – 2. Finantet, oder der § 16 der Statuten, „das Lob ih- zierung: Sieht man von der Voraussetzung ab, res Königs“ gehöre überhaupt „zu den ersten dass die Mitglieder der LT zunächst einmal Geschäften der Tafel“, sind kaum als ein kon- Mitglieder der Sing-Akademie zu sein hatten, kretes Vereinsziel zu verstehen. Wohl eher so definierte sich die Tafel in allen sonstigen verbirgt sich hinter diesem Mythos in Wahr- Belangen als von ihrer großen Schwester unheit eine allgemeine, vom Personal des ge- abhängig. Dies betraf auch die ökonomischen genwärtigen Hofes unabhängige Sehnsucht Verhältnisse. Die Kontrolle hierüber oblag nach einem deutschen Nationalstaat, dessen dem „Tafelmeister“, der darüber halbjährlich Entstehung erst nach der provisorischen Wie- Rechenschaft abzulegen hatte. Der in den derherstellung der alten Verhältnisse erwartet Statuten festgelegte Vereinsbeitrag belief sich werden konnte. in den Anfängen auf monatlich zwölf Gute Groschen Courant und war quartalsweise präStruktur und Organisation: 1. Vereinsäm- numerando zu entrichten, neu aufgenommeter: Die Vorsteherschaft der LT bestand aus ne Mitglieder zahlten einen Reichstaler Anvier Mitgliedern. Die so genannten „Beam- trittsgeld. Bei Verfehlungen gegen die Statuten“ wurden jedes Jahr, meist im Dezember, ten wurden Geldstrafen verhängt, die dem gein geheimer Abstimmung gewählt, wobei die meinsamen Konto zugute kamen. Der Ballotage – zumindest in der Zelterzeit – kei- überwiegende Teil der regelmäßigen Einnahne Rolle spielte. Den Vorsitz führte der men wurde für Saalmieten, Beleuchtung und 515

7  Kunstausübende Vereine

Bedienung aufgewendet. In einem Falle kam des Sprachbewusstseins etablierte Hinwenes vor, dass ein Mitglied „ungünstiger pekuni- dung zu einer Nationalkultur lässt die geärer Verhältnisse wegen“ nach nur einem Jahr meinsame Verflochtenheit in den über Jahraus der LT ausscheiden musste, in aller Regel hunderte andauernden Prozess nationaler aber standen die Mitglieder fest im Berufsle- Identitätssuche plausibel erscheinen. Auch die ben und waren finanziell abgesichert (Kuhlo, verinnerlichte Welt empfindsamer FreundS. 35). – 3. Rituale: Fragt man nach den Kräf- schaftsbünde und anakreontischer Inselbilten, die zusammenwirken mussten, um eine dungen wie der Halberstädter Dichterkreis hakunstausübende Gesellschaftsform wie die LT ben ihre Spur in der LT hinterlassen. Als letzüber einen Zeitraum von 136 Jahren hinweg ter Punkt sei das Freimaurertum genannt, desam Leben zu erhalten, so gerät – neben der sen angebliches Vorbild für die LT ein puren Freude am gemeinsamen Singen – beliebter Topos populärer Musikgeschichtsrasch die wichtige gemeinschaftsstiftende schreibung ist. Auf der Grundlage der QuelFunktion der Bräuche und Rituale in den Fo- len konnte diese Einflusssphäre als stark überkus. In den frühen Statuten und Protokollen schätzt klassifiziert werden. Weder praktizierfanden sich reiche Spuren einer kontinuierli- te man die Ballotage, noch komplizierte chen Tradition. Zu nennen wären kursorisch Aufnahmeriten oder geheime Rituale. Zelters die „Singschulen“ des Meistersanges. Verblüf- Herkunft als Maurermeister und der Gefende Parallelen betreffen den Wettbewerbs- brauch eines stilisierten Hammers als Ritualgedanken und das Fixieren eines musikästhe- gegenstand führte offenbar dazu, Zelter, der tischen Regelwerks. Auch die vielhundertjäh- niemals Mitglied einer Loge war, allzu leichrige Tradition des Gildewesens scheint durch fertig der Freimaurerei zuzuschlagen. – Der die täflerischen Regeln durch. Strukturmerk- „Flemming“: Im Spektrum historischer und male wie das Vorlesen der Statuten bei ge- zeitgenössischer Anleihen bzw. Wechselwirmeinsamem Essen und Trinken dürften direkt kungen sticht der Motivkomplex christlicher vom traditionellen Gildemahl abstammen. Anleihen hervor. Dessen kunstvolle Dichte Schon diese Beispiele mögen verdeutlichen, lässt sich an einer exemplarischen Begebendass der Prozess der Übernahme und Anver- heit aufzeigen, nämlich der Einweihung des wandlung historischer Denkformen keine so genannten „Flemming“, eines bronzenen kompletten Ritualkreise, sondern einzelne, Willkommensbechers (als solcher in der zünfausgewählte motivische Elemente betrifft, aus tischen Tradition stehend), der von einem im denen die Aufbruchszeit nach 1809 durchaus Kontext des Berliner Vereinslebens einzigartiEigenes zu formen wusste. In diesem Sinne gen synkretistischen Motivkreis umrankt wursind auch die Anleihen bei einer ganzen Rei- de. War die Anschaffung eines solchen Behe historischer Vereinigungen zu lesen, die je- chers auch bereits seit Gründung der LT gedoch nicht zur Konstruktion direkter Abhän- plant, wurde die Umsetzung erst durch den gigkeiten herangezogen werden sollten. Zu Tod eines beliebten Mitgliedes ausgelöst. Am nennen wären Sprachgesellschaften wie die 27. Mai 1813 war der renommierte Augenarzt berühmte Fruchtbringende Gesellschaft und Friedrich Ferdinand Flemming einer Typhusandere deutsche Gesellschaften des 17. Jahr- infektion erlegen, die er sich im Lazarettdienst hunderts, deren Diskurse von geradezu de- zugezogen hatte. Die Reaktionen seiner Tamokratischen Regeln gesteuerte waren. Ihr felgenossen produzierten ein BedeutungsgeStatutenwesen und das Vorlesen von Dichtun- flecht, das man als innerste Matrix der gesamgen und Preisvergabe an der Tafel sind mus- ten Vereinigung deuten kann. Schon bald sah terhaft für die liedertäflerische Vergemein- man in Flemmings „Opfertod“ für das Vaterschaftung. Vor allem ihre über die Erweckung land eine Art preußischer imitatio Christi. Es 516

7.2  Liedertafel [LT]

ist, als hätte der Verein dieses Todes bedurft, um einen symbolbeladenen Vergemeinschaftungsprozess in Gang zu setzen. Mit einem ersten Entwurf des Willkommensbechers wurde Goethe beauftragt, die endgültige Gestalt schuf Carl Friedrich Schinkel, dem dafür die erste Ehrenmitgliedschaft der LT angetragen wurde. Er wurde nicht wie üblich aus Silber, sondern aus der weniger edlen Bronze gefertigt, sollte er doch neben seinen Hauptfunktionen als Ehren- und Trinkbecher auch noch eine ganz andere praktische Aufgabe erfüllen, nämlich die einer umgekehrten Glocke, die das zweigestrichene a als Kammerton zum Anstimmen der Tafelgesänge zu liefern hatte. So wie der Bassist Flemming der „Grundton“ der LT war, garantierte der Pokal gleichsam an seiner statt als Stimmgabel für die reine Harmonie der LT. Seine Symbolsprache, deren Autorschaft nicht bei Schinkel, sondern in der Tafel selbst zu vermuten ist, lässt eine christliche Schicht erahnen, die über solche Analogiebildungen weit hinausweist. Der Deckelpokal trägt neben der Gravierung „Flemming“ Ornamente in Flammenform, die auf eine in der LT häufige Metapher weisen, die den Namen Flemming mit der Flamme verknüpft; gleichzeitig assoziiert man die Flamme des Hl. Geistes. Eine geflügelte weibliche Figur als Deckelknauf stellt eine eigentümliche Zwitterfigur vor: halb geflügelter antiker Genius, halb Heilige Cäcilia, die auf dem Kopf eine Flamme trägt. Der geweihte Flemming konnte seine enorme Symbolkraft über erstaunlich lange Zeit bewahren. Wo der „Flemming“ stand, war die LT, ohne ihn konnte keine LT sein. Wie der Becher in den Versammlungen gleichsam inszeniert wurde, war in § 17 der revidierten Statuten von 1819, der so genannten „Becher-Ordnung“, akribisch geregelt. Die Detailverliebtheit dieser Regelung mutet heute einigermaßen skurril an; es scheint aber gewiss, dass diese Inszenierungen seinerzeit mit großem feierlichem Ernst, ohne den geringsten Anflug von Selbstironie verstanden wurden. – Im oben bereits

Abb. 101  Der „Flemming“ der Zelterschen Liedertafel. Heliogravüre der Zeichnung von Karl Friedrich Schinkel, ca. 1813 (Original verschollen).

zitierten Gedicht Becher-Weihe (1813) des Gymnasialprofessors und Liedertäflers Pfund werden die Anleihen christlich-liturgischer Motivkomplexe überaus deutlich. Der Beginn des Gedichtes, wörtlich Schillers Lied von der Glocke zitierend, weist auf die nächste semantische Schicht. So wie Schillers Glocke zum Gottesdienst ruft, so ruft die Flemmingsglocke zur LT („Zu heil’ger Still’ ruft Glockenklang“). Damit öffnet sich die Perspektive, nicht nur in der Weihe, sondern in jeder Tafelsitzung eine Art sakrale Handlung zu sehen. In diesem Sinne wurden die Flemming517

7  Kunstausübende Vereine

Motive weiter verdichtet. Der Becher ist nicht gen (vgl. „Gedruckte Quellen“). Erst ab 1824 nur Glocke, er ist nachweislich auch „Kelch“ entstanden mehrere Sammlungen, die neben benannt – nämlich Abendmahlskelch, er wird den Liedtexten auch einige ausgewählte Komwie ein solcher geweiht, steht auf dem „Kor- positionen von Friedrich Johann Ernst Wolporale“ und wird mit einer Art „Palla corpo- lank, Carl Friedrich Rungenhagen, Carl ris“ abgedeckt – der Bezug auf die liturgi- Friedrich Ludwig Hellwig, Friedrich Ferdischen Paramente ist nicht zufällig. Zum nand Flemming, Carl Friedrich Zelter und „Abendmahl“ versammeln sich die Täfler, die- Franz Seraphin Lauska mitteilten. – Die LT ser Begriff war auch damals an erster Stelle war niemals ein „Männerchor“ im modernen mit der christlichen Handlung assoziiert. Den Sinne, und daher trat die Tafel auch nur höchst Becher mit Wein füllend, kommunizieren die selten öffentlich in Erscheinung. In der geTäfler allmonatlich in einer regelrechten Eu- samten Ära Zelter sind lediglich zwei „Aufcharistiefeier. Die christologische Aufladung tritte“ aktenkundig geworden. Der erste Andes Flemming-Kultus ist in ihrer jede Ironisie- lass war die Feier von Goethes Geburtstag am rung entbehrenden Weihehaftigkeit im Kon- 28. August 1823, als die LT singend mit zwei text bildungsbürgerlicher Selbsterfindung „Gondeln“ auf der Spree nach Treptow segelnicht leicht interpretierbar. Ihre soziale Funk- te und dabei von zahlreichen Ausflüglern betion und ihre möglichen Verwandlungen in staunt wurde. Der zweite Anlass war die Erder langen Geschichte dieser Institution wer- öffnung der Tagung der Gesellschaft Deutscher den die Forschung noch zu beschäftigen ha- Naturforscher und Ärzte am 18. September ben, denn dieser eigenartige Prozess der Säku- 1828 im Kgl. Schauspielhaus am Gendarmenlarisierung ganzer Ritualkomplexe hat ohne markt, in deren Rahmen die LT einige GeZweifel eine paradigmatische Funktion für das sänge darbot. sich formierende Bildungsbürgertum. – Die bemerkenswerte Durchritualisierung eines an Die Mitglieder: 1. Allgemeines: Die Zahl sich dem geselligen Vergnügen gewidmeten der ordentlichen Mitglieder der LT war von Vereins ist wohl weniger preußisches Mentali- Anbeginn auf 25 begrenzt. Die letzte Numtätsmerkmal als vielmehr zeittypisches Be- mer blieb dem Meister vorbehalten, der die dürfnis. Diese komplizierte Konstitution ist Protokolle zuweilen mit dem Kürzel „Z 25“ auch als Reaktion auf die kulturelle „Über- unterzeichnete. Bald darauf wurde der Kreis gangszeit“ zu deuten: Die Verfestigung von um fünf „außerordentliche“ Mitglieder (ohne Strukturen und Männerbündigkeit gaben ein Stimmrecht) erweitert, die automatisch nachGefühl der Sicherheit angesichts der politi- rückten, sobald ein ordentliches Mitglied ausschen Krise der napoleonischen Zeit und des geschieden war. – Bei der Untersuchung der sich auftuenden schwindelerregenden Poten- LT ist es naheliegend und sinnvoll, die Zeit tials des beginnenden 19. Jahrhunderts. – 4. bis zum Tod des Gründers im Mai 1832 als Sonstige Aktivitäten: Da eine gewisse Ex- kohärente Einheit zu betrachten. Bis dahin klusivität gleichsam Teil der Liedertafelidee nahmen laut Kuhlo (a. a. O., S. 165–166) 61 war, gab der Verein keine eigenen Periodika Herren als Mitglieder an der Tafel Platz. Eiheraus. Bereits früh wurde jedoch damit be- nige von ihnen sind in der preußischen Kulgonnen, die aus dem Kreis der Täfler entstan- tur- und Wirtschaftsgeschichte hervorgetredenen Lieder nahezu lückenlos zu veröffentli- ten und ihre Biographien weitestgehend erchen, um sie zu bewahren und wenigstens et- forscht. Zu nennen wären der Nachfolger was von dem täflerischen Geist in die Öffent- Zelters als Direktor der Sing-Akademie Carl lichkeit zu tragen. So erschienen 1811, 1818, Friedrich Rungenhagen (1809–1851), der 1842 und 1851 umfangreiche Textsammlun- Bassist und Schauspieler des Berliner Natio518

7.2  Liedertafel [LT]

naltheaters Johann Georg Gern (1809–1830), der Eigentümer der Haude und Spenerschen Zeitung Samuel Heinrich Spiker (1811–1858), der Zoologe und Initiator des Berliner Zoos Martin Hinrich Carl Lichtenstein (1812– 1857), der Begründer des preußischen Industriewesens Christian Peter Wilhelm Beuth (1812–1826), der Schriftsteller und SchillerVertraute Christian Gottfried Körner (1816– 1829) oder der Begründer der Berliner Gewerbeschule Carl Friedrich v. Kloeden. Die ersten Ehrenmitglieder waren Karl Friedrich Schinkel (1813), Anton Fürst v. Radziwill und Carl Friedrich Moritz Paul Reichsgraf v. Brühl (1821). Die Recherchen zur Identifizierung auch der weniger prominenten Mitglieder dienen als Fundament einer soziologischen Verortung des „Personals“, dessen erste Ergebnisse eine eigentümliche, im Kontext des sich ausbildenden preußischen Bildungsbürgertums aussagekräftige Gemengelage erkennen lassen. Wie kaum anders erwartet, ist die Mitgliederschaft im Ganzen gesehen dem Kern des preußischen Bildungsbürgertums zuzurechen. Sie hatten beim Eintritt im Alter von durchschnittlich 37 Jahren ihren Platz in der Gesellschaft gefunden und praktizierten als Mediziner (z. B. Flemming), Juristen (z. B. Schulze, Wollank), Theologen (z. B. Bornemann) oder Pädagogen (z. B. Pfund). Jene, die kein Universitätsstudium vorweisen konnten, waren dem Wirtschaftsbürgertum zuzurechnen (z. B. der Juwelier Jordan-Friedel). Gemessen an der sozialen Stellung späterer Männergesangvereine kann man hier von einer hochelitären Gruppierung sprechen, deren Homogenität das erwartete Maß noch übersteigt. So waren sämtliche Mitglieder bis 1832 protestantisch, es gab keine jüdischen Mitglieder, und sowohl der Adel als auch das Militär waren ausgeschlossen – allerdings nicht qua Statut, sondern in jenem zeittypischen Abkapselungsvorgang, in dem sich die bildungsbürgerliche Formation ihre schmale gesellschaftliche Schicht gewann und sicherte. Die Tafelgründung darf hier als typischer und pa-

radigmatischer Prozess angesehen werden. – Die soziale Position mag eine der Grundbedingungen vorstellen, doch die Schlüsselkompetenz war zweifellos eine künstlerische. „Die Mitglieder müssen entweder Dichter, Sänger oder Komponisten sein“, schrieb Zelter an Goethe. Der bemerkenswert hohe Anteil an professionellen Künstlern (vor allem Musikern) bildete ein überraschend starkes Gegengewicht zum bildungsbürgerlichen Kern und sorgte für eine Professionalisierung der literarisch-musikalischen Arbeit der LT. Beispiele sind etwa Carl Friedrich Ludwig Hellwig (Hof- und Domorganist sowie Königlicher Musikdirektor), Carl Friedrich Rungenhagen (Komponist und späterer Direktor der Sing-Akademie) oder Johann Georg Gern, der als Bassist zum Ensemble der Hofoper gehörte und dessen „Sarastro“ nachgerade legendär war. Nicht verwunderlich ist allerdings, dass der Anteil der Mehrfachbegabungen, die sich stimmlich, dichterisch und kompositorisch einbringen konnten (wie Zelter selbst), gering war. Die Zahlen des Jahres 1813 ergeben folgendes Bild: Unter den insgesamt 29 Mitgliedern zählte man jeweils drei dichtende Sänger bzw. dichtende und komponierende Sänger, sieben komponierende Sänger und sechzehn reine Sänger. Das heißt: Nur gut ein Fünftel (6) dichtete, aber über ein Drittel (10) komponierte auch. Die Waagschale neigte sich also deutlich den musikalischen Begabungen entgegen. Diese Größenverhältnisse blieben bis 1832 nahezu konstant. – 2. Einzelmitglieder in der Reihenfolge ihres Eintritts (bis 1815): Carl Friedrich Zelter, Christian Gottfried Schulz, Pierre Jean Jordan-Friedel, Friedrich Ferdinand Flemming (gest. 1813), Johann Wilhelm Jakob Bornemann, Friedrich Johann Ernst Wollank, Carl Friedrich Rungenhagen, Carl Friedrich Ludwig Hellwig, August Hartung, G. W. Müller (bis 1812), Johann Georg Thielemann, Carl Hellwig, Gottfried Bernhard Loos (bis 1812), Johann Gottlob Lortzing, Johann Georg Gern, Johann Gottfried Woltmann, Heinrich Wil519

7  Kunstausübende Vereine

helm Loest (bis 1810), Bechtold (Vorname unbekannt), Friedrich Jonas Beschort, Samuel Heinrich Jachtmann, Johann Philipp Samuel Schmidt (bis 1810), Johann Gottfried Pfund, Franz Seraphin Lauska, Patzig (Vorname unbekannt), Johann Friedrich Eunike, Georg Carl Benjamin Ritschl, Schul(t)ze (Vorname unbekannt), Otto Grell, Wurm (Vorname unbekannt), Samuel Heinrich Spiker, Johann Gottfried Langermann, Martin Hinrich Carl Lichtenstein, Christian Peter Wilhelm Beuth, Carl Friedrich Schinkel (Ehrenmitglied), Heinrich Stümer, Carl v. Winterfeld, Ernst Friedrich Bussler.

stab und Gustav Reichardt am 24. April 1819 setzte ein Prozess der Diffusion täflerischer Ideen ein. Die für Zelters Idee so wesentliche Exklusivität wurde zugunsten einer Öffnung für breitere Schichten aufgegeben. Die Jüngere Liedertafel stand dabei aber keineswegs in Konkurrenz, sondern wurde gleichsam als Schwester empfunden. Seit 1828 gab es gemeinsame Unternehmungen, und Zelter, der regelmäßig dort verkehrte, schätzte sie sogar in einem Brief an Goethe 1830 (etwas kokett) höher als seine eigene Schöpfung. – Die stärkste Anziehungskraft ging jedoch weiterhin von der Zelterschen LT aus. Die Reihe der Interessenten war bald derart angewachsen, dass die Hoffnung auf eine Aufnahme oftmals gering oder ganz aussichtslos war. Aus diesem Grund stifteten die Anwärter spätestens 1842 ihrerseits einen neuen, bis mindestens 1884 bestehenden Verein, den Strafverein. Der selbstironische Name ging auf die Gepflogenheit zurück, jeden Verstoß gegen die Statuten mit übertrieben hohen Strafgeldern zu ahnden. Der Strafverein war mit der LT befreundet und wurde zu festlichen Ereignissen hinzugebeten.

Querverweise auf andere Vereine: Die neue Geselligkeitsform wurde in erstaunlicher Geschwindigkeit landesweit bekannt, und so gründeten sich bald zahlreiche weitere Liedertafeln, etwa in Frankfurt/Oder und Leipzig (1815), Magdeburg (1819), Münster (1822), Hamburg (1823) und Potsdam (1826). Dass der Vorbildcharakter der Berliner „Urtafel“ dabei sehr konkret sein konnte, lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass die neuen Gesellschaften ihr Liedrepertoire zuweilen aus den in Berlin gedruckten Textsammlungen schöpften und bei Zelter um Abschrif- Bibliographie: 1) Handschriftliche Quellen: ten der zugehörigen Partituren baten. Wie Verhandlungen der Liedertafel. Archiv der sehr die Liedertafeln andernorts tatsächlich Sing-Akademie zu Berlin, Signatur: N. Mus. das Denken und Handeln des Zelterschen SA 280–287 (Jahrgänge I–XLVII, 1808– Modells zu adaptieren versuchten, ob man 1855), N. Mus. SA 288–289 (Jahrgänge LXIII– dort den Dreiklang des Singens – Dichtens – XCI, 1871–1899), N. Mus. SA 309 (JahrgänKomponierens ernst genommen hat und wie ge CXII–CXXXVII, 1920–1945). – Entwurf stark der Einfluss des von Hans Georg Näge- einer Sitzordnung für die zweite Versammli in der Schweiz etablierten, mehr auf musi- lung der Liedertafel am 6. Juni 1809 (Schreikalische Breitenbildung zielenden Männerge- ber: Zelter). Archiv der Stiftung Dokumentasangswesens auf die neuen Gründungen war, tions- und Forschungszentrum des Deutschen ist bislang noch nicht hinreichend erforscht. – Chorwesens Feuchtwangen, Signatur: A  26. In Berlin selbst zog die limitierte Mitglieder- – 2) Gedruckte Quellen: Bornemann, Wilzahl der LT einerseits und der nicht abreißen- helm (Hg.): Die Zeltersche Liedertafel in Berde Bewerberstrom andererseits mehrere Ver- lin, ihre Entstehung, Stiftung und Fortgang, einsgründungen nach sich, darunter die Jün- nebst einer Auswahl von Liedertafel-Gesängere Liedertafel und den Strafverein. Mit der gen und Liedern. Berlin 1851. – Gesänge der Gründung der Jüngeren Liedertafel durch Lud- Liedertafel. Berlin 1811 (Lieder Nr. 1–88). – wig Berger, Bernhard Klein, Ludwig Rell- Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Wer520

7.2  Liedertafel [LT]

ke nach Epochen seines Schaffens (Münchner Berlin. Ein Kunstverein für die heilige Musik. Ausgabe). Hg. v. Karl Richter in Zusammen- Berlin 1991. – Eberle, Gottfried und Rautenarb. m. Herbert G. Göpfert, Norbert Miller, berg, Michael (Hg.): Die Sing-Akademie zu Gerhard Sauder und Edith Zehm. Briefwech- Berlin und ihre Direktoren. Berlin 1998. – Elsel zwischen Goethe und Zelter in den Jah- ben, Otto: Der volkstümliche deutsche Mänren 1799 bis 1832, hg. v. Hans-Günter Ot- nergesang. Tübingen 1855, 2. Aufl. Tübingen tenberg u. a., Bd. 20 in drei Teilbänden. Mün- 1887. – Filips, Christian (Hg.): Der Singemeischen und Wien 1991–1998. – Die Lieder- ter Carl Friedrich Zelter. Mainz 2009. – Fitafel. Berlin 1818 (Lieder Nr. 1–300). – Die scher, Axel und Kornemann, Matthias (Hg.): Liedertafel. Zweiter Theil. Berlin 1842 (Lie- Integer vitae. Die Zeltersche Liedertafel als der Nr. 301–450). – Zelter, Carl Friedrich: kulturgeschichtliches Phänomen (1809–1832). Carl Friedrich Christian Fasch. Berlin 1801. Berlin 2014 (= Berliner Klassik. Eine Groß– 3) Forschungsliteratur: Blankenburg, Wal- stadtkultur um 1800, Bd. 20). – Fischer-Diester und Brusniak, Friedhelm: Artikel „Chor- kau, Dietrich: Carl Friedrich Zelter und das und Chormusik“. In: Die Musik in Geschich- Berliner Musikleben seiner Zeit. Berlin 1997. te und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie – Klenke, Dietmar: Der singende „deutsche der Musik. 2. Ausgabe, hg. v. Ludwig Finscher, Mann“. Gesangvereine und deutsches NaSachteil, Bd. 2. Kassel u. a. 1995, Sp. 766–824. tionalbewußtsein von Napoleon bis Hitler. – Blumner, Martin: Geschichte der Sing- Münster 1998. – Kuhlo, Hermann: GeschichAkademie zu Berlin. Eine Festgabe zur Sä- te der Zelterschen Liedertafel von 1809–1909. kularfeier am 24.5.1892. Berlin 1891. – Bol- Berlin 1909. – Lichtenstein, Hinrich: Zur Gelert, Werner (Hg.): Sing-Akademie zu Berlin. schichte der Sing-Akademie in Berlin. Nebst Festschrift zum 175jährigen Bestehen. Berlin einer Nachricht über das Fest am funfzig­sten 1966. – Brusniak, Friedhelm: Carl Friedrich Jahrestage ihrer Stiftung und einem alphabeZelters Entwurf einer Tischordnung für die tischen Verzeichniss aller Personen, die ihr Liedertafel am 6. Juni 1809. Anmerkungen als Mitglieder angehört haben. Berlin 1843. – zur II. ordentlichen Zusammenkunft der Ber- Mehlitz, Hartmut: Friedrich Ferdinand Flemliner „Ur-Liedertafel“. In: Urbane Musikkul- ming (28.2.1778–27.5.1813) – ein bekannter tur. Berlin um 1800, hg. v. Eduard Mutschel- Unbekannter. In: Weberiana, Heft 11 (2001), knauss. Hannover 2011, S. 333–355 (= Ber- S. 53–76. – Nitsche, Peter: Die Liedertafel liner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800, im System der Zelterschen Gründungen. In: Bd. 18). – Brusniak, Friedhelm und Klenke, Studien zur Musikgeschichte Berlins im früDietmar (Hg.): „Heil deutschem Wort und hen 19. Jahrhundert, hg. v. Carl Dahlhaus. Sang!“ Nationalidentität und Gesangskultur Regensburg 1980, S. 11–26. – Quedenbaum, in der deutschen Geschichte. Tagungsbericht Gerd: Männer-Chor-Singen. Düsseldorf 2005. Feuchtwangen 1994. Augsburg 1995. – Eber- – Schünemann, Georg: Die Singakademie zu le, Gottfried: 200 Jahre Sing-Akademie zu Berlin 1791–1941. Regensburg 1941.

Axel Fischer / Matthias Kornemann

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7  Kunstausübende Vereine

7.3 Privatgesellschaft junger Architekten [PjA] Name: Privatgesellschaft junger Architekten. Gründung: Anfang des Jahres 1799. Bestand: Vermutlich bis Herbst 1800. Sitz: Treffen wohl in Privatwohnungen.

theil den das Studium der Baukunst aus einer Sammlung und Bekanndtmachung jener Schönheiten ziehen wird, das hervorstechende Verdienst jener genievollen Künstler hat die Herausgabe eines neuen Werks veranlasst, welches eine Gesellschaft von Archit[ekten] in Paris unter dem Titel: Maisons et Palais de Rom pp herausgiebt“ (Privatbesitz).

Programm: Ein schriftlich niedergelegtes Programm existiert nicht. Am ehesten vermittelt ein Redeentwurf Friedrich Gillys vom 30. Januar 1799, der möglicherweise anlässlich der ersten Zusammenkunft entstan- Geschichte und Programmatik: Die Idee, den ist, das Selbstverständnis der „Privatge- einen privaten informellen Kreis junger Bersellschaft“. Darin heißt es u. a.: „Die Einlei- liner Architekten zu gründen, kam dem Artung zu unserer Gesellschaft konnte wohl kei- chitekten Friedrich Gilly wohl auf seiner Stune paßendere und glücklichere Betrachtung dienreise 1797/98, die ihn vor allem nach mit ihren Zwecke vereinigen, als die über Paris und England geführt hatte. Wir sind das ernstere Studium der Kunst, aus so vor- darüber durch die Denkschrift seines Komtreflichen Gesichtspunkten. Es war dem Sin- militonen und Freundes, des Archäologen ne eines wahren Künstlers angemessen, mit Konrad Levezow (1770–1835), unterrichdieser Forschung alle Wege der weiten Lauf- tet. Zusammen mit seinem Schwager Heinbahn vorzuzeichnen, und als Muster zur Bil- rich Gentz gründete er einen privaten Zirdung das vortrefliche aller Zeiten, – aller Zei- kel, der – wohl in Anlehnung an die platoniten des Guten Geschmacks zur Empfehlung sche Akademie – aus sieben Mitgliedern beheraus zu heben. Die älteren ital. Baumeister, stand, wobei Gilly und Gentz als Mentoren Palladio und seine Zeitgenossen besonders, fungierten. Die Bezeichnung „Privatgesellhaben den Ruhm, nach den Zeiten der Alten schaft junger Architekten“ benutzt der Vavorzüglich gewonnen die ganz besonders zu ter F. Gillys, der Oberhofbaurat David Gilly näherer Anwendung dieser Kunst auch unse- (1748–1808), in seinen Schreiben an den Gere Bedürfnisse leiten, und zu einem einfachen heimen Kabinettsrat Carl Friedrich v. Beyschönen Geschmack den beobachtenden me (1765–1838). Ziel der Vereinigung war es, Archit[ekten] anführen werden. – Italien hat sich im Winter einmal wöchentlich zu treftausend Schätze dieser Art für den Studieren- fen, um verschiedene architektonische Theden, auch aus der neueren Periode der Kunst, men zu bearbeiten, im Sommer ging man neben dem herrlichen Alterthum – und ist es anderen Beschäftigungen nach. Dies geschah ein Wunder daß hir, wo alle Kunst so frucht- entweder durch eine ad hoc gestellte Aufgabe bringend gedieh, auch diese immer vorzüg- – was man heute als Kurzzeitentwurf bezeichlich blühte? / Wir können nicht genug wün- nen würde – oder man wies per Losentscheid schen, daß jene Werke durch die Auswahl ge- jemandem einen größeren Entwurf zu, den schickter Künstler, in treuen geschmackvol- dieser bis zum nächsten Treffen entwickelte, len Abbildungen möglichst bekannt gemacht beziehungsweise einigte sich auf ein gemeinund ausgebreitet werden mögen. Wie sehr sames derartiges Projekt. Hierbei handelte es müssen es besonders die wünschen, denen sich in der Regel um Idealprojekte, nur geledas Glück noch nicht zu Theil ward, den An- gentlich auch um konkrete Bauvorhaben. In blick jener Meisterwerke und die Wärme des einem Fall ist auch bekannt, dass eine tatsächheiligen Landes selbst zu genießen. Der Vor­ liche Umsetzung angestrebt wurde, bei der 522

7.3  Privatgesellschaft junger Architekten [PjA]

Abb. 102  Heinrich Gentz, Entwurfszeichnung zu einer Kaufmanns-Börse (© Kupferstichkabinett, Staat­ liche Museen zu Berlin, SZ Heinrich Gentz 3). 523

7  Kunstausübende Vereine

Abb. 103  Friedrich Gilly, Entwurfszeichnung zu einer Börse.

Berliner Börse. Auftraggeber wäre hier die Berliner Kaufmannschaft gewesen, dennoch hat der Vater F. Gillys in diesem Fall versucht, bei König Friedrich Wilhelm IV. seinen Einfluss geltend zu machen, wenn auch vergeblich. Sind die bekannten architektonischen Skizzen der Mitglieder zu kleineren Themen nur vage zuzuordnen, so lassen sich von den umfangreicheren Aufgaben folgende Entwurfsthemen belegen: ein Jagdschloss, ein Vergnügungshaus für „die Zelte“ im Berliner Tiergarten, eine Bibliothek sowie ein Museum, möglicherweise auch ein Schauspielhaus. D. Gilly hat die PjA auch aufgefordert, ein Postament mit einer Inschrift für die Schleuse des Bromberg Kanals bei Nackel (Nakło) mit einer Huldigung an die preußischen Könige zu entwerfen, die diesen Kanal hatten bauen lassen. Die PjA ist als ein Zeichen des intensiven Aufbruchs innerhalb des preußischen Klassi524

zismus kurz vor 1800 einzustufen. Die reale Situation der Architekten war im Wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt: die politische Gemengelage durch die napoleonische Umgestaltung, die zu einem Auftragsmangel geführt hatte, sowie die unbefriedigende und ungenügende Ausbildungssituation im Bauwesen, welche zu einem Niveauverlust zu führen drohte. Die Ausbildung auf eine spezielle „architectonische Klasse“ an der königlichen Akademie zu beschränken, reichte bei weitem nicht aus. Um diesem Mangel abzuhelfen, hatte bereits 1793 D. Gilly eine private Bauschule ins Leben gerufen, die bis 1796 existierte. Schon seit den späten 1780er Jahren gab es aber Bestrebungen, in Berlin eine architektonische Akademie beziehungsweise ein Polytechnikum nach Pariser Vorbild zu etablieren, die sich indes nicht realisieren ließen. In diesen Kontext gehört auch die ab 1797 von D. Gilly herausgegebene Sammlung

7.3  Privatgesellschaft junger Architekten [PjA]

nützlicher Aufsätze und Nachrichten, die Baukunst betreffend, zu der auch Mitglieder der PjA wie Gentz und Joachim Ludewig Zitelmann Beiträge beisteuerten. Es war dies die erste deutsche Bauzeitschrift, die sich über einen längeren Zeitraum – knapp zehn Jahre – halten konnte. In die zahlreichen Aufsätze dieses breit gefächerten Magazins flossen sowohl theoretische und ingenieurwissenschaftliche, aktuelle wie auch historische Diskurse der Zeit ein, auch wurden darin Forderungen nach einer Bauakademie erhoben und die dafür notwendigen Statuten und Lehrpläne diskutiert. Mit der Gründung dieser Akademie 1799 gelang es schließlich, eine – ungeachtet vieler ungelöster Fragen – dauerhafte Unterrichtsanstalt für Architekten in Berlin zu institutionalisieren, an der auch Mitglieder der PjA unterrichteten (F. Gilly, Gentz und Zitelmann). Durch diese Gründung, den frühen Tod F. Gillys am 3. August 1800 und den sich schon im Herbst diesen Jahres abzeichnenden Weggang von Gentz nach Weimar zum Wiederaufbau des dortigen Schlosses – zu dem dann auch Martin Friedrich Rabe mit herangezogen wurde –, erstarb die Aktivität der PjA im Herbst des Jahres 1800. Dass sie dennoch noch einige Zeit nach der Gründung der Bauakademie weiter bestanden hat, lässt sich möglicherweise damit erklären, dass nicht alle Mitglieder mit dieser Institution verflochten waren und infolgedessen das Bedürfnis nach kompetenter Auseinandersetzung mit architektonischen Fragen fort bestand. Auch sind Nachzeichnungen von Entwürfen der PjA bekannt, die erst nach deren Auflösung entstanden sind, so von dem Münchener Leo v. Klenze (1784–1864), der im Herbst des Jahres 1800 nach Berlin kam und neben dem Studium an der Bauakademie auch privaten Unterricht bei D. Gilly erhielt, in dessen Haus er angeblich auch gewohnt haben soll. Die PjA ist schnell zu einem Mythos geworden, eine erste gründliche Aufarbeitung leistete Hella Reelfs, verbunden mit einer Ausstellung im Berlin Museum 1984.

Mitglieder: Friedrich Gilly (1772–1800), seit 1797 Oberhofbauinspektor, 1798 Professor für Optik und Perspektive an der Bauakademie. – Heinrich Gentz (1766–1811), seit 1795 Oberhofbauinspektor, 1796 Professor für Stadtbaukunst an der „architectonischen Lehranstalt“ der königlichen Akademie, 1799 Mitglied der Gründungskommission der Bauakademie und dortiger Professor für Stadtbaukunst. – Joachim Ludewig Zitelmann (1768 – nach 1803), 1793–1796 Lehrer an der Privatschule D. Gillys für Arithmetik, Trigonometrie und Feldmeßkunst, seit 1794 Bauassessor am Oberbaudepartement, 1799 Professor für Statik und Hydrostatik an der Bauakademie, ab 1800 mitverantwortlich für die Sammlung nützlicher Aufsätze und Nachrichten, die Baukunst betreffend. Seine Mitgliedschaft in der PjA ist wahrscheinlich, aber nicht nachgewiesen. – Carl Haller v. Hallerstein (1774–1817), stammte aus Nürnberg, hatte in Stuttgart studiert und reiste 1798 mit einem Stipendium des Nürnberger Rates nach Berlin, um bei D. Gilly privaten Unterricht zu nehmen. – Martin Friedrich Rabe (1775–1856), seit 1795 Kondukteur bei der Kriegs- und Domänenkammer, ab 1800 Baukondukteur beim Oberbaudepartement. – Karl Friedrich Schinkel (1781– 1841), seinerzeit als Studierender. – Carl Ferdinand Langhans (1782–1869), seit 1797 Kondukteur beim Oberhofbauamt, 1800 Assistent seines Vaters, des Oberhofbauamtsdirektors Carl Gotthard Langhans. Seine Mitgliedschaft in der PjA ist wahrscheinlich, aber nicht nachgewiesen. Bibliographie: Archivquellen: GStA PK, Acta des Kabinetts des Königs Friedrich Wilhelm III., Rep. 96 A [Rep. 89 alt], Tit. 12 H, Berliner Bausachen, 1791–1806. – Forschungsliteratur: Dorgerloh, Hartmut: „Skiz­ zen zur Erbauung einer Kaufmanns-Börse in zwey Blättern“. Ein unbekannter Entwurf von Heinrich Gentz. In: Gebaute Vergangenheit heute, hg. von den Landesämtern für Denk525

7  Kunstausübende Vereine

malpflege Sachsen, Sachsen-Anhalt, Meck- Gilly, königlichen Architecten und Professor lenburg-Vorpommern und dem federführen- der Academie der Baukunst zu Berlin. Berden Brandenburgischen Landesamt für Denk- lin 1801 [Wiederabdruck in: Kat. Friedrich malpflege, Detlev Karg. Berlin 1993. – Kat. Gilly, S. 217–242, dort insbesondere S. 234 f.]. Friedrich Gilly, 1772–1800, und die Privat- – Oncken, Alste: Friedrich Gilly, 1772–1800. gesellschaft junger Architekten (Berlin Muse- Berlin 1935 (Nachdruck: Die Bauwerke und um). Berlin 1984, insbesondere S. 174–208. – Kunstdenkmäler von Berlin, Beiheft 7, Berlin Levezow, Konrad: Denkschrift auf Friedrich 1981), insbesondere S. 92 f., 101 f.

Michael Bollé

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7.4 Privattheatergesellschaften

7.4 Privattheatergesellschaften In Berlin existierte um 1800 eine Vielzahl von Liebhabertheatern, bei Hofe wie auch in adligen und in wohlhabenden bürgerlichen Häusern. Die meisten Schlossbauten und die städtischen Palais verfügten über ein Theater oder einen zum Theaterspielen geeigneten Saal. So fanden bei den Vorstellungen im früheren Palais der Gräfin Lichtenau 600 Personen Platz. Gespielt wurde auch im Haus des Bankiers Cohen und im Haus des Fürsten Radziwill. Bei diesen Liebhabertheatern handelte es sich in der Regel um einmalige gesellige Unternehmungen eines freundschaftlichen, durch Theaterleidenschaft verbundenen Kreises, die in Privaträumen realisiert wurden, ohne festes Ensemble und ohne Spielplan. Johann Gottfried Schadow berichtet über die Zeit um 1804: „Die zeichnenden Künstler hatten schon seit längerer Zeit in langen Abenden Komödie gespielt, jedoch nicht, wie Dilettanten zu tun pflegen, in und mit gut geschriebenen Stücken, sondern mit selbstverfaßten Possen, Satiren, Extravaganzen, Karikaturen, Transparenten und Tableaux vivants. Musiker hatten sich ihnen angeschlossen, und es war dahin gediehen, daß sogar die Vornehmen es sehen wollten, wordurch man genötigt wurde, die Possen mit Bedacht und Ernst einzuleiten. / Der Saal in Fließ-Hause […] wurde gewährt, man sah unter den Zuschauern die ersten Künstler der Bühne, Gelehrte, Staatsmänner und Prinzen. Der Minister v. Schrötter gab in seinem Hause vor einer ähnlichen Auswahl von Gästen kleine Komödien, wo jedoch die Musik vorwaltete“ (Schadow, Bd. 1, S. 65). Parallel dazu entwickelten sich in Berlin Liebhabertheater der unteren Schichten, die eine feststehende Bühne anstrebten. Bereits 1782 sollen in Berlin drei bis vier solcher Liebhabertheater bestanden haben (Weil, S. 48). In den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts gab es eine regelrechte Gründungswelle von Amateurbühnen, sogenannten Privattheatergesellschaften, die vor allem in Handwerker- und Gesellenkreisen beheimatet waren und sich – mit Ausnahmen – lediglich bis in das erste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts halten konnten. Die bedeutendste Privattheatergesellschaft dieser Zeit, die  Urania, wurde 1792 gegründet und konnte 1892 ihr 100-jähriges Jubliäum feiern. 1796 wurden die  Melpomene und die  Thalia gegründet, 1797 die  Minerva, 1798 der Theaterverein  Apollo und 1800 die  Polyhymnia. 1800 meldete sich das  Privattheater der Ressource zur Harmonie beim Polizeidirektorium als Schauspieler-Gesellschaft an, 1807 das  Privattheater der Ressource zur Concordia, eine Fortsetzung der Harmonie. Neben diesen gab es noch andere Theatergesellschaften, über die wenig bekannt ist. In einem Berliner Reiseführer von 1793 ist ein Liebhabertheater in der Wohnung des Hofrats Hagen aufgeführt: „Von den mitspielenden Personen verrathen einige keine üble Anlagen zur Schauspielkunst. Durch Bekannte kann man Entreebillets erhalten“ (Rumpf, 1793, S. 155). 1801 baten die Arbeiter in der Berliner Steingutfabrik des Barons v. Eckartstein um die Erlaubnis zu theatralischen Vorstellungen. Im Garten der Tierarzneischule fanden öffentliche Schauspiele statt, die 1811 verboten wurden (BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A Tit. 31 Nr. 13a). 1807 beabsichtigte der Tabagien- und Tanz527

7  Kunstausübende Vereine

bodenhalter Gentz in der Zimmerstraße 78, in seinem Saal Komödie spielen zu lassen, um seine Gäste zufrieden zu stellen ( Privattheater des Gastwirts Gentz). Zugleich wies er darauf hin, dass auch in anderen Gaststuben Komödien zur Belustigung der Gäste geboten würden. 1809 wollten sieben junge Handwerkersöhne ein  Gesellschaftstheater in der Alten Jakobstraße 56 gründen. Dieser Boom von Privattheatergründungen zeugt von einer weitverbreiteten Lust am Theaterspielen und Theaterkonsumieren, besonders auch in den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Schichten. Die Gründungswelle von Privattheatern ging einher mit polizeilichen Einschränkungen und Verboten. Die Privatgesellschaften unterlagen der Kontrolle der Polizeibehörden, hatten regelmäßig ihre Mitglieder nach Name, Alter, Stand und Beruf zu melden sowie den Spielplan vorzulegen. Unmündige Laienschauspieler, Frauen und abhängig Beschäftigte brauchten die Erlaubnis ihrer Eltern oder Vormünder. Die Aufführungen waren nur im privaten Kreis erlaubt, d. h. zu den Vorstellungen waren nur die Mitglieder und ihre engsten Verwandten (Eltern, Kinder, Geschwister, Schwager und Schwägerinnen) zugelassen, jedoch keine Fremden. Die Gesellschaften mussten unentgeltlich spielen, und es durfte keine Gastwirtschaft oder ein Bierausschank angeschlossen sein. Zuwiderhandlungen zogen ein Verbot der Gesellschaft nach sich. Seit dem 15. Juni 1791 galt ein allgemeines Verbot von Theateraufführungen in gemieteten Sälen. 1796 und wiederum am 12. April 1798 wurde das Verbot für sämtliche Privattheater in Berlin erneuert. Weitere Verbote gab es 1800; ein generelles Verbot von Privattheatern wurde per Reskript vom 16. Februar 1803 ausgesprochen („es sollen durchaus keine stehenden Privat Theater Schauspieler geduldet werden, gesitteten Bürgern solle es aber unbenommen bleiben, sich zuweilen mit so genannten Liebhaber Schauspielen zu belustigen“; BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 444, Bl. 164). Demzufolge wurden die Privattheater verboten, um „dem in den letzten Jahren so sehr überhand genommenen Hange zum Comödien-Spielen besonders unter der niederen Volcks Classe und der Vermehrung der privat Theater Einhalt zu thun“ (ebd., Nr. 442, Bl. 145). Dabei wurden die polizeilichen Anordnungen durchaus unterschiedlich gehandhabt, wie am Beispiel der Urania nachzuvollziehen ist, die mehrere Ausnahmeregelungen durchsetzen konnte. Beim gebildeten Bürgertum wurden die Aufführungen von Theaterstücken letztlich erlaubt, bei den übrigen „Dilettanten“ dagegen verboten. Gründe für die Disziplinarpolitik des Staates waren die Furcht der Regierung vor geheimen Verbindungen und revolutionären Umtrieben, veranlasst auch durch mehrere Revolten und Streiks der Gesellen und Manufakturarbeiter in den 1790er Jahren, sowie eine befürchtete Konkurrenz zum monarchisch geförderten Königlichen Nationaltheater. August Wilhelm Iffland, der Ende 1796 die Leitung des Königlichen Nationaltheaters übernommen hatte, sah in den Privattheatern Konkurrenten, die Publikum vom Nationaltheater abziehen konnten. Dies erklärt die Einschränkungen, dass Aufführungen nur im engsten familiären Rahmen stattfinden, keine Speisen und Getränke ausgegeben und kein Geld damit verdient werden durften. Iffland verfolgte die Arbeit der Privattheatergesellschaften aufmerksam, zollte ihr durchaus auch Respekt und nutzte sie letztendlich als Stellenpool für das Nationaltheater. 528

7.4 Privattheatergesellschaften

Die Privattheatergesellschaften waren wie Vereine organisiert und wie eine Behörde strukturiert. Die Vereinsarbeit wurde durch umfangreiche und kleinteilige Statuten geregelt. Ähnlich dem Nationaltheater verfügte man über Theatergesetze und Strafenregister. Man unterschied ordentliche, ausserordentliche und Ehren-Mitglieder, die durch Mehrheitsbeschluss gewählt wurden. Ein jeweils für einen bestimmten Zeitraum gewählter Vorstand leitete die Vereinsaktivitäten. Die Gesellschaften finanzierten sich autonom über Mitgliedsbeiträge. Die Liebe zum Theaterspielen und die Gründung von Laientheatergesellschaften als „Geschmacksbildungsanstalten“ waren typisch für die Zeit um 1800. Kleinbürgerliche Laientheater gab es auch in anderen deutschen Städten; sie weisen allerdings gegenüber den Berliner Gründungen diverse Unterschiede auf. So existierte in den 1780er Jahren in Rostock ein Privattheater der Bedienten, in Frankfurt a. M. ein Theater der Perückenmacher-Gesellen (Theater-Kalender auf das Jahr 1785, hg. v. Reichard, Gotha 1785, S. 107–108) oder in Dresden eine Theatertruppe der Barbiergesellen bzw. Chirurgischen Volontärs (Petrick, S. 172). Es waren jedoch Einzelerscheinungen von sehr kurzer Dauer. – Bei dem in Bayern und Tirol beheimateten religiösen Volkstheater, das auf einer Jahrhunderte langen Tradition beruht, handelte es sich dagegen um katholische rituell wiederkehrende Spiele, die allein die Leidensgeschichte Jesu darstellten. Dabei hatten die Passionsspiele unter ähnlichen Verboten zu leiden wie die Berliner Privattheater (Meinl, S. 75 ff.). In diesen Kontext gehören auch die Schüler- und Studententheater, deren Tradition bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, und die in den meisten deutschen Städten vorhanden waren. – Bereits 16 Jahre vor Gründung der Urania entstand 1776 in Dresden das Societätstheater, eine bürgerlich-adlige Liebhaberbühne und die vermutlich erste Vereinsbühne Deutschlands. Das Dresdner Societätstheater hatte eine detaillierte Vereinssatzung. Das von ihm seit 1779 genutzte Gebäude in der Neustadt bot 250 Zuschauern Platz; es gab Societätsfilialen in Bautzen, Freiberg, Schneeberg und Meißen. Größere vergleichbare Theatervereinsgründungen waren das Magdeburger Gesellschaftstheater oder die Nürnberger Gesellschaft der freundschaftlichen Privatbühne (vgl. Gruber, 1998; Gruber, 2004, S. 16–24). Ein weiteres, um 1787 in Dresden gegründetes Freundschaftliches Theater (auch als Zweytes Societätstheater bezeichnet), mit 20 bis 30 Mitgliedern aus Adels- und Gelehrtenkreisen, fusionierte 1789 mit dem älteren Societätstheater (Petrick, S. 246). Anders als in Berlin entstammten die Mitglieder des Dresdner Theatervereins einer im Umfeld des sächsisches Hofes angesiedelten Gruppe aus gebildeten höheren Beamten, wohlhabenden Kaufleuten und Gelehrten; das Theater erwarb zunehmend einen semi-professionellen Status (Rosseaux, S. 279). Fast zeitgleich mit der Urania entstand im Februar 1793 das National-Bürgertheater in Mainz, eine bürgerlich-revolutionäre Laienbühne unter Mitwirkung von Berufsschauspielern (vgl. Steiner). – Anders als die oben genannten Theatervereine sind die Berliner Laientheatervereinigungen eher in der Tradition der frühen Handwerkertheater zum Beispiel in Biberach und Kaufbeuren zu sehen. Weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden ist die Evangelische bürgerliche Komödianten529

7  Kunstausübende Vereine

Gesellschaft in Biberach, die 1686 von Handwerkern gegründet wurde und bis 1858 Bestand hatte. Ähnlich wie bei diesen kamen die Mitglieder der Berliner Privattheatergesellschaften hauptsächlich aus bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kreisen, dazu gesellten sich auch Bedienstete, Handwerkergesellen und zum Teil noch unmündige Jugendliche. Es waren kleinbürgerliche Vereinsgründungen, die in ihrer Art und ihrer großen Zahl als einmalig für die Zeit um 1800 angesehen werden können. Literatur: Ungedruckte Quellen: BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A (Theater-Sachen). – GStA PK, I. HA Rep. 77: Ministerium des Innern, Tit. 420, Nr. 16, Bd. 1 (Akten betreffend die Privat-Theater in Berlin). – Gedruckte Quellen: [Anonym]: Über die hiesigen Privattheater. In: National-Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Gewerbe in den preußischen Staaten. Berlin 1801, S. 922–932. – [Anonym]: Ueber Privatbühnen. In: Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks. Hg. v. Rambach und Feßler. Berlin 1799, 2. Bd., Oktober, S. 369–377. – Gädicke, Johann Christian: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend. […] Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806, S. 504. – Iffland, August Wilhelm: Bemerkungen über Liebhabertheater im Allgemeinen. In: Almanach fürs Theater von August Wilhelm Iffland, 1. Jg., Berlin 1807, S. 209–220. – Kochen, Albrecht Heinrich Matthias: Über Familientheater und Liebhabertheater. In: Deutsche Monatsschrift 1799/2, S. 172–180 [bezieht sich auf Jena]. – Rochlitz, Friedrich: Taschenbuch für Liebhaber des Privattheaters. Leipzig o. J. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Berlin oder Darstellung der interessantesten Gegenstände dieser Residenz. Ein Handbuch für Fremde und Einheimische. Berlin 1793, S. 155. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Berlin und Potdam. Eine vollständige Darstellung der merkwürdigsten Gegenstände. Erstes Bändchen. Berlin 1804, S. 518. – Schadow, Johann Gottfried: Kunstwerke und Kunstansichten. Ein Quellenwerk zur Berliner Kunst-und Kulturgeschichte zwischen 1780 und 1845. Kommentierte Neuausg. hg. v. Götz Eckardt. Bd. 1, Berlin 1987. 530

– Forschungsliteratur: Bolte, Johannes: Zur Geschichte des Berliner Theaterwesens im 18. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, 6 (1889), S. 101– 102, 122–123, 135–138. – Bosse, Heinrich: Das Liebhabertheater als Pappkamerad. Der Krieg gegen die Halbheit und die „Greuel des Dilettantismus“. In: Blechschmidt, Stefan / Heinz, Andrea (Hg.): Dilettantismus um 1800. Heidelberg 2007, S. 69–90. – Freydank, Ruth (Hg.): Theater als Geschäft: Berlin und seine Pri­vattheater um die Jahrhundertwende. Berlin 1995, besond. S. 25. – Gruber, Eckhard (Hg.): „Der Mensch hascht unaufhörlich nach Vergnügen“. Zur Geschichte des Societätstheaters in Dresden und anderer „Bühnen im Taschenformat“. Berlin 1998. – Gruber, Eckhard: Sittlicher Bürger Abendschule: das Socie­tätstheater – eine Dresdner Liebhaberbühne des ausgehenden 18. Jahrhunderts. In: Theater in Dresden. Dresden 2004, S. 16–24. – Kotte, Andreas: Theaterwissenschaft: eine Einführung. Köln 2005, S. 244. – Maurice, Florian: Freimaurerei um 1800. Ignaz Aurelius Feßler und die Reform der Großloge Royal York in Berlin. Tübingen 1997, S. 152– 154 (Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung, 5). – Maurice, Florian: Identität und Immersion. Neue Erlebnisräume in Berlin um 1800. In: Sedlarz, Claudia (Hg.): Die Königsstadt. Stadtraum und Wohnräume in Berlin um 1800. Hannover 2008, S. 15–33, hier S. 22 f. (Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800, Bd. 6). – Meinl, Katharina: Für Fürst und Vaterland. Begriff und Geschichte des Münchner Nationaltheaters im späten 18. Jahrhundert. München 2003 (Studien zur Münchner Theatergeschichte, 2). –

7.4 Privattheatergesellschaften

Motschmann, Uta: Die private Öffentlichkeit – Privattheater in Berlin um 1800. In: Der gesellschaftliche Wandel um 1800 und das Berliner Nationaltheater. Hg. v. Klaus Gerlach u. Mitarb. v. René Sternke. Hannover 2009, S. 61–84 (Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800, Bd. 15). – Petrick, Romy: Dresdens bürgerliches Musik- und Theaterleben im 18. Jahrhundert. Marburg 2011. – Rosseaux, Ulrich: Freiräume. Unterhaltung, Vergnügen und Erholung in Dresden 1694–1830. Köln, Weimar, Wien 2007. – Steiner, Ger-

hard: Das Theater der deutschen Jakobiner. Dramatik und Bühne im Zeichen der Französischen Revolution. Berlin 1989. – Weil, Rudolf: Das Berliner Theaterpublikum unter A. W. Ifflands Direktion (1796 bis 1814). Ein Beitrag zur Methodologie der Theaterwissenschaft. Berlin 1931. – Die Zeittafel. In: Zur Geschichte des organisierten Deutschen Amateurtheaters. Nach den Beständen deutscher Bibliotheken und Archive zusammengestellt von Hans-Günter Nagel. Heidenheim 1998.

Uta Motschmann

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7  Kunstausübende Vereine

Privattheatergesellschaft Urania [Urania] Name: Urania. ben gleiche Lasten, also auch gleiche RechGründung: Anfang 1792 als Lesezirkel; Stif- te, und gleiche Stimmen“ (Gesetze 1797, § 1). tungstag (= Tag der ersten Vorstellung): 28. „Alle Mitglieder sind gegenseitig verbunden, August 1792. Einer für den Andern zu stehen, in so ferne es Bestand: Die Gesellschaft löste sich während das allgemeine Interesse betrift, weil das Intedes II. Weltkrieges, vermutlich 1944, auf. resse Aller, das Interesse des Einzelnen, und Zusammenkünfte: 1792: Wohnung des so umgekehrt, ist“ (ebd., § 9). – „Echter PaMusikers Baumann in der Zimmerstraße 65; triotismus und wahre Königstreue sind stets in diesem Haus befand sich auch die erste die Gesinnungen der Urania-Mitglieder gekleine Bühne. – Ende 1792 bis 1793: klei- blieben bis auf den heutigen Tag“ (Sauerwald, ne neugeschaffene Holz- und Lattenbühne 1892, S. 3). bei Graveur Thieme. – Nov. 1793 bis März 1797: eigenes Theatergebäude in der Neuen Geschichte und Programmatik: Die Urania Kommandantenstraße Nr. 25 (später Nr. 72) ist die älteste Berliner Privattheatergesellschaft, im Haus des Frl. Tetsch (eine ehemalige die zudem am längsten ununterbrochen akStrumpffabrik), anfänglich bestehend aus tiv war. Anfang 1792 fand sich im Hause des einem Saal und einigen Zimmern; mehre- Musiklehrers Baumann ein Lesezirkel von re Umbauten und Erweiterungen; das Haus acht jungen Männern zusammen, um drawurde im Sommer 1797 abgerissen. – Nov. matische Werke von Schiller, Lessing, Kotze1797 bis 1802: neu erbautes Haus auf dem bue und Iffland mit verteilten Rollen zu legleichen Grundstück mit einem Thea­tersaal sen. Daraus entstand bald der Wunsch nach im zweiten Stock. – Dez. 1802 bis März 1834: eigenen Theatervorstellungen. In dem kleineu errichtetes Thea­tergebäude auf dem da- nen Saal, der zur Baumannschen Wohnung neben liegenden Grundstück Kommandan- gehörte, befand sich ein kleines Theater eitenstraße 73 (Thea­tersaal mit mehreren Lo- ner anderen Gesellschaft, die die Miete schulgen, mehrere Zimmer und kleiner Neben- dig geblieben war und das Theater als Pfand saal). – Dez. 1834 bis Anfang 1870: Thea- zurückgelassen hatte. Dort wurde an Goethes terneubau in der Kommandantenstraße 73 Geburtstag die erste Vorstellung mit Kotzemit einem Zuschauer­raum für 600 Personen bues Schauspiel Menschenhaß und Reue gege(Strilack’sches Thea­ter). – 1871–1872: Zwi- ben. Der Erfolg dieser Aufführung gab Anlass, schenstationen, u.  a. im Engelhardt’schen den Lesezirkel in einen dramatischen Verein Lokal. – 1872 bis Juni 1879: im Gesell- umzuwandeln, als dessen Stiftungstag der 28. schafts-Lokal, Leipziger Platz 15 (Theater August 1792 angesehen wurde. Nachdem die im Juni 1879 abgebrannt); danach Über- Besitzer des kleinen Theaters die rückständigangslösungen. – 1882–1883: im Deutschen ge Miete gezahlt und ihr Eigentum abgeholt Hofe und alten Architektenhaus. – 1883– hatten, suchte man nach einer anderen Spiel1885: in der Berliner Ressource. – Ab 1885: stätte. Ein neues Mitglied, der Graveur Thieim neuen Architektenhaus, Wilhelmstraße me, stellte selbst die Theatereinrichtungen 92/93. – 1903: Oranienburger Straße 18. her und fertigte die Dekorationen, so dass im Oktober 1792 in seinem Haus die neue HolzProgramm: Die Gründungsmitglieder sahen und Lattenbühne mit dem Drama Das Fines als ihr Ziel an, die dramatische Kunst zu delkind des Grafen Brühl eingeweiht werden pflegen und eine Pflanzstätte für junge dra- konnte. Der Raum bei Thieme wurde bald matische Talente zu sein. „Alle Mitglieder ha- zu klein, und die Gesellschaft mietete ein ei532

7.4  Privattheatergesellschaft Urania [Urania]

genes Lokal in der Kommandantenstraße. Die te der Maurermeister Adler die Grundstücke erste Vorstellung fand am 24. November 1793 Kommandantenstraße 72 und 73 und baute mit Ifflands Verbrechen aus Ehrsucht statt. Am auf dem letzteren ein Theater mit Theatersaal 1. September 1795 gab sich die Gesellschaft und Logen, mehreren Zimmern und einem den Namen Urania, nach der Muse der Stern- kleinen Nebensaal für die nun 53 Mitgliekunde, der „Himmlischen“. – Wie alle Pri- der zählende Gesellschaft. Den Vorhang ziervattheater war auch die Urania Ende des 18. te die schwebende Muse Urania, gemalt von und zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehrmals Mügge. Das neue Theatergebäude wurde am von polizeilichen Verboten bedroht. Ab Ende 5. Dezember 1802 mit dem Schauspiel von 1794 setzten diejenigen Mitglieder, die eine Gemmingen Der deutsche Hausvater eröffBeamtenstellung innehatten, die Regelung net. Die Gesellschaft zahlte eine Jahresmiete durch, keine Fremden mehr als Zuschauer von 200 Talern. In dieser Zeit besuchten auch zuzulassen, damit nicht der Eindruck entste- wieder Gäste die Vorstellungen, die zuvor in hen könne, man spiele für Geld. Im Gegen- einer Fremdenliste angemeldet werden musszug wurde die Mitgliederzahl erhöht, auch ten. Die Vorstellungen kamen auch in den die bisherigen „Abonnenten“ erhielten den Kriegszeiten nie ganz zum Erliegen, nur im Mitgliederstatus. Durch Protektion der Prin- Jahr 1806 wurden durch die französische Bezessin Luise Friederike von Preußen konn- setzung Berlins die regelmäßigen Vorstellunte das Verbot, das 1796 alle Privattheater in gen unterbrochen. 1807 erlebte das Theater Berlin betraf, abgewendet werden. Auch spä- einen neuen Aufschwung, indem unter Runtere Verbote von Privattheatern konnte die genhagens Leitung auch Opern und SingspieUrania umgehen und ohne Unterbrechung le wieder zur Aufführung kamen. Zur gleiweiter spielen. Laut Reskript vom 16. Feb- chen Zeit litt das Nationaltheater unter Zuruar 1803 wurde bei der Urania eine Ausnah- schauerschwund, vor allem, weil der Hof me gemacht, „da ihre Gesellschaft aus Mit- nach Ostpreußen geflohen war. In den Jahgliedern der gebildeten Classe besteht, und ren der Befreiungskriege 1813/15 setzte die zu den anständigen gehört“; überdies gäbe Urania den Spielbetrieb fort, obwohl mehredie Gesellschaft im Jahre höchstens 15 Vor- re Mitglieder kriegsbedingt abwesend waren. stellungen, „wodurch der Casse des Natio- Am 28. August 1817 feierte man das 25-jähnal Theaters kein Abbruch geschehen kann“ rige Bestehen der Gesellschaft mit der Oper (BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 442, Der Eremit auf Formentera, nach der Musik Bl. 145). 1795 hatte die Gesellschaft 30 männ- von Rungenhagen. liche Mitglieder, zum Teil mit Familien. Im Der Direktor des Nationaltheaters, August März 1797 wurde das Haus von Frl. Tetsch Wilhelm Iffland, sah das Privattheater Urania abgerissen, und der neue Besitzer, ein Herr als eine Art Schauspielschule und Probebühne Klinker, liess ein neues, größeres Theater bau- des Königlichen Nationaltheaters an. Er holte en. Die Einweihung des neuen im 2. Stock in der Urania ausgebildete und erprobte jungelegenen Saales erfolgte am 26. November ge Schauspieler und Sänger ans Nationalthe1797 mit Zschokkes Trauerspiel Abellino. Die ater, die dort und darüber hinaus zu gefeierGesellschaft blieb dort fünf Jahre und gab je- ten Darstellern wurden, wie Friedrich Wilden Winter 14 Vorstellungen. Dazu gehörten helm Lemm, der von 1803 bis 1812 in 148 auch kleinere Opern unter Leitung des Mu- Stücken des Nationaltheaters mitspielte, oder sikdirektors Rungenhagen. Mehrmals waren Heinrich Blume, der ab 1808 in 75 TheaterMitglieder des königlichen Hauses anwesend, stücken auftrat. Wilhelmine Maaß trat zusamso Prinz Ferdinand von Preußen und dessen men mit ihrer Mutter zuerst in der  MinerSchwiegersohn, Fürst Radziwill. 1802 kauf- va und dann in der Urania auf, bis sie ab 1805 533

7  Kunstausübende Vereine

eine namhafte Schauspielerin am National- Lustspiel Von Sieben die Häßlichste von Angely theater wurde. Auch die Sängerin Louise Ro- eröffnete neue Theater blieb fast 36 Jahre lang gée, seit 1821 mit dem Schriftsteller, Schau- die Spielstätte der Urania. „Das Theatergebäuspieler und Theaterregisseur Karl v. Holtei de stand in dem großen Garten, ein gedeckter verheiratet, gab ihr Debüt in der Urania. Der Gang führte von der Straße aus zu demselben Komponist Albert Lortzing, dessen Eltern ak- hin. Die große geräumige Bühne war reich tive Mitglieder in der Urania waren, agierte wie ein öffentliches Theater ausgestattet, bein Kinderrollen. Anlässlich der Rückkehr Iff­ saß Schnürboden und Versenkung, sowie auch lands nach Berlin im Oktober 1808 wurde geräumige Theatergarderoben […]. Die Bühvon den Nationaltheater-Schauspielern und ne war so groß, daß sechs Tische mit Stühlen den Urania-Schauspielern gemeinsam eine auf derselben aufgestellt werden konnten und Feier zur Huldigung Ifflands im Urania-Thea­ selbst dann noch genügender Raum für die Akteure verblieb. Der Orchesterraum war für ter veranstaltet. In den 1820er Jahren scheint es in der Ura- 25 Musiker eingerichtet. Vorn an der Bühne nia zunehmend zu Problemen gekommen zu waren vier Prosceniumslogen […]. Rings um sein; im Jahr 1825 schließlich stand sie vor ih- den Zuschauerraum lief ein Balkon mit einer rer Auflösung: Mitglieder und Verwaltung großen Mittelloge (64 Sitzplätze) und mehrehatten zu wenig Teilnahme gezeigt; das Ni- ren kleineren Logen. Das Parquet, durch eiveau der Vorstellungen war gesunken. Die nen Mittelgang in zwei Hälften getheilt, bot Mitglieder Crüsemann, Seiffarth und Sieg- links und rechts Raum für je 167 Sitzplätze. ling setzten sich für den Erhalt der Urania Im alten Saale, in dem vorher die Vorstellunein, warben neue Mitglieder, entwarfen neue gen stattgefunden hatten, sowie in dessen NeStatuten, beseitigten eingeschliffene Miss- benräumen wurden von jetzt ab die Herrenbräuche und konstituierten die Gesellschaft ressourcen abgehalten und Lesezimmer eingeneu. Schauspieler kamen nun auch von ste- richtet; auch fanden daselbst die Leseproben henden Bühnen zur Urania. So wurde 1830 statt. Im großen Garten wurde ein Orchesterder Bühnendichter und einer der künstleri- podium errichtet, und bisweilen fand dasselbe schen Leiter am Königsstädtischen Theater, zu Concerten Benutzung“ (Sauerwald, S. 13). Louis Angely, Regisseur bei der Urania. 1833 – Zum 50-jährigen Stiftungsfest 1842 wurde kaufte das Mitglied, Rats-Glasermeister Stri- ein von Heinrich Schmidt gedichtetes Festlack, das Grundstück, auf dem sich das The- spiel Urania’s Festmorgen mit der Musik von ater befand. Er baute ein geräumigeres The- Albert Lortzing aufgeführt; anschließend – ater für 600 bis 700 Personen, mit Vereins- wie zur Gründung – das Schauspiel Menschenräumen und Kegelbahn, und stellte auch den haß und Reue, wobei das Mitglied G. F. Bock Garten zur Verfügung. Die Mitglieder zahlten – wie schon vor 50 Jahren – als Schauspieler ihm 6.000 Taler Vorschuss; Strilack stellte Ak- mitwirkte. In Anerkennung seiner Leistungen tien aus, die verzinst und allmählich zurück- für die Urania wurde sein Ölporträt im Thegezahlt wurden. Zur Gestaltung der Räume atersaal aufgehängt. In der 2. Hälfte des 19. und der Bühne wurden nochmals 5.000 Taler Jahrhunderts besuchten Mitglieder des Köaufgebracht; insgesamt ein Kapital von 33.000 nigshauses mehrmals Vorstellungen der GeMark. Das alte Theater wurde am 31. März sellschaft, so Friedrich Wilhelm IV., Wilhelm 1834 geschlossen und am 25. April 1834 der I. und sämtliche Prinzen. An der 75-jährigen Grundstein für das neue Theater gelegt. Die Stiftungsfeier nahmen königliche Beamte Bauleitung übernahmen die beiden Mitglie- wie der Polizeipräsident Wurmb, Theaterdider Maurermeister Sarre und Zimmermeis- rektoren wie Wallner, Cerf, Deichmann und ter Pütsch. Das im Dezember 1834 mit dem Düringer, Schauspieler der Hof- und ande534

7.4  Privattheatergesellschaft Urania [Urania]

rer Privatbühnen sowie alle Redakteure der Berliner Zeitschriften teil. Die 100-jährige Stiftungsfeier bestand aus einer Fest-Vorstellung, die mit Genehmigung Kaiser Wilhelms II. im Königlichen Opernhaus stattfand, einem Fest-Bankett und einem Ball. Aus Anlass dieses Jubiläums wurde am 17. August 1892 durch die Urania der Verband der Privat-Thea­ ter-Vereine Deutschlands mit Sitz in Berlin gegründet, der erste Verband, der im gesamten Reichsgebiet tätig war. Die Urania besaß die Stellung eines „Präsidial-Vereins“, dessen Vorstand zugleich das Präsidium des Verbandes bildete. Ab Mai 1893 erschien die Privat-Bühne, das offizielle Organ des Verbandes (vgl. Die Zeittafel, S. 19). Bis zum Ausbruch des II. Weltkriegs war die Urania noch aktiv, dann wurde sie zunehmend spielunfähig, bis nach Ausrufung des „Totalen Krieges“ alle Spielmöglichkeiten wegfielen, und die Gesellschaft sich vermutlich 1944 auflöste (Die Zeittafel, S. 88). Der Spielplan: In den Anfangsjahren gab es pro Saison in der Regel 14 Theateraufführungen. Im Sommer konnte wegen der hohen Temperaturen in den Theaterräumen nicht gespielt werden. Ab 1826 fanden jährlich 12 Theatervorstellungen statt, darunter zwei Aufführungen kleinerer Opern. Größere Opern konnten nur dann gegeben werden, wenn sich sämtliche Mitglieder zu einem Extra-Obolus bereit erklärten. Zusätzlich fanden noch zwei Aufführungen an Silvester und zur Fastnacht statt. Nach diesen Vorstellungen gab es einen Herren-Abendtisch. – Die aufgeführten Stücke unterschieden sich nicht von denen des Nationaltheaters und anderer großer öffentlicher Häuser; sie waren wie diese vom Zeitgeschmack bestimmt. Es wurden bevorzugt deutsche Stücke aufgeführt; Schauspiele und Lustspiele von Kotzebue und Iffland beherrschten das Repertoire. Eröffnet wurde die Urania 1792 mit Kotzebues Schauspiel Menschenhaß und Reue. Außerdem standen in den ersten 25 Jahren u. a. auf dem

Abb. 104  Theaterzettel vom 19. Januar 1800 (Jerry und Bätely; Der Jurist und der Bauer).

Programm: Stücke von Kotzebue: Die Indianer in England, Lustspiel; Die Versöhnung, Schauspiel; Die Verleumder, Schauspiel. – Stücke von Iffland: Die Jäger, Schauspiel; Die Mündel, Schauspiel; Die Reise nach der Stadt, Schauspiel; Dienstpflicht, Schauspiel; Verbrechen aus Ehrsucht, Schauspiel. – Stücke von Jünger: Maske für Maske, Lustspiel; Die Geschwister vom Lande, Lustspiel; Die Entführung, Lustspiel; Der Revers, Lustspiel; Er mengt sich in alles, Lustspiel von Susannah Cent­livre / Johann Friedrich Jünger). – Stücke von Christian Heinrich Spieß: Die drei Töchter, Lustspiel; Das Ehrenwort, Lustspiel. – Stücke anderer Autoren: Der Vetter aus Lissabon, Lustspiel von Friedrich Ulrich Ludwig Schröder; Die Familie Spaden, Schauspiel von David Beil; Der dankbare Sohn, Lustspiel von Johann 535

7  Kunstausübende Vereine

Jakob Engel; Röschen und Colas, Singspiel von Pierre Alexandre de Monsigny; Die sechs Schüsseln, Familiengemälde von Großmann; Der Jurist und der Bauer, Lustspiel von Johann Rautenstrauch; Die beiden Billets, Lustspiel von Jean Pierre Claris de Florian / Anton Wall [Christian Leberecht Heyne]; Leichtsinn und gutes Herz, Lustspiel von Friedrich Gustav Hagemann; Heimburg und Maria, Lustspiel von Christoph Friedrich Bretzner; Abällino, Trauerspiel von Zschokke; Die Tochter der Natur, Schauspiel von August Lafontaine. – In den 1790er Jahren wurden mehrfach Lessings Emilia Galotti und Minna von Barnhelm und Schillers Kabale und Liebe aufgeführt. Den größten Erfolg hatte das Vaterländische Schauspiel mit Gesang Die Fischer an der OstSee [Die Fischer bei Kolberg] von Jakob Andreas Konrad Levezow, mit Musik von Karl Friedrich Rungenhagen. – Ab 1797, häufiger dann ab 1807, wurden zunehmend kleine Opern gespielt, wie Jery und Bäthely (Operette von Goethe / Johann Friedrich Reichardt), Das Neusonntagskind (Komische Oper von Philipp Hafner / Wenzel Müller), Lilla (Singspiel von Lorenzo Da Ponte / Vincente Martín y Soler), Der Barbier von Sevilla (Singspiel von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais / Gustav Friedrich Großmann / Giovanni Paisiello); Belmonte und Constanze [Die Entführung aus dem Serail] (Oper von Johann Gottlieb Stephanie d. J. / Christoph Friedrich Bretzner / Mozart); Fanchon (Operette von Jean Nicolas Bouilly, Joseph Marie Pain / Kotzebue / Friedrich Heinrich Himmel). Struktur und Organisation: In den Anfangsjahren bestand die Gesellschaft nur aus jungen Männern. Jedes wirkliche Mitglied hatte Anspruch auf mehrere Rollen während einer Saison. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder war laut Statut auf 16 beschränkt. Erst später wurden auch Abonnenten aufgenommen, ebenfalls junge Männer, die als Zuschauer den Vorstellungen beiwohnten. Ihre Zahl war anfänglich auf acht, später auf zwölf 536

Personen begrenzt. Frauen konnten nur als Gäste, und durch männliche Mitglieder eingeführt, an den Vorstellungen Teil nehmen. Einen Vorstand gab es anfangs noch nicht; den Vorsitz der Versammlungen führte Herr Thieme; zu jeder Vorstellung wurden die kleineren Ämter verteilt. Wöchentlich fand eine „Conferenz“ aller wirklichen Mitglieder statt, in der Theaterstücke ausgewählt, die Rollen verteilt und alle sonstigen Angelegenheiten besprochen wurden. Ab Januar 1794 fanden regelmäßige Mitgliederversammlungen statt. 1794 wurde das erste umfangreiche Bühnenreglement verfasst, das bis 1826 gültig blieb. 54 Paragraphen regelten „Allgemeine und besondere Gesetze“, „Annahme der Mitglieder“, die „Conferenz“ und die „Theaterpolizey“. Im Strafenregister sind Geldstrafen von zwei bis 16 Groschen verzeichnet, zu zahlen beispielsweise bei zu sorglosem Umgang mit der Theaterkleidung, zu frühem oder zu spätem Erscheinen auf der Szene, Versäumen des Stichwortes, Nichtbefolgen der Anweisungen des Regisseurs, Zank und Streit bei Proben und am Spieltage, Lärmen, Plaudern oder Pfeiferauchen. Am schärfsten wurde das Mitbringen von Fremden ins Theater geahndet, da dieses Vergehen zu einem gänzlichen Verbot der Theatergesellschaft hätte führen können. Seit 1794 wurden über alle Versammlungen Protokolle geführt und ein Archiv angelegt. Das Vereinsarchiv war einerseits notwendig, um den Polizeibehörden jederzeit Rechenschaft ablegen zu können, andererseits unterstreicht es das hohe Selbstbewusstsein der Gesellschaft. Anfang 1795 organisierte sich die Urania neu: es wurde ein Vorstand gewählt, bestehend aus zwei Vorsitzenden (Entrepreneure genannt), einem Rendanten oder Finanzier und einem Theaterdirektor. Spielende und nichtspielende Mitglieder hatten fortan einheitlich einen Taler im Monat zu zahlen, wofür jedes Mitglied drei Eintrittskarten zu den Vorstellungen erhielt. Das Eintrittsgeld für neue Mitglieder erhöhte sich auf einen Friedrichsd’or. „Eine

7.4  Privattheatergesellschaft Urania [Urania]

Abb. 105  Aktie der Urania, 1835.

Abgabe von Eintrittskarten an fremde Personen gegen Entgeld war den Mitgliedern auf das Strengste untersagt“ (Sauerwald, S.  5). Die Zahl der Ämter erhöhte sich in den folgenden Jahren stetig; die früher von einer Person ausgeübten Funktionen wurden ab etwa 1800 auf mehrere Mitglieder aufgeteilt und damit dem größeren Spielbetrieb und der größeren Mitgliederzahl angepasst: Regisseur, Kassierer, Requisiteur, Garderobier, Justitiar, Protokollführer, Orchesterleiter, Dekorateur, Kastellan, Souffleur – dazu kamen Ehrenämter, beispielsweise zur Betreuung der Logen, Verteilung der Billets, Platzierung der Damen, Illustration des Theaters oder zur Holzversorgung. 1826 bestand der Vorstand aus fünf Personen: dem Vorsteher, dem Sekretär, dem Ökonomie-Direktor (Verteilung der Billets), dem Rendanten und dem Regis-

seur (Auswahl der Stücke; Leitung der Proben und Aufführungen), wobei letzterer mit dem Theaterwesen vertraut sein musste. In den Conferenzen konnten die Mitglieder der ersten beiden Klassen ihre Meinung kundtun. Die allgemeinen Conferenzen wurden später durch Beratungen eines gewählten Mitglieder-Ausschusses ersetzt. – Finanzierung: Die Urania finanzierte sich ausschliesslich über Mitgliedsbeiträge. Der jährliche Mietpreis für das erste eigene Theater in der Kommandantenstraße (ein Saal mit Loge sowie zwei Stuben, Kammern und zwei Küchen) betrug 70 Taler. Der Mietpreis wurde auf die Mitglieder gleichmäßig aufgeteilt und monatlich erhoben. Zusätzlich zahlte jedes Mitglied für die Unkosten der Vorstellungen (Beleuchtung, Heizung, Requisiten) den auf ihn entfallenden Beitrag nach jeder Vorstellung zur Ge537

7  Kunstausübende Vereine

sellschaftskasse. Der Beitrag war demzufolge nicht feststehend, sondern von der Zahl der Mitglieder und den Kosten der Vorstellungen abhängig. In den Anfangsjahren betrug er jährlich zwischen acht und zehn Talern. Das Eintrittsgeld für neue Mitglieder betrug in den Gründungsjahren vier Taler. Abonnenten (das waren nichtspielende Mitglieder) zahlten einen Taler Eintrittsgeld und im Winter einen monatlichen Beitrag von anfangs acht, später zwölf Groschen. Mit der neuen Verfassung 1826 wurden die Mitglieder in drei Klassen unterteilt. Zur ersten Klasse gehörten 20 Mitglieder, welche einen Jahresbeitrag von 23 Talern zahlten und dafür drei Sitzplätze zu jeder Vorstellung und Ball-Billets für zwei Damen erhielten. Die 35 Mitglieder der zweiten Klasse zahlten 17 Taler und erhielten zwei Sitzplätze zu jeder Vorstellung und ein Ball-Billet. Beide Klassen waren an eine siebenmonatige Kündigungsfrist gebunden und zahlten beim Eintritt einen Friedrichsd’or Eintrittsgeld. Die Mitglieder der dritten Klasse (die den späteren außerordentlichen Mitgliedern entsprachen), die zahlenmäßig starken Schwankungen unterlagen, zahlten ein geringes Eintrittsgeld und einen niedrigen Beitrag und hatten Anspruch auf zwei Stehbillets zu jeder Vorstellung. 1826 hatte die Gesellschaft 1.605 Taler Einnahmen und 1.350 Taler Ausgaben, darunter 450 Taler Miete. Der Überschuss wurde für Bälle und Extra-Vorstellungen sowie zur Anlage eines Reservefonds verwendet. – Spielbetrieb: Die Ausgestaltung der Bühne und die Herstellung der Kulissen übernahmen die Mitglieder selbst. Auch die Kostüme und sämtliche Assessoires wurden selbst angefertigt oder gebraucht gekauft (z. B. von der Familie des Prinzen Ferdinand), so dass im Laufe der Jahre ein größerer Kostümfundus zusammenkam. Während Ifflands Direktorium konnte auch problemlos Garderobe vom Königlichen Nationaltheater für einzelne Vorstellungen entliehen werden. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Garderobe zuneh538

mend aus Theater- und Redouten-Garderoben-Leihanstalten besorgt. Die Beleuchtung erfolgte anfangs durch Talglichte. 1804 ließ die Gesellschaft für 200 Taler 50 Argandsche Lampen anfertigen. Viel früher als auf dem Nationaltheater wurden durch Papierschirme Abendröte, Gewitter- und Mondbeleuchtung erzeugt. Wie bei den großen stehenden Bühnen üblich verteilte auch die Urania Theaterzettel, anfangs handgeschrieben, ab 1797 in gedruckter Form mit der Aufschrift Gesellschafts-Theater Urania. – Geselligkeit: Die Mitglieder der Urania und ihre Familien konnten außerhalb der Proben und Vorstellungen an einem vielfältigen geselligen Vereinsleben teilhaben. Es gab ein Lesekabinett, ein Vereinszimmer für Unterhaltungen; nach den Aufführungen fanden meist Tanzveranstaltungen und gemeinsame Abendessen statt. Da im Sommer keine Vorstellungen gegeben wurden, traf man sich zu sogenannten Wandel-Festen im Garten des Schlosses Bellevue, die die Mitglieder Gay und Hahn, die im Schloss wohnten, organisierten. Nach Musik und Gesang wurde die Nacht hindurch durch den Tiergarten bis nach Wilmersdorf „gewandelt“. Diese bis 1806 durchgeführten Wanderungen wurden später als Kostümfeste, verbunden mit der Aufführung von Possen, wiederbelebt. Das glänzendste dieser Feste fand 1814 in eleganten antikisierenden Kostümen statt, mit denen die Götter Griechenlands dargestellt wurden. 1824 wurde für die Sommermonate eine Kegel-Gesellschaft gegründet, die in verschiedenen Gärten zusammenkam. Die Mitglieder fühlten sich als Teil einer großen Familie, so dass auch private Feste wie Dienstjubiläen, runde Geburtstage, Silberne Hochzeiten oder Polterabende gemeinsam im Theatergebäude gefeiert wurden. Im Dezember 1793 begleitete die Gesellschaft in altdeutschen Kostümen zu Pferde den Einzug der künftigen Königin Luise in Berlin. Am 31. Dezember 1809 fand eine große Feier zur Rückkehr des Königlichen Hauses statt mit einer Aufführung des Iffland-

7.4  Privattheatergesellschaft Urania [Urania]

schen Schauspiels Selbstbeherrschung, mit Tanz und einem Festessen. Im März 1808 sammelte die Gesellschaft bei der Aufführung des Ifflandschen Schauspiels Das Vaterhaus Geld zur Unterstützung des  Luisen-Stifts. Mitglieder: a) Allgemeines: Anfangs bestand die Gesellschaft nur aus jungen Männern. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten ein Kupferstecher, ein Schönfärber, ein Bronceur, ein Tischler, ein Galanteriehändler, zwei Kammerdiener, ein Bandfabrikant, ein Kaufmann, ein Forstzeugmeister und zwei Kondukteure. Erst später wurden auch Personen als Abonnenten aufgenommen, welche nur als Zuschauer den Vorstellungen beiwohnten. Damen konnten nur als Gäste an den Vorstellungen teilnehmen, wenn sie durch Mitglieder eingeführt wurden. Sie durften auch mitspielen, hatten jedoch kein Stimmrecht. In einem Promemoria der Vorsteher der Urania an das Polizeidirektorium vom 8. April 1799 erklärt sich die Gesellschaft als politisch unbedenklich und möchte nicht in einer Reihe „so vieler kleiner Liebhaber Theater“ gesehen werden, „deren Verfaßung vielleicht nicht von der Art ist, daß sie eine strenge Untersuchung aushielten“: „Das Theater Urania besteht nun bereits seit 7 Jahren, seine Errichtung war nicht, wie es sonst gewöhnlich geschieht, die Folge einer Verbindung ganz junger Leute, die ihre Dienstgeschäfte oftmals darüber versäumen sondern Männer die bereits die Großjährigkeit erlangt, und völlig independent waren, sind die Stifter desselben, und auch damals schon wurde es gleich ein Grundgesetz, Frauenzimmer nur dann Theil an diesem Vergnügen nehmen zu laßen, wenn es mit völliger Zustimmung ihrer Aeltern oder Vormünder geschehen.“ Die Gesellschaft zähle „jetzt Personen zu ihren Gliedern […], welche mit zu den angesehensten Mittelstande der Residenz gehören, und mehrentheils verheyrathete und angesehene Männer, oder doch völlig unabhängig sind. Die Zahl der Mitglieder ist übrigens auf 34

bestimmt, und wird nie überschritten“. Die Urania wuchs dennoch immer mehr an. 1802 hatte sie 53 Mitglieder, zunehmend wohlhabende Bürger. 1803 berichtete die Urania an das Polizeidirektorium: „Die Mitglieder unserer Gesellschaft bestehen größtentheils aus Kaufleuten, und überhaupt aus Männern die über die Zeit ihres Vergnügens frei disponieren dürfen“ (BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 442, Bl. 146). Zum 50-jährigen Bestehen 1842 hatte die Gesellschaft mehr als 60 Mitglieder; in den Jahren 1869 bis 1892 zählte sie 384 Mitglieder. Die Urania bot jungen Talenten die Möglichkeit, sich zu erproben und auszubilden. Nicht wenige wurden später professionelle Schauspieler. „Gar viele nachmals berühmte Darsteller der Schauspielkunst sind aus der hervorgegangen und haben sich die ersten Lorbeeren auf unserer Bühne erworben“ (Sauerwald, S. V). Auch Kinder von Nationaltheater-Schauspielern traten auf der Privatbühne auf, so die Tochter des Sängers Friedrich Eunike und seiner Frau, der Sängerin und Schauspielerin Maria Therese Eunike, ebenso die Tochter des Tänzers Schulz (später verheiratete v. Wrochem) oder die Tochter des Sängers Johann Christian Franz (später verheiratete Unzelmann). – b) Einzelmitglieder: Eintritte bis 1815 (alphabetisch): Frl. Ahlden (seit 1792); Herr Albrecht (Gründungsmitglied); Herr Amberg; Herr Appenzeller (Gründungsmitglied); Herr C. P. Barby; Herr Baumann (Musiklehrer) und mehrere seiner Schüler; Herr Bayer; Herr C. G. Becherer (Pergamentfabrikant); Herr Blenz; Herr Blume (Commissarius); F. G. Bock (Handlungsdiener bei Huthändler Nauss; Gründungsmitglied); Herr Böcke (Fabrikant); Herr C. F. Bohm jun.; Herr Brahmann; Herr Brusch (Faktor der Ungarischen Weinhandlung von Gebr. Selbstherr in Breslau); Carl Frid. Burgsdorff jun.; J. H. Burgsdorff sen.; Herr Burich (Kaufmann und Kornhändler); Herr C. F. Büttner; Herr Cami (Kamin?) (Buchhalter der Treskowschen Buchhandlung); Herr Chabot sen. (Geh. Se539

7  Kunstausübende Vereine

kretär im General-Direktorium, war über 40 Jahre Mitglied); Herr Christ; Herr F. W. Condelins; Herr Crudelius (Kaufmann der Spezereihandlung); Herr Conrad Crüsemann; Herr Damer (Geh. Kanzlei-Sekretär im GeneralDirektorium); Herr Duncker (Buchhändler); Herr Emter (Theater-Eleve, Gründungsmitglied); Herr Fleck; Frl. Fleck d. J. (später verh. Gubitz); Herr Fonrobert (Kaufmann und Tabakhändler); Frl. Wilhelmine Franz (spätere Frau Geheimrat Werner, verw. Unzelmann; später königl. Schauspielerin); Herr Fritsche (Expedient beim Intelligenz Comptoir); Herr Fromm; Herr Fuchs (Musiker; später Leiter des Gesellschafts-Orchesters); Herr Gay (Bediensteter bei der Prinzessin Ferdinand); Herr George (Wollfärber); Herr Germershausen; Frl. Gern; Herr Goetting; Herr Gotskowsky; Herr Grabow (Kondukteur; Gründungsmitglied); Herr M. F. Grundmann (Geh. Polizeisekretär); Frau Grundmann (Ehefrau des Vorigen; später zusammen mit ihrer Tochter beim Theater in Danzig engagiert); Herr Fr. Hagen; Herr Hahn (Bediensteter bei Prinz Ferdinand von Preußen); Herr Hansmann (Rechnungsrat und Organist, übernahm 1814 die Leitung des Gesellschafts-Orchesters); Herr Harnecker; Herr Heck (Königl. Beamter); Herr Hertz sen. (Schönfärber, Gründungsmitglied; war mehr als 40 Jahre Mitglied); Herr Hertz jun. (später Bürgermeister in Prenzlau); Herr Th. F. Hirsekorn; Herr Holle (Buchhalter in der Mylius­schen Buchhandlung); Herr J. Hübner; Herr C. F. Hübner jun.; Herr Jacquier (Kaufmann und Tabakshändler); Herr Jacquier (Tischlermeister und Bretterhändler); Herr Jannasch; Frl. Klinsing; Frl. Kolbe; Frl. Kreuz; Frl. v. Lahrbusch; Frl. Latomus (Tochter der Frau In­ spektor Latomus); Herr Lemm (später königl. Schauspieler); Herr F.  W. Lohse; Johann Gottlieb Lortzing (Lederhändler) und Charlotte Sophie Lortzing, geb. Seidel (die Eltern des Komponisten; ab 1812 Berufsschauspieler an den Theatern in Breslau, Coburg, Bamberg, Straßburg, Freiburg i. B., im Rheinland, 540

seit 1832 in Leipzig); Herr Luckau (Bürger); Frl. Wilhelmine Maaß (ab 1792, später königl. Schauspielerin); Herr Marmalle (In­ spektor im Joachimsthalschen Gymnasium, Mitgl. ab 1796); Herr J. W. Meier; Herr E. F. Meier; Herr Mentz (Kammer-Kalkulator); Frau Mentz (Sängerin; Frau des Vorigen); Herr Merici (Kaufmann und Tabakshändler); Herr Moser; Herr Oehl (Sattler); Herr Oehls I (Gründungsmitglied); Herr Oehls II (ging später ans Weimarer Theater; dort gest. als Regisseur des Großherzogl. Theaters); Herr Peschke (Gründungsmitglied); Herr Printz (Kaufmann der Spezereihandlung); Herr M. F. Ramin; Herr C. Reimann; Herr Reiser; Dr. Richter (Gründungsmitglied); Herr Richter (Referendar, Gründungsmitglied); Herr J. G. Rudolph (Band­ fabrikant; Gründungsmitglied); Herr Rudolph (Kommissionsrat); Herr Rungenhagen (Bruder des Folgenden); Carl Friedrich Rungenhagen (Mitglied bis 1814; später königl. Musikdirektor); Herr Sander (Kaufmann und Destillateur, später Stadtrat in Berlin); Herr Scherer (Kaufmann der Tuch- und Seidenhandlung); Herr Schiele; Herr Schiess (Kaufmann); Herr Schmidt (Kupferstecher); Herr Schondorff (Kammer-Kalkulator); Herr S. F. Schöneberg; Herr Schubert, Herr Schüller (Kaufmann und Seidenhändler); Herr J. D. Schülte; Herr C. W. Schüppel (Buchhändler); Herr Schur (Zeugmeister des Königs; Gründungsmitglied); Herr Schütte; Herr J. F. W. Sille; Herr Soeding; Herr Sonntag (Bank-Sekretär); Herr D. Sotzmann; Herr Stabenoh jun.; Frau Stein (Ehefrau des Schriftstellers Carl Stein; gest. 1816); Herr Stümer (später Mitglied der königl. Oper, danach am Theater Breslau); Herr Stungar (Buchhalter bei Herz Beer); Frau Sußmann (Sängerin); Herr Thieme (Graveur, übte das Ehrenamt eines Maschinenmeisters (Theatermeisters) aus; gest. 1816); Wilhelm Thieme (Sohn des Vorigen; spielte seit 1800 Kinderrollen); Herr Tietzen (Kaufmann und Gildeältester der Spezereiund Materialhandlung); Herr Tilly jun.; Herr

7.4  Privattheatergesellschaft Urania [Urania]

Tilly sen.; Herr Titschow (Sekretär, Grün- Nationaltheater in Mannheim); Herr Theodungsmitglied); Frl. Trautmann (Tochter des dor Jamrath (Hoffotograf, 1867–nach 1892; Posamentier Trautmann); Herr J. H. Ulrici; Ökonomie-Inspektor, Theater-Inspektor, ab Herr Wagler (Buchhalter der Hummelschen 1885 1. Vorsitzender); Richard Jesse (später Musikhandlung, Gründungsmitglied; gest. Direktor des Stadt- und Thaliatheaters in 1800); Herr Wagner (Lehrer der Mathematik Chemnitz); Richard Kahle (später königl. an der Ecole Militaire); Herr Weber (Galan- Schauspieler); Herr Kralowsky (Leihbiblioteriehändler); Herr Wehle; Frau Weißschuh thekar); Frl. Margarethe Kramm (später beim (später verh. Bernard); Herr Wenzel (Buch- königl. Schauspiel); Herr Krause (Buchhändhalter bei Kaufmann Löder); Herr Wilcke; ler und Buchdrucker); Th. Lezius sen. (PelzFrl. Emilie Willmans (später königl. Schau- warenhändler, 1864–1880; 1866–1880 1. spielerin); Frl. Winkelmann; Herr Witzky Theater-Inspektor); Albert Lortzing (Kom(Gründungsmitglied); Herr Wolff (Konduk- ponist); Max Loewenfeld (später Direktor des teur; Gründungsmitglied); Frl. Wollmanns neuen Theaters in Berlin); Adalbert Mat(später an der königl. Bühne); Herr Zahn; Frl. kowsky (später beim königl. Schauspiel); Karl Ziehm I und II (ab 1792); Herr Zürn (Hand- Friedrich Müchler (Schriftsteller); Frau Mühlungsdiener). – Eintritte 1816 bis 1892 (al- lenbruch geb. Eunicke; Plintzner (Assekuphabetische Auswahl): Louis Angely (Eintritt ranz-Direktor, 1854–1873; 1872–1873 1. 1830; Schauspieler und Bühnendichter); Herr Vorsitzender); Prof. Ernst Possart (später beim Benda (Kaufmann, Mitgl. seit 1825); G. Hoftheater in München); Hans Julius Rahn Berndal (Kgl. Hof-Schauspieler); Paul Bock (später Direktor des Fürstlichen Theaters in (später Oberregisseur und Hofschauspieler Gera); Frl. Henriette Reinwald (später Frau am Hoftheater in Weimar); Philipp Bock Prof. Valentini, königl. Sängerin und Schau(Enkel des Gründers; später Direktor der spielerin); Frl. Rogée (unter dem Namen deutschen Vorstellungen am Kaiser Alexan- „Pedrillo“, später verh. v. Holtei); Adele Sander-Theater in St. Petersburg); Paul Brock drock (1878); Oscar Sauerwald (Fächerfabri(später Oberregisseur und Hofschauspieler kant; Verfasser der Festschrift); Wilhelm am Hoftheater in Weimar); Herr Couriard Schneider (später Regisseur und Hofschau(Kammer-Musiker); Herr Crüsemann II (spä- spieler am Hoftheater in München); Aug. ter Mitglied der königl. Bühne); Herr Engel Sello (1835–1870); Frl. Siebert (später verh. (Vorsitzender 1842–1843); Herr Carl Engel- Schwanfelder; beim Königsstädter Theater); hardt (Kaufmann, 1867–1881; 1873–1881 1. Philipp Siegrist (später beim königl. SchauVorsitzender; 1870–1873 2. Vorsitzender); spiel); Emil Sixtus (Kaufmann, 1843–1872; Gustav Erdmann (später Regisseur und Hof- 1851–1872 Vorsitzender); Camillo Stövesandt schauspieler am Hoftheater in Dresden); Frl. (Kaufmann, 1868–1870); Herr C. F. Andr. Johanna Eunicke (später verh. mit Prof. Krü- Strilack (Ratsglasermeister und Besitzer des ger und erste Sängerin der Königl. Oper); Dr. Theater-Grundstücks in der KommandantenOtto Franz Gensichen; Frl. Emma Golmick straße); Herr Thieme Sohn (Theatermeister (später beim königl. Schauspiel); Herr Gott- wie sein Vater); Emil Thomas (später Direktor schick (Buchhändler); Ballettmeister Gräb; seines eigenen Thomas-Theaters in Berlin); Friedrich Haase (später Hofschauspiel-Direk- Frl. Tilly (später am Theater in Dresden; dort tor); Herr Hahn (Musikmeister); Herr Ham- gest. als Frau des Schauspielers Pauli); Frl. pe (Kupferdrucker); P. Humbert (Kgl. Ge- Pauline Ulrich (später beim Hoftheater in heimsekretär); Herr C. F. Imme (Bronze-Fa- Dresden); Frau Unzelmann, geb. Franz; Carl brikant, 1833–1872); Hermann und Kathari- Weiß (später Schauspieler am Adolph Ernstna Jacobi (später Hofschauspieler am Hof- und Theater in Berlin); Frl. Ida Welly (später beim 541

7  Kunstausübende Vereine

königl. Schauspiel); Julius Wilhelmy (später Schauspieler am Thaliatheater in Hamburg). (Vollständige Mitgliederverzeichnisse bis 1892 s. Sauerwald, S. 56–64). Querverweise auf andere Vereine: Der Komponist Carl Friedrich Rungenhagen war Musikdirektor bei der Urania und zugleich seit 1801 Mitglied der  Sing-Akademie und ab 1833 als Nachfolger Zelters auch deren Leiter. Bibliographie: a) Archivquellen: BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 442 (Urania in den Akten des Berliner Polizeidirektoriums 1793–1810). – Institut für Theaterwissenschaft der FU Berlin, Theaterhistorische Sammlung Walter Unruh, Urania-Akten (28 Kästen, unkatalogisiert: Sitzungsprotokolle, Mitgliederverzeichnisse, Spielpläne, Inventarlisten, einzelne Theaterzettel, die Materialien reichen bis 1908; darin auch enthalten: Beiträge zur Begründung der Gesellschaft Urania bei Gelegenheit der 75jährigen Jubelfeier mitge­ theilt von W. Thieme. Berlin im August 1867, handschriftliches Unikat). – LA Berlin, A Rep. 232-19, Nr. 1–4: Conferenz-Acten 1794, 1795/96, 1801/02, 1803/04. – LA Berlin, Kult 1626: Entwurf der neuen Satzungen der am 28. August 1792 zu Berlin begründeten Privat-Theater-Gesellschaft „Urania“. [Berlin] o. J. [14 S.]. – GStA PK, I. HA Rep. 77: Ministerium des Innern, Tit. 420, Nr. 16, Bd. 1 (Akten betreffend die Privat-Theater in Berlin; Bl. 24–27: Auszug der Gesetze des PrivatTheaters Urania zur Richtschnur der Mitglieder desselben. Berlin 1797. [Druck]). – Stiftung Archiv der Akademie der Künste (Brie-

fe von 1932). – b) Drucksachen: Adolph und Clara. Ein Singspiel in einem Akt. Aufgeführt auf dem Privat-Theater Urania, nach dem Französischen, zur Dallairacschen Musik, von C. Herklots. Berlin 1802 [Textbuch]. – Bedingungen, unter welchen der Eintritt als ordentliches Mitglied der Privat-Theater-Gesellschaft „Urania“ hierselbst erfolgen kann. (Berlin 1872) [2 Bl.]. – Erinnerung an Urania’s 50jährige Jubelfeier am 29. August 1842. Berlin (1842), [darin auch enthalten]: a) Engel: Rede zur goldenen Jubelfeier der Privat-TheaterGesellschaft Urania am 28. August 1842. – b) Albert Lortzing: Urania’s Festmorgen. – Sixtus, E.: Fünfundsiebzigjährige Jubel-Feier der Theater-Gesellschaft URANIA. Die Begründung und fernere Entwickelung der Gesellschaft in gedrängter Kürze dargestellt von E. Sixtus Vorsteher der Urania. [Berlin 1867]. [Ein Ex. in der Theaterhistorischen Sammlung Walter Unruh]. – Sauerwald, Oskar: Festschrift zur 100jähr. Jubelfeier der Privat-Theater-Gesellschaft URANIA am Sonnabend, 27. August 1892. Im Auftrag des Vorstandes bearbeitet. Berlin 1892. – c) Forschungsliteratur: Gruber, Eckhard (Hg.): „Der Mensch hascht unaufhörlich nach Vergnügen“. Zur Geschichte des Societätstheaters in Dresden und anderer Bühnen im Taschenformat. Berlin 1998. – Maurice, Florian: Freimaurerei um 1800. Ignaz Aurelius Feßler und die Reform der Großloge Royal York in Berlin. Tübingen 1997, S. 152–154. – Die Zeittafel. In: Zur Geschichte des organisierten Deutschen Amateurtheaters. Nach den Beständen deutscher Bibliotheken und Archive zusammengestellt von Hans-Günter Nagel. Heidenheim 1998.

Uta Motschmann

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7.4  Privattheatergesellschaft Thalia [Thalia]

Privattheatergesellschaft Melpomene [Melpomene] Name: Melpomene. Gründung: 1796. Bestand: Bis nach 1800; Näheres nicht bekannt. Mitglieder und Spielplan: Bei Gründung gehörten ihr ein Akzise-Buchhalter, zwei Uhrmacher-Gesellen, ein Juwelier, ein Handlungsdiener, ein Maler, ein Lotterie-Sekretär, ein Chirurg, ein Privatlehrer, ein Lehrer „bey einer hiesigen öffentlichen Erziehungsanstalt“, ein Kammer-Kanzellist und zwei noch unmündige Jugendliche sowie zwei Frauen an. Im Jahr darauf hatte sie 20 Mitglieder, 1800

bestand die Gesellschaft noch aus 15 Mitgliedern (Ueber die hiesigen Privattheater, S. 925 f.). 1798 führte sie folgende Stücke auf: Graf Benjowski, Schauspiel von Kotzebue; Der Wildfang, Lustspiel von Kotzebue; Die Reise nach der Stadt, Lustspiel von Iffland; Die Räuber, Trauerspiel von Schiller; Das Räuschgen, Lustspiel von Bretzner; Kabale und Liebe, Trauerspiel von Schiller. Quellen: Ueber die hiesigen Privattheater. In: National-Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Gewerbe in den preußischen Staaten, Jg. 1801, S. 922–932.

Uta Motschmann

Privattheatergesellschaft Thalia [Thalia] Name: Thalia; Familien-Ressource. Gründung: 1796. – Nach anderen Angaben gründete sich bereits im Oktober 1790 ein dramatischer Verein, der vorerst ohne Namen in kleineren Räumen, ab 1801 dann in der Blumenstraße theatralische Vorstellungen gab und sich seitdem Familien-Ressource nannte (Vorsteher: Werner). Nachdem sich 1820 ein Teil abgespalten hatte, musste sich die Gesellschaft um eine neue Konzession bemühen und trug seitdem den Namen Privat-Theater-Gesellschaft Thalia; 1890 feierte sie ihr 100jähriges Jubiläum (vgl. Fest-Zeitung). Ob die beiden Thalia-Theatergesellschaften identisch sind, konnte nicht ermittelt werden. Der 1790 gegründete dramatische Verein scheint anfangs als Ressource fungiert zu haben und nahm erst 1820 den Namen Thalia an, als die 1796 gegründete Vereinigung möglicherweise schon wieder eingegangen war. Auflösung: Nicht bekannt bzw. Mai 1945 (s. oben). Sitz: Ab 1801 in der Blumenstraße.

Mitglieder und Spielplan: Die Thalia bestand bei ihrer Gründung 1796 zunächst aus 14 Mitgliedern, ausschließlich Handwerkslehrlinge: vier Söhne von Seidenwirkern, je ein Sohn eines Hausschlächters, Gärtners, Posamentiers, Lichtziehers, Perückenmachers, Bildhauers, Tischlers, Kanzleidieners sowie ein Buchdruckerlehrling (Ueber die hiesigen Privattheater, S. 926 f., Weil, S. 50). Im Jahr 1798 führte die Gesellschaft folgende Stücke, vornehmlich Lustspiele, auf: Der Jurist und der Bauer, Lustspiel von Johann Rautenstrauch; Der Mann von vierzig Jahren, Lustspiel von Kotzebue; Das große Loos, Lustspiel von Hagemeister; Die beiden Billets, Lustspiel von Anton Wall; Der Strich durch die Rechnung, Lustspiel von Jünger; Die ungebetenen Gäste, Lustspiel nach Le Chanoine de Milan, frei bearb. von Johann Gottlob Feind; Der schwarze Mann, Lustspiel von Dyk; Menschenhaß und Reue, Schauspiel von Kotzebue; Die Reise nach der Stadt, Lustspiel von Iffland; Die Mündel, Schauspiel von Iffland; Die Jäger, Schauspiel von Iffland; Die Verläumder, Schauspiel von Kotzebue. 543

7  Kunstausübende Vereine

Bibliographie: a) Archivquellen: FestZeitung zum 100jährigen Stiftungsfest der Privat-Theater-Gesellschaft „Thalia“. 1790–1890. Berlin, den 11. October 1890 (Stiftung Stadt­ museum Berlin, Inv.-Nr. V-70/689 b S). – b) Literatur: Ueber die hiesigen Privattheater. In: National-Zeit-

schrift für Wissenschaft, Kunst und Gewerbe in den preußischen Staaten. Berlin 1801, S. 922–932. – Weil, Rudolf: Das Berliner Theaterpublikum unter A. W. Ifflands Direktion (1796 bis 1814). Ein Beitrag zur Methodologie der Theaterwissenschaft. Berlin 1931, S. 48 ff.

Uta Motschmann

Privattheatergesellschaft Minerva [Minerva] Name: Minerva; Privat-Theater Minerva; Privattheater in der Krausenstraße No. 10 Minerva betitelt; Gesellschaft des Privat-Theaters Minerva. – 1800 Zusammenschluss mit der bisher im Rellstabschen Haus in der Jägerstraße spielenden Privatgesellschaft des Bauinspektors Leitner zur Grunow-Leitnerschen Privat-Schauspieler-Gesellschaft. Gründung: November 1797. Bestand: In den Polizeiakten bis 1802 verzeichnet; das Jahr der Auflösung ist nicht bekannt. Zusammenkünfte: November 1797 bis April 1798: In der Sächsischen Spitzen- und Kattunweber-Kolonie in der Sächsischen Herberge, Wilhelmstraße, im Lindnerschen Haus; April 1798 bis Februar 1800: im Haus des Maurermeister Lutz in der Kochstraße; ab Februar 1800 (nach dem Zusammenschluss zur Grunow-Leitnerschen Gesellschaft): in der Krausenstraße im Haus der Witwe Maaß. Programm: „[…] erdreiste ich mich ganz untertänigst gehorsamst vorzutragen, daß ich nebst noch einigen jungen Leuthen von der Sächsischen Spitz und Cattunweber Collony uns entschlossen haben, eine kleine Belustigung zu machen, und dann, und wann, eine Liebhaber Comedie auf unserer vor der Sächsischen Herberge, in dem dort befindlichen Sale in der Wilhelmstraße im Lindner Hause aufführen, jedoch bloß zum Vergnügen der daran theilhabenden Gesellschaft und folglich 544

ohne alles Interesse so das jeder Zuschauer, welche blos aus unsern guten Freunden bestehen, ohne die geringste Bezahlung dazu gelaßen wird“ (Schreiben von Christian Benjamin Görbisch [Goerbisch] an das Polizeidirektorium, 20.11.1797; BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 443). Geschichte und Programmatik: Gegründet wurde die Privat-Theatergesellschaft von dem Bürger und Kattunweber Christian Benjamin Goerbisch, der mit 14 jungen Webergesellen in einem leerstehenden Saal im Haus von Mathias Lindner in der Wilhelmstraße theatralische Aufführungen veranstaltete. „Die Eltern und Meister sind alle damit zufrieden und haben ihre Einwilligung gegeben“ (ebd., Bl. 8). Bereits im März 1798 scheint der 39-jährige Johann Friedrich Grunow, Sterbekassen-Schreiber bei der sächsischen Kolonie, die Leitung übernommen zu haben, nachdem es davor mehrmals zu Streitigkeiten zwischen Goer­ bisch und Grunow gekommen war. Nach dem Verbot aller Privattheater vom 12. April 1798 zieht die Gesellschaft in die Kochstraße in das Haus des Maurermeisters Lutz(e) um, da dort weder ein Bierausschank noch eine öffentliche Gastwirtschaft betrieben werden. Daraufhin erhält die Gesellschaft die polizeiliche Erlaubnis zum Weiterspielen, jedoch mit Androhung des Verbots, falls dort eine Bieroder Gastwirtschaft eingerichtet werden sollte. Anfang 1800 vereinigt sich die Minerva (neun

7.4  Privattheatergesellschaft Minerva [Minerva]

Mitglieder) mit einer Privatschauspielergesell- guter Absicht; Die Indianer in England, Lustschaft, die bisher in der Jägerstraße im Rell- sp.; Das Kind der Liebe; Üble Laune; Die Unstabschen Hause gespielt hatte (17 Mitglie- glücklichen, Lustsp.; Der Wildfang. – Stüder), und zieht mit dieser in die Krausenstra- cke von Iffland: Die Advokaten; Das Gewisße Nr. 10. In dem Haus, so betonen sie ge- sen, Trauersp.; Die Jäger, Schausp.; Die Müngenüber der Polizeibehörde, werde weder ein del; Selbstbeherrschung, Schausp.; Verbrechen Bierschank noch eine Gastwirtschaft betrie- aus Ehrsucht, Schausp. – Stücke von Bretzben. Johann Friedrich Grunow war bereits im ner: Der argwöhnische Liebhaber; Der EheproAugust 1799 von der Minerva zur Leitnerschen curator, Lustsp.; Heimberg und Maria, Lustsp. Gesellschaft gewechselt und hat wohl den spä- – Stücke von Johann Friedrich Jünger: Er teren Zusammenschluss vorbereitet. Die nun- mengt sich in alles, Lustsp.; Maske für Maske, mehrige Grunow-Leitnersche Privat Schauspie- Lustsp.; Der Strich durch die Rechnung, Lustsp. ler Gesellschaft in der Krausenstraße agiert un- – Stücke von Anton Wall: Die beiden Bilter zwei Direktoren. Die Ensembles behal- lets, Lustsp.; Der Stammbaum. – Stücke von ten ihre Eigenständigkeit und spielen an den Schiller: Kabale und Liebe „von Friedrich Sonntagen abwechselnd: „wie wir um die Schüller“ [sic!]; Die Räuber „nach Schüller“ gute Ordnung zu erhalten für nöthig gefun- [sic!]. – Stücke von Schröder: Der Diener den, die Gesellschaft dergestalt zu theilen, daß zweier Herren, Lustsp.; Der Hagestolz, Lustdie eine derselben unter Direction des Printzl. sp. – Stücke von Lessing: Emilia Galotti. – Hof Bau Inspector Leitner an einem Sonta- Andere Autoren: Die Schachmaschine, Lustge, die andere hingegen unter Direction des sp. von Beck; Elfride, Tauersp. [von FriedRechnungs Führer Grunow am andern Son- rich Justin Bertuch oder von Friedrich Maxitage u. so fort zu spielen bestimmt sind“ (ebd., milian Klinger]; Der Verschlag, oder Hier wird Bl. 41). Die weiblichen Mitglieder spielen in versteck gespielt, Lustsp. nach Calderon von beiden Abteilungen. Hin und wieder über- Bock; Gerechtigkeit und Rache, Schausp. von nehmen Schauspieler der Privattheatergesell- Wilhelm Heinrich Brömel; Der Schatz, Lustschaften  Melpomene und  Urania Gast- sp. von C. W. Contessa; Der schwarze Mann, rollen. Darüber hinaus scheint die Grunow- Posse von Friedrich Wilhelm Gotter; LeichtLeitnersche-Gesellschaft ein Auffangbecken sinn und gutes Herz, Schausp. von Hagemann für Schauspieler aus anderen (zu dieser Zeit [= Marianne Ehrmann]; Das große Loos, von wohl bereits aufgelösten) Privattheatern wie  Hegemeister; Die Zwillinge, Schausp. von Apollo,  Thalia oder  Melpomene gewe- Klinger; Die Brüder, Schausp. von Rambach; sen zu sein, wie folgendes Bittschreiben be- Edelmuth und Liebe von Paul David Schleusslegt: „Die Gesellschaft ersucht gehorsamst um ner; Der Neujahrstag, von Wilhelm Heinrich die Erlaubniß, daß der Seidenfabrikant Schulz, Seyfried; Die Entdeckung, Lustsp. von August der vormals Mitglied bei dem Privat Thea- v. Steigentesch; Die Brüder, Lustsp. nach Teter Melpomene war, zuweilen eine Gastrolle renz; Jack Spleen oder ich erschieß mich nicht, spielen könne“ (Schreiben der Minerva an das Lustsp. von Karl Julius Weber; Abällino, von Polizeidirektorium vom 13. Febr. 1802). Das Zschokke. Einige der Stücke wurden mehrRepertoire der bis 1802 in den Polizeiakten fach aufgeführt. verzeichneten Minerva wird von Stücken Kotzebues und Ifflands dominiert. Mitglieder: a) Allgemeines: Bei ihrer Gründung im Jahr 1797 hatte die TheatergesellSpielplan (1797–1802): Stücke von Kotze- schaft Minerva ein stark zunfteigenes Kolobue: Armuth und Edelheit (Armut und Edel- rit. Wie ihr Initiator Goerbisch waren alle 14 sinn), Lustsp.; Die edle Lüge oder Die Lüge aus Gründungsmitglieder Kattunweber und We545

7  Kunstausübende Vereine

Abb. 106  Mitgliederverzeichnis („Verzeichnis Derer an der Liebhaber-Comedie in der Wilhelm-Straße im Lindnerschen Hause theilhabenden Mittglieder“), 1797. 546

7.4  Privattheatergesellschaft Minerva [Minerva]

bergesellen aus der Sächsischen Spitzen- und Kattunweber-Kolonie in der Sächsischen Herberge in der Wilhelmstraße. Die aus der Oberlausitz stammenden, zwischen 20 und 30 Jahre alten Männer mussten bei der Polizeibehörde die Einwilligung ihrer Eltern und Meister vorlegen. Bereits 1798 traten Handwerker und Gesellen anderer Innungen hinzu, junge Leute zwischen 19 und 28 Jahren; 1802 werden auch Kaufleute und Fabrikanten genannt. – b) Mitglieder der Minerva (1797– 1800; alphabetisch): Johann Gottfried Adler (Nesselweber, 25 Jahre, Gründungsmitglied); Carl Angely (Angery?) (Schneidergeselle); Asch (franz. Sprachmeister, 32 Jahre); Friseur Backhaus; Carl Baehr (Kattunwebergeselle, 28 Jahre, Gründungsmitglied); Gottlob Berger (Paspelinweber, 28 Jahre); Traugott Berger (Kattunwebergeselle, 26 Jahre, Gründungsmitglied); Gottlob Brückner (Kattunwebergeselle, 20 Jahre, Gründungsmitglied); Johann Carleck (Kattunweber, 24 Jahre); Friseur Damnitz; Glasermeister Delpitz; Seidenwirker Deny; Jeremias Franoiçon (Kattunweber, 23 Jahre); Gottlieb Gärtner (Kattunwebergeselle, 29 Jahre, Gründungsmitglied, 1798 abgegangen); Johann Gaertner (Kattunwebergeselle, 24 Jahre, Gründungsmitglied); Christian Benjamin Goerbisch (Kattunweber; 32 Jahre, Stifter der Gesellschaft); Christian Goer­ cke (Kattunwebergeselle, 24 Jahre, Gründungsmitglied); Johann Gotthard Goschke (Seidenwirkergeselle, 20 Jahre); Christian Friedrich Grosse (Kattunwebergeselle, 24 Jahre, Gründungsmitglied, 1798 abgegangen); Christian Friedrich Grüllich (Kattunwebergeselle, 29 Jahre, Gründungsmitglied); Johann Gottlieb Grunert (Kattunwebergeselle, 26 Jahre, Gründungsmitglied); Johann Friedrich Grunow (Sterbe-Kassen-Schreiber bei der Spitzen- und Kattunweber-Kolonie, 39 Jahre); Johann Gottlob Haerhold (Kattunwebergeselle, 23 Jahre, Gründungsmitglied); Christian Friedrich Heinrich (Kattunwebergeselle, 22 Jahre, Gründungsmitglied); Johann Heinrichs (Bandmachergeselle, 29 Jahre); Jo-

Abb. 107  Erlaubnisschein für Carl Heinrich August Blume zur Teilnahme am Privattheater, 1801.

hann Gottlieb Hurich (Kattunwebergeselle, 29 Jahre, Gründungsmitglied); Heinrich Kaminow (Schneidergeselle); Caspar Klein (23 Jahre); Friseur Kleinhans; August Kleinhaus (Schneidergeselle); Franz Klinckhardt (1798 abgegangen); Friedrich Wilhelm Köhler (Seidenwirkergeselle, 19 Jahre); Matteas Lindner (Kattunweber, 23 Jahre); Carl Friedrich Wilhelm Naumann (Gold- und Silberarbeiter, 28 Jahre); Ferdinand Neumann (Seidenwirkergeselle); Johann Christian Prüffer (Paspelinwebergeselle, 20 Jahre); Johann Gottlieb Richter (Kattun- und Paspelinwebergeselle, 22 Jahre); Friedrich Riese (Seidenwirkergeselle, 22 Jahre); Wilhelm Rohe (Posamentiergeselle, 19 Jahre); Schievelbein sen. (Posamentiermeister); Johann David Schneider (Seidenwirkergeselle, 19 Jahre); Johann Schobel (Schneidergeselle); August Ferdinand Seyfert (Seiderwirkergeselle, 19 Jahre); Carl Sorge (Schneidergeselle); Buchbinder Steinhausen; Heinrich Uhlendorff (Schneidergeselle); Bronzeur Wiener. – c) Mitglieder der unter Direktion von Leitner stehenden Gesellschaft (1800): Maurermeister Adler; Uhrmacher Alt; Bäckermeister Bouchie; Uhrmacher Davaranne; Braueigner Dunckel, Zimmermeister Goerisch; Friseur Haseloff (Abgang im März 1802); Posamentier Kessler; Lederhändler Michaelis; Kaufmann Pabst (Nov. 1800 abgegangen); Bandfabrikant Rudolph; Posamentierer Friedrich Wil547

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helm Schiefelbein (Schivelbein) in der Kochstr. (Vorsteher); Sekretär des Kriegskommissariats Vitosius; Kaufmann Weise (Nov. 1800 abgegangen); Kaufmann Wichmann, wohnhaft am Döhnhofschen Platz; Schauspieler Zahrt und dessen Frau (gehen im Okt. 1800 ans Theater nach Hamburg). – d) Mitglieder der Grunow-Leitnerschen Privat-Schauspieler-Gesellschaft (ab 1800): Direktoren: Johann Friedrich Grunow (SterbekassenSchreiber bei der Spitzen- und Kattunweber-Kolonie) und Leitner (Leistner) (Bauin­ spektor). – Mitglieder: Adler (Maurermeister); Mlle. Johanna Albrecht (14 Jahre, geht Okt. 1800 ans Theater nach Hamburg); Backhaus (Friseur); Beck (Sohn des Zeug-Fabrikanten Beck); Mlle. Bessel (jüngere Tochter des Nationaltheater-Schauspielers Bessel); Bier jun. (Braueigner); Blume (Kupferstecher); Julius Boecke; Bouchin (Bäckermeister); Mlle. Chambley (vorher bei der  Thalia); Damitz (Friseur); Delpitz (Glasermeister); Deny (Seidenwirker); Devaranne (Uhrmacher); Dunckel (Braueigner); Entenberg (Hutmacher); Federholm (Lehrer); Fraude (Kondukteur); Mme. Friedenreich (24 Jahre); Friedel (Jurist); Friedrich (Goldschmied); Frau Gerber; Geismer (Handlungsdiener); Goersch (Zimmermeister); Gotzkowsky (Posamentier in der Krausenstr.); Haselhoff (Friseur); Hoecke (Wollfabrikant); Hubert (Graveur); Jamcke (Privatschreiber); Känchen (Bürger und Schlächtermeister); Kleinhauer (Friseur); Koerchert (Schlächtermeister); Krestler (Posamentiermeister); Krüger (Schriftgie-

ßer); Christian Philipp Leutner (Bauinspektor und Ratsmaurermeister); Lohner (Goldarbeiter); Frau Maaß und ihre Tochter Wilhelmine Maaß (Abgang März 1802); Michaelis (Lederhändler; Vorsteher der Gesellschaft); Mlle. Müller (vorher bei der  Urania); Nabst (Kaufmann); Ferdinand Neumann (Seidenwirkergeselle); Noé (mechan. Künstler); Petroselie (Peterselie?, Sprachlehrer); Putuch(?) (Ofenfabrikant); Renard (Akadem. Musicus in der Krausenstr.); Rudeloff (Handlungsdiener); Rudolph (Bandfabrikant); Friedrich Wilhelm Schiefelbein (Schivelbein sen.; Posamentiermeister; Vorsteher der Gesellschaft); Schneider (Privatlehrer); Frau Seger („welche zugleich im Liebhaber Theater  Melpomene in der Taubenstraße mitspielt“); die Ehefrau des Malers Seliger; Carl Steinhausen (Buchbindermeister); Mlle. Theerberg (vorher bei  Apollo); Vierand (Seidenfärber); Vitosius (Sekretär des Kriegskommissariats); Weise (Kaufmann); Wichmann (Kaufmann); Wickmann (Kaufmann); Wiend (Bronzeur); Frl. Wiese; Mlle. Wittig; Zahrt (Schauspieler) und dessen Frau. Bibliographie: a) Archivquellen: BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 443: Das Pri­ vattheater „Minerva“ des Kattunwebers Goer­ bisch und dessen Mitglieder, 1797 bis 1802. – b) Gedruckte Quellen: Über die hiesigen Privattheater. In: National-Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Gewerbe in den preußischen Staaten, Jg. 1801, S. 927 f. [dort versehentlich als Melpomene bezeichnet].

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7.4  Donnerstagskränzchen [Do2]

Privattheatergesellschaft Apollo [Apollo] Name: Apollo. Gründung: 1798. Bestand: Bis nach 1800; Näheres nicht bekannt. Mitglieder und Spielplan: Bei Gründung gehörten ihr drei Kanzlisten, ein Operntänzer, ein Ritterschaftssekretär, ein Medizinstudent, ein Musiker und ein Goldarbeiter an. „Es traten bald darauf noch drey junge Leute hinzu, die noch unter älterlicher Gewalt standen.“ 1799 kamen zwei weibliche Mitglieder hinzu; 1800 hatte das Theater sieben männliche und vier weibliche Mitglieder (Ueber die hiesigen Privattheater, S. 928 f.). 1799 gab die Gesellschaft folgende Stücke: Bewußtseyn, Schauspiel von Iffland; Elfride, Trauerspiel; Die beiden Billets, Lustspiel von Anton Wall; Der mißtrauische Liebha-

ber, Lustspiel von Bretzner; Agnes und Ludwig, Lustspiel von Clar; Aller guten Dinge sind drey, Lustspiel von Albrecht; Kabale und Liebe, Trauerspiel von Schiller; Er mengt sich in alles, Lustspiel von Jünger; Der Stammbaum, Lustspiel von Anton Wall; Röschen und Colas, Operette; Der Papagei, Schauspiel von Kotzebue; Die silberne Hochzeit, Schauspiel von Kotzebue; Der Schriftsteller [Der Autor], Lustspiel nach dem Englischen des Foote [Samuel Foote, Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer]; Erziehung macht den Menschen, Lustspiel vom Verfasser des Postzugs [Cornelius von Ayrenhoff]. Quelle: Ueber die hiesigen Privattheater. In: National-Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Gewerbe in den preußischen Staaten, Jg. 1801, S. 922–932.

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Donnerstagskränzchen [Do2] Name: Donnerstagskränzchen. Gründung: Unbekannt; nachweislich existent in den 1790er Jahren. Bestand: Vermutlich bis kurz nach 1800. Zusammenkünfte: unbekannt; vermutlich ein Raum in einem öffentlichen Lokal. Bode schreibt im Vorwort zu seinen Burlesken 1804, dass den Aufführungen „nicht die mindeste äußere Umgebung zu Hülfe kam“ und „das Local der ganzen Sache widerstrebte“; es gab demzufolge wohl keine richtige Bühne mit entsprechender Ausstattung. Geschichte und Programmatik: Die Privatgesellschaft wurde vermutlich von dem Theaterdichter und Übersetzer Theodor Heinrich August Bode gegründet; zumindest aber bestimmte dieser maßgeblich das Profil des aus Männern und Frauen bestehenden Kränz-

chens, das sich donnerstags zusammenfand, um sich vor allem mit theatralischen Aufführungen zu unterhalten. Gespielt wurden hauptsächlich von August Bode für die Gesellschaft geschriebene und auf deren Bedürfnisse zugeschnittene Burlesken wie Das unterbrochene Opferfest, Die Kaffeeprophetin, Der Hauptmann Copernikus, Der Däumling oder Der verliebte Don Quixote. Den Inhalt der Burlesken bildeten Vorgänge in der Gesellschaft selbst oder Abenteuer einzelner Mitglieder, zum Beispiel der Sturz vom Caroussel im Tiergarten, welcher einem Mitglied, dem Fräulein Henriette Schiller, widerfahren war. Auch politische Vorgänge wurden berührt wie der Titel der Burleske Bonaparte der rechte nahelegt, doch scheint dies mehr der gesellschaftlichen Zerstreuung, als der ernsten Behandlung politischer Ereignisse gedient zu haben. In sei549

7  Kunstausübende Vereine

ner Burlesken-Sammlung von 1804 schreibt vattheatergesellschaften auch, den PolizeiBode: „Mehrere Jahre sind verflossen, seit die- behörden Namen und Stand ihrer Mitgliese Spiele für einen fröhlichen Zirkel geschrie- der sowie den „Spielplan“ melden. Entspreben wurden, der ihrer bedurfte, und dessen Ei- chende Akten konnten jedoch nicht ermitgenthum sie bis jetzt im Manuscript geblieben telt werden. waren. […] In einem Zirkel, dessen einziger Zweck das Vergnügen war, und der sich durch Mitglieder: Bei dem Kränzchen handelte es die glückliche Neigung auszeichnete, es sich sich um einen Freundeskreis vorwiegend junam liebsten aus seiner eignen Mitte zu schaffen, ger Leute, die schauspielernd dilettierten. An mußte das Bedürfniß dramatischer Vorstellun- der Spitze stand der Theaterdichter August gen bald erwachen. So lange es ging, half man Bode (geb. 1778 in Berlin als Sohn des Astrosich mit dem Extemporiren einzelner Scenen, nomen Johann Elert Bode), der sich außer mit oder ließ es beim Aufstellen bizarrer Caricatu- Burlesken und Übersetzungen auch mit der ren bewenden. Sobald indeß diese Art der Un- Satire Gigantomachia (Leipzig 1800) und der terhaltung einigermaaßen zur Observanz ge- Zeitschrift Polychorda (2 Bde., 8 Hefte, Peworden war, konnte das nicht mehr genügen. nig 1803–1805) einen Namen machte. Geiger Darauf schrieb ich diese Burlesken, indem ich nennt als weitere Mitglieder noch Henriette jedesmal die individuellen Anlagen der Spie- Schiller, Catel, Rungenhagen, Schultz, Gölenden, deren einige vortrefflich zu nennen cking, Klinsmann, Windhorn und Bochholtz. waren, benutzte. Fast möchte ich sie beweg- – Henriette Schiller war die älteste Tochter lichen Caricaturbildern vergleichen.“ Ob zu des Kanzleidirektors Schiller bei der Königl. den Aufführungen auch Gäste zugelassen wa- Ober-Rechen-Kammer. Ludwig Friedrich ren oder ob es sich lediglich um Familienmit- (Louis)) Catel (geb. 1776) arbeitete als Archiglieder der Laiendarsteller handelte, ist nicht tekt und wurde 1800 Akademischer Künstler. bekannt, ebensowenig, ob die Darsteller eine Henriette Schiller und Louis Catel heirateten Bezahlung erhielten. Ludwig Geiger, von dem im Sommer 1802. Carl Friedrich Rungenhadie einzige knappe Beschreibung der Gesell- gen (geb. 1778) war als junger Mann ebenfalls schaft stammt, (schon er konnte zu seiner Zeit in der  Privattheatergesellschaft Urania Mitnur auf wenige Quellen zurückgreifen), er- glied und dort als Musikdirektor tätig. 1801 wähnt, dass sich die Gesellschaft außer an the- wurde er, ein Schüler Zelters, Mitglied der atralischen Aufführungen, „mit dem Vorzei-  Sing-Akademie und 1808 Gründungsmitgen von Medaillen und Bildern [ergötzte], die glied der  Liedertafel. Er schrieb Operetten, gleichfalls Bezug nahmen auf kleine Vorfälle, war Sänger und Dirigent, außerdem ein ausdie Mitglieder der Gesellschaft begegnet wa- gezeichneter Maler, Schüler Chodowieckis ren“, weiterhin „erlustigte man sich ferner an an der Akademie der Künste. Über die andeGartenspielen und am Tanz“. Das Kränzchen ren Mitglieder konnte nichts Näheres ermitlöste sich vermutlich kurz nach 1800 auf, als telt werden. Ob der erwähnte „Schultz“ mit August Bode Berlin verlassen hatte. Er promo- Heinrich Schultz, der nach 1816 Mitglied der vierte 1804 in Jena und starb im Oktober des- Urania war, identisch ist, konnte nicht festgestellt werden. selben Jahres in Weimar. Struktur und Organisation: Über eventuelle Satzungen, über den Wahlmodus oder die Ämterverteilung – so es sie überhaupt gegeben hat –, ist nichts bekannt. Vermutlich musste das Kränzchen aber, wie andere Pri550

Bibliographie: a) Zeitgenössische Drucke: Bode, August: Die Donnerstagsabende. Ein Vermächtniß für Freunde und Freundinnen. Berlin, gedruckt bei J. W. Schmidt 1800 [20 S., 36 Stanzen] (Der Druck war nicht zu-

7.4  Privattheater der Ressource zur Harmonie [Harmonie]

gänglich. Ludwig Geiger, dem noch das Exemplar von Fritz Jonas zur Verfügung stand, vermochte aufgrund der darin befindlichen handschriftlichen Anmerkungen die Anonymität der Mitglieder teilweise aufzulösen). – Burlesken. Von August Bode. Leipzig 1804. [Enthält: Der Hauptmann Copernikus. Das unterbrochne Opferfest. Der verliebte Don

Quixote. Däumling. Die Erfindung der Kunst. Das Concert]. – b) Forschungsliteratur: Geiger, Ludwig: Berliner Donnerstagsgesellschaften vor hundert Jahren. In: Vossische Zeitung, Nr. 351 vom 31.7.1890, 1. Beilage. – Geiger, Ludwig: Berlin 1688–1840. Geschichte des geistigen Lebens der preußischen Hauptstadt. Bd. 2: 1786–1840. Berlin 1895, S. 201–202.

Uta Motschmann

Privattheatergesellschaft Polyhymnia [Polyhymnia] Name: Polyhymnia. Gründung: 1800. Bestand: Vermutlich bis kurz nach 1800. Mitglieder und Spielplan: Unter der Direktion eines Instrumentenmachers hatte die Gesellschaft bei Gründung ausser dem Stifter neun Mitglieder: drei Maler, einen Klempner, einen Schuhmacher, einen Friseur, einen weiteren Instrumentenmacher und zwei Bürstenbinder. Deren Frauen übernahmen die weiblichen Rollen. Die Gesellschaft vergrößerte sich bald durch zwei Seidenwirkergesellen, einen Handschuhmachergesellen

und einen Stuckateurarbeiter. Das erste aufgeführte Stück war Schillers Räuber. Weiterhin kamen zur Aufführung: Maske für Maske, Lustspiel von J. F. Jünger nach Pierre Carlet de Chamblain de Marivaux; Die Unglücklichen, Lustspiel von Kotzebue; Der Jurist und der Bauer, Lustspiel von Rautenstrauch; Das große Los, Trauerspiel von Hagemeister. Quelle: Über die hiesigen Privattheater. In: National-Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Gewerbe in den preußischen Staaten, Jg. 1801, S. 929 f.

Uta Motschmann

Privattheater der Ressource zur Harmonie [Harmonie] Name: Ressource zur Harmonie; Privattheater der Ressource zur Harmonie; Privattheater-Gesellschaft Harmonie; anfangs auch: Petzoldsche Gesellschaft; Harmonia; Privatschauspielergesellschaft in der Schillingsgasse. Gründung: 1800 (Gründung der Privatschau­ spielergesellschaft; die Ressource bestand schon davor; 1799 wird eine Harmonie in der Mohrenstraße im Reichenbachschen Haus erwähnt). Bestand: Bis 1807. (Eine Ressource Harmonie wird noch 1816 in der Unterwasserstraße 5 erwähnt, wobei nicht sicher ist, ob es

sich um eine Fortsetzung der hier Beschriebenen handelt). Sitz: Zuerst im Haus des Gärtners Petzold, Schillingsgasse; ab Januar 1802 zur Miete in der Lehmgasse Nr. 9 im Haus des Geh. Oberfinanzrats George Carl Johann Schomer; im April 1803 Kauf des Hauses durch Johann Friedrich Werner im Auftrag der Ressource (10.000 Reichstaler für das Grundstück mit großem Garten). Programmzitat: „Seit einiger Zeit hatten wir uns als Freunde und sittliche Anhänger in ei551

7  Kunstausübende Vereine

ner Gesellschaft formiert, welche aus 20 Personen besteht, und worin in dem bey Ew. Hochwohlgeboren vor einiger Zeit eingereichten Verzeichniß, jeder namentlich aufgeführt ist. Da unser Zweck hiebey der ist: durch gegenseitige gute und sittliche Unterhaltung die Abendstunden nach des Tages Arbeit so weit möglich heiter zu genießen, und unser Widerwille gegen jede Tabagie-Gesellschaft: wo oft der Genuß starker Getränke alle Sitte bey Seite setzt: so zu grauß ist, als daß wir ein solch öffentliches Haus zu unserer Unterhaltung hätten wählen sollen, so fanden wir bey einem unserer Freunde dem Gärtner Petzold Gelegenheit, unserem Zwecke gemäß uns dort, und wenn es Zeit und Umstände erlauben, in unserem freundschaftlichen Zirkel zu formieren. […] Wie uns viele Vergnügungen erlaubt sind, welche von uns für sich nicht nur nicht schädlich sind; sondern auch von vernünftigen Menschen genoßen, nie schädlich werden können, und bey uns der Wunsch entstanden war, unserer häuslichen Familie zuweilen in unseren Zirkel ein unschuldiges Vergnügen zu machen; so kamen wir auf die Idee, durch Lernen und Hersagen mancher Rollen aus Komoedienhäusern dieses ins Werk zu richten“ (Schreiben der Petzoldschen Gesellschaft an das Polizeidirektorium, 8.6.1800; BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 444, Bl. 3). Geschichte und Programmatik: Die Theater­ gesellschaft gehörte zur Ressource zur Harmonie, die schon mehrere Jahre existierte, „ohne Theatralische Vorstellung zu geben“. Etwa die Hälfte der Ressourcen-Mitglieder bildete seit Frühjahr 1800 eine Schauspielgesellschaft. Gestiftet wurde sie von dem Posamentierer Hason, wohnhaft in der alten Jacobstraße, der die Gesellschaft aber bald im Streit wieder verliess. Ihr erster Leiter wurde der Gärtner Franz Petzold, nach dem die Gesellschaft anfangs auch benannt wurde. Da die Harmonie es unterlassen hatte, die ersten Aufführungen polizeilich zu beantragen, kam es zu einer Strafanzeige, die die Harmonie damit zu entkräften suchte, 552

dass man ja nur einzelne „Rollen aus Komoedienhäusern“ „hergesagt“ habe, und sie demzufolge gar keine Privattheatergesellschaft sei. Man verpflichtete sich, kein Bier auszuschenken und künftig – nach zuvor eingeholter Erlaubnis –, ausschliesslich in den Räumlichkeiten der Ressource und nur vor deren Mitgliedern und Familien aufzutreten. „Außerdem bemerken wir noch, daß so selten wir uns auch mit obgedachten Vergnügen beschäftigen, es doch immer in Gegenwart des Polizeycommissarii Manteuffel geschiehet, wir dieses blos unserer häuslichen Familie widmen, und auf keine Weise irgend eine Bezahlung erheischen“ (ebd., Bl. 4). Eine denunziatorische Anzeige dreier aus der Gesellschaft ausgeschlossener Mitglieder vom 16.6.1800 gibt Einblick in die Spielstätte und die Gepflogenheiten der Harmonie: „Das Gebäude, in dem die Theatergesellschaft spielt, liegt im Garten 20 bis 30 Fuß von der Straße entfernt“; im unteren Stock befinde sich ein „50 Fuß langer Saal, hier spielt das Theater, dazu eine kleine Stube“. „Die auf der Schenke belegene Stube des Petzold wird zum Umziehen der Spielenden Personen beyderley Geschlechts gebraucht, selbige ist nur klein, auf der einen Seite mit einer Bretterwand abgeschlagen, neben dieser ein Boden auf welchen Heu und Stroh lieget, welcher von den Spielenden mit brennenden Lichten sehr oft betreten wurde“. „Die Gesellschaft hat sich auch einen Schrift Stempel verfertiget um die Billiets selbst zu drukken.“ „Da der Wirth keine Concession hat um Bier zu schenken, läßt selbiger doch den Bedarf seiner Gäste, vom Brauer in Kannen sich holen. An denen Comödien Tagen wird immer erst spät nach Mitternacht aus einander gegangen“ (ebd., Bl. 5–7). Die Theatergesellschaft konnte sich trotz verschiedentlicher denunziatorischer Anzeigen etablieren. Von anfangs neun Mitgliedern wuchs die Harmonie 1804 auf rund 50 Mitglieder an, grösstenteils Handwerker. Die weiblichen Rollen übernahmen meist ihre Ehefrauen oder Töchter. Jeden Monat wurde ein Stück aufgeführt.

7.4  Privattheater der Ressource zur Harmonie [Harmonie]

Bei den Vorstellungen sollen jeweils an die 200 Zuschauer anwesend gewesen sein. Der Spielplan wurde dominiert von Stücken von Kotzebue, aber auch Schillers Räuber und Kabale und Liebe kamen zur Aufführung. Dabei traten mitunter auch Mitglieder anderer Privattheatergesellschaften wie der  Polyhymnia in Gastrollen auf (Juli 1802: „Herr Zahl vom Privattheater Polyhymnia spielt als Gast eine Rolle“. – 16. Mai 1803: „Mad. Laaßberg vom Privat Theater Polyhymnia spielt eine Gastrolle“). Der Ökonom der Ressource, Werner, der selbst eine Schauspielerkarriere anstrebte, übernahm bald die Leitung der Schauspieltruppe, hatte es jedoch zunehmend schwerer, den Auflagen des Polizeidepartements nachzukommen. Anfang 1802 bezog die inzwischen zahlenmässig angewachsene Gesellschaft ein neues Quartier: „Die Privat Schauspieler Gesellschaft der Harmonie, welche in der Schillings Gaße im Petzoldschen Hause ihre Schauspiele gab, hat sich, um zu erweitern, von da weg begeben, und in der Lehmgasse in des Geh. Rath Schommers Hause No. 9 für 300 thlr. eingemiethet, und sind die Mitglieder bis auf einige 50 Personen angewachsen. […] Den Schneider Meister Werner haben sie als Schanck-Wirth eingesetzt, welcher ihnen Bier, Coffee, Punsch und dergl. verkauft, es wird des Sonntags allda Schauspiel gegeben, und bekommt ein jedes Mitglied nach ihrer Aussage 4 Billets, welche sie unter gute Freunde vertheilen, daß also ca. 300 Personen zusammen kommen können“ (Bericht eines Polizeiinspektors an das Polizeidirektorium vom 26.1. 1802; ebd., Bl. 18). Während die Zuschauer nach geendigtem Schauspiel nach Hause gingen, verblieben die spielenden Mitglieder noch am Ort, um „zuweilen bis gegen Morgen“ zu tanzen. 1803 kaufte Werner im Auftrag der Ressource das Haus, um die Anordnung des Polizeidirektoriums, dass „keine Privattheater in einem gemietheten Sale geduldet werden sollen“, zu umgehen. Dennoch sollte die Theatergesellschaft verboten werden. „Wir haben seitdem alles zu unserem Gebrauch ver-

ändern lassen“, versuchte der Vorstand der Harmonie das Polizeidirektorium umzustimmen und eine Ausnahme von dem Verbot zu erreichen. „Der p. Werner bewohnt nur einen kleinen Theil des weitläufigen Gebäudes […] der Ressource und zahlet den, an dem Zins Beytrag der Gesellschaft fehlenden Theil als Miethe, so daß er unser Miether, wir aber nicht die seinigen sind“ (ebd., Bl. 95). In einem Spezialbefehl des Generaldirektoriums an das Polizeidirektorium vom 12.11.1803 wird das Verbot jedoch bekräftigt: „Nach dem Bericht des Policey Directorii vom 16ten v. M. ist es wohl nicht zu bezweifeln, daß die Ressourcen Gesellschaft, welche sich Harmonie nennt, noch fortwährend ein und dieselbe PrivatSchauspieler-Gesellschaft bildet, welche unter diesem Namen schon seit mehreren Jahren hier bestanden hat. Wegen des ohne vorherige Anzeige vorgestellten Stükks Clara von Hoheneichen hat diese Gesellschaft zwar vorgegeben, daß sie kein stehendes Theater mehr habe, keine fremde Personen, sondern nur die, welche zur Vorstellung des erwähnten Stücks höchst nothwendig gewesen zugelassen wären, auch das Stück in keinem gemietheten Saal gegeben worden sey; da inzwischen der Schneidermeister Werner Besitzer des Hauses ist, in welchem diese Gesellschaft sich miethsweise etablirt hat, so kann dieselbe keineswegs in Abrede stellen, daß sie ihre Theatralischen Vorstellungen dem Verboth zuwider in einem gemietheten Saal giebt, denn wenngleich der Werner selbst Mitglied der Gesellschaft ist, so läßt es sich doch nicht vermuthen, daß er diesen Saal, dessen er zum gewöhnlichen Gebrauch schwerlich bedarf, unentgeltlich der Gesellschaft hergeben, oder solchen leer stehen lassen wird. / Eben so gewiß ist auch wohl anzunehmen, daß, wenn die Gesellschaft sich auch nicht gerade von den Zuschauern ein EntreeGeld zahlen läßt, sie dennoch die Unterhaltungs-Kosten vermittelst eines Abonnements oder Geldbeytrages aufbringen wird. / Die Harmonie gehört daher ganz in die Categorie derjenigen Gesellschaften, welche nach dem in 553

7  Kunstausübende Vereine

Abb. 108  Anzeige der Harmonie von zwei Aufführungen mit Rollenbesetzung (u. a. Kabale und Liebe) beim Polizei-Direktorium, 15. August 1802. 554

7.4  Privattheater der Ressource zur Harmonie [Harmonie]

dem Normativ-Rescripte vom 16ten Februar d. J. unter No. 1 und 2 enthaltenen Bestimmungen als verbothen betrachtet werden müssen […] Bey diesem Verboth muß es aber für die Zukunft schlechterdings seine Bewandnis behalten, und es darf der so genannten Harmonie unter keinerley Vorwande weiter gestattet werden, dergleichen theatralische Veranstaltungen in ihrer jetzigen Art zu geben, vielmehr hat sie sich nach dem deshalb unterm 4ten May d. J. an sie ergangenen besonderen Verboth schlechterdings zu achten“ (ebd., Bl. 114). Schließlich wendet sich die Gesellschaft am 31. Mai 1803 sogar direkt an den König und versucht, die notwendige Existenz ihres Liebhabertheaters gegenüber dem Königlichen Nationaltheater und die Nützlichkeit ihrer Einrichtung zu erklären: Das Nationaltheater könne „von demjenigen Bürger, der sechs Wochentage hindurch vermittelst Betreibung seines Gewerbes sich und seine Familie redlich zu ernähren strebt, und nur am siebenten Tage an irgend eine Gemüths-Erheiterung denken darf, nicht besucht werden, einmal, weil er nicht bemittelt genug ist, auf einen blos spirituellen Genuß für sich und seine Familie mehrere Thaler zu verwenden, und zum andern, weil das National-Schauspielhaus unmöglich Raum genug enthalten kann, um auf einmal alle diejenigen in sich zu faßen, die nur an einem einzigen Tage in der Woche, und zwar nur des Sonntags, es besuchen können; daher es dann kommt, daß dergleichen Bürger und Handwerker mit ihren Familien ihre Zuflucht zu Tabagien und Tanzsäälen, zum Kartenspiel und zu andern frivolen Zerstreuungen nehmen, die in Hinsicht auf Geist und Herz gerade das Gegentheil zu bewirken pflegen von dem, was ein gutes Schauspiel bewirken kann und mehrentheils auch bewirkt. / Von dieser Wahrheit überzeugt, vereinigten wir Endesunterschriebene uns mit mehreren hiesigen Bürgern schon vor etwa vier Jahren und errichteten eine Gesellschaft, deren Hauptzweck dahin ging, sich theils durch Conversation, theils durch musikalische Vorträge nütz-

lich und angenehm zu unterhalten, und zugleich ihren Mitgliedern und deren Familien das zu gewähren, was das National-Theater dem Publiko gewährt, nehmlich, eine anständige und zugleich belehrende Gemüths-Ergötzung. Es konnte uns nicht schwer werden, diesen Zweck zu erreichen, da mehrere von unsern Mitgliedern, so wie deren Söhne und Töchter musikalische und theatralische Kenntnisse hatten. Es fehlte uns daher nur ein schickliches Locale und die Erlaubniß zu theatralischen Vorstellungen von Seiten des PolizeyDirectorii. Wir erhielten beydes und führten nunmehr, bloß unter uns und unseren Familien, kleine Stücke, und zwar bloß solche auf, die im National-Schauspielhause schon gegeben, und ihres moralischen und belehrenden Inhalts wegen mit Beyfall aufgenommen waren. Die Kosten, welche diese theatralischen Vorstellungen uns verursachten, waren sehr unbedeutend, denn die als Schauspieler auftretenden Mitglieder und deren Söhne und Töchter erhielten für ihr Spiel auch nicht die mindeste Bezahlung, und eben so verhielt es sich auch mit den Musikanten. Es war also blos die Herbeyschaffung der Erleuchtungskosten und der Zinsen von dem zum Ankauf des Locals, zu dessen innerer Einrichtung, zu Decorationen und zur Garderobe erforderlichen Capitale nöthig, und diese Kosten und Zinsen betrugen für jedes Mitglied ein bis fünf Groschen wöchentlich, wofür es ihm frey stand, an jedem Sonntage mit Frau und Kindern, an diesem unschuldigen Vergnügen Theil zu nehmen. Das Capital selbst brachten die bemittelteren Bürger unter sich zusammen, und nun kauften wir den in der Stralauer Vorstadt in der Lehmgasse sub No. 9. belegenen Garten nebst dem dazu gehörigen von der Straße weit entfernten Hause, welches wir darauf zu unsern theatralischen Vorstellungen, nachdem uns von dem hiesigen Polizey-Directorio die Erlaubniß dazu anderweit unterm 4ten December 1801. bewilligt worden war, einrichten ließen. In diesem Locale versammeln wir uns nun seit der Zeit mit unsern Familien bloß 555

7  Kunstausübende Vereine

in den Abendstunden einiger Wochentage zum freundschaftlichen Umgange, des Sonntags aber zu theatralischen Vorstellungen, zu welchen schlechterdings kein Fremder gegen Bezahlung und nicht anders, als wenn ein Mitglied ihn einführt, zugelassen wird“ (GStA PK, a. a. O., Bl. 41 f.). Zugleich versucht man den Verbotsgrund, sie seien eine stehende Schauspielergesellschaft, zu entkräften: „Dieß ist aber der Fall nicht; vielmehr ist ihr Hauptzweck […] dahin gerichtet, nach vollbrachtem Tagewerke die Abendstunden theils unter freundschaftlichen belehrenden Gesprächen, theils unter musikalischen Vorträgen zu zubringen und nur nebenher theatralische Vorstellungen unter sich selbst, und unter ihren Familien und Freunden ganz unendgeldlich zu geben. Weit entfernt, daß dergleichen Vorstellungen dem Kaufmann, dem Künstler, dem Handwerks-Meister – Gesellen, Lehrbursche und Dienstboten sind unter uns nicht – den Hang nach übermäßigen Zerstreuungen einflößen, und mit großen Kosten für sie verknüpft seyn sollten, entflammen sie vielmehr durch ihren belehrenden Inhalt den Trieb zur treuen Pflicht-Erfüllung und erwecken Ekel und Abscheu gegen jedes andere unanständige, frivole und kostspielige Vergnügen. Hierzu kommt noch, daß durch unsere theatralische Vorstellungen der Casse des National-Theaters nicht der mindeste Abbruch geschiehet, da wir unter uns bloß des Sonntags spielen und an diesem Tage das National-Schauspielhaus jederzeit gedrängt voll ist. Endlich müssen wir noch allerunterthänigst anführen, daß das Polizey-Directorium uns unterm 4ten December 1801 […] die Erlaubniß zu theatralischen Vorstellungen ohne alle Einschränkung ertheilt hat. Hätte dasselbe uns damals nur ahnden lassen, daß diese Erlaubniß nicht von Dauer sey, so würden wir auch gewiß keine einzige auf die Dauer berechnete Ausgabe gemacht haben, folglich weder das Grundstück, das wir jetzt besitzen, gekauft, noch die inneren, in der That kostspieligen Einrichtungen desselben vorgenommen haben. Im Gegentheile haben 556

wir stets geglaubt, und glauben es noch, daß ein so unschuldiges, mit so geringen Ausgaben verknüpftes, für Geist und Herz so nützliches, und dabey keinem öffentlichen Theater Nachtheil bringendes Vergnügen, als unsere theatralischen Vorstellungen sind, der Landesobrigkeit ungleich wohlgefälliger seyn müsse, als die Harlekinaden, womit Puppenspieler und Seiltänzer, zum offenbaren Nach­ theil der Casse des National-Theaters das Publikum zu ergötzen suchen.“ Das Gesuch wird mit dem Vermerk, dass es bei dem erlassenen Verbot bleibe, abgewiesen (ebd., Bl. 42). Werner, dem Iffland gute schauspielerische Fähigkeiten bescheinigt, versucht dennoch mit Tricks und Bittgesuchen, den Spielbetrieb fortzusetzen. Auch er bittet den König direkt, sein Lokal „gesitteten Gesellschaften“ zum Theaterspielen vermieten zu dürfen. Das Schreiben wird mit dem Vermerk „Abzuschlagen“ ad acta gelegt. Im Dezember 1804 möchte er das Polizeidirektorium davon überzeugen, dass die Gesellschaft Harmonie gar nicht mehr existiere; wenn Aufführungen stattfänden, dann nur zu seiner eigenen Übung, da er „bey den Kammern zu Erfurt und Heiligenstadt um ein Privilegium zur Direction einer Gesellschaft“ nachgesucht habe. Zur gleichen Zeit liefert ein Polizeiinspektor den folgenden Bericht an das Präsidium: „Mit der Gesellschaft überhaupt verhält es sich folgendermaßen; diese bestehen aus einigen Dreißig Mitgliedern, wo ein jeder Monatlich 1 rthlr. zur Erhaltung des Theaters an den p. Werner bezahlen muß, dafür ein jeder wenn ein Stück aufgeführt wird 4 Billets erhält, mit diesen Billets können sie machen was sie wollen und ist zu vermuthen, daß solche auch verkauft werden, um vielleicht wieder zu ihren Beitrag zu kommen, diese Billets gehen unter dem Nahmen Concert, welches aber in Comödie verwandelt wird, um wie sie aeußern sich bey E. K. G. Polizei Directorio auszureden, wenn je eines in die Hände kommen sollte. […] Die Musici, welche verschieden, 12, 16 auch 18 Personen stark, erhalten jeder für ihre Musik 2 Billets. Die Spieler selbst,

7.4  Privattheater der Ressource zur Harmonie [Harmonie]

deren Zahlung verschieden ebenfalls 2 Stück. Es ist also zu berechnen, daß bey jedem Stück welches aufgeführt wird beinahe 200 Zuschauer zugegen sind, auch haben sie ihren eigenen Soufleur“. Durch den „Zufluß einer Menge Personen verschiedenen Standes“ würde dem Königlichen Nationaltheater „ein großer Abbruch geschehen“ (BLHA Potsdam Rep. 30 Berlin A, Nr. 444, Bl. 168r und v). Eine 1805 erneut nachgesuchte Erlaubnis Werners, seinen Garten und Saal zu „Privat-Comödien“ vermieten zu dürfen, wird nicht erteilt. Auch seine Berufung auf die Privattheatergesellschaft  Urania, der das Spielen in einem gemieteten Saal weiterhin erlaubt wurde, hat keinen Erfolg. Die wiederholten Anzeigen und Strafbescheide (1805 sind seine Strafen auf 150 Reichstaler angestiegen) bringen Werner an den Rand des Ruins. Zu Michaelis 1805 verlässt er Berlin, seine Frau „in den traurig­ sten Umständen“ zurücklassend. Nach seiner Rückkehr führt er im Januar 1806 wiederum unerlaubt drei Stücke auf. Damit enden die Eintragungen in den Polizeiakten. Laut Polizeibericht habe sich die Gesellschaft 1807 „nach der Rosenthaler Vorstadt bei Ruhl begeben und treibe dort ihr Wesen“ weiter. Es scheint, dass die 1807 gegründete  Ressource zur Concordia mit ihrem Privattheater zu einem Sammelbecken für frühere Mitglieder der Harmonie wurde, wenn sie nicht sogar als eine Fortsetzung derselben unter einem anderen Namen anzusehen ist. So findet man in der Concordia nicht nur den Ökonom Werner an führender Stelle wieder, sondern auch zehn ehemalige Harmonie-Mitglieder.

Abb. 109  Billet mit der Aufschrift „Concert“.

1804 hat die Harmonie 48 Mitglieder; weitestgehend der gleiche Personenkreis wie 1802; 1804 sind es nur noch 30 Mitglieder. – a) Mitglieder der Petzoldschen Gesellschaft in der Schillingsgasse, 1800: Posamentiermeister Hoffmann, Schönhauser Str., und dessen Frau; Posamentiermeister Fintzelberger und dessen Frau; Manns-Schneidermeister Werner, Fischerbrücke 16; Maler Krüger, Marienkirchhof 8; Gärtner Lehmann, Grüner Weg; die beiden Töchter des Hofpostboten Wolf, Post-Str. 10; Gärtner Franz Petzold, wohnhaft bei seinem Bruder in der Schillingsgasse; Frauenschneider Kertzke; Goldarbeiter Marggraf, Friedrichstr. 102; Maler Steinert, Jacobstr. 46; Maler Horeb, Jacobstr. 25; Friseur Eisermann, Wallstr. 25; Manns-Schneider Schminder, Fischer-Str. 20; Seidenfabrikant Breva, Kleine Hamburger Str. 8; Ehefrau des Schneiders Kotztes; Ehefrau des Accise Inspektors Grell, Schützenstr. 34 (BLHA, a. a. O., Bl. 8 f.). – b) Mitglieder der ResMitglieder: Die Theatergesellschaft begann source, 1802 (die Mitglieder der Privatthea1800 mit neun Mitgliedern, wenig später sind ter-Gesellschaft Harmonie sind mit * gekennes bereits 20 Mitglieder; im März 1802 hat zeichnet): Tappezier Berlischke (Vorstand); die Ressource insgesamt 54 Mitglieder, davon *Posamentiermeister Fintzelberg (Vorstand); sind etwa 20 Schauspieler(innen). Die meis- *Maler Horeb (Vorstand); Buchhalter der ten Mitglieder des Gründungsjahres sind auch Haupt-Steingut-Niederlage Lehmann; Fri1802 noch dabei. Die Gesellschaft hat 1802 seur Lafous; Königl. Lotterie-Amts-Sekretär vier Vorsteher: Maler Horeb, Uhrmacher Bei- Meinhart; Geh. Staatskanzleisekretär Miehse, Maler Sele, Tapezier Berlischke. Im März ler; Kaufmann Schmidt; *Maler Sele (Vor557

7  Kunstausübende Vereine

stand); Comp. Chirurg Stancke; Commissair Lustsp. (mehrfach); Menschenhaß und Reue Suckrow; *Schneidermeister Wackerhagen; (mehrmals); Die silberne Hochzeit, Schausp.; Uhrmacher Beise (Vorstand); Akziseinspek- Die Versöhnung (mehrfach); Die Verwandttor Grell; *Schneidermeister Koste; Glas- schaften, Lustsp.; Lohn der Wahrheit, Schausp.; künstler Röhlich; *Friseur Eisenmann; *Wer- Graf Benjowsky, Schausp.; Die silberne Hochner, Ökonom der Ressource; Wulff, Kastellan zeit; Johanna von Montfaucon, Schausp.; Die in der Post; *Seidenfabrikant Breva; *Posa- beiden Klingsberge, Lustsp.; Der Hahnenschlag, mentiermeister Hoffmann; Kaufmann Mey- Schausp.; Der Besuch oder die Sucht zu gläner; Schneidermeister Fischer; Kommissio- zen, Lustsp.; Die deutschen Kleinstädter, Lustner Fischer; Konditor Milde; Haushofmeister sp.; Die Hussiten vor Naumburg, Schausp. Meinhardt; *Privatmann Meinhardt; *Posa- – Stücke anderer Autoren: Klara von Homentiermeister Karge; *Samtmaler Badstüb- heneichen, Ritterschauspiel von Spieß (mehrner; Sekretär Thiehle; *Schneidermeister fach); General Schlenzheim, Schausp. von Schmidt; Faktor in der Steingutfabrik Leh- Spieß; Der Strich durch die Rechnung, Lustmann; *Schächtermeister Bluth; *Posamen- sp. von Joh. Friedrich Jünger; Der schwarze tier Bohte; *Friseur Lajauche; Kommissionär Mann, Lustsp. von Dyk; Der FreundschaftsBecker; *Kommissionär Suckro; *Kommis­ bruch, Trauersp. von Franz Horn; Der deutsionär Kopsch; Sekretär Fritsche; Regiments- sche Hausvater, von Gemmingen; Die RäuBüchsenschäfter Göcking; Sekretär Durus- ber, Trauersp. in 5 Akten von Plümike; Der sel; Bildhauer Wulff; Seidenfabrikant Gertner; Jurist und der Bauer, Lustsp. von Johann RauGoldjuwelier Schmidt; Kaufmann Pape; *Fri- tenstrauch; Der Blinde und der Taube, Lustsp. seur Schulze; *Tischlermeister Babe; Kauf- nach dem Französischen des d’Arien von Jomann Krebs; Schmidmeister Spazier; *Schnei- seph Patrat; Die Irrthümer, Lustsp. von Brandermeister Bencke; Webermeister Lange; des; Verbrechen aus Dankbarkeit, Schausp. v. Schneidermeister Hänsel; Kaufmann Eicholz; Wessely; Der dankbare Sohn, Lustsp. von EnOfenfabrikant Koch; Bierbrauer Dietz; Sekre- gel; Der taube Liebhaber, Lustsp. von Schrötär Lohmann; *Tischlermeister Domack; Ta- der; Die Favoritin oder der Triumph der Treue, bakspinner Vielleng [Villain?]; *zwei Töchter Trauersp. von Gustav Stägemann; Kabale und des Kastellans Wulff; Mad. Grell; Mad. Koste; Liebe, von Schiller; Kurt von Spartau, TrauMad. Werner; Mad. Seegern; Mad. Luckow ersp. in 4 Aufz. von D. Beil; Das Räusch(ebd., Bl. 139). – c) Berufe (1802): 7 Schnei- gen, Lustsp. von Bretzner; Die Tochter der Nadermeister; 5 Kaufleute; 4 Friseure; 4 Sekre- tur, Schausp. von August Lafontaine. – 1806 täre; 3 Posamentiermeister; 3 Kommissäre; 2 wurden ohne Erlaubnis gespielt: Der Barbier Malermeister; 2 Seidenfabrikanten; 2 Tisch- von Sevilla, Singsp. von Pierre Augustin Calermeister; je ein Uhrmacher, Tapezierer, Ak- ron de Beaumarchais / Gustav Friedr. Großziseinspektor, Glaskünstler, Kastellan in der mann / Giovanni Paisiello; Das Neue SonnPost, Ressourcenwirt (Werner), Posamentier, tagskind, Komische Oper von Philipp Hafner Konditor, Haushofmeister, Privatmann, Samt- / Wenzel Müller; Der Bettler, Lustsp. von Jomaler, Faktor, Schlächtermeister, Kompagnie- hann Christian Bock. Chirurg, Regiments-Büchsenmacher, Bildhauer, Goldjuwelier, Webermeister, Schuhfa- Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 444. – brikant, Tabakspinnmeister, Bierbrauer. GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 96 A, Nr. 141, Spielplan: In den Jahren 1801 bis 1804 ist die Bl. 40–45 (Schreiben der Theatergesellschaft Aufführung folgender Stücke nachweisbar: an den König, 31. Mai 1803; Schreiben von Stücke von Kotzebue: Die Unglücklichen, Werner an den König, 11. Sept. 1804). – b) 558

7.4  Privattheater der Ressource zur Concordia [Concordia]

Gedruckte Quellen: Ueber die hiesigen Privattheater. In: National-Zeitschrift für Wis-

senschaft, Kunst und Gewerbe in den preußischen Staaten, Jg. 1801, S. 930.

Uta Motschmann

Privattheater der Ressource zur Concordia [Concordia] Name: Familienressource zur Concordia; Concordia; Wernersche Ressource; Ressource in der Lehmgasse; Privattheater der Ressource im Wer-

nerschen Hause. Gründung: 1807. Bestand: Ressource und Theater wurden 1811 kurzzeitig aufgehoben, dann aber unter Auflagen wieder zugelassen. Wie lange die Ressource existierte, ist nicht bekannt. Im Juni 1815 wurde eine neue Fassung der Gesetze verabschiedet; zu dieser Zeit war die Concordia noch gut besucht. 1834 ist in Zed­l itz’ Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam eine Ressource Concordia in der Alexanderstraße 26 erwähnt. Sitz: Lehmgasse 9 im Wernerschen Haus, hinter der Spittel-Kirche.

übeln Ruf der Spielsucht gerathe, und muß überhaupt die Zeit so sparsam eingetheilt werden, daß nicht die Nacht das Vergnügen theile, was nur bis an den späten Abend gestattet ist“ (Gesetze, 1811).

Geschichte und Programmatik: Die Ressource zur Concordia hatte von Anbeginn ein eigenes Theater. „Theatralische Vorstellungen“ waren ein Hauptzweck der Ressource. Die dilettierenden Schauspieler und Musiker waren Mitglieder der Ressource; der Ressourcen-Vorstand regelte auch die Theaterarbeit. Die Direktoren des Theaters und des Orchesters gehörten dem Vorstand der Ressource an. In einem Schreiben des Vorstehers der Ressource, Behnecke, an den StadtkommandanProgrammzitat: „Die zu der Gesellschaft ge- ten von Berlin, Hulin (undatiertes Schreihörenden Familien versammeln sich, um theils ben, ca. Juni 1807), bittet dieser um die Etaan den policeilich gestatteten Theatralischen blierung einer Ressource für Mitglieder und Vorstellungen, theils an Musik, Tanz, Spiel, im Namen von Bürgern der neu aufgestellLecktüre von Journalen, und in unterhalten- ten Bürgergarde. Man wolle sich im Haus eiden Gesprächen eine angenehme Erhohlung nes ihrer Mitbürger mit den Familien zusamzu finden. / Zu den Theatralischen Vorstel- menfinden und amüsieren und auch kostenlungen hat kein Fremder, nicht unmittelbar lose Theatervorstellungen veranstalten. Die zur Familie der Mitglieder gehörender, Zu- Ressource habe zur Zeit 30 Mitglieder; alle tritt. / Anstand und Würde, muß überall her- 15 Tage solle für die Familien eine Vorstelvor glänzen, und jede Unsittlichkeit fern sein. lung gegeben werden (BLHA Potsdam, Rep. Achtung gegen den Souverain und die Lan- 30 Berlin A, Nr. 445, Bl. 1). Im Juni 1807 desverfassung, pünktliche Unterwerfung ge- wird die Erlaubnis zuerst durch den Stadtgen die Obrigkeit müssen überall sichtbar wer- kommandanten und wenig später auch vom den. Beleidigung der ganzen Gesellschaft wird Polizeidirektorium erteilt, „da die Tabagie jede öffentliche anstößige Aeu­ ße­ rung, jede im Wernerschen Saal gäntzlich aufgehört hat“ Verächtlichmachung guter Sitten. – Alle Ha- (Bl. 4). In der Concordia sammelten sich nezardspiele sind eben so strenge untersagt, als ben dem Ökonom Werner auch weitere frühohe Einsätze in den erlaubten Spielen wegfal- here Mitglieder der aufgelösten Ressource len müssen, damit die Gesellschaft nicht in den  Harmonie, die ebenfalls ein Privattheater 559

7  Kunstausübende Vereine

Abb. 110  Erteilung der Spielerlaubnis für die Concordia durch den Stadtkommandanten Hulin, 23. Juni 1807.

betrieben hatte, so dass sie als eine Neubelebung oder Neugründung derselben unter einem anderen Namen und mit einem veränderten Mitgliederensemble anzusehen ist. Der Polizeikommissar des Reviers war (einziges) Ehrenmitglied der Gesellschaft mit Aufseherfunktion – wohl ein Zugeständnis an das Polizeidirektorium, das durch Strafbescheide und Verbote die Harmonie letztendlich zur Auflösung gezwungen hatte. Der Ressource gehörten bald weit über 100 Familien an. Nur ein Teil der Mitglieder spielte Theater. Für die Ressource wie für das Privattheater wurden umfangreiche Statuten verfasst, die ersten im Oktober 1808, welche 1811 und 1815 überarbeitet wurden. Darin betont die Concordia immer wieder ihre Staatstreue und Tugendhaftigkeit. „Sollte Jemand in der Gesellschaft in seinen Aeu560

ßerungen die dem Souverain schuldige Achtung aus den Augen setzen, oder sich Reden erlauben, welche auf Veränderung der Landesverfassung oder Störung der allgemeinen Ruhe abzweckten, und auf die Warnung der Vorsteher oder übrigen Mitglieder, sich nicht binnen 24 Stunden zum Widerruf bequemen wollen, so wird ihm, ohne daß es deshalb einer Ballotage bedürfe, der Eintritt in die Gesellschaft nicht weiter gestattet. / Außerdem wird eine jede öffentliche Aeußerung, gotteslästerlicher oder solcher Gesinnungen, welche gute Sitten verächtlich machen, oder so beschaffen sind, daß die anwesenden Frauenzimmer, sich zu entfernen gezwungen werden, als eine Beleidigung der ganzen Gesellschaft angesehen“ (Gesetze 1811, § 33). Neben den allgemeinen Gesetzen gab es spezielle Gesetze für das „Theater-Personale“ und für das „Orchester-Personale“. Während zur Ressource angemeldete Gäste mit einem „Fremden-Billet“ Zutritt erhielten (nur an den Theater-freien Tagen; Einheimische drei Mal; Auswärte, solange ihr Aufenthalt dauerte), waren die Theatervorstellungen ausschließlich den Mitgliedern vorbehalten. „Da die Gesellschaft nur unter der einzigen Bedingung die Erlaubniß erhalten hat, Theatralische Vorstellungen, zu ihrem Vergnügen, geben zu dürfen, daß nur die nächsten Verwandten der Mitglieder daran Theil nehmen, so darf an diesem Tage, unter welchem Vorwande es auch sei, kein Fremder, d. h., nicht zur Familie unmittelbar gehöriger, eingeführet werden, und wird daher von den Vorstehern genau darauf gesehen werden, daß kein Fremder eintrete“ (Gesetze 1811). Zur Familie gerechnet wurden Ehefrauen, Kinder, Geschwister, Schwager und Schwägerinnen. „Theil nehmen an den Theatralischen Vergnügungen können außer den Mitgliedern: Unabhäng ige, zur Classe der Gewerbe treibenden, zu den Künstlern und Königl. Officianten Gehörenden und deren Wittwen. Männliche und weibliche Domestiquen, die als solche bekannt sind, können

7.4  Privattheater der Ressource zur Concordia [Concordia]

Abb. 111 und 112  Platz-Marke für die Privattheatergesellschaft Concordia, Vorder- und Rückseite.

deshalb nicht zugelassen werden. Militairpersonen ist der Zutritt nur vom Feldwebel aufwärts, und zwar unter den bekannten policeilichen Gesetzen, nämlich mit Ablegung der Waffen, gestattet“ (Gesetze 1811, § 22). Kinder über zehn Jahre galten als Erwachsene; Kinder unter sechs Jahren waren nicht zugelassen. Strengstens geregelt waren die Verteilung der Billets für die Theateraufführungen und die Bestimmung der Plätze. „Festgesetzt ist, daß die ersten 50 Mitglieder der Gesellschaft drei Sitz- und einen Stehplatz, sowohl oben als unten Parterre, die folgenden aber nur zwei Sitz- und zwei Steh-Plätze besitzen. Das Fortrücken in den Plätzen, nach etwanigem Abgange der Mitglieder, findet durchgängig statt, und darf sich kein Mitglied weigern, seinen Platz verlaßen zu wollen“ (Gesetze 1811, § 25). Es war bei Strafe verboten, im Gesellschaftssaal mit bedecktem Haupt zu erscheinen, während des Schauspiels oder Konzerts Tabak zu rauchen, unruhige Kinder mitzubringen, während der Vorstellung im Saal hin- und herzulaufen, in den Nebenzimmern laute Gespräche zu führen, mit Personen des anderen Geschlechts unziemliche Scherze zu treiben. Das Mitbringen von Hunden in die Gesellschaftszimmer oder in den Garten war untersagt. War es schon 1810 innerhalb der Gesellschaft zu „Disharmonien“ wegen des Einbaus einer Parterre-Loge gekommen (wobei sich die

Gesellschaft in zwei Parteien Für und Wider spaltete), so führte im Februar 1811 ein durch den Vorstand ausgesprochenes Verbot des Tanzens nach der Vorstellung, um dem Nachtschwärmen und anderen Missbräuchen zu begegnen, zu „tumultartigen Zuständen“. Werner, als Ökonom der Ressource und Eigentümer des Grundstücks, dessen einziger Erwerb in den Einnahmen durch das Theater bestand, hoffte, in seinem Lokal ausschließlich eine gebildete bürgerliche Gesellschaft bedienen und „Partheyungen aller Art“ vermeiden zu können und bat deshalb das Polizeidirektorium um Auflösung der alten Gesellschaft, damit sich „eine recht honette und ehrbare anständige Gesellschaft“ neu bilden und die „Ruh- und Friedliebenden Mitglieder“ sich dem theatralischen Vergnügen widmen könnten (BLHA, a. a. O., Bl. 199). Unstimmigkeiten ergaben sich auch durch den Polizeiinspektor Holthoff, der seit 1810 Mitglied der Ressource war und auch als Schauspieler auftrat. Er maßte sich die Leitung des Theaters an, hob die älteren Statuten auf und legte neue fest, erhöhte den Mitgliedsbeitrag, engagierte Schauspieler aus dem Privattheater  Thalia, ließ ihm unliebe Mitglieder aus der Gesellschaft ausschließen und war versucht, ein neues Orchester einzusetzen, wodurch sich zahlreiche Mitglieder beleidigt fühlten und eine Spaltung der Ressource befürchteten. Hinzu kam seine ständige Dro561

7  Kunstausübende Vereine

Abb. 113  Erteilung der Spielerlaubnis für die Concordia durch das Kgl. Polizei-Direktorium, 11. Febr. 1811; mit Anzeige der Gebühren. 562

7.4  Privattheater der Ressource zur Concordia [Concordia]

hung, die Ressource aufzulösen, wenn diese seine Maßnahmen missbilligen sollte. Ein Teil der Gesellschaft unter Leitung des Kaufmanns und Gilde-Kommissars Pfeifer, eines früheren Vorstehers der Ressource, erstattete dem Polizeidirektorium darüber Bericht und zeigte sich nicht willens, „nach dem Herrn Polizey Inspektor Holthoff seiner Pfeife zu tanzen, noch weniger der Gesellschaft zu fiedeln“ (ebd., Bl. 203). Aufgrund der internen Streitereien wird die Ressource mit 134 Mitgliedern im März 1811 durch das Polizeidirektorium aufgehoben. 80 Familienväter ersuchen daraufhin das Direktorium, „die nunmehr aufgelöste Familien Ressource Concordia von neuem zu gestatten“, da sie „sämtlich friedliebende Bürger“ seien, „die eine solche wenig kostspielige Erholung zu neuer Thätigkeit wohl bedürfen […], in einer Zeit, wo eine Abgabe die andere, durch die Lage des Staates herbeygeführt, drängt, und gerade ein solches wenig kostende erlaubte Vergnügen besonders noch das zweckdienliche bei sich führt, neuen Mut und standhaftes Ausharren in der allgemeinen Noth zu empfehlen“ (ebd., Bl. 214). Man wolle sich den von Holthoff ausgearbeiteten Gesetzen unterwerfen. Auch Holthoffs Gegenspieler Pfeifer und der Ökonom Werner wenden sich bittend an das Polizeidirektorium. Wenig später wird zuerst die Ressource wieder zugelassen und dann erhält auch der Teil der Gesellschaft, der sich den Bedingungen von Holthoff angeschlossen hatte, erneut eine Spielerlaubnis. Der Ausschluss kritischer Personen scheint nicht rückgängig gemacht worden zu sein. Die Ressource mit ihrem Theater hat danach noch weitere Jahrzehnte Bestand. Das Jahr der Auflösung ist nicht bekannt. Struktur und Organisation: Die Familienressource wählte durch Ballotage mehrere Vorsteher, deren Rangordnung durch das Los bestimmt wurde und die in regelmäßigen Abständen wechselten: einen für die KassenVerwaltung, einen für die Ökonomischen

Einrichtungen; einen für die Sekretariatsgeschäfte, einen für die Angelegenheiten des Theaters, einen für die des Orchesters, und zwei, „die die Annahme der Billets beym Entrée übernehmen“. Die Vorsteher wiederum wählten für die Beilegung strittiger Fälle aus der Gesellschaft einen Kurator, dessen Entscheidung sich „ein jeder dann unbedingt unterwerfen“ musste. Am ersten Montag eines Monats wurden „General-Conferenzen“ abgehalten, an denen sämtliche Mitglieder teilnahmen; die Vorsteher tagten wöchentlich am Mittwochabend. Alle Anträge wurden durch Mehrheit der Stimmen entschieden, die Beschlüsse in einem Protokollbuch vermerkt und von den Anwesenden unterschrieben. Neue Mitglieder wurden in geheimer Wahl bestimmt und in der nächsten Conferenz vorgestellt. Zweimal jährlich, im April und im Oktober, erfolgte die Überprüfung der Kasse. – Das Theater und das Orchester wurden von jeweils eigenen Direktoren geleitet. „Das Theater-Personal wählt aus seiner Mitte drei Direktoren, welche für die Ausführung der Ordnung durchaus Sorge tragen, die Direktion über das Ganze führen, und sich wechselseitig besprechen und unterstützen. / Ihre Pflicht ist zuvörderst die Besetzung der Stücke und Vertheilung der Rollen“ (§§ 1 und 2 der Theater-Gesetze 1815). Die Aufführung eines neuen Stücks musste sechs Wochen zuvor in der Vorsteher-Conferenz bekanntgegeben werden. Die Proben begannen sommers wie winters 19 Uhr. Jedem RessourcenMitglied stand es frei, „an den Theatralischen Vorstellungen unmittelbar Theil zu nehmen“ und sich „irgend eine Proberolle“ zu erbitten und gegebenenfalls sich ganz den Mitgliedern des Theaters anzuschließen. Ebenso konnte „[j]edes Mitglied der Resource […], wenn es Beruf dazu in sich fühlt, und das nöthige Talent besitzt, als Orchester-Mitglied eintreten, weshalb es sich an den jedesmaligen Direktor des Orchesters, der zugleich Vorsteher ist, zu wenden, ihm seinen Wunsch zu eröffnen, und das Instrument, welches er spielen möch563

7  Kunstausübende Vereine

te, zu nennen hat. Der Direktor macht solches alsdann in der Vorsteher-Conferenz zur weiteren Verfügung bekannt. / Jedes OrchesterMitglied ist Mitglied der Resource, genießt als solches gleiche Vorrechte, und ist zur Aufrechthaltung und eigener pünktlicher Befolgung der bestehenden Gesetze der Resource verbunden“ (§§ 1 und 2 der Orchester-Gesetze 1815). Während der Vorstellungen wurde der Saal abgeschlossen, um den Zutritt unbefugter Personen zu verhindern. Für den Theaterbetrieb galten kleinteilige Strafgesetze. Mit Strafen wurden u. a. geahndet: das Beschädigen des Kostüms, verspätetes Erscheinen auf der Bühne oder unrichtiges Abgehen, Tabakrauchen während der Probe oder hinter der Bühne während der Vorstellung, Trunkenheit auf dem Theater, „schlechtes Memoriren und Executiren“ einer Rolle, Lärmen, Verleumdungen, das Drehen Unbefugter an den Lampen oder „unschickliche Zusätze, Extemporationen, unanständige und nicht zweckmäßige Reden“. Ähnliches galt für das Orchester. Die Anschaffung nötiger Musikalien wurde von sämtlichen Orchestermitgliedern gemeinsam getragen. – Finanzierung: Die Ressource, das Theater und das Orchester finanzierten sich über Mitgliedsbeiträge. Das Eintrittsgeld für neue Mitglieder betrug 1807 zwei Taler, 1811 drei Taler und 1815 zwei Taler und acht Groschen Courant. Die Mitglieder hatten 1807 fünf Groschen wöchentlich zu zahlen, 1811 und 1815 einen Taler monatlich. – Die Ressource veranstaltete jährlich mehrere Kollekten zum Wohl der städtischen Armen. Im April 1810 bildete sie einen „Armenfond“. Dafür wurden 55 Reichstaler eingesammelt. – „Nebenvergnügungen“: Jedes Mitglied konnte eine geschlossene Gesellschaft von Mitgliedern oder Fremden, mittags oder abends, in bestimmten Räumen der Ressource bewirten. Zu Tanz-Gesellschaften mussten sich die Mitglieder namentlich anmelden; Fremde waren nur mit Einschränkungen zugelassen. „Jeder Männliche Tänzer zahlt pränumerando für die Musik an den Vorsteher, 564

welcher die Besorgung übernommen hat, die zu bestimmenden Beiträge.“ „Damen können nur dann mit Damen tanzen, wenn der Raum dadurch nicht beengt wird; übrigens versteht es sich, daß alle Damen von den Musikbeiträgen befreiet sind“ (Gesetze 1811, § 31). In den Ressourcen-Räumen standen Spieltische und ein Billard zur Verfügung, im Garten war eine Kegelbahn vorhanden. Hazardspiele waren verboten. „Das Spiel-Partie- und BahnenGeld“ war an den Ökonom der Ressource zu zahlen. In einem Lesezimmer konnten Zeitungen, Journale, Bücher und Karten eingesehen werden. – Das Theaterlokal der Ressource war auch für andere Künstler interessant, die diese Räumlichkeiten zu nutzen wünschten. Im August 1809 wandten sich Mitglieder des Chores des Nationaltheaters mit der Bitte an das Polizeidirektorium, „auf dem Theater der Wernerschen Ressource in der Lehmgasse Nr. 9 Die Räuber von Schiller aufführen“ zu dürfen. Iff­land habe dafür seine Genehmigung gegeben, und die Vorstellung solle „lediglich nur auf die Kosten der Inhaber des dortigen Theaters und zu einem für uns geschäftslosen Tag gegeben werden“. Auf Grund der Wahl des Stückes wurde die Aufführung jedoch untersagt, woraufhin der „Singechor“ im September 1809 um die Erlaubnis nachsucht, Kabale und Liebe, dann allerdings „im Lokal in der Kommandantenstraße 25“ [ehemalige Spielstätte der  Urania], aufführen zu dürfen. Der Chor erhält die Erlaubnis, jedoch nur für eine einzige Aufführung (BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 446, Bl. 4 ff.). Spielplan 1807–1811: Meist wurden zwei Stücke nacheinander aufgeführt: ein Schauspiel und ein Lustspiel. Die Schauspieler kamen zum Teil auch von der  Thalia. – Stücke von Kotzebue: Die Stricknadel; Menschenhaß und Reue; Der Besuch, Lustsp.; Pagenstreiche, Lustsp.; Die Meerkatze, Lustsp.; Die Brandschatzung, Lustsp.; Die edle Lüge; Der Wildfang, Posse; Die Organe des Gehirns, Lustsp.; Das Epigramm, Lustsp.; Armut und

7.4  Privattheater der Ressource zur Concordia [Concordia]

Edelsinn; Der Leineweber, Schausp.; Die barm- us von Tarent, Trauersp. von Johann Anton herzigen Brüder, Schausp.; Die Verläumder, Leisewitz; Stille Wasser sind tief, Schausp. von Schausp.; Das Kind der Liebe, Schausp.; Die Schröder; Das Geheimnis, Lustsp. in einem beiden Klingsberge, Lustsp.; Die Unvermähl- Aufzug; Der Deserteur aus Kindesliebe, Lustsp. te, Schausp.; Die Verwandtschaften, Schausp.; von Gottlieb Stephanie d. J.; Otto der Schütz, Blinde Liebe, Lustsp.; Der Vater von Ohngefähr, Schausp. von Hagemann; Die Drillinge, LustLustsp.; Die Versöhnung, Schausp.; Don Ra- sp. von Christian Friedrich Ferdinand Anselm nudo de Colibrados, Lustsp., Bearbeitung nach v. Bonin; Curth von Spartan, von D. Beil. Ludvig Holberg; Die Hussiten vor Naumburg, Schausp.; Der häusliche Zwist, Lustsp.; Die Mitglieder der Ressource 1807–1811: Bei Abendstunde, Schausp.; Das Intermezzo oder Gründung 1807 hatte die Gesellschaft 30 MitDer Landjuncker zum erstenmale in der Resi- glieder. 1811 wird die Höchstzahl der Resdenz, Lustsp.; Bruder Moritz, Lustsp.; Die Cor- sourcen-Mitglieder auf 130 Familien bestimmt, sen, Schausp.; Carolus Magnus, Lustsp. – Stü- 1815 auf 125 Familien. Die Namen der zur cke von Iffland: Der Spieler, Schausp.; Al- Aufnahme vorgeschlagenen „Expectanten“ bert von Thurneisen, Trauersp.; Das Vaterhaus, wurden 14 Tage lang öffentlich ausgehängt Schausp.; Die Jäger; Verbrechen aus Ehrsucht; und deren Wahl in der General-Conferenz Die Advokaten; Leichter Sinn; Die Aussteu- per Ballotage entschieden. „Ein Jeder, weler. – Stücke von Johann Friedrich Jünger: cher dieser Familien-Ressource bey zu treten Der Strich durch die Rechnung, Lustsp.; Aus wünscht, muß nicht nur von unbescholtenem dem Stegreife, Komödie nach Philippe Poisson; Ruf, sondern auch unabhängig sein, überdies Er mengt sich in Alles. – Stücke von Schiller: von einem Mitglied aus der Gesellschaft dem Kabale und Liebe; Die Räuber. – Stücke von derselbe bekannt seyn muß, empfohlen seyn.“ Zschokke: Julius von Sassen, Trauersp.; Abäl- „Domestiquen, Militair, Jüdische und minderlino der große Bandit. – Shakespeare: Hamlet. jährige Personen können durchaus als Mit– Stücke anderer Autoren: Die Schachma- glieder dieser Gesellschaft keine Aufnahme schine, Lustsp. von Beck; Die Irrthümer, Lustsp. erwarten.“ „Personen in Soldaten Mondievon Stephen Storace / Lorenzo da Ponte; Der rung und Dirnen wenn Sie auch zur Familie Amerikaner, Lustsp. von Wilhelm Vogel nach gehören, finden niemals Zutritt. Militair PerFederici; Vier Schildwachen auf einem Pos- sonen von Range und Civil Personen in Initen, Lustsp. von Wilhelm Vogel; Der dankbare form haben hierbey eine gäntzliche AusnahSohn, Lustsp. von J. J. Engel; Der Puls, Lustsp. me“ (Gesetze 1807, §§ 8, 10, 16). „Der Povon Joseph Marius Babo; Das Inkognito, Lust- licei-Commissarius des Reviers wird als einsp. von Friedrich Wilhelm Ziegler; Elfriede, ziges Ehren-Mitglied betrachtet. Er erhält zu Trauersp. [von F. J. Bertuch oder von Fried- dem Ende, gleich den übrigen Mitgliedern, 4 rich Maximilian Klinger]; Die Erbschaft [Die Billets, die er jedoch an Niemand, als an seine Erbschaft oder das wunderliche Testament, Lust- Familie ver­theilen darf. Er führt die strengssp. von Aloys Friedrich Graf v. Brühl, oder: te Controlle, und bemerkt alle AbweichunDie Erbschaft oder Der junge Geizige, Lustsp., gen von den Gesetzen, und zeigt solche dem Autor anonym]; Ludwig der Springer, Schausp. hochlöblichen Policei-Präsidio zur weitevon Friedrich Gustav Hagemann; Die Toch- ren Verfügung an“ (Gesetze 1811). – Folgenter der Natur, Schausp. von August Lafontai- de Einzelmitglieder konnten ermittelt werne; Nicht mehr als sechs Schüsseln, Lustsp. von den (Mitglieder des Theaters sind mit einem * Gustav Friedrich Großmann; Galora von Ve- gekennzeichnet): *Fabrikant Becherer; Behnnedig, Trauersp. von Traugott Benjamin Ber- ecke (Vorstand); Pr. Agent Behrends; Sekretär ger; Rübezahl, Schausp. in einem Akt; Juli- Belitzky; *Uhrmacher Bockstöber; Schnei565

7  Kunstausübende Vereine

Abb. 114  Anzeige einer Aufführung von Hamlet durch die Concordia. 566

7.4  Privattheater des Gastwirts Gentz in der Zimmerstraße 78 [Gentz]

dermeister Borgmann und dessen *Frau (27 *Lederhändler Plettner; *Fabrikant Prollius; Jahre); *Schneidermeister Buchholz (28 Jah- Tischlermeister Rabe; *die Frau des Tischre); Uhrmacher Conrad; *Friseur Dalwe (35 lermeisters Rabe (32 Jahre); SchmiedtmeisJahre); Posamentier Ebel; *Kaufmann Fischer; ter Ritz; Kammermusikus Rong; SchneiderKommissionär Fischer; Buchdrucker Flöre- meister Sangenhagen; *Schullehrer Schadencke; *Professor Flörke; Posamentier Fried- berg; Posamentiermeister Schiefelbein (Mitgl. rich; Friseur Fromm; *Fabrikant Gertner; seit Febr. 1808, 37 Jahre); *Sekretär Schilling; Lotteriesekretär Göcke; *Fabrikant Gornow; Fabrikant Schlag; *Kupferstecher Schmidt; *Accise-Inspektor Grell; Tapezier Grünberg; Gold- und Silberarbeiter Schmidt; Seifen*Maler Grünrose; Kupferstecher Haase; Le- sieder Schneider; *Sticker Schott; Friseur derhändler Hartmann; *Fabrikant Hempel Schultze; *Friseur Schutz (38 Jahre); *Ma(Vorstand); Kapellmusikus Hennig; Fabrikant ler Sele; Pr. Agent Siecke; *SchneidermeisHennig; *Karl (Vorstand); *Privatlehrer Kas- ter Sorge (31 Jahre); Fabrikant Steidel; Sekreten (30 Jahre) und dessen *Frau (26 Jahre); tär Steinhardt; *Kaufmann Steinhausen; FaDirektor Katter; *die Tochter des Kürschner- brikant Strunsee; Schneidermeister Suesholz; meisters Klein (25 Jahre); Fabrikant Kleinvo- Posamentier Tander; Mechanikus Tappert; gel; Kaufmann Klinger; Koch Kommerows- Fabrikant Unfert; *Oprateur Urban (28 Jahky; Schlächtermeister Krause; *Frau v. Las- re); Schneidermeister Use(?); *Tabakfabrikant berg (40 Jahre); Fabrikant Leppien; Konditor Villain; Uhrmacher Weise; *Rentier WentPielert; *Lederhändler Lietz; Bäckermeister zel; Fabrikant Wentzel; *Ökonom Werner Lietzmann; *Lederschneider Lui; Schlachter- (36 Jahre); *Schönfärber Werthmann (39 Jahmeister Marseck; Lederfabrikant Mart; *Kon- re); *Kaufmann Winzer; Fabrikant Wölbing; ditor Mertens; *Kaufmann Meyer; *Kondi- *Kommissionär Wolter (37 Jahre); Fabrikant tor Milde; Stadtverordneter Müller; *Brau- Zelger; Stadtsekretär Zimmer. eigner Netzeband; Tischlermeister Neumann; *Handschuhfabrikant Nicolai; Korbmacher Querverweise auf andere Vereine: VorgänNiedergeses; *die beiden Söhne des Schnei- ger war das  Privattheater der Ressource zur dermeisters Ohse (26 und 18 Jahre, Schnei- Harmonie. der); *Städt. Chirurg Pagel (27 Jahre); Braueigner Palm; Inspektor Pfefferkorn; Kauf- Ungedruckte Quellen: BLHA Potsdam, Rep. mann Hermann Pfeifer; *Konditor Pietert; 30 Berlin A, Nr. 445.

Uta Motschmann

Privattheater des Gastwirts Gentz in der Zimmerstraße 78 [Gentz] Name: Privattheater des Gastwirts Gentz. Gründung: 1807. Bestand: Bis 1809. Sitz: Zimmerstraße 78. Geschichte und Struktur: Bei dem Privattheater des Gastwirts und Tanzbodenhalters Gentz handelte es sich nicht (wie bei den bisher beschriebenen) um eine eigenständige

Theatergesellschaft, sondern er hatte in seinem Lokal junge Leute engagiert, die „zu ihrem und zum Vergnügen“ der Gäste, vorrangig für die französischen Einquartierungen, beliebte Theaterstücke aufführten (BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 445/1, Bl. 2). Belegt ist die Aufführung zweier aktueller Kotzebue-Lustspiele: Die Brandschatzung (1806) und Die Beichte (1806). Es wurde also 567

7  Kunstausübende Vereine

in einem gemieteten Saal mit angeschlossener Auch habe ich über der gesetzlichen Zeit keiGastwirtschaft vor „fremden“ Zuschauern ge- ne Gäste geduldet, und die Allgemeine Ruhe spielt und Gäste angelockt, um Geld einzu- nicht gestöret. Dennoch bin ich dadurch daß nehmen – alles Gründe, die laut Dekret vom ich ein großes Haus aber wenig Vermögen 12. April 1798 ein polizeiliches Verbot nach habe, bey aller meiner ehrlichen Thätigkeit, sich ziehen mussten. Wiederholt wurde dem so weit herunter gekommen das die ComiGentz das Komödienspielen untersagt und té Administratif mein Haus unter AdministraStrafbescheide erlassen, doch dieser rechtfer- tion setzen will.“ Zugleich bittet er, ihn „von tigte sich, dass er kaum noch Gäste gehabt der Strafe zu befreien, und das Gesetz zu linhabe, da „sich mehrere Gastwürthe als zum dern, welches 1785 gegeben ist, weil es für die Beispiel in der Commandanten-Straße Stahl- jetzigen Zeiten zu hart ist, sollten Sie mich schreiber Gasse [!] und Königs-Vorstadt klei- von der Strafe nicht befreien wollen, so bitne Liebhaber Comödien in ihren Tanz Säälen te ich mir doch als dann eine Geduld so lanangeschafft und die Gäste damit zu sich ge- ge zu geben, bis Sr. Majestät der König wielockt“ (Schreiben von Gentz an das Polizei- der hier sei“ (ebd., Bl. 19 f.). Doch mit Dekret direktorium vom 30. Jan. 1808; ebd.). Dass vom 10. Mai 1808 wird Gentz nicht nur eine Gentz die Sachlage richtig schilderte, belegt Strafe auferlegt, sondern auch alle Theater­ ein Schreiben Iff­lands an das Polizeidirekto­ utensilien in Beschlag genommen und der rium vom 9. Februar 1809, in welchem er die Saal versiegelt. Im Frühjahr 1809 wird alExistenz von „acht bis zehn Theater[n] die- lerdings die hohe Strafe „wegen geduldeter ser Art“ bestätigte. Ausserdem verteidigte sich Nachtschwärmereien und gestatteten KomöGentz mit der Behauptung, dass er den Direk- dienspielens in seinem Saale“ in Anbetracht tor Iffland von den Aufführungen in Kennt- „seiner durch den Krieg zerrütteten Vermönis gesetzt und dass ihm dieser „solches noch gensumstände“ „für dieses Mal“ durch den nicht untersagt habe“ (ebd.). Wenn er seinen König niedergeschlagen (Schreiben des KurGästen keine Unterhaltung böte, müsse er mit märk. Direktoriums an das Polizeidirekto­ seiner Familie „bald den Bettelstab suchen“. rium vom 19.5.1809; ebd., Bl. 28). „Bei allen den Handlungen habe ich bloß gesucht meine Einquartierungen zu befriedi- Ungedruckte Quellen: BLHA Potsdam, Rep. gen, und meine Abgaben als Bürger zu geben. 30 Berlin A, Nr. 445/1.

Uta Motschmann

Gesellschaftstheater in der Jakobstraße [GTh] Name: Gesellschaftstheater in der Jakobstraße. Bestand: April 1809. Sitz: Jakobstraße 56 im Haus des Strumpfwirkermeisters Boeth. Geschichte und Programmatik: Bei dem sogenannten Gesellschaftstheater scheint es sich um eine kleine Grupper junger Privatschauspieler gehandelt zu haben, deren Gesuche um Spielerlaubnis nicht genehmigt wurden 568

und die deshalb vermutlich nie aufgetreten ist. Am 12. April 1809 bitten neun junge Männer um die Erlaubnis, alle drei bis sechs Wochen spielen zu dürfen, „indem es unser aller Aeltern lieber ist, als wie an andern öffentlichen Oertern Ausschweifungen zu beginnen“. Sie wollen jeweils „nur immer kleine Stücke aufführen welche uns wenig Kosten Verursachen“, wie die beiden Kotzebue-Lustspiele Die Tochter Faraonis und Die Brandschatzung

7.4  Gesellschaftstheater in der Jakobstraße [GTh]

sowie Künstlers Glück von Karl Gottfried Miersch (BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 446, Bl. 1v). Das Anbieten mehrerer Stücke scheint auf eine gewisse Theater- und Probenerfahrung hinzudeuten. Das Polizeidirektorium lehnt am 14. April das Gesuch ab, „da dergleichen Gesellschafts-Theater nach landesherrlichen Verordnungen, allhier nicht geduldet werden sollen“ (ebd., Bl. 3r). Das Lokal in der Jakobstraße 56 war auch für andere Privatschauspieler attraktiv, doch werden auch deren Gesuche abgelehnt, da das Lokal „3 Treppen hoch“ zum Theaterspielen in feuerpolizeilicher Hinsicht nicht geeignet sei und „weil zu dergleichen theatralischen Veranstaltungen jedesmal die besondere Zustimmung des Herrn Directors Iffland

nothwendig ist“ (ebd., Bl. 9). Lediglich einzelne Privataufführungen „im Familienzirkel“ anlässlich eines Geburtstages oder zu Ehren von Königin Luise werden im März 1810 genehmigt. Mitglieder: J. C. Weise, Sohn des Kellermeisters Weise; J. G. Krüger, Sohn des Pantoffelmachermeisters Krüger; drei Söhne des Fischermeisters Kaumann; Villain, Sohn des Tabakspinners Villain; Bauer, Sohn des Hofsattlermeisters Bauer; Barock, Sohn des Feldwebels Barock; Loeve, Sohn des Friseurs Loeve; Kaufmann Walker. Ungedruckte Quelle: BLHA Potsdam, Rep. 30 Berlin A, Nr. 446.

Uta Motschmann

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8 Lesegesellschaften

Lesegesellschaften stellen im 18. und bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein die am meisten verbreitete Gesellungs- und „erste massenhaft verbreitete Organisationsform der bürgerlich geprägten Bildungsgesellschaft“ (Dann, S. 7) dar. Im Prozess der im städtischen Raum des Alten Reichs am Beginn des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts einsetzenden Formierung der bürgerlichen Gesellschaft nehmen sie insofern einen prominenten Platz ein; die Mitgliedschaft in einer Lesegesellschaft signalisiert die Zugehörigkeit zu dieser neuen, in Wirtschaft, Kultur, Verwaltung und Militär tätigen, Adelige und Bildungs- und Wirtschaftsbürger integrierenden sozialen Formation. Erste Lesegesellschaften bestanden bereits in den 1720er Jahren. Zum Massenphänomen entwickelten sie sich von der Mitte des 18. Jahrhunderts an. Eine erste große Gründungswelle mit rund fünfzig Lesegesellschaften fand in den 1770er Jahren statt, als auch die Bezeichnung ‚Lesegesellschaft‘ aufkam. Eine Boomphase erlebte diese Assoziationsform in den beiden folgenden Jahrzehnten mit annähernd jeweils 200 Neugründungen. Für den gesamten Zeitraum bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wird für den deutschsprachigen Raum von ca. 500 bis 600 Lesegesellschaften mit geschätzten 25.000 Mitgliedern ausgegangen, wobei sie in den evangelischen Gebieten des Alten Reiches deutlich stärker repräsentiert waren als in den katholischen Regionen. Lesegesellschaften waren in erster Linie ein städtisches Phänomen, fanden im ausgehenden 18. Jahrhundert jedoch auch Verbreitung im ländlichen Raum. Ihre Entstehung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Herausbildung des „modernen literarischen Marktes durch die Ausweitung und Kommerzialisierung der literarischen Produktion“ (Hardtwig, S. 294) und der Veränderung des Leseverhaltens hin zu extensiver Lektüre und immer neuen Lesestoffen. Daraus resultiert als Folge dieses als „Leserevolution“ (Engelsing, S. 140) bezeichneten Wandlungsprozesses die Formierung von Lesezirkeln, die aus bereits im 17. Jahrhundert praktizierten Gemeinschaftsabonnements hervorgingen. Lesezirkel bezeichnen den ältesten und häufigsten Typ der Assoziationsform Lesegesellschaft, die aus dem Bedürfnis vornehmlich nach (tages-)aktuellen Lesestoffen – Zeitungen und vor allem Zeitschriften – entstanden und in denen im Sinne einer Umlaufgesellschaft die Lesestoffe in einer festgelegten Reihenfolge unter den Mitgliedern zirkulierten. Einen erweiterten Typ der Lesezirkel stellen die Lesebibliotheken dar, wo die Mitglieder zu bestimmten Zeiten ihre Lesestoffe entleihen konnten und bei denen es sich häufig um vielfach von Buchhändlern kommerziell betriebene Leihbibliotheken handelte. Als dritter Typ entstanden seit 570

8 Lesegesellschaften

den 1770er Jahren die Lektüre- oder Lesekabinette, die in angemieteten Räumlichkeiten – vorzugsweise in Kaffee- und Gasthäusern sowie Hotels – oder eigenen Häusern mit Bibliotheken und Konversations- und Gesellschaftsräumen untergebracht waren. Aus den Lesekabinetten gingen im folgenden Jahrzehnt die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weitverbreiteten gesellig-literarischen Vereine hervor. Lesekabinette und die unter Namen wie Harmonie, Kasino ( Casino-Gesellschaft), Museum und Ressource (s. Kapitel  Ressourcen) firmierenden gesellig-literarischen Vereine waren Orte der Freizeitgestaltung und vor allem der „Förderung von Kommunikation“ (Ormrod, S. 11) insbesondere und in Analogie zum Selbstverständnis ihrer adelig-bürgerlichen Trägerschicht über das politische Tages- und Zeitgeschehen sowie generell über staatliche, gesellschaftliche und kulturelle Grundsatzfragen. Der Zuschnitt der Bibliotheken mit Schwerpunkten auf historisch-politischen, geographischen und allgemeinwissenschaftlichen Büchern und vor allem auf Periodika trägt diesen Interessen Rechnung, wobei die Bestände nur rudimentär überliefert sind. Die bereits vor 1789 feststellbare „Intensivierung der politischen Diskussion in den Lesegesellschaften“ (Ormrod, S. 12), die gleichzeitige zum Teil hysterische Furcht vor umstürzlerischen Geheimgesellschaften wie den Illuminaten oder der Deutschen Union, dann der Ausbruch der Französischen Revolution, die zumindest anfängliche Revolutionsbegeisterung unter den Gebildeten und die Revolutionskriege führten in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts neben Zensurverschärfungen zu verstärkten Kontrollen und mitunter repressiven Maßnahmen gegenüber Lesegesellschaften seitens der Obrigkeiten. Anders als im Kurfürstentum Bayern, wo Lesegesellschaften vom Ausbruch der Französischen Revolution an für zwei Jahrzehnte verboten waren, wurde in der preußischen Monarchie nicht gegen sie vorgegangen. Die Bestrebungen der von Johann Christoph Woellner initiierten Immediat-ExaminationsKommission, die die Lesegesellschaften seit Ende 1796 für kurze Zeit aufgrund ihres überschätzten Einflusses „auf die allgemeine Stimmung, Denkart und Gesinnung, mithin auf das Wohl und Weh des Volkes“ ins Visier nahm und sie mit der Verbreitung „alle Religion und Religiosität untergrabende[n] Schriften“ (Zit. n. Schwartz, S. 443 u. 422) in Verbindung brachte, blieben folgenlos. Das politische Klima im ausgehenden 18. Jahrhundert begünstigte gleichwohl und verbunden mit den sich wandelnden Bedürfnissen der sich formierenden bürgerlichen Gesellschaft namentlich bei den Lesekabinetten die Hinwendung zur Geselligkeit und zugleich die Herausbildung von gesellig-literarischen Vereinen als sogenannten geschlossenen Gesellschaften. Neben den ‚allgemeinen‘ Lesegesellschaften, in denen sich die lokalen bzw. regionalen gebildeten Eliten organisierten und die mit Hilfe der Mitgliedsbeiträge soziale Zugangsschranken errichteten, entstanden spezifische berufsständische Lesegesellschaften etwa für Geistliche, Lehrer, Juristen und Kaufleute, darüber hinaus auch für Frauen, denen in der Regel die Mitgliedschaft zu den als mail bonding-Agenturen charakterisierbaren Aufklärungsgesellschaften versagt blieb.

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8 Lesegesellschaften

Bibliographie: Dann, Otto (Hg.): Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation. Ein europäischer Vergleich. München 1981. – Engelsing, Rolf: Die Perioden der Lesergeschichte in der Neuzeit. In: Ders.: Zur Sozialgeschichte der deutschen Mittel- und Unterschichten. Göttingen, 2., erw. Aufl. 1978, S. 112–154 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 4). – Hardtwig, Wolfgang: Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland. Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution. München

1997. – Ormrod, John: Lesegesellschaften und das ‚Sozialsystem Literatur‘. Überlegungen zur Flexibilisierung des Theoriemodells der Münchener Forschungsgruppe (MFG). In: Monika Dimpfl, Georg Jäger (Hg.): Zur Sozialgeschichte der deutschen Literatur im 19. Jahrhundert. Einzelstudien. T.  2, Tübingen 1990, S. 1–24 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 28). – Schwartz, Paul: Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798). Berlin 1925. [Weitere Literatur s. unten.]

Lesegesellschaften in Berlin In der erst in Ansätzen erforschten Topographie der Sozietätslandschaft BrandenburgPreußens im 18. Jahrhundert sind wie im gesamten evangelischen mittel- und norddeutschen Raum Lesegesellschaften vielerorts in und nicht nur in den größeren Städten und mitunter auch auf dem Land nachweisbar. Mehrere Lesegesellschaften bestanden in der im Übergang zum 19. Jahrhundert von Zeitgenossen wie Joachim von Schwarzkopf (1795, S. 113 f.) und namentlich von Reisenden (Anonym 1807, S. 110) wegen ihrer zahlreichen Aufklärungsgesellschaften gerühmten Haupt- und Residenzstadt Berlin, wobei die Quellenlage hier wie grundsätzlich für diesen Gesellungstyp ebenso prekär ist wie die eindeutige Identifizierung als Lesegesellschaft. Es ist insofern problematisch, die für Berlin im 18. und frühen 19. Jahrhundert benannten Institutionen zweifelsfrei als Lesegesellschaften zu charakterisieren, da die Bezeichnung zeitgenössisch sehr allgemein gebraucht und häufig auf unterschiedliche Gesellungsformen der Aufklärung von den kommerziellen Leihbibliotheken über Debattierclubs wie die  Berliner Mittwochsgesellschaft bis hin zu den privaten geselligen literarischen Zirkeln angewandt wurde, wovon Henriette Herz berichtet, wenn sie sich an „eine der frühesten Lesegesellschaften“ im Haus ihrer Freundin Dorothea Veit(-Schlegel) erinnert, in der im Berliner Freundeskreis „gewöhnlich Dramatisches gelesen“ wurde (Herz, S. 48; Hümpel, S. 168; Becker-Cantarino, S. 1493 f.), oder wenn sie rückblickend die um 1785 gebildete  Bauersche Lesegesellschaft beschreibt (Herz, S. 48–50; Hümpel, S. 168 f.). In Analogie zur Entwicklung der Lesegesellschaften im 18. Jahrhundert wurde in Berlin zunächst 1764 ein als  Gelehrte Journalgesellschaft (s. Vereine vor 1786) avisierter, von Friedrich Heinrich Wilhelm Martini initiierter und bis 1778 bestehender Lesezirkel ins Leben gerufen. Die erste große Gründungswelle im Alten Reich brachte in Berlin wohl zwei Leseinstitutionen hervor. Zunächst wurde 1771 von dem Garnisonprediger Ludwig Wilhelm Brüggemann in dessen Privaträumen die bis kurz nach der Wende zum 19. Jahrhundert bestehende  Englische Lesegesellschaft gestiftet. Nicht gesichert ist 572

8  Lesegesellschaften in Berlin

Abb. 115  Gustav Taubert: Im Berliner Lesecafé: „Alles liest alles“, Öl auf Leinwand, 1832 (Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv.-Nr. GEM 70/22).

die Existenz der von Peter Gradenwitz (S. 237) für dieselbe Zeit erwähnten Lese- und Tischgesellschaft Odeon, bei der es sich um einen privaten, geselligen, Frauen und Männer integrierenden Kreis gehandelt haben soll, der sich wöchentlich traf, sich gemeinsam der Literatur (namentlich Shakespeare und Goethe) widmete, um anschließend bei Tisch auch zu singen. Für die 1780er Jahre liegen keine spezifischen Nachrichten vor, wobei das Journal von Berlin 1790 (H. 2, S. 12) von der Existenz von nicht näher identifizierten „geschlossenen Lesegesellschaften“ berichtet, bei denen es sich um Lesekabinette gehandelt haben könnte. Wie anderorts auch bestanden in der brandenburgisch-preußischen Haupt- und Residenzstadt in den 1790er Jahren unter der Bezeichnung Lesebibliothek eine Reihe von Einrichtungen, bei denen es sich streng genommen um kommerziell betriebene Leihbi573

8 Lesegesellschaften

bliotheken mit speziellen Leseräumen (vgl. Rumpf 1793, S. 124; Nicolai 21799, S. 190 f.; Gädicke 1806, S. 292 u. 355) oder mit angeschlossenen Journallesezirkeln (z. B. 1806 Wilhelm Vieweg, Spandauerstr. 58; H. Schmidt, Am alten Packhof 4) handelte. Zu diesem Typ zählen auch die in der Jägerstr. 25 untergebrachte Deutsche und Französische Leihbibliothek von Rudolph Werkmeister mit im Jahr 1813 20.000 Bänden „der interessantesten und neuesten Werke sowohl in allen Fächern der Wissenschaften, als im Fache der Romane, Schauspiele und Poesien“ (Vossische Zeitung v. 2.10.1813, Beilage zum 118. St.). Werkmeister hatte am selben Ort bereits Mitte April 1808 eine Museum genannte, dem Typ der gesellig-literarischen Vereinigung ähnelnde Einrichtung mit fünf Räumen (incl. einem Konversationsraum) und einem Saal ins Leben gerufen, in der er „100 deutsche und französische Zeitungen und Journale, alle neu erscheinende[n] bedeutende[n] wissenschaftliche[n] Werke und Flugschriften, außer diesem noch die vorzüglichsten encyclopädischen Werke, zum Nachschlagen, und mehrere gute Landkarten“ bereitstellte. Zur Bequemlichkeit der Teilnehmer war „auch im Thiergarten für den Sommer ein Lokale zu einem Museum eingerichtet“ (Vossische Zeitung Nr. 26 vom 16.4.1808). In demselben Gebäude in der Jägerstraße 25 war auch die Leihbibliothek von Friedrich Kralowsky untergebracht; ihr war ein zu Abendgesellschaften sich versammelnder „Unterhaltungskreis“ angeschlossen (Gubitz, S. 94 ff.), an dem u. a. Friedrich von Cölln, Friedrich Buchholz, Friedrich Ludwig Jahn, Kammergerichtsrat von Greveniz und der Geheimschreiber des Ministers Friedrich Wilhelm von der Schulenburg C. F. Lange teilnahmen. Neben diesen Mischtypen, wozu auch die seit 1794 zunächst als Lesezirkel eingerichtete und 1803 als Lesebibliothek fortgeführte freimaurerische Lesegesellschaft ( Freimaurerlogen) zu zählen ist, bestanden Ende 1805 mit der Schönwissenschaftlichen Lesegesellschaft ein von Frauen und Männern gegründeter Lesezirkel für belletristische Literatur (Berliner Intelligenz-Blatt Nr. 301 vom 17.12.1805, S. 4056) sowie seit den 1790er Jahren einige weitere berufsgruppenspezifische Lesegesellschaften ebenfalls in Form von Lesezirkeln, die einschlägige Literatur bereitstellten: Eine Medizinischchirurgische Lesegesellschaft wurde 1794 gegründet (Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen Nr. 64 vom 29.5.1794). Sie steht möglicherweise in Zusammenhang mit der von dem Antiquar Ulfert 1791 ins Leben gerufenen medizinisch-chirurgischen Leihbibliothek für Studierende, deren Bestände 1797 in den Besitz des Generalstabschirurgen Goercke übergingen und den Grundstock der Studienbibliothek für die von diesem gegründete und geleitete militärärztliche Pépinière bildeten; für die Zöglinge dieser Anstalt betrieb der Pensionärchirurg Völker einen bis 1889 bestehenden Journallesezirkel mit belletristischer und wissenschaftlicher Literatur (Mann, S. 42). 1796 entstand innerhalb der  Pharmaceutischen Gesellschaft ein sogenannter Lesezirkel für die Lehrlinge und Gesellen der Pharmazie. Im Oktober 1799 bzw. im Mai 1800 eröffnete ein Lehrer an der Handlungsschule namens Krüger zwei Lesezirkel, einen für „Schulmänner“, der ähnlich dem 1813 im Rahmen der  Berlinischen Schullehrergesellschaft gegründeten Lesezirkel die selbständige Weiterbildung seiner Mitglieder zum Ziel hatte, einen zweiten 574

8  Lesegesellschaften in Berlin

für „Kaufleute“ (Prüsener, Sp. 535, 547, 569). Die beiden Lesezirkel zählten im Januar 1801 25 und 50 Mitglieder (Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung Nr. 15 vom 28.1.1801, Sp. 128) und verweisen mit ihren Jahresbeiträgen von 1 ⅓ und 6 ⅔ Reichstalern auf die typischen sozialgruppenspezifischen Differenzierungen. Mit Gründung der Universität entstand in der Charlottenstraße 32 als ein weiterer Mischtyp ein von Julius Eduard Hitzig begründetes Lesezimmer für die Universität (Busch, S. 156–159), in dem Professoren und Studenten täglich, außer sonntags, „sämmtliche Compendien, über welche bei der hiesigen Universität gelesen wird, von Posttage zu Posttage alle in Deutschland erscheinende wissenschaftliche Neuigkeiten auf vier Tischen, nach den 4 Facultäten, ausgelegt“ finden konnten. Für Miete und Heizung verlangte Hitzig von den Professoren vierteljährlich drei Taler, von den Studierenden einen Taler zwölf Groschen. Für die Teilnahme an einer damit verbundenen Journalgesellschaft, „in der man posttäglich die neuesten gelehrten Zeitungen und wissenschaftlichen Zeitschriften findet“, musste jährlich „1 Thlr. Cour. pränumerando“ gezahlt werden. 1811 nutzten diese Einrichtung 150 Teilnehmer (Hitzig, S. 26–29). Seit dem späten 18. Jahrhundert richteten die Berliner Freimaurerlogen Ordensbibliotheken und maurerische Leseinstitute ein. Die  Große Landesloge fügte ihrer 1793 errichteten Ordensbibliothek ein Jahr später eine so bezeichnete Lesegesellschaft für Mitglieder im Meistergrad hinzu, in der auch nichtfreimaurerische Literatur und Zeitschriften kursierten. Am Ende des 18. Jahrhundert lassen sich auch in Berlin die aus den Lesekabinetten als geschlossene Gesellschaften hervorgegangenen gesellig-literarischen Vereine nachweisen. Der spätere sechste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika John Quincy Adams, der von Juni 1797 bis Juni 1801 als Botschafter am preußischen Hof akkreditiert war, und sein Bruder Thomas Boylston Adams berichten wiederholt von Besuchen in der  Casino-Gesellschaft, wo sie die Abende mit der Lektüre von internationalen Zeitungen verbrachten oder mit Kollegen aus anderen Gesandtschaften zusammentrafen. – Die in den 1790er Jahren sich bildenden  Privattheatergesellschaften gingen aus sogenannten Lesezirkeln hervor. Auch die  Feßlersche Mittwochsgesellschaft oder die  Humanitätsgesellschaft verstanden sich ursprünglich als Lesegesellschaften, in denen neue Literatur vorgelesen und diskutiert wurde. Doch handelte es sich hier nicht um Lesezirkel im Sinne der eingangs formulierten Definition, sondern um eine allgemeine Bezeichnung, wie sie sich im späten 18. Jahrhundert eingebürgert hatte. Bibliographie: a) Quellen: Anonym: London; neueste Gemälde seiner Sitten, Handlung, Cultur, Literatur etc. von einem freimüthigen Beobachter. London, Hamburg 1807. – Adams, John Quincy: Memoirs of John Quincy Adams, Comprising Portions of his Diary from 1795 to 1848. Hg. v. Charles

Francis Adams. 12 Bde., Philadelphia 1874– 1877. – Adams, Thomas Boylston: Berlin and the Prussian Court in 1798. Hg. v. Victor Hugo Paltsits. New York 1916. – Gädicke, Johann Christian: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend. Enthaltend alles Merkwürdige und Wissenswerthe von dieser Kö575

8 Lesegesellschaften

nigsstadt und deren Gegend. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806. – Gubitz, Friedrich Wilhelm: Erlebnisse von Friedrich Wilhelm Gubitz. Nach Erinnerungen und Aufzeichnungen. Bd. 2, Berlin 1868. – [Herz, Henriette]: Henriette Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnissen. Hg. v. Rainer Schmitz. Leipzig, Weimar 1984. – Hitzig, Julius Eduard: Kurze Nachricht von der neuen Einrichtung des Lesezimmers für die Universität. Zweite veränderte Auflage 1811. (Nach dem Druck in: Berliner Universitäts-Kalender auf das Schaltjahr 1812. Hg. v. J. E. Hitzig. Berlin 1812, S. 26–29). – Martini, Friedrich Heinrich Wilhelm: Plan zu einer gemeinnützigen Journalgesellschaft. In: Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnützige Wochenschrift 2 (1771), S. 367–373, 383–392. – Martini, Friedrich Heinrich Wilhelm: Verzeichnis der Martinischen Bibliothek, mit einem vollständigen Namen- und Sachregister, samt einem Entwurf zu einer gemeinnützigen Journalgesellschaft. Berlin 21775. – Goeze, Johann August Ephraim: D. Friedrich Heinrich Wilhelm Martini’s Leben aufgesetzt von J. A. E. Goeze zum Besten der hinterlassenen Familie. Berlin 1779. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend, enthaltend eine kurze Nachricht von allen daselbst befindlichen Neuigkeiten. Berlin 21799. – Reichardt, Johann Friedrich: Briefe eines aufmerksamen Reisenden, die Musik betreffend. T. 1, Frankfurt, Leipzig 1774. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Berlin oder Darstellung der interessantesten Gegenstände dieser Residenz. Ein Handbuch für Fremde und Einheimische. Berlin 1793. – Schwarzkopf, Joachim v.: Ueber Zeitungen. Ein Beytrag zur Staatswissenschaft. Frankfurt a. M. 1795. – b) Literatur: Becker-Cantarino, Barbara: Die „andere Akademie“. Juden, Frauen und Berliner literarische Gesellschaften 1770–1806. In: Klaus Graber, Heinz Wismann: Europäische Sozietätsbewegung und demokrati576

sche Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung. Bd. 2, Tübingen 1996, S. 1478–1505 (Frühe Neuzeit, Bd. 27). – Blänkner, Reinhard / de Bruyn, Wolfgang (Hg.): Salons und Musenhöfe. Neuständische Geselligkeit in Berlin und in der Mark Brandenburg um 1800. Hannover 2009. – Brandes, Helga: Die Entstehung eines weiblichen Lesepublikums im 18. Jahrhundert. Von den Frauenzimmerbibliotheken zu den literarischen Damengesellschaften. In: Paul Goetsch (Hg.): Lesen und Schreiben im 17. und 18. Jahrhundert. Studien zu ihrer Bewertung in Deutschland, England, Frankreich. Tübingen 1994, S. 125–133. – Busch, Anna: Wissensorganisation und -vermittlung in der Gründungsphase der Berliner Universität. Julius Eduard Hitzigs ‚Lesezimmer für die Universität‘ als erste Berliner Universitätsbibliothek. In: Anne Baillot (Hg.): Netzwerke des Wissens. Das intellektuelle Berlin um 1800. Berlin 2011, S. 151–164 (Berliner Intellektuelle um 1800, Bd. 1). – Dann, Otto (Hg.): Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation. Ein europäischer Vergleich. München 1981. – Dann, Otto: Lesegesellschaft. In: Friedrich Jäger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 7, Darmstadt 2008, Sp. 843 f. – Dülmen, Richard van: Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland. Frankfurt a. M. 1986. – Engelsing, Rolf: Die Perioden der Lesergeschichte in der Neuzeit. In: Ders.: Zur Sozial­ geschichte der deutschen Mittel- und Unterschichten. Göttingen, 2., erw. Aufl. 1978, S. 112–154 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd 4). – Gerteis, Klaus: Bildung und Revolution. Die deutschen Lesegesellschaften am Ende des 18. Jahrhunderts. In: Archiv für Kulturgeschichte 53 (1971), S. 127– 139. – Gradenwitz, Peter: Literatur und Musik in geselligem Kreise. Stuttgart 1991. – Hardtwig, Wolfgang: Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland. Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution. München

8  Lesegesellschaften in Berlin

1997. – Hümpel, Heinrich G.: Entstehung des Vereinswesens in Berlin. Phil. Diss. FU Berlin 1970. – Jäger, Georg: Leihbibliotheken, Lesegesellschaften und Buchmarkt im 18. und 19. Jahrhundert. In: Aus dem Antiquariat. Beilage zum Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1986, S. A 245 – A 254. – Mann, Gunter: Die medizinischen Lesegesellschaften in Deutschland. Köln 1956 (Arbeiten aus dem Bibliothekar-Lehrinstitut des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 11). – Möller, Horst: Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai. Berlin 1974 (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 15). – Möller, Horst: Vernunft und Kritik. Deutsche Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 1986 (Neue Historische Bibliothek). – Möller, Horst: Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763– 1815. Berlin 1989 (Die Deutschen und ihre Nation). – Motschmann, Uta: Die Berliner Vereine um 1800 als kommunikative Netzwerke des Bildungsbürgertums. In: Anne Baillot (Hg.): Netzwerke des Wissens. Das intellektuelle Berlin um 1800. Berlin 2011, S. 183– 211 (Berliner Intellektuelle um 1800, Bd. 1). – Ormrod, John: Bürgerliche Organisation und Lektüre in den literarisch-geselligen Vereinen der Restaurationsepoche. In: Günter Häntzschel, John Ormrod, Karl N. Renner (Hg.): Zur Sozialgeschichte der deutschen Literatur von der Aufklärung bis zur Jahrhundertwende. Tübingen 1985, S. 123–149. – Ormrod, John:

Lesegesellschaften und das ‚Sozialsystem Literatur‘. Überlegungen zur Flexibilisierung des Theoriemodells der Münchener Forschungsgruppe (MFG). In: Monika Dimpfl, Georg Jäger (Hg.): Zur Sozialgeschichte der deutschen Literatur im 19. Jahrhundert. Einzelstudien. T  2, Tübingen 1990, S. 1–24 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 28). – Prüsener, Marlies: Lesegesellschaften im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Lesergeschichte. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 28 (1972), S. 189–301. – Puschner, Uwe: Verzögerte Aufklärung. Lesegesellschaften in Kurbayern. In: Aufklärung 5 (1990), S. 29–47. – Puschner, Uwe: Lesegesellschaften. In: Bernd Sösemann (Hg.): Kommunikation und Medien in Preußen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Stuttgart 193–206 (Beiträge zur Kommuni2002, S.  kationsgeschichte, Bd. 12). – Schwartz, Paul: Der erste Kulturkampf in Preußen um Kirche und Schule (1788–1798). Berlin 1925. – Wilhelmy, Petra: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780–1914). Berlin, New York 1989 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 73). – Zaunstöck, Holger: Die Altmark – eine Sozietätslandschaft des 18. Jahrhundert? In: Jb. für Brandenburgische Landesgeschichte 49 (1998), S. 121–141. – Zaunstöck, Holger: Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen. Die mitteldeutschen Aufklärungsgesellschaften im 18. Jahrhundert. Tübingen 1999 (Hallesche Beiträge zur europäischen Aufklärung, Bd. 9).

Uwe Puschner Vgl. auch  Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Kgl. Realschule (s.  Sprach- und literaturwissenschaftliche Vereine).

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8 Lesegesellschaften

Englische Lesegesellschaft [ELG] Name: Englische Lesegesellschaft. Gründung: 20. März 1771. Auflösung: Nach 1804 (?). Sitz: Die Vereinigung besaß keine eigenen Räume. Die Zusammenkünfte fanden anfänglich in der Wohnung des Gesellschaftsgründers Ludwig Wilhelm Brüggemann im Garnisonpredigerhaus in der Neuen Friedrichstraße (heute Anna-Louisa-Karsch-Straße 9), später abwechselnd in den Häusern der Mitglieder statt. Geschichte und Programmatik: Die Gründung einer Lesegesellschaft, die auf Lektüre und Diskussion englischsprachiger Literatur ausgerichtet war, lag in Berlin wie in anderen Städten des Heiligen Römischen Reiches in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus zweierlei Gründen nahe: Einerseits brachte die deutsche literarische Öffentlichkeit der englischen Kultur ein zunehmendes, bis zur ‚Anglomanie‘ sich steigerndes Interesse entgegen. Andererseits waren englische Bücher und Zeitschriften auf dem deutschen Buchmarkt immer noch schwer zu bekommen und entsprechend teuer. Neben dem gemeinschaftlichen Austausch über das Gelesene bestand der Zweck einer solchen Vereinigung für die Mitglieder somit zuallererst darin, sich die Grundlage der Lektüre durch wechselseitigen Verleih oder gemeinsame Erwerbung zu beschaffen. Mit einer Privatbibliothek, in der sich etwa 500 englische Bücher aus den unterschiedlichsten Wissensgebieten (Geologie, Geschichte, Philosophie, Belletristik, antike Literatur) befunden haben sollen (Heyden [1965], S. 187), bot der Garnisonprediger Ludwig Wilhelm Brüggemann also eine entscheidende Voraussetzung, um am 20. März 1771 (ebd.) eine Englische Lesegesellschaft in Berlin zu gründen. Brüggemann ließ seinen Buchbesitz unter den Mitgliedern der Gesellschaft zirkulieren und erweiterte ihn bestän578

dig durch Neuerwerbungen, die er aus London bezog. Weiter ist über die Gründungsphase der Vereinigung nichts bekannt, weil die diesbezüglichen Dokumente aus Brüggemanns Nachlass, die dessen Urgroßneffe noch besaß, und die weitergehenden Informationen, die diesem auf seine Anfrage in den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins hin womöglich geliefert wurden (Brüggemann, S. 120), nicht erhalten sind. Auch die Auskünfte, die Brüggemanns Urgroßneffe seinerseits dem pommerschen Landeshistoriker Martin Wehrmann in den Jahren 1936 und 1937 schriftlich erteilt hat und die dem Kirchenhistoriker Hellmuth Heyden für seine Arbeiten noch zur Verfügung gestanden haben (Heyden [1965], S. 181), müssen als verschollen gelten. Anfragen an das Staatsarchiv Stettin (Nachlass Martin Wehrmann) und das Landeskirchliche Archiv der Pommerschen Evangelischen Kirche Greifswald (Nachlass Hellmuth Heyden) brachten jedenfalls kein positives Ergebnis. Über den Fortgang ihrer Geschichte lässt sich wenig mehr berichten, als dass die Gesellschaft, auch nachdem Brüggemann unter dem 20. November 1772 als Schlossprediger nach Stettin berufen worden war, gleichwohl bestehen blieb. Den Verlust von Brüggemanns Bibliothek scheint man zumindest in späteren Jahren durch den gemeinsamen Erwerb englischer Journale kompensiert zu haben (Brief Johann Ernst Lüdekes an Friedrich Nicolai vom 21.06.1787). Weitere Zeugnisse – etwa für den Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft – fehlen. Aufgrund dieser dürftigen Quellenlage ist nicht mit letzter Gewissheit zu entscheiden, ob es sich bei einer für die Jahre 1803 und 1804 in Berlin bezeugten Englischen Lesegesellschaft (Briefe Georg Gottlieb Pappelbaums an Friedrich Nicolai vom 23.08.1803 u. 14.02.1804) noch um dieselbe Vereinigung gehandelt hat, wofür eine – wenn auch geringe – personelle Kon-

Englische Lesegesellschaft [ELG]

tinuität spricht, oder um eine spätere Neugründung. Struktur und Organisation: Bereits in ihrer Gründungsphase gab sich die ELG Statuten (Brüggemann, S. 120), die aber nicht überliefert sind. Deren Inhalt lässt sich daher nur partiell erschließen. Nachweislich war darin festgelegt, dass die Mitglieder jeden Mittwoch zu Lesung und Diskussion englischer Literatur zusammenkommen und Bücher zum Studium erhalten sollten (Heyden [1965], S. 187). Diese Regel wurde später dahingehend abgeändert, dass die Zusammenkünfte nur noch am ersten Mittwoch im Monat stattfanden (Brief Georg Gottlieb Pappelbaums an Friedrich Nicolai vom 23.08.1803). Dabei machten die größeren zeitlichen Abstände es offenbar notwendig, zu den Treffen eine Woche vorher schriftlich einzuladen. Den Ort der Zusammenkünfte bildete anfänglich die Wohnung Brüggemanns; nach dessen Weggang traf man sich abwechselnd in den Häusern der Mitglieder. Die Organisation der Gesellschaft oblag einem Sekretär – ein Amt, das vor Mitte des Jahres 1787 von Johann Ernst Lüdeke an Georg Ludwig Spalding übergegangen sein muss (Brief Lüdekes an Friedrich Nicolai vom 21.06.1787). Zu den Aufgaben des Sekretärs gehörte die Verwaltung der Zeitschriftenabonnements (ebd.) und vermutlich auch die Abfassung des Protokolls, das zumindest in der Spätphase der Vereinigung über jede Sitzung geführt wurde (Brief Georg Gottlieb Pappelbaums an Friedrich Nicolai vom 23.08.1803). Unklar ist, ob Mitgliedsbeiträge erhoben wurden oder wie die Finanzierung gemeinsamer Anschaffungen andernfalls erfolgte. Mitglieder: a) Allgemeines: Im Gründungsjahr 1771 hatte die ELG etwa 36 Mitglieder (Heyden [1965], S. 188), in der Spätphase weniger als die Hälfte. Eine Begrenzung der Mitgliederzahl scheint nicht bestanden zu haben. Da die Statuten nicht überliefert

sind, ist unklar, ob es Regeln gab, nach denen die Aufnahme von Neumitgliedern vollzogen wurde. Unter den namentlich bekannten Mitgliedern befinden sich keine Frauen, weshalb davon auszugehen ist, dass diesen die Mitgliedschaft nicht gestattet war. – Wie für Berliner Vereinigungen nicht ungewöhnlich, standen viele der Mitglieder im höheren Staats- oder Kirchendienst. Im Einklang mit der sprachlichen Ausrichtung der Gesellschaft taten sich einige Mitglieder als Übersetzer aus dem Englischen (z. B. Johann Joachim Spalding, Johann Bernhard Merian, Georg Friedrich von Tempelhoff, Johann Christoph von Woellner) oder als Verleger solcher Übersetzungen und englischer Originalliteratur (Friedrich Nicolai) hervor. – Ob Gäste an den Zusammenkünften der Gesellschaft teilnehmen durften, ist nicht bekannt. – b) Einzelmitglieder: Zwar wurde zumindest in der Gründungsphase ein Mitgliederverzeichnis geführt (Brüggemann, S. 120), doch ist auch dieses nicht überliefert. Da die Personen darin vermutlich nur mit ihren Nachnamen aufgeführt waren, entstand die irrtümliche Annahme, Gotthold Ephraim Lessing sei Mitglied der ELG gewesen (Heyden [1965], S. 188). Dieser hielt sich aber zum fraglichen Zeitraum nicht mehr in Berlin auf, wohl aber sein Bruder Karl Gotthelf, der deshalb gemeint gewesen sein dürfte. – Mitglieder in der Gründungsphase der Gesellschaft: Ludwig Wilhelm Brüggemann, Anton Friedrich Büsching, Johann David Gardemin, Ludwig Martin Kahle, Karl Gotthelf Lessing, Moses Mendelssohn, Johann Bernhard Merian, Guillaume de Moulines, Friedrich Nicolai, August Friedrich Wilhelm oder Friedrich Samuel Gottfried Sack, Johann Joachim Spalding, David Friedrich Splitgerber, Wilhelm Abraham Teller, Georg Friedrich v. Tempelhoff, Johann Christoph v. Woell­ ner, Karl Abra­ ham v. Zedlitz. – Mitglieder um 1803/04: Johann Friedrich Sigismund Augustin, Carl Ludwig Conrad, Jean Pierre Erman, Leopold Friedrich Günther 579

8 Lesegesellschaften

v. Goeckingk, Ernst Ferdinand Klein, Johann Ernst Lüdeke, Friedrich Nicolai, Georg Gottlieb Pappelbaum, Friedrich Samuel Gottfried Sack, Georg Ludwig Spalding, Wilhelm Abraham Teller, Daniel Philipp Troschel, Johann Friedrich Zöllner. Bibliographie: a) Archivquellen: SBB-PK, Nachlass Nicolai I, Bd. 46 (Brief Johann Ernst Lüdekes an Friedrich Nicolai vom 21.06.1787) u. Bd. 56, Mappe 9 (Briefe Georg Gottlieb Pappelbaums an Friedrich Nicolai vom 23.08.1803 u. 14.02.1804). – b) Forschungsliteratur: Brüggemann: Anfragen. 1. In: Mit-

teilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 28 (1911), S. 120. – Heyden, Hellmuth: Ludwig Wilhelm Brüggemann (1743–1817). In: Pommersche Lebensbilder. Hg. v. der Landesgeschichtlichen Forschungsstelle für Pommern, Bd. 3: Pommern des 18., 19. und 20. Jahrhunderts. Hg. v. Adolf Hofmeister und Wilhelm Braun. Stettin 1939, S. 142–150. – Ders.: Ludwig Wilhelm Brüggemann 1745–1817. In: Ders.: Pommersche Geistliche vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Köln/Graz 1965, S. 180–211 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, Reihe 5: Forschungen zur Pommerschen Geschichte, 11).

Rainer Falk

Bauersche Lesegesellschaft [BLg] Name: Bauersche Lesegesellschaft. Gründung: um 1785. Bestand: Es ist nicht bekannt, wie lange die Lesegesellschaft zusammenkam; vermutlich existierte sie aber bei Gründung der  Feßlerschen Mittwochsgesellschaft 1796 nicht mehr. Sitz: Im Winter im Königlichen Schloss beim Hofkastellan Bauer; im Sommer in einem Garten, welchen Bauer vor dem Königstor besaß. – Hofrat Bauer, der Kastellan des Prinzen von Preußen, war „im Seitengebäude des Schlosses wohnhaft“, „im dritten Geschosse“; (im Erdgeschoss befand sich die Hofapotheke) (Nicolai, S. 908). Geschichte und Programmatik: Die BLg ist hauptsächlich durch die Erinnerungen der Henriette Herz bekannt. Danach nahmen „die ausgezeichnetsten Männer Berlins von den verschiedensten Fächern und Altern“ daran teil. Stellvertretend nennt sie „Engel, den stets alten und etwas pedantischen Ramler, Moritz, Teller, Zöllner, Dohm, den Juristen Klein“ und ihren Mann Marcus Herz; auch „die weiblichen Mitglieder ihrer Familien“ seien zugegen gewesen. „Außerdem aber 580

auch die beiden sechzehn- bis achtzehnjährigen Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, damals schon von feiner Sitte, lebendig, geistreich, kurz, durchaus liebenswürdig, und von umfassendem Wissen. Sie waren zu jener Zeit schon in unser Haus eingeführt, und so konnte es denn bei ihrem Interesse für alles Schöne, welchem sich später wohl auch einiges für die Schönen unserer Gesellschaft beimischte, nicht fehlen, daß sie dieser angehörten. Die Versammlungen fanden stets bei dem Kastellan des Königlichen Schlosses, Hofrat Bauer, statt, dessen Frau ihrer Zeit den Anspruch machte, ein bel-esprit zu sein […]. Gelesen wurde jedesmal. Kleinere und größere Aufsätze, lyrische und epische Dichtungen, Dramatisches usw. wechselten ab, und sowohl Männer als Frauen lasen vor. Aber im Winter tanzten wir Jüngeren nach dem frugalen Abendessen, und ich erinnere mich, daß Alexander von Humboldt mich an einem jener Abende die damals noch neue Menuet à la Reine lehrte, und im Sommer spielten wir allerlei gesellige Spiele im Freien, bei welchen sich jedoch oft auch die Älteren beteiligten, schlugen Ball usw. Die-

Bauersche Lesegesellschaft [BLg]

se Allotria wurden freilich stets nur zu großer Unzufriedenheit der Frau Bauer getrieben, welcher nie genug gelesen werden konnte. / Engel präsidierte gewissermaßen in dieser Lesegesellschaft. Er führte die Irrenden auf den richtigen Pfad, und zwar im Winter von einem Platze hinter dem Ofen aus, welchen er stets einnahm, wann er nicht las“ (Herz, S. 48 f.). Verglichen mit der  Englischen Lesegesellschaft oder Martinis  Gelehrter Journalgesellschaft handelte es sich hier um eine andere Art von Lesegesellschaft, da die BLg offenbar keine eigene Bibliothek angelegt hat. Mit dem gemeinschaftlichen Lesen von Theaterstücken nähert sich die BLg eher dem Typ der frühen  Privattheatergesellschaften an, die meist aus Lese- oder dramatischen Zirkeln hervorgegangen sind. Das gemeinschaftliche Lesen entsprach einer Mode der Zeit. Dabei ging es den Teilnehmern der frühen Lesegesellschaften nicht nur um ein „Ablesen“ aktueller und klassischer Literatur, sondern um den Erwerb der Fähigkeit, „gut vorzulesen“, d. h. mit Emphase vorzutragen bzw. bei dramatischen Texten wie auf einer Bühne zu deklamieren. Verbunden damit war das Bestreben, sich umfassend zu bilden. „Selbst berühmte Gelehrte“, äußert sich Henriette Herz rückblickend, hielten es „nicht unter ihrer Würde, den so Strebenden ihr Bestes mitzuteilen. Oft trugen sie in geselligen und sehr gemischten Kreisen vor, was unsere heutigen Gelehrten vielleicht nur Studierenden und Studierten vorzutragen der Mühe wert achten würden. Ebenso vereinigten sich sogar Gelehrte aller Fächer, Philologen, Philosophen, Theologen, Juristen usw. mit Frauen und Männern, welche an Wissen und Urteil weit unter ihnen standen, um sich miteinander an Erzeugnissen der schönen Literatur zu erfreuen“ (Herz, S. 47). Bei der BLg handelte es sich um einen größeren Kreis von Frauen und Männern, Jungen und Alten, Akademikern und Nichtakademikern, Christen und Juden, der sich schein-

bar regelmäßig und zielstrebig zu gemeinsamer Lektüre und Diskussion über das Gelesene zusammenfand, aber auch dem geselligen Zeitvertreib Raum bot. Die lockere, fast familiäre Atmosphäre bot vor allem den Frauen die Möglichkeit, sich „lesend“ einzubringen und an einer akademisch-gelehrten Konversation teilzunehmen. Mitglieder: Hofkastellan Bauer und seine Frau; Christian Konrad Wilhelm Dohm; Johann Jakob Engel; Henriette und Marcus Herz; Alexander und Wilhelm v. Humboldt; Ernst Ferdinand Klein; Karl Philipp Moritz; Karl Wilhelm Ramler; Wilhelm Abraham Teller; Johann Friedrich Zöllner. – Die ausdrückliche Erwähnung von Moritz könnte darauf hindeuten, dass die BLg bereits vor 1785 existierte, da Moritz 1785/86 meist auf Reisen und kaum in Berlin anwesend war. Mitte August 1786 verlässt er Berlin, um nach Rom zu reisen. Querverweise auf andere Vereine: Eine etwas ältere Lesegesellschaft, die als eine der frühesten in Berlin angesehen wird, fand sich im Haus von Dorothea Veit, der Tochter Mendelssohns und späteren Frau Friedrich Schlegels, zusammen. Mitglieder waren, wie später in der BLg auch, Henriette und Marcus Herz sowie Karl Philipp Moritz, außerdem David Friedländer und Henriette Mendelssohn. „Gewöhnlich wurde Dramatisches gelesen, und ich darf sagen, gut. Mendelssohn war uns ein fleißiger und aufmerksamer Zuhörer“, so Henriette Herz in ihren Erinnerungen (Herz, S. 48). Es scheint dieselbe Lesegesellschaft zu sein, die Klischnig in der Lebensgeschichte von Karl Philipp Moritz erwähnt: „Des Sonntags Nachmittag versammelte man sich bei ihm [Moses Mendelssohn] zu einer Lesegesellschaft, in welcher die besten Werke der schönen deutschen Litteratur: Musarion, Emilia Galotti, Nathan der Weise u. a. vorgelesen wurden. / Nathan der Weise war eins von Mendelsohns Lieblings581

8 Lesegesellschaften

werken. Er erinnerte sich dabei seines vor  Feßlerschen Mittwochsgesellschaft wieder. – ihm heimgegangenen Freundes, und las oft Personelle Verknüpfungen gibt es ebenfalls selbst die Rolle des Nathan, der wohl nicht mit dem  Tugendbund um Henriette Herz. edler und wahrer dargestellt werden konnte, als von ihm. Reiser [K. Ph. Moritz] las Bibliographie: [Herz, Henriette]: Henriette dann den Tempelherrn oder Sultan Saladin“ Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnis(Klischnig, S. 83). – Kurze Zeit nach der BLg sen. Hg. v. Rainer Schmitz. Leipzig, Weimar bildete sich ein sogenanntes Teekränzchen, 1984, S. 48 f. – Hümpel, Heinrich G.: Entste„in welchem jedoch ebenfalls öfter gelesen hung des Vereinswesens in Berlin. Phil. Diss. wurde und an welchem unter anderen [ne- FU Berlin 1970, S. 168 f. – Klischnig, Karl ben Henriette Herz] G. v. Brinckmann, Graf Friedrich: Erinnerungen aus den zehn letzChristian Bernstorff, Ancillon, Gentz und ten Lebensjahren meines Freundes Anton Leuchsenring teilnahmen, welches jedoch Reiser. Als ein Beitrag zur Lebensgeschichauch von solchen Freunden, die sich in Ber- te des Herrn Hofrath Moritz. (= Anton Reilin damals nur zeitweise aufhielten, wie zum ser: Ein psychologischer Roman. Hg. von Beispiel von Dohm und Karl La Roche, bei Karl Philipp Moritz, Theil 5). Berlin 1794. ihrer Anwesenheit hier stets besucht wurde“ – Nicolai, Friedrich: Beschreibung der Kö(Herz, S. 50). – Ende 1796 findet man mehre- niglichen Residenzstädte Berlin und Potsdam re Teilnehmer dieser Lesegesellschaften in der […]. 2. Bd., Berlin 1786.

Uta Motschmann

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9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

Patriotische bzw. nationale Vereinigungen entstanden vor einem spezifischen geschichtlichen Hintergrund. Generell gesehen waren Bestrebungen zu einem Vereinswesen einerseits geselliger Selbstzweck, andererseits zielten sie auf sozio-kulturellen Einfluss: auf die Verbreitung von Wissenschaft, von Bildung, von kultureller Erziehung, von Kunstgeschmack und dergleichen mehr. Die im folgenden Teil umrissenen Vereine waren vornehmlich patriotisch-national und damit der Tendenz nach politisch konturiert. Patriotische Gesellschaften gab es zwar schon in den Aufklärungsjahrzehnten. Sie beförderten – im Sinn von Territorialpatriotismen – das sozio-kulturelle und ökonomische Gedeihen der jeweiligen politischen Verwaltungseinheit: von Freien Städten, Fürstentümern, Herzogtümern usw. Nationale Vereinigungen waren hingegen neu. Sie knüpften an einen Ideenvorlauf an, der seit einiger Zeit in der Forschung als ‚Nationalismus vor dem Nationalismus‘ bezeichnet wird. Seine Ursprünge sind in Deutschland in Renaissance und Humanismus zu verorten, in der Aufklärung wurde er beachtlich ausgeformt. Nation und ‚Volk‘ galten als Träger von Kultur und als das Medium einer utopisch angestrebten Menschheitsvereinigung. Diese Ideologie oder Weltanschauung reagierte auf zwei Phänomene: den wachsenden Zerfall der ständischen Gesellschaft und die damit verbundenen Desintegrationstendenzen einerseits, und auf das Aufkommen einer neuen ‚bürgerlichen‘ Gesellschaft andererseits, die ebenfalls desintegrierte, statt zu integrieren. Nationalismen – im 18. Jahrhundert allerdings zumeist noch als partikulare ‚Territorialnationalismen‘ und somit als ‚Patriotismen‘ – boten, vereinfacht gesagt, den mentalen Einigungspunkt, der in der Realität immer hinfälliger wurde. Drei Vektoren führten also zur Bildung dezidiert patriotischer bzw. nationaler Vereinigungen nach 1806 in Preußen bzw. in Berlin: erstens aufklärerische Patriotismen und Proto- bzw. Früh-Nationalismen, zweitens das sich seit Aufklärungszeiten intensivierende Vereinigungs- und Geheimbundwesen und drittens die politische Krise des preußischen Staats, die mit den verlorenen Schlachten von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 vollends offenbar wurde. Nach dieser Niederlage und dem Frieden zu Tilsit vom 9. Juli 1807 war der Staat de facto französisch besetzt, hatte Gebietsverluste hinnehmen müssen und war zu Tributzahlungen verpflichtet. Und es gab keine Aussicht auf eine Änderung der Lage. Andere deutsche Staaten waren unter Druck oder freiwillig Bündnisse mit Napoleon eingegangen; vereinzelte Insurrektionen waren im Sande verlaufen; Österreichs militärischer Widerstand war niedergeschlagen worden, und mit dem Frieden von Schönbrunn 583

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

(14. Oktober 1809) waren nunmehr die letzten Möglichkeiten auf eine Gegenwehr gegen Napoleon beseitigt. Diese Krise eröffnete aber auch Chancen. Es kam ab 1808 in Preußen zu einer Reihe von inneren Umgestaltungen, den sogenannten Reformen. In dieser Lage radikalisierten sich Befreiungsträume. Denn in bestimmten Kreisen ‚nationalisierte‘ sich der Widerstand gegen die Okkupation. Er zielte nicht nur auf innere Reformen und eine militärische Befreiung Preußens, sondern auf eine gesamtdeutsche Umwälzung. Das umfasste nicht nur taktisch die Befreiung vom napoleonischen ‚Joch‘, sondern strategisch eine grundsätzlich neue Ausrichtung Deutschlands als Nationalstaat: als vereinigtes Deutschland unter Preußens Führung. Diese ‚national‘ gesinnten Kreisen waren eben nicht nur ‚patriotisch‘ ausgerichtet und arbeiteten nicht nur an der Stabilisierung oder Wiederherstellung der jeweiligen territorial-politischen Herrschaftsorganisation. Sie dachten und handelten ‚gesamtdeutsch‘. Damit waren zwei Neuerungen verbunden: Erstens setzte diese Nationalidee auf ein grundsätzlich anderes Subjekt als die ‚elitären‘ adligen und bildungsbürgerlichen intellektuellen Reformer: nämlich auf das sogenannte Volk, und zweitens institutionalisierte und organisierte sie sich per Bund. Zwei voneinander getrennte Aufklärungsströme wurden dadurch einerseits transformiert, andererseits innovativ verknüpft: ideengeschichtlich Proto- bzw. Frühnationalismen und institutionell die Geheimbundpraxis. Die im Folgenden skizzierten Vereinigungen waren allerdings nicht reine Geheimbünde. Sie waren in einem Spektrum angesiedelt, das von staatlich-offizieller Genehmigung über einen Duldungsstatus bis hin zu ausgesprochenen geheimen Vereinigungen reichte. Einige dieser Verbindungen hatten einen stark erzieherischen Impetus und rekrutierten vorwiegend Knaben und junge Männer, die sich noch in der Ausbildung befanden. Die Mitglieder der  Fechtbodengesellschaft kamen aus Schulen und von der Universität; die Turner waren – zumindest in den Anfangsjahren – fast ausschließlich Gymnasiasten, Studenten sowie junge Handwerksburschen oder Kaufmannssöhne, denen engagierte und patriotisch-gesinnte Lehrer wie Friesen und Jahn vorstanden. Wie bereits der  Tugendbund strebte auch die  Turngesellschaft eine gesamtdeutsche Breitenwirkung durch Bildung von Ortsgruppen an, desgleichen der  deutsche Bund. Eine Analyse der patriotisch-nationalen Gruppierungen schließt eine kritische Sicht auf bisherige Forschungsergebnisse stets ein. Denn ebenso wie der Luise-Mythos, der Schill-Mythos oder der Erhebungs- bzw. Volkserhebungs-Mythos waren Mythen beispielsweise über den Tugendbund oder den deutschen Bund Bestandteil einer ideologisch motivierten Preußenlegende, und sie sind als solche zu markieren und auf ihre jeweiligen ideologischen Funktionalisierungen hin quellenkritisch zu befragen. Die bisherigen Forschungen – die für das Wissen um diese Vereine viel geleistet haben – erfolgten nicht selten aufgrund spezifisch ideologischer Interessen. Die nationalistischen Wellen des 19. und 20. Jahrhunderts brachten erklärlicherweise die betreffenden Forschungen voran. Die marxistische Geschichtswissenschaft der DDR knüpfte auf bestimmte Weise daran an; in der Ära des ‚Kalten Krieges‘ wurden patriotische Ideale eines ebenso straff organisierten wie erfolgreichen Volks- und Partisanenkriegs gegen die napoleonische Beset584

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

Abb. 116  Ludwig Burger: Fichte, Schleiermacher, Jahn, Arndt, Holzstich 1864.

zung sowie die eines seit den Befreiungskriegen bewährten russisch-deutschen Militärbündnisses verfochten. Darüber hinaus wirkte bis in die sechziger Jahre hinein das Diktum, die durch das ‚Volk‘ sozialistisch gewollte Einheit Deutschlands wäre durch westdeutsche Eliten aus Kapital und Politik ‚verraten‘ worden. Diese Forschungen waren verdienstvoll. Aber mitunter folgten sie der Tendenz, mehr oder weniger deutliche Differenzen der ,patriotischen‘, ‚nationalen‘ und ‚politischen‘ Entwürfe zu übergehen und sie stattdessen zu vereinheitlichen. Ebenso führten sie, aus ihrem jeweiligen Erkenntnisinteresse heraus, fast durchgehend dazu, die Wirksamkeit der betreffenden Vereinigungen und die Macht ihrer Verfolgung hagiographisch zu überhöhen. Die hier abgedruckte Illustration steht für diese Tendenz: Sie bringt propagandahaft Personen und Positionen zusammen, die sich in einem konfliktreichen Mit- und Gegeneinander befanden. Die nachstehenden Beiträge versuchen, sich einer solchen Sicht zu entziehen. Olaf Briese / Uta Motschmann

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Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund) [Tb] Name: Gesellschaft zur Uebung öffentlicher Tugenden oder der sittlich wissenschaftliche Verein; (anfangs offenbar geplant als sog. Deutscher Bund, nachweislich geplant als Tugendbund, dann als Tugend-Verein, umgangssprachlich aber eingebürgert als Tugendbund). – Nicht zu verwechseln mit dem  Tugendbund, der, mit Henriette Herz als Zentralfigur, in Berlin zwischen 1787 und 1790 bestand. Gründung: März/April 1808; Statut: 13. Juni 1808; königliche Bestätigung des Statuts: 30. Juni 1808. Auflösung: Königliches Verbot am 31. Dezember 1809. Sitz: Königsberg (sowie sog. Kammern in ca. 25 anderen preußischen Orten; in Berlin hatten die wenigen Mitglieder kein eigenes Lokal). Programmzitat: „Die Mitglieder arbeiten mündlich oder schriftlich und durch alle Mittel ihrer Macht darauf hin, daß Vaterlandsliebe, deutsche Selbheit, Geradsinn, Liebe zu den natürlichen Verhältnissen der Familie, Anhänglichkeit an den Monarchen und die Verfassung, Achtung gegen Gesetz und Obere – daß Religiosität, Liebe zur Wissenschaft, Humanität und Brüderlichkeit, Muth und Hoffnung, Freimüthigkeit und körperliche Festigkeit – daß der Haß gegen den Luxus, dieses Gift der Treue, der Natürlichkeit und offenen Schlichtheit, und diesen Pfleger von Falschheit, Selbsucht und gekünstelten Sitten, der Haß gegen Schmeichelei, Kriecherei, Verweichlichung und Menschenscheu – wachse, und daß ein Jeder den Menschen an allen Orten aufsuche, um ihn zu diesem Zwecke zu führen“ (Endfassung Statut 1808, Grundartikel, § 20). Geschichte und Programmatik: 1) Einführung und Forschungsstand: Der Tb wurde in Königsberg gegründet. Der oben genannte offizielle Name war mit dem Druck der ersten Statuten Ende Juli 1808 festgelegt worden. 586

Schon den Zeitgenossen – und auch so manchem Mitglied – war trotz vorliegender Statuten nicht eindeutig klar, worum es sich eigentlich handle. Der Name des Bunds gab nur wenig Aufschluss. Denn der Begriff Tugend hatte sich mittlerweile von einem aufklärerischen und freimaurerischen Kampfbegriff, der sich gegen die vermeintliche Adelsverderbtheit gerichtet hatte, zu einem Allerweltstopos gewandelt, der nur noch geringe Spuren der einstigen Adelskritik an sich trug. Der Tb war ausschließlich Männern zugänglich (aber nicht Juden), und seine Mitgliedschaft setzte sich aus bürgerlichem Mittelstand, Verwaltungsbeamten, Intellektuellen, Kirchenmännern, Adligen und Militärs zusammen. Bereits die drei Autoren der Statuten (Heinrich Karl Ludwig Bardeleben, Hans Friedrich Gottlieb Lehmann und Georg Friedrich Baersch) verfolgten drei divergierende Absichten: geheimbündlerischfreimaurerische, aufklärerisch-pädagogische sowie politisch-militärische. Insgesamt könnte man mindestens acht verschiedene Profile dieses Bunds herausstellen: Erstens freimaurerischer Bund und Geheimbund (also rituellfreimaurerisch angelehnte Bewegung, die nunmehr Energie daraus zog, vorgeblich praktisch-politische Angelegenheiten zu befördern), zweitens pädagogische Institution zur Aufklärung und Volksbildung, drittens politische Reformbewegung zur Konsolidierung der Adelsherrschaft, viertens politisch-liberale, dem Bürgertum zugewandte reformerische Bewegung, fünftens ‚patriotischer‘ für die Wiedererstarkung Preußens bzw. ‚nationaler‘ für die Einheit Deutschlands kämpfender Ertüchtigungsbund, sechstens unter dem offiziellen Reglement getarnter und von daher im Geheimen wirken wollender anti-napoleonischer Widerstands-, Sabotage- und Aufstandsbund, siebentens philanthrophischer Verein zur Linderung sozialer Not, achtens Karrierenetzwerk jüngerer Akteure, die am Älteren und an den Positionen Älterer rüttelten.

Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund) [Tb]

Nicht selten erfolgt in der Forschung die Re- tenberichte; diese wurden polizeilich oder geduktion auf einen oder auf einzelne dieser As- heimdienstlich abgefangen; die daraus folgenpekte, insbesondere die tendenzielle Einen- den Aktenvermerke transformierten Fiktiogung auf einen politisch-militärischen Wider- nen endgültig in Fakten; in Salons und von standsbund. Das erweist sich als höchst prob- Journalisten und Redakteuren wurden sie lematisch. Erschwert wird die Forschungslage skandalheischend verbreitet. So veröffentlichdadurch, dass bestimmte Überschneidungen te das Politische Journal nebst Anzeigen von gemit damaligen formellen und nicht formali- lehrten und andern Sachen im Juli 1809, nach sierten politisch-militärischen Widerstands- dem v. Schillschen Auszug aus Berlin, ein bünden (die es bei Einzelpersonen zweifellos Schreiben aus dem Brandenburgischen mit gegeben hat), nach wie vor unangemessen sti- der Nachricht, v. Schill sei Mitglied eines inslisiert werden. Das hat zur Folge, dass im geheim gegründeten Tugendvereins gewesen Rahmen von undifferenzierten Forschungs- und hätte mit dessen Unterstützung seine Akmythen wie „Widerstand gegen die französi- tion vorbereitet. Aber: „Der Tugendverein ist sche bzw. napoleonische Besetzung“ und aufgelöset, sobald man von der Existenz und „politisch-liberale Reformbewegung“ nach dem Wesen desselben Kenntniß erhalten hat“ Differenzen zwischen einzelnen Reformbe- (Politisches Journal, S. 654). Mit solchen und wegungen und nach institutionellen Spezifika anderen gleich in mehrfacher Hinsicht falgar nicht erst gesucht wird und viele antifran- schen Abenteuergeschichten wurde nicht nur zösische und reformerische Aktivitäten in das Wirken dieses konkreten Bunds überhöht, Preußen bzw. Berlin ungeprüft dem direkten sondern ein gänzlich neues Phantom geschafWirken dieses Bunds zugeschrieben werden. fen: das eines im Geheimen wirkenden allWeil die Forschungsliteratur den Tb somit mächtigen Tugendbunds, zumeist mit der nicht selten politisch oder militärisch über- Version, Freiherr v. Stein stünde an der Spitze. höht (und symbolträchtig bekannte Persön- Eine Allianz aus Denunziationen, diplomatilichkeiten beständig mit diesem Bund in Ver- schen Stimmungsberichten, Polizei- und Gebindung zu bringen sucht, um so den Bund heimdiensteifer, Salongerüchten und bezahleinerseits und zweitens diese Personen aufzu- ter bzw. sensationshungriger Presse schuf sowerten), muss ein Anknüpfen an den For- mit eine Chimäre, ein grandioses Fake. Selbst schungsstand immer auch mit Forschungsana- im Druck überlieferte Statuten wären textkrilyse und Kritik verbunden sein. Und die ana- tisch zu prüfen. Denn schon beim Erstdruck loge Herausforderung stellt sich für den Um- gab es durch einzelne Mitglieder mit dem gang mit den Originalquellen. Auch sie (also Verein offiziell nicht abgestimmte Eingriffe, Konfidentenberichte von französischer oder um ihn in eine bestimmte Richtung zu lenösterreichischer Seite; tendenziös-wichtigtue- ken (in diesem Fall in eine freimaurerische). rische diplomatische Geheimberichte; De- Auch kann die Analyse des Forschungsstands nunziationen; öffentliche und nichtöffentli- die der Forschungsgeschichte – die mittlerche Denk- sowie Schmähschriften; Verneh- weile selbst Teil der Quellenbasis ist – nicht mungsprotokolle aus der Zeit der Demago- außer Acht lassen. Denn unter wechselnden genverfolgung; Brief- und Memorialquellen politisch-ideologischen Vorzeichen kam es zu usw.) zeichnen weder ein einheitliches, noch höchst differenten Bildern des Tb, und wich„wahres“ Bild des Tb, und auch sie wären in tige Stationen müssen hier zumindest erwähnt jedem Fall stets kritisch zu bewerten und ein- werden: Diffamierungen im Rahmen des zuordnen. Denn nicht selten betrieben sie ein „Tugendbundstreits“ 1815/16 und der Demaperformatives looping. Aus gewollten Denun- gogenverfolgung nach 1819; allmähliche Aufziationen schöpften aufbauschende Diploma- wertung nach 1848; Glorifizierung im 587

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Rahmen nationalistischer Wellen ab 1871, 1914 und 1933. Solche ehemaligen Nationalismen und Ideologismen sind nach wie vor unhinterfragt der Forschung eingeschrieben. Statt diese Legende mit immer neuen vorgeblichen Details auszuschmücken – so in einer Dissertation über Justus Gruner, in der unter Berufung auf dubiose englische ‚Forschungsliteratur‘ behauptet wird, der englische Geheimgesandte Benjamin Bathurst sei von Mitgliedern des Tb am 25. November 1809 „hingerichtet“ worden (Kriegl, S. 85) – bestünde die Forschungsaufgabe aber gerade in der Destruktion solcher Legenden. Für den Ort Berlin, und um den geht es hier, stellen sich vor allem fünf Forschungsfragen: Wie ist es schon in der damaligen Ist-Zeit zur noch heute irreführenden semantischen Doppelung gekommen: konkreter, von Königsberg ausgehender und in Berlin wohl nie mehr gleichzeitig fünf Mitglieder verzeichnende Tb einerseits, andererseits sagenumwobener Geheimbund, ggf. mit v. Stein an der Spitze? Wie lassen sich in Berlin Vereinigungen wie Tb, lesende und schießende Gesellschaft, Charlottenburger Verein und andere Bünde präzise unterscheiden? Waren das überhaupt in jedem Fall Bünde oder nicht gesellige Zirkel? Wie konnte das im 19. Jahrhundert fabrizierte Phantom eines Berliner militärischen „Comités“ mittlerweile in den Status einer unumstößlichen Forschungsgewissheit rücken? Haben die Legenden Bestand, die für die Jahre 1811/12 ein direktes Fortwirken des Tb im Rahmen des deutschlandweiten Propaganda- und Spionagenetzwerks Gruners postulieren? – 2) Material­ basis: Zu den verbürgten Tatsachen: Vorerst ist davon auszugehen, dass mit diesem de facto am 13. Juni 1808 in Königsberg gegründeten Verein (gesamtpreußisch schließlich wirksam mit ca. 750 Mitglieder in ca. 25 Ortskammern) ein höchst heterogener Bund mit sehr heterogenen Zielen entstanden war. Noch dazu unterlag dieser Verein im ganzen sowie mit seinen einzelnen Ortsgruppen gewissen zeitlichen Wandlungen und Veränderungen. 588

Die nach wie vor gründlichsten und zuverlässigsten Nachrichten dazu bieten frühe methodisch-historistische Arbeiten, die sich nachweislich auf Informationen aus erster Hand stützen (und die, allenfalls mit ihrem Hintergrund Königsberg, aus einem gewissen Lokalpatriotismus heraus, die Bedeutung des Bunds überschätzen). Voigt (1850) wertet die Vereins- und Hofarchivalien aus und belegt die aufklärerisch-pädagogische Dimension des Bunds; Baersch (1852) bestätigt diesen Erkenntnisstand weitgehend und nimmt aufgrund seiner einstigen Beteiligung an den Vereinsaktivitäten einige Ergänzungen vor; Lehmann (1867) veröffentlicht – und kommentiert ausführlich – die einst erstellte Dokumentationsschrift seines Vaters, des wohl wichtigsten Gründungsmitglieds des Vereins, er veröffentlicht darüber hinaus wichtige Vereinsdokumente einschließlich der offiziellen Satzung und weist die schon damals in Mode kommenden politisch-militärischen Spekulationen bezüglich des Bunds gezielt zurück (allerdings finden sich bei ihm schon gewisse hagiographische Tendenzen, was die vermeintliche königliche Wertschätzung und die vermeintliche Rolle Napoleons beim Verbot betrifft). Und Stettiner (1904) belegt drei wesentliche Sachverhalte: erstens die ursprüngliche Verwurzelung in Königsberger Freimaurerkreisen, zweitens – gestützt auf inzwischen erschienene Memorialliteratur und auf Archivmaterial – die abwartenden bis ablehnenden Reaktionen des Hofs und der sogenannten preußischen Reformer (so waren v. Stein, v. Scharnhorst, v. Gneisenau, v. Hardenberg, Blücher, Fichte, Schleiermacher, v. Humboldt usw. nie Mitglieder des Tb gewesen), und drittens die nachhaltige Legendenbildung um den Tb, die schon zur Zeit seines Bestehens begann, sich im „Tugendbundstreit“ 1815/16 steigerte und sich in den Demagogenverfolgungen ab 1819 fortsetzte. Diese dubiose Legendenbildung hatte schon Fournier (1885) mit Blick auf sich überschlagende französische und österreichische Geheimberichte quellen-

Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund) [Tb]

kritisch nachgezeichnet. Die Informationen dieser vier Basispublikationen werden durch heutzutage überlieferte Archivmaterialien des GStA PK weitgehend bestätigt. Diese Materialien zeigen aber auch, dass es zeitgleich in Berlin mit den lose gruppierten  Reimerschen Kreisen (1808/09) einen politisch viel radikaleren Zirkel gab, dem für Berlin viele Aktivitäten zugeschrieben wurden und zugeschrieben werden können, die fälschlicherweise bislang dem Tb beigelegt wurden. Völlig unaufgearbeitet sind nach wie vor die offenbar teilweise dezentralen politisch-militärischen Netzwerke unter der Leitung des Freiherrn v. Stein, v. Scharnhorsts und anderer, die beabsichtigten, vor allem mit englischer Finanzhilfe in Norddeutschland anti­ französische Sabotage und Widerstand zu organisieren. Bestimmte Aktivitäten dieser Netzwerke werden heute teilweise ebenfalls ungeprüft dem Tb und seinem Umfeld beigelegt. Das betrifft u. a. v. Kattes Zug auf Stendal (2. April 1809), die v. Dörnbergsche Erhebung im Raum Kassel (22./23. April 1809) und auch die v. Schillsche Rebellion (ab 28. April 1809). Möglicherweise war sogar schon damals der Punkt erreicht, an dem sich die faktische Kraft des Fiktiven zeigte und Rückkoppelungen zwischen Mythos und Realität eintraten. Es ist durchaus möglich, dass potentielle Kombattanten mit dem Verweis auf einen allmächtigen Tb gezielt beeinflusst und motiviert werden sollten. Vielleicht glaubten bestimmte Führungspersönlichkeiten sogar ab irgendwann selbst an die Mär dieses Geheimbunds und daran, mit seinem Rückhalt zu handeln. – 3) Vereinsgeschichte: Was den mehrwöchigen Prozess der Gründung und die anschließenden mehrwöchigen Prozesse der Statutenausarbeitung betrifft, so können hier aus Raumgründen nicht alle Wirren und Konflikte detailliert nachgezeichnet werden (vgl. Voigt, Baersch, Lehmann, Stettiner). Vereinfacht gesagt: Im März/April 1808 wollte sich in Königsberg aus freimaurerischen Bünden heraus ein deutlich politisch orien-

tierter Deutscher Bund formieren. Diese Idee wurde als zu politisch und unter den Zeitbedingungen als nicht realisierbar eingeschätzt, deshalb wuchs der Plan zu einem Tugendbund oder Tugendverein. Dessen Gründungsvertreter waren fast durchgehend freimaurerisch tätig gewesen. Vor und nach der offiziellen Statutenbestätigung durch den König (30. Juni 1808) kam es zu nicht unerheblichen Konflikten um diese umfangreiche und komplexe Satzung. Einerseits war das vereinsintern bedingt (weil eigentliche beschlossene Satzungsänderungen durch Intrigen offenbar nicht in jedem Fall in die jeweiligen Neufassungen eingingen, so dass satzungsmäßig Tendenzen zu einem freimaurerischen Geheimbund mit Geheimzeichen letztlich nicht grundsätzlich ausgeschlossen wurden). Andererseits waren diese Konflikte vereinsextern bedingt, weil durch die Hinhaltetaktik der Behörden bzw. des Königs die ursprünglich anerkannten Statuten, nachdem sie Ende Juli 1808 im Druck erschienen waren, von Hof- bzw. Regierungsseite offiziell plötzlich für revisionsbedürftig erklärt wurden. De facto arbeitete der Verein also nur noch unter Duldung, nicht aber mit offizieller Erlaubnis. Schon zu dieser Zeit kursierten Gerüchte, er würde verboten werden. Letztlich fand auch die überarbeitete und am 28. Januar 1809 eingereichte Zweitfassung der Statuten – die nunmehr Tendenzen eines Geheimbunds oder einer politischen Vereinigung ausdrücklich zurückwies – keine Genehmigung. Der Verein wurde nach einer elfmonatigen Hinhaltephase am 31. Dezember 1809 mit königlicher Kabinettsordre verboten. Schon zuvor, im Spätfrühjahr und Sommer 1809 (nach den gescheiterten Widerstandsaktionen v. Schills und anderer Kombattanten), hatte es einen gewissen Mitgliederschwund gegeben. Vorauseilend gehorsame Mitglieder verließen schnell das sinkende Schiff. Überhaupt hatte es schon zuvor massive Vorwürfe gegeben, es handle sich letztlich um einen politisch-militärischen Geheimbund, und Hof- und Regierungskreise (so 589

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v. Dohna in einem Schreiben an den Tb vom 4. Januar 1809) hatte schon viel früher verklausuliert gedroht, dass ohne die Genehmigung der noch ausstehenden Zweitfassung der Statuten der Verein ohnehin als illegaler Geheimbund anzusehen sei. Wenige Tage nach dem erwähnten Auszug v. Schills aus Berlin – nämlich am 11. Mai 1809 – beeilte sich dann das einstige Gründungsmitglied (und einstiger Emissär für die Rekrutierung von Mitgliedern in Berlin) Bardeleben, in einer geheimen Eingabe an v. Hardenberg, die komplette Auflösung des Vereins zu fordern und dabei seine kompetente Hilfe anzubieten (Stettiner, S. 48 f.). Zusammengefasst: In den Ruf einer Geheimgesellschaft – auch die bisher jüngste Publikation zum Tb reiht ihn, ohne das begründen zu können, in eine Tradition von Geheimbünden ein (vgl. Hermand) – war die Vereinigung auf mindestens fünffache Weise geraten: Erstens waren die ab Ende Juli 1808 für Mitglieder und potentielle Mitglieder im Privatdruck vorliegenden Statuten nie öffentlich gedruckt zugänglich. Als die Gerüchte um den Verein und der Druck auf ihn wuchs, konnten sie nicht mehr veröffentlicht werden, denn bald nach der Drucklegung waren sie ja behördlicherseits suspendiert worden (28. September 1808). Zweitens hatten, wie Lehmann ausführlich dokumentiert, nicht wenige Mitglieder, die freimaurerisch sozialisiert waren, deutliches Interesse an bestimmten Geheimritualen, geheimen Erkennungszeichen usw. Das betraf nicht nur die unmittelbare Gründungsphase, sondern geschah auch späterhin, und es wurde versucht, die Satzung dahingehend zu beeinflussen. Eine Vorform der Satzungen (die dann allerdings so nicht verabschiedet wurde) sah u. a. vor, dass die eigentliche Satzung – mit der ja neue Mitglieder geworben werden sollten! – diesen gar nicht komplett einsehbar war („Ehe deshalb nicht Zehn Mitglieder würklich beisammen sind, kann einem Stifter Abschrift der Gesetze nicht ertheilt werden“, Vorform der Satzungen, ca. Juli 1808, S. 129 f.). Die offizielle Erstfassung 590

(Ende Juli 1808) wies noch Elemente dieser Geheimhaltungsstrategie auf, sogar noch die von den Behörden ausbedungene revidierte Fassung vom 28. Januar 1809. Drittens galt der Verein den preußischen Behörden spätestens seit August 1808, als die im Privatdruck erschienenen Statuten beanstandet wurden, de jure – allerdings in verklausulierter Formulierung – als illegaler Geheimbund, weil er eben unter einer Satzung arbeite, die behördlicherseits letztlich nicht anerkannt worden sei. Viertens wurde per Gerücht schon in den Jahren 1808/09 immer wieder gemutmaßt, dass der Verein als ganzer in politisch-militärische Geheimaktivitäten verwickelt sei. Solche Gerüchte wurden, wie Stettiner dokumentieren konnte, gezielt von Gegnern v. Steins bereits seit 1808 lanciert. Später speisten sie sich aber beispielsweise auch aus dem Umstand, dass eines der Gründungsmitglieder – der schon erwähnte Baersch – am 28. April 1809 als Adjutant v. Schills mit in den für illegal erklärten Rebellenkrieg zog. Als Redakteur der Vereinszeitschrift (Der Volksfreund. Eine Wo-

chenschrift zur Erholung. Belehrung und Verbesserung des Zustandes des Volkes für das Volk und für Diejenigen, denen sein Wohl aufrichtig am Herzen liegt; Erstnummer 4. Juni 1808; 31 Nummern im Jahr 1808, lief Anfang des Jahrs 1809 offenbar aus) hatte Baersch militärische Themen im Blatt favorisiert. Auch die Vereinsbestrebungen, militärische Übungsanstalten für die Jugend unter Einbeziehung brotloser Offiziere und Unteroffiziere zu gründen (Vereinsschreiben an v. Stein, 2. Nov. 1808, aber abgelehnt), sprechen dafür, dass es in der Königsberger Vereinigung eine militärisch ausgerichtete Fraktion gab. In den offiziellen Vereinsstatuten 1808 hatte sie bereits unter dem Rubrum „Erziehung“ körperlich-militärische Ertüchtigungsziele verankern können (§§ 17 ff.). In schlesischen Gruppen war diese militärisch orientierte Fraktion wohl am stärksten vertreten, denn in Schlesien hatte sich der Widerstand gegen napoleonische Truppen am längsten gehalten. Erst mit dem

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Frieden zu Tilsit war er offiziell eingestellt worden. Anschließend versuchten der einstige Generalgouverneur Friedrich Wilhelm v. Götzen und der umtriebige Publizist Friedrich v. Cölln auch den Tb für militärische Widerstandszwecke zu instrumentalisieren (erwogener Sturm auf die Festung Glogau). Inwieweit Gruppierungen des Tb tatsächlich in diese Planungen eingeweiht waren und wie sie zu solchen Plänen standen, ist nach wie vor nicht erforscht. Fünftens erfolgte das königliche Verbot vom 31. Dezember 1809 nur insgeheim. Ohne Aufheben zu machen und ohne Lob oder Tadel walten zu lassen, sei der Bund stillschweigend aufzuheben und seine Unterlagen einzuziehen. Mystifikationen wurde durch diese Geheimpolitik nur begünstigt. – 4) Zeitgeschichtlicher Kontext: Die Gründung des Vereins ist ohne den Blick auf das zeithistorische Umfeld nicht erklärbar. Preußen war innen- und außenpolitisch in eine gravierende Krise geraten. In dieser Situation beabsichtigte der Tb eine umfassende gesellschaftliche Reorganisation. Auf Basis alter freimaurerischer Ideale einer grundlegenden Umformation von Gesellschaft wurde mit den umfangreichen Statuten ein Regelwerk geschaffen, das auf eine vollständige Unterwanderung der Gesellschaft und den Aufbau einer strikt auf Wählbarkeit beruhenden Gegengesellschaft durch den Verein zielte. Der Tb begriff sich offensiv und militant als Gegengesellschaft. Hätten sich seine Statuten verwirklichen lassen, wären Staat und Kirche überflüssig geworden und allenfalls zu Anhängseln des das ganze Königreich umfassend erneuernden „Vereins“ geschrumpft. Erstens wäre ein Staat im Staate entstanden. Zweitens hätte dieser Sekundärstaat der Satzung zufolge den Primärstaat irgendwann überflüssig werden lassen und ‚geschluckt‘. Das waren Allmachtsphantasien mit aufklärerisch-freimaurerischer Herkunft; in dieser Krisenzeit nach 1806 schien das Erfordernis zu ihrer Verwirklichung gekommen zu sein. Teile Europas und ganz Preußen waren von französischen

Truppen besetzt. Immerhin zeigten sich im Frühjahr und Sommer 1808 erste Niederlagen Napoleons in Spanien; Nachrichten aus Österreich waren verheißungsvoll, und im Frühjahr 1809 erklärte Österreich den Krieg; es kam zum Tiroler Volksaufstand usw. Innenpolitisch wurden (mit dem Ziel einer Effektivierung der Adelsherrschaft durch Berücksichtigung modern-bürgerlicher Entwicklungen und Interessen) in Preußen 1808 eine Reihe von Reformgesetzen erlassen. Darüber hinaus mehrten sich in Deutschland antifranzösische und nationalistische Ressentiments, die mit dem Ideal eines deutschen Nationalstaats verquickt waren. Von daher erklärt sich die latent nationale und politische Dimension des Tb. Es wäre also nicht produktiv, ihn allein als offiziell freimaurerischen oder volkspädagogischen Verein zu begreifen, und die sich auf verschiedene Weise daran gruppierenden Aktivitäten außer Acht zu lassen. Das wirft mehrere, sich z. T. ausschließende oder ergänzende Hypothesen auf: War von verschiedenen Akteuren von vornherein ein Bund mit einem Doppelleben geplant? Ergab sich dieses potentielle Doppelleben erst mehr oder weniger allmählich? Wurde dieses potentielle Doppelleben dem Bund gewissermaßen aufgezwungen von denen, die gar nicht Mitglieder waren, ihn aber dennoch funktionalisieren wollten? Diese inoffizielle Dimension – von der schwer zu rekonstruieren ist, wie und ob es sie überhaupt gab – sollte allerdings, was das Wirken des Tb betrifft, nicht überschätzt werden. Letztlich war er, wie gelegentlich auch Mitglieder an einigen Orten beklagten, hauptsächlich ein Vortrags- und Redeverein. Nach solchen Redezusammenkünften gingen die Sitzungen nicht selten, wie in Königsberg, in einen geselligen Teil über. Konkret bewirken konnten der Königsberger Stammverein und einzelne Ortskammern jedoch durchaus etwas, hauptsächlich auf sozialpolitischem Gebiet. In Königsberg engagierte sich vor allem der Lehrer Ludwig von Baczko in diesem Sinn; eine Armen-Speisungsanstalt und ein 591

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Industrie-Comptoir zum Verkauf weiblicher Heimarbeiten wurden geschaffen. Der sehr regsame Tb in Braunsberg, wo sich der Lehrer Cornelius Burgund stark engagierte, konnte eine Industrieschule für ca. 150 Mädchen etablieren (Spinnen, Stricken, Nähen), die nach dem Verbot des Vereins als Mädchenschule weiterbestand (Dombrowski, S. 39 ff., 50 ff.) Eine vom Stammverein für notleidende Bauern des Ermlands geplante Kreditvergabe in großem Maßstab konnte auf Einspruch des Königs und seiner Ministerien allerdings nicht verwirklicht werden. – Letztlich hat man es beim Tb also mit zwei grundverschiedenen Phänomenen zu tun. Erstens mit einem konkreten und sehr heterogenen Verein, der sich in sich ‚vervielfachte‘ (freimaurerische, volkspädagogische, sozialpolitische, politisch-militärische u. a. Dimensionen). Zweitens hat man es mit einem schon in der Ist-Zeit gezielt produzierten Phantom zu tun. Es wurde eine bewusste semantische Verdoppelung geschaffen: Tb als Verein und Tb als ebenso unsichtbarer wie einflussreicher Geheimbund. Von dieser semantischen Verdoppelung profitierten alle daran aktiv Beteiligten. Die Reformgegner konnten damit v. Stein und seinem Zirkel schaden; die französischen, preußischen und österreichischen Geheimdienste hatten den inneren Feind, dessen sie bedurften; Rebellen und Kombattanten konnten glauben machen, über sagenhaften Rückhalt zu verfügen; der Salonbetrieb schließlich hatte ein aufregendes Thema. Denn auch viele derer, die sich modisch als Patriotinnen und Patrioten gebärdeten, beförderten den Glauben an diesen Bund. Letztlich handelte es sich nicht nur um eine Verdoppelung, sondern sogar um eine Verdreifachung: Konkreter Verein, alsbald ausgestreute Gerüchte über einen geheimen Verschwörerbund, darauf rekurrierende Gerüchte über einen heldenhaften Befreiungsbund. Nicht wenige Bürgerliche und Adlige schwärmten für diesen. Das geschah – Attraktivität des Arkanen – auf Basis eines uneingestandenen Stillhaltepakts: Je mehr man es mit 592

einem imaginiert-geheimen Bund zu tun hatte, desto weniger hatte das folgenreich zu sein, desto weniger musste und konnte man für ihn tun. – 5) Verbot des Tb: Der Tb war in einer Krisenphase entstanden, der eines grundsätzlichen – und nicht nur militärischen – Zusammenbruchs des preußischen Staats. Das allmähliche Herauskristallisieren verschiedener politischer Fronten ließ den Tb mit seinen heterogenen Zielen dann aber schnell zwischen all diese Fronten geraten, und keine der maßgeblichen politischen Gruppierungen setzte sich rückhaltlos für ihn ein. Im Gegenteil. Den per Statut intendierten Aufbau einer Gegengesellschaft von unten herauf (und zwar unter Ausschluss herkömmlicher Institutionen von Staat und Kirche) begriffen sowohl die bewahrenden als auch die reformorientierten Kräfte als Affront. Mit Recht. Die Adelseliten trugen den Machtkampf unter sich aus. Und plötzlich sich zu Wort meldende neue Akteure aus dem Bürgertum wie die drei maßgeblichen Gründungsfiguren des Tb (Bardeleben, illegitimer Adelssprössling und Assessor; Lehmann, ein Gymnasiallehrer; Baersch, ein niederer Offizier) störten nur diese Machtkämpfe. Das heißt, auch die Reformer begriffen diesen Bund letztlich als potentiellen Störfaktor und als Risiko. Man könne diesen Bund unter bestimmten Bedingungen ggf. als Werkzeug gebrauchen, hob v. Stein mehrfach hervor. Und damit war sein Status charakterisiert. Der bürgerlich fokussierte Tb war empor gesprossen in einer gesamtgesellschaftlichen Krisenphase. Nur von daher war ihm überhaupt die Chance einer Entfaltung zugekommen. Die alten und neuen Adelseliten beobachteten anfangs seine Potenzen, und die Reformer wollten ihn teilweise sogar funktionalisieren. Als sich zeigte, wie wenig diese Gegenöffentlichkeit sich entfaltete, wie gering dieser Verein expandierte, wie wenig er wirklich bedeutsam wurde, wie gering seine Macht war, ließen die Reformer von ihm ab. Dieser Wandel ist an der Haltung v. Steins erkennbar. Sie war abwartend, dann skeptisch und schließlich

Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund) [Tb]

sogar ablehnend. Gegenüber potentiellen bri- Verbot, sondern die Erlaubnis bzw. Duldung. tischen und österreichischen Bündnispartnern Denn einerseits war der Tb mit seinem Ideal hatte er zwar anfangs die Bedeutung des Tb einer auf Bildung beruhenden Gegenöffentüberhöht, aber das erfolgte mit dem Ziel, ih- lichkeit darauf angelegt, Staat und Kirche nen gegenüber eine möglichst eindrucksvolle gänzlich in die Vereinsstrukturen zu überzuWiderstandskulisse zu zeichnen (vgl. Johnston, führen, darin aufgehen zu lassen und im S. 65, 68). Ansonsten blieb er zurückhaltend. Grunde überflüssig zu machen. Andererseits Einerseits musste er als institutioneller Arm bestand die Gefahr einer unkontrollierbaren des Königs und des Hofs vor dem Hinter- Politisierung. Aber dieses Verbot traf einen grund der Besetzung Preußens allzu offen- Verein, der sich – nicht zuletzt durch die lange sichtliche politische Bestrebungen zügeln. Hinhaltetaktik – teilweise bereits in Zerfall Andererseits befürchtete er tatsächlich vor- befand. Manche Ortsgruppen waren sehr schnelle und unüberlegte Handlungen einiger rege, manche hatten sich mittlerweile offiziell Akteure des Tb, die seinen eigenen strategi- aufgelöst oder waren schlichtweg eingeschlaschen Plänen zuwider liefen. Am Ende er- fen, manche hatten sich in unverbindliche kannte er die Wirkungslosigkeit des Vereins Geselligkeitsvereine umgewandelt. (nach seiner Amtsentlassung äußerte er sich 1809 aber freundlicher und erwog, ob auch Tugendbund in Berlin: Zum Tb in Berlin gab dieser Verein für seine Zwecke nicht als es bisher gravierende Erkenntnisdefizite. Diese „Werkzeug“ nutzbar gemacht werden könnte). haben ihren Grund auch darin, dass die AuDie Gegenreformer hingegen sahen, wie we- toren der heute gültigen Basispublikationen nig Widerstand von diesem Bund zu erwarten (Voigt, Lehmann, Baersch, Stettiner) sämtwar. Und sobald sich das abzeichnete, be- lich aus Königsberg stammen, und bei aller kämpften sie ihn konzertiert. Mit gezielt er- zu würdigenden historistischen Qualität ihfundenen Beschuldigungen schlugen sie den rer Arbeiten vor allem mit dem Blick auf KöSack und meinten den Esel. Der Verein war nigsberg schrieben. Man kann dabei durchaus eine Marginalie. Alle Anfeindungen und De- von einer Retourkutsche sprechen: Die äununziationen, die sich schon ab 1808 gegen ßerst reservierte Aufnahme, die der Tb einst ihn richteten, hatten ihn nur nominell im Fo- in Berlin gefunden hatte, spiegelt sich in den kus. Dieser Verein taugte allenfalls als Vehikel, sehr reservierten Mitteilungen dieser Autoum die Reformer um v. Stein – wie inzwi- ren zu Berlin. Einzig Förster (1868) hat sich schen gut dokumentiert ist – immer wieder mit dem Tb in Berlin auseinandergesetzt. Er anzugreifen. So wurde der Tb zum Bauern- kommt zu einem ernüchternden Fazit. Der opfer, dass die Reformer auch ohne Bedauern Berliner Tb hätte aus lediglich drei Mitglielieferten. Wenige Tage nach der Rückkehr dern bestanden (Schmalz, Jochmus, v. Ahledes Königs nach Berlin (Einzug am 23. De- feldt). Diese Angaben können nunmehr präzember 1809) wurde die de facto nur gedul- zisiert werden, denn aufgrund der Sequestiedete Vereinstätigkeit am 31. Dezember per rung offizieller und privater Unterlagen des Kabinettsordre verboten und seine Akten ein- Tb direkt nach dem Verbot sind diese im GStA gezogen. Dass dieses Verbot auf Druck Napo- PK verfügbar. Ihre Feinanalyse ermöglicht leons erfolgte (wie oft behauptet wird), ist nicht nur Aufschlüsse über die Mitgliederzahl quellenmäßig nicht belegbar und ist Teil der des Bunds in Berlin, sondern auch über ihre oben umrissenen Legendenbildung. Belegbar soziale Kontur. Darüber hinaus kann sie zeisind vielmehr die ständigen Behinderungen gen, wie wenig Mythos und Realität des Tb des Vereins von Seiten des Königs und seiner miteinander übereinstimmen und ebenso, wie Umgebung. Letztlich überrascht nicht dieses auch solche neuen Bünde und Vereinigungen 593

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von Einfluss-, Hegemonie- und Konkurrenzkämpfen geprägt waren. Schon in der Gründungsphase war in der Königsberger Stammgesellschaft der Plan gereift, Zweiggesellschaften (sog. Kammern) in anderen preußischen Städten und Regionen zu gründen, entweder durch direkte und persönliche Emissäre oder idealer Weise auf Basis eines Schneeballsystems. Das konnte erst erfolgen, nachdem die Statuten im Druck vorlagen. Das war Ende Juli 1808 der Fall, und Bardeleben machte sich im Auftrag des Vereins auf den Weg. Dieser führte ihn, mit der Zwischenstation Frankfurt/Oder, wo erste auswärtige Mitglieder gewonnen wurden, direkt nach Berlin. Spätere Forschungsdarstellungen lassen ihn zuerst nach Schlesien reisen, um mit Erfolgsgeschichten über Mitgliederwerbungen aufzuwarten, die in Schlesien, im Gegensatz zu Berlin, durchaus zufriedenstellend verliefen. Aber es verhielt sich anders. Mit gutem Grund war Berlin zuerst im Visier. Einerseits kannte Bardeleben sich dort gut aus; er hatte einige Zeit an der Berliner Kadettenanstalt unterrichtet. Andererseits war Berlin die nominelle Residenz. Hier gewonnen, alles gewonnen! Auf Begeisterung war er allerdings während seines rund dreiwöchigen Aufenthalts in Berlin überhaupt nicht gestoßen; der erste schriftliche Bericht an den Haupt-Verein vom 27. August 1808 kann im Grunde nichts vorweisen. Aber Bardeleben, der für Erfolge sorgen sollte, behalf sich mit einem Trick: Er kaschierte den gänzlich fehlenden Zulauf mit der Nachricht, er habe einen Direktor und einen Sekretär eingesetzt, und diese Kammer – die in Wahrheit jedoch nur aus drei Personen bestand – sei verantwortlich für die zu organisierenden Vereinsaktivitäten zwischen Elbe und Oder. Gleichzeitig schlug er ein modifiziertes Werbungsverfahren vor, und zwar betreffs der „Freivereine“. Diese waren laut Statuten tatsächlich geplant. Geistliche Mitglieder des Vereins sollten zweiwöchentlich mit den besten des niederen Bürgertums und des Bauernstandes in ihren Gemeinden Zusam594

menkünfte veranstalten (§§ 57 ff.). Das wären also Tugendvereine zweiten Grades gewesen. Weil jedoch „mit dem geistigen Stand überall wenig anzufangen“, machte Bardeleben in seinem Brief den Vorschlag, das Verfahren zu ändern. In großen Städten wie Berlin bestünden viele gesetzlose (d. h. informelle) Gesellschaften, Geselligkeitsrunden, Klubs, Tabagie-Treffen. Diese wären aufzusuchen, unsittliche Teilnehmer müssten verdrängt werden, um diese Runden für die Vereinszwecke zu instrumentalisieren. „Dies Volk lässt sich vorzüglich bei Tabak und Weißbier ergreifen und bearbeiten. Auf diesem Wege dürfte in Berlin die Masse ergriffen werden können“ (GStA PK, I. HA Rep. 111 A, Nr. 17, Bl. 12). Direkt geplant war, dass er u. a. seinen Schwager, Geheimrat Jochmus, sowie Geheimrat Schmalz und „Professor Schleyermacher“ ansprechen solle (eine weitere Liste nennt u. a. auch „Professor Fichte“). Resultat der Missionsreise war, dass Theodor Anton Heinrich Schmalz der Direktor der Berliner Kammer wurde und Bardelebens Schwager Karl Friedrich Ludwig Jochmus der Sekretär. Als drittes Mitglied wurde der Regierungsrat Hans Georg Jacob v. Ahlefeldt gewonnen. Mehr konnte auf dieser ersten Mission in Berlin nicht erreicht werden. Weitaus prominentere Kandidaten hatten abgelehnt. So traten auf die Beitrittsaufforderung „v. Röder, Eichhorn, Schleiermacher und andere zusammen, und erklärten auf Schleiermachers Aeußerung einstimmig, daß es für Männer wie sie keines äußeren Erkennungszeichens, keiner maurerischen Formen bedürfe“ (Pertz, S. 196). Natürlich waren Schleiermacher und andere ‚patriotisch‘ gestimmt, aber Bardelebens vorrangig freimaurerischer Fokus weckte unter den Berliner Patrioten Ablehnung. Ihnen war dieser Tb nicht politisch genug. Schleiermacher schreibt dazu an Reimer am 6. September 1808 über Bardeleben bzw. über den Tb als ganzen (dessen Namen er verschlüsselt als Böckler wiedergibt): „Böckler möchte uns zu gern mit unseren Geschäften in seiner Hand haben; ich

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glaube aber es wird umgekehrt gehn und er wird uns zur rechten Zeit doch gern dienen“ (Dilthey, S. 161). Genau das war auch die anfängliche Position der Reformer um v. Stein; man könne den Verein gegebenenfalls funktionalisieren, aber in seiner jetzigen Form müsse man ihn zurückweisen. Somit gab es keinen Zulauf in Berlin. Im Gegenteil. Der kleine Stamm weniger gewonnener Mitglieder brach dort schon von Anfang an wieder auseinander. Denn Schmalz berichtet, er hätte diese Direktorenstelle nie angenommen, auch wäre er nie Mitglied des Vereins geworden. Der Blick in die – tatsächlich diffusen – Statuten hätte ihn ablehnend gestimmt. Er verweist auf umständliche Organisationsbelanglosigkeiten, inkonkrete Rhetorik, eine vorgesehene Femepolizei innerhalb des Vereins, die Möglichkeit politischen Missbrauchs u. a. (Schmalz, Berichtigung, S. 10 f.). Den Archivalien zufolge sind Schmalz’ Angaben richtig. Bardeleben hat den Eintritt des möglicherweise noch unentschiedenen Schmalz gefälscht und auch in seinem Schrei­ ben nach Königsberg nicht die Wahrheit berichtet. Denn die übliche schriftliche Verpflichtungserklärung von Schmalz liegt in den Vereinsarchivalien nicht vor. Vorhanden hingegen ist seine Vorbehaltserklärung vom 22. August, dass er, falls ihm die bisher unbekannten Statuten nicht zusagen, er sich – ohne öffentliche Polemik zu entfalten –, zurückziehen würde. Vorhanden ist weiterhin eine Eintrittserklärung für Jochmus und Schmalz von anderer Hand vom 23. August 1808 (diese wirkt allein deshalb merkwürdig, weil eine eigene Eintrittserklärung von Jochmus schon am Tag zuvor unterschrieben wurde). Das heißt, Bardeleben hatte gefälscht und gelogen, denn am ersten wichtigen Bestimmungsort seiner Reise brauchte er Erfolge. Seine Intrigen um die Statuten in Königsberg, seine Denunziation des Vereins nach dem Schillschen Feldzug und sein Vorschlag, den Tugendbund ganz zu verbieten, zeigen einen nicht in jeder Hinsicht lauterer Charakter. Wenn im Berli-

ner Salonklatsch überliefert wurde, dass Mitglieder des Tb auch dadurch gewonnen wurden, dass man ihnen gewissermaßen ein Statut unerlaubt zusteckte (Schwerin, S. 243), wird sich das auf Schmalzsche Auslassungen stützen. Weil Informationen über diese dubiose Affäre dann wohl auch nach Königsberg gelangt waren oder weil Schmalz sich möglicherweise offiziell beschwert hatte, musste Bardeleben sich aus der Affäre ziehen. Am 25. Oktober meldete er dem Stammverein: „Die Berliner Kammer [ist] in Unordnung gerathen durch die Feigheit und Unentschloßenheit der Schmalz u. von Ahlefeld“. Sie hätten sich durch Gerüchte kompromittiert gefühlt, mit einer „Conspiration“ in Verbindung zu stehen. „Ich habe mich nach Berlin begeben u. die dortige Kammer aufgehoben. Sie muß neu constituiert werden“ (GStA PK, I. HA Rep. 111 A, Nr. 17, Bl. 26). Jochmus hingegen, ein niederer Akzise-Angestellter, der nach wie vor daran interessiert war, eine Leitungsposition wahrzunehmen, präsentierte wenige Tage später in einem Schreiben nach Königsberg eine andere Version. Ohne die Dinge offen beim Namen zu nennen, versuchte er die Wogen zu glätten: Schmalz war im August die Unterschrift schuldig geblieben, hätte auf mehrfache Nachfragen nicht reagiert, alsbald aber um ein Dreiertreffen mit Jochmus und v. Ahlefeldt gebeten. Auf diesem hätte Schmalz demonstrativ eine Mitgliedschaft verweigert und auch v. Ahlefeldt zu einem Widerruf bewegen können. Damit schob Jochmus – wohl mit Recht – Bardeleben alle eventuelle Schuld an Fehlhandlungen zu, verbreitete aber gezielt Optimismus, schien er doch Gefallen an seiner neuen Rolle und einer eventuellen Bedeutung in der großen Welt gefunden zu haben. Der Verein war für ihn bedeutungsvoll, besonders, wenn König und Hof wieder dauerhaft in die Residenz kommen würden. Folglich sah Jochmus diese Kammer keineswegs als aufgelöst an und warb beständig für neue Mitstreiter: „so sind wir jetzt 4 Mitglieder: Joly, Kufahl, Gubitz und ich“ (an den 595

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Stammverein, 1. Nov. 1808, GStA PK, I. HA Rep. 111 A, Nr. 19, Bl. 3 f.). Die beiden ersten waren Kollegen von Jochmus. Gubitz war auf einem ganz anderen Weg in den Berliner Verein gekommen. Der damals schon bekannte Verleger hatte auch in Königsberg als Patriot einen guten Namen und war im Sommer 1808 auf Vorschlag von Baersch – der ebenfalls aus Berlin stammte – dort als Mitglied aufgenommen worden. Bald aber gab es die Auflage, Ortsfremde nicht mehr in Königsberg einzuschreiben. Deshalb solle Gubitz sich an die Berliner Kammer wenden und sich dort registrieren lassen (das geschah nie, und daraus erklärt sich, dass er nur in zentralen Königsberger Listen als Mitglied erscheint, und fast nie in denen für Berlin). Zudem sollte Gubitz auch die Leitung der Berliner Kammer übernehmen. In der Tat hat er, wie er in seiner Autobiographie überliefert, an zwei oder drei Zusammenkünften teilgenommen. Man hatte sich aber über Ziele und Zwecke des Bunds nicht einigen können, fortan hielt er sich fern. Möglicherweise von Gubitz wird Chamisso Kenntnis über diesen Bund erhalten haben: „Ich könnte Dir von den abgeschmackten Plattheiten ein Breites und Langes hergießen, die um uns tausendfältig sich verschlingen, von ihrem artigen Tugendbunde, zum Beispiel, der die Generation von allem Gefährlichen hübsch abhalten und zur Tugend und Liebe des Königs zurückführen soll. Darinnen aufgenommen zu werden, ist die erste conditio sine qua non, daß man beweise, wie man Macht auf zehn Menschenseelen ausübe, die man bei der Nase herum und in die Tugend hinein und zur Liebe des Königs führen könne, und dieselben namhaft mache, und dergleichen mehr“ (an Fouqué, 7. Januar 1809; in: Chamisso’s Werke, S. 245 f.). Jochmus meldete noch am 28. Januar 1809 weitere Werbungen (für Berlin den niederen Sekretär Hahn). Aber die Königsberger Zentrale blieb sehr zurückhaltend. Denn Jochmus war ein unbedeutender Kopf und darüber hinaus in die dubiose Fälschung der Mitgliedschaft von 596

Schmalz verwickelt gewesen. So gab es einen dritten Berliner Gründungsanlauf mit einem seriöseren Akteur. Das Königsberger Gründungsmitglied Baersch, v. Schills Adjutant, kam mit diesem am 10. Dezember 1808 nach Berlin. Er machte nochmals Versuche. Auch Schleiermacher wurde von ihm erneut gebeten, in den Verein zu treten und eine Kammer für Berlin zu konstituieren. Wiederum lehnte Schleiermacher ab (Schleiermacher, S. 37). Zwar stand gerade Baersch für militärische Ambitionen und wollte den Tb politisch-patriotisch ausrichten. Aber die privat vernetzten Berliner ‚Patrioten‘ sammelten sich in fluktuierenden Zirkeln, nicht in leicht zu kon­ trollierenden Vereinen. Damit kam die Gründung einer tatsächlichen Kammer in Berlin auch um die Jahreswende 1808/09 nicht zustande. Baersch kaschierte das erneute Scheitern in mehreren Briefen an den Stammverein durch die Versprechen, im Brandenburgischen, gar in Hamburg aufgrund des dortigen Interesses bald Ortsvereine gründen zu können (Baersch an den Stammverein, 6. Januar, 20. Januar und 18. März 1809). Am 27. April gab es aber eine wirkliche Erfolgsmeldung von ihm: Er bevollmächtigte einen Justiz-Rath Schoenermar[c]k in Wusterhausen/ Dosse, eine Kammer zu gründen. Wie dieser durch entsprechende Unterschriften dokumentieren konnte, hatte sich dort eine Reihe von Interessenten gesammelt. Aufgrund des Rebellenzug v. Schills, der genau einen Tag darauf begann und an dem Baersch teilnahm, kam die Initiative in dieser märkischen Kleinstadt aber nicht mehr zustande. Denn Baersch wurde aufgrund seiner Beteiligung an dieser Aktion in Königsberg wegen Unbotmäßigkeit aus dem Verein ausgeschlossen, und seine Kontaktpersonen wurden nicht mehr in die Vereinsarbeit einbezogen. Obgleich mit Bardeleben und mit Baersch zwei Vertreter der Stammgesellschaft zeitlich versetzt nach Berlin gekommen waren, die an den Gründungsstatuten mitgeschrieben hatten und für eine ganz unterschiedli-

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che Ausrichtung des Tb standen: der eine freimaurerisch orientiert, der andere politischmilitärisch, traf beides, aus ganz unterschiedlichen Gründen, nicht den Geschmack Berliner Kreise. Einerseits gab es einen unausgesprochenen Kampf um die symbolische Oberhoheit in Preußen; die Konkurrenz zwischen der regulären Hauptstadt und der zu dieser Zeit aufgrund des königlichen Exils faktischen Hauptstadt und ehemaligen Krönungsstadt Königsberg ist nicht zu übersehen. Andererseits mussten die Allmachtsansprüche des Vereins, die auf eine grundsätzliche Gegengesellschaft unter Umgehung von Staat und Kirche hinausliefen, unrealistisch bis lächerlich wirken. Ebenfalls lächerlich wirkte das hochkomplexe Organisationsprocedere, und die in den Statuten festgeschriebenen Kontroll- und Denunziationsbefugnisse innerhalb des Vereins wirkten bedrohlich. Auch die überkommenen freimaurerischen Elemente weckten in Berlin keine Emphase. Entschlossenen Patrioten wirkte der Tb wie eine Honoratiorenverbindung und wie eine zweckfreie Spielerei. Und sie scheuten sich, ihn für ihre Zwecke zu nutzen, weil sie sich in unüberschaubare Disziplinierungs- und Kontroll- oder gar Bespitzelungsstrukturen begeben hätten. Die gegenteilige Fraktion der Nicht-Patrioten hingegen mied den Verein, weil die von Gegnern v. Steins in die Welt gesetzten Gerüchte, es handle sich um einen geheimen Verschwörerklub, sie erschreckten (Jakobiner, Sturz des Königs, Einsetzung des Freiherrn v. Stein als Herrscher bzw. des Königsbruders Wilhelm usw.). Überhaupt musste jedem aufmerksamen Leser der Statuten die oben genannte Mehrfachstruktur des Vereins, die dazu führte, dass er alles und nichts bedeuten konnte, skeptisch stimmen. Gerade in Berlin, geprägt nicht nur von aufgeklärten, sondern kritischabgeklärten Mentalitäten, fasste der Verein nicht fuß. Polizeiliche Ermittlungen bestätigen das. Von Innenminister v. Dohna aufgefordert, über den Tb zu berichten, antwortete Gruner – seit wenigen Tagen Polizeipräsident

von Berlin – am 22. April 1809: „Der Tugend-Verein hat nach der Versicherung zweier seiner ersten hiesigen Mitglieder weder Lokal, noch Versammlungen; ich werde also in Rüksicht seiner Observation hier wenig thun können“ (Granier, S. 407). Drei Tage später berichtete Oberpräsident v. Sack an v. Dohna weitere Details: „Nach dem, was wegen der Existenz des Tugendvereins hieselbst nunmehr ausgemittelt ist, ist derselbe noch nicht förmlich constituirt, sondern die Bildung der hiesigen Hauptkammer bis zur Rükkehr des Königs verschoben worden. Der Schwager des Assessor Bardeleben, der geheime expedirende Secretair Jochmus beym Accise-Departement, an den ich den Policeypräsidenten Gruner bereits früher verwiesen hatte, hat folgende Männer sich zu dem Verein versichert, und von ihnen den in den Statuten vorgeschriebenen Revers erhalten; es sind dies: der geheime expedirende Secretair Joly vom Accise-Departement; der expedirende Secretair Kufahl von der hiesigen Accise-Direction; der Justitz-Rath Schönermarck zu Wusterhausen an der Dosse; der Prediger Herrmanni zu Sievendorff; der geheime expedirende Secretair Hahn von der Seehandlungs-Socie­ tät; der Holzinspector Schrötter zu Hohenofen“ (Granier, S. 411). Dabei wurden also auch Mitglieder aus der Region Brandenburg angeführt. Diese Liste deckt sich ungefähr mit einer undatierten Liste des Vereinsarchivs (ca. Januar 1809): Schmalz (Geheimer Justiz-Rath); Jochmus (Geheimer Secretair); Herrmanni (Kaufmann); von Ahlefeldt (Regierungs-Rath); Gubitz; Joly (Geheimer Secretair); Schroeder (Holz-Inspector) (GStA PK, I. HA Rep. 111 A, Nr. 27/1, Bl. 6). In Berlin kam die Gründung einer Kammer des Tb demzufolge nicht voran. Als Innenminister v. Dohna und seine Beauftragten nach der Vereinsauflösung bei der Sichtung der ihnen zugegangenen Unterlagen feststellen mussten, dass in Berlin und den Marken gar keine eigenständigen Kammern existiert hätten, fragten sie überrascht bei Johann Friedrich Ernst 597

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Ewald an, der im Königsberger Bund Sekretärsdienste versehen und bei der Vereinsauflösung wichtige Dienste geleistet hatte. Seine Antwort vom 15. Juni 1810 liefert für Berlin eine Chronik fortwährenden Scheiterns: „Indessen hatten schon vor langer Zeit der geh. Sekretär Jochmus und Lieut: Baersch vom Schillschen Korps in Berlin vom Stammverein zu Königsberg das Kommissarium erhalten, in Berlin eine Kammer zu errichten. Beide genügten jedoch dem Auftrage nicht, und da Baersch uebend mit dem Schillschen Corps die preussischen Staaten verließ, so wurde nach seiner verkündigten Ausschliessung aus dem Verein dem Major v. Bothe vom 1. Westpreussischen Infanterie Regimente welcher inmittelst nach Berlin in Garnison gekommen war, jener Auftrag gegeben. Dieser hatte jedoch gleichfalls keine Kammer zu Stande gebracht, weshalb im vergangenen Herbste der damals nach Berlin gesandte Major v. Boyen aufgefordert wurde, mit Zuziehung des Capitains Neiville – die beide jetzt beim Militair-Oekomonie Department angestellt sind – sich es angelegen zu sein lassen, in der Haupt und Residenz Stadt des Reiches eine Kammer des s.w. Vereins zu organisiren“. Auch das hätte keine Ergebnisse gebracht (GStA PK, I. HA Rep. 84, Tit. 8, Nr. 586a, Bl. 72 f.). Es hat also mehrere Phasen bzw. Nicht-Phasen des Tb in Berlin gegeben, wohl mit folgendem Ablauf: Erstens Bardelebens verunglückte Gründungsphase um Schmalz, Jochmus und v. Ahlefeldt im August 1808; zweitens eine fehlgeschlagene Neugründungsphase um Gubitz und Jochmus im Oktober/November 1808; drittens nach Gubitz’ Ausscheiden und den erneut fehlschlagenden Werbeversuchen durch Baersch einen verhaltenen Fortgang bzw. eine Ruhephase unter Jochmus bis April 1809; viertens danach eine misslungene Wiederbelebungsphase durch den inzwischen nach Berlin versetzten v. Bothe; fünftens im Herbst 1809 wiederum erfolglose oder gar nicht erst unternommene Gründungsversuche durch v. Boyen (letzterer war ein Adla598

tus v. Scharnhorsts und offenbar deshalb früh in Königsberg dem Verein beigetreten, damit letzterer informiert war, was dort vor sich ging). Bis zum Verbot am 31. Dezember 1809 betrug die belegbare Zahl Berliner Mitglieder also insgesamt nie mehr als sechs bzw. fünf: v. Ahlefeldt (nur ganz kurz), Jochmus, Gubitz, Joly, Kufahl, Hahn. Sie kamen vorrangig aus dem Bereich der niederen Verwaltung. Die beiden Militärs v. Schill und Baersch (von Dezember 1808 bis April 1809 in Berlin) haben in der Stadt keine Vereinsaktivitäten mehr initiiert und gepflegt. Auch Militärs und andere Personen, die ursprünglich anderen Ortskammern des Bundes beigetreten waren und, zumeist im Zug der Rückverlagerung der Residenz nach Berlin im Dezember 1808 in die Metropole kamen (aus der bei Lehmann abgedruckten Namensgesamtliste erschließbar), haben keine Aktivitäten mehr entfachen können oder gar nicht erst entfachen wollen. Nachspiel I: Die Mythe von 1813. Schills Rebellion hatte für den Berliner Tb mehrere Nachspiele. Das erste Nachspiel war, dass nach seinem Auszug aus Berlin eine Art Untersuchungsrichter der Königsberger Stammgesellschaft im Mai 1809 nach Berlin eilte (das einflussreiche Gründungsmitglied Friedrich Wilhelm Mosqua). Der wachsende politische Druck auf den Verein sollte abgewendet werden, denn natürlich schienen seine umstürzlerischen Bestrebungen nunmehr belegt. Mosqua konnte die politische Harmlosigkeit des Vereins attestieren, verschwieg aber in seinem Report, dass er in Berlin de facto gar nicht existierte. Anschließend wurden Baersch und v. Schill mit Beschluss in Königsberg aus dem Verein umgehend ausgeschlossen (bis heute besteht ein sehr verästelter und auch mit den Akten letztlich nicht völlig zu entscheidender Streit, ob v. Schill überhaupt Mitglied war oder nicht). Mit der Löschung von Baersch, der ohnehin erst im Dezember 1808 nach Berlin gekommen war und den Verein nicht mehr belebte, war der Tb in Berlin endgültig

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erstorben. Am 31. Dezember wurde er preu- plänen summte die Luft, besonders in Berliner ßenweit verboten. Salons, dem Distributionsort von HalbwahrObwohl der Tb tot war, lebten die Gerüchte heiten, Klatsch und auch Verleumdungen. Safort. Sie wurden, wie inzwischen dokumen- genhafte Gerüchte rankten sich um den Tb, tiert ist, von Anfang an gezielt von v. Steins und die Personen, auf die sie sich bezogen, politischen Gegnern in die Welt gesetzt und fühlten sich mitunter erhöht. Denn im Auf bekamen irgendwann auch ein Eigenleben. und Ab der Moden galten insbesondere wähDie Rede vom „Tugendbund“ wurde vor al- rend der Berliner Besatzungszeit (1806–1808) lem in Berlin zum Salonklatsch, zur Straßen- patriotische Anwandlungen als très chic. So und Kaffeehausunterhaltung. Immerhin nah- stand der Salon der Gräfin Voß im Ruf, ein men der enthusiastische Schleiermacher und Zentrum des Tb und des Widerstandes überseine Freunde den Emissär Bardeleben in ge- haupt zu sein (mit dem Tb freilich hatte die wisser Weise ernst. Laut Schleiermachers Ta- Gräfin rein gar nichts zu tun). In der Memoigeskalender hatte es am 6. August 1808 ein renliteratur wird berichtet, wie damals plötzdiesbezügliches Treffen gegeben, am Tag dar- lich bestimmte silberne Ketten für Erkenauf schrieb er an seine Verlobte, „von neuen nungszeichen des Tb gehalten wurden oder und merkwürdigen Seiten“ wären ihm bedeu- wie das gemeinsame Toasten und Singen auf tende Informationen über eine für den Winter Berliner Hofbällen als Aktivität (des zu der geplante Erhebung Preußens zugekommen. Zeit doch schon verbotenen) Tb galt (SchweDer Zirkel um Reimer, Schleiermacher und rin, S. 237 f.). Hier ist ein performatives AusEichhorn beschloss daraufhin, die tatsächliche agieren von Geselligkeit unter dem neuen Situation in Königsberg zu sondieren, und Vorzeichen pikanter Politisierung zu beobachSchleiermacher reiste am 20. August 1808 ten. Anspielungsreiche Konversation, Gerüchnach Königsberg ab, um präzise Informatio- te und Mutmaßungen über vorgebliche Genen über ein mögliches gezielt politisches Pro- heimzeichen stellten eine patriotische Haltung fil des Tb und über eventuelle politisch-militä- zur Schau, und Gerüchte über das Mysterium rische Pläne in der vorübergehenden Resi- Tb waren das Vehikel einer ebenso tatenlosen denz überhaupt zu gewinnen. Dieser Aufent- wie übersprunghaften Selbstermächtigung. halt in Königsberg trägt auch possenhafte Der Tb – d. h. nicht der konkrete Verein, sonZüge. Um den diffusen Tb war Schleierma- dern das mittels semantischer Verdoppelung cher schnell im Bilde und berichtete ver- bzw. Verdreifachung geschaffene illusionäre schlüsselt an Reimer, dieser Verein wolle wei- Phantom – wurde zum Fokus eines heute im ter das Unkraut hegen und scheue sich, der Grunde lächerlich wirkenden geheimnisvollen Herde Brot zu geben – er sei also in keiner Konjunktivs. Eine fehlende Öffentlichkeit Weise radikal. Aber die Kontakte zu anderen ging, wie schon in Aufklärungszeiten, geradePatrioten in Königsberg gestalteten sich aus zu zwingend mit gerüchteweise kolportierter Angst vor Spitzeln als schwierig. Den plötzlich Esoterik einher: „In den geheimen Versammaus Berlin Angereisten, der zusammen mit sei- lungen, so hieß es, würden politische Pläne nen Freunden in begeistertem Überschwang geschmiedet, Verbindungen mit dem Auslanund ohne eine konkrete Basis zumindest rhe- de unterhalten und den Mitgliedern des Buntorisch mit zum Teil abenteuerlichen Auf- des die vielfachen Rollen ausgeteilt. Nur verstandsplänen aufwartete, mögen Manche sogar kleidet käme man in diese Gesellschaften“ für einen ‚agent provocateur‘ gehalten haben. (Schwerin, S. 244 f.). Genährt wurden solche Schleiermacher hingegen begriff sich als Teil Gerüchte gerade durch Gegner der Reformer, einer Szene. Denn von solchen ebenso unaus- die immer wieder ausstreuten, der Tb sei eine gegorenen wie überschwänglichen Aufstands- allumfassende militärisch bzw. paramilitärisch 599

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ausgerichtete Geheimorganisation. Ab Frühjahr 1812 richteten sie sich vor allem gegen v. Scharnhorst, der im Gegensatz zu anderen ‚Patrioten‘ bzw. Reformern in Preußen verblieben war, und gegen Gruner, der ab April 1812 von Prag aus ein intensiviertes Propagandaund Spionagenetz installierte. Am 22. Juli 1812 wies v. Bülow (wahrscheinlich mit Duldung v. Hardenbergs) in einem Rundschreiben an über dreißig Regierungs- und Polizeistellen an: „Mehrere, seit einiger Zeit von verschiedenen Seiten hier eingegangene Schriften, setzen außer Zweifel, daß in den hiesigen Staaten eine geheime Verbindung mit der Benennung Tugendverein, deutscher Bund, eiserner Bund vorhanden ist“ (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 2, Bd. 1, Bl. 25). Man müsse der Sache unverzüglich auf den Grund gehen. Anfang August wurde v. Metternich brieflich durch v. Hardenberg und v. Bülow über die nicht nachlassenden Umtriebe eines Tb in Österreich unterrichtet: „Machinationen der Verbindung, welche unter der Benennung: Tugendverein, deutscher Bund, eiserner Bund, schwarzer Bund, bekannt ist“ (v. Bülow an v. Metternich, 6. August 1812, in: Fournier 1912, S. 194). Insbesondere Gruner wurde der Aufmerksamkeit v. Metternichs anempfohlen. Als bei diesem bei der Verhaftung wenige Tage später tatsächlich auch ehemalige Tugendbundakten gefunden wurden (die ihm einst als Berliner Polizeichef nach der Auflösung des Bunds zugegangen waren und die er offenbar für sein Netzwerk nutzen wollte), stand endgültig fest: Gruner und Andere seien unverbesserliche, im Untergrund wirkende Tugendbündler, und man müsse sie unschädlich machen (so wurde Gruner ab August 1812 für über ein Jahr inhaftiert). Aber dieses Grunersche Netz scheint gar nicht das gehalten zu haben, was es versprechen sollte. Überhaupt waren alle singulären Widerstandsbewegungen in Preußen, gemessen an ihren hehren Ansprüchen, mehr oder weniger erfolglos. Sie erlebten einen Aufschwung ab Mitte des Jahrs 1808. Aber mit der endgültigen Niederlage v. Schills 600

(31. Mai 1809), der österreichischen Niederlage von Wagram (5./6. Juli 1809), dem Znaimer Waffenstillstand (12. Juli 1809) und dem Frieden von Schönbrunn (14. Oktober 1809) waren sie ihrer Energie vorerst beraubt. Das Beispiel Berlin zeigt überdeutlich, wie wenig ehemalige Tugendbündler oder patriotische Vereinigungen wie die  Fechtbodengesellschaft oder der  deutsche Bund (zu ihnen weiter unten) in die Befreiung Berlins 1813 eingegriffen haben. Die russischen Truppen rückten im Februar unaufhaltsam auf die französisch besetzte Metropole zu. Baersch, der einstige Tugendbündler, der schon als Adjutant v. Schills bei dessen Rebellion gescheitert war, bot ihnen seine Dienste an. Zwar hatten sich schon bei dieser v. Schillschen Aktion die Illusionen über erhoffte Volksaufstände zerschlagen, aber nach wie vor hing er seinen Wunschträumen einer solchen Volkserhebung an. Er überzeugte die kommandierende russische Generalität, dass ein Überraschungsangriff auf Berlin einen machtvollen Aufstand auslösen und die Franzosen aus der Stadt fegen würde. Dieser spontane Angriff auf Berlin vom 20. Februar 1813 mündete in ein Desaster. Mehrere Tausend Russen drangen in die Stadt ein, zogen sich aber alsbald wieder zurück. Wohl um die Hundert Kosaken mit Baersch an der Spitze stürmten weiterhin einige Stunden durch die Straßen – begafft von Berlinern hinter sicheren Gardinen und beschossen von verängstigten Franzosen aus den vergitterten Fenstern ihrer Kasernen. Gelegentliche Zusammenläufe des Pöbels trieb die Bürgerwehr beflissen auseinander, denn schließlich waren die Berliner mit einem königlichen Publikandum vom 23. Januar nochmals ausdrücklich auf das Waffenbündnis mit den Franzosen eingeschworen worden. Erst zwei Wochen später ließen sich die Berliner befreien. Am 4. März zogen die Franzosen geordnet aus der Stadt und die Russen anschließend kampflos ein. Zwei Wochen später, am 17. März, erließ der König nach der Kriegserklärung gegen Frankreich von Breslau aus die

Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund) [Tb]

Proklamation An Mein Volk. Erst dann entfaltete sich aus angelerntem und eingeübtem Gehorsam der später von ganz verschiedenen Seiten glorifizierte Volkspatriotismus. Nachspiel II: Tugendbundstreit und Demagogenverfolgung. Das oben bereits umrissene krude Gemisch von Legenden und Gerüchten über einen ebenso mächtigen wie geheimen Tb bildete schließlich auch den begünstigenden Nährboden des „Tugendbundstreits“ (1815/16). Schmalz, dessen bisher unklare Position in den Berliner Gründungstagen des Tb – siehe oben – nunmehr rekonstruierbar ist, holte im August 1815 denunziatorisch aus. Mittlerweile war er Professor an der Berliner Universität. Er, der Gründungsrektor der Universität (und einst ebenfalls antifranzösischer Patriot), fühlte sich ins Abseits geschoben und sah sich umstellt von triumphierenden Freiheitsleuten. Darüber hinaus gab es tatsächlich unter enttäuschten Studenten bestimmte Geheimbundbestrebungen. In einer Broschüre wärmte er die bekannten alten Verleumdungen des Tb nochmals auf. Das wäre folgenlos geblieben, hätte er die Argumentation nicht aktualisierend zugespitzt: Dieser Bund würde unter neuen Vereinsformen sein altes Zerstörungswerk unverdrossen fortsetzen: Kampf für ein vereintes Deutschland, für ein Repräsentativsystem, gegen die Fürstenherrschaft. Obwohl Schmalz keine konkreten Angaben machte, hatte er wohl insbesondere Friesens und Jahns Ende 1810 gegründeten konspirativen deutschen Bund im Auge. Solchen Geheimbünden müsse gründlich das Handwerk gelegt werden. Es folgte alsbald eine Reihe von Schriften und Gegenschriften (u. a. Krug, Schleiermacher, Niebuhr). Auch Schmalz meldete sich erneut zu Wort. Es entstand eine ebenso kurze wie heftige publizistische Debatte, bis weitere Veröffentlichungen dazu in Preußen am 6. Januar 1816 auf königlichen Beschluss verboten wurden. Ausläufer dieses Streits erreichten 1815 wiederum v. Metternich. Ein Konfidenten-

bericht Karl v. Woltmanns wollte sich wichtigmachen: Der umstürzlerische Tb mit Freiherrn v. Stein an der Spitze stehe kurz davor, Österreich unterwandert zu haben (vgl. Hadamowsky). Das heißt, die Chimäre „Tugendbund“ ging in die nächste Runde. Wie insbesondere Stettiner mit Dokumenten belegen konnte, handelte es sich um keine Einzelaktion Schmalz’, sondern um eine konzertierte Aktion von Reformgegnern, die nun, nach dem gewonnenen Krieg und in der Konsolidierungsphase der preußischen Monarchie, alle zahmen politischen Veränderungen bekämpften. Der längst zum Popanz gewordene Tb hielt erneut als Gegner her. Als Beispiele für die Reaktion der liberalen Öffentlichkeit auf diese von Schmalz ausgegangenen haltlosen Anschuldigungen sollen die Antworten Krugs, Schleiermachers und Niebuhrs kurz erwähnt werden. Krug – anders als Schleiermacher einst in den Tb involviert, und zwar den Königsberger Stammverein in führender Position als Oberzensor – widerlegte alle Gespinste mit dem Verweis auf die Vereinsgeschichte. Es sei niemals ein Geheimbund gewesen, habe sich immer im Rahmen der Statuten bewegt, immer den Behörden turnusmäßig die geforderten Mitgliederlisten eingereicht. Er sei auf seine Art und Weise aber doch ein Geheimbund gewesen, denn dem ersten Hauptzweck, der moralischen und intellektuellen Ertüchtigung des Volkes, habe ein zweiter Hauptzweck unausgesprochen zur Seite gestanden: Belebung der physischen und politischen Potenzen des Volks zum Widerstand gegen die französischen Besatzer. Er fegte zwar alle Legenden eines politischen Umsturzbunds hinweg, räumte aber ein, dass der Tb einen antifranzösischen Zweck hatte. Schleiermacher argumentierte viel offensiver. Er nutzte das Wortspiel, dass er sich seinerzeit wie heute in bestimmten Gesellschaften befunden habe und noch befinde, die aber nie feste Strukturen gehabt hätten und haben. Er forderte von Schmalz konkrete Beweise für das Bestehen von Geheimbünden, und 601

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er stellte in den Raum, dass dieser sich zum ren aus dem „Tugendbundstreit“ verbrannt Werkzeug Anderer mache. Er drehte sogar die (als „wider den redlich strebenden TugendArgumentation um: Nicht der Tb, über den er bund, den Vaterlandsbund in der Not, und letztlich gar nichts wisse, sei ein Geheimbund somit wider die Tugend“). Folglich war Metgewesen. Vielmehr würden Schmalz und An- ternich, wie Akten der Wiener Polizeihofsteldere wie geheime Verschwörer agieren! Denn le belegen (die für diesen Beitrag allerdings der König hätte sich bekanntlich an die Spit- nicht ausgewertet werden konnten), dem Tuze der Verfassungsbewegung gestellt. Ihr ent- gendbund weiterhin auf der Spur (vgl. Fourgegenzuarbeiten, hieße, am Thron zu rüt- nier 1885 und 1912; Regenfelder). So wurteln. Niebuhrs Schrift wiederum persiflier- de der Tb erneut mythisiert, er wurde einerte Schmalz’ Gespensterglauben, bezichtigte seits zum Spielball charakterloser Spitzel, die ihn der fehlgeleiteten inquisitorischen Suche sich für den von ihnen fabrizierten, staatlich nach Ketzern und nach Verschwörungen und gern gesehen Unfug bestens bezahlen ließen, brandmarkte seine gezielten Verleumdun- andererseits zum Produkt retrograd fixiergen auf Basis von Gerüchten, die sich wie- ter Gesinnungstäter. In Berlin suchten Verderum nur von Gerüchten herschreiben wür- folgungsbehörden ebenfalls nach umstürzleriden. Gleichfalls stellte sie heraus, dass es sich schen Kontinuitäten, und der einmal in die beim Tb um eine „wohlgemeinte Misgeburt“ Welt gesetzte Mythos wurde fortgeschrieben. gehandelt hätte, die nie „zu wirklichem Le- Im Zuge der Demagogenverfolgung ab 1819 ben“ gekommen sei („aberwitzige Maschine- wurden aus Spitzelberichten, beschlagnahmrie“). Niebuhr ging aber auch in eine grund- ten Privatdokumenten, Presseveröffentlichunsätzliche Richtung. Wenn es in den Jahrhun- gen usw. – allerdings letztlich nur probeweise derten zuvor Geheimgesellschaften gegeben und gewissermaßen nur inoffiziell ausgearbeihat, dann seien sie überlebt. Moderne Zustän- tete – Dossiers erstellt, die besagten, aus dem de brauchten eine Öffentlichkeit und die Plu- aufgelösten Tb wären sowohl der  deutsche ralität politischer Parteien. Als Niebuhr am 12. Bund als auch der  Charlottenburger Verein (s. Dezember 1815 in einer Eingabe an den Kö- unten) hervorgegangen, und Teilnehmer dienig, die von 44 Berliner Gelehrten und Ver- ser Gruppierungen (so auch Reimer, Schleiwaltungsbeamten unterzeichnet war (u. a. von ermacher, Arndt, Steffens u. a.) würden nunSavigny, Schleiermacher, Reimer, Nicolovi- mehr die Burschenschaften und deren Mordus, de Wette, Marheineke, Solger, Stägemann, pläne unterstützen (dokumentiert in Reetz, Beuth, Schinkel), der König möge gegen sol- S. 296 ff., 366 ff., 383 sowie: GStA PK, I. HA che Verleumdungen wie die von Schmalz Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 40, Bd. 2). einschreiten, wurde der Streit per Anweisung verboten, forderte Niebuhr doch das Recht Struktur und Organisation: Es ist unverauf politische Parteien, stilisierte Schleierma- kennbar, dass sich die Organisationsprinzipicher den König zum Vorkämpfer der Verfas- en an überkommenen Freimaurerstrukturen sung und wurde der König aufgefordert, im ausrichteten (Kammern als kleinste Einheiten, Streit Partei zu ergreifen. Eine königliche Or- Abteilungen als inhaltliche Tätigkeitsbereiche, dre vom 6. Januar 1816 verbot alle weiteren hierarchische Gliederung von unten nach Publikationen zum Thema in Preußen (zum oben). Eine Akzentänderung bedeutete aber Streit insgesamt: Stettiner, Dann, Wolfes). der stärker auf Wählbarkeit und somit demoUnd noch ein Nachspiel hatte dieser mittler- kratischer ausgerichtete Modus. Vor allem: weile mythisierte Tb und zwar beim Wart- Aufgrund seines überspannten Ziels, dem burgfest 1817. Beim zwiespältigen Auto- Staat und der Kirche gegenüber eine komdafé wurden auch Schmalzsche Broschü- plette Gegengesellschaft aufzubauen, wies der 602

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Tb äußerst umfangreiche Strukturen auf, die sowie Erarbeitung pädagogischer Literatur); sich letztlich als völlig überkomplex und un- Volksbildung (unterteilt in Kirchenzucht, öfrealisierbar erwiesen. In der Praxis wurden fentliche Spiele und Feste sowie Aufklärung); sie sofort ad absurdum geführt. Den Statuten Volkswohlstand (unterteilt in Landwirtschaft, vom 28. Juli 1808 zufolge war folgendes, hier Manufakturen und Gewerbe sowie Hanstark vereinfacht wiedergegebenes Verfahren del); äußere Polizei; innere Polizei und Ausgeplant: Die 50 ersten Mitglieder aus Königs- breitung. Finanziert werden sollte der Verberg bilden den Stammverein. Sie erwählen 5 ein durch monatliche Beiträge nach freiem Geschäftsführer und einen Wächter über die Ermessen; in Königsberg kam es aber auch Satzungen (Zensor), den sogenannten Rat. zu Schenkungen und Zusatzfinanzierungen Dieser hätte umgehend Zweiggründungen durch Musikaufführungen und den Verkauf an anderen Orten einzuleiten. Denn in wich- weiblicher Handarbeiten. Als Festtage galten tigen Provinzhauptstädten Preußens sollten der Stiftungstag der Gesellschaft, der Königssogenannte Hauptkammern entstehen, die geburtstag und der Krönungstag, sie sollten wiederum regionale Ableger zu bilden hät- durch Reden, Musik und Mahlzeiten festlich ten, sogenannte Nebenkammern – alle wie- begangen werden. Für Treffpunkte bürgerten derum mit je sechs Räten. Beim Vorhanden- sich in den ca. 25 Hauptkammern bei kleinesein von 1060 Mitgliedern in einer Provinz ren Kammern Privatwohnungen ein, größewürde eine sog. Provinzialkammer errichtet, re Vereine nutzten Restaurants oder Festsäle. von denen insgesamt vier entstehen sollten: Berlin für die Marken, Breslau für Schlesien, Mitglieder: a) preußenweit: In Königsberg Stargard oder Stettin für Pommern, Königs- gab es einen Kreis von zehn bis 15 engeberg für Ostpreußen. Diese vier Kammern ren Gründungsmitgliedern, der bald auf 20 wählen schließlich die sieben Mitglieder des anwuchs. Es war ein reiner Männerverein Hohen Rats – des höchsten Leitungsorgans (Mindestalter 18 Jahre); Frauen waren explizit des Vereins. Diese Mitglieder stehen für sie- ausgeschlossen, Juden durch bestimmte Forben nochmals zu erwählende Funktionen: mulierungen indirekt. Preußenweit stellten oberster Gewalthaber, oberster Sittenrichter, mittlere Beamte aus dem Bildungsbürgertum, Oberrichter, zwei Räte für Gesetzgebung, Besitzbürger, niedere Militärs und Kirchenzwei Vollziehungsräte. Sie gliedern sich in leute den Hauptteil der Mitgliedschaft. Auch drei Departments: Vollziehungskammer (3), Adlige waren vertreten (zu rund einem FünfGesetzkammer (3) Generalzensorat (1). Der tel), hier vor allem der staatsnahe sogenannVollziehungskammer steht der „Gewalthaber“ te Diplomadel, fast gar nicht der ‚Uradel‘. als oberster Repräsentant und oberste Instanz Eine vom 1. August 1809 stammende zentrades Vereins vor. Leitungsfunktionen werden le Mitgliederliste, die allerdings bei dem Auf nach Wahl-, teilweise auch durch Losmo- und Ab der Ortsvereine und einer üblichen dus vergeben, wobei unterschiedliche Funk- Mitgliederfluktuation nicht vollständig ist (in 193  ff.), verzeichnet für ganz tionen unterschiedliche Rhythmen bedingen. Lehmann, S.  Auf jeder Hierarchiestufe (Nebenkammern, Preußen 738 Mitglieder in 25 Kammern Hauptkammern, Provinzialkammern, Hoher (und für die Berliner Kammer richtigerweiRat) gibt es zudem je sechs Geschäftsbereiche, se vier). Fast die Hälfte der Kammern befand die sich zumeist wiederum in Unterbereiche sich in Schlesien, rund ein Viertel je in Ostgliedern. Diese wären die eigentlichen inhalt- preußen und in Pommern. Für die Marken lichen Arbeitsfelder der Mitglieder und zwar: östlich und westlich der Oder gab es ledigErziehung (unterteilt in körperliche Erzie- lich Kammern in Frankfurt/Oder und Berlin. hung, wissenschaftliche und sittliche Bildung Von Provinz zu Provinz war ein Sozialgefäl603

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le bemerkbar. In Ostpreußen waren Offiziere bereite bürgerliche und adlige Dissidenten. stark vertreten, in Schlesien hingegen, einer Denunziationsquellen zufolge distanzierten gut entwickelten Industrieregion, vor allem sich republikanische Fraktionen des deutschen Bürgerliche, Besitzbürger und Handwerker. Bundes sogar ausdrücklich vom Tb, weil dieDie Sozialstruktur in Berlin wies wieder- ser zwar für die Ideale bürgerlicher Emanzium andere Züge auf: fast durchgehend nie- pation eingetreten, letztlich aber vom Bedere Beamte oder Staatsangestellte. – b) in kenntnis zur Monarchie nicht abgewichen Berlin: Hans Georg Jacob v. Ahlefeldt (Re- war (Mannsdorf, S. 136). Für die Forschung gierungsrat; nur kurzzeitig Mitglied); Fried- gelegentlich irreführend erwies sich, dass der rich Wilhelm Gubitz (Verleger und Profes- Tb in seinen Statuten von 1808 auch studensor an der Kunstakademie; nur kurzzeitig ak- tische Ablegervereine unter dem Namen „der tiv); Karl Friedrich Ludwig Jochmus (Ge- deutsche Bund“ vorgesehen hatte (§ 34). Entheimsekretär); Joly (Geheimsekretät); Kufahl weder gab es bei Friesen, Jahn und Anderen (Sekretär); Hahn (Geheimsekretär); ab De- bei der Gründung ihrer Geheimorganisation zember 1808 zugezogen: Georg Friedrich einen ebenso gezielten wie verfremdenden Baersch (Militär; ausgeschlossen vom Kö- Rekurs auf diese Vorlage, oder diese Namens­ nigsberger Stammverein im Frühjahr 1809). ähnlichkeit ist im Zug einer generellen natio– c) zur Berliner Kammer gehörend (aber nalistischen Emphase rein zufällig gewesen. außerhalb Berlins angesiedelt): Wienkopp Zwar ist das prominente Bundesmitglied Jo(Pächter, Bornstädt); Schönermarck (Justiz- hann August Zeune, entgegen manchen Darrat, Wusterhausen/Dosse); Herrmanni (Pre- stellungen, nie Mitglied des Tb gewesen. Sie diger oder Kaufmann, Sievendorff); Schrötter stützen sich auf Verhöraussagen Jahns (der oder Schroeder (Holzin­spektor, Hohenofen). entweder nicht richtig informiert war oder – d) Sympathisanten: In Berlin gab es kei- mit einer Falschaussage bestimmte Zwecke ne Symphatisanten des nominellen Tb, dafür verfolgte, vgl.: GStA PK, I. HA Rep. 77, umso mehr des imaginierten Geheimbundes. Tit. 17 Gen, Nr. 21, Bd. 2, Bl. 14 f.). Aber mindestens eine personelle Überschneidung Querverweise auf andere Vereine und Ge- zwischen Tb und deutschem Bund ist nachheimorganisationen: deutscher Bund so- weisbar: Johann Ernst Theodor Janke war wie Fechtbodengesellschaft: Zu der im Jahr Mitglied des Königsberger Stammvereins ge1808 in Berlin gegründeten  Fechtbodenge- wesen und trat im Oktober 1811 in Berlin in sellschaft und zum im November 1810 in Ber- den deutschen Bund ein. Er wirkte ab 1812 als lin gegründeten  deutschen Bund bestehen einer derjenigen, die die gewünschten Märnur marginale personelle Verbindungen. In- chen eines Zusammenhangs von Tb, deuthaltlich gab es zwar gewisse gemeinsame Zie- schem Bund und anderen Umsturzvereinigunle. Aber der Tb als Ganzes hatte weder gezielt gen lieferten. – Deutsche Tischgesellschaft: paramilitärische Ambitionen, noch wurde Zur im Januar 1811 gegründeten  Deutdort ein vehementer Nationalismus gehegt schen Tischgesellschaft bestehen keine perso(denn er hatte, als dezidiert ‚patriotische‘ Ver- nellen Verbindungen. Inhaltlich gab es Geeinigung, hauptsächlich ein Aufleben Preu- meinsamkeiten, so die Idee nationaler Erßens im Auge). Auch wirkte er niemals ge- tüchtigung und eine antifranzösische Halzielt als Geheimbund. Ohnehin gab es eine tung. Der Ausschluss der Juden erfolgte hier tendenziell andere Sozialstruktur. Beim deut- nicht indirekt wie beim Tb, sondern direkt. schen Bund handelte es sich nicht, wie beim Es bestanden aber drei gravierende UnterTb, um zumeist staatsnahe Verwaltungsbeam- schiede. Die Tischgesellschaft war von Intelte mit Karriereabsichten, sondern um risiko- lektuellen dominiert, war von Adligen getra604

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gen und war explizit monarchistisch orientiert. Gerade letzteres stand mehr oder weniger im Gegensatz zu den in den Statuten des Tb fixierten bürgerlichen Reform- und Vermittlungsidealen. – Das „Comité“: Ein Phantom: Seit Henrich Steffens Was ich erlebte (1842) geistert ein in Berlin seit Ende 1808 bis ca. Frühjahr 1809 tätiges „geheimes Comité“ durch die Forschungslandschaft. Es wäre geleitet gewesen von Ludwig August Friedrich Adolf v. Chasôt (Militärkommandant Berlins von Dezember 1808 bis Mai 1809) und hätte vor allem die Aufgabe gehabt, in Norddeutschland Informationen über französische Militärpräsenz und Truppenbewegungen zu sammeln und in dechiffrierten Briefen nach Berlin zu übermitteln; erwogen war u. a. aber auch die Entführung des Königs von Westfalen, Jérôme Bonaparte. Seit dem 19. Jahrhundert wird dieses „Comité“ als Teil eines u. a. auch von England aus unterstützten Netzwerks angesehen und immer wieder mit der Arbeit des Tb in Verbindung gebracht. Steffens hat wesentliche Zusammenhänge allerdings nicht gekannt, und die, die er kannte, mit anderen Sachverhalten verwechselt (seine autobiographischen Angaben waren, wie er ausdrücklich vermerkte, rein aus der Erinnerung geschrieben). Denn erstens wusste er gar nicht, dass v. Chasôt von Dezember 1808 bis Mai 1809 der Leiter eines von sieben regionalen „Directorien“ einer preußenweit organisierten geheimen Aufstandsorganisation war (Denkschrift v. Scharn­ horsts, ca. August 1808, in: Scharnhorst, S. 436 ff.), so dass Steffens als geheimer Mitarbeiter wohl tatsächlich davon ausgehen musste, dass seine unmittelbaren Kontaktpersonen in Berlin eine eigenständige Institution bilden würden. Zweitens führte er dafür offenbar irrtümlich den Begriff „Comité“ ein. Das Deutsche Comité aber wurde erst später gegründet, nämlich im Juni 1812 in Russland auf Initiative v. Steins (und auch unter Mitarbeit v. Chasôts). Das Ziel bestand darin, Widerstand gegen die napoleonische Besetzung

Abb. 117  Dechiffriertes Schriftstück eines französischen Gesandten über die gefährlichen Umtriebe des Tugendbundes aus Gruners Depeschensammlung.

durch Aufstellung einer von England bezahlten deutschen Legion in Russland sowie durch Kontakte zu ‚Widerständlern‘ wie Schleiermacher, Luden, Heeren, Steffens zu befördern. Der Tb sowohl in Berlin als auch in toto hatte definitiv weder mit v. Scharnhorsts Netzwerk von geheimen Provinzialdirektorien etwas zu tun, noch mit dem viel später und erst nach Verbot des Tb gegründeten Deutschen Comité. – Das Grunersche Propaganda- und Spionagenetz: Gelegentliche Vermutungen, der Tb sei in das Grunersche Netzwerk involviert gewesen, entbehren jeder faktischen Grundlage. Gruner war anfangs ein sehr zahmer Reformer und auf seine Weise nicht zuletzt Karrierist (ab März/ April 1809 Polizeipräsident von Berlin und Chef der Geheimen Polizei in Berlin; ab Januar 1811 Chef der gesamtpreußischen geheimen Polizei). Anfangs tat er sich auch in der – allerdings wohlwollenden – Bespitzelung von Widerstandszirkeln hervor. Vorerst lavierte er und wollte es sich mit keiner Seite verderben. Erst im Lauf der Jahre radikalisierte er sich (Ausscheiden aus preußischen Diensten im März 1812, Verhaftung in Österreich im August 1812). Ab wann tatsächlich dieses antifranzösische Grunersche Netz entstand und wirkte, ist bisher nicht exakt geklärt worden, denn beim erwähnten Ausscheiden vernichtete er viele diesbezügliche Materialien. Man kann aber davon ausgehen, 605

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dass erst mit dem Aufbau einer gesamtpreußischen Geheimpolizei unter seiner Leitung (ab Januar 1811) und mit dem Entstehen der intensiven Freundschaft zu v. Gneisenau (ab Februar 1811) dieses Netzwerk aufgebaut wurde. Ein späterer Denunziationsbericht über Gruner von einem einstigen engen Mitarbeiter gibt sogar an, dass Gruner erst im August 1811 die Fronten wechselte, und erst seit dieser Zeit nicht mehr antifranzösische Fraktionen ausspähte, sondern Truppenbewegungen der Franzosen. In jedem Fall verfolgte er dieses Ziel nach seinem Abschied aus preußischen Diensten und seiner Übersiedlung nach Prag. Zu keinem dieser betreffenden Zeitpunkte war der Tb noch existent. Wenige radikale Mitglieder des Tb können zwar auch für Gruner gearbeitet haben; Rückschlüsse auf den Tb als ganzen mit seinen preußenweit ca. 750 Mitgliedern erlaubt das jedoch nicht. Und eine Gegenprobe ist möglich. Durch Gruners Verhaftung konnte sein Netzwerk fast vollständig aufgedeckt und die entsprechenden Zuträger belangt oder verhaftet werden. Ein Vergleich der betreffenden Personen (Liste in Fournier 1912; in Berlin u. a. Friesen, Eichhorn, Reimer) und der von Lehmann abgedruckten Gesamtmitgliederliste zeigt, dass von ehemaligen Mitgliedern des Tb wohl nur der Glogauer bzw. Lübener Kammersekretär Gottlieb Gärtner dazu gehörte. – Reimersche und v. Chasôtsche Kreise: Wie oben erwähnt, werden nicht selten die  Berliner Kreise um Reimer mit dem Tb in Verbindung gebracht. Das erweist sich als nicht haltbar. Diese Reimerschen Kreise um 1808/10 können in drei Zirkel untergliedert werden: weiterer, enger und engster Zirkel; nach v. Chasôts Ankunft in Berlin im Dezember 1808 muss man wohl von Reimerschen und v. Chasôtschen Kreisen sprechen. Im engen und im engsten Reimerschen Zirkel ist nach Bardelebens Werbungsfahrt nach Berlin Anfang August 1808 tatsächlich diskutiert worden, ob man dem Tb beitreten solle. Man nahm Abstand, weil Bardeleben für die eher 606

unpolitische und freimaurerische Variante eines Bundes stand, und weil diese Akteure um Reimer (Schleiermacher, Eichhorn u. a.) sich nicht einer inneren und äußeren Kontrolle – wie sie durch formalisierte Vereine natürlich generell möglich ist – aussetzen wollten. Immerhin gab dieses Anerbieten Bardelebens den Anlass, dass Schleiermacher Ende August nach Königsberg reiste, um sich genauer über den Tb und über Widerstandspläne generell zu informieren. Diese Reise bestärkte Schleiermacher in seinen Vorbehalten gegenüber dem Bund. Als der neue Werber Baersch im Dezember 1808 erneut an Schleiermacher wegen einer Mitgliedschaft und der Gründung einer Ortsgruppe herantrat, lehnte dieser wiederum ab (siehe oben). – Charlottenburger Verein: Der ab 1811 bis zum Frühjahr 1812 bestehende Zirkel preußischer Spitzenreformer um v. Chasôt, der nach seiner Entlassung als Berliner Militärkommandant gelegentlich in Charlottenburg wohnte und dort unter dem gefälschten Namen Richter firmierte, hatte keine Verbindung zum Tb. Dieser Zirkel war gleichfalls eine informelle und subversive Gruppierung, die gewisse personelle Überschneidungen mit den Reimerschen Zirkeln aufwies. Als führender Kopf wird v. Chasôt angesehen; gelegentlich auch v. Boitzenburg, ein Schwager v. Steins. Ziel dieser Gruppierung war es, Allianzen mit England zu beraten, Kurierdienste zu organisieren und Waffenkäufe zu planen. Da es Vorbehalte der Reimerschen Kreise gegenüber dem Tb gegeben hatte und auch die einst in Königsberg verankerten Spitzenreformer sich gleichfalls gegenüber dem Tb reserviert gezeigt hatten, gab es keine personellen und nur unspezifische inhaltliche Überschneidungen mit dem mittlerweile aufgelösten Tb. Bibliographie: 1) Ungedruckte Quellen: GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen: Ministerium des Innern. Abt. II Polizeiabteilung, Sekt.  10b: Geheime Verbindungen. – GStA PK, I. HA Rep. 84, Tit. 8, Nr. 586a: „Der Sitt-

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Olaf Briese

Reimersche und v. Chasôtsche Kreise [RK / ChK] Name: Reimersche und v. Chasôtsche Kreise (u. a. schwer auseinander zu bringen. Und so komlesende und schießende Gesellschaft; Charlotten- men sie denn noch immer zusammen, freuen sich, wenn ihnen etwas gefällt, klagen und burger Verein). Gründung: Reimersche Kreise: um 1808; Er- schelten, wenn sie etwas verdrießt […]. Daß weiterung durch v. Chasôt: Ende 1808; Char- […] als der Feind noch im Lande blieb, und der Friede täglich auf das frechste gebrochen lottenburger Verein unter v. Chasôt: 1811. Auflösung: Reimersche Kreise als ‚enger‘ Zir- wurde, Männer vorzüglich von militärischen kel: Mitte 1810; Charlottenburger Verein: Früh- Einsichten, welche wegen ihrer persönlichen Verbindungen glauben konnten, daß man auf jahr 1812. Sitz: Reimersche und v. Chasôtsche Kreise: Rei- ihre stille Thätigkeit für gewisse mögliche Fälmers Haus Kochstraße/Ecke Friedrichstra- le rechnete, daß diese sich zusammenthaten, ße (Realschulbuchhandlung) sowie Reimers um für eben diese Fälle dies und jenes vorzuSommerwohnung im Tiergarten (Charlot- bereiten und einzuleiten, das kann niemand tenburg); Charlottenburger Verein: v. Chasôts anders als loben. Thaten sie es doch auf ihre Gefahr und war doch an keinen Misbrauch Domizil in Charlottenburg. dabei auch nur als möglich irgend zu denken. Programmzitat: „Aber die andere Gesell- Ich rechnete mirs zur Ehre, als sie mich in ihschaft? […] Nun, wenn Sie mich nicht verra­ ren Kreis zogen, gewiß mehr um mir selbst then, und wenn Sie nicht gleich Gesez, Wa- einen erfreulichen Haltungspunkt mehr zu che und Strang rufen wollen: so will ich es geben, als daß sie viel von mir erwartet hätIhnen nur bekennen, sie besteht wirklich ten. Denn wenn ich gleich ganz in ihrem Sinnoch eben so, wie sie bestanden hat. Liebster ne war, so gestatteten mir meine VerhältnisFreund, wie hätte sie sich auch auflösen kön- se doch nicht, viel in diesem Sinne zu thun. nen? Man trat nicht hinein und nicht heraus, Ich wage auch nicht, mich den Andern gleich da war keine Aufnahme, keine Obern, keine zu stellen, da sie alle ohne Ausnahme, auch Form, keine Statuten, die sie aufheben, kei- die nicht vorher schon Soldaten waren, herne Eide, die sie zurückschwören, keine Insi- nach, als es wirklich galt, für den König und gnien, die sie verbrennen konnte, keine Pa- die Befreiung des Vaterlandes, ihr Leben darpiere, die vernichtet werden mußten, damit an gewagt, und manche Theure es auch gesie nicht in unrechte Hände kämen. Die Leu- opfert haben. Auch in einem äußeren Sinne te waren ja leider nur durch Vaterlandsliebe kann ich nicht von Mitgliedschaft reden, da und durch gegenseitiges Vertrauen verbunden durchaus keine Form bestand, und es wirklich und solch idealisches Gesindel ist entsezlich mehrere Personen gab, von denen ich nicht 609

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zu sagen gewußt hätte, ob sie Mitglieder waren oder nicht, weshalb ich denn auch diesen Ausdruk ganz vermeide. Das aber weiß ich, daß ich nie bei meiner Theilnahme an ihren Zusammenkünften auch nur das leiseste Gefühl gehabt habe, als handelte ich meinem Grundsaz entgegen, nie in eine geheime Gesellschaft zu treten“ (F. Schleiermacher an den Herrn Geheimenrath Schmalz, 1815, S. 28, 37 f.). Geschichte und Programmatik: Verglichen etwa mit dem  Tugendbund ist die Quellenlage zu den politisierten Kreisen um Georg Andreas Reimer (und alsbald um Ludwig v. Chasôt) sehr unsicher. Das hat hauptsächlich drei Gründe. Diese Kreise waren nicht institutionalisiert, denn es waren lose Gruppierungen. Offizielle Dokumente wie Satzungen u. ä. gab es deshalb nicht. Es gibt aber auch nur bedingt inoffizielle Dokumente wie Briefe und Tagebuchaufzeichnungen. Denn teilweise zwang die beabsichtigte Geheimhaltung zur Vorsicht. Darüber hinaus gibt es Dokumente, die teilweise fragwürdig sind: Nachträgliche Denunziationen und darauf fußende Untersuchungsberichte (dokumentiert bei Reetz). So ist vieles von dem, was die Reimerschen und v. Chasôtschen Zirkel ausmachte, heute wohl nicht mehr rekonstruierbar. Mit Blick darauf soll hier – im Sinn von durch Fakten aber durchaus gedeckten Vermutungen – die Geschichte dieser Kreise dennoch kurz skizziert werden. Dabei wird der Kreis um Reimer klar von dem Kreis geschieden, der alsbald von Untersuchungsbehörden als Charlottenburger Verein namhaft gemacht wurde. Denn auch die Reimerschen Zirkel betreffend, gibt es nicht selten Namensverwechslungen. Der nicht mit den Aktivitäten um Reimer zu verwechselnde Charlottenburger Verein war ebenfalls eine informelle und subversive Gruppierung, und zwar – siehe unten – der adligen preußischen Spitzenreformer. Deren Ziel war es, der sich abzeichnenden französisch-preußischen Zwangsallianz und dem damit geplanten 610

Abb. 118  Bildnis Georg Andreas Reimer von Gottlob Berger, Öl auf Leinwand.

Angriff auf Russland entgegenzuarbeiten. Ihre Zusammenkünfte dürften im Jahr 1811 begonnen haben, also erst nach dem Wirkungshöhepunkt der Reimerschen Kreise, und sie fanden ihr Ende im Frühjahr 1812. Reimersche Kreise: Was die Tätigkeit der Reimerschen Kreise oder Zirkel genau ausmachte, bleibt letztlich nach wie vor unklar. Man hat es offenbar mit drei Kreisen zu tun, die entweder zeitgleich oder auch mit einer gewissen Zeitversetzung wirkten: einem weiteren, einem engeren und einem engsten. – a) Zum weiteren – selbstredend ‚patriotisch‘ gefärbten – Kreis zählen wahrscheinlich viele intellektuelle Persönlichkeiten Berlins: Georg Andreas Reimer, Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, Barthold Georg Niebuhr, Johann Albrecht Friedrich Eichhorn, Johann Gottlieb Fichte, Karl Friedrich Friesen, Heinrich v. Kleist, Johann Gottfried Kiesewetter, u. a.; Außenverbindungen gab es auch zu Ernst Moritz Arndt und Henrich Steffens. Gegebenenfalls gehörten auch einige Ehefrauen oder Familienangehörige dazu. Hier wird gelesen,

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debattiert und gelegentlich eventuell auch mu- unmittelbare Feind fehlte. Andererseits waren siziert worden sein. Treffpunkte werden Rei- mit dem deutschlandweiten Scheitern vermers Haus Kochstraße/Ecke Friedrichstraße schiedener Rebellionen im Frühjahr 1809 pa(Realschulbuchhandlung), aber auch Reimers triotische Erwartungen ebenfalls nicht erfüllt Sommerwohnung oder deren Garten im Tier- worden. Darüber hinaus war mit dem Frieden garten (Charlottenburg) gewesen sein. Ten- von Schönbrunn (14. Oktober 1809) das zwidenziell handelte es sich um einen Männer- schenzeitlich in den Krieg getretene Österkreis. Mit weiblich dominierten patriotischen reich von Frankreich in die Knie gezwungen Salons hatte er nur entfernt Berührung. Wenn worden; es war mittlerweile eine Desillusionieein Zeitpunkt festgesetzt werden soll, wann rung eingetreten. Sie betraf nicht nur diesen aus Reimers Freunden und Bekannten ein sol- Zirkel. Überhaupt erlitten mit Österreichs cher tendenziell patriotischer Kreis geformt Niederlage die geheimen preußischen Kriegswurde, dann wäre das wohl Schleiermachers planungen zeitweilig einen erheblichen RückÜbersiedlung nach Berlin im Dezember 1807. schlag. Soweit zu sehen ist, wurde der Topos Der Höhepunkt der Wirksamkeit dieses Krei- „Verbindung“ überhaupt erst nachträglich von ses ist vor allem in den Jahren 1808/10 zu se- den Untersuchungsbehörden in die Welt gehen. – b) Zum engeren Kreis (lesende und setzt, um feste Strukturen zu unterstellen (die schießende Gesellschaft) gehörten mindestens es so nie gab). Reimer, Schleiermacher und wohl: Georg Andreas Reimer, Friedrich Dani- Arndt benutzten hingegen den Begriff ‚Gesellel Ernst Schleiermacher, Johann Abrecht schaft‘ (oder den Begriff ‚Verbindungen‘ im Friedrich Eichhorn, Stadtrat Friedrich Eckardt, Plural), und das bedeutete nicht Verbindung, Karl Alexander v. Bardeleben (nicht zu ver- Verein oder Bund, sondern ein fluktuierendes wechseln mit dem Tugendbündler), Leo v. soziales Beisammensein im Sinn geselliger ZirLützow (ein Bruder des späteren Freischärlers), kel. Den Begriff ‚Gesellschaft‘ benutzten sie Heinrich v. Hüser, v. Stosch, mindestens zwei also mit Bezug auf ‚Geselligkeit‘. So ist hier der Brüder v. Roeder sowie Ludwig v. Chasôt demzufolge keine „Verbindung“ zu beschrei(ab Dezember 1808). Denkbar ist auch – dazu ben, sondern die Genese eines Diskurses über weiter unten – dass der Gymnasiallehrer Fried- eine angebliche „Verbindung“ – ein Diskurs, rich Heinrich Wilhelm Lange dazu gehörte. der sich noch heute in der Forschung hartnäSchleiermacher sprach 1815 in seiner Bro- ckig hält, weil er liebgewordene Stereotypen schüre gegen Schmalz von „Männer[n] vor- bedient, deren nationalistische Herkunft nie züglich von militärischen Einsichten“; er befragt wurde. Die Genese dieser nationaliskönnte allerdings auch den Kreis um v. Chasôt tisch getönten Erfindung vollzog sich in mehgemeint haben. Die v. Roeders hatten vor, reren Schritten: Arndt, der von Weihnachten sich der v. Schill’schen Rebellion anzuschlie- 1809 bis Ostern 1810 in Berlin weilte, erwähnßen, nahmen aber in buchstäblich letzter Mi- te rückblickend in drei Briefen aus dem Jahr nute davon Abstand; Eichhorn und v. Lützow 1810 an Reimer diese Kreise: „Unsrer schiehingegen zogen mit v. Schill. Dieser Zirkel ßenden und lesenden Gesellschaft meinen wird sich im Verlauf des Jahrs 1808 verstetigt Gruß“, „Grüße die Schützenkompagnie von haben; sein vorläufiges Ende im engeren Sinn mir“, „Was Du mir von unsern Schützengedürfte auf das Jahr 1810 angesetzt werden. nossen geschrieben, freut mich unendlich“ Zwar bestanden Freundesbande noch weiter- (Arndt, 1972). Im Zuge der Demagogenverhin, aber der anzunehmende elementare mili- folgung wurden im Juli 1819 u. a. auch diese tärisch-subversive Elan dürfte vorerst verflogen Briefe bei Reimer beschlagnahmt. Bereits im gewesen sein. Einerseits war Berlin ab Ende September lag bei den Untersuchungsbehör1808 nicht mehr direkt französisch besetzt, der den ein umfangreiches Konvolut von Extrak611

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Abb. 119  E. Barth: Der Schützenplatz, Kupferstich.

ten aus diesen beschlagnahmten Papieren vor. Von April bis Juni 1820 liefen, wie ebenfalls gut dokumentiert ist, dann Verhöre mit Reimer und Personen aus seinem Umkreis. Daraus wurde im Juli wiederum ein Extrakt gefertigt, und darin hieß es mit Bezug auf Arndts betreffende Briefstellen: „Was alles auf eine engere Verbindung schließen und annehmen lässt: daß die Schützen-Gesellschaft wohl denselben Zweck gehabt haben möge, wie die im Jahr 1810 zu Berlin unter Friesens Leitung bestehende Fechtgesellschaft“ (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 21 Lit R, Nr. 1, Bl. 223). Auf Grundlage der vorliegenden Papiere und dieser Verhöraussagen wurde dann im Juli 1820 ein Fragekatalog für ein weiteres Verhör mit Reimer erstellt. Hier kam diese ominöse Gesellschaft ganz zuvorderst ins Spiel, und bereits die zusammengefassten Fragen drei, vier und fünf zielten auf sie: „Wer ist die lesende- und 612

schießende, ‚die Schützen-Gesellschaft‘ u.s.w. die Arndt hier grüßen lässt?“ (ebd., Bl. 274). Das erneute Verhör Reimers ließ aber auf sich warten, wohl deshalb, um aus anderen laufenden Untersuchungen noch andere ihn belastende Materialien zusammenzutragen. Am 4. Juni 1821 kam es schließlich zu diesem zweiten Verhör, und der Verhörte entgegnete auf die oben angeführte Frage: „Die hier erwähnte lesende und schießende Schützengesellschaft ist eine Gesellschaft, welche vor 11. bis 12. Jahren hier bestand, und sich zuweilen im Schießen auf dem hiesigen Schützenplatz übte und zusammen den Herodot las; es gehörten zu derselben außer dem Oberst von Bardeleben, dem Major von Hüser, welche beide hier sind, der Justizrath Eckard[t], welcher [im Felde] geblieben ist und andere, die ich mir nicht besinne, auch Arndt hatte manchmal, jedoch nicht oft, an den Zusammenkünften dieser

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Gesellschaft theil genommen“ (ebd., Bl. 345 f.). Aus dieser Antwort ist abzulesen, dass schon Arndt „schießend“ und „lesend“ adjektivisch nutzte, also keinesfalls im Sinn eines Eigennamens. Die Ermittlungsbehörden hatten allerdings ein Interesse, einer möglichen festen Struktur nachzugehen. Sie unterstellten – siehe oben – eine „Verbindung“ ähnlich der  Fechtbodengesellschaft. Reimer seinerseits bestätigte – siehe oben –, dass es sich allenfalls um eine lose „Gesellschaft“ im Sinn eines Zirkels gehandelt habe, und selbst der offizielle Aktenvermerk machte daraus keinen Eigennamen. Ohnehin wurde die betreffende Untersuchung wegen des Verdachts demagogischer Umtriebe gegen Reimer alsbald eingestellt. Erst spätere, nationalistisch-tendenziöse Forschungen konstruierten aus Arndts Briefzeilen und diesen wenigen Aktenvermerken eine bzw. zwei Vereinigungen mit einem Eigennamen – noch dazu in Großschreibung. Was im Beitrag zum  Tugendbund kritisch über eine Kaskade von Mythenbildungen über die sogenannten Befreiungskriege und ihr Vorfeld angeführt wird, gilt auch hier: Was einmal aufs Papier gelangte, muss nicht immer der Realität entsprechen. Es gab keinerlei „Verein“ oder „Vereine“ um Reimer, es gab keine „Lesende Gesellschaft“, keine „Schießende Gesellschaft“, es gab lediglich sich überschneidende gesellschaftliche Zirkel, die sich auch lesend und schießend betätigten. Eine gewisse zeitliche Eingrenzung ist möglich: Reimer datiert das Geschehen des „Lesens“ und „Schießens“ bei seinem Verhör auf elf oder zwölf Jahre zurück, also in die Zeit 1809/1810. Das deckt sich mit den 1840 vorgelegten Erinnerungen Arndts über die Zeit Ende 1809/Anfang 1810: „Doch ging ich zuweilen mit in das Schützenhaus, wo mein Freund [Reimer] und mehrere gute Gesellen sich im Schießen mit Büchsen und Pistolen übten, der Gesinnung und Hoffnung, sie würden diese Fertigkeit einmal gegen den Reichsfeind gebrauchen können“. Dazu kann ergänzt werden, dass in Reimers Tagebüchern immer wieder von Waffenkäufen und Schieß-

übungen berichtet wird (Fouquet-Plümacher, S. 7). Das war wohl eine private Initiative, aber bei dem patriotischen Anstrich, den diese Schießübungen hatten, können weitere eventuelle Hintergründe mit in Betracht gezogen werden. Möchte man eine – zugegebenermaßen letztlich nicht zu belegende – Vermutung wagen, können diese Schießübungen zwischenzeitlich unter die Regie v. Chasôts gelangt sein. Dieser war von Dezember 1808 bis Mai 1809 militärischer Stadtkommandant Berlins. Auch er sorgte im Auftrag v. Scharnhorsts für die illegale Aufrüstung des Heers u. a. durch Waffenkäufe. Insbesondere bestellte und kaufte er illegal bei der Berliner Firma Schickler ab Februar 1809 teilweise veraltete Waffen (dazu: Treue, S. 275; Scharnhorst, S. 356–358, 466 f., 492 f., 509–511, 535, 542, 568 f.). Mit Hinblick darauf erlangen Schießübungen einen gegebenenfalls anderen Sinn – entweder im Berliner Schützenhaus, wie Arndt es nahelegt, oder auf dem Schützenplatz, wie Reimer angibt. – c) Weiterhin kann angenommen werden, dass sich Mitte des Jahrs 1808 zeitgleich zu diesem letzteren Kreis – dem der lesenden und schießenden Gesellschaft – ein nochmals kleinerer (und somit dritter) und engster Zirkel konstituierte: der der unmittelbaren selbsternannten „Verschwörer“ mit der Kernzelle Georg Andreas Reimer, Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, Heinrich v. Hüser, Karl Alexander v. Bardeleben, Leo v. Lützow, Brüder v. Roeder und Johann Albrecht Friedrich Eichhorn. Möglich wäre allerdings auch, dass es gar keine unbedingte zeitliche Parallelität der drei genannten Kreise gab, sondern dass sich um diese nur kurzzeitig bestehende militante Kleingruppe erst nach dem Sommer 1808 allmählich die größeren „schießenden“ Zirkel bildeten. Auf diese Kleingruppe von Verschwörern geben einige konspirativ gehaltene Briefe Schleiermachers bestimmte Hinweise (die einer gewissen Komik nicht entbehren, da der Adressat Reimer antwortete, dass diese Briefe ob aller Verschlüsselungen gar nicht mehr lesbar seien); auch autobiographi613

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sche Aufzeichnungen v. Hüsers weisen auf und er wurde – wie ebenfalls Eichhorn und diesen Kreis hin. Offenbar verfolgte dieser Schleiermacher – 1812 durch Gruner von Kreis in einer relativ kurzen Phase das Vorha- Prag aus für sein Propaganda- und Spionageben, auf konspirative Weise antifranzösische netz als einer der Agenten für Berlin geführt. Sabotage, Entführungen und Attentate zu or- 1813 meldete er sich zur neu gegründeten ganisieren. Dieser engste Kreis mit seinen un- Landwehr, wurde nach Bewährung im Kampfe ausgegorenen Verschwörungstheorien wird in zum Offizier ernannt, kam 1814 mit den diesem Sinn wohl nur wenige Wochen des Truppen bis nach Brüssel und Amsterdam, geSommers 1808 bestanden haben. Hüser be- riet alsbald in den Fokus der Demagogenverrichtet von eher enttäuschenden Sondierungs- folgungen. fahrten eines der Brüder v. Roeder nach Kö- Charlottenburger Verein: Von diesen drei nigsberg; zumindest eine davon könnte Mitte Kreisen zeitlich, personell und inhaltlich zu des Jahrs 1808 stattgefunden haben. Danach, unterscheiden ist der Charlottenburger Verein im August 1808, ergab sich die geheimnisvoll (der ebenfalls kein nomineller Verein war). Aus gehaltene Werbung Bardelebens für den Tu- Bespitzelungsakten und nachträglichen Regendbund in Berlin und Schleiermachers kon­ konstruktionsversuchen der Demagogenverspirative (und letztlich desillusionierende) Rei- folgung ab 1819 – die aber für die Forschung se nach Königsberg, um mehr über diesen Tu- grundsätzlich mit Vorsicht aufzunehmen sind gendbund und über preußische Widerstands- – kann auf die Existenz eines Charlottenburger kreise überhaupt zu erfahren. Das scheint der Vereins (besser: eines Zirkels) geschlossen werHöhepunkt und das Ende der erträumten pat- den. Er soll 1811 in Charlottenburg, einem riotischen Aktivitäten dieser ‚Zelle‘ gewesen der vorübergehenden Wohnorte v. Chasôts, zu sein, die eher von einer kurzzeitigen Auf- bestanden haben, wo dieser zur betreffenwallung getragen war, als von gezielter Pro- den Zeit unter dem gefälschten Namen Richgrammatik. Wer wirklich zu diesem allenfalls ter firmierte (v. Chasôt war, siehe oben, einer sehr kleinen Patriotenkreis gehörte, kann nicht der engsten Mitarbeiter v. Scharnhorsts, war mehr präzise ermittelt werden. Dessen Pläne Mitte 1809 nach Maßregelungsversuchen aus wirken, von einer heutigen Außenperspektive dem Militärdienst ausgeschieden, organisierte her gesehen, zwar dilettantisch und teilweise aber anschließend als ‚Privatier‘ im Auftrag v. geradezu albern, aber sie folgten einer be- Scharnhorsts internationale Beziehungen und stimmten Logik: Es ging um das Etablieren ei- Waffenkäufe). Diese Gesprächsrunde entstand ner (tendenziell bürgerlich) geleiteten neuen in einer Phase, als sich ein Angriff Napoleons Macht in Preußen, einer bürgerlich orientier- auf Russland mit preußischem Beistand abten Intellektuellenmacht. Intellektuelle – nicht zuzeichnen begann, und man versuchte, dieselten bürgerlicher Herkunft wie Reimer, ses Zwangsbündnis zu verhindern. Die AkSchleiermacher und Eichhorn – wären die ten nennen als Teilnehmer: Ludwig v. Chasôt, Statthalter der Zukunft. Sie wollten nicht nur August Neidhardt v. Gneisenau, Karl Alexanden Eroberer Napoleon hinwegfegen, sondern der v. Bardeleben, Adam George Friedrich überkommene Gesellschaftsstrukturen an sich. v. Horn, Friedrich Abraham Wilhelm Graf v. Gerade Reimer, von dem Programmschriften Arnim-Boitzenburg, Friedrich v. Bärensprung, und Ähnliches nicht überliefert sind, weil er als Leo v. Lützow, v. Petersdorf, Hermann v. BoMann der Praxis wirkte, war deutlich ‚bürger- yen, v. Röder, Peter Heinrich v. Podewils, Jolich‘ und ‚national‘ radikalisiert. Folglich hatte hann Albrecht Friedrich Eichhorn, Friedrich er alsbald auch Verbindungen zur  Fechtbo- Daniel Ernst Schleiermacher, Stadtrat Frieddengesellschaft, zum  deutschen Bund und rich Eckardt, ab Spätsommer 1811 auch Justus zum  Charlottenburger Verein v. Chasôts, Gruner, für den Februar und März 1812 auch 614

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Ernst Moritz Arndt. Auch Reimer hat, seinen Verhöraussagen zufolge, daran teilgenommen: „Der Graf Chasot, welcher auf Antrag der Franzosen aus Berlin verbannt war, wohnte damals unter dem Namen Amtsrat Richter in Lützow (Charlottenburg) und ich und mehrere seiner Freude besuchten ihn zuweilen. Weiter ist mir von Zusammenkünften nichts bekannt und ich kenne keine Mitglieder derselben. Die Freunde, die ihn besuchten, waren aber, der verstorbene Graf Arnim von Boitzenburg, der Justizrath Eckart, Major Wilhelm v. Roeder, der jetzige Obristlieutenant v. Horn, der Obristlieutenant v. Bardeleben, der Präsident Gruner, und Andere; so fällt mir zB. noch der Kammerherr v. Podewils ein“ (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 46, Bl. 522 f.) Dieser Zirkel war ebenfalls eine informelle und subversive Gruppierung, und zwar adliger preußischer Spitzenreformer (sie wies aber gewisse personelle Überschneidungen mit ehemaligen oder noch bestehenden Reimerschen Zirkeln auf). Als führender Kopf wird v. Chasôt angesehen; gelegentlich auch v. Boitzenburg, ein dann alsbald verstorbener Schwager v. Steins. Ziel dieser Gruppierung war es, Allianzen mit England zu beraten, Kurierdienste zu organisieren und Waffenkäufe zu planen. Dabei fungierten die zwei Berliner Brüder Schickler institutionell als Mittler. Denn sie waren nicht nur – siehe ebenfalls oben – Pächter der Potsdam-Spandauer Gewehrfabriken und auf illegale Weise Waffenlieferanten für das preußische Heer, sondern sie wickelten über ihr Bankhaus, das ihr Hauptgeschäft darstellte, auch englische Zahlungen an Stein’sche Widerstandskreise ab (Johnston, S. 46). Diese lose Gruppierung war also Teil eines angezielten deutschlandweit und international operierenden antinapoleonischen Netzwerks. Als Anfang des Jahres 1812 tatsächlich die befürchtete französisch-preußische Zwangsallianz gebildet wurde, verließen führende Akteure dieses Kreises Berlin oder quittierten den preußischen Staatsdienst ganz und gingen ins Ausland. Weil nunmehr endgültig

klar war, dass aus dem Inneren Preußens heraus keine antifranzösische Politik zu machen war, hatte sich dieser Oppositionskreis erübrigt (vgl. insgesamt: Reetz und GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 40, Bd. 1, Bl. 33–35). Struktur und Organisation: Bei all diesen ‚Kreisen‘ handelt es sich um lockere Gruppen, keineswegs um feste Vereine oder Gesellschaften. Deshalb gab es keine Satzungen, keine Mitgliederlisten, keine Vereinsstrukturen. Nachträglich, im Zug der sogenannten Demagogenverfolgungen, versuchten preußische Verfolgungsbehörden zwar, entsprechende Strukturen namhaft zu machen, aber diese Versuche verebbten folgerichtig. Mitglieder: Alle drei bzw. vier Kreise wiesen aus den bereits umrissenen Gründen keine klar nachvollziehbaren Mitgliedschaften auf. Man wollte einfach nur als (geselliger) Zirkel wirken, oder man musste gegebenenfalls konspirativ sein. Der weitere Kreis des Reimer’schen Netzwerks bestand hauptsächlich aus Intellektuellen; der engere (lesende und schießende Gesellschaft) konstituierte sich vor allem aus Intellektuellen und Offizieren; zum engsten und wahrscheinlich nur sehr kurzfristig bestehenden Kreis von illusio­nären ‚Verschwörern‘, der nur im Sommer 1808 bestand, gehörten als Kern ebenfalls Intellektuelle und Offiziere. Hervorzuheben ist vor allem Eichhorn. Letzterer fiel nicht in das Raster der späteren Demagogenverfolgung und wird heute aufgrund seiner späteren herrschaftsloyalen Entwicklung – und auch aufgrund völlig fehlender Forschungsarbeiten zu ihm – zumeist nicht mit den damaligen Oppositionsbestrebungen in Zusammenhang gebracht. Aber die Briefe Arndts an Reimer, die Briefe Steffens’ an Schleiermacher und vor allem die autobiographischen Überlieferungen Steffens’ scheinen ihm eine zentrale Rolle in diesem engsten Kreis zuzuweisen; es gibt Anzeichen dafür, dass er als treibende Kraft wirkte. Für den später zusammen615

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kommenden Charlottenburger Verein unter v. Chasôt (1811/12) sind als Teilnehmer die ebenfalls bereits oben genannten adligen Reformer, Offiziere und Intellektuellen überliefert. Querverweise auf andere Vereine: Fechtbodengesellschaft sowie deutscher Bund: Reimer war Patriot, geleitet von einem selbstbewussten bürgerlichen Selbstverständnis. Sein Widerstand gegen die napoleonische Besetzung war bürgerlichen, staatsbürgerlichen und nicht zuletzt auch ökonomischen Interessen geschuldet. Aus diesem Widerstandsinteresse heraus suchte er und hielt er auch Verbindungen zu anderen Kreisen. Aus diesem Grund waren u. a. er und Eichhorn 1812 involviert in das von Prag aus operierende Gruner’sche Propaganda- und Spionagenetz. Und Friedrich Heinrich Wilhelm Lange, der im Spätsommer 1812 als Bote Gruners verhaftet wurde, hatte wohl auch zum Kreis der „Lesenden“ und „Schießenden“ gehört (denn Reimers Angabe – siehe oben –, man habe dort Herodot gelesen, verweist wahrscheinlich auf Langes Herodot-Übersetzung, die 1811/12 bei Reimer erschien). Ebenso hatte Reimer Verbindungen zur 1808 gegründeten  Fechtbodengesellschaft, denn deren Initiator Friesen soll auch zum Kreis der lesenden und schießenden Gesellschaft gehört haben (Ibbeken, S. 328). Das ist nicht unwahrscheinlich, denn Friesen, der heute meist nur als „Turner“ bekannt ist, war ein vielseitig und auch künstlerisch interessierter Intellektueller. Auch hielt Reimer Verbindung zum 1810 gegründeten, national orientierten Oppositionskreis  des deutschen Bundes um Jahn und Friesen. Bei allen Gemeinsamkeiten sind aber Unterschiede nicht zu übersehen. Reimer bewegte sich in intellektuellen bürgerlichen (und adligen) Zirkeln. Jahn hingegen hatte einen anderen und eher volkspädagogischen Hintergrund und sah vor allem den Kreis um v. Chasôt als ‚aristokratisch‘ an (vgl. Reetz, S. 371); Reimer gegenüber wird er aufgrund von dessen enger 616

Freundschaft zu Schleiermacher nur bedingt aufgeschlossen gewesen sein (hatte Schleiermacher doch Jahn am 9. April 1810 im Rahmen von fälligen Lehramtsprüfungen examiniert und festgestellt, dass Jahn nicht nur für die von ihm erhoffte Universitätsprofessur nicht infrage komme, sondern aufgrund fehlender Bildung für jeglichen Lehrdienst an höheren oder niederen Schulen ungeeignet sei, vgl. Bartmuß u. a., S. 188 ff.). Darüber hinaus – ein weiterer konzeptioneller Unterschied – orientierte Jahn sich nicht nur ‚patriotisch‘ auf Preußen. Der von ihm erhoffte Aufschwung Preußens war nur ein Element einer gesamtdeutschen Bewegung mit dem Ziel einer nationalstaatlichen Einigung. – Deutsche Tischgesellschaft: Mit der im Januar 1811 gegründeten  Deutschen Tischgesellschaft gab es bestimmte personelle Überschneidungen. Das zeigt an, dass es trotz der Programmatiken aller Vereine stets interdependente Beziehungen gab. Denn Programmerklärungen waren die eine Seite, die tatsächliche Praxis die andere. Man kann die Tischgesellschaft als adelsnahe Vereinigung ansehen. Die Frage, wie ein intellektueller – und adelsnaher – Verein dennoch national bzw. nationalistisch orientiert sein konnte, ist damit nicht beantwortet. Es ist davon auszugehen, dass auch hier ein Erneuerungsdruck wirkte. Denn in der Tischgesellschaft waren auch prominente Mitglieder (der einstigen oder aktuellen) patriotischen Reimerschen und v. Chasôtschen Kreise zugegen: v. Bärensprung, v. Bardeleben, v. Chasôt, v. Gneisenau, Eckardt, Eichhorn, v. Horn, Reimer, Schleiermacher. Tonangebend scheinen sie nicht gewesen zu sein, sie wollten wahrscheinlich für den Fall der Fälle mit elitären Kreisen in Verbindung bleiben. Möchte man ihre Biographien allein auf patriotischen Widerstand reduzieren, waren sie somit das, was man modern als ‚Schläfer‘ bezeichnet. Aber dieser patriotische Aspekt sollte keinesfalls überbewertet werden. Denn man hat es, was die Kreise um Reimer betrifft, mit vielgestaltig orientierten Intellektuellen zu tun, nicht

Reimersche und v. Chasôtsche Kreise [RK / ChK]

mit Widerstandskämpfern von Berufs wegen. gründen der Demagogenverfolgung. Waltrop Sie waren, als Intellektuelle, vielfältig vernetzt 2002. – Scharnhorst, Gerhard v.: Private und und agierten in ganz verschiedenen Intellek- dienstliche Schriften. Bd. 5: Leiter der Milituellengruppierungen. So gehörten wichtige tärorganisation (Preußen 1808–1809). Hg. v. Akteure der Reimerschen Zirkel auch zu der Johannes Kunisch. Köln, Weimar, Wien 2009. am 4. November 1809 unter der Beteiligung – [Schleiermacher, Friedrich]: F. SchleiermaSchleiermachers gegründeten, der Tendenz cher an den Herrn Geheimenrath Schmalz. bzw. der Oberfläche nach unpolitischen  Auch eine Recension. Berlin 1815. – Schmalz, (zweiten) Gesetzlosen Gesellschaft. Zu erwäh- [Theodor]: Berichtigung einer Stelle in der nen wären u. a. Reimer, Eichhorn und Nie- Bredow-Venturinischen Chronik für das Jahr buhr (adlige Offiziere des Kreises traten aber 1808. Ueber politische Vereine, und ein Wort meist erst 1816/17 dieser Gesellschaft bei). über Scharnhorsts und meine Verhältnisse zu ihnen. Berlin 1815. – Steffens, Henrich: Bibliographie: 1) Ungedruckte Quellen: Was ich erlebte. Aus der Erinnerung niederGStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen: Mi- geschrieben. Bd. 6, Breslau 1842. – Ulmann, nisterium des Innern. Abt. II Polizeiabteilung, Heinrich: Graf Chasot inmitten der preußiSekt. 10b: Geheime Verbindungen. – 2) Ge- schen Erhebungspartei im Jahre 1811. In: Fordruckte Quellen: Arndt, Ernst Moritz: Er- schungen zur brandenburgischen und preuinnerungen aus dem äußeren Leben. Leip- ßischen Geschichte, 14 (1901), S. 141–150. – zig 1840. – Arndt, Ernst Moritz: Briefe. Hg. 3) Darstellungen: Dann, Otto: Geheime Orv. Albrecht Dühr. Bd. 1, Darmstadt 1972. – ganisierung und politisches Engagement im Bartmuß, Hans-Joachim / Kunze, Eberhard / deutschen Bürgertum des frühen 19. JahrUlfkotte, Josef (Hg.): Turnvater Jahn und sein hunderts. Der Tugendbund-Streit in Preupatriotisches Umfeld. Briefe und Dokumen- ßen. In: Geheime Gesellschaften. Hg. v. Peter te 1806–1812. Köln, Weimar, Wien 2008. – Christian Ludz. Heidelberg 1979, S. 399–428. Gruner, Justus v.: Die geheime polizeiliche – Düding, Dieter: Organisierter gesellschaftÜberwachung des Generals von Scharnhorst licher Nationalismus in Deutschland (1808– im Jahre 1812. In: Forschungen zur bran- 1847). Bedeutung und Funktion der Turnerdenburgischen und preußischen Geschich- und Sängervereine für die deutsche Nationalte, 23 (1910), S. 146–154, 546–548. – [Hü­ bewegung. München 1984. – Fouquet-Plüser, Heinrich v.]: Denkwürdigkeiten aus dem macher, Doris: Jede neue Idee kann einen Leben des Generals der Infanterie von Hü- Weltbrand anzünden. Georg Andreas Reiser, größtentheils nach dessen hinterlasse- mer und die preußische Zensur während der nen Papieren zusammengestellt und heraus- Restauration. Frankfurt/M. 1987. – Heitzer, gegeben von M. Q. Mit e. Vorw. v. Prof. Dr. Heinz: Insurrectionen zwischen Weser und Maurenbrecher. Berlin 1877. – Ibbeken, Ru- Elbe. Volksbewegungen gegen französische dolf: Preußen 1807–1813. Staat und Volk als Fremdherrschaft im Königreich Westfalen Idee und Wirklichkeit (Darstellung und Do- (1806–1813). Berlin (Ost) 1959. – Johnston, kumentation). Köln, Berlin 1970. – Niebuhr, Otto W.: Der deutsche Nationalmythos. UrB[arthold] G[eorg]: Ueber geheime Verbin- sprung eines politischen Programms. Stuttgart dungen im preußischen Staat, und deren De- 1990. – Kraus, Hans-Christof: Theodor Annunciation. Berlin 1815. – Reetz, Dankfried: ton Heinrich Schmalz (1760–1831). JurispruSchleiermacher im Horizont preußischer Po- denz, Universitätspolitik und Publizistik im litik. Studien und Dokumente zu Schleierma- Spannungsfeld von Revolution und Restauchers Berufung nach Halle, zu seiner Vorle- ration. Frankfurt/M. 1999. – Pertz, G[eorg] sung über Politik 1817 und zu den Hinter- H[einrich]: Das Leben des Ministers Frei617

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

herrn vom Stein. Bd. 2: 1808 bis 1812. Berlin 1850. – Roller, Theodor: Georg Andreas Reimer und sein Kreis. Zur Geschichte des politischen Denkens in Deutschland um die Zeit der Befreiungskriege. Berlin 1924. – Scharff, Alexander: Der Gedanke der preußischen Vorherrschaft in den Anfängen der deutschen Einheitsbewegung. Bonn 1929. – Schulze, Hagen: Berlins Rolle in den Kriegen gegen Napoleon. In: Berlin im Europa der Neuzeit. Ein Tagungsbericht. Hg. v. Wolfgang Ribbe / Jürgen Schmädeke. Berlin 1990, S. 75–83. –

Stulz, Percy: Fremdherrschaft und Befreiungskampf. Die preußische Kabinettspolitik und die Rolle der Volksmassen in den Jahren 1811 bis 1813. Berlin (Ost) 1960. – Treue, Wilhelm: Wirtschafts- und Technikgeschichte Preußens. Berlin, New York 1984. – Wolfes, Matthias: Öffentlichkeit und Bürgergesellschaft. Friedrich Schleiermachers politische Wirksamkeit. Bd. 1, Berlin, New York 2004. – Zeisler, Kurt: Justus von Gruner. Eine biographische Skizze. In: Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jb. d. Landesarchivs Berlin, 1994, S. 81–105.

Olaf Briese

Fechtbodengesellschaft [FechtG] Name: Fechtbodengesellschaft; Fechtverein. Gründung: 1808. Auflösung: Juli / „Spätjahr“ 1812; Neugründung Winter 1817/18. Sitz: Saal im Universitätsgebäude; Saal im vormals Prinz Ludwigschen Palais, Friedrichstraße 103; Haus Behrenstraße 57. Programmzitat: „Die feste Überzeugung, daß man nur durch Fertigkeit in den Waffen, wenn solche von persönlichem Mut unterstützt wird, seine Selbstständigkeit gegen jegliche Anmaßung behaupten könne, hat Unterschriebene veranlaßt, sich zu gemeinsamen Waffenübungen zu vereinigen“ (§ 1 der Statuten von 1810). – Den Personen, die sich dem Fechtverein anschlossen, ging es nicht in erster Linie darum, für eine bestimmte Zeit dem Alltag zu entfliehen, mit Freude einer „sportlichen“ Tätigkeit nachzugehen, der ihre besondere Zuneigung galt, oder gar die Geselligkeit zu pflegen. Motiviert von dem Gedanken der Freiheit verfolgten sie ein weiterreichendes Ziel. Geschichte und Programmatik: Die Gründung der Berliner FechtG im Jahre 1808 geht maßgeblich auf den am 25. September 1784 in Magdeburg geborenen Karl Friedrich Friesen 618

Abb. 120  Porträt Friedrich Friesen, gez. von Adolf Schmidt 1803; Druckgraphik nach einer Lithographie von Georg Ludwig Engelbach.

zurück. In den Jahren 1801/02 besuchte Friesen die neu gegründete Bauakademie in Berlin, doch drängte es ihn ebenfalls zur Philosophie und zum Erziehungsfach. Geistige Im-

Fechtbodengesellschaft [FechtG]

pulse erhielt Friesen von Alexander v. Hum- banden sich einige Freunde in Berlin aus verboldt, bei dem er nach 1806 als Zeichner der schiedenen Ständen, um sich im Fechten zu Landkarten für dessen Mexikanischen Atlas üben. Nachdem sie selbst gehörige Fertigarbeitete. 1807/08 hörte er Johann Gottlieb keit auf Hieb und Stoß erworben, errichteten Fichtes Reden an die deutsche Nation und be- sie eine Fechtergesellschaft. Friedrich Friesen geisterte sich für den Gedanken der „Natio- war einer der Vorsteher und Gründer und die nalerziehung“. Als Lehrer an der nach pesta- Seele des Ganzen. Dieser Fechtboden wurde lozzischen Grundsätzen ausgerichteten Erzie- bald und oft von Fechtmeistern besucht, wohungsanstalt von Dr. Ernst Plamann konnte er bei denn die Gesellschaft nicht ermangelte, alle seit 1808 in diesem Sinne wirken. diese fremden Arten zu prüfen und aus jeder In der gleichmäßigen Ausbildung körperli- das Beste anzunehmen. Friesen brachte das cher und geistiger Kräfte sahen die Mitglie- Ganze in Ordnung und stellte selbst diese neue der des im April 1808 in Königsberg gestifte- Art auch am reinsten in der Ausübung dar. Er ten  Tugendbundes ein wichtiges Mittel zur bewies zugleich, daß sie nicht bloß im VerstanVorbereitung auf den Kampf gegen die franzö- de, sondern auch in der Wirklichkeit gegrünsische Fremdherrschaft. „In die Städte sollen det sei, denn nie kam ihm ein anderer gleich“ Schwimmmeister gezogen, bekannt gemacht, (Eiselen, 1818, S. V). 1810 trat der Geheimunterstützt und Prämien für sie beschafft wer- sekretär im Kriegsministerium, Karl Starcke, den, wenn sie die Geschicklichkeiten des der FechtG bei; etwa zehn Jahre später wurde Schwimmens und Wassertretens allgemeiner er Vorsteher eines neu gegründeten Fechtvermachen.“ Ferner trat der Tugendbund für Re- eins. Dazu gab er im Rahmen der breit angeformen an den Universitäten ein: „Auf Uni- legten polizeilichen Ermittlungen zur Aufdeversitäten sollen Freivereine der Studenten un- ckung „demagogischer Umtriebe“ im Februter dem Namen: der deutsche Bund, angelegt ar 1820 zu Protokoll, dass er bald nach seiner werden, welche den Orden, Landsmannschaf- Ankunft in Berlin 1810 von der Existenz eiten, den Rohheiten, Duellen und Unsittlich- nes Fechtvereins in Kenntnis gesetzt worden keiten entgegen arbeiten, und die Aufrechter- sei, zu dem sich „mehrere Individuen aus verhaltung deutscher Sitten, kräftiger Natur, ver- schiedenen Ständen“ schon 1809 zusammennünftiger Freiheit und schicklichen Sinnes, geschlossen hatten, „welche das Fechten für imgleichen die Uebung in den Waffen und eine, unter allen Verhältnissen ebenso nützlidie Ausbildung menschlicher, sowohl körper- che Fertigkeit als physisch wohlthätige körperlicher als geistiger, Schönheit zum Zweck ha- liche Bewegung erkannten, und denen der geben“ (Zitate aus: Lehmann, 1867, S. 172–173). wöhnliche Unterricht darin, theils wegen seiFriesen gehörte dem Tugendbund zwar nicht ner Kostbarkeit, theils wegen der dabei zum an, doch war er als ausdauernder Schwim- Grunde gelegten, in der Regel sehr mangelmer, exzellenter Fechter und geschickter Rei- haften Methode, nicht ganz zusagte, […], um ter in besonderer Weise geeignet, den vormi- unter sich in dieser Kunst gemeinschaftlich litärischen Charakter der Leibesübungen zur sich zu üben. Bei meiner besonderen persönGeltung zu bringen, und zwar innerhalb und lichen Vorliebe für letztere, zögerte ich nicht außerhalb der Schule. Noch in seinem ersten lange, diesem Verein mich anzuschließen“ (LA Berufsjahr an der Plamann’schen Erziehungs- Berlin, Bl. 94v). anstalt gründete Friedrich Friesen mit Gleich- Die Personen, die der FechtG beitraten, taten gesinnten in seinem Berliner Umfeld einen dies nicht, um sich für die Austragung eines Fechtverein, über dessen Anfänge nur wenig „standesgemäßen“ Duells zu wappnen, wie es bekannt ist. Friesens Fecht-Schüler Eiselen häufig bei den Mitgliedern studentischer Verschrieb zehn Jahre später: „Im Jahre 1808 ver- bindungen der Fall war. Sie verpflichteten 619

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sich vielmehr ausdrücklich, die Fechtübungen nicht zu „Streitigkeiten und Renommisterei mißbrauchen zu wollen, vielmehr glauben sie, dadurch allen Veranlassungen hierzu gerade entgegen zu würken“ (§ 2 der Statuten). Die Ausbildung zum wehrfähigen (deutschen) Mann, der sich in den Dienst des Vaterlandes stellte, stand im Zentrum aller Bestrebungen. Friesen gehörte zu den ersten Kriegsfreiwilligen, die sich 1813 dem Lützow’schen Freikorps anschlossen, viele seiner Schüler folgten seinem und Jahns Beispiel. Als Adjutant Lützows kam Friesen im März 1814 in den Ardennen ums Leben, sodass dem Fechtverein nach Kriegsende die zur Wiederaufnahme des Übungsbetriebes wichtige Leitgestalt fehlte. Im letzten Lokal in der Behrenstraße hatte die FechtG auch ein „Schwingpferd“ untergebracht, das mit der „Auflösung des von Friesen gestifteten Fechtsaales im Juli 1812“ (Dürre, 1881, S. 95) in die Plamann’sche Erziehungsanstalt gebracht wurde. Starcke gab 1820 an, dass der Fechtverein „bis zum Spätjahr 1812, zu welcher Zeit er sich, da eine große Anzahl seiner Mitglieder, infolge der damaligen politischen Konjunkturen, Berufsbestimmungen außerhalb Berlin erhielten, auflösete, und das zuletzt von ihm benutzte Lokal Behrenstraße Nr. 57 dem Turnvereine abgetreten wurde“ (LA Berlin, Bl. 94–96). Neugründung: Bei seiner Vernehmung gab Starcke 1820 an, dass Oberst v. Pfuel im Winter 1816/17 den ersten Schritt zur Neugründung des Fechtvereins unternahm. An diesen Übungen, die im Saal des Ordenspalais am Wilhelmsplatz unter Starckes Mitleitung stattfanden, nahmen nur Offiziere teil, die v. Pfuel unterstellt waren. Mit dem Beginn des Sommers wurde der Übungsbetrieb eingestellt. Im Winter 1817/18 setzte der Fechtverein seine Übungen unter der Leitung v. Pfuels und Starckes in der Kavallerie-Reitbahn innerhalb des Akademiegebäudes Unter den Linden fort. Ferner gab Starcke zu Protokoll: „Im Winter 1818/19 wurde damit fort620

gefahren und ein eigenes Lokal in der Kirchhofstraße dazu gemiethet. Die Theilnehmer waren zahlreicher als in den zunächst vorangegangenen Jahren, fortgesetzt, zum überwiegend größeren Teile aber, Offiziere, namentlich von der Kriegs Schule, und wurden die Uebungen durch mich, und die Lieutenants Moliere vom General Staabe und Müller, in einem Dragoner Regimente dienend, als Mitvorsteher geleitet. / Für den Sommer löste der Verein sich abermals wieder auf, retablirte sich jedoch für den Winter 1819/20. in einer etwas größeren Ausdehnung, namentlich in Bezug auf den Beitritt von zahlreicheren Mitgliedern aus anderen Ständen, als dem des Militairs, und hielt seine Uebungen bei Ermangelung eines eigenen zweckmäßigen Lokals, zunächst in Stunden, während welcher die eigentlichen Inhaber denselben nicht benutzten, in dem bisherigen Schwingsaale Behrenstraße Nr. 57.; verlegte solche späterhin aber nach dem Hause Letzte Straße Nr. 12. Ich bin fortgesetzt Vorsteher desselben. Neben mir war es bisher, insbesondere mit für die Oekonomie Verwaltung, der Turnlehrer Eiselen, für welchen, nach dessen, vor kurzem erfolgten Ausscheiden, in letztgedachter Beziehung der Student von Stülpnagel einstweilen eingetreten ist, und der Dr. Förster, welcher namentlich zum Fechten auf den Stoß Anleitung geben soll, die Gesellschaft aber höchst selten nur besucht und vielleicht während des ganzen Winters noch nicht in derselben anwesend war. / Die Tendenz und Organisazion des Vereins ist fortgesetzt mit der, dem Polizei Präsidium i. J. 1810. einberichteten noch ganz übereinstimmend. Es besteht durchaus kein engerer Verband unter den einzelnen Mitgliedern, als die Willenserklärung gegen den Vorsteher, die gemeinschaftlichen Fechtübungen mit besuchen und den verhältnißmäßigen, zu ihrer Realisirung unumgänglich erforderlichen Geldkosten sich unterwerfen zu wollen. Die Aufnahme erfolgt, ohne alle, auch die kleinsten Förmlichkeiten und ohne jede vorgängi-

Fechtbodengesellschaft [FechtG]

ge Berathung mit den übrigen Mitgliedern nutze, habe der Fechtverein – so Starcke – der Gesellschaft, auf die Genehmigung des keine nähere Verbindung. Wie aus einem PoVorstehers, welche nur in dem Falle versagt lizeibericht vom 24. Februar 1820 hervorgeht, wird, daß die Angemeldeten eigentlichen waren diese Zusammenkünfte allerdings diUnterricht noch verlangen, und die Zahl der versen Turnübungen gewidmet: eine Gesellvorhandenen geübteren Fechter zur Erteilung schaft Studierender habe seit dem 18. Februar des letzteren für unzureichend erachtet wer- im Flemmingschen Saal in der Letzten Str. 12 den muß. Der jederzeitige Austritt steht, in „eine Schwingstunde unter sich eingerichtet eben der Art, den Theilnehmern auf bloße und die Dienstage und Freitage einer jeden Anmeldung frei. Die täglichen Nachmittag- Woche zur fortgesetzten Haltung derselben stunden von 2 bis 4. Uhr sind zu den Fecht- bestimmt; der Studiosus Theologiae Eduard übungen, Montags, Mittwochs und Frei- Schultz – (unbezweifelt wohl der ehemalitags auf den Hieb, und Dienstags, Donners- ge Vorsteher der aufgelösten Burschenschaft) tags und Sonnabends, auf den Stoß, bestimmt. – übrigens die einzelnen Uebungen in demAußer denselben finden durchaus keine Ver- selben leiten soll [...]“ (LA Berlin, Bl. 79). Im sammlungen statt, und eben so wenig die Polizeibericht vom 6. Februar 1820 wird einAusdehnung der Uebungen auf irgend eine geräumt, dass sich der Fechtverein zwar „ausandere Leibesübung. Noch fremder ist der schließlich“ auf die Fechtübungen beschränGesellschaft die Verfolgung jedes sonstigen ke, aber durchaus „in näherer Beziehung zu Nebenzwecks. Jeder Nichttheilnehmer, ohne dem Jahnschen Turnwesen steht, um so mehr allen Unterschied, hat, für einige Besuche […], als auch die Individualität des Starck[e], derselben, freien Zutritt. Die Mitglieder hal- welcher früher Mitglied [in] dem von Jahn, ten sich ihre eigenen Rappiere, doch sind, auf unter dem Namen: der deutsche Bund; gegemeinschaftliche Kosten, einige Paar dersel- stifteten politischen Verbindung war und bei ben beschafft, um namentlich Fremde damit dem die Papiere dieses Bundes i. J. 1812. groversehen zu können. Zu ihren Unterhaltun- ßentheils vorgefunden wurden, ganz dafür zu gen so wie zur Deckung der Ausgaben für sprechen scheint. Eben wegen dieser wahrMiethe und Heitzung zahlt jedes Mitglied scheinlichen Konnexität mit den speziellen monatlich 8 Groschen“ (LA Berlin, Bl. 96– Gegenständen der gegen Jahn und andere In98). Ernst Eiselen unterstützt Starckes Aussa- dividuen, vom besonders dazu niedergesetzge mit folgender Tagebucheintragung vom 15. ten Kommissionen jetzt schwebenden UnterNovember 1819: „Die alte Fechtgesellschaft, suchungen habe ich mich indessen nicht für welche auch im vorigen Winter bestand, bil- befugt erachten können, ohne ausdrückliche det sich jetzt wieder unter neuer Gestalt. höhere Anweisung tiefer in diese AngelegenStar[c]ke, ich und Förster (welcher besonders heit einzudringen und solche zur vollständifür den Stoß sorgt) werden Vorsteher. Die gen überzeugenden Aufklärung zu bringen.“ Gesellschaft ist durchaus für alle Stände und Polizeiinspektor Kayser erbat weitere Anweiwird den Saal im Burschenhause benutzen. In sungen; im Gegenzug verlangte Innenminisder Hiebfechtschule haben Star[c]ke und ich ter Schuckmann eine Mitgliederliste des Verdie Ansichten vereinigt, Einschläger sind fast eins (LA Berlin, Bl. 73–74). In seiner Verfülauter alte Turner. Im Stoß werden wir wohl gung an die Berliner Polizeiintendantur vom ganz die Jenaische (Kreusler’sche) Schule bei- 2. März 1820 ließ der Minister des Innern behalten, wir haben hier ausgesuchte Fechter und der Polizei v. Schuckmann keinen Zweiaus dieser Schule“ (Eiselen, 1874, S. 74). Mit fel daran, „daß der hiernach bestehende sogedem Studentenverein, der das Haus Letzte nannte Fecht-Verein durchaus unter gar keiStraße 12 zu geselligen Zusammenkünften ner etwa noch versucht werdenden eludiren621

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den Form und an keinem Orte ferner zu gestatten ist, da aus Ihrem Bericht vom 6.ten v. Mts. unverkennbar ein inniger Zusammenhang dieses Vereins mit dem Jahnschen Turnwesen hervorgeht, auch neuere Aktenstücke den auf dem Schwingsaale begangenen Unfug hinreichend bestätigen und überdies an der Spitze jenes Vereins sich Personen befinden, welche im Vorstande der Burschenschaft gewesen sind. Es ist daher von Polizei wegen mit Nachdruck darauf zuhalten, daß dieser Fecht-Verein nicht allein sofort eingestellt, sondern auch nicht wieder erneuert werde. Sie haben hiervon […] den Königlichen Regierungs-Bevollmächtigten bei der hiesigen Universität, Geheimen Ober-RegierungsRath Schulz in Kenntniß zu setzen und mit demselben gemeinschaftlich die Maaßregeln zur Bekanntmachung dieser Bestimmung an die Mitglieder des Fecht-Vereins zu verabreden“ (LA Berlin, Bl. 88). Struktur und Organisation: In einer amtlich beglaubigten Abschrift vom 27. Februar 1820 sind die Gesetze für den Fechtsaal vom 13. Februar 1810 überliefert. Als Starcke der FechtG beitrat, waren der Geh. Postrat Pistor, Regierungsreferendar Salomon, Mechanikus Mendelssohn und Friesen deren Vorsteher. Zu den Mitunterzeichnern des Statuts vom 13. Februar 1810, das Berlins damaliger Polizeipräsident Justus Gruner eingefordert und genehmigt hatte, gehörten neben den früheren Vorstehern Salomon und Friesen jetzt Oetzel und Starcke, die ihre Vorgänger Pistor und Mendelssohn abgelöst hatten. Die Vorsteher wurden von den Mitgliedern der Gesellschaft auf unbestimmte Zeit mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Das Statut von 1810 sah fünf Vorsteher vor, die jeweils einen bestimmten Bereich verantworteten. Allerdings vereinigte der erste Vorsteher in seiner Person die Rechte aller übrigen Vorsteher, sodass er als Leiter der FechtG angesehen werden kann. Den Anordnungen der Vorsteher hatten die Mitglieder Folge zu leisten. Die Übungen fan622

den zunächst in einem Saal des Universitätsgebäudes statt, später wurden sie in einem Raum des früheren Prinz Ludwigschen Palais, Friedrichstraße 103, abgehalten, danach im Hause Behrenstraße 57. – Die FechtG verstand sich als eine Gesellschaft „guter Freunde“, die bestrebt war, als neue Mitglieder nur solche Personen aufzunehmen, die im Rahmen einer geheimen Abstimmung (Ballotage) die Stimmen von „¾ der Anwesenden“ auf sich vereinigen konnten. Das Abstimmungsergebnis wurde dem Bewerber schriftlich mitgeteilt. Wenn Karl Starcke 1820 gegenüber der Polizei angab, dass der Eintritt in den Verein lediglich „auf einfacher Meldung bei den Vorstehern, ohne Ballotage oder sonstige Förmlichkeiten“ beruhe, mag seine Feststellung der tatsächlichen Praxis entsprochen haben, eher aber wohl seinem Bemühen zuzuschreiben sein, die FechtG als eine völlig harmlose und gänzlich unpolitische Vereinigung zu charakterisieren. Gleichwohl ist die in den Statuten festgeschriebene Ballotage zumindest ein Hinweis auf den Anspruch der FechtG, eine exklusive Vereinigung zu sein, die zumindest tendenziell den Charakter eines Geheimbundes hatte. Jedes Mitglied hatte selbst für die Anschaffung eines Rapiers und eines Fechthandschuhs zu sorgen. Für Schulungszwecke und insbesondere für Hospitanten hielt die FechtG einige Schulrapiere und Fechthandschuhe vor. Der Fechtunterricht selbst wurde kostenlos erteilt, allerdings hatten die Mitglieder einen monatlichen Beitrag von zwölf Groschen für die Reparatur des Fechtzeugs, die Saalmiete etc. zu entrichten. An jedem ersten Sonntag eines Monats hielt der Verein eine Vollversammlung ab, die insbesondere dazu gedacht war, die Kassenführung offen zu legen. Dass diese Versammlung auch die Gelegenheit zu politischen Gesprächen bot, liegt auf der Hand. Wer nicht erschien, hatte eine Strafe in Höhe eines Monatsbeitrages zu zahlen. Mitglieder, die gegen die Statuten des Vereins verstießen, wurden ausgeschlossen. Starcke behauptete 1820, dass sich die „Gemeinschaft unter den einzel-

Fechtbodengesellschaft [FechtG]

Abb. 121  Mitgliederliste des Fechtvereins (1820). 623

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

nen Mitgliedern“ „streng ausschließlich“ auf die Teilnahme an den „auf bestimmte Stunden festgesetzten Fechtübungen“ beschränkte, die monatlich vorgesehenen Zusammenkünfte erwähnte er dagegen nicht. Um den Fechtverein zu verharmlosen, bezeichnete er ihn gegenüber der Polizei als „überaus losen Verbande“, der, „um sich vor dem Überlaufe von Fremden zu sichern, die Vertheilung von Erkennungszeichen für die Beitragenden für nöthig erachtet und hierzu lederne Marken gewählt, auf welchen unter andern ein Freiheitshut mit zwei übereinander liegenden Hiebern eingepreßt war. Durch diese, vielleicht nicht ganz zweckmäßige und etwas auffallende Form der Marken oder auch vielleicht durch andere, mir unbekannte Umstände, wurde das damalige Polizei Präsidium auf das Bestehen des Vereins aufmerksam und erforderte von den Vorstehern nähere Auskunft über dessen Organisa­ zion und Tendenz. Letztere wurde, unter Beifügung einer namentlichen Liste der Mitglieder, gewissenhaft ertheilt und das Fortbestehen darauf förmlich polizeilich genehmigt. Auch einige Zeit nachher wurden Namensverzeichnisse der jedesmaligen Mitglieder fortgesetzt der Behörde noch eingereicht. Ein Exemplar der Statuten erhielt die Gesellschaft mit der Bezeichnung ‚Imprimatur‘ versehen, von derselben zurück“ (LA Berlin, Bl. 94–96 ). Mitglieder: Vorsteher: Friedrich Friesen, Postrat Pistor, Nathan Mendelssohn, Regierungsreferendar Salomon, Oetzel, Karl Starcke. – Weitere Mitglieder der frühen FechtG konnten nicht ermittelt werden. Die Mitgliederlisten, die der Verein seit 1810 an die Polizeibehörde weitergeleitet hat, waren bereits 1820 nicht mehr auffindbar (vgl. LA Berlin, Bl. 80). – Vorsteher des jüngeren Fechtvereins, der 1820 polizeilich verboten wurde: Karl Starcke, General v. Pfuel, Lieutenant Moliere, Lieutenant Müller, Turnlehrer Ernst Wilhelm Bernhard Eiselen, v. Stülpnagel (Student), Dr. Förster. Weitere Mitglieder dieses jüngeren Fechtvereins 1820 (Reihenfolge entsprechend der 624

Original-Liste): Ackermann (Student); Buddee (Student); Bold(e)mann (Student); Berkow (Student); Buchholz (Student); Caprivi (Student); v. Calow (Lieut.); Degener (Student); Delitz (Student); Eyssenhardt (Student); Fabricius (Student); Förster (Student); Graffunder (Student); Gabbin I (Student); Gabbin II. (Student); Gerhardt (Student); Geibel (Student); Grauenhorst (Student); Glasewald (Student); Gerhardt (Lieut.); Geyr (Portepee Fähnrich); v. Goltz (Lieut.); Henning (Student); Hörner (Hoerner) (Student); Hartmann (Offizier); Heim (Offizier); Heegewaldt (Student); v. d. Hude (Student); Jenner (Student); v. Jagow (Student); Jentsch (Student); v. Koszielsky (Lieutnant); Keller (Student); v. Kamecke (Student); Keigel (Kalkulator); Emil Lieber (Kaufmann); Gustav Lieber (Student); v. Laue (Lieut.); Gr. Lüttichau (Lieut.); Möwes (Moewes) (Student); Maaß (Student); Mendshausen (Referendarius); Molliere (Offizier im Generalstab); Matton (Offiziant); Molliere (Student); Nicolovius (Student); Neuendorff (Student); Neydecker (Student); v. Oertzen (Student); v. Palubicki (Student); Platz (Student); Pfeil (Kaufmann); Pfeil (Student); Rellstab (Lieut.); Reuter (Student); v. Rieben (Student); Rogge (Student); Sternberg (Student); Schmidt (Student); Schmidt (Student); v. Stülpnagel (Student); Sieveking (Student); Schallehn (Student); C. H. Schmidt (Student); Schuster (Student); Schindelmeister (Lieut.); Schmeetz (Lieut.); Thwermy (Student); v. Thilau (Lieut.); Uterhardt (Student); v. Vincke (Lieut.); Worms (Student); Wetzel (Offiziant); v. Wangenheim (Student); v. Willissen (Lieut.); Wyst (Student). Querverweise auf andere Vereine: Die FechtG war während ihrer Existenz von 1808 bis 1812 eingebunden in ein Netzwerk nationaldeutscher Bestrebungen. Im Herbst 1809 siedelte Friedrich Ludwig Jahn nach Berlin über und wurde Friesens Kollege an der Plamann’schen Anstalt. Gemeinsam mit ihrem Gesinnungsgenossen Wilhelm Harnisch,

Fechtbodengesellschaft [FechtG]

ebenfalls Lehrer bei Plamann, werden Friesen Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: und Jahn die Gründung eines Geheimbun- LA Berlin, APr.Br.Rep. 030 Nr. 19601 (Acta des besprochen haben, der am 14. November des Königlichen Polizei-Präsidii zu Berlin). – 1810 als  deutscher Bund gegründet wurde. GStA PK, HA I, Rep. 77 XVIII Gen. 21. – Zumindest Friesen war dieser Name aus dem b) Gedruckte Quellen: Bartmuß, Hans-JoUmfeld des  Tugendbundes geläufig. Die achim / Kunze, Eberhard / Ulfkotte, Josef FechtG kann als Keimzelle des deutschen Bun- (Hg.): „Turnvater“ Jahn und sein patriotisches des gelten, denn zu seinen Mitbegründern ge- Umfeld. Briefe und Dokumente 1806–1812. hörten die Fechtvereinsvorsteher Friesen, Oet­ Köln, Weimar, Wien 2008. – Dürre, Eduard: zel und Starcke. Es ist anzunehmen, dass von Jahn. In: Der Turner. Zeitschrift gegen geistiden namentlich bekannten 54 in Berlin auf- ge und leibliche Verkrüppelung 7 (1852) 25, genommenen Bundesmitgliedern viele zu- S. 192–193. – Dürre, Dr. Chr. Eduard Leogleich der FechtG angehörten. Mit dem Stu- pold: Aufzeichnungen, Tagebücher und Briedenten Palm rief Friesen 1811 am Unterbaum fe aus einem deutschen Turner- und Leheine Schwimmschule ins Leben. Die Leder- rerleben, hg. v. Ernst Friedrich Dürre. Leipmarke, die in der FechtG als „Mitgliedskarte“ zig 1881. – Eiselen, Ernst Wilhelm Bernhard: galt, führte auch Jahn für die Teilnehmer an Das deutsche Hiebfechten der Berliner Turnden Turnübungen auf der Hasenheide ein ( schule. Berlin 1818. – Eiselen, Ernst Bernhard: Turngesellschaft), die im Sommer 1810 began- Mittheilungen aus seinem Tagebuche, veröfnen. Friesen leitete die Schwing- und Fecht- fentlicht durch Alfred Böttcher. In: Deutsche übungen der Jahn’schen Turner, turnte einer Turn-Zeitung 19 (1874) 12, S. 61–63; H. 13, „Schwingabteilung“ vor und traf sich mit den S. 65–72; H. 14, S. 73–79. – Harnisch, Wilbesten Schwingern an den Mittwochabenden helm: Friedrich Friesen als Lehrer und Erziein seiner Wohnung, um mit ihnen eine gan- her. In: Der Schulrath an der Oder, für Vorze Schwingschule mit Vor- und Hauptübun- steher der Volksschulen, Lehrer an denselben gen auszuarbeiten, die Jahn/Eiselen in ihr 1816 und andere Freunde und Beförderer des Volksschulwesens, hg. v. Dr. Daniel Krüger und Dr. erschienenes Lehrbuch Die deutsche Turnkunst aufgenommen haben. Eiselen vertraute seinem Wilhelm Harnisch. 9. Lieferung, Breslau und Tagebuch am 2. Februar 1817 an: „Heute vor Leipzig 1816, S. 108–128. – Hoffmann, Ernst fünf Jahren, es war auch ein Sonntag, schlug Theodor Amadeus: Juristische Arbeiten. Mit ich zum ersten Male mit Friesen; er ist dahin, Erläuterungen hg. v. Friedrich Schnapp. Münund ich bin nun der Einzige, der seine Fecht- chen 1973. – Kaupp, Peter / Ulfkotte, Josef art vertreten kann, aber ich will es auch nach (Hg.): Die Jahn-Friesensche Burschenordnung meinem besten Vermögen und wenigstens da- 1811/12. In: Darstellungen und Quellen zur durch etwas zum Nachruhme dieses herrli- Geschichte der deutschen Einheitsbewegung chen mir ewig unvergesslichen Mannes beitra- im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. gen“ (Eiselen, 1874, S. 68). – Mit Jahn ver- Bd. 16, hg. v. Klaus Oldenhage. Heidelberg fasste Friesen 1812 die „Burschenordnung“ als 2008, S. 1–81. – Lehmann, August (Hg.): Der Beitrag zur Reform des studentischen Lebens Tugendbund. Aus den hinterlassenen Papiean den Universitäten. Studenten gehörten ren des Mitstifters Professor Dr. Hans Friedin großer Zahl den Turnern und vermutlich rich Gottlieb Lehmann. Berlin 1867. – c) Forauch der FechtG an. Mehrere Mitglieder des schungsliteratur: Brandt, Peter: Studentische Starcke’schen Fechtvereins waren in der  Ber- Lebensreform und Nationalismus. Vor- und liner Burschenschaft (v. Wangenheim, v. Stülp- Frühgeschichte der Allgemeinen deutschen nagel, v. Oertzen) und in der nachfolgenden Burschenschaft (1777–1819/23). Habil.-Schr.  Arminia (Caprivi und Utterhardt) engagiert. TU Berlin [1988] (masch.). – Düding, Die625

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

ter: Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus in Deutschland (1808–1847). Bedeutung und Funktion der Turner- und Sängervereine für die deutsche Nationalbewegung. München 1984. – Eichel, Wolfgang, u. a. (Hg.): Geschichte der Körperkultur in Deutschland. Bd. II: Die Körperkultur in Deutschland von 1789 bis 1917. Berlin (Ost) 1973. – Euler, Carl: Friedrich Friesen. Berlin 1885. 2. Aufl. Wien, Leipzig 1899. – Neuendorff, Edmund: Geschichte der neueren deutschen Leibesübung

vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. II: Jahn und seine Zeit. Dresden o. J. – Rundnagel, Erwin: Friedrich Friesen. Ein politisches Lebensbild. München und Berlin 1936. – Schröder, Willi: Der Anteil der Turner und Burschenschafter am Kampf um die Lösung der nationalen Frage in den beiden ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Körperkultur. Bd. I und II (Anhang-Band). Habil.Schrift Jena 1965 (masch.).

Josef Ulfkotte

Der deutsche Bund [dB] Name: Der deutsche Bund. Gründung: 14. November 1810. Auflösung: Ein Auflösungsdatum des dB ist nicht überliefert. Ab Frühjahr 1812, spätestens ab Herbst 1812 wird er seine Bundestätigkeit eingestellt haben und sich in mehr oder weniger aktive kleine Kreise separiert haben. In späteren Vernehmungen wurde angegeben, mit dem Aufruf v. Hardenbergs zur Bildung von Freikorps (3. Februar 1813) sowie der Kriegserklärung an Frankreich und dem königlichen Aufruf An Mein Volk (17. März 1813) hätte der Bund seine Ziele als erreicht angesehen und de facto nicht mehr weiter bestanden. Es ist aber denkbar, dass unter den Lützower Jägern, einem Freikorps, in dem nicht wenige Mitglieder dienten, in bestimmten Zirkeln bis 1814 Bundesrituale weiter gepflegt wurden. Sitz: Ein fester Versammlungsort des dB ist nicht bekannt. Beteiligte nannten regelmäßige Versammlungen im Freien in Wald- bzw. Heidelandschaften vor den Toren Berlins, namentlich erwähnt wird der Turnplatz in der Hasenheide; denkbar sind – vor allem in der Zeit nach der unmittelbaren Gründungsphase – auch Treffen in Bierhäusern oder Biergärten vor dem Halleschen Tor, zumal sich die Gründung im Dusteren Keller, einem dort 626

befindlichen Lokal, ereignet haben soll; Treffen kleinerer Gruppen in Privatwohnungen sind ebenfalls überliefert. Programmzitat: „Der Zweck des deutschen Bundes ist überhaupt: Beförderung des Wohlseyns und der Ehre unserer Nation, durch Erweckung des Gemeingeistes, Wiederherstellung ihres alten Ruhms der Biederkeit und Treue, Ausbildung unserer Sprache, Wetteifer in der Vervollkommnung der Wissenschaften, Künste und Fertigkeiten jeder Art, Entsagung erkünstelter Bedürfnisse, die nur auf die Kosten des allgemeinen Wohls befriedigt werden können; Entfernung gemeinschädlicher Mißbräuche und Vorurtheile“ (Stiftungs-Urkunde, 1810, § 2). Geschichte und Programmatik: Der dB war eine explizit national orientierte Vereinigung. Zu diesem Geheimbund besteht ein besserer Kenntnisstand als etwa zum  Tugendbund oder zu den  Reimerschen und v. Chasôtschen Kreisen. Weder hat man es mit einem Mythenkonstrukt zu tun, das per Analyse der Sekundärliteratur und der Primärquellen dezidiert zu hinterfragen wäre, noch mit privaten patriotisch-geselligen Kreisen, deren Strukturen nur äußerst schwer aufzuhellen sind. Ver-

Der deutsche Bund [dB]

glichen damit, sind die Organisationsprinzipien und das inhaltliche Profil des dB leichter zu erfassen. Dennoch gibt es auch hier, bei einem ausdrücklichen Geheimbund, gravierend offene Fragen, vor allem hinsichtlich des Anfangsprogramms, mit dem er startete, der unterschiedlichen Fraktionen und seiner Ausdifferenzierung im Verlauf der Jahre 1810–12. Das bedeutet, dass auch hier nationalistisch tradierten Deutungsautomatismen, die gezielt auf Vereinheitlichungen setzen, und die sich bis in die Gegenwart fortschreiben, kritisch zu begegnen ist. Das beginnt mit der Namensgebung. Die Untersuchungsbehörden, denen 1812 noch Originaldokumente des Bundes vorlagen, sprechen bis in die zwanziger Jahre hinein beständig – adjektivisch – von einem „deutschen Bund“. Im Zuge der nationalistischen Wellen des 19. Jahrhunderts wurde daraus der „Deutsche Bund“. In nuce zeigt allein diese Transformation an, wie dieser Bund sich im Nachhinein ‚verdeutschte‘. – 1) Ideeller Vorlauf: Der Bund konstituierte sich als Geheimbund zur sittlich-nationalen Ertüchtigung Preußens und Deutschlands im Herbst 1810. Er war, aufgrund des gesetzlichen Verbots geheimer Verbindungen in Preußen aus dem Jahr 1798, ein dezidiert illegaler Bund, und er reagierte – ähnlich wie der von 1808 bis Ende 1809 bestehende  Tugendbund und andere Vereine – auf die innere und äußere Krise Preußens und der deutschen Staaten überhaupt. Dieser Bund war kein Volksaufklärungsbund oder gar einer, der Mittel- oder Unterschichten als Mitglieder mit einbezog. Es war ein bürgerlicher Intellektuellenbund, der gezielt auch adlige Militärs aufnehmen und nationale Eliten patriotisch bzw. national beeinflussen wollte. Über die genaue Gründungsinitiative gibt es widersprüchliche Informationen, sie ging wahrscheinlich von Karl Friedrich Friesen und Friedrich Ludwig Jahn aus. Auch die Lehrer Wilhelm Harnisch und Friedrich Heinrich Wilhelm Lange (der als engagierter Unitist ein einstiger universitärer Ordensbruder Jahns gewesen war), haben si-

cher eine wichtige Rolle gespielt. Friesen, Jahn und Harnisch waren Lehrer an der Plamann’schen Privatschule, die nach Idealen Pestalozzis arbeitete, Lange am Friedrichswerderschen Gymnasium. Im Verhör vom 10. Dezember 1812 gab Lange insgesamt vierzehn Gründungsmitglieder an, von denen er einige benennt; Jahn nannte in einem späteren Verhör ebenfalls vierzehn Personen: Karl Friedrich Friesen, Referendarius [Johann David Erdmann?] Preuß, Friedrich Heinrich Wilhelm Lange, Wilhelm Harnisch, Carl Gottlob Starck, Franz August Oe[t]zel, Heinrich Ludwig v. Heyligensteadt, v. Krohn[e], Frank Knod v. Helmenstreit, v. Drewitz, August v. Vietinghoff, Friedrich Ludwig Jahn. Zwei weitere Gründer, Johann August Zeune und Friedrich Leopold Palm, wären verhindert gewesen, hätten aber ebenfalls vorab zum eingeweihten Gründungskreis gehört (GStA PK, I. 17 Gen, Nr.  21, Bd.  2, HA Rep. 77, Tit.  Bl. 12 f.). Was die Ziele des Bundes angeht, hat es, allein was die drei bzw. vier unmittelbaren Gründungsakteure betrifft, Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede gegeben. Friesen und Harnisch waren Pestalozzi verpflichtet, Jahn eher den Ideen Guthsmuths (über Langes Hintergründe ist nichts bekannt). Einig war man sich darin, vorerst im Verborgenen und mittels eines Geheimbunds Gleichgesinnte an sich zu binden und im nationalen Sinn auf Elitenvertreter einzuwirken. Aufklärerische Ideen einer universellen Menschheitsverbrüderung und die Idee einer von absolutistischen Beschränkungen befreiten Persönlichkeitsentfaltung waren dafür ebenso prägend gewesen wie die europäischen Eroberungskriege Napoleons. Diese aufklärerische Sozialisation der Gründer ist keinesfalls zu unterschätzen. Erstens gab sie das Ideengerüst für universale – und nicht nur partielle – Veränderungsansprüche, zweitens für das Bildungs- und Freiheitsideal, drittens für die nationale Orientierung und viertens für einen Geheimbund. Das erwähnte nationale Element war das, was von den Bundesgründern und Mitgliedern, im Anschluss an Auf627

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

klärungsvorlagen, am innovativsten verfochten wurde. Hier liegen die Neuerungen, und hier liegen auch die Wurzeln zu dem, was als ‚Nationalismus‘ im 19. Jahrhundert auch in Preußen und Deutschland immer mehr an Einfluss gewann. Zu fragen ist, was für eine Art Nationalismus hier verfochten wurde, und wie sich dieser von Patriotismen unterschied. Da bestimmte Originalschriften des Bundes, die bei den Untersuchungen 1812 noch vorlagen, bereits zu dieser Zeit oder in den Jahren darauf beseitigt wurden, muss vor allem auf Zeugenaussagen im Zuge der Untersuchungen der Jahre 1812 und ab 1819 sowie auf spätere autobiographische Aussagen und auf zeitgenössische Presseveröffentlichungen zurückgegriffen werden. Ebenso ist Jahns Publikation Deutsches Volksthum (1810) einzubeziehen, die um Ostern 1810 erschienen war und die – freilich nur bedingt – als Programmschrift für den dB angesehen werden kann. Jahn vertritt darin das, was in der Forschung als vorpolitischer Nationalismus bezeichnet wird. Volk ist für ihn eine ursprüngliche Solidargemeinschaft, gekennzeichnet durch einen gemeinsamen geographischen Lebensraum, durch gemeinsame Sprache, gemeinsame Religion und gemeinsame Lebensweise. Vor diesem aufklärerischen Hintergrund ist Jahns Denkansatz zu verstehen, der ihn vom Ideal der Tugend und der Sittlichkeit zu dem der Nation führte. Aus einem Pfarrhaus stammend und anfangs Theologie studierend, trat er an der Universität Halle um 1798 dem pietistisch geprägten studentischen Orden der Unitisten bei und übernahm bald eine führende Rolle (ein Geheimorden mit ausgeprägtem rituellen Status: Bundesbücher, Eide, geheime Erkennungszeichen usw.). Ihm missfiel das Studentenwesen, das an jeder Universität verschiedene „Landsmannschaften“ und „Kränzchen“ nach regionaler Herkunft versammelte und nicht selten zu Kämpfen dieser Landsmannschaften gegeneinander führte. Im 1774 in Halle gegründeten studentischen Orden der Unitisten, der von freimaurerischen Idealen geleitet war und 628

alsbald auch Ableger an anderen norddeutschen Universitäten bildete, fand er, was er anfänglich suchte: das Streben nach sittlicher Vervollkommnung und ein Zusammenwirken jenseits trennender regionaler Herkunft. Das waren noch keine nationalen, nicht einmal patriotische, sondern allenfalls regionalübergreifende Ansprüche auf universelle Brüderlichkeit. In seiner frühen Lebensphase machte Jahn sich dieses bündische Wirken zum Hauptzweck. Scheinbar ziellos wechselte er von Universität zu Universität und versuchte, betreffende Logen zu beleben (längere Studienaufenthalte in Frankfurt/Oder 1801/02 und in Greifswald 1802/03; von Studienaufenthalten kann aber nur bedingt gesprochen werden, denn teilweise war er gar nicht immatrikuliert und besuchte auch keine Lehrveranstaltungen; einen universitären Abschluss hat er nie erlangt). Ab etwa 1805/06, vor allem wohl während seines Aufenthalts an der Universität Göttingen, wo der Unitisten-Bund inzwischen erloschen war, veränderten sich seine Vorstellungen allerdings. Freimaurerische Ideale traten zugunsten von ‚nationalen‘ zurück. Als abschließendes Zeugnis für diesen Perspektivwechsel kann ein Brief von Anfang 1811 gelten, den Jahn wenige Wochen nach Gründung des dB an einen ehemaligen Ordensbruder schrieb (der alsbald auch in den Bund aufgenommen werden sollte): „Wir alle sind noch die Alten, aber tiefer und ernster [...]. Unser irdisches Höchste ist Volk und Vaterland, alles Hehre und Heilige ertönet in diesen Namen“ (an Feuerstein, in: Bartmuß u. a., S. 143). Nation statt Tugend: Auf diese Kurzformel könnte man Jahns Entwicklung bringen. Die pietistisch getönte Tugendreligion wandelte sich in eine sakrale Verklärung des Nationalen. Insofern sah Jahn sich mitunter als ‚Lutherus redivivus‘ (vgl. Kruckis, S.  192  ff.). An bestimmte aufklärerische Vorläufe konnte er dabei anknüpfen, und insgesamt steht er für das, was man einen romantisch transformierten aufklärerischen Patriotismus und Früh-Nationalismus bezeichnen kann. Jahn stellt – und

Der deutsche Bund [dB]

zwar un- und vorpolitisch – das ‚Volk‘ in den Linie, kommt damit zwar modernen SichtweiMittelpunkt einer erhofften gesellschaftlichen sen bequem entgegen, überzeichnet aber sein Regeneration. Das war vor allem inversiv, war Profil. Der dB trägt, trotz vieler Straffungen selbstbezogen, und es setzte auf die Binnen- auch institutioneller Art, die an seinen letztlich stärkung nationaler Identität. Er wies aber relativ unkomplizierten Satzungen abzulesen auch, gewissermaßen an den Rändern und der sind, nach wie vor Züge eines freimaureriTendenz nach, eine aggressive Militanz auf, de- schen oder illuminatischen Geheimbunds und finierte sich, zumindest in Ansätzen, naturhaft- ist mit geheimen Bundesbüchern, Eidesforbiologisch, wertete nicht nur die eigene Nati- meln und Geheimzeichen freimaurerischen onalität auf, sondern auch andere Nationalitä- bzw. illuminatischen Bundespraktiken des 18. ten ab. Auch ein christlich-antijudaistischer Jahrhunderts verpflichtet gewesen. Vorrangig und ein nationalistisch-antisemitischer Unter- hat man es mit keiner im Verborgenen wirton waren spürbar. Dennoch hat der dB kei- kenden nationalistischen oder politischen ‚Parnesfalls und ausschließlich eine Verwirkli- teiung‘ zu tun, sondern mit einem Geheimchung der letztlich fragmentarischen und in- bund, der, zumindest anfangs, aufklärerische konsistenten Ideen Jahns ins Praktische unter- Rituale, Organisationsformen und ans Arkane nommen. Denn er richtete sich gezielt nur an gebundene Exklusivitätsansprüche beibehielt Eliten. Die Untersuchungsbehörden, in die- und transformierte. Bald traten diese zwar in sem Fall Minister v. Bülow, hoben bereits 1812 den Hintergrund, aber die eigentliche Vereins­ geradezu erleichtert hervor, dass „sich diese tätigkeit, also das, was den Inhalt der BundesArt von Verbindung eigentlich bloß durch die treffen mehrmals im Monat ausmachte, bleibt sogenannten gebildeten Stände hinzieht und letztlich unklar. Jahrzehnte später berichtet ein bis jetzt nur sehr wenig das Volk berührt“ Teilnehmer: „Bei den Versammlungen wurden (GStA PK, I. HA Rep. 74, HX, Nr. 58, Bl. 9). fast ausschließlich folgende Gegenstände beDiese Fokussierung des Vereins ist zu betonen, handelt: neu bekannt gewordene Feinde des um sein Profil als Bildungs-, Selbstbildungs- Vaterlandes, die näher kennen zu lernen wären, und Selbstvervollkommnungsbund zu erfassen. oder Feinde desselben, vor denen man sich zu In seinen in Auszügen überlieferten Satzungen hüten hätte, Maßregeln und Schriften, welche spiegelt sich das klar wider. Der Bund wollte auf die Rettung des Vaterlandes wirkten, oder auf Eliten wirken, um bei ihnen nationale Ide- von Bildungsanstalten der Art, Nachrichten ale zu verankern und zu stabilisieren. Sie soll- von Verbindungen oder Personen, die neben ten sich ‚nationalisieren‘ und mittels Vorbild- uns in größerer oder geringerer Uebereinstimwirkung weiteren Elitekreisen in Preußen und mung mit uns wirkten. […] Daß unter den über die Grenzen dieses einen deutschen Staa- Mitteln, das Vaterland zu befreien, hin und tes hinaus dieses Ideal vermitteln. – 2) Institu- wieder ganz wunderliche vorgeschlagen, oft tionelle Wurzeln: Wie erwähnt, waren die auch mit Lachen zurückgewiesen wurden, läßt ‚geistigen‘ Wurzeln des Bundes keinesfalls nur sich leicht denken“ (Harnisch, S. 373). Aus an die historische Scheide ‚1789‘ oder ‚1806‘ diesen Informationen lässt sich eine Bandbreigebunden. Seine ‚institutionellen‘ Wurzeln te von Themen ablesen, mit denen man sich liegen ebenfalls im 18. Jahrhundert: Freimau- beschäftigte. Erstens kann man von einer Inrer, Illuminaten und Unitisten. Den dB als formationsbörse ausgehen, wo über den natioBund zu verstehen, der sich nur aufgrund des nalen Widerstand gegen Frankreich an andeSchutzes vor preußischen und französischen ren Orten Preußens, Deutschlands und EuroSpitzeln im Geheimen bewegte, verkennt sei- pas gesprochen wurde, wo man aktuelle Tagesne Praxis und seine Ziele grundlegend. Ihn so ereignisse erörterte und über potentielle zu deuten, stellt ihn gewollt in eine politisierte Bündnispersonen und über Gegner der ‚Patri629

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

oten‘ sprach. Zweitens wurden Pläne disku- te Vereinigungen nicht außer Kraft treten solltiert, wie man den französischen Besatzern te. Auch wenn später bestimmte beteiligte Akschaden könne. Drittens wurden bei den Bun- teure angesichts des letztlich gewonnenen destreffen Schriften in Auszügen vorgelesen Krieges gegen Frankreich dieses – vor allem und debattiert. Arbeiten Fichtes, Arndts und von den Verfolgungsinstanzen entworfene – Jahns dürften dabei eine wichtige Rolle ge- Bild bestätigt haben wollten und ihren Anteil spielt haben, ggf. auch eigene kleine Dichtun- an den erfolgreichen Befreiungskriegen für gen von Mitgliedern. Belegt ist, dass auf Zu- sich reklamierten, ist die Bundestätigkeit nicht sammenkünften Ende 1811/Anfang 1812 ausschließlich von solchen nachträglichen auch die Statuten für eine universitäre  Bur- Zeugnissen her zu rekonstruieren. Ebenso sollschenschaft diskutiert wurden (Ordnung und ten nicht, wenn allein die Person Jahn betrachEinrichtung der Burschenschaften, verfasst von tet wird, alle seine persönlichen Aktivitäten Friesen und Jahn, die dem Universitätsrektor (Einsatz für die Turnbewegung, für die studenFichte vorgelegt wurden, der sie aber verwarf, tische Burschenschaftsbewegung, Kurier- und weil er paramilitärische Konzessionen an Stu- Spionagedienste im Auftrag Justus Gruners) denten grundlegend ablehnte; vgl. Fichte, undifferenziert dem Wirken dieses Bundes zu1999). Viertens wurde darüber gesprochen, geschrieben werden. Vielmehr wäre umgewie die einzelnen Mitglieder an ihren ver- kehrt von der Spezifik des Bundes her zu fraschiedenen Wirkungsstätten ‚nationale‘ Ideale gen, auf welche Weise sich z. B. auch Jahn, als befördern könnten. Es handelt sich also beim wichtige Schlüsselfigur, darin engagierte. Den dB um einen Lese- und Debattierklub von In- – freilich nur fragmentarisch überlieferten, aber tellektuellen. Darüber hinaus – dafür gibt es al- als authentisch anzusehenden – Statuten zufollerdings keine wirklichen Belege – werden ge handelte es sich um einen reinen Debattierauch die Belange der individuellen Lebensfüh- klub, einen Klub von Intellektuellen, der rung und Vervollkommnung ein Gegenstand durchaus bestimmte freimaurerisch-rituelle der Gespräche gewesen sein. Hatte Jahn doch Züge aufwies. Wenn es die Absicht körper­ mit seiner Schrift Deutsches Volksthum einen licher Ertüchtigung gab, dann zumindest anpietistisch aktualisierten Kodex vorgegeben, fangs nicht primär aus paramilitärischem Inter­ wie sich deutsche Ernährung, Kleidung und esse, sondern hauptsächlich dem Ideal „mens Sitten zu gestalten hätten. Diese Vorgaben hat- sana in corpore sano“ folgend. Überdies war er ten auch Eingang in die Statuten gefunden, kein Volksbildungsverein, sondern eine – und über diese lebenspraktischen Fragen muss- durchaus inhomogene – Gruppierung ‚natiote im Bundesrahmen gesprochen werden. Man nal‘ gesinnter Eliten. Wenn es praktische Aktihatte sich sehr wahrscheinlich mit diesen Vor- vitäten gab, dann wohl vorerst nur im Zusamgaben und deren Umsetzung auseinanderzu- menhang mit Jahns  Turngesellschaft (im setzen. – 3) Inhaltliche Ausdifferenzierung: Spätfrühling 1811 wurde der nachmals beGenerell wäre zu fragen, welche verschiede- rühmte Turnplatz in der Hasenheide eröffnet). nen Fraktionen des dB es gab, wie sie sich in- Es ist anzunehmen, dass Jahn aus Bundeskreihaltlich ausrichteten und ob nicht erst durch sen logistische und auch tatkräftige Hilfe erdie sogenannten Demagogenverfolgungen ab hielt. Das ist umso mehr zu vermuten, als Jahn 1819 das unzulässig vereinheitlichende Bild des auch von sehr wohlmeinenden Vertrauten als dB als einer dezidiert verschwörerischen und jemand charakterisiert wird, der zwar charisder Tendenz nach paramilitärischen Vereini- matisch wirkte, aber stets sehr sprunghaft gung entstand. Hier hat eine Quellenbewer- agierte, wenig Organisationstalent besaß und tung und -kritik anzusetzen, die auch mit nur bedingt strategische Qualitäten aufwies. Blick auf ‚patriotisch‘ und ‚national‘ orientier- Erst später, wahrscheinlich ein Jahr nach seiner 630

Der deutsche Bund [dB]

Gründung, also frühestens Ende des Jahrs 1811, wandelte sich dieser Bund partiell in einen Handlungsbund. Den Anlass bzw. den Grund für diesen Akzentwechsel boten die Aktivitäten von Justus Gruner. In der Spätphase von Gruners Berliner Zeit, als er endgültig auf die Seite der ‚Patrioten‘ wechselte (Ende 1811), spannte er auch einige Mitglieder des dB in sein Propaganda- und Spionagenetz ein. Bei seinem Weggang nach Prag (April 1812) forcierte er diese Kontakte und bat Friesen und Jahn darum, ihm eine größere Zahl weiterer zuverlässiger Informanten zu empfehlen. Dabei wusste er nachweislich nichts von einem bereits bestehenden Bund oder Geheimbund. Denn auch die tatsächlich alsbald Involvierten handelten ihm gegenüber nicht als Bundes-, sondern als Privatpersonen. Und auch unter ihnen wird es nicht unerhebliche Kontroversen über eine solche Kooperation gegeben haben. Manche Mitglieder waren offenbar gänzlich gegen solche ‚praktischen‘ Aktivitäten. Andere hatten lediglich Vorbehalte gegenüber der Person Gruner, als Jemand, der den geforderten Idealen von Tugend und Sittlichkeit nicht genügen würde. So ist durch eine spätere Aussage Jahns bezeugt, dass es, als Gruner einst für eine Mitgliedschaft im dB vorgeschlagen wurde, aufgrund seiner angeblich leichtsinnigen Eheschließungen eine Ablehnung gegeben hätte (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 21, Bd. 2, Bl. 15), und in einem späteren Treffen zwischen Gruner und Friesen wies dieser ebenfalls darauf hin, dass es in den Berliner Bundeskreisen ein Misstrauen ihm gegenüber gegeben hätte (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 21, Bd. 1, Bl. 221). Als Resultat ergab sich schließlich, dass nach einer gewissen zeitlichen Verzögerung – siehe unten – ca. 20 Personen des Bundes mit Gruner kooperierten. Sie arbeiteten mit ihm entweder als Privatpersonen zusammen, oder, was ebenso denkbar ist, als verbliebene explizite Rest- bzw. Kerngruppe des dB. Mit Gruners Verhaftung am 22. August 1812 in Prag wurden dann auch einige Bun-

desmitglieder inhaftiert und Bundesunterlagen in Berlin beschlagnahmt. Zu dieser Zeit war der Bund offenbar längst segmentiert. Im Zuge seiner Verhöre im Dezember 1812 wies Lange auf von Anbeginn bestehende Differenzen hin: „Es schien sich nämlich gleichsam eine geistliche und eine Ritterbank zu bilden, deren Treiben und deren Ansichten, nach ihrem verschiedenen Stande u. ihren verschiedenen Geschäften, natürlicher Weise nicht selten a., voneinander abwichen“ (in: Bartmuß u.  S. 215). Die Pädagogen und die Militärs hätten also letztlich verschiedene Ziele verfolgt, und verallgemeinert lässt sich zusammenfassen, dass beim Bund von einem anfänglichen Zweckbündnis auszugehen ist. Die unklaren Ansprüche auf gesellschaftliche Veränderung führten ganz verschiedene Akteure zusammen, die sich in der Ablehnung der ‚Fremdherrschaft‘ einig waren, aber bereits über die Art des Kampfes gegen sie verschiedene Auffassungen hegten und erst recht über die Zukunftsgestaltung Preußens oder Deutschlands. Mit Recht stellte ein Mitglied in seinen Erinnerungen fest, dass in bestimmten Vorstellungen „eine große Verschiedenheit unter den Mitgliedern des Bundes war“ (Harnisch, S. 380). Im Lauf der Zeit scheinen diese Differenzen immer spürbarer geworden zu sein, und die verschiedenen Fraktionen traten stärker auseinander (ohne je an Verbindung zu verlieren): eine eher fecht- und turnfreundliche der Militärs, eine eher pädagogisch und volkspädagogisch orientierte der Lehrer und eine, die sich direkt einer konspirativen Zusammenarbeit mit Gruner widmete. Darüber hinaus sollen, wie ebenfalls Harnisch im Rückblick bezeugt – und das wäre dann eine vierte, aber offenbar nie bedeutsame und vor allem wohl schwärmerisch-phantasierende Fraktion – militante Aufstands- oder Attentatspläne von jüngeren Bundesmitgliedern hin und wieder erwogen worden sein. Wohl schon nach einem Jahr des Bestehens und spätestens seit dem expliziten Militärbündnis zwischen Frankreich und Preußen (Allianzvertrag vom 24. Februar 1812) be631

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Abb. 122  Gruners Entwürfe für eine Geheimschrift, ca. 1812.

stand der Bund im Grunde aus verschiedenen Kreisen. Vor allem Jahn, als charismatische Person, und Friesen, als ausgleichender Vermittler und kluger Stratege, werden aber einen gewissen Zusammenhalt gewährt haben. Die Tätigkeit des Bunds wurde dann spätestens nach Gruners Verhaftung im August 1812 und mit den danach einsetzenden Untersuchungen eingestellt. Zu dieser Zeit war klar, dass eine solche Vereinigung offiziell tatsächlich als staatsgefährdend gelten und nunmehr von innen und außen bespitzelt würde. Die Akteure wirkten zwar weiter auf antifranzösische Weise, aber nicht mehr im Bundesrahmen. Wahr632

scheinlich hat eine erste Ernüchterungs- und Dezimierungswelle nicht erst mit Gruners Verhaftung, sondern schon viel früher eingesetzt, und zwar Anfang 1812. Denn durch die erwähnte Allianz mit Frankreich galt Preußen nicht mehr als französisch besetzt, sondern ausdrücklich als französischer Bündnis- und Kriegspartner. Einigen waren damit neue und nicht unerhebliche Loyalitätszwänge entstanden, den Anderen war klar, dass ihre Arbeit nun wirklich als königs- und staatsfeindlich gelten musste. Seit dieser Zeit wurden Bundesunterlagen bei Starck versteckt, sie wurden nicht mehr weitergeführt und nicht mehr ge-

Der deutsche Bund [dB]

nutzt. Auch neue Mitglieder sind möglicherweise seit dieser Zeit formell nicht mehr aufgenommen worden. Der Bund als Bund war erloschen und lebte von seinen einstigen Zielen her nur noch in heterogenen, kleinen Zirkeln fort. Insofern war es nicht einmal eine Schutzbehauptung, wenn Jahn in einem Verhör angab, die Vereinigung hätte im Februar 1812 ihre reguläre Arbeit eingestellt. Wenn andere Akteure in den Verhören ab 1819 davon abweichende Angaben machten, deutet das darauf hin, dass sich mittlerweile längst heterogene Kleingruppen herausgebildet hatten und der Bund als solcher zersplittert war: Starck teilt mit, der Bund hätte sich im Frühjahr 1813 mit Kriegsausbruch aufgelöst; Turte gibt an, die Auflösung wäre am 11. Februar 1813 in Friesens Berliner Stube erfolgt; Zeune zufolge löste sich der Bund im Frühjahr 1813 schlichtweg nach und nach auf; Heyligenstaedt gibt zu Protokoll, der Bund sei am 29. Mai 1814 während des Feldzugs in Oudenarde gemeinsam von ihm, Feuerstein, Stargardt, Helmenstreit und Palm aufgelöst worden (alle fünf Aussagen in: GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 21, Bd. 2, Bl. 45 ff.). Und nach Harnischs späteren Erinnerungen habe er selbst in Breslau, wo sich zwischenzeitlich viele Bundesmitglieder wie Friesen und Jahn befunden hätten, nach dem Ausmarsch des Lützowschen Freikorps den Bund 1813 aufgelöst und in der Verfolgungswelle 1819 die Bundespapiere vernichtet (Harnisch, S. 314). – 4) Zusammenarbeit mit Gruner: Die Zusammenarbeit des Bundes mit Gruner führte zu seiner Zerschlagung. Erste personelle Kontakte Gruners zu Jahn hatte es bereits im Herbst 1811 gegeben. Wenn man annimmt, dass Gruner erst im August 1811 endgültig auf antifranzösische Positionen überwechselte, werden die Angaben glaubhaft, dass Ende des Jahres 1811 Jahn, Friesen und Preuß bereits für ihn arbeiteten (einer anderen Erklärung Gruners zufolge lernte er Friesen erst Anfang 1812 kennen). Vor seinem Weggang aus Berlin hat Gruner dann im März 1812 mit Friesen und Jahn fes-

te Kontakte vereinbart. Es war eine geschäftliche Abmachung: Er bot Geld und forderte dafür briefliche Nachrichten über französische Truppenbewegungen, über die jeweilige Volks­ stimmung, über politisch verborgene Schlüssel­ ereignisse und über patriotisch oder antipatrio­ tisch gesinnte Personen. Gleichfalls erwartete er, dass die von ihm bezahlten Mitarbeiter potentielle Bündnispartner für eine paramilitärische Erhebung werben, Mitglieder für die in Russland entstehende Russisch-Deutsche Legion gewinnen und überhaupt antifranzösische Propaganda betreiben sollten. Geeignete Mitarbeiter mussten ihm benannt werden, die er aus der Ferne prüfte (und er hat, eigenen Angaben zufolge, auch einige abgelehnt). Er bezahlte sie mit Geldern, die er aus Russland erhielt, und sie hatten die Aufgabe, sich nach verschiedenen Orten Deutschlands zu begeben und von dort aus ihre betreffenden Nachrichten zu senden. Die Ergebnisse haben Gruner aber keinesfalls zufrieden gestellt. Möglicherweise in Prag, vor allem aber in Liebenwerda (heute Lázně Libverda) traf er seit dem Frühjahr 1812 mehrmals mit Bundesvertretern zusammen (u. a. Lange, Preuß, v. Helmenstreit). Als eine Art Sekretär und ständiger persönlicher Mitarbeiter wurde Letzterer von ihm engagiert, und auch Lange erwartete, in seinen gut bezahlten unmittelbaren persönlichen Dienst in Prag zu treten. Aber Gruner war alsbald verärgert: Einerseits über die spärlich fließenden Nachrichten und dass sie nicht wirklich geheime Informationen enthielten, andererseits darüber, dass er, wie er erst Ende Juni 1812 erfuhr, mit einem bereits bestehenden Bund bzw. Geheimbund kooperierte. Er hegte den – letztlich wohl unbegründeten – Verdacht, dass die von ihm bezahlten Boten deutschlandweit unterwegs wären, um Zweigfilialen des dB zu gründen und ihn selbst, noch dazu auf seine eigenen finanziellen Kosten, zu übergehen. In einem Brief an v. Hardenberg vom 19. Januar 1820 heißt es dazu: „Dieser ehemalige Bund hat einige Geldsummen von mir unterschlagen oder falsch verwendet“ 633

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(GStA PK, VI. HA, Nachlass v. Gruner, Justus Karl, Nr. 74, Fasz. V, H 25, Nr. 13), und ebenfalls im Rückblick hob er hervor: „von ihrer Thätigkeit zeigte sich keine Spur, und als ich darüber nachdrücklich schrieb, erhielt ich endlich einen fast frechen Brief von Jahn“. Dieses Schreiben hätte ihn mehrfach empört, wegen des finanziellen und Zeitverlusts für seine Bestrebungen, aber auch wegen der Drohungen Jahns, die Kooperation ganz einzustellen (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 21, Bd. 1, Bl. 220, 226). Deshalb setzte Gruner am 28. Juni 1812 eine noch heute überlieferte umfassende Erklärung auf. Darin erhob er schwere Vorwürfe: „Das Geschäft hat jetzt drei Monat lang gedauert, und ist für mich ohne alle Resultate gewesen: Ich bin um drittehalbtausend Thaler, um eine wichtige Vorbereitungszeit, und um Ruhe und Glauben an Menschen ärmer geworden. Blos weil – ich den Hr. Jahn und Friesen unbedingt vertraute“ (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 527, Nr. 4, Bl. 6). Für eine eventuelle zukünftige Zusammenarbeit forderte er Klarheit. Deshalb mündete diese Erklärung in einen Vertragsentwurf, der die weitere Zusammenarbeit mit dem dB regelte, eine Reihe von Bedingungen stellte und die beiderseitigen Rechte und Pflichten festschrieb. Gruner verlangte definitiv Einblick in die Bundesunterlagen und in die Mitgliederlisten, er forderte Informationen über die programmatischen Bundesziele und über die Zusammenarbeit des Bundes mit anderen Geheimbünden (denn er fürchtete, es mit einer freimaurerisch gehaltenen Allerweltsverbindung oder einem dubiosen Geheimorden zu tun zu haben). Dabei war eines seiner Versprechen, vorrangig Mitglieder des dB als von ihm beauftragte Akteure zu nutzen. Er räumte ihnen also gewissermaßen – und das war angesichts der erheblichen Finanzmittel, über die er für diesen Zweck verfügte, nicht unwichtig – eine Exklusivstellung ein. Alles in allem: Die tatsächliche Arbeit für Gruner blieb auf eine sehr kurze Zeit beschränkt. Vor seinem energisch gehaltenen Vertragsentwurf vom 28. Juni 634

1812 erhielt er, wie er darin vorwurfsvoll festhielt, lediglich Nachrichten, die ihm kaum verwertbar erschienen (Heyligenstaedt am fleißigsten, aber nicht immer lesbar; Palm fleißig, aber ohne Geheimnachrichten; Dittmar Kontakt eingestellt; Feuerstein nur wenige Briefe; Preuß I nur einen Brief; Knuppius’ Briefe unbrauchbar; Müllers Nachrichten nichts Geheimes). Und erst nach dieser Intervention kam es zu einem ‚Spitzentreffen‘ in Liebenwerda, bei dem alle Vorbehalte ausgeräumt wurden. Zu Gruners Überraschung kam Friesen, nicht Jahn. Dieser hatte die Versäumnisse plausibel erklären können. Denn die Verzögerungen hätten sich „durch Misstrauen andrer Bundesglieder, durch Verlust von Briefen – durch eingetretene Beobachtungen und Hindernisse“ ergeben (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 21, Bd. 1, Bl. 221). Auch habe Friesen ihm die Bundeszwecke erläutert, eine Mitgliederliste vorgelegt und darüber hinaus eine schriftlich verfasste Darstellung über den Geist des Bundes verlesen. Danach lief die Zusammenarbeit zufriedenstellend an. Wenn man dieses Treffen frühestens auf Mitte Juli datiert, blieb also nur eine kurze Zeit für eine tatsächliche Kooperation bis zu Gruners Verhaftung am 22. August. Rund 20 Bundesmitglieder waren daran beteiligt. Manche wirkten als explizite Gesandte, die an strategisch wichtigen Punkten Nachrichten sammeln sollten, andere als Boten. Friesen war als Berliner Korrespondent und wahrscheinlich auch als Koordinator tätig. Jahn, der zu Gruner ein gespanntes Verhältnis hatte, wird sich kaum beteiligt haben. Und möglich ist, dass Gruner zu bestimmten Mitgliedern des dB, die inzwischen außerhalb Berlins wohnten, in Kontakt gekommen war, ohne dass es eine Verbindung über den dB gegeben hatte. Diese eingeschlossen sind namentlich aus den Unterlagen Gruners bekannt: Alexander v. Blomberg, Adolf Wilhelm v. Dittmar, Eggert, Carl Friedrich Wolf Feuerstein, Karl Friedrich Friesen, Wilhelm Harnisch, Heinrich Ludwig v. Heyligenstaedt, Frank Knod v. Helmenstreit, Heinrich v. Hol-

Der deutsche Bund [dB]

leben, Friedrich Ludwig Jahn, Johann Ernst Theodor Janke, Knuppius, Friedrich Heinrich Wilhelm Lange, Johann Friedrich Lürrmann, Ferdinand Wilhelm Müller, Friedrich Leopold Palm, [Johann David Erdmann?] Preuß, Johann Christian Reil, Stosch, Gottlieb Schroer, Sixt v. Arnim, Wieslink. Diese Kooperation war dann der Grund der Zerschlagung des dB. Letztlich verfuhren die preußischen Behörden aber überraschend milde. Die Nachrichten v. Bülows an den König (im Rahmen seiner allgemeinen, wöchentlich übersandten Stimmungsberichte) wiegelten demonstrativ ab. Die betreffenden Memoranden vom 7. und 25. Oktober 1812 verharmlosen den Bund geradezu gezielt. Sie wollten ihn mehrfach u. a. lediglich als „Orden“ verstanden wissen und berichten, dass „die kleinen Verbindungen, die unter mancherlei Namen existirten, und jungen Feuerköpfen ihr Daseyn verdankten, zersprengt und unterdrückt sind“. Ernst zu nehmen wäre das ohnehin nicht: „Der lächerliche und kaum glaubliche Zweck dieser Verbindung war der; zur Ueberwältigung der Uebermacht Frankreichs eine deutsche Republik zu stiften“. Es sei nicht erforderlich, „gegen ein Mitglied des Ordens, wenn dasselbe nicht zu den thätigen Agenten des Staatsraths Gruner gehört, strenge Maasregeln zu nehmen“, sondern es bei Beobachtung und Bespitzelung zu belassen (GStA PK, I. HA Rep.  74, HX, Nr. 58, Bl. 9, 38 f.). Denn längst war auch v. Bülow – dem Initiator der Verfolgung Gruners und des dB – klar, dass es sich nicht um einen republikanischen Verschwörerklub handelte, und keinesfalls wurden in Preußen gegen alle Mitarbeiter Gruners, die dem dB angehörten, solche „Maßregeln“ ergriffen. Lange, der kurz nach Gruner in Prag verhaftet und im Dezember nach Preußen überstellt worden war, kam unmittelbar nach einem Geständnis sofort frei. Friedrich Ludwig v. Heyligenstaedt und Friedrich Müller blieben allerdings bis zum Februar bzw. März 1813 inhaftiert, auch v. Helmenstreit kam erst Anfang des Jahrs 1813 frei. In anderen deutschen Staaten gab es härtere Re-

aktionen, denn die staatliche Kooperationswilligkeit mit den Franzosen war dort größer. Friesen und Jahn, die in Berlin befindlichen Häupter des dB, haben von sich aus für eine Klärung der Vorwürfe und sogar für Wohlwollen gesorgt. Nicht alle Details dieser insgeheim laufenden Kontakte sind rekonstruierbar (so ist nicht wirklich klar, ob v. Hardenberg und Jahn sich möglicherweise schon 1811 oder im ersten Halbjahr 1812 kennen gelernt haben). Aber als wahrscheinlich kann gelten, dass beide – erst Jahn, dann Friesen – nach Gruners Verhaftung (bzw. nach ersten Informationen über diese) in separaten Audienzen v. Hardenberg gegenüber die Bundeszwecke und das Ziel ihrer Zusammenarbeit mit Gruner offenbart haben. Der Staatskanzler beglich daraufhin laut einem ehrenden Brief vom 28. September 1812 an Jahn die offenen Kosten für dessen im Auftrag Gruners unternommenen Kurierfahren Ende des Jahres 1811 (vgl. Pröhle, S. 65), und in den nächsten Jahren gestaltete sich das beiderseitige Verhältnis vertrauensvoll; stand doch Jahn zeitweise in direkten Diensten v. Hardenbergs. Durch diese Kontakte wurde eine ernsthafte Verfolgung abgewendet, und im Oktober konnte Friesen in einem Brief an v. Stein (sehr wahrscheinlich gestützt auf Jahns Informationen aus erster Hand) vermelden, dass v. Hardenberg sich all der Verhaftungen schäme und der König sie missbillige. Der Inquisitor v. Bülow hätte es erreicht, bestimmte Anschuldigungen zu instrumentalisieren, aber v. Hardenberg lasse nun „Schonung und Milde“ walten (Pertz, S. 132). Unter Berufung auf Jahn ersuchte Friesen am 18. Dezember 1812, wenige Tage nach dem Geständnis Langes, ebenfalls um eine Audienz beim Staatskanzler („Die Versicherung meines Freundes Jahn, daß ich es wagen dürfe mich Euer Durchlaucht persönlich vorzustellen“, GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 527, Nr. 3, Bl. 2). Jahn und Friesen konnten also dem Staatskanzler versichern, dass von ihnen keine Gefährdung des preußischen Staats ausginge. Damit diese beiden, sozial gesehen unbedeutende 635

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Lehrer ohne Hochschulabschluss, überhaupt Zugang zu v. Hardenberg bekommen konnten, mussten sie etwas Vielversprechendes zu bieten haben. Einige ihrer Bundesmitstreiter gerieten in Festungshaft, sie hingegen erlangten die Ehre der Audienz beim Staatskanzler. Zumindest Jahn – dafür gibt es bislang aber keinen wirklichen Nachweis – wird dem Staatskanzler wichtige Bundesdokumente vorgelegt oder gar ausgehändigt haben. Da auch die anderweitig beschlagnahmten Papiere nichts Staatsgefährdendes enthielten, versuchte auch v. Bülow, wie seine oben erwähnten Berichte an den König aus dem Oktober 1812 verdeutlichen, die Bedeutung des dB herabzuspielen. Auch der Umstand, dass zwei nicht näher zu identifizierende Personen namens v. Bülow auf der 54 Namen umfassenden Mitgliederliste vertreten waren – also Vertreter des weiteren oder engeren Familienkreises –, wird ihm Anlass gewesen sein, von diesen Informationen einzuholen, die wohl beruhigend ausfielen. Warum aber wurden Gruner und der dB überhaupt verfolgt? Johann Ernst Theodor Janke, der selbst Mitglied des Bundes gewesen ist (ab 13. Oktober 1811) und am 21. Juli 1812 den Bund und Gruner (und übrigens auch den vermeintlich noch bestehenden  Tugendbund) gezielt denunzierte, hatte das Bild einer umfassenden republikanischen Verschwörung entworfen, an der auch der dB einen wichtigen Anteil hätte, ergänzt durch die Nachricht, dass Gruner ggf. v. Hardenberg kompromittierende Informationen den Franzosen zuspielen könnte. Die Sicherheit des Staats stand zur Disposition; folglich musste zugeschlagen werden. Das übernahm v. Bülow, Gruners Nachfolger als leitender Verantwortlicher für die preußische Polizei und dessen Intimfeind. Als sich aber schnell herausstellte, dass es weder republikanische noch gegen v. Hardenberg gerichtete Bestrebungen gab, war auch v. Bülow auf Schadensbegrenzung bedacht und versuchte, die Untersuchungen im Sande verlaufen zu lassen. Manche Mitglieder werden jeder Vereinstätigkeit abgeschworen haben. Und 636

manche werden sich als Konfidenten und Zuträger für die eventuellen zukünftigen Entwicklungen des Bundes zur Verfügung gestellt haben (und im Gegenzug beseitigte v. Bülow das Bundestagebuch, so dass es in den Untersuchungen ab 1819 nicht mehr zur Verfügung stand). Da diese Vereinigung niemals staatsfeindlich, sondern lediglich franzosenfeindlich angelegt war, haben bestimmte Mitglieder keinen Grund gesehen, ihm ihr Ansinnen zu verschweigen. Sie wirkten nicht einmal als Spitzel, sondern eben als Konfidenten. Sie begriffen sich nicht als Feinde des Königs, der preußischen Regierung, der preußischen Polizei usw., sondern als deren eigentliche Freunde. Danach wurde die Bundesarbeit als solche nur noch von Friesen verfolgt, aber gewiss ohne den eigentlichen Bund als tragende Struktur. Im Oktober 1812 schrieb er an v. Stein, dass er Gruners Arbeit fortsetzen wolle und bat um erneute Finanzmittel. Im selben Schreiben wies er allerdings auch, gewissermaßen schon in der Defensive befindlich, auf die allgegenwärtige Bespitzelung hin (vgl. Pertz, S. 132). Damit war die letzte, die konspirative Phase des dB faktisch beendet. Kurz vor dem Einrücken der russischen Truppen in Berlin haben Bundesmitglieder wie Turte und v. Vie­tinghoff französische Stellungen ausgekundschaftet und Nachrichten darüber aus Berlin heraus gebracht (Dürre, S. 97 f.). Aber das war eine individuelle Initiative, keine organisierte. Der dB als größerer Bund bzw. als Kerngruppe von für Gruner tätigen Aktivisten bestand nicht mehr. Nach Gruners späteren Angaben soll Friesen bei einem Treffen mit ihm im Jahr 1813 eingeräumt haben, dass sich mehrere Mitglieder im Herbst 1812 „schwach benommen“ hätten, und er soll sich, so Gruner, „über den Erfolg und Ausgang ihres Vereins gedrückt und beschämt“ geäußert haben (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 26b, Nr. 1, Bl. 37). – 5) Verfolgung ab 1819: Oben wurden voneinander abweichende Versionen der Auflösung des dB angeführt, die von Beteiligten stammten. Diese Frage nach dem Ende des Bundes wurde im

Der deutsche Bund [dB]

Jahr 1819 juristisch relevant. Im Zug der sog. Aber noch wurde Jahn toleriert. Erst nach der Demagogenverfolgung rückte der einstige dB Ermordung Kotzebues durch den Studenten erneut in den Fokus der Untersuchungsbehör- Sand geriet auch er ins Visier der Demagogenden. Der Denunziant Janke, der als Mitglied verfolger und wurde am 13. Juli 1819 verhaftet des Bundes auch in die konspirative Arbeit und mit drei Hauptanschuldigungen konfroneinbezogen werden sollte, dann aber offenbar tiert: Bildung eines verschwörerisch-republiAngst bekam, hatte schon am 21. Juli 1812 mit kanischen Geheimbundes, Mord- und Atteneinem umfassenden Schreiben den Ausschlag tatspläne, aufrührende Reden wider Staat und zur Verhaftung Gruners und zu den damaligen Regierung. Letztlich zerschlugen sich alle drei, Untersuchungen gegen den Bund gegeben. berührten aber zumindest einen wirklichen 1815, im Zuge des Tugendbundstreits ( Tu- Kern. Denn bei den relativ unterschiedlichen gendbund), trat er am 19. August nochmals in- Zukunftserwartungen, die im dB vorherrschtern mit einem Verleumdungsschreiben her- ten, wird es zweifellos auch solche gegeben vor, und in Verhören ab Oktober 1819 be- haben, die sich auf eine konstitutionelle Mo­ hauptete er wiederum, der dB würde als repu- narchie richteten oder auch solche, die sich blikanischer Verschwörungsbund nach wie vor mit Bezug auf ‚alte‘ germanische Rechte eine unheilvoll fortwirken. Als offenbar einziges ausgeglichenere ständische Beteiligung an reBundesmitglied wurde Jahn inhaftiert. Dieser levanten politischen Entscheidungsprozessen hatte nach den sog. Befreiungskriegen durch- erwarteten. Nach Harnisch (Harnisch, S. 371) aus Anerkennung gefunden. Er bekam 1814 kursierte einst im Bund per Abschrift u. a. auch eine großzügige Ehrenpension des preußi- v. Steins unveröffentlichtes sog. Politisches Tesschen Staats zugesprochen, die sich zwei Jahre tament, das er im Herbst 1808 im Zuge seiner später nochmals verdoppelte. Das spätestens Entlassung verfasst hatte (Nationalrepräsentatiseit September 1812 sehr gute Verhältnis zum on, Adelsreform und Ständeausgleich, AufheStaatskanzler v. Hardenberg zeigte sich auch bung der Leibeigenschaft, Jugenderziehung darin, dass dieser ihn mit Kurieraufträgen zum usw.). Auch Jahns Deutsches Volksthum hatte, Wiener Kongress und in das besetzte Paris be- zumindest am Rande, ähnliche Gedanken in traute. 1817 verliehen ihm die Universitäten den Raum gestellt: Er forderte eine ausgewoJena und Kiel die Ehrendoktorwürde. Aber gene ständische Mitbeteiligung an politischen eine von Jahn erhoffte nationale Erweckung Entscheidungen, ein allgemeines bürgerliches wurde vom preußischen Staat nicht befördert, Recht, die Abschaffung der Leibeigenschaft: und er zeigte sich zunehmend enttäuscht. Die „Es gebe keine staatsbürgerlichen Pflichten öffentlichen Privatvorträge, die er 1817 mit ohne staatsbürgerliche Rechte. Es höre jede ausdrücklicher Genehmigung des Innenminis- Knechtschaft auf, sie heiße Hörigkeit, Unteriums in angemieteten Räumen hielt, gaben terthänigkeit oder Leibeigenschaft“ (Jahn, sich durchaus kritisch-kämpferisch. Die Vor- 1810, S. 95). Selbstredend war Jahn nie Reputräge vom 10. und 17. Februar griffen die blikaner, nie wollte er die Monarchie stürzen preußische Regierung an. Alles, was mit dem und den Adel beseitigen, wie der HauptbelasSchwerte errungen worden sei, sei mit der Fe- tungszeuge Janke unentwegt behauptete. Er der – also von Bürokratie und Staat – wieder erstrebte allenfalls eine konstitutionelle geverloren gegeben worden. Diese Manuskripte samtdeutsche Monarchie unter preußischer musste er auf v. Hardenbergs Aufforderung zur Oberhoheit. Nach mehrjährigen Untersunachträglichen Prüfung einreichen, und auch chungen, in denen u. a. E. T. A. Hoffmann den in den folgenden Wochen häuften sich Be- Hauptbelastungszeugen Janke als bloßen Deschwerden über seine weiterlaufende Vortrags- nunzianten entlarvte, zerschlug sich das Verreihe (Euler, S. 477 ff.; Schodrok, S. 51 ff.). fahren gegen Jahn. Das Breslauer Oberlandes637

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gericht sprach ihn am 13. Januar 1824 vom Vorwurf frei, den dB als verschwörerischen und staatsfeindlichen Geheimbund mitbegründet und bis 1819 weitergeführt zu haben, verurteilte ihn aber wegen unehrerbietiger Äußerungen über die bestehende Verfassung und Staatseinrichtungen zu zweijähriger Festungshaft. Das Oberlandesgericht Frankfurt/ Oder hob am 15. März 1825 auch dieses Urteil auf. Dennoch wurde Jahn aus großen Städten mit Universitäten ausdrücklich verbannt und musste sich ein Domizil in Freyburg suchen. Struktur und Organisation: Die Analyse der tatsächlichen Vereins- und Organisationsstrukturen ist nur bedingt möglich. Die gewollte Geheimbundpraxis führte dazu, dass Dokumente nicht offiziell zugänglich waren und im Zuge von Untersuchungs- und Verfolgungswellen von den potentiell Verdächtigen teilweise vernichtet wurden. Und Zeugenaussagen müssen auf ihren Status geprüft werden: denunzierende, verteidigende, abwiegelnde und im Lauf der folgenden Jahrzehnte nicht selten überhöhende. Bereits zur Zeit des Wirkens des Bundes wurden am 11. Februar 1811 von Rudolf Zacharias Becker in der in Gotha erscheinenden National-Zeitung der Deutschen Auszüge aus den Bundesstatuten publiziert, ohne dass ersichtlich war, dass es sich um einen Berliner Bund handelte. Sie wurden ihm offenbar von der Gothaer Zweiggruppe des dB zugespielt. Sie können als glaubwürdig gelten; ihnen fehlen allerdings die wahrscheinlich vorhandenen Passagen zur körperlichen Ertüchtigung und die direkt nationalistischen Abschnitte, die Becker hätten gefährden können (dennoch wurde er im französisch kontrollierten Herzogtum Sachsen-Gotha aufgrund dieser Veröffentlichung umgehend inhaftiert). Statuten eines weiteren, nicht näher lokalisierten „Deutschen Bundes“, die 1814 im Politischen

Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen veröffentlicht wurden, sind entweder 638

die eines regionalen Ablegers des Berliner Hauptvereins mit sehr divergierenden und freimaurerischen Interessen oder die eines gänzlich anderen Vereins (oder sie sind schlichtweg fingiert). Eigentliche Originaldokumente sind nicht erhalten. Von verschiedenen Akteuren und Untersuchungsinstanzen werden allerdings derartige Materialien genannt. Summarisch zusammengefasst – und der­ ohne auf die komplizierte und wi­ sprüchliche Quellenlage hier im Detail eingehen zu können – handelt es sich um folgende entweder reale oder fiktive: Erstens um ein umfangreiches Bundesbuch mit Gesetzen und Anordnungen des Bundes (eine kurze Abschrift von programmatischen Passagen tauchte in der Verfolgungswelle 1819 auf, wobei Starck sich erst nach dem ersten Verhör plötzlich an diese Abschrift erinnert haben will); zweitens um ein offenbar wöchentlich aktualisiertes und in Geheimschrift geführtes Tagebuch, das Informationen über Vereinsaktivitäten dokumentierte (Mitgliederlisten, Wahl der Ämter, Gründung von Zweigvereinen an anderen Orten); drittens um ein Schimpf- und Glimpfbuch (das, wenn es dieses überhaupt gab, offenbar mit den Franzosen kollaborierende Vaterlandsfeinde auflistete). Darüber hinaus ist anzunehmen, dass einige dieser Dokumente zumindest auszugsweise in Abschriften kursierten. Originaldokumente des Bundes, die bei der Untersuchung 1812 offiziell eingezogen wurden, waren schon in den Jahren darauf nicht mehr auffindbar. Das betrifft vor allem das erwähnte Tagebuch. Es wurde routinemäßig ausgesondert oder absichtlich von den Polizeibehörden beseitigt, und schon die Untersuchungen ab 1819 konnten sich nur auf protokollierte Auszüge, aber nicht mehr auf Originale stützen. Den als authentisch anzusehenden Statuten zufolge war der dB ein Männerbund, der sich von vornherein nicht nur auf Einwohner Preußens beschränken sollte, sondern deutschlandweit angelegt war. Die Mitgliedschaft war sozial gleichberechtigt angelegt und sollte

Der deutsche Bund [dB]

Standesunterschiede hinfällig machen, des- aus ausländischen Stoffen wäre verboten, eine halb sollten Mitgliederlisten rein numerisch Zahlungsunfähigkeit oder ein Bankrott sowie bzw. alphabetisch geführt werden. Die Bun- der Verrat der geheimen Erkennungszeichen desmitglieder – aufgrund des geschworenen hätten den Ausschluss zur Folge. Die tatsächEides bezeichneten sie sich als „Eidgenossen“ liche Bundespraxis wich naturgemäß von den – unterteilten sich in zwei Klassen: arbeitende Statuten ab. So trafen sich Berliner Gruppieund Ehren-Mitglieder. Die arbeitenden wa- rungen teilweise öfter als einmal monatlich, ren diejenigen, die sich publizistisch oder und das segmentierende Kleingruppenprinzip dichterisch betätigen würden (also Intellektu- wurde bei ca. 50 Mitgliedern in Berlin offenelle). Ehren-Mitglieder konnten verdiente bar sehr flexibel gehandhabt. Die BundesämPersonen aller Stände werden; dazu ist es aber ter, über die diese Statuten letztlich keine geoffenbar nie gekommen. Ortsgruppen der nauere Auskunft geben, unterteilten sich ei„arbeitenden“ Mitglieder sollten nicht mehr nem Beteiligten zufolge folgendermaßen: „In als sechzehn, aber nicht weniger als zwölf jedem Verein befanden sich als Beamte der Mitglieder aufweisen (letztlich geht aus den Ordner, der Pfleger, der Schriftwart und der Statuten nicht hervor, ob das eine elitäre Be- Kaßner oder Rentner“, also ein Kassierer schränkung bedeutete oder eine rein organi- (Harnisch, S. 372). Etwas abweichend davon satorische und für einen Ort mehrere solcher heißt es in einem Untersuchungsbericht vom Gruppen zulässig erschienen). Jede dieser 25. Oktober 1812: „Von der ganzen VerGruppen würde einen jährlich gewählten sammlung, die in kurzer Zeit ziemlich zahlVorsteher aufweisen sowie zwei Beisitzer und reich ward, wurden in gewissen Perioden und einen Geheimschreiber. Monatlich wäre ein bey den mehrmals monatlich stattfindenden Treffen geplant, auf dem ein Mitglied eine Zusammenkünften nur 9. Mitglieder zu periselbst verfasste Abhandlung vortragen sollte. odisch wechselnden Aemtern erwählt. Die Einmal jährlich würden sich die arbeitenden übrigen Mitglieder rangirten nach Nummern und Ehren-Mitglieder versammeln. Dann unter sich“ (GStA PK, I. HA Rep. 74, HX, sollte eine Rechenschaftslegung, die Verle- Nr.  58, Bl.  38). Überregionale Verzweigunsung der Mitgliederliste und die Wahl der gen – und über Preußen hinaus – waren vom neuen Ämter erfolgen. Nach Möglichkeit Bund vorgesehen. Letztlich misslang das. hätte es dann – und weitere Rituale sahen Zweiggruppen gab es, zumindest nominell, diese kurzen Satzungen offenbar nicht vor – u.  a. in Königsberg/Neumark (Königreich ein gemeinsames Festmahl gegeben. Die Auf- Preußen), Gransee (Herzogtum Mecklennahme neuer Mitglieder erfolgte auf Empfeh- burg-Strelitz), Weimar (Herzogtum Sachsenlung und nach Prüfung per Eid und per Weimar-Eisenach), Erfurt (Fürstentum ErHandschlag. Einer Zeugenaussage aus dem furt), Gotha (Herzogtum Sachsen-Gotha), Jahr 1819 zufolge sollten sich Bundesmitglie- Wertheim a.  M. (Großherzogtum Baden). der mit Geheimzeichen untereinander zu er- Aber über eine tatsächliche Tätigkeit dieser kennen geben: „Der erste fängt an: A. Gruppen gibt es keine Nachrichten, nur dass Deutschland erwache! / (Der zweite) B. Fa- sie, wie v. Bülow im Oktober 1812 vermerkche die Rache / A. Muthig und blutig / B. te, „keinen guten Fortgang hatten, sondern Wage, beginne – Schlage gewinne“ (Hoff- sich bald wieder auflösten“ (GStA PK, I. HA mann, S. 1009). Das waren die heute bekann- Rep. 74, HX, Nr. 58, Bl. 38). Auch über die ten formellen Regeln. Die Statuten enthalten Finanzierung des dB gibt es keine Angaben. auch Verhaltensnormen: Man habe sich aus- Geldmittel waren vorerst nicht vorgesehen, ländischer Worte zu enthalten, Kaffee und denn es handelte sich um einen reinen Debatchinesischer Tee wären zu meiden, Kleidung tierklub. Da er darüber hinaus ein Geheim639

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bund war, musste auch nichts in Publikatio- Mitglieder: Es dürfte als fragwürdig gelten, nen, in Wohltätigkeitszwecke usw. investiert über archivalisch Überliefertes hinaus eine werden. Andererseits gab es Harnischs (nicht 120 Namen umfassende Mitgliederliste des dB immer gesicherten) späteren Informationen zu erstellen, die viele bekannte Namen wie zufolge auch das Amt eines Kassenwarts, und Schleiermacher, Reimer, v. Eichendorff, v. für unvorhergesehene Fälle kann es kleine Chamisso, Görres usw. einschließt, aber UnBeitragszahlungen gegeben haben (dem steht terschiede zwischen Patriotismen und Natiallerdings entgegen, dass alle inhaltlich diver- onalismen sowie liberal-demokratischen Regierenden Berichte über die Bundesauflösung formern und ausgesprochenen ‚Monarchisten‘ die Finanzfrage gar nicht erwähnen). Als Tei- verwischt und sich insgesamt uneingestanden le des dB ab Frühjahr 1812 mit dem auf das Kriterium einer ‚gefühlten‘ MitgliedGruner’schen Propaganda- und Spionagenetz schaft stützt (Hertault / Douay, S. 418 ff.). Dem kooperierten, wurde allerdings Geld benötigt. gegenüber ist festzuhalten: Der dB hatte bis Über v. Steins Verankerung in Russland ver- Oktober 1811 eine offizielle Mitgliederzahl fügte Gruner über nicht unerhebliche Mittel. von 54, die sich danach bis Herbst 1812 mögSie sind – vor allem über Buchhändler – ein- licherweise inoffiziell auf maximal 80 erweitert zelnen Mitgliedern des Bundes für Lebens- hat. Jahn sprach bei Verhören von 40 bis 50 und Reisekosten zugekommen. Als Vorsteher Mitgliedern, Lange von etwas mehr als 50. Das der Berliner Gesellschaft fungierte anfangs of- – allerdings nur bis zum Oktober 1811 geführfenbar Jahn. Vieles deutet darauf hin, dass sein te – Tagebuch des dB listete 54 Mitglieder auf; nicht immer ausgeglichenes Temperament in- es handelt sich um vorrangig jüngere Männer. nerhalb des Bundes auch Konflikte geschaffen Durch die Beschränkung auf „geborene Deuthat. Gerade den Adligen gegenüber wird er sche“ waren Juden indirekt ausgeschlossen. nicht immer den richtigen Ton getroffen ha- Das Sozialprofil der 14 Gründer (fünf Adlige ben. Nach und nach wird Friesen die Ge- bzw. Offiziere, die anderen Lehrer und Akaschäfte übernommen haben. Aufgrund seiner demiker) gibt eine Matrix vor, nach der sich Führungsqualitäten einerseits und der Schwä- die Mitgliedschaft gestaltete. Von den namentchen Jahns andererseits rückte er wohl Schritt lich bekannten 54 Mitgliedern waren mindesfür Schritt in die leitende Funktion. Ein Zeu- tens 24 adlig, mindestens 16 Militärs (wobei ge berichtet, dass „Friesen nach Jahn Ordner hier Überschneidungen denkbar sind), unter des Bundes wurde“ (GStA PK, I. HA Rep. 77, den anderen werden eine Reihe von Lehrern 17 Gen, Nr.  21, Bd.  1, Bl.  159). Mög­ sowie niedere und mittlere Beamte gewesen Tit.  licherweise geschah das ohne formellen Be- sein. Aufgenommen wurden Mitglieder nur schluss, denn die laut Statuten vorgesehenen auf persönlichen Vorschlag; nach Jahns AngaVollversammlungen und Wahlen haben, wie be (s. o.) wurden mindestens fünf abgelehnt. In Lange überliefert, nicht stattgefunden: „All- einem Rapport an den König vom 17. Oktogemeine Versammlungen sind meines Wis- ber 1812 berichtete v. Bülow, dass in der Zeit sens nie gehalten worden, welches auch die von Oktober 1811 bis zum Berichtszeitraum Anzahl der Mitglieder unmöglich machte“. weitere Mitglieder eingetreten wären. Die GeAls Zeitpunkt für diesen Wechsel könnte der samtzahl hätte mittlerweile maximal 80 betraJuli 1811 gelten. Darauf deutet ein Brief Har- gen, demzufolge kann eventuell mit weiteren nischs an Feuerstein hin. Dieser lässt aber ggf. ca. 25 namentlich nicht bekannten Akteuren auch auf einen formalisierten Wechsel schlie- gerechnet werden. Die offizielle Mitgliederßen, der dann sicher nur in einem sehr klei- liste (Stand Oktober 1811: GStA PK, I. HA nen Kreis vereinbart wurde (beides in: Bart- Rep. 74, HX, Nr. 58, Bl. 31 f.) nennt folgende Personen, wahrscheinlich der Reihenfolge der muß u. a., S. 216, 144). 640

Der deutsche Bund [dB]

internen Mitgliederliste des Bundes folgend: [Johann David Erdmann?] Preuß, Johann August Zeune, Wilhelm Harnisch, Franz August Oetzel, Carl Gottlob Starck, Karl Friedrich Friesen, Friedrich Ludwig Jahn, v. Drewitz, v. Krohne, Frank Knod v. Helmenstreit, August v. Vietinghoff, Heinrich Ludwig v. Heyligenstaedt, Friedrich Heinrich Wilhelm Lange, Friedrich Leopold Palm, Ale­xander v. Blomberg, Eggert, v. Meuel, Stosch, v. d. Horst, Ludwig Grashoff, v. Bülow I, v. Mosch, v. Goschützki, v. Bülow II, v. Biern, Schiller, Carl Daniel Turte, v. Dittmar, v. Wurmb, Baron v. Monteton I, Graf v. d. Gröben, Carl Friedrich Wolf Feuerstein, Busch, v. Fuchs, Sixt v. Arnim, Karl Müller, [Lebrecht?] v. Graevenitz, [Wilhelm Otto Karl Ewald?] v. Zastrow, Huschke, Johann Christian Reil, Perle, Hellfritz, Knuppius, v. Kapphengst, Benjamin Meyer, Gabriel Röhn, Johann Friedrich Lürrmann, Gottlieb Schroer, Harder, Stumpf, Schlund, Johann Ernst Theodor Janke, Baron v. Monteton II, Heinrich v. Holleben. Aus Jahns Verhören vom 3. Januar und 14. Februar 1821 und anderen, nicht näher zu verifizierenden Angaben schlossen die Behörden ergänzend auf weitere Namen: Johann Karl Friedrich Salomon, Gröbenitz [v. Graevenitz?], Ferdinand Wilhelm Müller, Prediger Meyer, Friedrich Wilhelm Stargardt, Gustav v. Bornstädt, Wieslink (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 21, Bd. 2, Bl. 16 f.). Querverweise auf andere Vereine: Fechtbodengesellschaft: Sie kann als eine der Keimzellen für den dB angesehen werden. Friesen hat von dort sicher anfangs einen Teil der Offiziere und Adelsvertreter für den dB rekrutiert; aktive Akteure der  Fechtbodengesellschaft wie Starck, Salomon und Oetzel gehörten auch dem dB an. – Turngesellschaft: Ihre Gründung im Juni 1811 durch Jahn wird nicht ohne tatkräftige Hilfe von organisatorisch erfahrenen Mitgliedern des db erfolgt sein. Da aber vor allem Kenntnisse zu den direkten Turnern vorliegen, nicht aber zum or-

ganisatorischen Umfeld, sind konkrete Aussagen vorerst nicht möglich. Reimersche und v. Chasôtsche Kreise: Friesen war ein Intellektueller, der auf vielfältige Weise vernetzt war, auch in patriotischen Kreisen. Zu den Zirkeln um Reimer und v. Chasôt wird vor allem er bestimmte Kontakte gehalten haben. Denn Jahn wird Reimer gegenüber aufgrund von dessen enger Freundschaft zu Schleiermacher nur bedingt aufgeschlossen gewesen sein. Darüber hinaus – ein wichtiger Unterschied – zielten Jahn und die Akteure des dB eben nicht nur ‚patriotisch‘ auf die Regeneration Preußens, sondern auf einen gesamtnationalen Aufschwung. Trotz dieser Differenzen gab es zeitweise ein paralleles Zusammengehen beider Gruppen, wahrscheinlich ohne dass die Akteure voneinander wussten. Denn Reimer und der zu dieser Zeit eng mit ihm befreundete Eichhorn waren ebenfalls in das Gruner’sche Netz involviert. Bibliographie: 1) Ungedruckte Quellen: GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen, Nr. 21, 2 Bde.: Acta betr. […] „der deutsche Bund“. – GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 26b, Nr. 1: Gerichtlicher Vortrag betreffend die sogenannten demagogischen Umtriebe […] 1823. – GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 527, Nr. 1: Acta betr. […] den Dr. Lange. – GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 527, Nr. 3: Acta, enth. Varia über die Untersuchung im Jahr 1812 in spec. Tugendverein. – GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 527, Nr. 4: Acta betr. […] Staatsrath Gruner. – GStA PK, VI. HA, Nachlass v. Gruner, Justus Karl, Nr. 74, Fasz. V. – GStA PK, I. HA Rep. 74, Staatskanzleramt HX, Nr. 58: Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers betreffend die Immediat-Berichte in Sachen Polizei-Angelegenheiten 1812/13. – GStA PK, VI. HA, Nachlass Jahn, A VI, Nr. 6: Prozessakten 1819 ff. – 2) Statuten: Auszüge in: National-Zeitung der Deutschen, 9. St., 11. Februar 1811, S. 169–173 (auch in: Ru­dolph Zacharias Becker: Leiden und Freuden in siebzehnmonatlicher französischer Gefangenschaft 641

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

von ihm selbst beschrieben. Ein Beytrag zur Charakteristik des Despotismus. Gotha 1814, S. 33–39). – 3) Gedruckte Quellen: Bartmuß, Hans-Joachim / Kunze, Eberhard / Ulfkotte, Josef (Hg.): Turnvater Jahn und sein patriotisches Umfeld. Briefe und Dokumente 1806– 1812. Köln, Weimar, Wien 2008. – Dürre, Chr[istian] Eduard L[eopold]: Aufzeichnungen, Tagebücher und Briefe aus einem deutschen Turner- und Lehrerleben, hg. v. Ernst Friedrich Dürre. Leipzig 1881. – Euler, Carl: Friedrich Ludwig Jahn. Sein Leben und Wirken. Stuttgart 1881. – Fichte, Johann Gottlieb: Bedenken über den vorgelegten Plan [1812]. In: Ders.: Gesamtausgabe. Nachgelassene Schriften. Bd. 12, München 1999, S. 417–420. – Fournier, August: Stein und Gruner in Österreich (Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Befreiungskriege). In: Ders.: Historische Studien und Skizzen. Bd. 3, Wien, Leipzig 1912, S. 99–212. – Harnisch, Wilhelm: Mein Lebensmorgen. Nachgelassene Schrift zur Geschichte der Jahre 1787–1822, hg. v. H. E. Schmieder. Berlin 1865. – Hoffmann, E[rnst] T[heodor] A[madeus]: Votum des Dezernenten, 15. bzw. 18. Februar 1820. In: Ders.: Sämtliche Werke, hg. v. Hartmut Steinecke / Wulf Segebrecht. Bd. 6, Frankfurt/M. 2004, S. 972–1067. – Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck 1810. – Jahn, Günther: Die Studentenzeit des Unitisten F. L. Jahn und ihre Bedeutung für die Vor- und Frühgeschichte der Burschenschaft 1796–1819. In: Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, hg. v. Chris­ tian Hünemörder. Heidelberg 1995, S. 1–129. – Kaupp, Peter / Ulfkotte, Josef: Die JahnFriesensche Burschenordnung von 1811/12. In: 200 Jahre burschenschaftliche Geschichte. Von Friedrich Ludwig Jahn zum Linzer Burschenschafterturm. Ausgewählte Darstellungen und Quellen, hg. v. Günter Cerwinka u. a. Heidelberg 2008, S. 1–81. – Pertz, G[eorg] H[einrich]: Das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein. Bd. 2: 1808 bis 1812. Berlin 1850. – 642

Pröhle, Heinrich: Friedrich Ludwig Jahn’s Leben. Nebst Mittheilungen aus seinem literarischen Nachlasse. Berlin 1855. – S., G. H.: Der Deutsche Bund Friedrich Ludwig Jahns und dessen Beziehungen zur deutschen Burschenschaft. Aufgrund der Akten des Geh. Staatsarchivs zu Berlin. In: Veröffentlichungen des Archivs für die deutsche Burschenschaft 2 (1895), S. 51–151. – Stein, Heinrich Friedrich Karl v.: Rundschreiben vom 24. November 1808 [„Politisches Testament“]. In: Ders.: Briefe und amtliche Schriften, Bd. 2.2, hg. v. Peter G. Thielen. Stuttgart 1960, S. 988–992. – 4) Forschungsliteratur: Blitz, Hans-Martin: Aus Liebe zum Vaterland. Die deutsche Nation im 18. Jahrhundert. Hamburg 2000. – Dann, Otto: Geheime Organisierung und politisches Engagement im deutschen Bürgertum des frühen 19. Jahrhunderts. Der Tugendbund-Streit in Preußen. In: Geheime Gesellschaften, hg. v. Peter Christian Ludz. Heidelberg 1979, S. 399–428. – Düding, Dieter: Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus in Deutschland (1808–1847). Bedeutung und Funktion der Turner- und Sängervereine für die deutsche Nationalbewegung. München 1984. – Echternkamp, Jörg: Der Aufstieg des deutschen Nationalismus (1770–1840). Frankfurt/M., New York 1998. – Hardtwig, Wolfgang: Vom Elitebewußtsein zur Massenbewegung. Frühformen des Nationalismus in Deutschland 1500–1840. In: Ders.: Nationalismus und Bürgerkultur in Deutschland 1500–1914. Göttingen 1994, S. 34–54. – Hellmuth, Eckhart / Stauber, Reinhard (Hg.): Nationalismus vor dem Nationalismus? Hamburg 1998 (= Aufklärung H. 10/2). – Hertault, Gérard / Douay, Abel: Franc-maçonnerie et sociétés secrètes contre Napoléon. Naissance de la nation allemande. Paris 2005. – Ibbeken, Rudolf: Preußen 1807–1813. Staat und Volk als Idee und Wirklichkeit (Darstellung und Dokumentation). Köln, Berlin 1970. – Janke, Erich: Zur Geschichte der Verhaftung des Staatsrats Justus Gruner in Prag im August 1812. Diss. Berlin 1902. – König, Hel-

Turngesellschaft [TurnG]

mut: Zur Geschichte der bürgerlichen Nati- leon und nationale Unabhängigkeit. Der Wionalerziehung in Deutschland zwischen 1807 derspruch des Fortschritts, hg. v. Helmut Bock und 1815. Bd. 2, Berlin (Ost) 1973. – Kruckis, / Renate Plöse. Berlin (Ost) 1990, S. 142–158. Hans-Martin: Charakteristik Friedrich Lud- – Schulze, Hagen: Berlins Rolle in den Kriewig Jahns. In: Lebensläufe um 1800, hg. v. gen gegen Napoleon. In: Berlin im Europa Jürgen Fohrmann. Tübingen 1998, S.  177– der Neuzeit. Ein Tagungsbericht, hg. v. Wolf202. – Pusch, Emil: Friedrich Friesen. Ein gang Ribbe / Jürgen Schmädeke. Berlin 1990, Lebensbild. Mit einer kurzen Geschichte des S. 75–83. – Schodrok, Karl-Heinz: Preußische Lützowschen Freikorps. Dem deutschen Volk Turnpolitik mit Blick auf Westfalen. Berlin und der deutschen Jugend gewidmet. Zwei- 2013. – Stulz, Percy: Fremdherrschaft und Bete Auflage. Berlin 1939. – Rundnagel, Erwin: freiungskampf. Die preußische KabinettspoliFriedrich Friesen. Ein politisches Lebensbild. tik und die Rolle der Volksmassen in den JahMünchen und Berlin 1936. – Scharff, Alexan- ren 1811 bis 1813. Berlin (Ost) 1960. – Zeisler, der: Der Gedanke der preußischen Vorherr- Kurt: Justus von Gruner. Eine biographische schaft in den Anfängen der deutschen Ein- Skizze. In: Berlin in Geschichte und Gegenheitsbewegung. Bonn 1929. – Schröder, Wil- wart. Jb. d. Landesarchivs Berlin, 1994, S. 81– li: Burschenturner im Kampf um Einheit und 105. [Der Autor bedankt sich freundlich, dass Freiheit. Berlin (Ost) 1967. – Schröder, Wil- er für diesen Beitrag vorbereitende Recherli: Der illegale „Deutsche Bund“. In: Napo- chen von Christopher Drum nutzen konnte.]

Olaf Briese

Turngesellschaft [TurnG] Name: Turngesellschaft, auch: Turngemeinde; Turnplatz; Turnanstalt. Gründung: 19. Juni 1811 (= 1. Turntag). Auflösung: 15. März 1819 (Jahns Antrag zur Wiedereröffnung des Turnplatzes beantwortet das Kultusministerium dahingehend, dass der Turnplatz in der Hasenheide so lange geschlossen bleiben müsse, bis das Turnwesen durch die Regierung „neu geordnet“ sei). Am 2. Januar 1820 erfolgte aus politischen Gründen ein generelles Verbot des öffentlichen Turnens in Preußen. Sitz: Turnplatz in der bei Berlin gelegenen Hasenheide. Fecht- und Voltigiersaal für das Winterturnen: Veronascher Saal, Behrenstraße 57. Die Turner trafen sich im engeren Kreis gelegentlich auch in den Berliner Wohnungen Jahns: Unterwasserstr. 11 (1810), Lindenstr. 4 (1812), Markgrafenstr. 39 (1814), Kochstr. 20 (1815), Friedrichstr. 208 (1816) und Wallstr. 21 (1817–1819).

Programmzitat: „Gute Sitten müssen auf dem Turnplatz mehr wirken und gelten, als anderswo weise Gesetze. […] Man kann es dem Turner, der eigentlich leibt und lebt und sich leibhaftig erweiset, nicht oft und nachdrücklich genug einschärfen, daß keiner den Adel des Leibes und der Seele mehr wahren müsse, denn gerade er. Am wenigsten darf er sich irgendeines Tugendgebots darum entheben, weil er leiblich tauglicher ist. Tugendsam und tüchtig, rein und ringfertig, keusch und kühn, wahrhaft und wehrhaft sei sein Wandel. Frisch, frei, fröhlich und fromm – das ist des Turners Reichtum. Das allgemeine Sittengesetz ist auch seine höchste Richtschnur und Regel. Was andere entehrt, schändet auch ihn. Muster, Beispiel und Vorbild zu werden – danach soll er streben. Dazu sind die Hauptlehren: nach der höchsten Gleichmäßigkeit in der Aus- und Durchbildung ringen; fleißig sein; was Gründliches lernen; nichts Unmännliches 643

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

mitmachen; sich auch durch keine Verführung hinreißen lassen, Genüsse, Vergnügungen und Zeitvertreib zu suchen, die dem Jugendleben nicht geziemen. […] / Aber im Gegenteil darf man nie verhehlen, daß des deutschen Knaben und deutschen Jünglings höchste und heiligste Pflicht ist, ein deutscher Mann zu werden und geworden zu bleiben, um für Volk und Vaterland kräftig zu wirken, unsern Urahnen, den Weltrettern, ähnlich. […] Und so ist auch selbst in schlimmster Franzosenzeit der Turnjugend die Liebe zu König und Vaterland ins Herz gepredigt und geprägt worden. Wer wider die deutsche Sache und Sprache freventlich thut oder verächtlich handelt, mit Worten oder Werken, heimlich wie öffentlich – der soll erst ermahnt, dann gewarnt, und so er von seinem undeutschen Thun und Treiben nicht ablässet, vor jedermann vom Turnplatz verwiesen werden. Keiner darf zur Turngemeinschaft kommen, der wissentlich Verkehrer der deutschen Volkstümlichkeit ist und Ausländerei liebt, lobt, treibt und beschönigt“ (Jahn/Eiselen: Die deutsche Turnkunst, 1816; zit. nach Euler, 1885, Bd. 2, Teil 1, S. 122–123). Geschichte und Programmatik: Der Dichter E. T. A. Hoffmann, der als Kammergerichtsrat 1819/20 den Untersuchungsprozess gegen Jahn leitete, kam in seinem abschließenden Urteil zu dem Ergebnis, dass „am Turnen an und vor sich selbst […] nichts neu [ist], als der Nahme denn die Sache stimmt ganz mit den gymnastischen Uebungen überein, die zu Schnepfenthal, Dessau und an anderen ErziehungsAnstalten üblich waren und keine andere Tendenz hatten, als die körperliche Erkräftigung im Allgemeinen“ (zit. nach Schnapp, S. 365). Hoffmann sah also keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Jahnschen Turnen und der Gymnastik, wie sie in den renommierten Reformschulen der Philan­ thropen in Dessau und Schnepfenthal betrieben wurden. Die Philanthropen wollten ihre Zöglinge zu vernunftgeleiteten, fleißigen und am Gemeinwohl interessierten Bürgern erzie644

hen. Die Einübung „bürgerlicher Tugenden“ wie Pünktlichkeit, Ordnungsliebe, Genauigkeit, aber auch Selbsttätigkeit und Kritikfähigkeit erschien ihnen unerlässlich. Johann Bernhard Basedow (1724–1790) gründete 1774 in Dessau das erste Philanthropinum für die Söhne adeliger und gehobener bürgerlicher Kreise. Laufen, Springen, Klettern, Tragen, Balancieren gehörten ebenso zum Schulprogramm wie Schwimmen, Schlittschuhlaufen und Voltigieren sowie die traditionellen ritterlichen Exerzitien Tanzen, Fechten und Reiten. Beliebt waren Spiele, an denen sich auch die Lehrer beteiligten. Basedows Reformschule in Dessau wurde zum Vorbild für andere Philan­ thropine. Das gilt auch für das Philanthropinum in Schnepfenthal, an dem seit 1786 Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759– 1839) die Fächer Erdkunde, Handarbeiten und Gymnastik unterrichtete. Die „Gymnastik“ war für ihn „Arbeit im Gewande jugend­licher Freude“, die im Rahmen der Schule nach bestimmten didaktisch-methodischen Grundsätzen zu erfolgen hatte. Als Hauptgattungen der Leibesübungen, die er mit seinen Schülern erprobt und nach Bewegungsverwandtschaften geordnet hatte, unterschied GutsMuths Springen, Laufen, Werfen, Ringen, Klettern, Balancieren, Heben, Tragen, Tanzen, Gehen und militärische Übungen. Hinzu kamen das Schwimmen und die Spiele. Wenn ein Schüler dazu in der Lage war, diese Hauptgattungen in vielen unterschiedlichen Formen auszuführen, hatte er damit den Nachweis für eine gründliche, umfassende Ausbildung des Körpers erbracht, die ihn dazu befähigte, alltägliche (Gefahren-)Situationen zu meistern. Das Springen über Gräben und Hindernisse zählte ebenso dazu wie das Klettern an Tauen und Strickleitern, um etwa im Falle eines Hausbrandes schnell zu entkommen oder helfend einzugreifen. Außerdem schützten regelmäßige körperliche Übungen vor Krankheiten und Unfällen und stärkten – in Verbindung mit einer gesunden Ernährung und enthaltsamen Lebensführung – die Gesundheit. Die körper-

Turngesellschaft [TurnG]

lichen Übungen und Spiele, die GutsMuths mit den Schülern auf dem Gymnastikplatz in Schnepfenthal erprobte und praktizierte, beschränkten sich allerdings auf eine kleine Bildungselite; die übergroße Mehrheit der Bevölkerung hatte daran keinen Anteil. Leibesübungen in Berlin vor Jahn: Auch in Berlin waren die Leibesübungen nicht unbekannt, bevor Jahn im Dezember 1809 in die preußische Metropole übersiedelte. Kurfürst Friedrich I. richtete 1705 in den Räumen des so genannten Lagerhauses in der Klosterstraße zur Ausbildung des jungen Adels eine Fürstenund Ritterakademie ein. Zu einer standesgemäßen Erziehung des Adels, die sich am Vorbild des französischen „galant homme“ orientierte, gehörten zu der Zeit die Leibesexerzitien Reiten, Fechten, Voltigieren und Tanzen, die von entsprechend vorgebildeten Reit- und Voltigierlehrern bzw. Fecht- und Tanzmeistern vermittelt wurden. An die Stelle der Fürstenund Ritterakademie trat 1716 die Neue Ritterakademie in der Breiten Straße, die Friedrich II. 1765 durch die école militaire ersetzte, aus der dann im 19. Jahrhundert die Kadettenanstalt hervorging. Das 1607 von Kurfürst Joachim Friedrich gegründete Joachimsthalsche Gymnasium erhielt neben einem Schulgarten einen weiträumigen Spielplatz. An jedem schulfreien Mittwoch- und Samstagnachmittag konnten die Schüler – die jüngeren wohl unter der Aufsicht eines Lehrers – von 14 bis 17 Uhr den Spielplatz besuchen, spazieren oder zum Baden gehen. Das ursprünglich am Grimnitzsee in der Mark Brandenburg gelegene Gymnasium brannte 1636 vollständig ab und konnte erst im ausgehenden 17. Jahrhundert in Berlin wieder eröffnet werden. Etwa 100 Jahre später häuften sich die Klagen über das undisziplinierte, rohe Verhalten der Schülerschaft, das sich auch gegen die Berliner richtete. Übermäßiger Alkohol- und Nikotingenuss, durchzechte Nächte der Primaner und Sekundaner sowie das Absingen zotiger Studentenlieder schadeten dem Ruf des Gymnasiums erheblich. Der damalige Rek-

tor Meierotto erreichte 1790 bei König Friedrich Wilhelm II., dass die Schule einen angrenzenden Platz (Burgstraße 23) erhielt, „damit er zur Leibesbewegung der studierenden Jugend angewendet und das unanständige Herumlaufen besagter Jugend auf der Straße vor dem Gymnasium vermieden werde“ (zit. nach Schumann, S. 6). Am Joachimsthalschen Gymnasium wirkte ab 1787 der Philanthrop Peter Villaume als Professor der Moral und der schönen Wissenschaften. Villaume veröffentlichte 1787 in Campes Allgemeine Revision des gesamten Schul- und Erziehungswesens den Beitrag Von der Bildung des Körpers in Rücksicht

auf die Vollkommenheit und Glückseligkeit der Menschen oder über die physische Erziehung insonderheit, der die zeitgenössische Diskussion über die schulischen Leibesübungen befruchtete. Es ist gut möglich, dass er Meierotto dazu ermuntert hat, den Schulspielplatz mit Geräten auszustatten, die GutsMuths auf seinem Gymnastikplatz in Schnepfenthal errichtet hatte. Allerdings erwies sich der Spielplatz bald als zu klein, um allen Schülern zur gleichen Zeit eine Nutzung einzuräumen, sodass sich Meierotto entschloss, nur den „Fleißigen“ und „Gesitteten“ den Besuch der Anlage zu gestatten. In welchem Umfang der Schulspielplatz dann tatsächlich noch genutzt wurde, ist nicht bekannt. – Johann Ernst Plamann (1771–1834) war während der Amtszeit Meierottos Schüler des Joachimsthalschen Gymnasiums und mag in dieser Zeit mit dem Schulspielplatz bekannt geworden sein. Zu Michaelis 1805 eröffnete er in der Krausenstraße 45 eine nach den Grundsätzen des Schweizer Pädagogen Pestalozzi ausgerichtete Knabenschule, in der auch Leibesübungen ihren Platz hatten. Zu diesem Zweck mietete Plamann einen Garten in der Tiergartenmühle und später im Tiergarten. Ein Jahr später verlegte er seine Schule in die Unterwasserstraße 11/Ecke Holzgartenstraße. Als Friedrich Friesen 1808 als Lehrer bei Plamann eintrat, übernahm er auch die Unterweisung der Schüler in den Leibesübungen; zugleich gründete er die  645

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

Fechtbodengesellschaft (vgl. Steins, 1987, S. 15– 18). – Die Verwahrlosung der Berliner Jugend, die auch die Schulen vor erhebliche Probleme stellte, hatte nach Eduard Dürre seit dem Ende des 18. Jahrhunderts stark zugenommen: „Schon die französische Revolution hatte am Schlusse des 18. Jahrhunderts merklich an den Sitten gerüttelt, die französische Einquartierung that noch unendlich viel mehr. Ich war, als die Franzosen nach Berlin kamen, ein Knabe von noch nicht zehn Jahren, aber ich erinnere mich noch der durch Aller Mund gehenden Erzählungen von verübter fleischlicher Gewaltthat zu Stadt und Land, von Verführungen der Bürgertöchter, von Untreue verheiratheter Weiber, die mit den Franzosen durchgingen, und verstoßen wieder kamen. Knaben wurden sogar bei ihrem Heimwege aus der Schule in verborgene Winkel gezogen und im Laster unterrichtet. […] Die hungernde Bettelnoth vergrößerte mit jeder Stunde die Zahl der Prostituirten, das Laster war auch in die Schulen gedrungen“ (Dürre, S. 78). Den Schülern der höheren Schulen blieben im Grunde nur die wenigen Freistunden an den Mittwoch- und Samstagnachmittagen, um sich in zum Teil wilden, von Lehrern und Eltern kaum kontrollierten Spielen, die häufig in Schülerkriege und Klassenprügeleien ausarteten, auszutoben. „Vielleicht rettete diese Rohheit und die Prügeleien zwischen den einzelnen Schulen und Classen, selbst auf öffentlichen Plätzen, noch die Jugend vor dem Einflusse des Drehorgelgesangs und der Gassenhauer […]. Jahn trat als Reformator auf“ (Dürre, S. 79). Jahns „Turnlehrer-Qualifikation“: Nach seinem unfreiwilligen Abgang von der Universität Greifswald entschloss sich der inzwischen 24-jährige Jahn – wahrscheinlich noch Ende 1802 – sein unstetes und zugleich erfolgloses Studentenleben zu beenden und beim Baron Le Fort in Neubrandenburg eine Hauslehrerstelle anzunehmen. Die verschiedenen Leibesübungen und Spiele, die Jahn in seiner Kindheit und Jugend kennen gelernt hat646

Abb. 123  Friedrich Ludwig Jahn, Lithographie 1848, nach dem Aquarell von Georg Cornicelius.

te und die er hier zwischen 1802 und 1804 mit den Spielgefährten seiner Zöglinge unternahm, bestärkten ihn in seiner Auffassung, für den Lehrerberuf geeignet zu sein. Unter dem Namen „Fritz“ hatte er sich im Mai 1802 in Greifswald immatrikuliert, unter diesem Namen lernten ihn auch die jugendlichen Teilnehmer an seinen Körperübungen in Neubrandenburg kennen. Einer der Teilnehmer erinnert 1853: „Täglich Abends 6 Uhr kam Fritz mit seinen Zöglingen zum Kropf (eine Badestelle im Tollense-Bach, hart am See) und unterrichtete nicht nur seine Eleven, sondern auch andere Knaben, die er dort fand und die damals noch alle wie die Hunde plümperten, im regelrechten Schwimmen. Hier entwickelte er bald sein ungewöhnliches Talent, Knaben an sich zu ziehen, zu fesseln und unbedingt zu leiten. Ohne sein Zuthun sammelte sich eine Schar von 20 bis 30 Knaben um ihn, die ihn nichts angingen und die er oft nicht

Turngesellschaft [TurnG]

einmal dem Namen nach kannte. Nach been- Zuspruch seines Gönners v. Laffert und andedetem Bade begleitete ihn und seine Zöglinge rer Patrioten veröffentlichte er seine Ideen, die die Schar dieser Freiwilligen nach Belvedere er zu einem umfassenden Nationalerziehungs[Sommersitz des Herzogs]; hier lehrte er Lau- plan ausgearbeitet hatte, 1810 in Lübeck unfen, Klettern, Springen, besonders aber Rin- ter dem Titel Deutsches Volksthum, das nach gen. Er teilte den Haufen in zwei an Kraft und seinem Erscheinen noch zweimal neu aufgeGewandtheit etwa gleiche Parteien; die einen legt wurde (1813 und 1817). Die Leibesübunbesetzten Belvedere und die anderen stürm- gen für die männliche Jugend hatten darin eiten es […]“ (zit. nach Grünwald, S. 36). Die nen festen Platz. Jahn verwies in diesem ZuKampf- und Geländespiele sowie waghalsige sammenhang auf ältere und jüngere Autoren, Übungen, die Jahn auch selbst demonstrierte, die den Nutzen der Leibesübungen für den imponierten seinen Zöglingen und fanden bei Einzelnen und für den Staat überzeugend heihnen großen Anklang. Im Frühjahr 1807 kam rausgestellt hatten. Als „treffliches Lehrbuch“ es zu der einzigen Begegnung zwischen Guts- empfahl er die 2. Auflage der Gymnastik für Muths und Jahn, die sich danach zwar wech- die Jugend und bezeichnete den Autor Gutsselseitig wahrnahmen, deren Verhältnis aber Muths als „echte[n] Vaterlandsfreund“. Mit nicht von Harmonie geprägt war. Ohne einen Bedauern stellte er fest: „Leider fehlt noch imakademischen Abschluss nachweisen zu kön- mer ein GutsMuths für die weiblichen Leinen, wandte sich Jahn an den bekannten Pä- besübungen!“ Wie GutsMuths forderte Jahn dagogen in Schnepfenthal in der Hoffnung, „Leibesübungen“ für Mädchen, „freilich müsdass ihm GutsMuths bei der Suche nach einer sen sie mäßig und weiblich getrieben wergeeigneten Lehrerstelle behilflich sein könn- den“ (zit. nach Euler, 1884, S. 278–279). An te. Nähere Einzelheiten über Jahns Aufent- die allgemeine Einführung einer regelmäßihalt an der Salzmannschule sind nicht über- gen körperlichen Erziehung für das weibliche liefert, doch ist anzunehmen, dass GutsMuths Geschlecht haben Jahn und GutsMuths allerdem 19 Jahre jüngeren Besucher den Gymnas- dings nicht gedacht. In dieser Hinsicht waren tikplatz des Philanthropins gezeigt und ihm ei- sie noch zu sehr traditionellen Vorstellungen nen Einblick in den schulgemäßen Betrieb der verhaftet, die der Frau die Rolle als Hausfrau „Gymnastik“ gegeben hat. Auf diese konkre- und Mutter zudachten. ten Eindrücke und Erfahrungen konnte Jahn bei der „Erfindung“ des Turnens in den Jah- Die „Turngesellschaft“: a) Gründung: Als ren 1810/11 zurückgreifen. Eine Lehrerstel- sein Deutsches Volksthum erschien, lebte Jahn le konnte (oder wollte) GutsMuths dem Pfar- bereits in Berlin. Seine hochfliegenden berufrersohn aus dem Dorf Lanz in der Westprig- lichen Pläne hatte er immer noch nicht aufgenitz ebenso wenig besorgen wie andere Per- geben, hoffte er doch, mit Unterstützung einsönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die Jahn flussreicher patriotischer Freunde eine Lehrerum Unterstützung gebeten hatte. Neben der stelle, nach Möglichkeit eine Professur an der Suche nach einer (Lehrer-)Stelle konzentrier- gerade gegründeten Berliner Universität, zu te sich der glühende preußische Patriot in den erlangen. Nach der erfolglosen Examensnächsten Jahren darauf, die „echte Deutsch- prüfung musste er sich allerdings mit einer heit“ neu zu beleben mit dem Ziel, die fran- Hilfslehrerstelle am Gymnasium zum Grauzösische Fremdherrschaft zu überwinden, die en Kloster und an der Plamann’schen Erzieihren Ausgangspunkt in der desaströsen Nie- hungsanstalt begnügen. Diese Schule, an der derlage hatte, die Napoleon der preußischen auch Friedrich Friesen und Wilhelm HarArmee in der Schlacht bei Jena und Auerstedt nisch unterrichteten, war zugleich ein Zen1806 beigebracht hatte. Ermuntert durch den trum geheimbündlerischer Aktivitäten gegen 647

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die französische Fremdherrschaft. Die Schüler, ber von Leibesübungen; im Oberdeutschen die Jahn bei Plamann zu betreuen hatte, zogen Torner, noch jetzt ein angehender Krieger mit ihm im Sommer 1810 an den schulfreien (Tyro). Turnplatz, -plan, -feld, -zeit, -stunde, Mittwoch- und Samstagnachmittagen vor die -tag, -wart, -lehrer, -meister, Vorturner, TurnTore der Stadt, um in ungezwungener Form gesellschaft; -brauch, -weise sind von selbst Leibesübungen und Spiele zu betreiben und verständlich“ (zit. nach Bartmuß/Kunze/Ulfim Floß- bzw. Schafgraben – dem heutigen kotte, S. 146). – b) Öffentlichkeit: Zur InszeLandwehrkanal – zu schwimmen. Diese Frei- nierung seiner Erfindung suchte Jahn bewusst zeitbeschäftigung wurde schließlich zur Ge- die Öffentlichkeit, ja, er stellte mit seiner wohnheit. Die jungen Teilnehmer waren von TurnG überhaupt erst eine Öffentlichkeit her, den unkonventionellen pädagogischen Prak- die selbst in Berlin bis dahin kaum vorhanden tiken ihres Lehrers und den gemeinschaftlich war, und hatte damit Erfolg. Sein Lehrer an betriebenen Leibesübungen offenkundig so der Universität Greifswald, Ernst Moritz begeistert, dass sie sich im Frühjahr 1811 gern Arndt, rechnete es ihm später als großes Verwieder bereit fanden, an den beiden schulfrei- dienst an, das „Turnwesen“, „dieses freie, öfen Nachmittagen mit Jahn ins Freie zu ziehen. fentliche, volkliche, nicht in den Wänden eiInteressierte Gymnasiasten, die sich bereits im nes Gymnasiums oder eines Reitstalles und Winter 1810/11 an den von Friesen geleite- Gartens einer Erziehungsanstalt eingeschlosseten Fecht- und Schießübungen beteiligten, ne“, gestiftet zu haben. Die „große Idee der schlossen sich dem Unternehmen an. Unter Oeffentlichkeit und Volksthümlichkeit und Jahns Anleitung wandelten die jungen Teil- der Wiedererweckung und Belebung eines nehmer einen eigens zu diesem Zweck abge- durch alle Klassen und Stände gehenden […] zäunten Teil der Hasenheide in eine Übungs- Volksgeistes“ habe Jahn „zuerst ins Leben gestätte um: Sie bauten Klettergerüste, Schanzen, stellt“. „Die Lehre der Turnplätze“ sei „eine Sprunggräben und legten eine Rennbahn an. der öffentlichsten Lehren und keine geheime“ Jahn bezeichnete seine Erfindung als „Tur- (zit. nach Düding, S. 57). Den völlig neuartinen“. Bei diesem Wort handelte es sich um gen Charakter dieser „Turngesellschaft“ beein Kunstwort, das er aus seiner Kenntnis schrieb die zur Aufdeckung „demagogischer sprachgeschichtlicher Zusammenhänge und Umtriebe“ eingesetzte Mainzer Zentral-Undamals bestehender Dialekte prägte. Seiner tersuchungskommission 1821 in ihrem AbAnsicht nach war ein „Turner“ in den alten schlussbericht „Über das Turnwesen“ treffend, nordischen Sprachen ein „Krieger“, außer- wenn sie feststellte: „Die Schriften von Gutsdem erinnerte ihn seine Wortschöpfung an Muths und Vieth, denen er [Jahn] hierbei das mittelalterliche Turnier. Seinem Freund folgte, und deren beschränkte Ansicht: einige und früherem Mitbruder im studentischen Schüler in einer bestimmten Stunde durch eiGeheimorden der Unitisten, Carl Friedrich nen Lehrer üben zu lassen, genügten ihm Wilhelm Feuerstein, schrieb er im Juli 1811: gleich damals nicht; da er immer darauf be„Meine Turngesellschaft nimmt mir viel Zeit dacht war, die Gesetze zu entdecken wonach weg, denn aller Anfang ist schwer. Dazu muß die Leibesübungen öffentlich und auf eine die ganze Sprache erst umgeschaffen werden, freie gemeinschaftliche Art getrieben werden denn geradebrechte Kunstwörter können könnten. […] Jahn wollte das Turnen zu eidoch Deutsche nicht gebrauchen. Ich teile Dir nem öffentlichen Vereinigungspunkte der Juhier einen Anfang unserer Kunstsprache mit. / gend machen, und wünschte darum gleich Turnen – gymnastische Übungen treiben, vom anfänglich die Mitwirkung des Staates, die alten Torna, Turna, kämpfen, streiten; wovon ihm aber damals noch nicht zugesichert werTurnei, späterhin Turnier. Turner – ein Betrei- den konnte. Er betrieb also die Sache als Pri648

Turngesellschaft [TurnG]

vat-Unternehmen, und nachdem sich so der hängig von Elternhaus, Schule und Kirche – erste Kern einer Turnerschaft gebildet hatte, ein freies Jugendleben entwickeln. Bald wurwurde im Frühjahr 1811 der förmliche Turn- den Spaziergänger auf die Neuigkeit aufmerkplatz auf der Hasenheide zu Berlin in einem sam und sahen den Turnern bei ihren ÜbunZeitpunkte eröffnet, wo die Reste des Tu- gen zu. Die neue „Erfindung“ wurde schnell gendbundes, der Deutsche Bund und ver- zum Stadtgespräch, sodass die Zahl der Zuschiedene, für Waffenübungen und Beförde- schauer kontinuierlich zunahm. Im Sommer rung des Erziehungswesens p.p. sich gebildete 1812 besuchten Hunderte den Turnplatz, Vereine in Berlin und anderwärts thätig waren, auch in den nächsten Jahren riss der Zuschaueine allgemeine Erhebung gegen Frankreichs erstrom nicht ab. Prominente Besucher wie Druck herbeizuführen, und zu dem bevorste- der Kronprinz und General Blücher hatten henden Kampfe vorzüglich die Jugend vorzu- neben der Presseberichterstattung ihren Anteil bereiten. Dieselbe Absicht verband auch Jahn daran, dass das öffentliche Interesse an dem mit seinem Unternehmen, indem er, wie er neuartigen Unternehmen nicht nachließ. angiebt, der bemerkten Verweichlichung der Schon bald nach dem Ende der antinapoleoniBerliner Jugend entgegen arbeiten, sie vor schen Kriege entstanden in vielen deutschen Ausschweifungen bewahren, und zum künfti- Staaten Turngesellschaften nach dem Berliner gen Kampfe für das Vaterland stärken wollte“ Vorbild. In erster Linie waren es Pädagogen, (zit. nach Braun/Kunze/Langenfeld, S.  16). unter ihnen zahlreiche Gymnasialdirektoren Mit seinem ganzheitlich-humanistischen Bil- und -lehrer, die sich von Jahns Projekt anregen dungsverständnis, das sich an dem Leitziel aus- ließen und die Gründung von Turngesellrichtete: „Die Turnkunst soll die verloren ge- schaften förderten. Jahn bezifferte im Jahre gangene Gleichmäßigkeit der menschlichen 1818 die Anzahl der Turngemeinden in ganz Bildung wiederherstellen, der bloß einseitigen Deutschland mit 150 und die der Turner mit Vergeistigung die wahre Leibhaftigkeit zuord- 12.000. Der Schwerpunkt der Turnerei lag nen, der Überfeinerung in der wiedergewon- freilich in Preußen. Nach einer Erhebung der nen Mannlichkeit das notwendige Gegenge- preußischen Regierung bestanden 1818 in der wicht geben, und im jugendlichen Zusammen- Hohenzollern-Monarchie ca. 100 Turngesellleben den ganzen Menschen umfassen und er- schaften mit etwa 6.000 Mitgliedern. Die greifen“ (zit. nach Euler, 1885, S.  110), Berliner TurnG erreichte in den Jahren 1816 un­ter­schied sich Jahn von GutsMuths und an- und 1817 mit 1.037 und 1.074 Turnern ihren deren philanthropischen Pädagogen im Grund- Höhepunkt bis zu ihrem Verbot 1819/20. – c) satz nicht. Neu war aber der „Geist“, in dem Turnplatz: Der Turnplatz war das Aktionssich das Turnen vollzog, denn das ganzheitli- zentrum der TurnG. Die jugendlichen Turner che Bildungsziel konnte nach Ansicht Jahns richteten ihn weitestgehend in Eigenarbeit nicht in einer herkömmlichen Schule ver- her, sodass sie am 19. Juni 1811 ihren ersten wirklicht werden, die sich durch eine spezifi- „Turntag“ absolvieren konnten. Die erste Gesche „Steifheit“ auszeichnete und den Jugend- räteausstattung war noch sehr bescheiden, solichen keine Freiräume zur Selbstentfaltung dass sich die TurnG mit verschiedenen Spielen und Selbsttätigkeit ließ. Dazu bedurfte es der vergnügte, die auch in Zukunft gern betrieben von jeder äußeren Kontrolle unabhängigen öf- wurden. Besonders beliebt waren Spiele wie fentlichen Turnanstalt, die kein „Drillort“ sein „Schwarzer Mann“, die „Jagd“, das „Baarlausollte, sondern ein „Tummelplatz leiblicher fen“, das „Räuber- und Bürgerspiel“ sowie Kraft […] Lehr- und Lernanstalt zugleich“ (zit. der „Sturmlauf“, wozu sich die Hasenheide nach Euler, 1885, S. 111). In der TurnG, die mit ihren Gruben, Schanzen, dichten Gebüsich selbst ihre Regeln gab, sollte sich – unab- schen und steilen Wänden in Richtung Rix649

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Abb. 124  Der Turnplatz in der Hasenheide, 1811.

dorf besonders eignete. Daneben entstand an der Oberspree (neben der heutigen Kongresshalle) eine Schwimmschule unter der Leitung von Leopold Palm und Friedrich Friesen, die auch von den Mitgliedern der TurnG genutzt wurde. Der Genuss von Tabak oder Branntwein war auf dem Turnplatz streng verboten. Verpönt war auch der Verzehr von Kuchen und Gebäck, empfohlen wurden Brot, Salz und klares Wasser, das in kleinen Fässern zum Turnplatz transportiert wurde. Um seine jungen Turnschüler vor dem verderblichen Einfluss des Stadtlebens zu schützen, musste der Turnplatz nach den Vorstellungen Jahns in der Natur weit außerhalb Berlins liegen. Deshalb wurde die Übungsstätte der TurnG 1812 wesentlich tiefer in die Hasenheide hinein verlegt. Nach dem Ende der antinapoleonischen Kriege wurde der Turnplatz ausgebaut, sodass im Jahre 1817 Platz für 1.400 bis 1.600 Turner war (vgl. Steins, 1987, S. 29–33, 42). – Der 650

Osnabrücker Joh. Carl Bertram Stüve ging 1817 als Student nach Berlin. Wie viele andere zog es auch ihn nach der Hasenheide, die er in einem Brief an seine Mutter folgendermaßen beschrieb: „[…] auf der famosen Hasenheide bin ich gewesen, um dort das Turnen zu sehn. Unter allen Uebungen fand ich fast nicht was wir nicht früher zu Hause oder in der Schule auch getrieben hätten. […] Denken Sie sich also einen Hügel ungefähr so hoch und an der steilsten Stelle, wo die wundervolle Aussicht auf Berlin ist, so steil als ob man von dem Herrentheichs Thurm auf den Wall geht. An einer Stelle ist er etwas höher, und dehnt sich wohl eine Stunde lang hin und ist mit Tannen bewachsen unter denen […] enges Buschwerk und ein Anger ist worauf man aber eben so viel Sand als Gras sieht. Auf jenem Punkte aber sieht man Berlin in der Entfernung von einer kleinen halben Stunde in einigen Wolken von Rauch und Staub vor

Turngesellschaft [TurnG]

sich liegen; das ist nun das non plus ultra der werden und zu bleiben. Als Prototyp eines Berliner, daß sie auch im Himmel nicht wer- „deutschen Mannes“ galt bis zu dessen Tod den missen wollen“ (zit. nach Langenfeld/ Friedrich Friesen, der 1814 im Kampf gegen Ulfkotte, S. 58). – d) Programmatik: Der die Franzosen fiel, danach lebte Jahn selbst Turnlehrer durfte kein „Schulmeister“ sein, dieses „Deutschheitsideal“ vor, das sich an hoder durch sein autoritäres Auftreten eine Dis- hen sittlichen und moralischen Maßstäben tanz zu seinen Schülern aufbaute, sondern er ausrichtete. Nachdem der preußische König sollte „als der ältere Freund, Ordner, Schieds- sein Einverständnis zur Gründung eines „Körichter, Ratgeber und Warner unter den Tur- niglich-Preußische[n] Freikorps“ gegeben nern walten“ und ein in jeder Hinsicht gutes hatte, trat Jahn am 19. Februar 1813 als einer Vorbild sein. Eine sittliche und tugendhafte der ersten Kriegsfreiwilligen dem nach Major Lebensführung war die Voraussetzung für die v. Lützow benannten Militärverband bei. WeiMitgliedschaft in der Turngemeinde. In ihrem tere Mitglieder der Berliner TurnG folgten Turnlehrbuch formulierten Jahn und Eiselen: seinem Beispiel. So berichtet Jahns Turnschü„Tugendsam und tüchtig, rein und ringfertig, ler Dürre, dass am 18. Februar 14 Kameraden keusch und kühn, wahrhaft und wehrhaft sei Berlin verließen, „unter denen Pischon, Zensein Wandel. Frisch, frei, fröhlich und fromm ker, Fröhlich auf den Schlachtfeldern blieben – ist des Turners Reichtum“ (zit. nach Euler, […]; vierzehn Tage darauf waren die oberen 1885, S.123). Jahn distanzierte sich von aller Klassen der Gymnasien gelichtet“ (Dürre, Erziehung, „die den Zögling in dem öden 1881, S. 100). – Die Feier nationaler „DenktaElend wahngeschaffener Weltbürgerlichkeit ge“, wie sie Jahn in seinem Deutschen Volks­ als Irrwisch schweifen lässet und nicht im Va- thum gefordert und in ihrem Ablauf beschrieterlande heimisch macht“ und betonte, „daß ben hatte, waren ein wichtiger Bestandteil des des deutschen Knaben und deutschen Jüng- national-deutschen Programms der TurnG lings höchste und heiligste Pflicht ist, ein deut- nach dem Sieg der Verbündeten über die scher Mann zu werden und geworden zu blei- Heere Napoleons in der Völkerschlacht bei ben, um für Volk und Vaterland kräftig zur Leipzig (16.–19. Oktober 1813). Bereits Ende wirken“. Außerdem müsse jeder, der „wider Juni 1814 schrieb Jahn aus Frankfurt an Eisedie deutsche Sache und Sprache freventlich len, dass die TurnG an den „Denktagen der […] oder verächtlich“ handle, „mit Worten Leipziger Rettungsschlacht“ auf der Hasenoder Werken, heimlich wie öffentlich“, „erst heide „große Wettspiele der Turnkunst feiern“ ermahnt, dann gewarnt, und so er von seinem müsse (zit. nach Meyer, S. 57). Die Gedenkfeiundeutschen Thun und Treiben“ nicht ablasse, er der TurnG begann 1814 am Abend des 18. „vor jedermann vom Turnplatz verwiesen Oktober. Der Turnplatz und die umliegenden werden“. Niemand dürfe „zur Turngemein- Häuser waren festlich beleuchtet, auf dem 65 schaft kommen, der wissentlich Verkehrer der Fuß hohen Klettermast brannte ein weithin Deutschen Volkstümlichkeit ist und Auslände- sichtbares Signalfeuer. Am Erdboden entzünrei liebt, lobt, treibt und beschönigt“. Der deten die Turner „Freudenfeuer“ aus EichenWahlspruch auf dem Turnplatz sei von Anfang stämmen, sangen patriotische Lieder, brachten an gewesen: „Gott verläßt keinen Deutschen“ „Lebehochs“ auf den König und die tapferen (zit. nach Euler, 1885, S. 123–124). Bei seinen Kämpfer der Völkerschlacht aus und liefen um zahlreichen Ansprachen auf dem Turnplatz so- die Wette die Rollberge hinauf. Am Nachwie bei kleineren und größeren Wanderungen mittag des 19. Oktober veranstalteten sie ein („Turnfahrten“) führte Jahn seinen Anhän- öffentliches Schauturnen zum „Gedächtnis gern vor Augen, dass es das oberste Ziel des der Rettungsschlacht von Leipzig“, das neben Turners sein müsse, ein „deutscher Mann“ zu Fürsten und Fürstinnen des Königlichen Hau651

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ses mehr als 10.000 Menschen aus Berlin und Umgebung besucht haben sollen (vgl. Hagemann, S. 488; Düding, S. 115). Zur Stärkung des Nationalbewusstseins beschränkte sich die TurnG zukünftig nicht auf die alljährliche Feier des 18. Oktober. Vielmehr feierte sie 1815/16 auch am 31. März (zum Gedenken an den Einzug der Verbündeten in Paris am 31. März 1814) und am 18. Juni (zur Erinnerung an die Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815) nationale „Turntage“, die Jahn und Eiselen in ihrem 1816 erschienenen Turnlehrbuch mit dem 18. Oktober zu „Denktagen der Erlösung, Auferstehung und Rettung des Deutschen Volks“ erklärten (zit. nach Euler, 1885, S. 145), deren Ablauf sich an der ersten nationalen Gedenkfeier im Jahre 1814 orientierte. Andere Turngesellschaften griffen das Berliner Vorbild auf und veranstalteten ihrerseits bis 1819 national-deutsche Turnfeste. „Durch die jährliche Wiederholung der Feste und der sie ausfüllenden Gestaltungselemente konnte in Deutschland zum ersten Male so etwas wie ein nationales Ritual entstehen. Den organisierten Turnern kommt primär das Verdienst zu, dieses zwischen 1814 und 1819 ausgebildet zu haben“ (Düding, S. 117). – e) Kritik und Verbot: Um seine nationalpolitischen Vorstellungen nachdrücklich in Erinnerung zu rufen, hielt Jahn in den ersten Monaten des Jahres 1817 im Hause Französische Straße Nr. 43 in Anlehnung an sein 1810 erschienenes Werk – mit deutlicher Anspielung auf Fichtes berühmte Reden an die deutsche Nation, aber in völliger Verkennung der seit dem Wiener Kongress gewandelten politischen Verhältnisse und seines Rückhaltes bei den Politikern, die ihn bis dahin gefördert hatten – 21 Vorträge über Deutsches Volksthum. Diese Vorträge, in denen er sich mit derben Worten gegen die reaktionäre Politik ausländischer Monarchen wandte und auch nicht mit Kritik an den Regierungen der deutschen Staaten sparte, veranlassten v. Hardenberg, Jahn zu größerer Zurückhaltung aufzufordern. Jetzt geriet nicht nur Jahn zunehmend in die Kritik, 652

sondern auch seine „Erfindung“. Im März 1817 veröffentlichte der Privatgelehrte Wilhelm Scheerer in der Zeitschrift Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz einen Aufsatz über das Turnwesen, in dem er dem Turnen Republikanismus, Rohheit, Sittenlosigkeit und militärische Nutzlosigkeit vorwarf. Jahn konterte diesen Angriff in seinen öffentlichen Vorlesungen und nannte Scheerer einen „Hundsfott“. Schon bald entbrannte in Berlin und wenig später in Breslau eine heftige öffentliche Auseinandersetzung um das Turnen („Breslauer Turnfehde“), die sich in zahlreichen Streitschriften und Presseartikeln niederschlug. Die Angriffe entzündeten sich u. a. an dem 7. Turngesetz: „Welcher Turner irgend etwas erfährt, was für und wider die Turnkunst und unsre Übung derselben Freund oder Feind sprechen, schreiben und wirken: muß davon sogleich Anzeige machen, damit zu seiner Zeit und an seinem Orte aller solcher Kunden – mit Glimpf oder Schimpf – könne gedacht werde“ (zit. nach Euler, 1885, S. 124). In den Augen ihrer Kritiker stellten die Turngesellschaften tendenziell einen „Staat im Staate“ dar. Schließlich nährte die von Jahns Schüler Maßmann anlässlich des Wartburgfestes am 18. Oktober 1817 inszenierte – im offiziellen Programm nicht ausgewiesene – Bücherverbrennung bei den Behörden den Verdacht, dass von den Turngesellschaften ebenso wie von den mit ihnen durch personelle Verflechtungen verbundenen  Burschenschaften eine Gefahr für die politische Ordnung ausgehen könnte. Die preußische Regierung intensivierte jetzt ihre Bemühungen, die Leibesübungen im Sinne der von GutsMuths angelegten Zielsetzung als Schulfach zu etablieren und damit der staatlichen Kontrolle zu unterwerfen. Geradezu ultimativ forderte der österreichische Staatskanzler Metternich in einer Denkschrift für den Aachener Kongress (10. 9. – 21. 11. 1818) den preußischen Staatsminister Wittgenstein dazu auf, energisch gegen die Turngesellschaften als Brutstätten der Revolution vorzugehen: „Dieser Unfug steht

Turngesellschaft [TurnG]

in der nächsten Beziehung mit dem Universitätswesen; die Erfinder, die Erfindung und die Ausführung gehören Preußen an. Die Turnanstalt ist die eigentliche Vorbereitungsschule zu dem Universitätsunfug. In ihr soll der Knabe zum Jünglinge, wie auf der hohen Schule, der Letztere zum Manne gebildet werden. Wir sprechen unsere volle Ueberzeugung aus, daß es für den König eine Staatspflicht geworden ist, das Uebel aus dem Grunde zu heben. Kein Palliativmittel ist hiezu mehr ausreichend. Die ganze Anstalt, in ihrer ganzen Form, muß aufgehoben und, unter einer bestimmten gesetzlichen Rüge für Contravenienten, geschlossen werden. Da die Anstalt in Berlin selbst entstand und heute besteht, und da die Unteranstalten wie Nebenlogen der Mutterlogen erscheinen, so muß, wenn das Mittel ausgiebig sein soll, das Uebel an der Wurzel ergriffen werden. Sollten Auswüchse desselben fortbestehen, so wird sich der Gegenstand ebenfalls zur Rücksprache mit jenen deutschen Regierungen eignen, welche nicht hellsehend genug sein dürften und das Uebel ferner pflegen wollten“ (zit. nach Euler, 1881, S. 568–569). Am 15. März 1819 untersagte die preußische Regierung die Wiedereröffnung des Turnplatzes in der Hasenheide, die Jahn für den 31. Mai angekündigt hatte. Jahn wollte sich mit dieser Situation nicht abfinden und schrieb noch am gleichen Tag an Kultusminister Altenstein, dass es gar nicht abzusehen sei, „welches Auffallen eine hiesige Turnsperre erregen würde, nicht allein vor ganz Deutschland, sondern auch vor dem ganzen christlichen Europa und der gesammten gebildeten Welt. Wäre das Turnwesen eine Berlinische Ortssache, so könnte ich mich dabei beruhigen. Aber es gehört dem Vaterlande und der Menschheit. Und somit muß ich glauben, daß über diese Angelegenheit eher der Deutsche Bundestag berathen müßte, bevor die Berliner Regierung darüber einseitig den Stab brechen darf“ (zit. nach Langenfeld/Ulfkotte, S. 80). Nur wenige Tage später, am 19. März 1819, ermordete der Burschenschafter und Turner

Carl Ludwig Sand den Dramatiker August v. Kotzebue, sodass Friedrich Wilhelm III. am 2. Januar 1820 die Durchführung von Leibesübungen im Rahmen einer vom Staat unabhängigen Turngesellschaft als „staatsgefährlich“ verbot und die endgültige Schließung aller öffentlichen Turnplätze anordnete. Jahn wurde am 13. Juli 1819 als vermeintlich „gefährlicher Demagoge“ verhaftet und sechs Jahre gefangen gehalten; viele seiner von den Behörden als revolutionär eingestuften Anhänger entzogen sich dem Zugriff der Polizei durch die Flucht in das Ausland und „exportierten“ so das in Berlin entwickelte Turnen in andere Länder, z. B. in die USA (vgl. Hofmann). – In seinem Untersuchungsbericht stellte E. T. A Hoffmann heraus, „daß die Organisation des Turnwesens, als von andern gewöhnlichen Erziehungsanstalten unabhängig und wie Zweige eines Stammes durch den ganzen Staat fortsprießend gar leicht einen schädlichen Kastengeist erwecken und dabey in Knaben den Dünkel erregen konnte, sich von Haus aus auf einen höheren Standpunkt gestellt zu sehen und daher sich in keine gewöhnliche Ordnung der Dinge fügen zu wollen. […] Kommt noch hinzu, daß dem Jahn eine gewisse Rauheit, Biederbheit [Burschikosität] in seinem Aüßern, in seinem ganzen Betragen eigen, die den Knaben und Jünglingen nur gar zu sehr gefällt, so konnt es nicht fehlen, daß er die Liebe, ja die enthusiastische Verehrung seiner Turner in eben dem Grade gewinnen als der Anstalt selbst schädlich werden mußte. / Jahn versammelte eine neue Generation aufkeimender Kraftmenschen um sich her, die sowohl Kleidung als Betragen auszeichneten und mit denen er, eine wandernde Propaganda des Turnens, Züge unternahm auf denen sie überall allgemeine Aufmerksamkeit erregten. Wenn sie laute Gesänge anstimmend durch die Straßen zogen, sich auf Märkten in den Städten lagerten, überall von der Menge angegafft, so mußten sie sich in der That bald für ein auserlesenes Völklein achten, das höheres in sich tragend an gewöhnliche Sitte und 653

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Ordnung nicht gebunden seyn konnte. […] / zählt der Generallotteriedirektor Johann Jakob Alles dieses war ganz geeignet jenen Parthei- Wilhelm Bornemann (1767–1852), der zwigeist, den schon die Organisation des Turnwe- schen 1810 und 1815 entscheidend dazu beisens wie sie an und vor sich selbst geschah, trug, dass sich die TurnG in Berlin etablieren herbeiführen mußte zu nähren und zu stärken konnte. Er gehörte zu den höheren Kreisen und dabey den Knaben einen seltsamen Dün- der Berliner Gesellschaft und hatte weit reikel über ihr hohes Streben beizubringen. […] chende Verbindungen, die er nutzte, um die Diese angesprochene Tendenz des Turnwe- Duldung und Unterstützung der TurnG durch sens konnte m. E. wohl allerlei argen Unfug den Staat zu erreichen. Ebenso wie Friesen veranlassen ohne daß bloß deshalb eine förm- und Jahn war auch der „Musterturnschüler“ liche Revolution Deutschlands oder auch nur Maßmann ein häufiger Gast in Bornemanns irgendein bedrohlicher Aufstand gegen die Haus (Markgrafenstr. 39); Jahn wohnte sogar Regierung zu befürchten. Das Treiben einiger zeitweise bei ihm. „Zur allgemeinen Verbreiexaltirter Knaben und Jünglinge würde diese tung jugendlicher Leibesübungen“ veröffentFurcht schwerlich rechtfertigen, sie müßten lichte Bornemann 1814 das Lehrbuch der von denn anderer geheimer mächtigerer Kraft zum Friedrich Ludwig Jahn unter dem Namen der Werkzeuge dienen […]“ (zit. nach Schnapp, Turnkunst wiedererweckten Gymnastik. Mit S. 365–370). Die TurnG erzwang nach Hoff- Kupfertafeln darstellend die Geräte, Gerüste und mann eine spezifische Binnensozialisation ih- Übungen auf dem Turnplatz in der Hasenheide rer Mitglieder, die unausweichlich in einen bei Berlin. Er war mit seinen vier Söhnen bis Konflikt mit der „gewöhnlichen Sitte und 1815 regelmäßig auf dem Turnplatz anzutrefOrdnung“ einmünden musste und am Ende fen. Seine Präsenz dürfte auch andere promimangels einer breiteren Unterstützung ins Ab- nente Berliner zum Besuch des Hasenheideseits geriet (vgl. Kunze, S. 43). – Im Oktober Turnplatzes ermuntert haben. Jahn hat später 1840 hob der neue preußische König Fried- erklärt, dass Bornemann 1815 durch Dürre rich Wilhelm IV. die gegen Jahn seit 1825 be- und Maßmann „vom Turnplatz weggebissen“ stehende Polizeiaufsicht auf. Etwa zwei Jahre worden sei, als er selbst in Wien war (Brief an später, am 6. Juni 1842, ordnete Friedrich Lübeck vom 18.10.1837, zit. nach Ulfkotte, Wilhelm IV. die Aufhebung der von seinem 2010, S. 57). Damit verlor die TurnG einen Vater verfügten „Turnsperre“ an. Danach bil- einflussreichen Förderer. Während Jahns Abdeten sich – von Südwestdeutschland und wesenheit in Berlin hatte Bornemann gemeinnicht wie zu Jahns Zeiten von Preußen ausge- sam mit Ernst Wilhelm Bernhard Eiselen die hend – bald in allen Teilen Deutschlands Leitung des Turnplatzes übernommen. Eiselen Turnvereine, deren Mitglieder im Unterschied ergänzte und systematisierte gemeinsam mit zu Jahns TurnG nun nicht mehr primär Schü- den erfahrenen Mitgliedern der TurnG den ler und Studenten, sondern erwachsene be- Übungsstoff und erarbeitete ein didaktischrufstätige Männer waren, zumeist Handwer- methodisches Konzept zur Durchführung des ker und Kaufleute. Damit beginnt ein neues Übungsbetriebes, so dass nach etwa fünfjähriKapitel des unabhängigen, selbst organisierten ger Vorbereitung 1816 das von Jahn und EiseTurnens in Deutschland. len herausgegebene Lehrbuch Die Deutsche Turnkunst erschien, das die weitere Verbreitung Struktur und Organisation: An der Erfolgs- des Turnens nachhaltig förderte. Außerdem geschichte der TurnG nach der Eröffnung des leitete Eiselen bis zum Verbot der TurnG die Hasenheide-Turnplatzes im Frühsommer 1811 Voltigier- und Fechtübungen der TurnG im hatten neben Jahn und Friesen weitere Perso- Veronaschen Saal (Behrenstraße 57). – Turnnen einen nicht unmaßgeblichen Anteil. Dazu künstler-Verein: Im „Vorbericht“ ihres Turn654

Turngesellschaft [TurnG]

Abb. 125 und 126  Turngeräte und Turnübungen in der Hasenheide, aus Johann Jakob Wilhelm Bornemanns Lehrbuch, 1814.

lehrbuches haben Jahn und Eiselen darauf hingewiesen, dass sich nach der Beendigung des Sommerturnens 1812 ein „zur wissenschaftli-

chen Erforschung und kunstrechten Begründung des Turnwesens aus den Turnfertigsten und Allgemeingebildetsten eine Art Turn655

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künstler-Verein“ gebildet habe, der jenen Kunze, insbes. S. 31–36), den Jahn und Eiselen Winter hindurch bestand, „in dem die Franzo- in ihrem „Vorbericht“ zur Deutschen Turnsen auf der Flucht von Moskau erfroren“. In kunst allerdings nicht erwähnt haben. Im Abdiesem Turnkünstler-Verein verwaltete Friesen schlussbericht über das Turnwesen der 1819 in auf Jahns „Wunsch und Willen“ das „Ordner- Mainz eingesetzten „Central-Untersuchungsamt“ (zit. nach Euler, 1885, S. 4–5). Als einer Commis­sion“ zur Verfolgung „demagogischer der ersten Mitglieder der TurnG erinnerte sich Umtriebe“ heißt es: „Es zeigt sich aus den AkFranz Lieber später, seien damals drei oder vier ten, daß in Berlin und in den meisten andern Turner zusammengetreten, „um dem Turnen Turnplätzen ein Turnrath bestand, über dessen eine festere Gestalt zu geben: Eiselen, Dürre, Bestimmung und Einrichtung Jahns Turnbuch Zenker 1 und 2 und vielleicht Wohlbrück, der schweigt. […] Ein Aufsatz, der unter den Panoch das Baufach in Berlin studiere, und pieren des jetzigen Studenten Franz Lieber zu Pischon“ (zit. nach Braun/Kunze/Langenfeld, Berlin, eines der Vorturner und Vertrauten S.  27). Zahlreiche „Turnwörter“ verdanken Jahn’s gefunden worden ist, und den derselbe ihre Entstehung den Beratungen dieses Gre- nach seiner Angabe von Turnlehrer Eiselen ermiums, denn Jahn und seine Mitstreiter hatten halten, und sich abgeschrieben hatte, giebt inschnell erkannt, dass eine allgemeinverständli- dessen über die Veranlassung und Absicht dieche, praxisnahe und zugleich neuartige Fach- ser Einrichtung nähern Aufschluß. Der Aufsprache eine wichtige Voraussetzung für den satz ist folgender: / 1. Entstehung des TurnErfolg der Sache selbst war. Auf längere Sicht raths / Im Spätherbste des Jahres 1814 einten war die sich ständig weiter entwickelnde sich die Turner Eiselen, Dürre, Maßmann 1 „Turnsprache“ eine unverzichtbare Vorausset- und 2, Rumschöttel, Hünke, Weisenborn, zung für den (später einsetzenden) weltweiten Aegidi und Kutzbach, um in allsonntäglichen Siegeszug der ursprünglich „preußisch-deut- Versammlungen das Beste der Turnkunst zu schen Leibesübung“ Turnen (vgl. Eisenberg, berathen. Bald gestalteten sie sich zu einer fesS. 131–132). – Turnrat: „Alles Turnen hat sein ten Gesellschaft, die sich den Namen Turnrath Gesetz und seine Regel, seine Schule und beilegte, und, nachdem sie noch 16 andere Zucht, sein Maß und Ziel.“ Diese Maxime galt Turner zu Mitgliedern aufgenommen hatten, nicht nur für den Übungsbetrieb auf dem hielten sie mit Anfang des Jahres 1815 ihre ersTurnplatz, sondern für die TurnG insgesamt. te ordentliche Sitzung. / 2. Zwecke des TurnDie Durchführung der Turnübungen regelte raths / Die Hauptzwecke des Turnraths sind eine ausführliche „Turnordnung“. Daneben nun besonders folgende: / a) Verbreitung einer formulierten Jahn und Eiselen insgesamt acht genauern Kenntniß der Uebungen und des „allgemeine Turngesetze“, „einen für jedes ganzen Turnwesens, und dadurch Bildung zu Mitglied unbedingt verbindlichen, in einer lei- wackern Vorturnern und Turnlehrern. / b) denschaftlich-pathetischen und kompromißlo- Ausbildung der lieben Turnkunst selbst. / c) sen Sprache abgefaßten national-deutschen Zweckmäßige Einrichtungen der TurngesellGesinnungs- und Verhaltenskodex“ (Düding, schaften, und Turnschulen und besonders unS. 58). Im achten dieser allgemeinen Turnge- serer Berliner. / d) Lauterkeit der Turnsitte. / setze hieß es: „Und so soll ein jeder nach un- e) Sammlung und Einübung einfältiger Lieder. serm löblichen Turnbrauch sich richten und / f) Gemeinschaft aller lieben Turnanstalten. / nicht neusüchtig Neuerungen aufbringen, Hieraus ergibt sich von selbst, daß nur solche ohne vorherige Rücksprache und Beratung“ Turner in den Turnrath aufgenommen werden (zit. nach Euler, 1885, S. 125). Als Gremium können, welche durch ihr Thun und Treiben für solche „Rücksprache und Beratung“ ent- beweisen, daß sie mit der ernsten Ansicht der stand im Spätherbst 1814 der „Turnrat“ (vgl. Sache die Absicht verbinden, mit Wort und 656

Turngesellschaft [TurnG]

That dieselbe nach allen Kräften zu fördern, „Die Beschlüsse wurden Jahn zur Bestätigung und die zu diesem Ende nöthigen Kenntnisse und Entscheidung vorgelegt, der auch oft unund Fertigkeiten zu erlangen bemüht sind. / 3. seren Versammlungen beiwohnte. Auf diese Gesetze / Die Gesetze für den Turnrath sind Art hat der Turnrath schon manches Gute genur wenige, und betreffen bloß die gesellige stiftet, und wird es noch mehr, wenn erst mehOrdnung. Denn außerdem versteht sich von rere seiner Mitglieder in anderen Städten Vorselbst, daß einem Mitgliede des Turnrathes steher von Turnplätzen sind, die dann fleißig nichts erlaubt seyn kann, was überhaupt nicht an ihn berichten und so die Verbindung zwiturnziem ist. / a) Der Turnwart des Ortes (je- schen allen Turnanstalten erhalten“ (Eiselen, den Ortes, denn solche Turnräthe mögen sich S.  66–67). Ansätze einer Vereinsdemokratie aller Orten bilden, wo Turngesellschaften sind) lassen sich in der TurnG durchaus erkennen, hat im Turnrathe den Vorsitz. / b) Der Schrei- letztlich war ihre Struktur aber hierarchisch, ber hat die Schreibgeschäfte der Gesellschaft besser patriarchalisch, die – einem Handund des Turnplatzes überhaupt (so weit es sei- werksbetrieb ähnlich – einen Meister (Jahn), ne Zeit gestattet) zu besorgen. Besonders hat Gesellen (Vorturner) und Lehrlinge (Turner) er das Berichtsbuch (Jahrbuch) des Turnplatzes hatte (Langenfeld, S. 28). Die im Turnrat dozu führen; ferner ein Liederbuch und Weisen- minierenden älteren Mitglieder der TurnG sabuch zu halten, und während seines Amtes zu hen sich durchaus als „Tugendwächter“ und bewahren zu Jedermanns Gebrauch. / c) Der „Sittenrichter“ hinsichtlich dessen, was „turnOrdner (Ruhwarth) hat auf die Aufrechterhal- ziem“ sei oder nicht (vgl. Kunze, S. 33). – Intung der Ordnung bey den Verhandlungen zu dem Jahn bereits 1811 an die teilnehmenden sehen, und besonders bei unordentlichem Turner Mitgliedsmarken ausgab, unterstrich er Durcheinandersprechen durch aufklopfen zu die Zugehörigkeit der Turner zu einer freiwilmahnen, daß nur jedesmal Einer nach dem ligen, außerschulischen Gemeinschaft. Alle Andern spreche, und seine Meinung sage. / d) Mitglieder der sich bald organisierenden Anderes Richten und Schlichten in Gesell- TurnG zahlten einen geringen Beitrag, um die schaftsfällen ist des Turnwarts. / e) Jedes Mit- für den Ausbau des Platzes und die Herstellung gliedes Pflicht natürlich ist, seine Gedanken von Geräten anfallenden Kosten zu bestreiten. und Meinungen frank und frei zu sagen. / f) Wer den Beitrag nicht aufbringen konnte, sich Des Turnrath Versammlungen beginnen ge- aber durch „Fleiß und Sittlichkeit“ auszeichwöhnlich mit dem Beschluße der öffentlichen nete, war dennoch auf dem Turnplatz willTurnübungen am Denktage und Danktage der kommen. Ohne Rücksicht auf ihre soziale Leipziger Schlacht, und schließen mit dem Herkunft sollten sich die Turner untereinander Anfange der neuen Sommerübungen (durch mit dem vertraulichen „Du“ und nicht mit den großen Turntag – den 31 des Lenzmonds). dem distanzierenden „Sie“ anreden. Um die / Dies sind die festgesetzten Wintersitzungen; Gleichheit unter den „Turnbrüdern“ zu betodoch können nöthige Fälle auch Sommersit- nen hielt Jahn die Mitglieder der TurnG dazu zungen veranlassen.“ (zit. nach Braun/Kunze/ an, sich eine preisgünstige und zugleich strapaLangenfeld, S. 25–27). – Nach Eiselen trafen zierfähige Turnkleidung aus grauer, ungesich die Mitglieder des Turnrates jeden Sonn- bleichter Leinwand anzuschaffen: „Eine grautagabend von 17 bis 19 Uhr in der Wohnung leinene Jacke und eben solche Beinkleider ihres „Schreibers“ Maßmann und waren damit kann sich jeder anschaffen. Würden Zeuge aus beschäftigt, Lieder zu sammeln und einzuüben, ausländischen Stoffen geduldet, so müßten die Turngesetze zu erarbeiten, die Turnübun- sich die Übungen gar bald in Übungen für gen zu systematisieren, Regeln für die Spiele Reiche, Vermögende, Bemittelte, Wohlhafestzulegen und die Vorturner zu erwählen. bende, Unbemittelte, Dürftige und Arme tei657

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len“ (Euler, 1885, S.  119). Jahns Fähigkeit, ders das Turnen, so muß das ganze Turnthum Verantwortung zu delegieren, war eine wichti- bey jetzigem zeitigen Bestande im deutschen ge Voraussetzung dafür, dass die „Turnjugend“ Vaterlande selbst eigner Kraft und Verfassung mit Begeisterung bei der Sache blieb. Die Lei- von unten herauf arbeiten, zu der Stufe, so ihm tung einer Riege übernahm ein aus ihrer Mit- gebührt“ (zit. nach Ueberhorst, S. 98–99). Die te gewählter „Vorturner“. – Da sich inzwi- 1815 auf dem Wiener Kongress vollzogene schen in vielen deutschen Städten Turngesell- staatenbündische Organisation Deutschlands schaften gebildet hatten, befasste sich der Turn- sollte also durch eine sich selbst organisierende rat im Winter 1815/16 konkreter mit der „gesamtdeutsche“ und zentralistisch auf Berlin „gesamtdeutschen“ Organisation des Turnwe- ausgerichtete und von dort aus gelenkte Gesens. Diese Überlegungen flossen in die von meinschaft aller Turner überwunden werden, ihrem „Schreiber“ Maßmann im Frühjahr die zugleich der Schaffung eines (zweiten) 1816 verfassten Ansichten über die ganze Turn- deutschen Kaiserreiches Vorschub leisten gemeinschaft in Deutschland und über zu verfas- könnte. Dass Wunschvorstellungen dieser Art sende Urkunden ein. Danach bildete die Berli- die Furcht der restaurativen Politik vor der „neu ner TurnG um ihren „Turnmeister“ Jahn und ge­schaf­fene(n) Generation aufkeimender Kraftdem Turnrat den Mittelpunkt der nun größer menschen“ (E. T. A. Hoffmann) nährten, liegt gewordenen Turngemeinschaft. So bestimmte auf der Hand. – Die zunehmend heftigere öf§ 1 der Urkunde der ganzen Turngemeinschaft: fentliche Kritik, die dem Turnen seit 1817 „Ueber alle Turnplätze (und einzelne Turnge- entgegenschlug, spaltete im Winter 1817/1818 sellschaften) waltet der Turnmeister als Haupt- den Berliner Turnrat. Die Gruppe um Jahn vertreter und Anwalt aller Turngemeinschaft war nach wie vor der Überzeugung, dass das im heiligen deutschen Reich. Er waltet und Turnen ein wichtiges Mittel zu einer umfaswacht über die Lauterkeit der löblichen Turn- senden Erneuerung und Stärkung des öffentlikunst, daß sie rein erhalten werde, ungefährdet chen Lebens im Sinne seiner national-deutund unbetrübt, daß sie sich mehre und geför- schen Zielsetzung darstellte, während die gedert werde“, und § 2 besagte: „Der Turnplatz mäßigte Gruppe – dazu gehörten neben Ernst zu Berlin ist Richt-, Muster-, Oberturnplatz, Eiselen u. a. Stüve und Frommann – dem Turund als solcher Urturnplatz, der Sitz des Turn- nen keine (gesellschafts-)politische, sondern in meisters“. Schließlich war in § 5 festgesetzt, erster Linie eine pädagogische Bedeutung zudass „alle Turnwarte im deutschen Vaterland maß. Der Konflikt im Turnrat spiegelte die öf[unter] dem Turnmeister“ stehen (alle Zitate fentlichen Auseinandersetzungen um das Turnach Ueberhorst, S.  101). Ungeachtete der nen, die letztlich das Verbot der TurnG zur Tatsache, dass ein „heiliges deutsches Reich“ Folge hatte. in der damaligen Zeit nicht existierte, hielt die TurnG an der Vorstellung eines deutschen Ein- Mitglieder: a) Allgemeines: Bei den Hasen­ heitsstaates fest, wenn Maßmann formulierte: heide-Turnern handelte es sich überwiegend „Das allerbeste freylich wäre, der deutsche Kai- um Schüler und – zu einem kleineren Teil – ser selber wäre unser löblicher Turnmeister, um Studenten aus allen Schichten. Als 1812 wie weiland Heinrich der Vogler, Maximilian das Sonntagsturnen eingeführt wurde, beder Erste und andere Kaiser Horte der Leibes- teiligten sich auch junge Berufstätige, zukunst waren. Da wir nun aber des deutschen meist Handwerksgesellen, an den TurnübunKaisers jetzt noch harren, aber nicht harren gen. Nach dem von Jahns Stellvertreter Borsollen, mit den Händen im Schoos, und so gar nemann am 15. Juli 1814 für das Ministerium Manches bevor schon gethan seyn soll und angefertigten „Verzeichnis sämtlicher Teilnehmuß, weil es eben kann, und von uns beson- mer an den gymnastischen Übungen in der 658

Turngesellschaft [TurnG]

Hasenheide“ waren bis zu diesem Zeitpunkt im Frühsommer 1814 unter den Turnern: „72 Schüler des Berlinsch-Cöllnischen Gymnasiums / 97 Schüler des Friedrich-Werderschen Gymnasiums / 40 Schüler des Friedrich Wilhelms-Gymnasiums / 10 Schüler des Joachimsthalschen Gymnasiums / 38 Schüler der Plamannschen Anstalt / 28 Schüler aus anderen Schulen / 18 Waisenkinder / 12 Garnisonschüler / 24 im Beruf stehende junge Männer, darunter ein Prediger, 2 Lehrer, 4 Handlungsbeflissene usw.“ (zit. nach Neuendorff, Bd. II, S. 175). Die schichtenübergreifende Zusammensetzung der TurnG belegt auch das erhaltene Verzeichnis der Teilnehmer am Winterturnen 1817/18. – Ein Verzeichnis aller Mitglieder der TurnG von 1811 bis 1819 ist nicht überliefert, bekannt ist aber, dass Teilnehmerlisten an den Turnübungen auf der Hasenheide existiert haben (vgl. Dürre, S. 80). Es ist nicht auszuschließen, dass diese Verzeichnisse im Zusammenhang mit der 1819 einsetzenden „Demagogenverfolgung“ vernichtet worden sind, um einzelne Mitglieder der TurnG vor dem Zugriff der Behörden zu schützen. In zahlreichen zeitgenössischen Abhandlungen, nicht zuletzt in den überlieferten Turner-Memoiren und –Biographien, sind die Namen von Hasenheide-Turnern genannt, die im Rahmen einer Examensarbeit zusammengestellt worden sind (Ulfkotte, 1979, S. 277–282); sie werden unter 1) aufgelistet, wobei hinter einigen Namen ein Fragezeichen angebracht werden musste, weil die Mitgliedschaft zur TurnG nicht immer zweifelsfrei zu klären war. Erhalten hat sich allerdings das „Verzeichnis der Turner, die vom 19. Oktober 1817 bis zum 17. März 1818 an den Übungen im Turnsaal teilgenommen haben“ (LA Berlin P. Br. Rep. 30 Berlin C, Polizeipräsidium, Nr. 7376, Bl. 28–31). Die Namen dieser Turner werden unter 2) aufgeführt. – b) Einzelmitglieder: 1) Turner auf der Hasenheide: Ernst August Aegidi; v. Arnim; Asverus?; Ernst Ferdinand August; Badecke I und II; Badicke; Bärwald; Karl Bauer?;

Ernst Friedrich Albert Baur; Johann Wilhelm Baur; Karl Beck; Becker (Student)?; Belitzen; Stephan Benecke; Wilhelm Benecke; Benningsen; Bergius; Bergius II; Eduard Friedrich Bergling; Berthold; Bierstaedt; Ludwig Bischoff?; Böttner; Bon; v. Borcke I und II; Adolf Bornemann; Friedrich Wilhelm Ludwig Bornemann; Wilhelm Brettner; Chevalier (d. Ä.); Heinrich Friedrich Florian Cloeter; Döbler; Christian Eduard Leopold Dürre; Johann Dürre; Edeler; Elveter; Engel; Engelhard; Philipp August Feddern; Felix; Fleck; Emil Julius Fröhlich; Friedrich Johann Frommann; Ernst Ludwig v. Gerlach; Adolf Goeschen; Otto Goeschen; Grävenitz?; Grell; Hartmann?; Friedrich Maximilian Hessemer; Hetzel; Hilpert; Höpker?; Hofbauer; Hoffmann; Hoffmann IV; Albert Waldemar Hollander; Holtdorf; Friedrich Karl Hünke; Kalisch; Kapp?; Karsten?; Kauer; Keibel; Friedrich August Keil; Kenke?; Kistings; Eduard Friedrich Klaatsch; Friedrich Wilhelm Klumpp?; Knake; Knoblauch; Johann Emil Friedrich v. Koenen; Karl Krutisch; Kuzbach?; Lambi; Karl Lange; Lautz; Wilhelm Adolph Lette; Adolph Lieber; Eduard Lieber; Franz Lieber; Gustav Lieber; Karl Friedrich Liebetrut; Lipten; Lister; Löffler; Löwe; v. Lüderitz; Karl Friedrich Manger; Marcheaux; Franz Eberhard Marggraff; Marquardt; Hans Ferdinand Maßmann; Johann Karl Maßmann; Mendelssohn-Bartholdy; Wolfgang Menzel; Messow; Gebr. Minutoli; Wilhelm Bernhard Mönnich; August Ludwig Bernhard Moliére; Bernhard Theodor Müller?; Christian Samuel Gottlieb Ludwig Nagel; E. Nölting; Pagnickel; Gustav Friedrich Konstantin Parthey; Paulsen; Moritz v. Peguilhen; v. Peguilhen II; Pelemann?; Pflüger; Piaste; Piesker; Pischon; Friedrich Wilhelm Rudolph v. Plehwe; Pöhlemann?; Prillwitz; Gebr. Pritzelwitz; Puppel; Friedrich Heinrich Ranke; Heinrich Arminius Riemann; Riese; Franz Anton Roller; Gustav Rose; Valentin Rose; Hermann Frhr. v. Rotenhan; Rother; Christian Konrad Leopold Rumschöttel; Franz Heinrich 659

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

Rumschöttel; Rutzen?; Carl Sadowski; Johann Carl Friedrich Salomon; Carl Ludwig San; Siedwogrovski; Singer; Sonntag; Sybel; Sydow; Johann Albert Eduard Schallehn; Karl Hermann Scheidler; Gebr. Schlott; Schlüsser; Schmarsow; Ernst Heinrich Schmidt; Schön I; Schröder; Carl Eduard Schultze; Friedrich Schultze; Schwarz; Maximilian Heinrich v. Schwerin?; Karl Heinrich August Steinhart; Steuermann?; Salomon Friedrich Stiebel; Ewald Rudolf Stier; v. Stocken; Ferdinand Wilhelm Stosch; Johann Carl Bertram Stüve; Adolf v. Thadden; Gebr. Thaer; Tietzen; Karl Tittmann; Gebr. Uebel; Karl Ulrich; Heinrich Friedrich Wilhelm Wach; Gebr. Wackernagel; Heinrich Ludwig Karl v. Wangenheim; Karl Heinrich Weißenborn; Wenzel; Wilhelm und Robert Wesselhöft?; Karl Ludwig Wilhelm Heinrich v. Wiedekind; Wiedemann; Karl Ferdinand Wilhelmi; Wilke; Ehrenfried v. Willich; Willmanns; Friedrich Heinrich Moritz Witte; Gebr. Wohlbrück; Friedrich Julius Karl Gottfried Zelle; Gebr. Zenker; Christian Wilhelm Zernial; Ziegler; Ernst Heinrich Zober. – 2) „Verzeichnis der Turner, die vom 19. Oktober 1817 bis zum 17. März 1818 an den Übungen im Turnsaal teilgenommen haben“: Aegidi; Agrikola; Bahnson; Baur 1; Baur 2; Beck; Beckmann; Belitz; Bennecke 1; Bennecke 2; Bennecke 3; Berger; Bergius; Bergmann; Bernau; Bethe; Boldemann; Bornemann; Brettner; Calix; Cauer 1; Cauer 2; Cauer 3; Cauer 4; Claß; Dürre; Eckard; Endell; Escher; Eyßenhardt 1; Eyßenhardt 2; Fehmer; Flägge; Fournier; Frölich; Frommann; Ganzel; Gerhard; Grüst; Gräff; Günther; Güthe; Gutschmidt; Hagenauer; Haupt; Hedemann; Heine; Hellwig; Hinze; Holz; Horn; v. Ingersleben; Itzig; Jung; Kästner; Kaiser; Kalisch; Kessler; Kloth; Klug; v. Knesebeck; Köhler; Krahmer; Kreuser; Krüger 1; Küger 2; Kuntze; Lange; Langheim; Laspeyres 1; Laspeyres 2; Lieber 1; Lieber 2; Lieber 3; Liebetrut; Lüdicke; Mangel; Mauch; v. Müller 1; v. Müller 2; Muth; Natory; Österreich; Promnitz 1; 660

Promnitz 2; Parthey; Peguilhen 1; Peguilhen 2; Pitow; v. Plehwe 1; v. Plehwe 2; v. Plehwe 3; v. Rabenau; Graf v. Rantzau; Reichel; Reimer 1; Reimer 2; Ribbach; v. Rohr; Rost; v. Rotenhan; Rumschöttel; Salomon; Schirmer; Schlott; Schmidt; Ad. Schmidt; Schöne; Schulz; Schultze 1; Schultze 2; v. Schwürtzell; Schwürz; v. Sieboll; v. Spankern; Stegemann; Steineke; Struensee; Stüve; Schulz; Sydow; Trendelenburg; Ullrich; Wackernagel; v. Wangenheim 1; v. Wangenheim 2; Wesselhöft; v. Westroll; v. Wintzingerode; Witte; Wohlbrück 1; Wohlbrück 2; Wohlbrück 3; Zelle; Ziegler; Zimmermann; Zober. Querverweise auf andere Vereine: Friedrich Friesen war nicht nur einer der Hauptorganisatoren der TurnG, sondern bereits 1808 der Stifter der  Fechtbodengesellschaft, die wiederum als Keimzelle des 1810 gegründeten  deutschen Bundes anzusehen ist. Starck, Salomon und Oetzel waren in beiden Vereinigungen aktiv. Ein großer Teil der jugendlichen Turner gehörte zugleich den burschenschaftlich organisierten Studentenverbindungen an ( Berliner Burschenschaft,  Arminia), u. a. Lieber, Maßmann, Graf Rantzau, Schmarsow, v. Wangenheim, Wesselhöft (Wesselhöfft). Bibliographie: 1) Ungedruckte Quellen: LA Berlin A Pr. Br. Rep. 030, Nr. 19601: Acta des Königl. Polizei-Präsidii zu Berlin betreffend des Turnplatzes in der Hasenheide. – LA Berlin Pr. Br. 30 Berlin C, Polizeipräsidium, Nr. 7376. – 2) Gedruckte Quellen: Bartmuß, Hans-Joachim / Kunze, Eberhard / Ulfkotte, Josef (Hg.): „Turnvater“ Jahn und sein patriotisches Umfeld. Briefe und Dokumente 1806– 1812. Köln, Weimar, Wien 2008. – [Bornemann, Johann Jakob Wilhelm]: Der Turnplatz in der Hasenheide. [Berlin 1812]. – Bornemann, Johann Jakob Wilhelm (Hg.): Lehrbuch der von Friedrich Ludwig Jahn unter dem Namen der Turnkunst wiedererweckten Gymnastik. Zur allgemeinern Verbreitung jugend-

Turngesellschaft [TurnG]

licher Leibesübungen. Berlin 1814. – Braun, pflanzung des deutschen Turnens nach AmeriHarald / Kunze, Eberhard / Langenfeld, Hans ka: Beck, Follen, Lieber. In: Stadion 1 (1975) 2, (Bearb.): Über das Turnwesen. Bericht No S. 331–376. – Grünwald, Dietrich: Turner, auf XX der Central-Untersuchungs-Commissi- zum Streite. Die Anfänge des Vaterländischen on zu Mainz von 1821, hg. vom Verein für Turnens und das Wirken Friedrich Ludwig Hochschulsport e.V. an der Universität Bre- Jahns in Mecklenburg-Strelitz, hg. vom Mumen. Bremen 1998. – Dürre, Ernst Friedrich seumsverein Neubrandenburg e.V., Neubran(Hg.): Dr. Chr. Eduard Dürre. Aufzeichnun- denburg 1997. – Hagemann, Karen: „Mannligen, Tagebücher und Briefe aus einem deut- cher Muth und Teutsche Ehre“. Nation, Mischen Turner- und Lehrerleben. Leipzig 1881. litär und Geschlecht zur Zeit der Antinapo– Eiselen, Ernst Bernhard. Mittheilungen aus leonischen Kriege Preußens. Paderborn 2002. seinem Tagebuche, veröffentlicht durch Alf- – Hofmann, Annette R.: Aufstieg und Niered Böttcher. In: Deutsche Turn-Zeitung 19 dergang des deutschen Turnens in den USA. (1874) 12, S. 61–63; H. 13, S. 65–72; H. 14, Schorndorf 2001. – Kessler, Cornelia / BartS. 73–79. – Euler, Carl (Hg.): Friedrich Lud- muß, Hans-Joachim (Red.): Friedrich Ludwig Jahns Werke. Band 1, Teilband 2.1., Teil- wig Jahn und die Gesellschaften der Turner – band 2.2. Hof 1884/1885/1887. – Euler, Carl: Wirkungsfelder, Verflechtungen, GruppenpoEin amtlicher Bericht über Friedrich Ludwig litik. Beiträge des Jahnsymposiums vom 3. bis Jahn und sein Turnen aus dem Jahre 1818. Vo- 5. Oktober 2003 in Freyburg a. d. Unstrut, hg. rausgesandt eine Besprechung neuerer An- vom Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V., griffe auf Jahn und sein Turnen. In: Deut- Halle 2004. – Krüger, Michael: Einführung in sche Turn-Zeitung 32 (1887) 24, S.  333– die Geschichte der Leibeserziehung und des 336; H. 25, S. 349–352; H. 29, S. 417–420; Sports. Teil 2: Leibeserziehung im 19. JahrH. 30, S. 434–436; H. 33, S. 479–482; H. 37, hundert. Turnen fürs Vaterland. 2., neu bearb. S. 549–551. – Langenfeld, Hans /Ulfkotte, Jo- Aufl., Schorndorf 2005. – Kunze, Eberhard: sef (Hg.): Unbekannte Briefe von Friedrich Eine Generation aufkeimender Kraftmenschen Ludwig Jahn und Hugo Rothstein als Quel- – Ein Beitrag zur historisch orientierten Solen zur Frühgeschichte des Turnens. Ober- zialisationsforschung. In: Becker, Peter (Hg.): werries 1990 (WTB-Schriftenreihe, Band 6). Sport und Sozialisation. Reinbek 1982, S. 24– – Meyer, Wolfgang: Die Briefe Friedrich Lud- 47. – Langenfeld, Hans: Jahns Einfluß auf die wig Jahns. Leipzig 1913. – Schnapp, Friedrich Entwicklung der körperlichen Erziehung im (Hg.): E. T. A. Hoffmann. Juristische Arbei- bürgerlichen Zeitalter. In: Stadion IV, 1978, ten. München 1973. – Ulfkotte, Josef (Hg.): S. 1–32. – Neuendorff, Edmund: GeschichBriefe von Friedrich Ludwig und Emilie Jahn te der neueren deutschen Leibesübung vom an Wilhelm Lübeck 1835–1876. Zentral- und Beginn des 18. Jahrhunderts bis zur GegenLandesbibliothek Berlin 2010. – 3) Darstel- wart. Band II: Jahn und seine Zeit. Dresden lungen: Düding, Dieter: Organisierter ge- o. J. – Schumann, Alfred: Von Eiselen zu Ansellschaftlicher Nationalismus in Deutschland gerstein. Die Entstehung des Schulturnens in (1808–1847). Bedeutung und Funktion der Berlin mit Ausblick auf das Vereinsturnwesen. Turner- und Sängervereine für die deutsche Berlin 1937. – Steins, Gerd: Wo das Turnen Nationalbewegung. München 1984. – Eisen- erfunden wurde … Friedrich Ludwig Jahn berg, Christiane: Friedrich Ludwig Jahn – der und die 175jährige Geschichte der Hasen„Erfinder“ des Turnens. In: Sportwissenschaft heide. Berliner Forum 6/86. Sonderausga30 (2000) 2, S. 125–140. – Euler, Carl: Fried- be zum Deutschen Turnfest Berlin 1987, hg. rich Ludwig Jahn. Sein Leben und Wirken. vom Presse- und Informationsamt des Landes Stuttgart 1881. – Geldbach, Erich: Die Ver- Berlin. – Steins, Gerd: „Turner-Umtriebe“ in 661

9  Patriotisch-nationale Vereinigungen

und um Berlin. Wegweiser zu den Schauplät- der „Turnsperre“. Staatsexamensarbeit für zen der Turngeschichte in Berlin und Bran- das Lehramt am Gymnasium. Münster 1979. denburg, hg. vom Berliner Turnerbund in – Ulfkotte, Josef: „Dem Wakkern fügte sich Zusammenarbeit mit dem Sportmuseum Ber- die glückliche Stunde“ – Zur wechselseitigen lin. Berlin 2005 (Sporthistorische Blätter, 13). Wahrnehmung von Johann Christoph Fried– Ueberhorst, Horst: Zurück zu Jahn? Gab es rich GutsMuths und Friedrich Ludwig Jahn. kein besseres Vorwärts? Bochum 1969. – Ulf- In: Krüger, Michael (Hg.): Johann Christoph kotte, Josef: Turnen und Turner von 1811 bis Friedrich GutsMuths (1759–1839) und die 1842. Prosopographische Grundlagen für eine philanthropische Bewegung in Deutschland. Sozialgeschichte des Turnens bis zum Ende Hamburg 2010, S. 15–30.

Josef Ulfkotte

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10  Patriotische Unterstützungsvereine während der antinapoleonischen Kriege / Frauenvereine

Der Aufruf der Königlichen Prinzessinnen an die Frauen im Preußischen Staat vom 23. März 1813 war im Rahmen der Nationalbewegung zwar nicht der erste seiner Art, doch war er das wirkungsmächtigste Signal zur Bildung zahlloser patriotischer, vorwiegend von Frauen organisierter Vereine während der antinapoleonischen Kriege 1813/15. Die Mobilisierung und Politisierung breiter Bevölkerungskreise berührte auch die Frauen. In den Jahren, in denen „das Vaterland in Gefahr“ war, konnten Frauen die Initiative ergreifen, erstmals in größerem Rahmen Vereine gründen und leiten. Seit dem Frühjahr 1813 kam es zu einer regelrechten Gründungswelle von patriotischen Unterstützungs- und Wohltätigkeitsvereinen. Wie Friedrich Wadzeck es in seiner Zeitschrift ausdrückte, sei der „Geist der Menschenliebe und Menschenrettung“ „wie die Strahlen der Sonne von ihrem Mittelpunkte, Berlin, ausgehend ein Allgemeiner geworden“, die Provinzen „wetteifer[te]n mit der Königsstadt“ (Nützliches und unterhaltendes Berlinisches Wochenblatt, 4. Sept. 1813, S. 2107). Dirk Alexander Reder hat für die Jahre 1813 bis 1815 in Deutschland insgesamt 573 Frauenvereine nachgewiesen (die tatsächliche Zahl lag vermutlich noch deutlich höher), davon allein in Preußen 414 (= 72 Prozent). In Berlin waren Frauen in dieser Zeit in ca. 19 Frauen- und Mädchenvereinen und weiteren gemischten Lazarettvereinen aktiv (Reder 1, S. 489–505, S. 29). Die patriotischen Frauenvereine waren die „mit weitem Abstand größte Gruppe der nicht-militärischen Organisationen zur Unterstützung des Krieges“ (ebd., S. 25). Berlin hatte die höchste Anzahl an national-patriotischen Unterstützungsvereinen (zu dieser Kategorisierung vgl. Dann, S. 200), die zudem die größte Spezialisierung aufwiesen: „Es gab Frauenvereine, Mädchenvereine und aus Männern und Frauen gemischte Wohltätigkeitsvereine. Es gab Vereine, die sich um die Bewaffnung der Freiwilligen kümmerten, Lazarette gründeten, betrieben und versorgten, Verbandmaterial oder Kleidung herstellten, arme Landwehrsoldaten unterstützten, Invalide unterstützten, Witwen und Waisen versorgten, die Invaliden einer bestimmten Schlacht unterstützten oder die Armen allgemein beaufsichtigten. Fürstinnen und Adlige engagierten sich ebenso wie Bürgerliche oder Dienstmädchen, wobei die soziale Struktur der einzelnen Frauenvereine unterschiedlich war“ (Reder 1, S. 116). Viele dieser Frauen- und Mädchenvereine entstanden spontan, waren aus der Not geboren, hatten mitunter nur wenige Mitglieder, einen eingeschränkten Aufgabenbereich und eine kurze Dauer, zeigten jedoch den Willen, in einer politischen Entscheidungssituation Verantwortung und Aufgaben zu übernehmen, die sonst den Männern vor663

10  Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine

behalten waren. Ihre Arbeiten gingen dabei weit über den Bereich der Verwundeten- und Krankenpflege hinaus. Vorwiegend bürgerliche Frauen und Mädchen konnten hier, wenngleich in einer Ausnahmesituation und in einem begrenzten Zeitraum, gesellschaftlich-öffentlich wirksam werden. „Die Frauen übernahmen und modifizierten dabei das Organisationsmodell des bürgerlich-patriotischen Vereins, zu dem sie vorher keinen Zugang gehabt hatten. Auf diesem Wege eroberten sie nicht nur einen ihnen bisher verschlossenen öffentlichen Handlungsraum, sondern erreichten eine bis dahin nicht gekannte allgemeine Aufmerksamkeit und Anerkennung“ (Reder 3, S. 200). Somit markieren die frühen Frauenvereine die Anfänge einer bürgerlichen Frauenbewegung in Preußen. 1817 veröffentlicht Helmina von Chézy, die Enkelin der Karschin, die nicht nur in Berlin Frauenvereine unterstützt hatte, sondern auch Mitbegründerin von Frauenvereinen in Darmstadt, Köln, Mainz, Deutz und Mülheim war (zu Chézy vgl. Reder, S. 175 f., 377 f.), eine Programmschrift über die Einbeziehung der Frauenvereine bei der Lösung sozialer Probleme. Die patriotischen Unterstützungsvereine in den Jahren 1813/15 brachten die bisher weitestgehend getrennten gesellschaftlichen Bereiche Militär und bürgerliche Zivilgesellschaft in einer gemeinsamen Aufgabe in Kriegszeiten zusammen. Die kämpfenden Soldaten und Offiziere, zu einem großen Teil Freiwillige aus bürgerlichen und kleinbürgerlichen Schichten, waren auf die vielfältigen Unterstützungen aus der Zivilgesellschaft, besonders der Frauen und Mädchen, angewiesen, welche hinter der Front in immer stärkerem Maße auf das Militär bezogene Aufgaben übernahmen, leiteten und organisierten. Dabei handelte es sich nur teilweise um zugewiesene Aufgaben. Zu einem großen Teil waren es Eigeninitiativen sowie freiwillig und eigenständig beanspruchte Unterstützungsleistungen innerhalb einer gesamtnationalen patriotischen Bewegung. Waren die Tätigkeiten Kochen, Waschen, Pflegen, Heilen auch traditionell „weibliche“ Aufgaben, so wurden diese nun nicht mehr allein im privaten Bereich von Haus und Familie geleistet, sondern im halböffentlichen und öffentlichen gesellschaftlich-politischen Bereich. Dazu kamen noch ursprünglich „männliche“ Tätigkeitsfelder wie Organisation, Ökonomie, Finanzverwaltung, Buchhaltung, Logistik, Publizistik – was insgesamt zu einer „Erweiterung des weiblichen Bewegungsspielraums“ führte (Myrrhe, S. 135). Dabei unterzogen sich die „Töchter der angesehensten Bürger, die wohl nie etwas Aehnliches gethan“, „auch der ekelsten Mühwaltung“ und verrichteten Arbeiten, die sonst von den Bediensteten geleistet wurden (vgl. Gurlt 1, S. 319). „Wie auf einen Wink“ bildeten sich Lazarette, schnell fanden sich angesehene Bürger, „die einen tugendhaften Verein bildeten, der sich an die Spitze der Verwaltung stellte“ (vgl. ebd., S. 321). Es war der Mittelstand der Gesellschaft, der diese Hilfs- und Betreuungsarbeiten als Bürgerpflicht verstand. Im Monat Oktober 1813 befanden sich in den Berliner Lazaretten 24.274 Kranke und Verwundete; am 1. November 1813 waren es 8.345 Kranke und Verwundete (Bericht des Dr. Graefe, vgl. Gurlt 1, S. 323). Deren Versorgung wäre ohne die Unterstützung der Wohltätigkeits- und Frauenvereine nicht zu leisten gewesen. Für diejenigen Frauen-, Jungfrauen- und Männer-Vereine, die einzelnen Provin664

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ziallazaretten zugeordnet waren, bestanden klare Festlegungen (s. dazu: Festsetzung des Wirkungskreises für die Mitglieder der den einzelnen Militair-Lazarethen zur Seite stehenden Wohlthätigkeits-Vereine vom 14. Sept. 1813; vgl. Reder 1, S. 47, 81 f.). Danach sollte jeder Wohlthätigkeits-Verein „wenigstens aus 12 Mitgliedern, in der Regel 4 Hausfrauen und 8 Männern“ bestehen. „Der Vorsteher leitet das Ganze des Vereins, hat sich daher vorzüglich mit den dirigirenden Aerzten, wie auch ersten Oekonomie-Inspektoren über das Wohl der Kranken zu besprechen. […] Die Hausfrau inspicirt die Küche, Wasch-Anstalt und das zu vertheilende Essen, sieht zugleich auf Reinlichkeit, und macht die nöthige Anzeige an den Lazareth-Inspektor oder an den Dirigenten, wenn es ihrem Urtheile nach daran fehlt. […] Da es die Absicht der Lazareth-Anstalt ist, die Kranken möglichst schnell zu heilen, und zum Dienste des Vaterlandes wieder tüchtig zu machen, zu diesem Endzweck aber bei weitem vor allem andern das chirurgische Personal und vorzugsweise der Lazareth-Dirigent beitragen kann und muss: so ist es wohl sehr natürlich und billig, dass die Mitglieder des Vereins sich in allen Anordnungen nach ihm zu richten haben, ohne ihm jedoch deswegen gerade untergeordnet zu sein.“ Diese Regulierung ging an der Realität vorbei: die Frauenvereine wurden ignoriert, eine geschlechterspezifische Arbeitsteilung festgelegt, die Anzahl der Frauen im Verein auf ein Drittel beschränkt und die Leitung den Männern zugewiesen (vgl. Reder 1, S. 80 f.). Neben der Krankenpflege halfen die Vereine bei der Ausrüstung der Soldaten, vor allem der Landwehr, und initiierten und koordinierten Sammlungen materieller und finanzieller Art (Myrrhe, S. 142). Der Zweck dieser Vereine, die oftmals von Frauen ini­ tiiert waren, war stets nach außen gerichtet, galt dem Gemeinwohl, dem „Vaterland“, einer national-politischen „Mission“, und nicht der persönlichen Selbstverwirklichung, der die Männer in verschiedenen, ihnen vorbehaltenen Vereinsformen nachstreben konnten. Die „von vornherein als vorübergehendes Aktionsbündnis“ (Huber-Sperl, S. 56) entstandenen privaten Wohltätigkeitsvereine lösten sich großenteils 1814 wieder auf, nicht nur, weil die größte Not gelindert war und die Kranken anderweitig versorgt wurden, sondern weil militärische und staatliche Kommissionen gegründet wurden, die die „bisher von Vereinen und Privatleuten bewirkte Vertheilung freiwilliger Gaben in den Lazarethen selbst in die Hand“ nehmen sollten (Gurlt 1, S. 324), um über die eingehenden Gelder ohne Einschränkungen frei verfügen und diese nach eigenem Gutdünken verwenden zu können. Die Bekanntmachung des Militär-Gouvernements des Landes zwischen Elbe und Oder vom 6. April 1814, unterzeichnet von v. L’Estocq und v. Bülow, enthielt eine Anordnung zur Auflösung der privaten Wohltätigkeitsvereine: „alles und jedes Sammeln baaren Geldes für die Verwundeten, namentlich durch die Wohlthätigkeits- und andere Vereine und durch Privatpersonen“ habe „von jetzt ab völlig auf[zu] hören […], wenn diese Vereine oder Privatpersonen nicht durch uns dazu eine Authorisation erhalten haben“ (zit. nach Gurlt 1, S. 326). Die „Lazarethsachen“ wurden damit 665

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aus den Händen der Vereine und Privatpersonen genommen und wieder unter die alleinige Verfügungsgewalt des Militärs gestellt. Den Kommissionen gehörten zwar auch ehemalige Vereinsmitglieder wie z. B. der Kaufmann Welper oder der Stadtverordnete Laspeyres an – wie die Vorsteher der Wohltätigkeitsvereine überhaupt zur Teilnahme aufgefordert waren –, die oberste Leitung jedoch übten Militärs aus; Frauen waren gar nicht mehr vertreten. Die Tatkraft, Aufopferungsbereitschaft und das Organisationstalent der Frauen aus Adel und Bürgertum während der napoleonischen Herrschaft wurden zwar von Staat und Militär geschätzt, mündete jedoch nicht in eine politische Beteiligung der Frauen im preußischen Staat. Um ihre Verdienste zu würdigen, stiftete Friedrich Wilhelm III. zum Andenken an seine Frau im August 1814 den Luisenorden, der bis 1817 an insgesamt 166 preußische Frauen, fast ausschließlich Mitglieder von Frauenvereinen, verliehen wurde. „Als Prinzessin Marianne 1813 dem König die ersten Damen für die Auszeichnung vorschlug, sortierte sie ihre Liste nach den einzelnen Lazarettvereinen und schlug die wichtigsten Frauen aus jedem Verein vor […]. Die Kontrolle der Ordensverleihungen lag also fest in den Händen der Frauenvereine“ (Reder 1, S. 76 f.). Wenngleich nur drei der Berliner Frauenvereine aus der Zeit der sogen. Befreiungskriege darüber hinaus tätig blieben, da sie sich längerfristige Aufgaben gestellt hatten ( Vaterländischer Verein,  Weiblicher Wohlthätigkeitsverein,  Frauen- und Mädchenverein zum Dank für Großbeeren und Dennewitz), wirkte das Beispiel der national-patriotischen Unterstützungsvereine während der antinapoleonischen Kriege noch jahrzehntelang nach, indem im Bereich der Wohltätigkeit und Sozialfürsorge Vereine zur Unterstützung von Alten, Armen und Kranken, von hilfsbedürftigen Kindern, Wöchnerinnen, Witwen und Waisen oder von Opfern von Unfällen oder Naturkatastrophen ins Leben gerufen wurden. Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf deutschem Boden gegründeten ca. 600 Frauenvereine besaßen eine demokratische Grundstruktur und vereinten Frauen aller Schichten, die „innerhalb kürzester Zeit ein regional und überregional funktionierendes Netzwerk“ schufen (Myrrhe, S. 133). Sie konnten sich die Erfahrungen der Frauenvereine während der Befreiungskriege zu Nutze machen. Im Folgenden sind die 1813 bis 1815 in Berlin entstandenen Frauen- und Wohltätigkeitsvereine chronologisch zusammengestellt und kurz erläutert. Die mit Hinweispfeil versehenen Vereine werden in separaten Artikeln ausführlicher dargestellt. Da nur wenige Originalquellen vorliegen, musste weitestgehend auf die 1873 von Gurlt vorgelegten Ausführungen zurückgegriffen werden, der wiederum ein sogenanntes „National-Denkmal“ nutzen konnte, das Friedrich Wilhelm III. in Auftrag gegeben hatte (vgl. Reder 1, S. 33 f., Fußnoten 77 und 79). Die drei 1820 fertig gestellten Bände waren für eine Veröffentlichung bestimmt, die jedoch nicht zustande kam. Die Aufzeichnungen, die Gurlt und 1913 Müsebeck noch vorlagen, scheinen heute verschollen. Darüber hin­ aus wurden die umfangreichen Forschungen von Dirk Alexander Reder zu den patriotischen Frauenvereinen einbezogen. 666

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Abb. 127  Plan einer Volkstracht. „Ehrenkleid der deutschen Frauen-Vereine“, um 1813.

1)  Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes, gegr. 6. (23.) März 1813. 2) Verein zum Besten der Landwehr, gegr. 11. März 1813 (vgl. Tagebuch von Prinzessin Marianne von Preußen 9. 3. 1813). – Dem Verein, der vermutlich vom Kaufmann Louis Epenstein verwaltet wurde, trat auch Prinzessin Marianne von Preußen bei. „Um die Spendenbereitschaft anzuspornen, vergab der Verein als Auszeichnung für die Spender eine Kokarde mit verschiedenen Klassen“, die von Marianne gestaltet worden war (Reder, S. 52). Doch das Kokarden-Tragen geriet in die öffentliche Kritik und das „Cokarden-Institut“ wurde nicht weitergeführt (vgl. Reder 1, S. 43, 52 f.). 3)  Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichs-Str. Nr. 101, gegr. März 1813. 4) Gesellschaft von Frauen nach der Bekanntmachung vom 28. März; gegr. 28. März 1813; bestand bis 30. Juni 1813; die Frauen sammelten Leinwand und Wolle, ließen Kleidungsstücke herstellen und lieferten sie an das Militärgouvernement (Reder 1, S. 44). 5)  Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne (Friedrichs-Str. Nr. 107), gegr. April 1813. 6)  Mädchenverein vom 20. April 1813, gegr. 20. April 1813; erneut 8. Juli 1815. 7) Dienstboten-Vereinigung, gegr. 22. Mai 1813. – Nach der Schlacht von Großgörschen (2. Mai 1813) flohen viele Berliner vor den anrückenden französischen Truppen aus der Stadt. „In dieser kritischen Lage rief Luise Charlotte Krumnow alle ‚patriotisch gesinnten Dienstmädchen‘ zu Spenden auf“ (Reder, S. 46, vgl. Aufruf vom 22. 5. 1813, in: Voss. Ztg. Nr. 63 v. 27. 5. 1813). Marianne v. Preußen notiert am 28. Mai 1813 in ihr Tagebuch: „Eine deputation Dienstmädchen von hier brachte mir heut 60 Rth. zum Frauen Verein“ (HStA Darmstadt, D22, Nr. 33/7, Bl. 24). 667

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8)  Weiblicher Wohlthätigkeitsverein (Wohltätigkeitsverein zur Aufhilfe der durch den Krieg verarmten Einwohner in Berlin), gegr. 13. Juli 1813. 9) Männerverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor (Provinzial-Lazareth No. 1), gegr. Ende August 1813. – Gestiftet von den Stadtverordneten und geleitet von Hofmarschall Graf v. d. Gröben zur Unterstützung der Verwundeten der Schlacht von Großbeeren am 23. August 1813. Der Bäckermeister und OberKirchenvorsteher Haseloff „war der Erste gewesen, welcher in dem am Tage nach der Schlacht bei Gross-Beeren errichteten Lazareth für das Unterkommen der Verwundeten Anstalten traf. Er holte das Lagerstroh selbst herbei, sorgte für die ersten Lebensbedürfnisse und schaffte die nöthige chirurgische Hilfe“ (Gurlt 1, S. 309). Die Geschäftsführung des Vereins wie auch die Einrichtung des Lazaretts übernahm der Kaufmann und Stadtverordnete Johann Joachim Schultz. Graf v. d. Groeben als Vorsteher des Vereins scheute „weder Zeit, noch Kosten, noch Gefahr der Ansteckung, um den Patienten durch persönlichen Besuch jede Erleichterung zu gewähren“ (ebd.). Der Verein arbeitete eng mit dem folgenden Frauenverein zusammen. 10)  Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor, gegr. 24. Aug. 1813. 11)  Männer- und Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Halleschen Tor, gegr. Aug. 1813. 12) Verein für das Lazareth am Brandenburger Tor (Provinzial-Lazareth Nr. 5), gegr. Ende August 1813. – Das Ende August 1813 von der Stadtverordnetenversammlung gegründete Lazarett befand sich in der ehemaligen Kaserne des Regiments Fürst von Nassau-Oranien (dem späteren Berliner Garnison-Lazarett) in der Casernen-Strasse. Bis November 1813 wurde der Verein von den Kaufleuten Schwarz und Engel geleitet, danach von dem späteren Baurat Mandel, der auch Mitglied der Kommission „zur Vertheilung der freiwilligen Beiträge in den Lazarethen zwischen Elbe und Oder für das Beste der Kranken und Verwundeten“ war (Gurlt 1, S. 311). „Das Lazareth wurde am 25. August 1813 mit den Französischen Kriegsgefangenen von Gross-Beeren eröffnet und stand unter Direction des Dr. Helling; der Stadt-Chirurgus Süss, die Oberärzte Walz und Hübner und der Eleve Stachow, alle drei von der med.-chirurg. Pépinière, leisteten in dem Lazareth unentgeltliche und eifrige Dienste. – Dem Vereine gingen zu an baarem Gelde: 764 Thlr., Utensilien, Kleidungsstücke u.s.w. im Werthe von 2,000 Thlr.“ (Gurlt 1, S. 311). 13) Privat-Lazarett in der Friedrichstraße 129. – Das kleine Lazarett bestand vom 25. Aug. bis 30. Okt. 1813 und konnte neun Verwundete aufnehmen. Vorsteherin war Madame Trippel. 14)  Privat-Lazareth in der Brüderstraße 21, gegr. Aug. 1813. 15) Mädchenverein zum Besten der Verwundeten, gegr. Sommer 1813. – Gegründet von der ältesten Tochter und der Schwester des Dr. Erhard und von Frl. Wilhelmine Loeder. „Die von ihnen durch Anfertigung, Sammlung, Verkauf, Verloosung weiblicher Handarbeiten u.s.w. zusammengebrachten 610 Thlr. wurden fast durchweg baar in den Berliner Lazarethen verwendet“ (Gurlt 1, S. 322). 668

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Abb. 128  Carl Müchler: An die Töchter des Vaterlandes. In: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 43 v. 10. April 1813.

16)  Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der dritten Artillerie-Kaserne (Provinzial-Lazareth No. 2), gegr. Sept. 1813. 17) Männer- und Frauen-Verein in der vormaligen v. Larisch’schen Kaserne (Provinzial-Lazareth No. 3), gegr. Sept. 1813. – Der Verein wurde von dem Stadtverordneten Friedrich Schmidt und seiner Frau gestiftet und geleitet. Er befand sich in der ehemaligen Kaserne in der Neuen Friedrichstraße No. 5–8. Neben dem Ehepaar Schmidt waren der Stadtrat Meinhoff, der Stadtverordnete Kunstgärtner Bouché, der Bezirksvorsteher Hensel, der Kaufmann König, die Ehefrauen des Stadtchirurgen Rath, des Holzverwalters Schrader und der Buchhalter Zwicker und Püchler sowie die Tochter des Predigers Hollmann für die Wartung und Pflege der Kranken und Verwundeten tätig, infolge dessen Herr Hensel und Frl. Hollmann durch Ansteckung starben. Den Schwerkranken wurden Wein und kräftigende Speisen zur Verfügung gestellt, wobei sich in besonderem Maße die Frau des Bankiers Fetschow engagierte. Die ärztliche Leitung des Lazaretts hatte der Geh. Obermedizinalrat Welper inne, während Dr. Steinrück und der Stadtchirurg Rath die Kranken unentgeltlich betreuten (Gurlt 1, S. 316). 18)  Verein für das Lazareth in der Kaserne auf der Wiese am Weidendamm, gegr. Sept. 1813. 669

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19)  Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner […] der durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder, gegr. 23. Sept. 1813. 20) Töchterverein im Saal des Börsenhauses, gegr. Anfang Okt. 1813. – „Mehrere Töchter“ Berliner Familien veranstalteten eine Sammlung von Handarbeiten. „Die Arbeiten konnten bei Kaufmann Krauske abgeliefert werden, die Verkaufsausstellung fand Anfang Oktober im ‚oberen Saal des Börsenhauses‘ statt. Der Verkauf lief so gut, daß der Verein viele Soldaten unterstützen konnte und schon Ende Oktober nach dem Sieg bei Leipzig den Verkauf fortsetzte. Durch den Verkauf nahm der Verein 1717 Taler ein“ (Reder 1, S. 89). 21) Der stille Verein, gegr. Okt. 1813, verstärkte Tätigkeit ab Frühjahr 1815; bestand bis Okt. 1815 zum Besten der Kinder der Landwehrmänner. – Der Verein, der sich anfangs nur um die Familien von Landwehrmännern gekümmert hatte, rief mit Beginn des erneuten Krieges gegen Napoleon 1815 zu Spenden „zur Ausrüstung und Unterstützung armer Freiwilliger“ auf. Die Frauen unter der Leitung von Frau v. Troschke erhielten Spenden aus allen Teilen Preußens zur Unterstützung der Verwundeten und armer Landwehrfamilien, von Witwen und Waisen. Propst Hanstein erstattete über die eingegangenen Spenden in den Zeitungen Bericht. 22) Mädchenverein der ungenannten Schwestern zum Besten der Verwundeten und Reconvalescenten (auch: Mädchen-Verein der ungenannten Schwestern zur Unterstützung der im Kampf für die Befreiung des Vaterlandes verwundeten Krieger), gestiftet Nov. 1813 von der Frau des Maklers Gerhard, Frl. Emilie Eckhardt, Frl. Emma Kummer, Frl. Caroline Helling und Frl. Johanna Wilm. – Durch Anfertigung, Sammlung und Verkauf weiblicher Handarbeiten, die im Dezember in ihrem Lokal Unter den Linden 37 am Opernplatz ausgestellt waren, nahmen sie 833 Taler zugunsten der Berliner Lazarette ein. 23) Mädchenverein zur Unterstützung der Verwundeten (auch: Verein von Töchtern unserer Stadt), gestiftet 15. Dez. 1813. – Der von Frl. Fanny Formey (spätere Hofrätin Nernst) gestiftete Verein brachte durch Verkauf weiblicher Handarbeiten zu Weihnachten 1813 1.447 Taler zusammen, wovon 400 Taler in bar sowie „700 Hemden, 328 Paar Socken, 100 Laken“ an die Berliner Lazarette gingen. 40 Friedrichsd’or wurden 1814 an den Intendanten der Armee zur Verpflegung der Verwundeten in Frankreich gesandt (Gurlt 1, S. 322). Die Verkaufsausstellung fand im Haus des Geh. Medizinalrats Johann Ludwig Formey in der Behrenstraße statt. 24) Mädchenverein zum Besten der Vaterlandsverteidiger, gestiftet 1813 von Frl. Auguste v. Pape (spätere Frau v. Puttkamer) und Frl. Leopoldine v. Troschke (spätere Frau v. Hamilton). – Der Verein brachte 700 Taler zusammen, übersandte sie dem König, der sie dem Militär-Gouvernement in Berlin zustellen ließ (Gurlt 1, S. 322). 25) Privatlazarett der Generalin v. Winzingerode (Jan. 1814 – 13.7.1815 / 25.3.1817) siehe  Frauen-Verein für das Lazareth in der Garde-Caserne. 26) Weiblicher Verein für Soldaten-Wittwen und Kinder, gegr. 1. Mai 1814. – Der Verein wollte die Lage der Frauen und Kinder verbessern, deren Männer und Väter „als Opfer des Krieges fielen“. Dazu wollte die Mitglieder Handarbeiten verkaufen (Reder 1, S. 49). 670

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27)  (Berliner) Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren u. Dennewitz, gegr. Aug. 1814. 28) Frauenverein zur Sammlung von Verbandmaterial, gegr. Mai 1815 (Reder, S. 491). 29)  Verein teutscher Mädchen, gegr. Juni 1815. 30)  Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordener Krieger von der Berliner Garnison und deren Wittwen und Waisen (= Vaterländischer Frauenverein für hülfsbedürftige Krieger), gestiftet 8. November 1814; Arbeitsbeginn Sept. 1815. Außer diesen namentlich bekannten Vereinen gab es noch mehrere vereinsartig zusammengeschlossene kleinere Gruppen, die Verwundete und Kranke durch spezielle Hilfsleistungen unterstützten, von deren Wirken jedoch kaum etwas überliefert ist. Die Leistungen, welche auf den verschiedenen Gebieten der freiwilligen Pflege in den Kriegsjahren 1813–1815 in Berlin erbracht wurden, stellte Gurlt in der folgenden Tabelle zusammen: Vereine, Sammlungen u.s.w. in Berlin

Einnahmen der Vereine u.s.w. Thlr.

Zuwendungen an die Lazarethe 1813 –1815 Thlr.

1. Der erste grosse Frauen-Verein

63.984



2. Wohlthätigkeits-Verein zur Aufhilfe verarmter Bewohner

23.950



3. Frauen-Verein für das Privat-Lazareth Friedrichs-Str. No. 101

29.224

27.697

8.127

8.502

4. Frauen-Verein für das Lazareth in der GardeCaserne 5. Männer-Verein für das Lazareth am Schlesischen Thore

59.437

}

60.830

6. Frauen-Verein für dasselbe

1.051

7. Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth am Halleschen Thore

5.353

5.731

8. Verein für das Lazareth am Brandenburger Thore

2.580

2.814

9. Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der 3. Artillerie-Caserne

30.030

31.143

10. Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der v. Larisch’schen Caserne

5.339

5.439

11. Verein für das Privat-Lazareth in d. Brüder-Str.

2.083

2.675

671

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Vereine, Sammlungen u.s.w. in Berlin

Einnahmen der Vereine u.s.w. Thlr.

Zuwendungen an die Lazarethe 1813 –1815 Thlr.

12. Verein für das Lazareth auf der Wiese am Weidendamm

723

723

13. Mädchen-Verein zum Besten der Vaterlandsvertheidiger

700



14. Verein zum Besten der Verwundeten

611



15. Verein der ungenannten Schwestern zum Besten der Verwundeten und Reconvalescenten

833



1.448



70.000



1.719



19. Vaterländ. Verein für die 1813–1815 hilflos gewordenen Berliner Krieger und deren Familien

11.069



Für die Pflege und Heilung verwundeter Krieger in Privathäusern

51.000



Kunst-Ausstellung des Prof. Gubitz zum Besten des Privat-Lazareths sub No. 3

4,803



16. Mädchen-Verein zur Unterstützung der Verwundeten 17. Verein zur Unterstützung verarmter Einwohner zwischen Elbe und Oder 18. Frauen-Verein zur Unterstützung der Invaliden von Gr.-Beeren und Dennewitz

Von anderen Vereinen u. Sammlungen f. d. Lazarethe



11.089

Von der Kurmärk. Prov.-Verpflegungs-, Prov.Lazareth-Casse u. aus d. Lazareth-Mag. f. d. Lazarethe

111.883

61.974

Für die Militair-Lazarethe zwischen Elbe und Oder

13.534

69.497



3.348

An die Lazarethe jenseits des Rheins Summa:

499.481

291.462 (Gurlt 1, S. 336).

Für die Unterstützung bedürftiger Familien der Berliner Landwehr, so lange diese im Felde stand, gelangten an freiwilligen Gaben 30.164 Taler zur Verteilung (Gurlt 1, S. 337).

672

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Bibliographie: a) Quellen: BLHA Potsdam, Rep. 30 A Berlin, Nr. 244: Acta des Königl. Polizei-Praesidii zu Berlin die von den hiesigen Einwohnern errichtete Privat-Lazarethe betreffend, 1813. – HStA Darmstadt, D22, Nr. 33/6 und 33/7 (Tagebücher von Prinzessin Marianne v. Preußen Sept. 1810-Juni 1816). – Baur, Wilhelm: Prinzeß Wilhelm von Preußen, geborne Prinzeß Marianne von Hessen-Homburg. Ein Lebensbild aus den Tagebüchern und Briefen der Prinzeß. Hamburg 1886. – Berliner Intelligenz-Blatt [1813– 1815]. – Chézy, Helmina von: Ueber Teutschlands Zukunft hinsichtlich auf Geist und Sinn der Frauenvereine. Neue Auserlesene Schriften der Enkelin der Karschin. Hg. auf Unterzeichnung zur Unterstützung verwundeter Vaterlandsvertheidiger. Abth. 1, Heidelberg 1817, S. 1–18. – [Gurlt 1] = Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873 [darin auch S. 225–227: Festsetzung des Wirkungskreises für die Mitglieder der den einzelnen Militair-Lazarethen zur Seite stehenden Wohlthätigkeits-Vereine [vom 14. Sept. 1813]]. – [Gurlt 2] = Gurlt, Ernst Julius: Die freiwilligen Leistungen der Preußischen Nation in den Kriegsjahren 1813–1815. „National-Denkmal“ oder summarische Darstellung der patriotischen Handlungen und Opfer der Preußischen Nation während der Jahre 1813, 1814, 1815, bearbeitet auf Befehl König Friedrich Wilhelms III. von der Königl. General-Ordens-Commission. Berlin 1872. – Lisco, Friedrich Gustav: Das wohlthätige Berlin: geschichtlich-statistische Nachrichten. Berlin 1846. – Nützliches und unterhaltendes Berlinisches Wochenblatt für den gebildeten Bürger und denkenden Landmann. Hg. v. Friedrich Wadzeck, Berlin [Beilagen zu Nr. 225, vom 24. April 1813 bis Beilage zu Nr. 283 vom 4. Juli 1814; Nr. 362 vom 9. Dez. 1815 bis Nr. 547, Ende 1819] [Publikation der Spenden-Beiträge]. – Der Preussische Correspondent. Berlin [1813–1814]. – b) Forschungsliteratur: Baader, Maria B.:

Die Entstehung jüdischer Frauenvereine in Deutschland. In: Huber-Sperl, Rita (Hg.): Organisiert und engagiert. Vereinskultur bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert in Westeuropa und den USA. Königsstein 2002, S. 99–116. – Dann, Otto: Die Anfänge der politischen Vereinsbildung in Deutschland. In: Engelhardt, Ulrich / Sellin, Volker / Stuke, Horst: Soziale Bewegung. Stuttgart 1976, 197–232. – Frevert, Ute: Frauen-GeS.  schichte. Zwischen Bürgerlicher Verbesserung und Neuer Weiblichkeit. Frankfurt a. M. 1986, S. 69–71. – Frevert, Ute: Nation, Krieg und Geschlecht im 19. Jahrhundert. In: Hettling, Manfred (Hg.): Nation und Gesellschaft in Deutschland: historische Essays. München 1996, S. 151–170. – Hagemann, Karen: Heldenmütter, Krieger​bräute und Amazonen. Entwürfe „patrio​tischer“ Weiblichkeit zur Zeit der Freiheits​kriege. In: Frevert, Ute (Hg.): Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 1997, S. 174–200 (Industrielle Welt, Bd. 58). – Hagemann, Karen: „Deutsche Heldinnen“: Patriotisch-nationales Frauenhandeln in der Zeit der antinapoleonischen Kriege. In: Planert, Ute (Hg.): Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne. Frankfurt a. M., New York 2000, S. 86–112. – Hagemann, Karen: „Mannlicher Muth und Teutsche Ehre“. Nation, Militär und Geschlecht zur Zeit der Antinapoleonischen Kriege Preußens. Paderborn, München, Wien, Zürich 2002 (Krieg in der Geschichte, Bd. 8). – Huber-Sperl, Rita: Bürgerliche Frauenvereine in Deutschland im „langen“ 19. Jahrhundert – eine Überblicksskizze (1780–1910). In: Dies. (Hg.): Organisiert und engagiert. Vereinskultur bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert in Westeuropa und den USA. Kö41–74. – Hundt, Irina: nigsstein 2002, S.  „Wäre ich besonnen, wäre ich nicht Helmina.“ Helmina von Chézy (1783–1856) – Por­trät einer Dichterin und Publizistin. In: Brandes, Helga / Kopp, Detlev (Redaktion): Autorinnen des Vormärz (Forum Vormärz For673

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schung). Jb. 1996, Biele­feld 1997, bes. S. 67 f. – Meyer-Renschhausen, Elisabeth: Weibliche Kultur und soziale Arbeit: eine Geschichte der Frauenbewegung am Beispiel Bremens 1810–1927. Köln, Wien 1989 [als Vergleichsbeispiel]. – Myrrhe, Ramona: Patriotische Jungfrauen, treue Preußinnen, keifende Weiber. Frauen und Öffentlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Sachsen-Anhalt. Freiburg 2006. – [Reder 1] = Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4). – [Reder 2] = Reder, Dirk

Alexander: „Natur und Sitte verbieten uns, die Waffen der Zerstörung zu führen …“. Patriotische Frauen zwischen Frieden und Krieg. In: Dülffer, Jost (Hg.): Kriegsbereitschaft und Friedensordnung in Deutschland. 1800–1814. Hamburg 1995, S.  170–182. – [Reder 3] = Reder, Dirk Alexander: „… aus reiner Liebe für Gott, für den König und das Vaterland“. Die „patriotischen Frauenvereine“ in den Freiheitskriegen von 1813–1815. In: Hagemann, Karen / Pröve, Ralf (Hg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel. Frankfurt a. M., New York 1998, S. 199–222.

Uta Motschmann

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Erster Frauenverein zum Wohlstand des Vaterlandes [FrauV1]

Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes [FrauV1] Name: Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes unter der obern Leitung Ihro Königlichen Hoheit der Frau Marianne Prinzessin Wilhelm von Preußen; auch nur: Erster Frauenverein; Frauen-Verein zum Wohl des Vaterlandes; Großer Frauenverein. Gründung: 23. März 1813. Auflösung: Oktober 1819. Programmzitat: „Das Vaterland ist in Gefahr! […] Darum gründe sich ein Verein, er erhalte den Namen der Frauen-Verein, zum Wohl des Vaterlandes. – Gern stellen Wir Uns, die Wir dem Vaterlande angehören, an die Spitze dieses Vereins. Wir hegen das feste Vertrauen, es wollen die edelmüthigen Frauen und Töchter jedes Standes mit Uns dazu beitragen, daß Hülfe geleistet werde, den Männern und Jünglingen, die für das Vaterland kämpfen, damit es wieder in die Reihe der glücklichen Staaten stehe, in welchen der Friede seine Seegnungen ausströmen könne“ (Gründungsaufruf, 6. März 1813). Geschichte und Programmatik: Es war Prinzessin Marianne von Preußen, die Schwägerin des Königs, die zusammen mit anderen, teils noch minderjährigen Prinzessinnen des Hauses Hohenzollern, im März 1813 zur Bildung von Frauenvereinen „zum Wohle des Vaterlandes“ aufrief und damit eine Welle patriotischer Vereinsgründungen in ganz Preußen auslöste. Der Aufruf erfolgte in den dramatischen Tagen, in denen in und um Berlin gekämpft und das weitere Schicksal der Hauptstadt und der preußischen Monarchie entschieden wurde. Der König und alle führenden Männer waren der Sicherheit halber nach Breslau ausgewichen. Der im Berliner Schloss verbliebenen Prinzessin Marianne fiel es zu, als Vertreterin der Königsfamilie zu fungieren; „sie allein repräsentierte Preußen in seiner Hauptstadt“ (Häker, S. 14). Nach-

dem im Februar 1813 die Franzosen aus der Stadt abgezogen waren, rückten nach heftigen Kämpfen am 4. März die ersten Russen in Berlin ein, ihnen folgte Prinz Wilhelm mit General Blücher. Am 17. März war die Stadt befreit. Doch als sich im Mai die verbündeten Preußen und Russen nach Schlesien zurückzogen, war Berlin erneut von den Franzosen bedroht. Marianne musste sich auf Befehl des Königs nach Frankfurt an der Oder zurückziehen und kehrte erst Mitte Juni nach Berlin zurück. Obgleich die Gründung des Frauenvereins zum Wohle des Vaterlandes immer wieder Prinzessin Marianne zugeschrieben wird, stammte der Plan offenbar von dem konvertierten jüdischen Kaufmann Louis Epenstein, der bereits hinter dem Verein zum Besten der Landwehr gestanden hatte; Prinzessin Marianne wurde „nach eigenen Worten lediglich ‚hineingezogen‘“ (Reder, S. 54). Auch der Aufruf vom 23. März, der durch die Unterschriften der Prinzessinnen des königlichen Hauses eine fürstliche Legitimation erhielt, ist vermutlich von ihm verfasst. Darin werden die „Frauen und Töchter jedes Standes“ aufgefordert, die für das Vaterland kämpfenden Kriegsfreiwilligen zu unterstützen und besonders zu deren Ausrüstung beizutragen. Jede Spende, von Bargeld bis zu „jeder entbehrlichen werthvollen Kleinigkeit“, war willkommen. Als besonderes persönliches Opfer wurde Schmuck, speziell der Ehering, angesehen. Aus dem Erlös der Spenden sollten die „Verteidiger des Vaterlandes“ bewaffnet, bekleidet, ausgerüstet und schließlich auch die Verwundeten gepflegt sowie Witwen und Waisen unterstützt werden. Jede Spenderin durfte sich „Theilgenossin“ des Vereins nennen. Es spendeten nicht nur Frauen und Mädchen aller sozialen Stände, sondern auch bürgerliche und adlige Männer sowie Vereine, allen voran die sich nach dem Berliner Vorbild in anderen preußischen Städten gründenden 675

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Frauen- und Mädchen-Vereine. Es war in der wältigt wurde, identifizierte sich zunehmend preußischen Geschichte völlig neu, dass sich mit den Zielen des Vereins, trat öffentlich in Prinzessinnen „unter das Volk mischten“ und Erscheinung und wurde selbst tätig. In ihren „mit gewöhnlichen Bürgersfrauen gemein- Händen befand sich die Kasse des Vereins. schaftlich einen Verein“ bildeten (Reder, Ein vom 3. August 1814 datierter und von S. 55; Streckfuß, S. 693). „Der Frauenverein ihr eigenhändig geschriebener Abschied vom zumWohl des Vaterlandes erreichte seine gro- Frauenverein lässt darauf schließen, dass die ße Bedeutung als führender Verein des Staa- Prinzessin bereits nach Beendigung des Feldtes v.a. dadurch, daß er für viele andere Frau- zuges von 1814 die Leitung des Vereins nieenvereine zum legitimierenden Vorbild wur- dergelegt hat. Mit dem erneuten Kriegsausde“ (Reder, S. 55). bruch im Frühjahr 1815 wurde der Erste Ein erstes ausführliches Verzeichnis der aus al- Frauenverein erneut aktiv und setzte seine Arlen Teilen des Landes eingegangenen patri- beit bis zum Rechnungsschluss im Herbst otischen Beiträge, Opfer Preussischer Frauen 1819 fort. 9.000 Taler wurden an den  und Töchter auf dem Altare des Vaterlandes, Vaterländischen Verein zur Verpflegung der in erschien am 24. April 1813 als doppelte Ex- den Jahren 1813, 1814 und 1815 verwundeten tra-Beilage zu der von Friedrich Wadzeck Berliner Krieger weitergeleitet, „der in vielerherausgegebenen Zeitschrift Nützliches und lei Hinsicht das Erbe des Frauenvereins antrat“ unterhaltendes Berlinisches Wochenblatt für den (Reder, S. 57).

gebildeten Bürger und denkenden Landmann und wurde, mit Unterbrechungen, bis 1819 wöchentlich fortgesetzt. Im Jahr 1813 betrugen die Einnahmen 21.239 Taler, im Jahr 1814 4.099 Taler bares Geld. Hinzu kamen Medaillen, Schmuckstücke, Wertgegenstände in Gold und Silber, die verkauft, versteigert oder eingeschmolzen wurden. Im Jahr 1813 wurden allein 1083 goldene Trauringe abgegeben. Als Gegenleistung verschenkte Marianne v. Preußen persönlich eiserne Ringe, was in der sprichwörtlichen Formel „Gold gab ich für Eisen“ seinen Ausdruck fand. Werden noch die Tischgerätschaften, die große Menge an Wäsche, Militär-Ausrüstungsgegenstände, Lazaretteffekten, Stickereien, Wolle und Baumwollgarne, Literatur und Kunst, Musikinstrumente und dergleichen hinzugerechnet, ergibt dies im Jahr 1813 einen Erlös von etwa 90.000 Taler, von denen im gleichen Jahr etwa 62.000 Taler zur Beschaffung von militärischen Ausrüstungen und Pferden, zur Ausstattung von Lazaretten oder zur Unterstützung notleidender Krieger ausgegeben wurden. Prinzessin Marianne, die von der Spendenbereitschaft der Berliner Bevölkerung über676

Struktur und Organisation: Unter dem Patronat der Prinzessin Marianne führte eine Direktion, der der Kammerherr Graf v. Maltzahn und der Kaufmann Epenstein unter Vorsitz des königlich-preußischen Hofmarschalls Wilhelm Ludwig Graf von der Groeben angehörten, die Geschäfte des Vereins, der diesen Namen allerdings kaum verdiente: Es gab keine Statuten, keine Ämterverteilung und keine Mitgliederversammlungen. Die freiwilligen Spenden konnten per Post unentgeltlich an die Adresse der Prinzessin Marianne gesandt oder in einem Lokal abgegeben werden. Die Spender erhielten eine Quittung. Eine Kommission beaufsichtigte die Spenden und machte sie regelmäßig in den Zeitungen bekannt. Die Abgabe von Trauringen wurde dabei zu einem unvorhergesehenen symbolträchtigen Ritual, dem Marianne v. Preußen nur unwillig nachkam. An ihren Mann Prinz Wilhelm v. Preußen schrieb sie am 22. April 1813: „Die Traurings-Geschichte in dem Aufruf ist mir leid genug. Wenn ich gewußt hätte damals, daß diese Sache meine eigene werden würde, ich hätte es gleich ausstreichen las-

Erster Frauenverein zum Wohlstand des Vaterlandes [FrauV1]

Abb. 129  Einband des Großfolio-Bandes, den der Erste Frauenverein Marianne von Preußen 1819 zum Geschenk machte; in der Mitte das Bildnis der Prinzessin. 677

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sen. Ich hielt es damals nur für eine Formalität. Viele fordern eiserne Ringe dagegen. Ich lasse welche machen und gebe sie, aber für andere Dinge, wenn man sie von mir fordert, damit man sich nicht einbilde, ich sanktioniere eine solche Sache, die mir so entgegen ist. Freilich muß ich sie auch, wenn sie sie fordern gegen Trauringe geben, aber ich setze dann hinzu, wie ungern ich das täte. Auf die eisernen Ringe sind sie gefallen, mir sie abzufordern, weil ein Werkmeister hier proklamiert hat, er ließe welche machen und würde sie austauschen gegen Trauringe. [Gemeint ist die Aufforderung durch Rudolf Werckmeister, Unternehmer des Museums, Ehe- und Verlobungsringe in Eisenringe mit der Gravur „Gold gab ich für Eisen“ einzutauschen (Vossische Zeitung 40 v. 3.4.1813, Beilage). Er bezieht sich dabei auf einen Passus im Aufruf der Prinzessinnen, auch „Trauringe“ als Opfer darzubringen: „Nicht bloss baares Geld wird dieser Verein, als Opfer dargebracht, annehmen, sondern jede entbehrliche werthvolle Kleinigkeit – das Symbol der Treue, der Trauring, die glänzende Verzierung des Ohres, den kostbaren Schmuck des Halses.“] Und die Leute haben die rage, sie hinzugeben. Auf den Ringen steht ‚Gold gab ich für Eisen‘ und sie sind sehr garstig. Meine werden breit. Inwendig kommt ‚1813‘ und auswendig die Inschrift: ‚Umgetauscht zu des Vaterlandes Wohl.‘“ (Schuster, S. 390). Der Brief unterstreicht zugleich, dass Prinzessin Marianne bei dem Aufruf nicht federführend war, sondern „diese Sache“ erst später zu ihrer eigenen machte. Mitglieder: a) Die Protektorinnen: Die damals 28-jährige Marianne v. Preußen, geborene Prinzessin von Hessen-Homburg, war nach dem Tod von Königin Luise als Ehefrau des Bruders von König Friedrich Wilhelm  III. erste Repräsentantin des königlichen Hauses. Sie genoss in der Bevölkerung und in der adligen Reformerpartei hohes Ansehen, da sie als Anhängerin der „Kriegspartei“ den Kampf gegen Napoleon zu be678

fördern gesucht hatte. Sie wurde eine Art Ersatz-Luise (Reder, S. 44). Mit kritischem Blick verfolgte sie die Kriegsereignisse und tadelte die zögerliche Haltung Preußens. Über den Waffenstillstand des Königs notierte sie am 14. Juli 1813 in ihr Tagebuch: „Diesen Abend ist der König in Charlottenburg wieder angekommen und […] will […] einen Einzug dort halten wie im April. Er sollte sich lieber verkriechen. Mit welcher Stirn kann er sich zeigen vor denen hier, die Kinder, Verwandte, Geld und Gut, ihm aufgeopfert haben für nichts. […] Ich bin gewiß für die erste Tugend des Volkes, gehorsame Liebe gegen ihren König, aber jetzt ist es zu arg. Weder Franz noch unser König sind es werth Teutschland zu regieren. Das Volk sollte ihre Septer zerbrechen und selbst Napo­leon herab stürzen von seinem Throne“ (HStA Darmstadt, D22, Nr. 33/7, Bl. 30). Marianne galt als tapfere Frau, die sich durch persönliches Leid (drei ihrer Kinder waren gestorben: zwei Mädchen auf der Flucht ins Exil 1806; ein Zwillingssohn im Januar 1813; ihr Bruder Leo­ pold fällt am 2. Mai 1813 in der Schlacht bei Großgörschen) nicht abhalten ließ, für „das Wohl des Vaterlandes“ einzutreten. Sie bekam am 19. August 1814 vom König die Großmeisterinnenwürde des von ihm gegründeten Luisenordens verliehen. – Die zum Teil noch unmündigen Prinzessinnen haben den Aufruf symbolisch unterschrieben, wodurch die Verbundenheit des gesamten Königshauses mit der leidgeprüften Bevölkerung zum Ausdruck gebracht werden sollte: Charlotte Prinzessin v. Preußen (älteste Tochter Friedrich Wilhelms III., spätere Kaiserin von Russland, zu dieser Zeit 15 Jahre alt); Wilhelmine Prinzessin v. Oranien (geb. 1774, Schwester des Königs, ab 1815 Königin der Niederlande); Alexandrine Friederike Wilhelmine Marie Helene Prinzessin v. Preußen (Tochter des Königs, spätere Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, 10 Jahre alt); Auguste Kurprinzessin v. Hessen-Kassel (Schwester des Königs, 33 Jahre alt); Luise Auguste Wilhel-

Erster Frauenverein zum Wohlstand des Vaterlandes [FrauV1]

mine Amalie Prinzessin v. Preußen (Tochter deren Wittwen und Waisen und fungierte als des Königs, spätere Prinzessin Friedrich der Schutzpatronin des  Mädchenvereins (1815). Niederlande, 5 Jahre alt); Wilhelmine verwit- – Henriette Fetschow war Mitbegründerin eiwete Prinzessin v. Oranien, geb. Prinzessin v. nes Frauenvereins auf ihrem Sommersitz in Preußen (Schwester Friedrich Wilhelms II., Schönhausen, der als „Ortsverein“ den Ers62 Jahre); Friederike Wilhelmine Luise Ama- ten Frauenverein unterstützte. – Louis Epenlie Prinzessin v. Preußen (Tochter des 1796 stein fungierte als Bankier der jüdischen  gest. Prinzen Ludwig von Preußen, Bruders Gesellschaft der Freunde. des Königs, spätere Herzogin von AnhaltDessau, 16 Jahre alt); Friederika Louise Wil- Bibliographie: 1) Archivquellen: Der Großhelmina, verwitwete Erbprinzessin zu Braun- folio-Band aus dem Nachlass der Prinzessin schweig-Wolfenbüttel, geb. Prinzessin Ora- Marianne v. Preußen, ein Ehrengeschenk des nien (Tochter Wilhelms V. von Oranien, 43 Frauenvereins bei dessen Rechnungsabschluss Jahre); Luise Prinzessin Ferdinand v. Preußen 1819, der u. a. eine beglaubigte Abschrift des (geb. Markgräfin von Brandenburg-Schwedt, Gründungsaufrufs enthielt, kam als Geschenk Frau des Prinzen Ferdinand v. Preußen, Mut- des Großherzogs von Hessen an den Kaiser ter der Luise von Radziwill, 75 Jahre); Ca- zu dessen Regierungsjubiläum am 15. Juni roline Prinzessin v. Hessen-Kassel (Tochter 1913 in das Museum auf der Burg Hohenvon Auguste Kurprinzessin v. Hessen-Kassel, zollern, wurde 1943 in das Berliner Stadtblieb unverheiratet, 13 Jahre); Luise Fürstin schloss ausgelagert und gilt seither als verRadziwill, geb. Prinzessin v. Preußen (Toch- schollen. Seidel beschreibt das 42 cm hohe ter des Prinzen Ferdinand v. Preußen, ver- und 28 cm breite, in grünen Samt gebundene heiratet mit Fürst Anton Radziwill, 43 Jah- Buch wie folgt: „Die Vorderseite schmückt re); Marie Prinzessin v. Hessen-Kassel (Toch- das Bildnis der Prinzessin Marianne aus Eiter der Kurprinzessin Auguste v. Hessen-Kas- senguß nach Posch, umrahmt von einem von sel, heiratet 1825 Bernhard II., Herzog von der Krone überhöhten vergoldeten EichenSachsen-Meiningen, 8 Jahre). kranz. Auf der Kartusche darunter steht der b) Von den ca. 100 Mitgliedern sind na- Name der Prinzessin. Die gleichfalls aus vermentlich bekannt: Louis Epenstein (Ep- goldetem Silber bestehende Randeinfassung penstein) (jüd. „Hofagent“); Henriette So- des Deckels zeigt abwechselnd mit Kronen phia Fetschow (Tochter von Martin Fried- und sich vereinigenden Händen 14 in Eirich Maue, Direktor der Splitgerberschen chenlaub gefaßte Perlmutterschilde. Die beiZuckersiedereien in Berlin. Sie erhielt 1816 den oberen enthalten die Inschrift: ‚Der Ersden Luisenorden wegen besonderer Aktivität te Frauen Verein zum Wohl des Vaterlandes‘, im Frauenverein); Wilhelm Ludwig Graf von ergänzt durch ‚den 13ten Oktober 1819.‘ Die der Groeben; Kammerherr Graf v. Maltzahn. beiden oberen Perlmutterschilde enthalten die Inschrift: ‚Erhab’ner Prinzessinnen Erstes Querverweise auf andere Vereine: Insgesamt Band, / Vereinte schnell Reich’, Arm’, Groß, entstehen 1813 bis 1815 nach dem Vorbild des Klein’, Jung’, Alt’. / Die opferten in jeglicher Ersten Frauenvereins mehr als 400 patriotische Gestalt, / Mit Gott, für König und für’s VaFrauenvereine in Preußen; überall wird für die terland.‘ / Das Wort ‚Vaterland‘ ist die UnterVerteidiger des Vaterlandes gesammelt. – Prin- schrift des zwischen den Schilden angebrachzessin Marianne v. Preußen stand auch an der ten preußischen Adlers, der im Gegensatz zu Spitze des  Vaterländischen Frauen-Vereins dem Adler der Vorderseite den Hohenzolzur Verpflegung der in den Feldzügen von 1813 lernschild auf der Brust hat. Die 15 an den bis 1815 hülflos gewordenen Berliner Krieger, Seiten und unten angebrachten, in Epheu679

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laub gerahmten Perlmutterschilde geben die Namen der preußischen Provinzen“ (Seidel, S. 238). Das Buch enthielt weiterhin einen von Prinzessin Marianne am 3. August 1814 eigenhändig geschriebenen „Abschied vom Frauenverein“, ein Register sämtlicher Einnahmen von 1813 bis 1819 sowie ein alphabetisches Register der Personen und Vereine, die Beiträge spendeten. – HStA Darmstadt, D22, Nr. 33/6 und 33/7 (Tagebücher von Prinzessin Marianne v. Preußen Sept. 1810 – Juni 1816). – 2) Gedruckte Quellen: Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873. – Nützliches und unterhaltendes Berlinisches Wochenblatt für den gebildeten Bürger und denkenden Landmann. Hg. v. Friedrich Wadzeck, Jg. 1813–1819. – Streckfuß, Adolf: 500 Jahre Berliner Geschichte. Vom Fischerdorf zur Weltstadt. 2. Band, Berlin 1886. – 3) Literatur: Baur, Wilhelm: Prinzeß Wilhelm von Preußen, geborne Prinzeß Marianne von Hessen-Homburg. Ein Lebensbild aus den Tagebüchern und Briefen der Prinzeß. Hamburg 1886. – Häker, Horst: Ta-

gebuch der Prinzessin Marianne von Preussen geb. von Hessen-Homburg 1. Januar – 21. Juli 1822. Hg. u. in e. Vorwort erl. von Horst Häker. Heilbronn: Kleist-Archiv Sembdner, 2006 (Heilbronner Kleist-Editionen. Hg. v. Günther Emig, Bd. 1). – Langfeld, Gisela: Henriette Fetschow. In: Spurensuche. Frauen in Pankow, Prenzlauer Berg, Weißensee. Porträts. Pankow 2002, S.  17– 23. – Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4), besond. S. 44, 52– 57. – Schuster, Georg: Aus dem Briefwechsel der Prinzessin Marianne von Preußen. In: Erforschtes und Erlebtes aus dem alten Berlin. Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Vereins für die Geschichte Berlins. Berlin 1917, S. 377–393. – Seidel, Paul: Eine Erinnerung an den ersten Frauen-Verein 1813. In: Hohenzollern-Jb. Forschungen und Abbildungen zur Geschichte der Hohenzollern in Brandenburg-Preußen. Hg. v. Paul Seidel. Berlin, Leipzig, 18. Jg. 1914, S. 237–240. Uta Motschmann

Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstr. No. 101 [LazV1] Name: Frauen-Verein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstrasse No. 101; Damen-Lazareth; Verein zur Pflege und Heilung erkrankter und verwundeter Vaterlandsvertheidiger (dieser Name im Abschlussbericht von 1815). Gründung: März 1813. Bestand: Bis 18. April 1815. Sitz: Privathaus mit Garten in der Friedrichstraße 101. Geschichte und Programmatik: Der Frauenverein für das Damenlazarett in der Friedrichstraße war „nicht nur der erste Lazarettverein, sondern auch der einzige, der ein größeres eigenes Lazarett gründete“ (Reder, 680

S. 76). „Während zur Ausrüstung und Bewaffnung der Soldaten große Anstrengungen unternommen wurden, kümmerte sich im Frühjahr 1813 zunächst niemand um die Lazarette. […] Für die Einrichtung der Lazarette waren das Gouvernement und die Stadt Berlin zuständig, denen aber die nötigen Mittel fehlten und die daher auf Spenden angewiesen waren. Als nach den ersten Schlachten Berlin mit Verwundeten und Kranken aller Nationen überschwemmt wurde, ‚fehlte es an Betten, an Lazarethgeräthschaften, es fehlte an Lebensmitteln, es fehlte an Pflege‘“ (Reder, S. 68). Bereits Ende März 1813 waren „einige Frauen und Männer um Rahel Levin

Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstr. No. 101 [LazV1]

und Leopold Graf v. Egloffstein auf die Idee gekommen, nicht nur die vorhandenen Lazarette zu unterstützen, sondern ein eigenes Lazarett zu gründen“, an dessen Planung offenbar von Anfang an auch Dr. Reil beteiligt war (Reder, S. 70). „Rahel Levin berichtete, daß ‚einige Herren der Stadt bei mir zuerst ersonnen‘ hätten, ‚daß Frauen hier ein Lazareth stiften sollten.‘ Die Beteiligten wählten ‚dreißig Vorsteherinnen aus allen Ständen und Religionen‘ und wollten ‚die Prinzessinnen um ihr Präsidium bitten.‘ Rahel entwarf den Aufruf, den diese 30 Frauen in die Zeitungen setzen lassen wollten“ (Reder, S. 70). Da die Einrichtung des Projekts jedoch stark verändert wurde, schied Rahel Levin offenbar bald aus. Nachdem der König das Projekt genehmigt hatte, übernahm Prinzessin Marianne, anfangs nur widerwillig, die Rolle der Obervorsteherin. Frau v. Podewils ergriff die Initiative und begann mit der Sammlung von Unterschriften zu Spenden und freiwilligen Dienstleistungen und konnte zahlreiche Frauen für das Unternehmen gewinnen. Der Verein sollte „dem Hauptübel aller Lazarethe, dem Mangel an treuer Pflege und guter Nahrung durch freiwillige Dienstleistung“ abhelfen (Gurlt, S. 304). Das unter ärztlicher Leitung und unter täglicher Aufsicht ehrenamtlich arbeitender, zuverlässiger Frauen stehende „Damen-Lazareth“ sollte als Muster derartiger Einrichtungen dienen. Prinzessin Marianne, zunehmend beeindruckt vom Engagement der Frauen, übernahm nicht nur die Oberaufsicht und besuchte wiederholt das Lazarett, sondern spendete auch 14 Monate lang monatlich 100 Taler. Die Einrichtung des Lazaretts wurde dem Prof. der Medizin Johann Christian Reil übertragen und dafür ein mit einem Garten und einem Gartenhaus versehenes Privathaus in der Friedrichstraße 101 gemietet und mit 70 Betten belegt, deren Zahl bald in einem angrenzenden Haus bis auf 100 vermehrt wurde. Am 19. April 1813 trafen die ersten 41 Verwundeten ein (Reder, S. 73). Neben Betten, Wäsche,

Heizung, Beleuchtung, Arzneien und Prothesen wurde für eine gute Verpflegung der Kranken und Verwundeten gesorgt, die täglich Kaffee, Bier, Fleischbrühe, Wein, Fleisch, Gemüse und feines Brot erhielten. Zur Feier des Geburtstags des Königs am 3. August 1813 wurden durch den Frauenverein kranke und verwundete Soldaten in diesem und anderen Lazaretten festlich bewirtet, wofür u. a. die Bäcker 1.100 Semmelbrote und zwei Brauherren drei Tonnen Weissbier und eine Tonne Fredersdorfer Bier spendeten und von anderen Wohltätern 300 Pfund Rauchtabak eingingen. Prof. Gubitz veranstaltete zum Besten des Privat-Lazaretts eine Kunstausstellung, die 4.800 Taler einbrachte. Die Ärzte arbeiteten unentgeltlich. Innere Krankheiten wurden von Dr. Meyer behandelt, die Verwundeten von Generalchirurgus Mursinna und Dr. Bruckert versorgt; weiterhin wohnte ein Assistenzarzt im Haus. Dr. Reil starb am 22. Nov. 1813 in Halle an der „Lazarettseuche“. Das Lazarett blieb zwei Jahre in Betrieb. In dieser Zeit wurden ca. 31.000 Taler Spenden eingenommen, die u. a. für 238.485 gereichte Mahlzeiten (21.756 Taler), für „Arzneien und künstliche Glieder“ (1.730 Taler), zur Unterstützung und Versorgung invalider Soldaten (2.636 Taler), für die Lokalmiete (600 Taler) und für Krankenbekleidung, Beerdigungskosten und dergleichen (3.227 Taler) ausgegeben wurden. „In den ersten 19 Monaten des Lazaretts wurden 865 Verwundete versorgt, von denen 64 starben“ (Reder, S. 73). Darüber hinaus unterstützte der Verein auch andere Frauenvereine, so den  Frauenverein,

der das Lazarett in der Garde-Kaserne betrieb, den  Weiblichen Wohlthätigkeitsverein der Frau v. Boguslawski sowie ein Bataillon der Preußischen Landwehr. Nach Auflösung des Lazaretts verbliebene Restgelder wurden für Kuren im Charité-Krankenhaus oder zur Versorgung von Invaliden verwendet. Struktur und Organisation: Der Zivilgouverneur Johann August Sack übernahm 681

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die „allgemeine Leitung“ des Vereins (Re- bek; Mlle. Reinbeck; Frl. v. Renzert(?); Köder, S. 72). Eine Dame führte die Oberauf- nigl. Kammerfrau Dlle. Rhode; Mlle. Rosensicht über das Haus. „Daneben wurden täg- stiel; Frau v. Schewe; Frau v. Troschke. – Taglich zwei Damen für die Hauswirtschaft und habende Frauen: Frau v. Oppell; Frau v. Sarzwei Pflegerinnen gebraucht. Außerdem ar- torius; Frau v. Seydelitz; Frau Geheimrätin beiteten eine Köchin, fünf Wäscherinnen, ein Stosch; Frl. v. Zeuner. – Erwähnt sind weiterHausknecht und zwei Ärzte im Haus. Es ist hin: Frau Schindler (Köchin) und die männanzunehmen, daß die Pflegerinnen ebenfalls lichen Unterstützer: Gottfried Friedrich Leo­ Vereinsmitglieder waren, denn die Verwun- pold Graf v. Egloffstein und J. A. Mendelssohn. deten wurden von unbezahlten, zuverlässigen – Ärzte: Dr. Reil (ärztlicher Leiter des LazaFrauen beaufsichtigt“ (Reder, S. 72). retts); Dr. Meyer; General-Chirurgus Mursinna; Dr. Bruckert. Mitglieder: Die Namen der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind nicht Bibliographie: a) Quellen: HStA Darmstadt, überliefert; namentlich bekannt sind die lei- Best. D22, Nr. 26/1, Bl. 448 (Mitgliederliste), tenden und beaufsichtigenden Frauen und Bl. 498ff. (Statuten); Nr.  33/7 (Briefwechdie behandelnden Ärzte. Insgesamt hatte sel Marianne v. Preußen). – Berliner Intellider Verein 18 Vorsteherinnen und fünf „tag- genz-Blatt, 1815, No. 103, S. 1650. – Berlihabende Frauen“; zur Pflege der Verwunde- nisches Wochenblatt, hg. von Wadzeck, 1813, ten wurden zusätzlich „Untergebene“, wohl S. 2066. – Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte Frauen aus „unterbürgerlichen Schichten“ der internationalen und freiwilligen Kranken(Reder, S. 72), hinzugezogen. pflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 303–305. – Obervorsteherin: Prinzessin Marianne v. Haude- und Spenersche Zeitung, Nr. 51, 29. Preußen. – Leitung: Frau v. Podewils, geb. v. April 1815. – Der Preussische Correspond. Reck, und Generalin v. Sobbe, geb. v. Sob- dent. 1813, No. 122 vom 30. Okt. 1813. – be. – Vorsteherinnen: Madame Beer (wahr- Vossische Zeitung, 121. Stück, 9. Okt. 1813. scheinlich Amalie Herz-Beer, geb. Liebmann); – b) Darstellungen: Reder, Dirk AlexanMad. Cosmar; Frl. Johanna v. Drewitz; Frl. v. der: Frauenbewegung und Nation. PatriotiHanstein; Frau Kriegsrätin Kunowsky; Mad. sche Frauenvereine in Deutschland im frühen Magnus (wahrscheinlich Luise Marianne 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, beMag­nus); Mad. Mendelssohn; Frau v. Raven; sond. S. 68–76 (Kölner Beiträge zur NationsMad. Reimer; Frau Geh. Finanzrätin Rein- forschung, Bd. 4). Uta Motschmann / Dirk Alexander Reder

Mädchenverein vom 20. April 1813 [MädV1] Name: Mädchenverein vom 20. April 1813; ab Juli 1815: Der Mädchenverein; Mädchenverein zu Berlin; Deutscher Mädchen-Verein. Gründung: 20. April 1813; Neugründung als Mädchenverein am 8. Juli 1815. Bestand: Bis Mai 1816 (?). Sitz: Spenden konnten anfangs Unter den Linden No. 35, ab Oktober 1813 in der Letz682

ten Straße 31 und der Taubenstraße 29 abgegeben werden. Auswärtige Sendungen waren „An den Mädchenverein zu Berlin, neue Friedrichsstraße No. 9 eine Treppe hoch“ zu adressieren. Tätigkeiten und Struktur: Es handelt sich um den ersten Berliner Mädchenverein, der

Mädchenverein vom 20. April 1813 [MädV1]

aus patriotischen Beweggründen Geld für Lazarette zusammenzubringen suchte. „Seine Stifterinnen und späteren Vorsteherinnen waren die jungen Frauen Auguste […] und Clara v. Pape sowie Leopoldine v. Troschke“ (Reder, S. 83), zu denen sich eine „kleine Schaar edler Töchter Berlins“ sowie „auswärtige Freundinnen“ gesellten. Verheiratete Frauen durften sich dem Verein nicht anschließen. Der Verein sammelte ab April 1813 Spenden vor allem in Form von Handarbeiten, die „im obern Börsensaale“ öffentlich ausgestellt und versteigert wurden. Auch Frauen in Schlesien, Pommern, den Marken und aus dem Herzogtum Warschau schickten Arbeiten. Zwei Sammlungen erbrachten eine Einnahme von insgesamt 2.595 Talern, die öffentlich angezeigt und Prinzessin Marianne v. Preußen zu patriotischen Zwecken übereignet wurden. In der Vossischen Zeitung erschien am 16.12.1813 ein national-patriotisches Gedicht auf den Mädchenverein (gez. „E. v. E.“). Im April 1814 stellte er nach erfolgreicher Tätigkeit seine Aktivitäten ein, fand sich allerdings im Juli 1815 unter dem Patronat von Prinzessin Marianne erneut zusammen, „um durch Unterhalt und Versorgung hülfloser Vaterlands-Vertheidiger ein Denkmal deutscher Liebe und Dankbarkeit stiften zu können“ (Aufforderung des Mädchenvereins vom 8. Juli 1815; Haude u. Spenersche Ztg. 83 vom 13.7.1815). Anders als bei der ersten Verfassung standen nun nicht mehr mehrere Vorsteherinnen an der Spitze, sondern die Leitung ging unmittelbar von Prinzessin Marianne aus; unter ihrem Schutz sollten die Arbeiten und der Briefwechsel besorgt werden. „Diejenigen unserer Freundinnen, welche sich dem Geschäft des Sammelns unterziehen wollen, bilden den Verein im engern Sinne; im weitern, alle Diejenigen, welche die Güte ha-

ben werden, uns mit ihren Arbeiten zu unterstützen“ (ebd.). Man warb um die Anteilnahme älterer Frauen („Mütter“) und versuchte zugleich, die anfangs noch kindlichen, jetzt älter gewordenen „Schwestern“ in die Vereinsarbeit einzubeziehen. Dem Verein wurde die Portofreiheit gewährt, auswärtige Spender erhielten mit dem Namen der Prinzessin Marianne versehene Empfangskarten zugeschickt. Insgesamt veranstaltete der Verein vier 8. Juli 1813; Dez. Verkaufsausstellungen (1.–  1813; 14. Dez. 1815; Mai 1816). Der Eintritt dazu betrug vier Groschen. Zunehmend kam es zur Konkurrenz der Mädchenvereine untereinander; so lehnte der  Verein teutscher Mädchen im August 1815 eine Vereinigung mit dem Mädchenverein ab (Reder, S. 85). Mitglieder: Außer dem Patronat von Prinzessin Marianne v. Preußen und den Vorsteherinnen Auguste und Clara v. Pape sowie Leopoldine v. Troschke sind keine Mitglieder namentlich bekannt; die Helferinnen und Spender verzichteten bewusst auf eine öffentliche Anzeige. Bibliographie: Berliner Intelligenz-Blatt, 1815, No. 164, S. 2594. – Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 334. – Haude- und Spenersche Zeitung, Nr. 83, 13. Juni 1815; Beilage zum 118. Stück vom 3. Oktober 1815. – Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, besond. S. 83–86 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4). – Vossische Zeitung, 121. Stück, 9. Oktober 1813; 123. Stück, 14. Oktober 1813; Nr. 47, 19. April 1814.

Uta Motschmann

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Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne [LazV2] Name: Frauen-Verein für das Lazareth in der Garde-Caserne; Verein im Militär-Lazareth Friedrichstraße/Weidendammer Brücke. Gründung: April 1813. Bestand: Bis 14. Juli 1814 (Auflösung des Lazaretts). Sitz: Garde-Kaserne in der Friedrichstraße No. 107 am Oranienburger Tor. Geschichte und Programmatik: Der Verein wurde im April 1813 von der Fabrikantenfrau Henriette Welper, der Frau eines Oberbergrats, Henriette Fauquignon, der Generalsfrau Ernestine v. Winzingerode-Büscher und der Frau des Stadtverordneten Berner als Frauen-Lazarettverein zur Unterstützung des „Haupt-Reserve-Feld-Lazaretts“ in der Kaserne am Oranienburger Tor gestiftet. Der König drückte Henriette Welper, die im benachbarten Hotho- und Welperschen Fabrikgebäude von Mai bis September 1813 Speisen für ca. 270 Kranke, insgesamt über 100.000 Portionen, zubereiten und verteilen ließ, und auch andernorts bei der Kranken- und Verwundetenpflege half, seinen persönlichen Dank „für ihre lobenswerthe thätige Theilnahme an der Einrichtung der Krankenanstalten“ aus. „Im Herbst 1814 wurde sie in das Kapitel des Luisenordens berufen“ (Reder, S. 78). Henriette Fauquignon kümmerte sich besonders um die im Lazarett untergebrachten kranken und verwundeten Offiziere, indem Beiträge gesammelt und in ihrer Wohnung Speisen für 707 meist russische Offiziere bereitet wurden. Bei Gründung des Vereins war das Lazarett Haupt-Reserve-Feld-Lazarett; am 1. April 1814 wurde es auf Befehl des Militär-Gouvernements zum Provinzial-Lazarett Nr. 2 umgeschaffen und auf königliche Kosten unterhalten. Es war nicht nur für preußische, sondern auch für sämtliche in der Stadt befindliche russische Militärs bestimmt. Dirigenten waren Prof. Wolfarth, Hofrat Dr. Schulz und Regimentschirurg Dr. Penzhorn, die Kran684

kenbehandlung leiteten die Oberärzte Barez, Breyer, Hesse, Lasch, Meyer, Schultze, Sonderhoff und Oberchirurg Jäger. Der Frauenverein war weiterhin für die tägliche Speisung von 150 Mann und die Zubereitung spezieller Mahlzeiten für Schwerkranke zuständig; insgesamt wurden 106.950 Portionen an kranke und verwundete Militärs der preußischen und russischen Armee verteilt. „Aber offenbar konnte auch die Anwesenheit des Frauenvereins die Lage im Lazarett nicht entscheidend verbessern: Unzufrieden mit der Situation im Lazarett versuchten Anfang 1814 die Vereinsfrauen v. Wintzingerode, Caroline Seidel und Louise Willdenow die Gründung eines eigenen kleinen Privatlazaretts, um die Kranken besser als in den großen öffentlichen Lazaretten zu versorgen. Ob dieser Plan gelang ist nicht klar. Als das Lazarett in der Gardekaserne Mitte Juli 1814 aufgelöst wurde, wurden die letzten fünf preußischen Offiziere auf ihren Wunsch in das Damenlazarett in der Friedrichstraße verlegt“ (Reder, S. 78 f.). Mitglieder: Frau des Stadtverordneten Berner; Henriette Fauquignon, geb. Schlesike; Louise Hotho (Frau des Fabrikanten Hotho), ebenso dessen Schwester und Tochter; Witwe des Kriegsrats Schmidt; Caroline Seidel (Frau des Musikdirektors am Königl. Theater); Henriette Welper, geb. Fischer, und deren Tochter; Louise Willdenow; Ernestine v. Winzingerode-Büscher. Beziehungen zu anderen Vereinen: Louise Hotho, Henriette Welper und Henriette Fauquignon waren auch im  Weiblichen Wohlthätigkeitsverein tätig. Bibliographie: a) Quellen: GStA PK, HA I, Rep. 89, Nr. 1969, Bl. 18.– Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 305–309. – Hofrat Dr.

Weiblicher Wohlthätigkeitsverein [FrauV2]

Schulz: Geschichte der beyden Provinzial- – b) Darstellungen: Reder, Dirk Alexander: Lazarethe in der dritten Artillerie-Caserne Frauenbewegung und Nation. Patriotische und in der Garde-Caserne zu Berlin von ih- Frauenvereine in Deutschland im frühen rer Entstehung bis zu ihrer Auflösung. Ber- 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, belin 1814. – Vossische Zeitung, 65. Stück sond. S. 77–79 (Kölner Beiträge zur Nationsvom 1. Juni 1813; 79. Stück v. 3. Juli 1813. forschung, Bd. 4).

Uta Motschmann

Weiblicher Wohlthätigkeitsverein [FrauV2] beit würden die Armen sinnvoller unterstützt Name: Weiblicher Verein zur Verpflegung armer Familien vom Militair; Weiblicher Ver- als durch Spenden“ (Reder, S. 90). Die Frauein zur Verpflegung armer Familien; Wohltä- en sahen „die Wurzel des Pauperismus nicht tigkeitsverein zur Aufhilfe der durch den in Faulheit oder Unmoral, sondern in der ArKrieg verarmten Einwohner in Berlin (so bei beitslosigkeit, die ‚Müßiggang‘ und ‚UnsittGurlt, S. 303); später: Weiblicher Verein zur lichkeit‘ erst nach sich zögen. Durch bezahlVerpflegung armer Frauen mit besonderer Rück- te Arbeit, ‚Ordnung und Reinlichkeit‘ sollten sicht auf die Wittwen und Waisen des letzten die Armen bessere Menschen werden, damit glorreichen Befreiungskrieges; Weiblicher Wohl- ‚dem Staate die guten, aber durch das Elend zertretenen Mitbürger nützlich, und die thätigkeits-Verein. Gründung: 13. Juli 1813. (Nachträglich wur- schlechten wenigstens unschädlich‘ würden“ de der 19. Juli, der Todestag Königin Luises, (Haude u. Spenersche Ztg. 35 v. 23.3.1815; Reder, S. 92f.). Es ging um Hilfe zur Selbstzum Stiftungstag erklärt). Bestand: Bis ca. 1844 (1846 ist er im Ver- hilfe, um eine Art „Bürgerrettungs“-Verein, zeichniss der in […] Berlin bestehenden Privat- der die Ärmsten wieder in Arbeit und Lohn Wohlthätigkeits-Anstalten [LA Berlin, Rep. 03, bringen und dadurch Bettelei und Obdachlosigkeit beseitigen wollte. Über die offizielNr. 86, Bl. 117] nicht mehr verzeichnet). le Gründung des Vereins am 13. Juli 1813 inSitz: Burgstraße 19. formiert Propst Hanstein: „Die drückende Programm: „Der Zweck des Vereins ist: die Noth so vieler Wittwen und Waisen gebliehäuslichen Verhältnisse der ganz armen Klas- bener Soldaten; das nicht minder in die Ause der Gesellschaft zu verbessern, und da- gen fallende Elend so vieler Soldaten-Famidurch auf ihre Sittlichkeit und Veredlung zur lien von der activen Armee, so wie von der wirken“ (Haude u. Spenersche Zeitung, Nr. 88, Landwehr, haben zwei edle Frauen bewogen, einen Versuch zu machen, wie auf eine ganz 23. Juli 1814). einfache Art diese Noth, wenigstens theilGeschichte und Programmatik: Der Verein weise, zu mildern sey. Sie haben sich daher entstand auf Initiative der „Generalin“ Wil- der speciellen Aufsicht von 12 der ärmsten helmine v. Boguslawski, die die Unterstüt- ihnen nahe wohnenden Familien unterzozung armer Soldaten auch auf deren Fami- gen. Ihr Zweck ist für diese Familien, Nahlien ausdehnen wollte. „Da die Arbeitslosig- rung, Kleidung und Unterricht zu bewirken“ keit der Hauptgrund für die Armut sei, ließ (Haude u. Spenersche Ztg. Nr. 84, 15. Juli sie bereits gegen Bezahlung nähen, stricken 1813). Propst Hanstein übernahm es auch in und spinnen […]. Durch Bezahlung ihrer Ar- der Folgezeit, die Berichte der Frauen über 685

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ihre Tätigkeit, ihre Bitten um Spenden und ihre Rechenschaftslegung, in denen auch die unterstützten Familien namentlich benannt wurden, in die Zeitungen einzurücken. Der König unterstützte den Verein, indem er Finanzminister v. Bülow beauftragte, „den von jenen armen Frauen gelieferten Arbeiten den Absatz fortdauernd“ zu sichern; Prinzessin Marianne besuchte Versammlungen des Vereins „und notierte in ihr Tagebuch: ‚Ich halte diesen Verein für sehr zweckmäßig‘“ (Reder, S. 96). Im April 1814 betreuten „11 Damen und 11 Gehülfinnen“ 66 Familien (Haude u. Spenersche Ztg. Nr. 52, 30. April 1814), im Juli 1814 waren es „18 Damen mit 18 Gehülfinnen“, die 78 Familien beaufsichtigten (Haude u. Spenersche Ztg. Nr. 88, 23. Juli 1814); ein Jahr später, im April 1815, betrug die Zahl der „Aufsichthabenden Damen“ 21: „so werden nun 126 der ärmsten Familien regelmäßig versorgt, und 50 der Bedürftigsten, von den 3-400 aufgeschriebenen, werden mit bedeutenden monatlichen Zulagen unterstützt. Oftmals waren „gleich anfänglich 50 – 60 Thaler erforderlich, […] um eine von allem entblößte Familie mit den unerläßlichsten Bedürfnissen zu versehen“ (Haude u. Spenersche Ztg. Nr. 54, 6. Mai 1815). Um die „Sittlichkeit“ zu erhöhen, sollten „ganz unwürdige, lasterhafte Subjekte“ der Polizei übergeben und unwürdigen Eltern ihre Kinder entzogen und in öffentliche Armenanstalten oder zu anderen Familien gegeben werden. Anfangs wurden fast nur Soldatenfrauen und -witwen mit mehreren Kindern, die in unverschuldete Not geraten waren, unterstützt; später wurde die Hilfe auch auf verarmte bürgerliche Frauen ausgedehnt. „Frau v. Boguslawskis ehrgeiziges Ziel war es, monatlich 10 000 Taler einzunehmen und mit 300 Damen alle 12 000 Berliner Armen zu beaufsichtigen“ (Reder, S. 93; vgl. Bericht zum 2-jährigen Bestehen, u. a. in: Haude u. Spenersche Ztg. Nr. 85 v. 18.7.1815). Um die Wohnungsnot zu beheben und die katastro686

phalen Wohnverhältnisse der Unterschichten zu verbessern, bat sie im Sommer 1816 den König, ihrem Frauenverein eine Kaserne zur Verfügung zu stellen, um die „ärmsten ihrer Familien“ dort unterzubringen, was der König jedoch ablehnte (Reder, S. 100). Im steten Bemühen um angemessene Einnahmen verfolgte der Verein ab 1816 die Idee einer Armenpflege als „National-Angelegenheit“: „Aus dieser zur National-Angelegenheit erhobenen Armenpflege ergiebt sich dann gleichsam von selbst eine der schönsten Blüthen der Cultur: National-Erziehung“ (Haude u. Spenersche Ztg. Nr. 5 v. 10.1.1818; vgl. Reder, S. 102). „Die Frauen forderten die Vereinigung der ‚zersplitterten Hülfsmittel‘, und sie sahen sich nicht etwa als einen dieser Splitter, sondern als Kristallisationskern eines aufzubauenden landesweiten sozialen Sicherungssystems“ (Reder, S. 102). Der hohe Anspruch des Vereins, „Keim einer National-Armenverpflegung“ zu werden, und v. Boguslawskis gegenüber dem Königshaus geäußerte Kritik an der Wirkungslosigkeit der öffentlichen Armenfürsorge (Reder, S. 97) brachten den Verein seit den 1820er Jahren zunehmend in Konflikt mit der Berliner Armendirektion, die in ihren Erneuerungs- und Modernisierungsbestrebungen die privaten Wohltätigkeitsvereine unter ihre Kontrolle bringen wollte (vgl. Reder, S. 104– 107). Diesen gelang es jedoch, weiterhin tätig zu bleiben. Wilhelmine v. Boguslawski starb, finanziell ruiniert, 1839; bis ca. 1844 führten ihre Mitstreiterinnen den Verein noch weiter, der letztlich „an der finanziellen Überforderung durch die selbstgestellten Aufgaben“ (Reder, S. 107) scheiterte. Erst 1843 befahl der König die intensive Unterstützung der privaten Wohltätigkeitsvereine. Struktur und Organisation: Der Verein nahm „Beiträge aller Art“ gegen Quittung in der Burgstraße 19 entgegen. Neben Geldbeträgen bat man auch um Lebensmittel wie Getreide, Hülsenfrüchte, Graupen und

Weiblicher Wohlthätigkeitsverein [FrauV2]

Fleisch, um neue und alte Kleidungsstücke brachte ihn fast an den Rand des Zusammensowie um Wolle, Flachs und Garn. Viertel- bruchs“ (ebd., S. 101). jährlich wurde öffentlich Rechenschaft abge- Geleitet wurde der Verein von einem „Wohllegt. Die Gelder flossen in einer Hauptkasse thätigkeits-Comitée“. Einmal jährlich fand zusammen, aus der die betreuenden Frauen eine Hauptversammlung statt, in der in GeBeträge abrufen konnten. Der Verein erhielt genwart der königlichen Prinzessinnen auch regelmäßige monatliche (meist kleine) Geld- neue „Expectantinnen zu einer Aussteuer“ aufbeiträge oder einmalige Spenden (beispiels- genommen wurden. Als Mittel zum Zweck weise durch ein Konzert, das 1815 mehr als betrachtete man „eine immerwährende leicht 1.000 Taler Reinerlös erbrachte, oder durch organisirte, humane und verständige Aufsicht, ein zum Besten des Vereins gedrucktes Ma- in so fern sie sich mit dem Berufe der Benuskript „Diokles, eine Legende“). Größe- schäftigten Hausmutter vereinigen läßt. Dare Beträge spendeten 1815 u. a. Graf Rei- her nimmt jede Frau, die sich an den Verein chenbach auf Zessel bei Oels („100 Thlr. mit anschließt, nur 6 Familien unter Aufsicht. Sie der Versicherung, daß, wenn der Kreis auf- sorgt dafür, daß den Aeltern in ihrem Gewersichthabender Damen sich auf 50 erweiter- be fortgeholfen werde, und daß den Frauen, te, noch 500 Thlr., und wenn er 100 zähl- die noch Zeit zum Nähen oder Stricken übte, noch 1000 Thlr. nachfolgen sollten“); die rig behalten, oder die sich überhaupt davon Prinzessin Wilhelm 500 Thlr., englische Gel- nähren, Arbeit geliefert werde. Damit es nie der 562 Thlr., Minister v. Kircheisen 50 Thlr., an Arbeit fehle, haben Se. Majestät der KöFeldmarschall v. Kalkreuth 50 Thlr., Kriegs- nig dem Verein, neben Ihrem Allerhöchsten minister v. Boyen 6 Frd’or, der Geh. Staatsrat Beifall, Antheil an den Lieferungen zugesivon Heidebreck 20 Thlr. und 2 Thlr. monat- chert. / Die Kinder müssen in die Schule gelich. Für die hochgesteckten Ziele des Ver- hen und zu Hause beschäftigt werden. Die eins reichten die eingehenden Gelder bei Freischulen werden genutzt, so wie bei den weitem nicht aus. Frau v. Boguslawski rich- Kranken die Armen-Aerzte, welche mit altete deshalb eine Handarbeitsschule für jun- lem, was der Kranke an Nahrung und Erquige Frauen aus den niederen, aber auch aus ckung bedarf, unterstützt werden. Alte werden den „gebildeten“ bürgerlichen Ständen ein. dermaßen versorgt, daß sie nicht betteln ge„Hier wurde gelernt und ausgebildet und da- hen dürfen. Die Miethen werden mo­nathlich für Lehrgeld bezahlt. Zur Einrichtung der bezahlt. / Jedes Mitglied der 6 Familien muß Schule zahlte der König 300 Taler Vorschuss. 2 Hemden besitzen und anständig bekleidet Der Verein durfte die Ausstattung der Prin- seyn. Um dies zu erreichen, wird ein Magazessin Charlotta herstellen und erhielt außer- zin von alten und neuen Kleidungsstücken andem 3500 Taler Einnahmen der vom König gelegt“ (Haude und Spenersche Ztg. Nr. 88, 23. in Paris gekauften ‚Giustianischen Gemälde­ Juli 1814). Ebenso wurde ein „Magazin von sammlung‘. […] Ein weiterer Versuch zur Fi- Viktualien“ eingerichtet, um die Armen aunanzierung des Vereins war eine Zeitschrift“, ßer mit Kartoffeln und Brot auch mit frischem die Märkischen Provinzial-Blätter, „deren Re- Gemüse und Fleisch versorgen zu können. daktion Prediger Pischon übernehmen soll- „Jeweils 24 Frauen und ihre Gehilfinnen sollte“ (Reder, S. 98 f.). Bis Ende 1816 konnte ten eine Abteilung bilden, die mit drei Magader Verein ein ausgeglichenes Verhältnis von zinverwalterinnen und drei RechnungsführeEinnahmen und Ausgaben vorweisen, wenn- rinnen 144 arme Familien mit durchschnittgleich er „stets an seiner finanziellen Gren- lich vier Kindern beaufsichtigte und unterze arbeitete“ (ebd., S. 100). „Der Notwinter stützte“ (Reder, S. 93). „Wir besuchen, so oft 1816/17 stürzte den Verein in Schulden und es unsere Verhältnisse erlauben, die Familien, 687

10  Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine

Abb.130  Quittung über 300 Reichstaler, die der König dem Weiblichen Wohlthätigkeitsverein zur Einrichtung einer Handarbeitsschule zur Verfügung gestellt hatte, 1. März 1816 (GStA PK, I. HA Rep. 89 Geh. Zivil­kabinett Nr. 12700, Bl. 25).

untersuchen ihre Lage, bemerken jedesmal ihre dringendsten Befürfnisse, denen sie selbst auch bei redlichem Fleiße nicht abhelfen können, melden diese der Hauptdirektion, welche dann nach ihren Kräften für Rath und Hülfe sorgt“ (Haude u. Spenersche Ztg. Nr. 85, 18.7.1815) Mitglieder: „Nachdem der Verein im Juli 1813 mit nur zwei Mitgliedern und zwei Gehilfinnen angefangen hatte, bildeten sich bis Mitte 1816 bereits 35 Teams aus jeweils zwei Frauen, die 210 Familien mit 1200 bis 1300 Menschen betreuten. […] Mit gut 42 Prozent waren die Adligen sehr stark vertreten, darunter vier Gräfinnen und elf Frauen von hohen Offizieren. […] Hoch war der Anteil unverheirateter Frauen, weil die Mitglieder häufig ihre Töchter oder Nichten als Gehilfinnen einsetzten. 18 der Frauen erhielten später den Luisenorden“ (Reder, S. 94). I. Abteilung: Stifterin: Generalin Wilhelmine Sophie Friedricke v. Boguslawski (L 1816); 688

als „Gehülfin“ ihre Nichte Emilie v. Alvensleben bzw. Frl. Amalie v. Hoffmann bzw. Albertine v. Boguslawski u. Komtess Röder und als „Secretair“ Frl. v. Barklay und ihre Tochter. – Mitglieder: Obristin v. Proeck (L 1816), als Gehilfin ihre Tochter Emma v. Pröck. – Mamsell Luise Zwicker, als Gehilfin ihre Schwester. – Majorin v. Knobelsdorf, als Gehilfin ihre Tochter bzw. Schwester (L 1843). – Frl. Johanna v. Boguslawski d. Ä., als Gehilfin Mamsell Auguste Stützer. – Frau Obristlieutenantin v. Rudolphi, als Gehilfin ihre Tochter Frl. v. Pellat.- Madame Wollanke, als Gehilfin Doris (Dorothea) Scheffel bzw. Frau Majorin v. Brenkenhof. – Hof- und Staatsdame Frl. v. Hagen (L 1814), als Gehilfin ihre Nichte Asta v. Hagen. – Münzmeisterin Unger, geb. Pubritz ( Frauenverein für das Lazareth am Schlesischen Tor) (L 1814), als Gehilfin M. Lippold bzw. Frl. v. Stein (L 1816). – Majorin v. der Gröben (L 1823), als Gehilfin Comtesse v. Schwerin. – Frau v. Bardeleben, als Gehilfin Mamsell Henriette Knipfel. – Frau v. Raven,

Weiblicher Wohlthätigkeitsverein [FrauV2]

geb. v. Reck, als Gehilfin Mamsell Henriette Rosenstiel (später umgekehrt) bzw. Madame Nanikopf, Raven und Rosenstiel (im  Damen-Lazareth). – Mamsell Hufeland, als Gehilfin Mamsell Hermstädt. – Henriette Werner (L 1816), als Gehilfin M. Grothus. – Dom-Dechantin v. d. Schulenberg, als Gehilfin Mamsell Busch.- Baronin v. Oppel ( Damen-Lazareth), als Gehilfin ihre Tochter. – Mamsell Schulz, als Gehilfin Mamsell Caroline Brendel. – Obergerichtsräthin Illaire, als Gehilfin ihre Tochter. – Hofräthin H. Herz, als Gehilfin Mamsell Erhardt bzw. Mamsell Oppert. – Kammerfrau Karoline Friederike v. Berg, geb. Häseler, als Gehilfin Madame Krause bzw. Mad. König. – Madame Fränkel, als Gehilfin ihre Nichte bzw. M. Bendemann. – Madame Welper, geb. Fischer (L 1814) ( Frauenverein Garde-Kaserne), als Gehilfin Mamsell Blanc und Frl. Louise Hotho ( Frauenverein Garde-Kaserne). – Bergrätin Fauquignon (L 1814) ( Frauenverein Garde-Kaserne), als Gehilfin ihre Tochter bzw. Mad. Gruner. – Frau v. Maltitz, als Gehilfin ihre Tochter. – Staatsrätin Hufeland, als Gehilfin ihre Tochter Laura Hufeland. – General-Lieutenant Gräfin v. Gneisenau, als Gehilfin ihre Tochter bzw. Majorin v. Ratzdorf. – Räthin Gädicke, als Gehilfin ihre Tochter. – Generalin v. Troschke (L 1814) ( DamenLazareth), als Gehilfin Frl. v. Begerac und Frl. v. Bartikur. – Madame Eben, geb. Goldt­ amme (L  1814) ( Frauenverein Lazareth am Schlesischen Tor), als Gehilfin ihre Nichte. – Geh. Staatsrätin Amalie Renfner, geb. v. Dietrich, als Gehilfin Henriette Goslar. – Eleonore v. Schuckmann, geb. v. Lüttwitz. – Christine v. Ompteda, geb. Gräfin v. Schlippenbach (L 1816); Mad. Herzbruch, als Gehilfin ihre Tochter. - Frau Oberstlieutenant v. Bork, als Gehilfin ihre Schwägerin Frl. v. Bork. - Frl. Link. II. Abteilung: Geheimräthin Kohlrausch, als Gehilfin Frau v. Schock. – Gräfin v. Pückler (L 1827), als Gehilfin ihre Nichte. – Mamsell Morgenstern, als Gehilfin ihre Schwester. –

Mamsell Westphal, als Gehilfin Mamsell Haar. – Madame Stägemann, als Gehilfin ihre Nichte. – Madame Lehmann (L 1819), als Gehilfin ihre Tochter. – Mamsell Behrens, als Gehilfin ihre Schwester. – Madame Lippolt, als Gehilfin ihre Nichte. – Geheimräthin Bernard (L 1816) ( Frauenverein Schlesisches Tor), als Gehilfin zwei Töchter. – Gräfin v. SchwerinSchwerinsburg, als Gehilfin ihre Tochter. – Hofräthin Parthey. – Mamsell Eichmann. – Frau v. d. Reck. – Hofräthin Behrendt, als Gehilfin ihre Tochter. – Obristin v. Massenbach. – Majorin v. Golz. – Verw. Majorin v. Zegelin. – Frau v. Taubenheim-Funk. – Oberhofmeisterin Gräfin Waldburg-Truchsess. – Präsidentin Wilhelmine v. Schewe, geb. v. Leskow (L 1816) ( Damen-Lazareth). – Ministerin v. Senden (1822); Frau Pröb­ stin Hanstein; Frau Geheimrätin v. Dewitz; Herr Oberbergrat Prätorius. (GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 12700, Bl. 13, 23, 27, 29, 37, 38 f.). „Dazu kamen noch mehr Frauen und Männer, die nur monatliche Beiträge zahlten, ohne in der Armenpflege aktiv zu sein. So subskribierten z. B. für 1817 außer den Mitgliedern: Frau v. Massow, geb. Gräfin Blumental, Madame Krause, Gräfin v. Blankensee, Frau Regier (‚die unermüdete Freundin des Vereins‘, R. Kloots (Marienwerder), Frau v. Münchhausen, Fürst Wittgenstein, Innenminister v. Schuckmann, Graf v. Tauenzien, Kriegsminister v. Boyen, Baron v. Keit, Geheimrat Pochheimer, Herr K. Bauer, der schwedische Gesandte Baron v. Taube, Hofprediger Ehrenberg, O. C. R. Hecker, Se. Exz. Herr G. L. v. Haack (Koblenz), Oberst v. Brause, Graf v. Gessler (Schmiedeburg), Gräfin v. Haack, geb. v. Rode, Majorin v. Bornstädt, Majorin v. Budberg, Frau R. R. v. Thadden; Herr Wolpe, Herr K. R. Barth, Herr Grumpeck, M. Maier, Herr Welmans, Rath Engelmann (Neiße), Herr v. Montbach (B[erlinische] N[achrichten] 1/02.01.1817)“ (Reder, S. 524). Zum Verein gehörten noch fünf männliche Berater: General v. Dierecke, Propst Hanstein 689

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(zu ihm vgl. Reder, S. 93, Fußnote 286), Adjutant v. Schach, Propst Ribbeck und Staatsrat Nicolovius. In den Zeitungen sind die Namen der Frauen nicht genannt, lediglich Propst Hanstein und Kaufmann Schütz traten öffentlich in Erscheinung. Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 12700, Bl. 13, 23, 27, 29, 37, 38 f. (Mitgliederlisten). – I. HA Rep. 91 A Militärgouvernement für das Land zwischen der Elbe u. der Oder zu Berlin, Nr. 133 (Acta den Absatz der von dem unter Aufsicht der Generalin v. Boguslaws-

ki gestifteten Vereine zur Verpflegung armer Familien, verfertigten Hemden und Socken betr. […] vom 6. März 1814 bis 10. Mai 1814). – b) Gedruckte Quellen: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude u. Spenersche Ztg.) Nr. 84 vom 15. Juli 1813; Nr. 52 vom 30. April 1814; Nr. 88 vom 23. Juli 1814; Nr. 54 vom 6. Mai 1815; Nr. 85, vom 18.7.1815. – c) Darstellungen: Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, besond. S. 90–108, 523f. (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4). Uta Motschmann / Dirk Alexander Reder

Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor (Provinzial-Lazareth No. 1) [LazV3] Name: Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor; Frauenverein (aus der alten Münze) für das Lazareth am Schlesischen Tor. Gründung: 24. August 1813. Bestand: Bis 1. Mai 1815 (Auflösung des Lazaretts). Sitz: Das Lazarett wurde in der ehemaligen v. Pfuhl’schen Kaserne in der Köpenicker Straße, die zwischenzeitlich als Familienhaus für die arme Bevölkerung genutzt worden war, eingerichtet. – Die Mitglieder des Vereins trafen sich zu organisatorischen Zwecken in der alten Münze bei der Frau des Münzmeisters Unger, Am Wasser Nr. 2. Struktur und Tätigkeiten: Gestiftet und geleitet von der Witwe des Bildhauers Eben, zusammen mit Sophie Kramer und der Frau des Kaufmanns Grust, arbeitete der Frauenverein mit einem zur gleichen Zeit und zum gleichen Zweck gegründeten Männerverein eng zusammen, um gemeinsam „mit den städtischen Deputierten dafür zu sorgen, daß die Spenden ‚gewissenhaft und zweckmäßig 690

verteilt werden‘, ‚damit es auch den Kranken an sorgfältiger Pflege nicht fehle‘ “ (Reder, S. 79). „Später verschmolzen sie offenbar zu einem gemeinsamen ‚WohlthätigkeitsVerein‘ “ (Reder, S. 79). Die Frauen fühlten sich für die „tägliche Zubereitung der Speisen, die Anschaffung der Wäsche und des Verbandzeuges und deren Reinigung, so wie die persönliche Pflege der Verwundeten und Kranken“ aus der Schlacht von Großbeeren zuständig (Gurlt, S. 309). In dem Frauenverein schlossen sich zahlreiche bürgerliche wie auch adlige Frauen und Mädchen zusammen, entrichteten monatliche Mitgliedsbeiträge, sammelten Gelder ein und waren selbstlos als Köchinnen, Wäscherinnen und Pflegerinnen tätig, so dass einige selbst erkrankten oder sogar starben. Dem Verein schlossen sich weitere Wohltäter an, die zwar keine Mitglieder waren, aber unterstützend tätig wurden, so die Witwe des Ministers Graf v. Arnim, der Rentier Plantier, der Bankier Bauer und der Ökonom Doepler. Ab 1814 übernahm der Stadtverordnete Berthold die Leitung und Aufsicht des Lazaretts, in dem die Ärzte Prof.

Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor [LazV3]

Dr. Reich („Nervenfieber“erkrankungen), Dr. Helling (Augenerkrankungen), Dr. Natorp und Chirurg Baersch medizinisch-chirurgisch tätig waren. Darüber hinaus kümmerten sich mehrere Stadtverordnete, Kaufleute und Handwerker durch Geldspenden oder persönliche Hilfe um die Verletzten. Als der Verein nach 20-monatiger Wirksamkeit seine Tätigkeit einstellte, waren von ihm vom 24. August 1813 bis 1. Mai 1815 insgesamt 13.387 Mann versorgt worden. Diese große Zahl unterstreicht die Bedeutung des Lazaretts. Davon waren 801 Mann gestorben, 767 „als Invaliden geheilt entlassen“ und 11.366 Mann „völlig genesen und gesund entlassen“ worden. „Nach 20 Monaten sah sich der Verein jedoch genötigt, seine Arbeit zum 1. Mai 1815 einzustellen: ‚Ungern treten wir gerade jetzt zurück‘, bedauerten die Frauen, doch müßten sie ‚den Umständen nachgeben‘. Warum sie das taten, ist nicht klar“ (Reder, S. 80). Einzelne Frauen wie Sophie Kramer und die Bankiersfrau Grust sammelten darüber hinaus weiterhin Spenden, u. a. 1816 „zur Verpflegung hülfsbedürftiger erblindeter Krieger“. Der Generalstabschirurg und Chef des Militär-Medizinalwesens der Königl. Preuß. Armee, Dr. Goercke, lobte in einer Zeitungsbeilage ausdrücklich „jenen Verein von edlen Männern und Frauen, welche namhaft zu machen die Anspruchslosigkeit derselben mir verbietet, der in dem Lazareth Nr. 1 durch eine Reihe von zwanzig Monaten seine rastlosen Bemühungen für das Wohl der Vaterlandsvertheidiger fortsetzte und jetzt am 1sten Mai h. seine Wirksamkeit zum allgemeinen Bedauern einzustellen sich genöthigt gesehen hat“ und gab zugleich der Hoffnung Ausdruck, dass ein neuer Verein sich bilden werde, „der in die Wirksamkeit des vorigen treten möchte“ (Berlinische Nachrichten, 16. Mai 1815). Aus diesem Verein ging vermutlich ein

Frauenverein zur Sammlung von Verbandmaterial hervor und im Juni 1815 der  Verein teutscher Mädchen (Reder, S. 52). Namentlich bekannte Mitglieder: Bildhauerwitwe Eben, geb. Goldtamme (Stifterin und Vorsteherin) (L 1814); Sophie Kramer, geb. Loebeke (Frau eines Kriegsrats; Vorstand) (L 1814); Frau des Kaufmanns und Bankiers Grust (Vorstand) (L 1816). – Frau des Geh. Rats Bernard; Stadtverordneter Berthold; Frau Prof. Braumüller (starb infolge der Anstrengungen im Lazarett); Kaufmann Conrad; Kaufmann Engel; Kaufmann Gabain; Stadtverordneter Tabaksspinner Hoffmann; Kaufmann Hollmann; Frau des Geh. Rats Hermbstaedt; Frau des Geh. Hofrats Klewiz; Stadtverordneter Gärtner Mathieu; Tabaksspinner Reichert; Stadtverordneter Apotheker Staberoh; Frl. v. Stein; Frau des Münzmeisters Unger; Brauer Zepp jun. Weiterhin mehrere Töchter dieser Frauen und andere junge Mädchen sowie die Ärzte Prof. Dr. Reich, Dr. Helling, Dr. Natorp, Chirurg Baersch. Bibliographie: a) Quellen: GStA PK, I. HA, Rep. 89, Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode Nr.  1969. – Berliner Intelligenz-Blatt, 1815, No. 106, S. 1697. – Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 309–310. – Haude u. Spenersche Ztg., Nr. 135 v. 10. Nov. 1814; Beilage zum 58. Stück, 16. März 1815. – Vossische Ztg., 105. Stück, 2. Sept. 1813; 120. Stück, 7. Oktober 1813. – b) Darstellungen: Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, besond. S. 79–80 (Kölner Beiträge zur Nations­forschung, Bd.  4). Uta Motschmann / Dirk Alexander Reder

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Männer- und Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Halleschen Tor [LazV4] Name: Männer- und Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Halleschen Tor; Männer- und FrauenVerein in der ehemaligen v. Möllendorff’schen Kaserne am Halle’schen Tor. Gründung: August 1813. Bestand: Bis April 1814 (Auflösung des Lazaretts). Sitz: In der ehemaligen v. Möllendorff’schen Kaserne am Halleschen Tor.

Monatelang an einem Nervenfieber darnieder, das sie sich im Lazareth zugezogen hatten“ (Gurlt, S. 310–311). In den neun Monaten seines Bestehens sammelte der Verein 2.194 Taler ein; die eingegangenen Utensilien aller Art wurden auf 3.536 Taler geschätzt (Gurlt, S. 311). Der Verein versorgte mehrere Hundert Kranke und Verwundete. Die letzten 150 Patienten wurden im April 1814 in das Lazarett in der Garde-Kaserne verlegt.

Struktur und Tätigkeiten: Der im August 1813 von einer Deputation der Stadtverordnetenversammlung gestiftete und gemeinschaftlich von dem Kaufmann Johann Peter Allardt sen., der Majorin v. Knoblauch, Tochter des Ministers und preußischen Reformers v. Schrötter, und Wilhelmine Reimer, geb. Reinhardt, Frau des Buchhändlers Georg Andreas Reimer, geleitete Verein kümmerte sich um die Kranken und Verwundeten im Lazarett am Halleschen Tor, wobei sich Frau v. Knoblauch der persönlichen Pflege der Kranken widmete, während Frau Reimer den Verein ökonomisch verwaltete, beide unterstützt von den anderen weiblichen Vereinsmitgliedern. „Der Stadtverordnete Kaufmann Allardt spendete, als Vorsteher des Vereins, reichliche Beiträge an Geld und Naturalien, beschaffte die erforderlichen Bedürfnisse an Hemden, Decken und Lagerstätten, unterstützt von dem Stadtverordneten Destillateur Krause und dem Gyps-Fabrikanten Kühne; er selbst sowohl, als der Letztere lagen

Namentlich bekannte Mitglieder: Kaufmann Allardt sen.; Majorin v. Knoblauch, geb. v. Schrötter (L 1821); Stadtverordneter Destillateur Krause; Gipsfabrikant Kühne; Wilhelmine Reimer, geb. Reinhardt (L 1816). Querverweise auf andere Vereine: Wilhelmine Reimer gründete 1836 den Verein

zur Verpflegung und Unterstützung armer Wöchnerinnen, war 1847 im Verein zur Unterstützung verschämter Armer und 1848 im Frauenverein zur Abhilfe der Not unter den kleinen Fabrikanten und Handwerkern tätig (Reder, S. 80). Bibliographie: Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 310–311. – Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, besond. S. 80 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4).

Uta Motschmann

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Privatlazareth in der Brüderstraße 21 [LazV5]

Privatlazareth in der Brüderstraße 21 [LazV5] Name: Privatlazareth in der Brüderstraße 21; Verein für die Anlegung und Unterhaltung der Heilungs-Anstalt des Brüder-Straßen-Bezirks für verwundete und kranke vaterländische Krieger; Verein für das Privat-Lazareth in der Brüderstraße; Verein des Brüderstraßenbezirks. Gründung: Ende August 1813. Bestand: Bis März 1814. Sitz: Brüderstraße 21.

September 1813 übernahmen Frau Major v. Karger, Frau Unruh (als Ökonomin) und Fräulein Caroline v. Steinmetz (L 1843) dort für drei Monate die Verpflegung von 60 bis 70 Verwundeten“ (Reder, S. 81, vgl. Vossische Ztg., Nr. 148 v. 11.12.1814, Beilage). Insgesamt wurden bis Ende Juni 1814 75 Verwundete und Kranke mit einem Kostenaufwand von 2.675 Taler betreut (Gurlt, S. 316 f.). Die Einrichtung war eine von zwei 1813/14 auf Ersuchen des Militärdepartements polizeilich ermittelten Privat-Lazaretten; weitere soll es zu dieser Zeit nicht gegeben haben. Nach Ansicht des Militär-Departements und des Königlichen Polizei-Präsidiums sollten keine weiteren derartigen privaten Anstalten gegründet, die Arbeit der noch bestehenden bald beendet und die Verwundeten an die Militärlazarette übergeben werden. – Das zweite in den Akten des Königlichen PolizeiPräsidiums genannte Privat-Lazarett befand sich vom 25. August bis 30. Oktober 1813 in der Friedrichstraße 129. Darin wurden neun Verwundete versorgt; Vorsteherin und Verhandlungsführerin war Madame Trippel.

Tätigkeiten und Organisation: Der gemischte Verein wurde vom Stadtrat und Apotheker Bärwald, dem Stadtverordneten-Vorsteher Kaufmann J. P. Humbert, dem Kaufmann Coulon und anderen Einwohnern des Brüderstraßen-Bezirks gegründet, die im September 1813 mit Genehmigung des Militär-Gouvernements eine Heil- und Pflegeanstalt mit elf Betten in einem Privathaus einrichteten. Der Messerschmied Humblot stellte dafür das dritte Geschoss seines Hauses in der Brüderstraße 21 zur Verfügung. In dem Privatlazarett durften allerdings nur Kranke und Verwundete, die sich bereits auf dem Wege der Besserung befanden, aufgenommen werden. Geleitet wurde es von der Ehefrau des Lazarettinspektors Harras, unterstützt Bibliographie: BLHA Potsdam, Rep. 30 A von 30 Frauen und Mädchen aus dem Stadt- Berlin, Nr. 244: Acta des Königl. Polizei-Prae­ bezirk sowie der außerhalb desselben woh- sidii zu Berlin die von den hiesigen Einwohnenden Ehefrau des Kaufmanns Baudouin, nern errichtete Privat-Lazarethe betreffend, die abwechselnd in ihren Wohnungen Mahl- 1813. – Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichzeiten für die Verwundeten zubereiteten. Die te der internationalen und freiwilligen KranVersorgung geschah allein durch die Bewoh- kenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 316 f. ner des Brüderstraßenbezirks; der Verein be- – Heilungs-Anstalt des Brüderstrassen-Bezahlte alles selbst, die Mahlzeiten, die Arznei- zirks für verwundete, vaterländische Krieger. en, auch zwei Wärterinnen. Dr. Mangold war Druck kl. fol. 12 S. (15. März 1814). – Reder, als Arzt für das Lazarett tätig. Vorsteher des Dirk Alexander: Frauenbewegung und NaVereins waren Kaufmann Bonté, Propst Han- tion. Patriotische Frauenvereine in Deutschstein und Prof. Hartung. Vom 5. September land im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). 1813 bis 15. März 1814 wurden in dem La- Köln 1998, besond. S. 81 (Kölner Beiträge zur zarett 50 preußische Soldaten verpflegt. „Im Nationsforschung, Bd. 4). Uta Motschmann / Dirk Alexander Reder

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Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der dritten Artillerie-Kaserne (Provinzial-Lazareth Nr. 2) [LazV6] Name: Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der dritten Artillerie-Kaserne. Gründung: September 1813 (Eröffnung des Lazaretts am 12. September 1813). Bestand: Bis 17. März 1814 (Schließung des Lazaretts). Sitz: Lazarett in der dritten Artillerie-Kaserne (Provinziallazarett No. 2), Contrescarpe No. 56 / Ecke Jacobsstraße, „bis in die Hirtengasse sich erstreckend“ (später: Alexan­ derstraße 56). Struktur und Tätigkeiten: Der Wohltätigkeitsverein wurde vom Magistrat in Verbindung mit den Stadtverordneten unter Leitung der Stadtverordneten Laspeyres und Heydemann nach der Schlacht bei Dennewitz (6. September 1813) gegründet, da es in Berlin an zweckmäßig eingerichteten Lazaretten mangelte, um die übergroße Menge Verwundeter aufzunehmen. Nach einem Aufruf des Magistrats zur Ausstattung eines oder mehrerer Lazarette mit Hemden, Bandagen, Decken, Strohsäcken, Tischen, Hockern, Geschirr und dergleichen, wurden von der Bevölkerung umgehend so viele Utensilien abgeliefert, dass ein Lazarett mitten in der Stadt für mehrere Hundert Verwundete und Kranke eingerichtet werden konnte. Die dritte Artillerie-Kaserne war ein 4-stöckiges Gebäude mit 258 Stuben sowie einem auf dem Hof befindlichen separaten Gebäude mit 40 Stuben, welches ehemals als Lazarett gedient hatte. Sie wurde Anfang September 1813 vom Militär-Gouvernement zwischen der Elbe und Oder zum Provinzial-Lazarett No. 2 umgestaltet und, größtenteils von der Berliner Bevölkerung mit allen nötigen Ausrüstungsgegenständen einer Heilanstalt ausgestattet, am 12. September fast ausschließlich für preußische Verwundete eröffnet. Ein großer Teil der Stuben wurde für die ökonomische Verwaltung benötigt; der Rest war 694

für maximal 1.500 Lagerstellen eingerichtet. Da die Kranken und Verwundeten jedoch zu Tausenden in die Stadt gebracht wurden (im September 1813 kamen allein 4.102 Verwundete und Kranke in das Lazarett, im Oktober 1813 betrug die Anzahl der Patienten 5.120), war das Lazarett ständig überbelegt, so dass fast überall zwei Mann in einem Bett liegen mussten. „Zieht man ferner in Erwägung, dass das Lazareth eine auf das Schleunigste dazu eingerichtete Caserne gewesen war, der es an den nöthigen Erfordernissen eines solchen, als Cloake, Luftzüge, Bade-Anstalten u. dgl. mangelte; berücksichtigt man das öftere Zuströmen von mehreren Hunderten von Kranken, darunter eine Menge Schwerverwundeter, auf einmal deren Unterbringung keinen Aufschub litt; bedenkt man endlich den gänzlichen Mangel an gehörig instruirten Lazareth-Chirurgen, und obenein den vom Nov. 1813 bis Febr. 1814 herrschenden Kriegs-Typhus, so ist allerdings die später in Zahlen anzugebende Mortalität in diesem Lazareth als eine verhältnissmässig geringe zu bezeichnen“ (Gurlt, S. 312 f.). Während des etwa sechsmonatigen Bestehens des Lazaretts wurden insgesamt 8.502 Patienten versorgt. Das Lazarett gehörte zur Inspektion des Divisions-General-Chirurgen Dr. Grae­ fe, neben dem der Oberstabschirurg Welle die direkte Aufsicht führte. Die Oberaufsicht über alle medizinischen Belange lag in den Händen von zwei Dirigenten, einem Zivilarzt (anfangs Dr. Mertzdorff, später Hofrat Dr. Schulz) und eines Militärarztes. Die ärztlich-chirurgische Behandlung war in sechs Abteilungen, sogenannte Divisionen, geteilt (zusätzlich einer siebten oder ambulanten Division für die bei Bürgern in der Nähe einquartierten Leichtverwundeten), die von den größtenteils unentgeltlich arbeitenden Oberärzten Prof. Dr. Grapengiesser, Dr. Hesse, Dr. Lasch, Oberchirurg Cordes, Oberchi-

Männer- und Frauen-Verein für das Lazarett in der dritten Artillerie-Kaserne [LazV6]

rurg Görbich, Dr. A. Meyer, Dr. Schmidt jun., Barez, Sonderhoff, Schwan, F. W. Wolff aus Halle, Hofrat Dr. Schulz geleitet wurden. Dabei starben durch Ansteckung am Nervenfieber Dr. Grapengiesser und Dr. Wolff, zwei weitere Mediziner, mehrere Revierinspektoren und Krankenwärter sowie einige Mitglieder des Wohltätigkeitsvereins. Da die Hauptverpflegung der Kranken auf königliche Kosten aus den Magazinen erfolgte, übernahm der Verein in Zusammenarbeit mit der militärischen Leitung Spezialaufgaben, kümmerte sich besonders um Schwerkranke und die Herstellung besserer hygienischer Bedingungen. Der Verein wurde von zwei Stadtverordneten geleitet, unterstützt von Händlern, Handwerkern und Angestellten, deren Frauen und Töchtern und einigen Militärwitwen. Die Frauen des Vereins bereiteten die Mahlzeiten für die Schwerkranken zu, wozu die Frau des Schönfärbers Herzbruch eine Kochanstalt für das Lazarett einrichtete. Die hierzu erforderlichen Lebensmittel, wozu auch „guter Wein und starkes Bier“ gehörten, wurden teilweise vom Verein aus den eingelaufenen wohltätigen Beiträgen bezahlt. Andere Frauen betreuten die Schwerkranken, besorgten Verbandszeug und die Wäsche. „Der Tischlermeister Kleiber, welcher die Sorge für die Reinigung der Wäsche und Decken übernommen hatte, wie die Wittwe des Hauptmanns und Zoll-Inspectors v. d. Hardt und die Gattin des Geh. Secretärs Donner, welche die Aufsicht über die Wäsche, Waschkammer und die Bandagenstube führten, wurden vom Typhus angesteckt und fielen demselben zum Opfer“ (Gurlt, S. 324). Der Verein arbeitete eng mit zwei anderen Wohltätigkeitsvereinen zusammen. Der  Frauenverein für das Lazareth in der Gardekaserne versorgte täglich 150 Kranke „mit kräftigem und reichlichem Essen, nebst dem entsprechenden Getränk“. Vom 27. September 1813 bis 17. März 1814 wurden 71.250 Portionen verteilt. Ein anderer kleinerer Verein schickte täglich Speisen und Getränke in

das Lazarett: „Als am 10. September 1813 das Lazareth eingerichtet wurde, statteten einige Bewohner des Nicolai Bezirkes 5 Zimmer nebst Kammern in der 2. Station der III. Devision für 47 Schwerverwundete aus eigenen Mitteln noch besonders aus und thaten sich zu einem Verein zusammen, welcher für 30 Verwundete die Darreichung eines nahrhaften Frühstückes und Mittagbrodes, reiner Wäsche, Tabak und anderer kleiner Bedürfnisse übernahm. Für diese bis zum 20. Jan. 1814 fortgesetzte Thätigkeit wurden 206 Thlr. an barem Gelde gesammelt, von 31 verschiedenen Damen 134 Portionen Mittagessen für 30 bis 36 Personen täglich verabreicht, ebenso 46 Quart und 22 Flaschen Wein, Charpie, Leinwand, Hemden, Strümpfe u. s. w. geliefert und ver­ theilt“ (Gurlt, S. 314 f.). Mit der Auflösung des Lazaretts – die verbliebenen 133 Rekonvaleszenten wurden in ein anderes Lazarett verlegt –, sah der Verein seine Aufgabe als erledigt an. Weitere Aktivitäten sind nicht belegt. Mitglieder: „Die Sozialstruktur der weiblichen Mitglieder des Vereins war erstaunlich: Es waren Frauen von Offizieren, Beamten, bürgerlichen Räten, Kaufleuten, Handwerkersmeistern (26 %), Musikern und Ärzten, adlige Frauen (26 %), Witwen, Verheiratete und Unverheiratete“ (Reder, S. 80). – Namentlich bekannte Mitglieder: Stadtverordneter Laspeyres (Leiter); Stadtverordneter Heydemann (Leiter); die Tochter des Weißgerbermeisters Anger; Kaufmann Beck; Bäckermeister Dannenberg und dessen Frau; die Frau des Geh. Sekretärs Donner; die Frau des Glasermeisters Dümcke; Rendant Falkenberg; die Frau des Kapellmusikers Griebel; die Witwe des Hauptmanns und Zollinspektors v. d. Hardt; Stadtverordneter Harnecker; die Frau des Schönfärbers Herzbruch; die Frau des Stadtverordneten Heydemann; die Tochter des Medizinalrats Klaproth; Tischlermeister Kleiber; die Witwe des Lieutenant v. Knoblauch; Stadtverordneter Lezius; 695

10  Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine

Stadtverordneter Mann; Dr. Mertz­dorff (als Zivilarzt); Stadtverordneter Müller; die Frau des Hofrats v. Rohr; Assessor Schrader und seine Töchter; die Witwe des Hauptmanns v. Stein; die Frau des Kriegsrats Weitzel; die Tochter des Kaufmanns Ulrici. Bibliographie: Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 311–316. – Nützliches und unterhaltendes Berlinisches Wochenblatt für den gebilde-

ten Bürger und denkenden Landmann. Hg. v. Friedrich Wadzeck, Berlin 1814, Sonderbeilage zu Stück 293, 294, 295. – Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, besond. S. 80 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4). – Hofrat Dr. Schulz: Geschichte der beyden Provinzial-Lazarethe in der dritten Artillerie-Caserne und in der Garde-Caserne zu Berlin von ihrer Entstehung bis zu ihrer Auflösung. Berlin 1814. Uta Motschmann / Dirk Alexander Reder

Verein für das Lazareth in der Kaserne auf der Wiese am Weidendamm [LazV7] Name: Verein für das Lazareth in der Caserne auf der Wiese am Weidendamm. Gründung: September 1813. Bestand: Bis Januar 1814. Sitz: Kaserne auf der Wiese am Weidendamm (die spätere große Kaserne des GardeFeld-Artillerie-Regiments). Struktur und Tätigkeiten: Der Verein, der im September 1813 von den Frauen des Kriegsrats Mügge und des Geh. Rats Huulbeck, der Witwe des Hutfabrikanten Favreau und mehreren anderen Frauen unter Leitung des Zimmermeisters Richter gegründet wurde, kümmerte sich besonders um die Verwundeten aus der Schlacht an der Katzbach, von denen 350 bis 400 Mann auf Kähnen an der Anlegestelle an der Weidendammer Brücke ankamen. Der Verein sorgte für die Einrichtung des Lazaretts mit Lagerstellen, organisierte Lebensmittel, leistete den Verwundeten persönliche Hilfe, bereitete Speisen zu und sammelte Geldspenden. Ärztlicher Dirigent des Lazaretts war, unter Leitung des Oberstabsarztes Welle, Oberarzt Hones. In den vier Monaten wurden 1.200 bis 1.500 Verwundete mit einem Kostenaufwand von 723 Talern verpflegt. 696

Namentlich bekannte Mitglieder: Kaufmann Engel; Witwe des Hutfabrikanten Favreau; Johanna Maria Fichte, Frau von Johann Gottlieb Fichte (L 1814); Oberarzt Hones; Frau des Geh. Rats Huulbeck; Frau des Kriegsrats Mügge; Bezirksvorsteher Zimmermeister Richter; Frau des Kriegsrats Spener; Frau des Generals v. Zawadzky. Die Leistungen von J. M. Fichte, die bei den monatelangen Pflegediensten selbst erkrankte und die Ansteckung auf ihren Mann übertrug, der daran am 27. Januar starb, sind durch ihren Sohn überliefert und können stellvertretend für viele unbekannte Frauen und Mädchen stehen: „Sie überwand mühsam den Widerwillen, den sie Anfangs empfand, unbekannten Kranken sich zu nahen; und bald schien dies Geschäft ihr der heiligste Beruf, dem sie alle Kräfte, auf jede Gefahr hin, zu widmen entschlossen war. […] Aber es war noch ein höherer Geist, welcher sie dabei beseelte. Dass sie Erfrischungen, Arzneien, Kleidungsstücke an die Kranken vertheilte, dass sie unermüdet und unabweisbar in ihrer Pflege jeder Gefahr der Ansteckung sich aussetzte, nicht dies erschien ihr die Hauptsache. Wichtiger war es ihr, den geistig Verschmachtenden den in-

Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner … zwischen Elbe und Oder [WohltV]

neren Quell des Trostes zu zeigen. […] Besonders empfand sie Mitleid mit halberwachsenen Jünglingen, die, von dem furchtbaren Uebel des Heimwehs befallen, jede Erquickung zurückwiesen und zu sterben wünschten; und manchen von ihnen hat sie durch unablässigen Zuspruch, durch Mittheilungen aus dem Aelternhause, wohin sie geschrieben, in’s Leben zurückgeführt […]. Abends […] ging sie oft noch durch die Stadt, um bei Bekannten und Freunden Beiträge zu sammeln und das unmittelbar Nöthige sogleich zu beschaffen, was ihr besser schien, als ein allgemeiner Geldzuschuss“ (Johann Gottlieb Fichte’s Leben und literarischer Briefwechsel,

hg. von seinem Sohne Immanuel Hermann Fichte. Sulzbach 1830, Thl. I, S. 571 ff.). Als eine der ersten Frauen erhielt sie den Luisenorden. Bibliographie: Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 317–318. – Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, besond. S.  80f. (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4). – Vossische Zeitung Nr. 105 v. 2.9.1813. Uta Motschmann

Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner der unmittelbar durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder [WohltV] Name: Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner der unmittelbar durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder. Gründung: 23. September 1813. Bestand: Bis 23. März 1819 (Abschlussbericht). Struktur und Tätigkeiten: Der Verein wurde gegründet, um die vom Krieg besonders betroffenen Gebiete zwischen Elbe und Oder, namentlich größere Teile des Teltowschen und Luckenwaldeschen Kreises, in welchen die Schlachten von Großbeeren und von Dennewitz stattgefunden hatten, mit Geld und Naturalien zu unterstützen. Die Gründer wandten sich mit einem entsprechenden Aufruf im Amtsblatt der Königl. Kurmärkischen Regierung am 23. September 1813 erstmals an die Öffentlichkeit. Erster Vorsitzender war der Zivilgouverneur Geh. Staatsrat Johann August Sack, gefolgt von den Staatsministern v. Kircheisen und v. Schuckmann. Der

Mitgliederstamm setzte sich aus Staatsbeamten, Gutsbesitzern, Kaufleuten und angesehenen Bürgern zusammen. Justizrat Langerhans führte die Korrespondenz, der Kaufmann Hotho übernahm freiwillig die Rechnungsführung. Von der Gründung bis Dezember 1815 konnte der Verein 70.000 Taler zusammenbringen, darunter eine Beihilfe von 6.400 englischen £ (35.908 Taler), die ihm durch ein Unterstützungskomitee in London auf Veranlassung des Kaufmannes Schütz sowie aus einem für Deutschland bestimmten Fonds des Englischen Parlaments zugegangen waren. Von dem Geld wurden Saatund Brotkorn gekauft und durch die Landräte verteilt und die notleidende Bevölkerung, auch Witwen und Waisen der in den Jahren 1813/14 gefallenen Soldaten, unterstützt. Gelder und Naturalien erhielten die Kreise Teltow, Zauche, Luckenwalde, Jerichow, Ziesar, die Festungen Küstrin und Glogau, die Regierungen von West-Preußen und Pommern; die englischen Gelder 697

10  Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine

gingen an die Kur- und Neumark, Großbeeren, Spandau, an drei Berliner Vereine, an das  Friedrichsstift und Friedrichs-Waisenhaus und einige Etappen-Orte in der Nähe Berlins. „Die von dem Comité der Waterloo Subscription in London dem Verein im J. 1817 überwiesenen 10,000 £ wurden an die Königl. Militär-Pensions-Casse gezahlt und unter Leitung des Feldmarschalls Fürsten Blücher bis zum Schlusse des J. 1817 an die Wittwen und Waisen gefallener Preussischer Krieger vertheilt“ (Gurlt, S. 329). Anders als die spontan entstandenen privaten Wohltätigkeitsvereine der Berliner Bevölkerung wurde der WohltV von Staatsbeamten geleitet und durch die Königliche Regierung unterstützt. Er erfüllte überregionale staat­liche Aufgaben und ist als ein erweitertes Gremium der staatlichen Verwaltung anzusehen. Namentlich bekannte Mitglieder: a) Vorstand: Staatsminister v. Kircheisen; Geh. Staatsrat und Zivilgouverneur Sack; Geh.

Staatsrat v. Schuckmann. – b) weitere Mitglieder: Regierungspräsident v. Bassewitz; Bankier Brose; Geh. Kriegsrat und Bürgermeister Büsching; Bankier Friebe; Geh. Justizrat Gerresheim; Sevisverordneter Goldhammer; Landrat v. Hake; Servisverordneter Haseloff; Bankier Herz Beer; Kaufmann Hotho; Stadtverordneten-Vorsteher Humbert; Oberst Jordan; Kaufmann Krutisch; Stadtbaurat Langerhans; Justizrat Langerhans; Staatsrat und Polizeipräsident Le Coq; Kaufmann Paul Matthis; Bankier Mendtheim; Stadtrat Oertel; Landrat v. Pannewitz; Staatsrat Rosenstiel; Stadtgerichtsdirektor Schönermark; Kaufmann Schütz; Buchhändler Spener; Kammerherr von Stengelin; Stadtverordneter Wegener; Kaufmann Woltersdorff. Bibliographie: Amts-Blatt der Königl. Kurmärkischen Regierung, 1813, S.  472–474 (Gründungsaufruf). – Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 328–329. Uta Motschmann

(Berliner) Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz [FrauV3] Name: Frauen- und Jungfrauen-Verein (auch: Frauen- und Mädchen-Verein) zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz; Frauen- und Mädchen-Verein zum Dank für Groß-Beeren und Dennewitz. Gründung: 23. August 1814 (= erste Jahresfeier). Auflösung: 1864. (Einige letzte Veteranen wurden aus einem kleinen Fonds noch weiterhin unterstützt; vgl. Reder, S. 114.) – Nach Gurlt, S. 329, bestand der Verein noch 1873. Geschichte und Programmatik: Der von Frauen und Mädchen gegründete Verein hatte den Zweck, die Jahrestage der Schlachten 698

von Großbeeren (23. August 1813) und Dennewitz (6. September 1813) durch ein Festmahl für die in diesen Kämpfen invalide gewordenen Soldaten zu feiern. Bei Großbeeren hatten die preußisch-russischen Koalitionstruppen unter General Friedrich Wilhelm v. Bülow (später: Graf Dennewitz) die unter französischem Kommando stehenden Sachsen in der ersten Schlacht des Herbstfeldzuges 1813 geschlagen. (Die Preußen verloren 150 Mann und hatten 900 Verletzte.) In der folgenden Schlacht von Dennewitz besiegten preußische, russische und schwedische Truppen unter dem Oberbefehl des schwedischen Kronprinzen Karl XIV. Johann und angeführt

(Berliner) Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz [FrauV3]

von den Generälen v. Bülow und Graf v. Tauentzien die französische Armee und die mit ihr verbündeten Sachsen unter Marschall Michel Ney. (Die Preußen verloren ca. 10.500 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen.) Es waren die ersten Siege der Preußen über Napoleon, die ihn daran hinderten, erneut nach Berlin vorzurücken. – Ein Jahr danach waren noch immer viele Berliner Landwehrmänner und Freiwillige, die in diesen Schlachten invalide geworden waren, ohne staatliche Unterstützung. Am ersten Jahrestag der Schlacht von Großbeeren bewirtete ein neu gegründeter Frauenverein 100 Invaliden dieser Schlacht mit einem Festmahl auf dem Schützenhaus. Dieser Tag gilt als Gründungstag des Vereins (Reder, S. 108). Am 6. September 1814 waren 136 Verwundete, darunter 50 Russen, „zu einem brüderlichen und Eintrachts-Mahle“ (Gurlt, S. 330) im Garten der  Loge „Zu den drei Weltkugeln“ vereinigt. Der König, den man dazu eingeladen hatte, notierte: „Ich schätze den Werth der Vereinigung“ (Reder, S. 110). Am zweiten Jahrestag, d. 23. August 1815, wurden im Beisein von Prinz Karl von Preußen sowie Feldmarschall Graf von Kalkreuth 80 invalide Soldaten im Lokal der Loge „Zu den drei Weltkugeln“ festlich bewirtet. Zwischen den ausgebrachten Gesundheiten stimmten Mitglieder des Nationaltheaters patriotische Gesänge an. „Zur Siegesfeier im Jahr 1816 kamen als prominente Gäste ‚Professor Jahn mit einigen Hundert Turnern, welche am Nachmittage einige Uebungen anstellten‘, um ihre Kampfkraft unter Beweis zu stellen. Unter den bewirteten Soldaten befanden sich die beiden bekanntesten Kämpferinnen des Krieges, Anna Unger und Auguste Krüger mit ihrem Mann. Zum Festessen des Jahres 1816 erschien der Kronprinz, 90 Frauen kochten und bedienten die Gäste. Seit 1819 hielt der Verein seine Festessen im Restaurant Beyer (Tiergarten 35) ab, 1822 bis 1828 im Restaurant Kaemp[f]er (Tiergarten 45). Auch in den folgenden Jahrzehnten wurden die beiden jährlichen Bewirtungen

von je 90 Mann fortgesetzt und fanden auch überregionale Beachtung“ (Reder, S. 112 f.). Die „Speisung der Invaliden von Dennewitz bei Kämpfer im Tiergarten“ am 6. September 1823 schildert Karl August Varnhagen von Ense in seinem Tagebuch: „Seit 9 Jahren hat Herr Plantier, Färber hieselbst, diese Feier für Großbeeren und Dennewitz durch eine Gesellschaft berlinischer Frauen und Jungfrauen angeordnet; der Damen sind jetzt über 300 aber meist vom mittleren Bürgerstande; ihrer dreißig, schön geputzt, mit Küchenschürzen, warteten bei Tische selbst auf; es war keine andre Bedienung da“ (Varnhagen, S. 73). Die Tätigkeit des Vereins erschöpfte sich nicht in den jährlich stattfindenden Gedenkfeiern, an denen „sämmtliche hier lebende dürftige Berliner Landwehrmänner und Freiwillige, welche in jenen Schlachten invalide geworden sind, festlich gespeist“ wurden; man sammelte zudem monatliche Beiträge, um Kriegsopfer durch lebenslängliche Unterstützung „vor drückenden Nahrungssorgen zu bewahren, auch ausserdem diesen Pfleglingen und ihren Angehörigen nöthigenfalls Arbeit, Kleidung, Speisung an festlichen Tagen, und den Kindern Schulunterricht zu verschaffen“ (Gurlt, S. 327). Die erste Jahresrechnung des Vereins ergab vom 1. Sept. 1814 bis 1. Sept. 1815 eine Einnahme von 1.000 Talern und eine Ausgabe von 777 Talern; bis Dezember 1815 betrug die Einnahme 1.719 Taler und vom Jan. 1816 bis April 1819 3.189 Taler. Diese insgesamt 4.909 Taler wurden für Festessen für 1.183 Preußen und 53 Russen verausgabt, weiterhin „für extraordinäre Unterstützung von 95, und für regelmässige monatliche Unterstützung von 29 Mann“ (Gurlt, S. 330). Am 1. Sept. 1844 hatte der Verein einen Vermögensbestand von 1.069 Taler; die Einnahmen betrugen 1845 762 Taler. Ab 1829 geriet der Verein durch Mitgliederschwund und sinkende Spendenbereitschaft in eine finanzielle Krise. Verbittert schrieb Karoline Knapp an den König: „Es scheint als wenn dieser Verein den Reitz der Neuheit bei 699

10  Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine

vielen Personen verloren hat, daher die Vor- nommen werden, die den Verein von viesteherinnen die sich das mühsame Geschäft len anderen Frauenvereinen unterschieden des einsammelen der monathlichen Beiträ- (ebd., S. 112). Die Festessen an den Jahresge aus Güte unterworfen haben, nicht sel- tagen sollten durch außerordentliche Spenten von den Geberinnen durch Unannehm- den finanziert werden. Nach dem Vorbild anlichkeiten belohnt werden“ (GStA PK, I. HA, derer Frauen- und Mädchenvereine wurden Rep. 89, Nr. 15607, Bl. 18). „1844 übernah- vorweihnachtliche Verkaufsausstellungen von men Friedrich Wilhelm IV. und seine Frau Handarbeiten organisiert (ebd., S. 110). „Die den Mitgliedsbeitrag des verstorbenen Prin- Jahresabrechnung für 1816/17 gibt Auskunft zen August in Höhe von 40 Talern, und der über die Struktur der Einnahmen: Von den König schenkte dem Verein zusätzlich 100 1.123 Talern stammten gut 50 Prozent aus reTaler. Nach Prinzessin Mariannes Tod 1846 gelmäßigen Mitgliedsbeiträgen. Während der übernahm bis 1864 Königin Elisabeth das beiden Festessen wurden 27 Prozent eingeProtektorat über den Verein“ (Reder, S. 114). nommen. Spenden, der Verkauf von HandAuch 1851 gewährte der König einen Vor- arbeiten und geschenkten Büchern brachten schuss, so dass bis 1863 weiterhin die Festes- gut 20 Prozent der Einnahmen“ (ebd., S. 111). sen stattfinden konnten (Reder, S. 114). – „Der Verein war demokratisch organisiert: Der Verein begleitete die Arbeit der Königl. Einmal im Monat sollten sich die Mitglieder Commission zur Errichtung und Ergänzung versammeln, ‚um von dem, was gethan und der dortigen Landwehr sowie die Ende 1814 vorgefalen, benachrichtigt zu werden‘. Sechs vom Magistrat gebildete Commission zur Vorsteherinnen, ein Kassenverwalter und ein Unterstützung der invaliden Freiwilligen und Sekretär wurden für ein Jahr gewählt, um Landwehrmänner, die ein hohes Spenden- ‚mit der Vollmacht, im Namen und für die aufkommen verwalteten und sich in größe- Gesellschaft […] zu handeln‘.“ (Ebd., S. 109). rem Umfang um die Bedürftigen kümmern Eine der Frauen war „Obervorsteherin“, die konnten: Die erste Commission versorgte vom anderen fünf „Mitvorsteherinnen“. Der Ehe1. August 1813 bis Ende August 1814 2.854 mann von Sophie Nüske, der als Sekretär Personen; die zweite hatte vom 1. Juni 1814 fungierte, war zugleich Mitglied der städtibis Dez. 1816 Einnahmen von 50.262 Talern. schen Invalidenkommission, die dem Verein Der wohltätige Privatverein kümmerte sich die Invaliden zuweisen sollte. „Der Rentier zwar wie die 1813 gegründeten Frauen-, und Stadtverordnete Plantier verwaltete 1814 Mädchen- und Männervereine um die Op- die Kasse. So war eine enge Verbindung zur fer der antinapoleonischen Kriege, doch ging Stadt garantiert“ (ebd., S. 109). – Die erste es ihm ebenso um eine Erinnerungskultur an „Obervorsteherin“ war vermutlich Friederidie Siege der preußischen Armee und ihrer ke Haendel; von 1818 bis 1832 fungierte Karoline Knapp als Vorsteherin. „Während einer Verbündeten. langwierigen Krankheit übernahm 1832 die Struktur und Organisation: Den Statuten Stadtratswitwe F. Seeger bis 1862 als Rendanentsprechend sollte jedes Mitglied sein ganzes tin bzw. Vorsteherin die Leitung des Vereins. Leben lang einen monatlichen Beitrag zah- Neben ihr fungierte die Kaufmannsfrau Thelen, „der zwar gering sein konnte, aber da- rese Wilhelmine „Minna“ Müller, geb. Elsfür auf jeden Fall gezahlt werden mußte, um holtz (L 1864), mindestens von 1838 bis 1864 die vom Verein beschlossenen Unterstützun- als Vorsteherin“ (ebd., S. 109 f.). gen langfristig garantieren zu können“ (Reder, S. 108 f.). Über Jahrzehnte konnten hohe Mitglieder: Der Verein strebte von Anfang und kontinuierliche Mitgliedsbeiträge einge- an eine überregionale Ausdehnung an und 700

(Berliner) Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz [FrauV3]

stand allen „unbescholtenen“ Frauen und Mädchen in Berlin sowie aus allen preußischen Provinzen offen. „Bei seiner Gründung bestand der Verein aus 50 bürgerlichen Frauen, bald waren es 80, und 1816 bereits 250“ (Reder, S. 108, S. 110); meist handelte es sich um unverheiratete Frauen. – Der erste Vorstand: Friederike Haendel; Sophie Nüske; Charlotte Granzow; Auguste Franke; Caroline Knapp; Friderike Ziegler; Herr Plantier (Rendant); Herr Nüske (Sekretär). – Weitere Mitglieder: Henriette Bielert; Dorothea Louise Braun; Auguste Buge; Eleonore Ebel; Louise Gain; Wilhelmine Gemmel; Maria Granzow; Sophie Hackenschmidt; Caroline Händel; Marie Händel; Friederice Hamann; Caroline Harder; Wilhelmine Hauer; Bertha Hoffmann; Louise Jacoubowsky; Amalia Kampfmeier; Dorothea Kochhann; Sophie Kröcher; Friederika Leolfinz; Amalie Lüdicke; Emilie Lüdicke; Charlotte Maske; Wilhelmine Merlon [oder: Merton]; Emilie Ohm; Henriette Otto; Louise Pahl; Wilhelmine Peters; Henriette Röseler; Caroline Rummelspacher; Wilhelmine Schäfer; Wilhelmine Schmetzer; Caroline Schwandt; Caroline Tanerés; Louise Tanerés; Wilhelmine Tanerés; Dorothea Vogt; Emilie Wagner; Caroline Wallroth; Emilie Wartenberg; Auguste Weber; Sophia Wernicke; Louise Wöllmer; Charlotte Zahn. Querverweise auf andere Vereine: Ein ähnlicher Verein zur Aufhülfe verlaßener SoldatenWittwen und Waisen bildete sich 1814 in Anklam (Stiftungstag 10. März 1814). – „Fast gleichzeitig mit der Auflösung des alten Frauenvereins gründete die Frau des Oberstleutnant v. Merkatz am 1. Dezember 1863 den Preußischen Frauen- und Jungfrauen-Verein, um ‚würdige Personen, welche der Hülfe bedürfen, durch Geschenke und Darlehen zu

unterstützen‘. […] Nach der Schlacht von Königgrätz plante der Verein, das Festessen des ‚früheren Vereins gleichen Namens‘ wieder ins Leben zu rufen und so den Jahrestag der Schlacht zu feiern. Bei den ersten Festessen waren sogar noch Veteranen von 1813 mit dabei“ (Reder, S. 114). Bibliographie: a) Quellen: GStA PK, I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 15607; Nr. 15614 (Gründung von Frauenvereinen in Berlin und in Anklam); Nr. 1968; Nr. 1969. – HStA Darmstadt, D22, Nr. 25/26. – Berliner Intelligenz-Blatt, 1814, No. 224, S. 3035; 1814, No. 286, S. 3947; 1815, No.  180, S.  2823; 1815, No.  236, S. 3704. – Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 329– 331. – Haude und Spenersche Ztg., Nr. 114 v. 22.9.1814; Nr. 151 v. 17.12.1814; Nr. 89 v. 27.7.1815; Nr. 102 v. 26.8.1815; Nr. 115 v. 26.9.1815; Nr. 119 v. 5.10.1815; Nr. 147 v. 9.12.1815; Nr. 152 v. 21.12.1815; Nr. 108 v. 7.9.1816; Nr. 108 v. 9.9.1817; Nr. 107 v. 5.9.1818; Nr.  116 v. 26.9.1820; Nr.  121 v. 9.10.1821. – Lisco, Friedrich Gustav: Das wohlthätige Berlin: geschichtlich-statistische Nachrichten. Berlin 1846. – Varnhagen von Ense, Karl August: Tageblätter. Hg. v. Konrad Feilchenfeldt. Frankfurt a. M. 2005 (Karl August Varnhagen von Ense: Werke in fünf Bänden. Hg. v. Konrad Feilchenfeldt, Bd. 5). – Vossische Ztg., Nr. 115 v. 24.9.1814; Nr. 113 v. 21.9.1815; Nr. 147 v. 9.12.1815; Nr. 149 v. 14.12.1815; Nr. 103 v. 27.8.1816; Nr. 106 v. 3.9.1816; Nr. 108 v. 7.9.1816. – b) Darstellungen: Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, besond. S. 108–114 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4). Uta Motschmann / Dirk Alexander Reder

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Verein teutscher Mädchen [MädV2] Name: Verein teutscher Mädchen; Verein „Der Name ‚Verein teutscher Mädchen‘ war Deutscher Mädchen [nicht identisch mit dem Programm: Als einzigem der Berliner Frau Deutschen Mädchen-Verein]. envereine ist bei ihm eine deutsch-nationaGründung: Juni 1815. le Orientierung deutlich spürbar, wie er auch Auflösung: Unbekannt. – Nach einem Be- als einziger Berliner Verein eine nennenswerricht in der Allgemeinen deutschen Frauen- te Anzahl auswärtiger Mitglieder hatte“ (ReZeitung war der Verein 1816 noch in „fort- der, S. 88). „Einen Bericht über sich schloß währender Erweiterung“ begriffen. der Verein mit dem Aufruf zu einer gesamtdeutschen Vereinsgründung“ (ebd.). Tätigkeiten und Organisation: Der zweite große Berliner Mädchenverein wurde im Juni Mitglieder: a) Allgemeines: „Der Verein zähl1815 von den drei Töchtern der Majorin v. te in Berlin neben den fünf Vorsteherinnen Barfuss, Henriette, Wilhelmine und Augus- weitere 85 Mitglieder (darunter viele Schweste, zusammen mit zwei Freundinnen, der Sän- ternpaare) und wenigstens elf auswärtige Frauen, gerin Doris Jahn aus Schwerin in Mecklen- also mindestens 101 Mitglieder. Von den Berliburg und Friederike v. Gerlach aus Ballenstedt nerinnen waren ein knappes Drittel adlig, unter in Anhalt-Bernburg, gegründet, um einzel- den elf Auswärtigen fanden sich nur vier bürgerne „durch den Krieg verunglückte Familien liche ‚Demoisellen‘, dafür einige hochadlige DaDeutscher Vaterlandsvertheidiger“ wirkungs- men, wie die Fürstin-Mutter v. Sch[war]z­burgvoll zu unterstützen. Der Plan wurde anderen Sondershausen mit ‚sämtlichen Damen ihres Freundinnen der Familie in- und außerhalb Hofes‘, Fürstin und Prinzessin Reuß und die Berlins bekannt gemacht. Die Mädchen sam- Prinzessin Luise v. Anhalt-Bernburg, verwitmelten „Handarbeiten jeder Art“ und stell- wete Fürstin von Anhalt-Zerbst“ (Reder, S. 86). ten diese öffentlich zum Verkauf aus. Spenden „Außer den Mitgliedern arbeiteten 44 ‚Sammlekonnten täglich von 9 bis 13 Uhr an der Kont- rinnen‘ in Berlin und anderen deutschen Städrescarpe und Prenzlauerstraßen-Ecke 52 abge- ten für den Verein, an ihrer Spitze die Prinzesgeben werden. Jede Teilnehmerin erhielt nach sin Radziwill“ (ebd., S. 87). – b) Mitglieder in Ablieferung einer ersten Gabe eine Karte mit Berlin: Frl. Henriette, Wilhelmine und Aueinem Eichenkranz als Zeichen der Aufnahme guste v. Barfuß; Frl. Doris Jahn; Frl. Friederiin den Verein. Unter dem Schutz hoher Pro- ke Gerlach; Frau Majorin von Arnauld; Frau tektorinnen (Prinzessin Marianne von Preu- Bankier Döring; 2 Demoiselle Schließer; 2 ßen; Prinzessin Charlotte) gingen nach einem Demoiselle Zelter; 3 Demoiselle Oppenheim; öffentlichen Aufruf in den Berliner Zeitungen Demoiselle Julie Wagner; Demoiselle Köppen; (u. a. Haude und Spenersche Ztg., Nr. 80 vom Frl. v. Schwichow; Frl. von Götz; Frl. v. Liptay; 6.7.1815) mehrere Hunderte von Arbeiten ein, Frl. v. Treuenfels; Frau v. Held; Frau v. Schöderen Verkauf große Geldbeträge erbrachte. In nermarck; Frl. v. Lindenfels; Frl. v. Mengden; Schwerin organisierte die durch Zelter ausge- Demoiselle Wendt; Demoiselle Biester; 2 Debildete Sängerin Doris Jahn am 18. Oktober moiselle Gentz; Demoiselle Neuhauß; Demoi1815, anlässlich des Jahrestages der Schlacht bei selle Julie Wilmsen; Demoiselle Pfitzmann; Leipzig, zusammen mit der großherzoglichen Demoiselle Meyer; 2 Demoiselle Schoch; Frl. Kapelle aus Ludwigslust und dem Schweriner v. Wedell; 2 Demoiselle Rellstab; Frl. v. Wranmusikalischen Verein ein Konzert, dessen Er- ke; Demoiselle Trautner; Frl. Alexandrine v. lös den Familien verunglückter Soldaten in Hain; Demoiselle Pfeffer; Demoiselle ZwiBerlin und Schwerin zugute kam. cker; Demoiselle Auerswald; Demoiselle Herz702

Verein teutscher Mädchen [MädV2]

berg; Demoiselle Gedicke; Demoiselle Braun; Demoiselle Flemming; Frl. v. Hardt; 2 Frl. v. Winterfeld; Frl. Henriette v. Lichnowsky; Demoiselle Markuse; 2 Demoiselle Schmalz; Madame Eben; Madame Patzig; Madame Ber­ tram; Demoiselle Gericke; Demoiselle Melter; Demoiselle Leo; Demoiselle Itzig; Demoiselle Henriette Engel; Demoiselle Mentheim; Demoiselle Kreutz. – c) Mitglieder zu Arnstadt: Ihro Durchlaucht die Fürstin-Mutter von Schwarzburg Sondershausen u. sämtliche Damen ihres Hofes; Mathilde v. Schlegel. – d) Mitglieder in Ballenstedt: Prinzeß Louise von Anhalt-Bernburg; Demoiselle Karoline Brehm (Brahm?); Demoiselle Sophie Pietscher; Frau v. Seydlitz; 2 Demoiselle Starke. – e) Mitglieder in Slaitz [Schleiz?]: Ihro Durchlaucht die Fürstin Reuß; Ihro Durchlaucht Prinzessin Reuß. – f) Mitglied in Stettin: Frau v. Loos. – g) Mitglied in Mühlhausen: Frl. Emilie v. Heringen. – h) „Mitglieder in Berlin, welche schon beigetragen und zwar an Arbeiten“: Madame Hesse; Frau Direktorin Schmidt; Frl. Nannette v. Legort; Frl. Henriette v. Barfuß; Frau Generalleutnant v. Treuenfels; Frau v. Urquijo; Frau v. Halle; Frau v. Halle [sic]; Madame Beneke; Frl. Wilhelmine v. Barfuß; Demoiselle Auguste Rackmann; Frau Generalleutnant Gräfin v. Kuhnheim; Frau Prediger Wilmsen; Demoiselle Lisette Boquet; Demoiselle Charlotte Otto; Demoiselle Salomon; Demoiselle Caroline Concha; Frau v. Gautier; Frau v. Stranz. – i) „Mitglieder in Berlin, welche an Gelde beitrugen“: Frau v. Uttenhoven; Demoiselle Caroline Weimann(?); Frau Obristin v. Pröck. – Sammlerinnen in Berlin: Ihre Königl. Hoheit Prinzessin Radziwill; Frl. v. Wildermuth; Frl. v. Uttenhofen; Demoiselle Müller; Demoiselle Genz; Frau v. Gautier; Frau von Strantz; Demoiselle Gericke; Demoiselle Hartung; Demoiselle Otto; Demoiselle Adelheit Zelter; Frau Bankier Heße; Frau Bankier Liebmann; Demoiselle Emilie Wagner; Demoiselle Auguste Gries; Frl. v. Maltitz; Demoiselle Pischon; Frau Prediger Wilmsen; Frau

Doktorin Schmidt; Frau v. Urquijo; Frl. v. Treskow; Demoiselle Köppen; Demoiselle Brömel; Demoiselle Amalie Promoli; Demoiselle Henriette Baldemann; Demoiselle Therese Kayser; Frl. v. Pelkowsky; Demoiselle Oppenheim; Demoiselle Riedel; Demoiselle Klage; Demoiselle Kolbe; Demoiselle Meyer. – Weiterhin 12 Sammlerinnen in Zerbst, Pichelsdorff, Potsdam, Mühlhausen, Hamburg, Ballenstedt, Arnstadt, Reideburg bei Halle und in Prenzlau (HStA Darmstadt, D 22, Nr. 22/26, Bl. 206–208). Querverweise auf andere Vereine: Der Verein teutscher Mädchen wurde oft mit dem  Mädchenverein vom 20. April verwechselt. Eine angestrebte Vereinigung mit diesem lehnte er kategorisch ab; mit Genehmigung der Prinzessin Marianne konnte er seine Eigenständigkeit behalten. Der Verein „nahm anders als der ältere ‚Mädchen-Verein‘ auch verheiratete Frauen auf und organisierte offenbar höhere Schichten, es gab also einen sozialen Unterschied. Außerdem betonten die ‚teutschen‘ Mädchen stets ihre überregionale Ausdehnung und stärker als der ältere Verein den patriotischen Aspekt ihrer Arbeit“ (Reder, S. 87 f.). Bibliographie: Ungedruckte Quellen: HStA Darmstadt, D22, Nr. 25/26, Bl. 206–208 (Mitgliederliste). – Gedruckte Quellen: Allgemeine deutsche Frauen-Zeitung. Hg. v. Fr. Keyser und Dr. J. M. Laubling, Erfurt, 1 (1816), S. 4 (3.1.1816) und 2 (6.1.1816). – Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 335. – Haude u. Spenersche Ztg. Nr. 80 v. 6.7.1815; Nr. 11 v. 30.9. 1815; Nr. 118 v. 3.10.1815; Nr. 141 v. 25.11.1815. – Vossische Ztg. Nr. 133 v. 7.11.1815; Nr. 134 v. 9.11.1815; Nr. 147 v. 9.12.1815. – Forschungsliteratur: Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, besond. S. 86–88 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4). Uta Motschmann / Dirk Alexander Reder 703

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Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison [WohltV2] Name: Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison und deren Wittwen und Waisen; Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Jahren 1813, 1814 und 1815 verwundeten Berliner Krieger; Vaterländischer Verein zur Verpflegung Berliner Krieger; Patriotischer Frauenverein; Vaterländischer Frauenverein für hülfsbedrüftige Krieger; Verpflegungs-Anstalt für verwundete Krieger aus den Jahren 1813, 1814 und 1815; Patriotisches Institut. Gründung: 23. November 1814 (nach königlicher Genehmigung vom 8. November 1814). – Da anfangs ein geeignetes Lokal fehlte und es Abgrenzungsschwierigkeiten zu ähnlichen städtischen Einrichtungen gab, konnte der Verein nur vorbereitend, aber noch nicht tätig wirksam werden, sondern erst nach längeren Verhandlungen mit Stadt und Ministerium im September 1815 „seine wohlthätige Wirksamkeit nunmehro“ anfangen. Bestand: Über das Ende des Vereins ist nichts bekannt. Bis 1845 sind noch Zahlungen belegt. „Möglicherweise stellte er mit dem Tod von Prinzessin Marianne 1846 seine Arbeit ein“ (Reder, S. 67). Sitz: Dem Verein stand nie ein eigenes Haus zur Verfügung. Die Invaliden sollten sich bei Hauptmann v. Rentzell in der Laufgasse 4 melden. Geschichte und Programmatik: Das Programm des am 8. November 1814 durch den König genehmigten Vaterländischen Frauenvereins wurde am 26. Juni 1815 von Prinzessin Marianne von Preußen, die bereits für den  Ersten Frauenverein verantwortlich zeichnete, öffentlich bekanntgemacht. Der König bezeugte dem „patriotischen Eifer“ sein „Höchste[s] Wohlgefallen“. Zu den Stiftern gehörten adlige wie auch bürgerliche Männer und Frauen, darunter die vielfach 704

in Wohltätigkeitsvereinen tätige Bankierswitwe Henriette Fetschow. Auch Juden, wie die Bankiersfamilie Herz Beer, die Bankiersfrau Henriette Mendelssohn sowie Moses Mendelssohns Tochter Recha Meyer, gehörten zu den Initiatoren und tätigen Mitgliedern. Unter dem Protektorat von Marianne von Preußen, die „einen Vereinigungspunkt […] für alle Klassen“ etablierten wollte, machte es sich der unter dem Vorsitz der Gräfin Antoinette v. Arnim und des Legationsrats v. Kamptz stehende Wohltätigkeitsverein zur Aufgabe, „die verwundeten Krieger der Berliner Garnison vollständig zu ernähren und zu verpflegen, so wie sie auch diejenigen Berliner Landwehrmänner und Freiwilligen, welche von der zu ihrer Verpflegung bestehenden Behörde werden vorgeschlagen werden, bereitwillig und gern aufnehmen wird“ (Kurze Uebersicht des Plans zur Verpflegungs-Anstalt, 1815, Punkt 1). Dafür sollten in den Berliner Bezirken Spenden gesammelt werden, wobei die Arbeit der Sammler genau geregelt war. Der Verein hatte mit beträchtlichen Startschwierigkeiten zu kämpfen: Da bereits „eine städtische Kommission für denselben Zweck existierte, die allerdings nur Freiwillige und Landwehr und nicht die regulären Soldaten unterstützen sollte“, befürchtete man, dass sich die Organisationen gegenseitig behindern und mehrere Spendenaufrufe zum gleichen Zweck wenig einbringen würden (Reder, S. 60); außerdem fehlte ein geeignetes Haus. Das Taktieren der Stadtverordneten und des Innenministeriums wie auch das Beharren der Vereinsmitglieder auf Eigenständigkeit und Autonomie beschreibt Reder, S. 60–63. „Ende Juni 1815 veröffentlichte der Verein einen veränderten Plan des vaterländischen Vereins. Aus dem ‚Patriotischen Institut‘ war nun ein ‚Vaterländischer Verein‘ geworden. Statt städtischer Sammler sollten nun Kirchendiener die Spenden einsammeln und dem Rendanten des Ver-

Vaterländischer Verein zur Verpflegung der … hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison [WohltV2]

eins, dem Bankier Herz-Beer, abliefern“ (Reder, S. 63). Am 2. Juli 1815 erließ „die Berliner Geistlichkeit aller Confessionen und Kirchen“ einen entsprechenden Spendenaufruf. Die Gesamteinnahmen des Vereins beliefen sich vom 1. Juli, dem Beginn der Sammeltätigkeit, bis Dezember 1815 auf 14.809 Taler, wovon „70 invaliden Vaterlands-Vertheidigern“ Unterstützung gewährt werden konnte. In dieser Summe waren auch über 2.000 Taler enthalten, die der  Erste Frauenverein durch den Grafen v. der Gröben sowie 1.000 Taler nebst 100 Lagerstellen, die der  Verein

für das Privatlazareth in der Friedrichsstraße No. 101 durch die Generalin v. Sobbe überwiesen hatten. Ab Dezember 1815 konnten auch Witwen und Waisen gefallener Soldaten der Berliner Garnison unterstützt werden. In den drei Jahren von Juli 1816 bis Juli 1818 verwandte der Verein ca. 34.000 Taler zur Unterstützung von Invaliden, Witwen und Waisen. Im August 1818 waren es noch 157 Invaliden und 245 Witwen und Waisen, die auf eine Unterstützung Anspruch hatten. Außerdem versorgte der Verein durch außerordentliche Hilfsquellen noch erblindete Krieger, deren staatliche Unterstützung unzureichend war, die jedoch nicht zur Berliner Garnison gehörten (1816/17: 611 Reichstaler für 59 Blinde; 1817/18: 598 Reichstaler für 64 Blinde). „Alle diese Leistungen […] hat der Verein bis jetzt, theils durch bestimmte milde Beiträge, theils durch Konzerte und theils durch öffentliche Kunst- und Industrie-Ausstellungen mit großer Anstrengung zu bewirken gesucht, ohne die mindeste Beihülfe vom Staate dazu zu erhalten“ (Pro Memoria von Amalie Beer, 19. August 1818 – GStA PK, I. HA, Rep. 74, Nr. 15, Bl. 14–15). Noch 1844/45 unterstützte er mit einer Gesamtsumme von 2.556 Talern 41 Invaliden, 54 Witwen und 57 erblindete Soldaten. „Der Vaterländische Verein war wegen seiner engen Verbindung zu Marianne, seiner hochrangigen Mitglieder und indem er öffentliche Aufgaben übernahm der ‚offiziellste‘ der Berliner Frauenvereine. Durch seine Bindung

an die Kriegsopfer war seine Lebensdauer letztlich begrenzt. Anders als andere Frauenvereine scheint er sich nie nach neuen Aufgaben umgesehen zu haben“ (Reder, S. 68). Struktur und Organisation: Der Vorstand tagte anfangs wöchentlich, dann 14-tägig (immer donnerstags), schließlich monatlich und später nur noch zwei bis vier Mal im Jahr (Reder, S. 59, 63). Die Mitglieder entrichteten monatliche Beiträge, die jedoch nur einen Teil der Ausgaben abdecken konnten. Die Kontribuenten gliederten sich in zwei Klassen: die erste zahlte wöchentlich, die andere monatlich zwei Groschen. Die Beiträge durften „2 schlechte Groschen wöchentlich oder monatlich“ nicht übersteigen; es konnte jedoch für mehrere Personen gespendet werden. Gelder flossen dem Verein u. a. auch durch Kunstausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen, durch Kirchenkollekten, Spenden von außerhalb und durch Nachlässe, auch durch sich auflösende Berliner Frauenvereine zu. „Carl Maria v. Weber, damals Direktor der Prager Oper, veranstaltete 1816 am Jahrestag der Schlacht von Waterloo eine ‚Musikalische Akademie‘ zugunsten des Vaterländischen Frauenvereins. Prof. Gubitz arrangierte 1817 und 1840 eine Ausspielung der Generallotteriedirektion zugunsten des Frauenvereins“ (Reder, S. 65). Nach einem anfänglich hohen Spendenaufkommen bis 1816/17 sanken die Einnahmen zusehends und die Unterstützungsleistungen mussten zunehmend eingeschränkt werden. „Immer wieder mußte gebeten, gebettelt und ermuntert werden, und doch klaffte die Schere zwischen den selbstgestellten Aufgaben und den eigenen Mitteln immer weiter auseinander“ (Reder, S. 67). Mitglieder: a) Vorsteher: Patronat („Präsiden­tin“): Prinzessin Marianne v. Preußen. – Ehren-Vorsteher: Generalfeldmarschall Fürst Blücher von Wahlstatt. – Vorsteher: verwitwete Geh. Staatsrätin Gräfin Antoinette v. Arnim („Vorsteherin der weiblichen Adminis­ 705

10  Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine

tration“); nach deren Tod 1818 die verw. Generalin Oberhofmeisterin v. L’Estocq, geb. v. Koppelow; Geh. Legationsrat Karl Christoph Albert Heinrich v. Kamptz („Vorsteher der Direktion“; er war nach den Befreiungskriegen führend an der sogenannten „Demagogenverfolgung“ beteiligt); Bankier Jacob Herz-Beer („Cassierer“, unterstützt von seinem Buchhalter Bleichröder); Bankier W. Broose („Controlleur“); Kaufmann Franke („Secretair“); Major v. Schreiber („Inspecteur“). – „Verwalterinnen der Verpflegungs-Anstalt“: Hofdame Frl. Charlotte v. Bischoffswerder; Frl. Julie v. Röpert; Bankiersfrau Amalie Beer, geb. Liepmann; Bankiersfrau Henriette Mendelssohn, geb. Mayer; Bankierswitwe Henriette Fetschow, geb. Maue; Sophie Kramer (vorher beim  Frauenverein für das Lazareth am Schlesischen Tor); Frau Prof. Luise Spalding, geb. Müller; die ehemalige Hof- und Kammerfrau Frl. Elisabeth Rhode. – b) weitere Mitglieder: Frl. Johanna v. Drewitz; Prof. Gubitz; Assessor Liepmann Schlesinger; Brigadeprediger Mann; Recha Meyer, geb. Mendelssohn; Hauptmann v. Rentzell; Präsidentin Wilhelmine v. Scheve, geb. v. Leskow; Frau v. Schuckmann (Frau des Innenministers); Frl. Türk; Generalinspektor Weymann. – Ehrenmitglieder: Majorin v. Budberg, geb. v. Sobbe; Oberkonsistorialrat Propst Ribbeck. Der Verein zählte 1818 20 Mitglieder, „von denen einige gleichzeitig dem Verein für das Damenlazarett angehörten“ (Reder, S. 58f.). Eine enge Zusammenarbeit bestand mit den Berliner Predigern, vor allem mit Propst Ribbeck und Brigadeprediger Friedrich Mann. Querverweise auf andere Vereine: Der Verein war personell und hinsichtlich seiner Aufgaben eng verbunden mit dem  Frauenverein für das Lazareth am Schlesischen Tor und dem 

Verein für das Privatlazareth in der Friedrichsstraße No. 101. – Ein Frauenverein mit einem ähnlichen Zweck, „die Leiden kranker und verwundeter Krieger zu mildern, ihre zurückgelaßnen 706

Frauen und Kinder zu unterstützen, und selbst für manches Bedürfniß des im Felde stehenden Streiters zu sorgen“, gründete sich 1815 in Minden (GStA PK, I. HA Rep. 74, Nr. 15, Bl. 1–5). Bibliographie: a) Archivalien: GStA PK, I. HA Rep. 74 Staatskanzleramt O. R Nr. 15: Acta betreffend: die vaterländischen Vereine zur Verpflegung der, in den Feldzügen von 1813/15, hülflos gewordenen Krieger. – GStA PK, I. HA Rep. 74 Staatskanzleramt Nr. 13: Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers betreffend: die BücherLotterie des Professors Gubitz, zum Besten des vaterländischen Vereins. – HStA Darmstadt D22, Nr. 26/1, Bl. 166–256 (107 Vorstandssitzungsprotokolle); weiterhin befinden sich im Nachlass von Prinzessin Marianne noch andere Vereinsmaterialien, u. a. Bl. 401f. (Kurze Uebersicht des Plans zur Verpflegungs-Anstalt für verwundete Berliner Krieger aus den Jahren 1813 und 1814 unter dem Namen des Patriotischen Instituts). – b) Literatur: Berliner Intelligenz-Blatt, 1815, No. 156, S. 2465; No. 157, S. 2481; Nr. 285, S.  4461. – Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Ztg.) Nr. 55, 9. Mai 1815; Beilage zum 85. Stück vom 18. Juli 1815; Nr. 96 v. 12. August 1815; Nr. 142 v. 28. November 1815. – Gubitz, Friedrich Wilhelm: Erlebnisse. Nach Erinnerungen und Aufzeichnungen. Bd. 2, Berlin 1868, S. 69–72. – Gubitz, Friedrich Wilhelm (Hg.): Gaben der Milde. Berlin 1817–1818 (4 Bände). – Gurlt, Ernst Julius: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 331–334. – Lisco, Friedrich Gustav: Das wohlthätige Berlin: geschichtlich-statistische Nachrichten. Berlin 1846. – Reder, Dirk Alexander: Frauenbewegung und Nation. Patriotische Frauenvereine in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830). Köln 1998, besond. S. 57–68 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung, Bd. 4). Uta Motschmann / Dirk Alexander Reder

11  Ressourcen / Geselligkeitsvereine

Ende des 18. Jahrhunderts entstanden in Deutschland in großer Zahl gesellige Vereinigungen, die Namen wie Club, Casino, Harmonie, Erholungsgesellschaft, Museum oder Ressource trugen, wobei die Bezeichnungen synonym gebraucht wurden. Sie hatten ihre Vorbilder meist in den englischen Debattierklubs, den „disputirenden Gesellschaften“, wie sie Johann Georg Krünitz in der Oekonomische Encyklopädie nannte. Erholungs- und Harmonie-Gesellschaften waren auch in Berlin zu finden, bedeutender und langlebiger als hier waren jedoch die Harmonie-Gesellschaften in Leipzig, Dresden, Hamburg, Bayreuth oder Bochum. Die Leipziger Harmonie wurde 1776 als bürgerliche Vereinigung von Kaufleuten, Gelehrten, Beamten und Künstlern ins Leben gerufen. Die Gesellschaft hatte sich als erstes Ziel gesetzt, „zur Linderung unverschuldeter Armut“ beizutragen, wozu jahrzehntelang sogenannte Armenkonzerte durchgeführt wurden. Die Gesellschaft Harmonie in Dresden, 1786 als Rieschische Gesellschaft initiiert, spielte als Klub des Bildungsbürgertums eine bedeutende Rolle im Musikleben der Stadt (vgl. Petrick). Die 1789 gegründete Gesellschaft Harmonie in Hamburg war um die Jahrhundertwende der größte und bekannteste Geselligkeitsklub in der Handelsstadt. Die Bayreuther Harmonie tagte von ihrer Gründung 1803 bis 1805 im „Casinosaal“ des alten Schlosses, den Staatsminister v. Hardenberg der Gesellschaft unentgeltlich überlassen hatte. Sie war täglich geöffnet, so dass den Mitgliedern jederzeit die wichtigsten Zeitungen und Journale zur Verfügung standen. Die 1817 gegründete Harmonie in Bochum war aus einer Lesegesellschaft „der guten Gesellschaft“ hervorgegangen. Sie ist bis heute ein gesellschaftlicher Mittelpunkt der Stadt. Berühmtheit erlangten auch die Erholungsgesellschaften in Leipzig oder in Mönchengladbach. Letztere wurde 1801 gegründet, während die Stadt französisches Staatsgebiet war. Diese keine Vollständigkeit beabsichtigende Aufzählung zeigt die fast flächendeckende Entstehung geselliger Vergnügungs- und Erholungsgesellschaften, in die sich die Berliner Gründungen einreihen. Eine Harmoniegesellschaft wird in Berlin 1799 erwähnt; Näheres ist allerdings nicht überliefert. Gleiches gilt für die Erholungs-Gesellschaft, die für die Jahre 1799 bis 1816 nachweisbar ist. Auch für die  Casino-Gesellschaft sind keine Vereinsmaterialien aus der Gründungszeit überliefert, dafür ist jedoch die spätere Vereinsgeschichte umso genauer dokumentiert. In Berlin war für gesellige Vereine und ihre Lokale die Bezeichnung Ressource gebräuchlich. Ressourcen waren neben den Logen die häufigsten und beliebtesten Geselligkeitsformen, zu denen im Gegensatz zu allen anderen Assoziationsformen häufig auch Frauen und Kinder Zutritt hatten. Daneben gab es geschlossene Männergesellschaften zum 707

11  Ressourcen / Geselligkeitsvereine

Genuss „vernünftiger“ geselliger Vergnügungen und zur Erweiterung gemeinnütziger Kenntnisse. War in den anderen Vereinsformen das Kartenspiel verboten (nur das Schachspiel war erlaubt), boten die Ressourcen vielfältige Möglichkeiten für Karten- und Brettspiele, für Billard und Kegeln. Auch das Tabakrauchen, in anderen Vereinigungen meist verboten, war in einigen Ressourcen gestattet. „Die Ressourcen waren gesellige Klubs, die Häuser oder Wohnungen gemietet hatten, welche ihren Mitgliedern, den von ihnen eingeführten Gästen und an gewissen Tagen auch den Familien der Mitglieder offenstanden. Die Ressourcen boten neben Essen und Trinken Annehmlichkeiten wie Lesezimmer für Journale und Zeitungen, Billards, Kartenspiel; einige veranstalteten regelmäßig Konzerte, manche auch Bälle und Theateraufführungen, eine Ressource gab sogar Feuerwerke. Mehrere Ressourcen hatten im Sommer einen Garten in den Vorstädten angemietet“ (Maurice, S. 154). „Wer Anspruch auf Bildung machen wollte, mußte Mitglied einer solchen Ressource sein. Die Männer fanden dort ihre Spielpartie, die Frauen ihre Unterhaltung, das junge Volk Gelegenheit zur Anknüpfung von Liebeshändeln, im Winter war für Bälle, im Sommer für andere Vergnügungen hinlänglich gesorgt. In den Ressourcen wurde auf den Stand meist streng gehalten, das Casino in der Charlottenstraße 31 nahm nur vornehme Adlige als Mitglieder auf. In anderen Ressourcen vereinte sich der höhere Beamtenstand, wieder in anderen die niederen Beamten und die Kaufleute“ (Streckfuß, S. 465 f.). Zwischen den zahlreichen parallel existierenden Ressourcen scheinen keine besonderen Verbindungen bestanden zu haben, weder besuchte man sich gegenseitig, noch nutzte man gemeinsam bestimmte Lokale oder Gärten. Jede Ressource war ein abgeschlossener, ständeabhängiger Privatverein. Regelmäßig wurden die Ressourcen in den zeitgenössischen Berlin-Beschreibungen erwähnt, was ihre große Bedeutung und Anziehungskraft für Besucher unterstreicht. Auch die Presse nahm sich des Themas an und wies besonders auf die angebliche Schädlichkeit solcher Vereinigungen hin. Denn die Bürger würden nicht mehr zu Hause ihre Mahlzeiten einnehmen, sondern in einer Ressource unnötig Geld ausgeben. Besonders seien die Ressourcen der niederen Stände bedenklich, da dort keine Bildung vorhanden sei und die Spielsucht gefördert werde. Als kritischer Beobachter dieser Entwicklung sei Wolf Davidson mit seinen Briefe[n] über Berlin aus dem Jahr 1798 zitiert: „Es sind hier eine Menge Rezourcen, wo ein Fremder, wenn er einmal eingeführt ist, immer freien Zutrit hat. […] Der Ton der hier in Gesellschaften herrscht, ist äußerst verschieden, denn alles, vom Copisten bis zum Minister, vom Junker bis zum General, vom niedrigsten Handwerker bis zum größten Fabrikanten besucht Gesellschaften. […] In den übrigen Gesellschaften ist das Spiel an der Tagesordnung. […] man hält Rezourcen, stiftet Klubs, schließt Sozie­ täten, ist Mitglied von Harmonien und Melodien – um zu spielen; sogar die Freimaurer halten ihre Logen – um zu spielen […]. In meinem vorigen Briefe erwähnte ich der Rezourcen die hier sind. Du kannst dir nicht denken, welche Menge man hier findet. So wie man ehemals hier in jeder Straße eine Tabagie fand mit gutem Braun- und Weißbier, so häufig findet man jetzt Rezourcen. Ich fand, daß diese Menge von Rezourcen nach­ theilige Folgen haben. Ich weiß wohl daß es den höhern Ständen, angesehenen Beamten, 708

11  Ressourcen / Geselligkeitsvereine

Gelehrten, Künstlern Kaufleuten nützlich und angenehm ist, Stunden ihrer Muße in Geselligkeit und geistreicher Unterhaltung zuzubringen. Es nähert die sonst getrennten und verschiedenen Stände, und durch Mittheilung von Ideen, entsteht Verbesserung derselben. Würklich sind einige Rezourcen Muster hierin, und vor allen die Georgische. Aber wenn nun alles zu Rezourcen wird? Wenn niedrige Beamte, Kleinkrämer, Handwerker, Rezourcen bilden, die doch nicht gebildet genug sind, sich durch Geistesnahrung zu unterhalten, sondern sich mehr für das körperliche verwenden, und Essen und Trinken, und Tanz und Spiel miteinander abwechseln lassen? Ist dies, so haben sie einen sehr schädlichen Einfluß. Ehemals ging der Mann der des Tages über gearbeitet hatte zu Bier und verzehrte einige Groschen, jetzt aber geht man in die Rezourcen, Frau und Kinder gehen mit, man ißt mit der ganzen Familie Abendbrot und es kostet zehnmal so viel […] Wenn du hier wärest und sehest, wie der Vater und die Mutter sich in den Ressorcen divertiren, bey Karpfen, Kälberbraten und Pflaumen, beym Medoc und Rheinwein sich wohl seyn lassen […]“ (Davidson, S. 2–3, 9–10, 15–17). – Ohne moralischen Fingerzeig schildert Friedrich Nicolai die geselligen Vereinigungen in Berlin: „Sogenante Ressourcen und Clubs, welche zur Unterhaltung geschlossener Gesellschaften bestimmt sind, sind verschiedene. […] Fremde können in solche durch Mitglieder eingeführt werden. […] Hazardspiele sind verboten. Unter den Commerzspielen sind Whist, l’Hombre, Tarok, Tresette, Pikett und Boston die gewöhnlichsten Spiele. Schach und Toccadille wird auch viel gespielet, und finden sich sonderlich im ersten Spiele starke Spieler“ (Nicolai, 1786, S. 956 f.). Auch die folgenden Auszüge aus Beschreibungen Berlins zeigen, dass Ressourcen und vergleichbare Vereinigungsformen in Berlin Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts allgegenwärtig waren und alle Stände umfassten: Johann Daniel Philipp Rumpf bemerkte 1793: „Ressourcen oder geschlossene Gesellschaften, wo man Journale und Zeitungen lieset, spielt, ißt und trinkt, findet man unzählige in Berlin. […] Wer nur einige Bekanntschaft hat, kann überall leicht durch Mitglieder eingeführt werden“ (Rumpf, S. 155 f.). Sogar in der Medicinischen Topographie von 1796 fanden sie Erwähnung: „Clubs, Ressourcen, Caffeehäuser und Tabagien, sind der gewöhnliche Versammlungsort der verschiedensten Stände und eine grosse Anzahl unserer Einwohner bringt seine Abende beim Spieltische oder unter Gesprächen dort zu.“ Deren Verfasser Ludwig Formey teilte zugleich mit, dass Juden „der Eintritt in allen Ressourcen versagt ist“ (Formey, S. 93). Juden gründeten deshalb ihre eigenen Ressourcen (siehe dazu unter  Vereine in der jüdischen Gemeinde). Johann Christian Gädicke bestätigte 1806, dass in Berlin „fast Jedermann, welcher auf eine gewisse Bildung Anspruch machen will, Mitglied irgend einer Ressource zu seyn pflegt. Die öffentlichen Abendgesellschaften, besonders in den Coffeehäusern, haben durch die Entstehung und Vermehrung der Ressourcen, sehr verloren“ (Gädicke, 1806), konnte doch „das kommerzielle Angebot der Kaffeehäuser, Billards, Tabagien usw. nicht alle Bedürfnisse befriedigen“ (Maurice, S. 155). Anders als die von Gastwirten betriebenen kommerziellen Unternehmungen waren die Ressourcen auf Freizeitgestaltung spezialisierte, „nach dem Mehrheitsprinzip selbstverwaltete, selbsttragende Gesellschaften, die Teilnehmer Konsumenten und Produzenten zugleich“ (ebd.). 709

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In den Berliner Polizeiakten sind für Januar 1790 zwölf Ressourcen verzeichnet, wobei die Zahl in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten ständig zunimmt (genannt werden u. a. zwei in der Heiliggeist-Straße: die sogenannte Gelehrte Ressource und Ressource verschiedener Stände; zwei auf der Schloßfreiheit im Palmiéschen Haus und im Audibertschen Haus; eine in der Rosenstraße im Corsicaschen Haus; zwei in der Linden-Allee; eine in der Taubenstraße bei Latomus; eine in der Neuen Kommandantenstraße; eine in der Neuen Grünstraße; zwei in der Lehmgasse) (BLHA Potsdam, Acta, Pr. Br. Rep. 30 A Polizeipräsidium Berlin 383). Zum Vergleich: in Potsdam gab es 1799 lediglich zwei Ressourcen (in der Nauenschen Straße und an der Nauenschen Brücke); 1816 nennt Nicolai drei Potsdamer: „Es giebt ein Kassino am Kanal im Wernerschen Hause, eine Civilressource in der Hoditzstraße, und eine Ressource von jungen Kaufleuten am Wilhelmplatz“. Von einem Großteil der Berliner Ressourcen sind keine Vereinsmaterialien überliefert. Sie lassen sich aufgrund der häufig wechselnden Adressen und der Namensumschreibungen oftmals nur schwer identifizieren. Im Untersuchungszeitraum konnten folgende Ressourcen ermittelt werden, wobei die Liste ergänzungsbedürftig ist, da nur die größeren, über einen längeren Zeitraum existierenden bzw. sich durch ein angesehenes Mitgliederensemble auszeichnenden geselligen Vereinigungen in den zeitgenössischen Drucken nachgewiesen sind: 1. Die vermutlich früheste Erwähnung einer Berliner Ressource findet sich im Tagebuch eines Bremer Kaufmanns von 1777. Sie wird nur „die Resource“ genannt, was vermuten lässt, dass zu dieser Zeit in Berlin nur eine große Ressource existierte: 6. November 1777: „Um 5 Uhr führte uns Herr Börger in einer Gesellschafft, die Resource ge­nandt, die jetzo aus 90 Mitgliedern bestehet und mit der Leipziger Harmonie eine große Gleichheit hat. Es war daselbst unter andern Herr von Wöllner, der junge Herr Schütze und Herr Crey, dem wir in Leipzig hatten kennen gelernt. Ich spielte mit Herrn Börger und noch ein Freundt L’ombra […]. Um 8 Uhr verfügten uns wieder zu Hauße“. – 19. November 1777: „Des Abends um 5 Uhr gingen Fischer und ich nach der Ressourse, wo ich hinwiederum eine starcke Gesellschafft vorfand. Ich spielte mit Fischer und Herrn Regierungs Rath Stielke also L’ombre und gewan von Fischer ca. 10 Rt. Wir spielten den Pleck [= Fleck, Punkt] zu 8 Gr., die Bethen [=Strafeinsätze] aber stiegen hoch“ (Klaus Schwarz: Ein Berlin-Besuch vor 200 Jahren. Aus dem Tagebuch eines Bremer Kaufmanns von 1777. In: Der Bär von Berlin, 26, 1977, S. 48, 54). 2. Die  Ressource zur Unterhaltung (Therbusch’sche Ressource) (gegr. 1784). 3. Die  Casino-Gesellschaft (gegr. um 1786). 4. Die sogenannte  Palmiésche Ressource (auch: Große Ressource) (gegr. ca. 1786). 5. Die gelehrte Ressource, Heiliggeist-Straße (erwähnt 1790). – Möglicherweise identisch mit der Ressource des Predigers Karl August Reinhardt in der Heiliggeist-Straße, in der auch Schleiermacher (als entfernter Verwandter des Predigers) verkehrte. 6. Die Unterhaltungs-Gesellschaft in der Heiliggeist-Straße im Bergius’schen Haus (erwähnt: Nicolai 1786; Rumpf 1793; Nicolai 1793). 710

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7. Die Ressource verschiedener Stände, Heiliggeist-Straße (erwähnt 1790). 8. Ressource der Gesellschaft der Freunde, gegr. 1795; siehe  Vereine in der jüdischen Gemeinde 9. Die Musikalische Ressource, Letzte Straße 16 im v. Kaumeister’schen Hause; Konzerte „alle 14 Tage Mittwochs“. „Eine Ressource, deren Mitglieder sich wöchentlich einmal des Mittwochs mit Musik unterhalten, und übrigens alle Tage zusammenkommen“ (Gädicke 1806; Neander v. Petersheiden 1799; Nicolai 1799, 1804; Gädicke 1806). 10. Die neue Ressource (auch: Georgesche Ressource), Winterquartier in der Behrenstr. 57, Sommer im Realschulgarten vor dem Hallischen Tor (Erwähnungen 1793, 1806). – Vermutlich identisch mit der „Ressource, die im Sommer im Georgenschen Garten unweit der großen Weidendammsbrücke, und im Winter im Seitengebäude der Stadt Rom ist“ (erwähnt 1799, 1804). In der Georgeschen Ressource wurde oft in gemischten Gesellschaften „von mehreren Hunderten zu Abend gespeist“ (Rhode 1799). 11. Erholungs-Gesellschaft, Poststr. 6 im du Titreschen Haus; 1816 an der Brüder- und Scharrnstraßenecke (Erwähnungen: 1799, 1804, 1806, 1816). 12. Ressource im Börsenhause, Im Lustgarten (Gädicke 1806). „Die Börsenhalle im Westphalenschen Hause Köllnischenfischmarkt 4“ (erwähnt 1816). 13. Ressource auf dem Spittelmarkt, Spittelmarkt No. 16 (Gädicke 1806). 14. Die Jüdische Ressource, Breite Str. 1 (erwähnt 1806). 15. Ressource in der neuen Friedrichsstraße No. 23 (Gädicke 1806). 16. Eintrachts-Ressource (Ressource zur Eintracht), in der Wallstraße am Salzhof Nr. 11 (erwähnt Gädicke 1806); Am Spittelmarkt 14 (erwähnt 1816). 17. Das Pis-aller, Unter den Linden (erwähnt 1786, 1793). 18. Ressource im Meerkatzschen Hause, Oranienburger Straße (erwähnt 1799). 19. Friedrichs-Ressource, Sandgasse (erwähnt 1799). 20. Ressource, die im Winter in der Breiten Straße im Empaitazschen Hause und im Sommer im Hirsekornschen Garten in der Holzmarkstraße ist (erwähnt 1799). 21.  Ressource zur Harmonie, gegr. vor 1800; Mohrenstraße im Reichenbach’schen Haus (erwähnt 1799); Unterwasserstraße 5 (erwähnt 1816); siehe  Privattheatergesellschaften. 22.  Ressource zur Concordia, gegr. 1807; siehe  Privattheatergesellschaften. 23. Ressource beim Koch Kramp[?] am Platz an der Hausvogtei (erwähnt 1799). 24. Der freundschaftliche Verein, in der Taubenstraße No. 7 ( Nicolai 1816). 25. Ressource von 1794; s. unter dem älteren Namen  Ressource der jüdischen Kaufmannschaft ( Vereine in der jüdischen Gemeinde). Bei Nicolai und in anderen Berlin-Beschreibungen sind im zeitgenössischen Verständnis auch der  Montagsclub, die jüdische  Gesellschaft der Freunde, der  Schach-Club und die  Liedertafel unter den Ressourcen verzeichnet. Des Weiteren ist dort ein Englischer Club zur Übung im Englisch Sprechen winters beim Sprachmeister André in der Breiten Straße aufgeführt (1786). 711

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Quellen: BLHA Potsdam: Königl. Geh. Staats-Archiv. Acta, Pr. Br. Rep. 30 A Polizeipräsidium Berlin 383. – [Davidson, Wolf ]: Briefe über Berlin. Erste Sammlung. Landau 1798. – Formey, Ludwig: Versuch einer medicinischen Topographie von Berlin. Berlin 1796. – Gädicke, Johann Christian: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend. Enthaltend alles Merkwürdige und Wissenswerthe von dieser Königsstadt und deren Gegend. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806. – Neander v. Petersheiden, Karl: Anschauliche Tabellen von der gesammten ResidenzStadt Berlin, worin alle Straßen, Gassen und Plätze in ihrer natürlichen Lage vorgestellt, und in denenselben alle Gebäude oder Häuser wie auch der Name und die Geschäfte eines jeden Eigenthümers aufgezeichnet stehen. Berlin 1799. – Nicolai, Christoph Friedrich: Beschreibung der Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam, aller daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten, und der umliegenden Gegend. Dritte, völlig umgearbeitete Auflage. Erster Band, Berlin 1786. – Nicolai, Christoph Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die Königl. Residenzstädte Berlin und Pots-

dam und die umliegende Gegend, enthaltend eine kurze Nachricht von allen daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. In einem bis jetzt fortgesetzten Auszuge der großen Beschreibung von Berlin und Potsdam. Berlin 1793. – Dass.: Berlin 1799. – Dass.: Berlin 1816. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Berlin oder Darstellung der interessantesten Gegenstände dieser Residenz. Ein Handbuch für Fremde und Einheimische. Berlin 1793. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Berlin und Potsdam. Eine Vollständige Darstellung der merkwürdigsten Gegenstände. Erstes Bändchen [= Erster Theil: Berlin]. Berlin 1804. – Literatur: Gradenwitz, Peter: Literatur und Musik im geselligen Kreise. Stuttgart 1991. – Maurice, Florian: Freimaurerei um 1800. Ignaz Aurelius Feßler und die Reform der Großloge Royal York in Berlin. Tübingen 1997 (Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung, 5). – Petrick, Romy: Dresdens bürgerliches Musik- und Theaterleben im 18. Jahrhundert. Marburg 2011. – Streckfuß, Adolph: 500 Jahre Berliner Geschichte. Vom Fischerdorf zur Weltstadt. Geschichte und Sage. In gekürzter Darstellung und bis in die neueste Zeit fortgeführt von Dr. Leo Fernbach. Berlin 1900.

Uta Motschmann

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Ressource zur Unterhaltung (Therbusch’sche Ressource) [Ress1]

Ressource zur Unterhaltung (Therbusch’sche Ressource) [Ress1] Name: Ressource vom 10. Oktober 1784; ab etwa 1797 nach dem Grundstück, auf dem sich die Ressource im Sommer traf und das dem Kriegsrat Therbusch gehörte, umgangssprachlich auch Therbusch’sche Ressource genannt; 1802 umbenannt in Die Ressource zur Unterhaltung; auch: Unterhaltungs-Ressource. Gründung: 10. Oktober 1784. Bestand: Bis mindestens 1931 (Aufgabe ihres Hauses in der Oranienburger Straße 18). Sitz: Die ersten Zusammenkünfte fanden in verschiedenen Lokalen statt. Ab 1792 mietete die Gesellschaft den Garten des Kriegsrats Therbusch an der Oranienburger Straße für ihre Sommeraufenthalte. 1797 wurde das Gelände in einen Park umgewandelt. 1800 kaufte der Kriegskommissar Baersch das Grundstück mit Gartenhaus im Auftrag des Vereins. 1840 beschloss der Verein, hier einen dreistöckigen Neubau zu errichten. Das nach Plänen des Vereinsmitglieds Wilhelm Louis Drewitz im klassizistischen Stil ausgeführte Haus mit Saalbau wurde 1842 eröffnet und 1878 durch Nicolaus Becker erweitert. 1930 musste der durch die Inflation in finanzielle Schwierigkeiten geratene Verein das Grundstück verkaufen und gab 1931 hier seinen Abschiedsball. Das Gebäude diente in der Folge als Studentenheim und ab 1946 der Fakultät bzw. dem Institut für Psychologie der Humboldt-Universität. – Sommerquartiere: Michaelis 1784–März 1786: Audibert’scher Garten am Kupfergraben; April 1786–1793: George’scher Garten am Weidendamm; ab April 1793: Therbusch’scher Garten in der Oranienburger Straße; 1800: Erwerb des Therbusch’schen Grundstücks Oranienburger Str. 18; 1842–1930: Eigenes Haus und Garten Oranienburger Str. 18. – Winterquartiere: Michaelis 1784–März 1786: Lokal im Baudesson’schen Haus am Münzkanal (später: Unterwasserstraße/Ecke Holzgartenstraße); April 1786–September 1789:

Lokal im Empaytaz’schen Haus in der Breiten Straße; Oktober 1789–1791: Mittlere Etage des dem Hofrat Michaelis gehörigen Hauses hinter dem alten Packhof; Winter 1791–1793: Lokal im Haus des Herrn Eltze hinter dem alten Packhof; Oktober 1793–1807: Lokal im neu erbauten Haus des Herrn Eltze, gegenüber dem Französischen Rathaus (später: Hôtel d’Angleterre); Juli 1807–Ostern 1829: im ehemaligen Minister v. Herzberg’schen, seinerzeit dem Kaufmann Stegemann gehörenden Haus NiederWallstraße 12; Ostern 1829–1835: Kölnischer Fischmarkt 4/Ecke Roßstraße; April 1835–1842: im neu erbauten Haus des Wein­händlers Güssfeldt, Poststraße 9 (Ressourcenräume im 1. Stock, Festräume im 2. Stock); 1842–1930: wie Sommerquartier. Geschichte und Programmatik: Die am 10. Oktober 1784 gegründete gesellige Vereinigung des höheren Bürger- und Beamtenstandes wurde bereits in den 1790er Jahren als eine der namhaftesten und größten Ressourcen Berlins beschrieben. Im Oktober 1884 konnte sie ihr 100-jähriges Jubiläum feiern und kam noch bis 1930 im eigenen, von ihr selbst finanzierten Haus in der Oranienburger Straße zusammen. Die Mitglieder mit ihren Familien und Gästen trafen sich zu ungezwungener Unterhaltung, zum Flanieren im Park, zu Musik, Tanz und Gesellschaftsspielen; die Lokalitäten mit angeschlossener Küche waren täglich geöffnet. Der Chronik zum 100-jährigen Stiftungsfest entsprechend ist die Ressource auf einen bereits im Jahr 1783 bestehenden geselligen Verein zurückzuführen. „Ob dieser Verein bereits längere Zeit vorher unter irgend einem Namen gegründet, wie und wo er seine Zusammenkünfte abgehalten, ob er zahlreich gewesen und welche Personen ihm angehört, darüber fehlt […] jedweder Nachweis. Nur erfährt man, dass ein dem Verein 713

11  Ressourcen / Geselligkeitsvereine

angehörender Kriegsrath Schönebeck am 14. Dezember 1783 ein Anschreiben an die Mitglieder bezw. seine Freunde erliess, durch welches er dieselben zum Besuch des Audibertschen Gartens am Kupfergraben […] zum Zweck des Sommervergnügens aufforderte“; auf die Einladung meldeten sich 83 Personen. Nur wenige Wochen später hatte sich die Zahl der Mitglieder bereits auf 114 erhöht, und es wurde der Wunsch rege, nicht nur während der Sommermonate, sondern auch zur Winterzeit einen festen, dauernden Sammelpunkt zu besitzen (Töpffer, S. 6). Am 14. Juli 1784 wurde ein Lokal im Baudes­ sonschen Haus am Münz-Kanal für 180 Taler jährlich gemietet und durch den Kriegsrat Schönebeck und den Kaufmann Devrient Die Ressource vom 10. Oktober 1784 feierlich gestiftet. Am Stiftungstag wurden auch die ersten Statuten beraten. Nach wechselnden Sommer- und Winterquartieren erwarb die Ress1 1800 das Grundstück in der Oranienburger Straße, einerseits, um Sicherheit vor ständigen Mietsteigerungen zu haben, und andererseits, um der wachsenden Mitgliedernachfrage entgegenzukommen. Der Erwerb dieses Eigentums wurde als Kernpunkt zur späteren Entwicklung der Gesellschaft gesehen und zum Anlass genommen, sich „einen dem Zweck derselben mehr bezeichnenden Namen“ zuzulegen. Aus den Namensvorschlägen (1. Unterhaltung, 2. Freundschaft, 3. Übereinstimmung, 4. Union, 5. Conversa­ tion, 6. Délassement) wurde in einer Abstimmung am 3. Februar 1802 mit überwiegender Mehrheit die Bezeichnung Die Ressource zur Unterhaltung gewählt. Der Krieg gegen Frankreich brachte der Gesellschaft ab 1806 starke Belastungen: zahlreiche Mitglieder mussten ihren Behörden nach Ostpreußen folgen; die Ress1 hatte in beiden Lokalen Einquartierungen zu übernehmen; die finanziellen Rücklagen wurden aufgebraucht; Teile des Grundstücks in der Oranienburger Straße mussten verkauft werden. In dieser Zeit wurde die Ress1 zu einem „Vereinigungspunkt 714

der in ihren patriotischen Gefühlen gleichgesinnten Personen, und die durch Ausscheiden vieler Mitglieder entstandenen Lücken wurden jederzeit rasch wieder durch neue Anmeldungen ausgefüllt“ (Töpffer, S. 17). Ende 1829 suchte die Gesellschaft bei der Regierung um die Verleihung der Rechte einer moralischen [i. e. juristischen] Person nach, was ihr mit Dekret vom 20. Februar 1830 durch den Innenminister v. Schuckmann gewährt wurde. Die Gesellschaft vergrößerte und verbesserte sich räumlich ständig, den Wünschen der Mitglieder in Bezug auf Bequemlichkeit, Komfort und Eleganz entsprechend. Da jedoch besonders die Winterlokale den Ansprüchen nicht genügten, wurde 1840 der Entschluss zum Bau eines eigenen Hauses auf dem Grundstück der Ress1 Oranienburger Str. 18 gefasst. Ostern 1842 feierte die Ress1 die Einweihung des im klassizistischen Stil gehaltenen dreistöckigen Neubaus mit einem Festessen, an dem über 300 Personen und einem Ball, an dem etwa 600 Personen teilnahmen. Hatte Prof. Kuhfahl zum 50. Stiftungsfest 1834 noch die Harmonie in der Gesellschaft betont („Wenn der Hausvater mit Fleiss und Anstrengung sein Tagewerk vollbracht hat, so findet er in unserem Verein Erholung von seiner Arbeit. Für seine Gattin und Kinder sind nicht minder Freuden bereitet, und selbst die weniger Begünstigten, denen oft Familienfreuden abgehen, finden Ersatz im Umgang mit Freunden, die sie hier kennen zu lernen Gelegenheit haben“; Töpffer, S. 22 f.), so wirkten sich die Ereignisse 1848 negativ auf die Geselligkeit aus und spalteten die Gesellschaft politisch bis hin zum Vorstand; die Mitgliederzahl ging auf 117 zurück. In den folgenden Jahren konnte durch Änderung der Satzung und zeitgemäße Verbesserung der Einrichtungen die Attraktivität der Gesellschaft wieder erhöht werden. Das Sommerlokal wurde 1854 mit Gasbeleuchtung versehen, der Tanzplatz im Garten zementiert und ein neuer Konzertmeister engagiert. Während des österrei-

Ressource zur Unterhaltung (Therbusch’sche Ressource) [Ress1]

chischen Krieges 1866 und des Krieges gegen Frankreich 1870 wurde die Ress1 zu einem Sammelpunkt patriotischer Manifestationen. 1878 wurde ein neues Sommerlokal, zu dem ein großer Speisesaal gehörte, von 600 Personen, in Anwesenheit des Generalintendanten v. Hülsen und des Polizeipräsidenten v. Madai, eingeweiht. Die Gesellschaft verfügte nun über zwei Festsäle: das neu ausgestattete Ressourcenlokal im Vorderhaus und die neu aufgebauten Sommerräume mit großem schattenreichen Garten, „sicher die schönste aller Privatlokalitäten der Residenz“ (Töpffer, S. 44). Bis 1930 trafen sich die Mitglieder zur geselligen Unterhaltung im Haus Oranienburger Str. 18. Ob die Ress1 mit dem Verkauf ihres Hauses erlosch oder in der Folgezeit an einem anderen Ort weiterhin zusammenkam, konnte nicht ermittelt werden. Struktur und Organisation: Bis zum Bau des Vereinshauses 1842 fanden die Zusammenkünfte im Sommer und im Winter an unterschiedlichen Orten statt. Jedes Mitglied musste seinen Beitritt sowohl zu den Winter- als auch zu den Sommervergnügungen erklären. Den Familien der Mitglieder war der Zutritt zum Gesellschaftslokal im Winter wöchentlich einmal, im Sommer täglich gestattet. – Finanzierung: Der jährliche Mitgliedsbeitrag betrug anfangs einen Friedrichsd’or und einen Taler Courant. Ab 1. Oktober 1800 wurde er auf zehn Taler erhöht, „wogegen sämmtliche extraordinäre Unkosten für Gartenmusik, Erleuchtung und Neujahrsgeschenke für die Bedienung […] von diesem Zeitpunkt ab aus der Gesellschaftskasse bestritten werden sollten“ (Töpffer, S. 13). Ab 1817 waren jährlich 15 Taler und ab 1873 20 Taler aufzubringen. Um im Jahr 1800 den Kauf des Therbusch’schen Grundstücks zu ermöglichen, wurde ein Aktienunternehmen veranstaltet und an die Mitglieder Anteilscheine à 25 Taler Courant mit 4 Prozent jährlich verzinsbar ausgegeben, „laut welchen dem je-

weiligen Inhaber das ganze erkaufte Grundstück sowie das gesammte Mobiliar-Inventar zu gleichen Rechten wie allen Uebrigen verpfändet war“ (ebd., S. 13). Der Kauf des Grundstücks und der spätere Bau eines eigenen Gesellschaftshauses brachten der Ress1 große finanzielle Belastungen. Hatte man für die ersten Sommer- und Winterlokale jährlich zwischen 180 und 350 Taler Frd. Miete gezahlt, so waren 1800 für den Erwerb des Therbusch’schen Grundstücks 16.740 Taler Frd. aufzubringen. Die Kosten für den Bau des stattlichen dreistöckigen Hauses 1842 betrugen 56.000 Taler. – Seit 1796 spielte die Gesellschaft ein Los in der Königl. Preuß. Klassenlotterie und konnte 1805 einen Gewinn von 5.000 Talern verbuchen, der für bauliche Verbesserungen am Sommerlokal benutzt bzw. in Staatspapieren angelegt wurde. – Das Ressourcenlokal wurde auch zeitweise vermietet, so gründete sich am 16. April 1844 hier der Berliner Handwerkerverein, und zwischen 1857 und 1861 wurde es von der Berliner Börse genutzt. – Vereinsämter: Die Vereinsgeschäfte besorgte ein Vorstand aus anfangs drei, ab 1800 fünf gewählten Mitgliedern. Letzteren wurden zur Unterstützung zehn Repräsentanten beigegeben, welche zusammen mit dem Vorstand das „Gesellschafts-Comité“ bildeten. – Vorsteher bis 1815: Apotheker Bärwald (1793–1815); Kaufmann Baumann (1810–1812); Kriegsrat Bein (1793–1795); Kassierer Bergemann (1788–1789); Kaufmann Chambeau (1792); Kriegsrat Clavin (1797–1798); Kaufmann Devrient (1784–1787); Kaufmann Ebert (1786); Seehandlungs-Buchhalter Ebert (1814–1815); Commissarius Eckardt (1808– 1812); Kriegsrat Frentzel (1811–1812); Apotheker Friedrich (1813); Kammerrat Gie­ secke (1798–1801); Rendant Herbig (1796– 1805); Geh. Rat Heymert (1795); Kupferstecher Jäck (1796); Kaufmann Keilberg (1789–1790); Prof. Kuhfahl (1813–1815); Kaufmann Lamartinière (1799–1808); Regierungssekretär Lieberkühn (1805–1806); 715

11  Ressourcen / Geselligkeitsvereine

Geh. Sekretär Louis (1793); Kriegsrat Mewes (1808–1809); Oberbaurat Moser (1794–95); Kaufmann Palmié (1813–1815); Geh. Sekretär Philippe (1809–1810); Stallmeister Plön (1794); Kaufmann Reimann (1813); Kriminalrat v. Renner (1784); Hoffiskal Riemann (1814–1815); Kaufmann Rippmann (1785); Kriegsrat Schönebeck (1784–1790); Kriegsrat Schröder (1810–1812); Kriegsrat Schulze (1796–1808); Dr. Siefert (1797); Hauptbuchhalter Timmann (1792–1795); Rentier Toussaint (1790–1792); Kommissionsrat Volgnad (1802–1805); Kriegsrat Wach (1789– 1791); Kaufmann Westphalen (1806–1807); Justizrat Winter (1796–1798; 1801–1807); Ordensrat Wissmann (1787); Geh. Rat Zenker (1791; 1793–1795). – Aktivitäten: Die Gesellschaft verfügte über zwei Festsäle, einen Speisesaal, einen Tanzboden im Garten und ein Kegelbahnhaus. In der Ress1 fanden von Anbeginn regelmäßige Privatkonzerte statt, sommers wie winters alle 14 Tage montags. Die musikalischen Unterhaltungen, sogenannte „Singethees“, erfreuten sich stets lebhafter Teilnahme. Die monatlich arrangierten Bälle waren so stark besucht, „daß nur ausnahmsweise einer geringen Anzahl fremder Chapeaux, d. h. junger tanzfähiger Herren, der Zutritt gestattet werden konnte, während fremde, nicht den Familien angehörige Damen fast immer ausgeschlossen werden mussten“ (Töpffer, S. 18). Seit 1815 bestanden die Wintervergnügungen für die Familien in vier bis sechs Bällen und einem Kinderball. Die 14-tägigen „Singe­ thees“ (ohne Tanz) leitete bis 1822 das musikalisch begabte Mitglied Meudtner, ab 1823 der Kammermusiker Bliesner. Seit 1842 fanden im eigenen Haus der Ress1 im Wechsel Konzerte unter Leitung des Konzertmeisters Leopold Ganz und Tanz-Assembléen statt. 1851 übernahm der Kapellmeister Heinrich Dorn die Leitung der Konzerte. Der königliche Tänzer Gustav Medon leitete die Kindertanzstunden. Durch die Aufnahme namhafter Künstler zu Ehrenmitgliedern gewan716

nen die Festlichkeiten, besonders die Maskenfeste, an Glanz. Am Maskenfest, das im Jahr 1872 im orientalischen Stil veranstaltet wurde, nahmen mehr als 900 Personen teil. Besonders beliebt waren Réunions mit musikalischen und deklamatorischen Vorträgen, die teilweise von Mitgliedern und deren Angehörigen ausgeführt wurden. Jährlich feierte die Gesellschaft das Stiftungsfest und den Geburtstag des Königs. Darüber hinaus wurden Mitgliedschaftsjubiläen im großen Stil begangen. Aus diesem Anlass entstand eine kleine Bildergalerie verdienter Vorstandsmitglieder. So wurde das Porträt des Stadtrats und Apothekers Bärwald (d. Ä.), gemalt von Porträtmaler Seyfert, 1820 in den Vereinsräumen aufgehängt; es folgten die Por­ träts des Rentier Würst (1834, kein Maler genannt), des Weinhändlers Palmié (gemalt von Kalkbrenner, 1845), des Oberbankbuchhalters Schrötter (gemalt von Amberg, 1861) und von Eduard Wentzel (gemalt von Oscar Begas, 1875). Mitglieder: a) Allgemeines: Die anfangs auf 210 begrenzte Mitgliederzahl wurde 1794 auf 250 erhöht. Der Andrang zur Aufnahme in die Gesellschaft war weiterhin so groß, dass jahrelange Wartezeiten entstanden, und Neuaufnahmen nur durch Austritt oder Tod eines Mitglieds möglich waren. Die Mitglieder waren hauptsächlich gutsituierte Bürger, die in der unmittelbaren Nachbarschaft zur Oranienburger Straße wohnten, darunter viele Kaufleute und höhere Beamte, die die laufenden Kosten und das ständig steigende Eintrittsgeld zu zahlen in der Lage waren. Im Mitgliederverzeichnis von 1884 sind auch Frauen genannt, ausschließlich Witwen früherer männlicher Mitglieder. Aus der Gründungszeit sind keine Mitgliederverzeichnisse überliefert. Folgende Mitglieder konnten ermittelt werden – b) Einzelmitglieder (Eintritt bis 1815; die oben genannten Vorsteher sind nicht nochmals aufgeführt): Kaufmann Anhalt; Kriegskommissar Baersch (kauf-

Casino-Gesellschaft [CG]

te 1800 das Grundstück); Polizeikommissar Eben; Kaufmann Krauske; Kassierer Metzendorf; Kaufmann Möhring; Weinhändler Palmié (seit 1795; feiert 1845 50-jähr. Mitgliedschaft); Rentier Rousset; Bankbuchhalter Schnackenburg; Oberbankbuchhalter Schrötter (seit 1811; feiert 1861 50-jähr. Mitgliedschaft); Kaufmann Würst (seit 1784; feiert 1834 50-jährige Mitgliedschaft). – Verzeichnis der Künstler, welche zu Ehrenmitgliedern ernannt wurden: Blume, Schauspieler und Sänger (1823); Krüger, nebst Frau, Schauspieler (1823); Spitzeder, Schauspieler und Sänger (1826); Greiner, Sänger (1831); Gläser, Kapellmeister (1831); Kücken, Komponist (1835); L. Schneider, Schauspieler und Sänger (1836); Müller, Schauspieler (1841); Rüthling, Schauspieler (1843); Gern, Hofschauspieler (1843); Böttcher, königl. Opernsänger (1843); Zschiesche, Sänger (1846); Krause, Sänger (1846); Pfister, Sänger (1846); Grua, Königl. Hofschauspieler (1846); Karl Joh. Friedrich Töche, Landschaftsmaler (1848); Schneider, Musikdirektor (1851); Heinrich Dorn, Kapellmeister, Professor (1851); Hendrichs, Schauspieler (1857); Kotzold, Musikdirektor (1862); Radecke, Kapellmeister (1869); Engelhard, Pianist (1869); A[lexander?] Dorn, Musikdirektor (1876).

Querverweise auf andere Vereine: Kriegsrat Clavin, Vorsteher 1797–1798, war in der Freimaurerloge  Royal York u. a. 1799 Großschatzmeister und 1800 zweiter Großaufseher. Bibliographie: Archivquellen: Das Vereinsarchiv mit Protokollen, Kassenbüchern, Kaufverträgen, Mitgliederlisten ist nicht überliefert. – Vereinsschriften: (Töpffer, Theodor): Gedenkblatt zur Feier des 100jährigen Stiftungsfestes der Ressource zur Unterhaltung am 10. Oktober 1884 den Mitgliedern der Gesellschaft gewidmet von einem Mitgliede. Berlin 1884. – Literatur: (Komander, Gerhild): Mitteilungen: Herkules. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, 100. Jg., 2004 (http://www.diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/berlin-abc/ stichworteot/623-oranienburger-strasse.html) [08.10.2011]. – Die „Ressource zur Unterhaltung“ (zur Hundertjahrfeier). In: Norddeutsche Zeitung, 1884, Nr. 473. – Hübner, Volker / Oehmig, Christiane: Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Ein Kunst- und Denkmalführer. Petersberg 2002, S.  44–45 (mit Foto: Oranienburger Straße 18. Saalgebäude der „Ressource zur Unterhaltung“ von 1840) (Beiträge zur Denkmalpflege Berlin, Sonderband). – Rodenberg, Julius: Bilder aus dem Berliner Leben. Berlin 1987, S. 347 f.

Uta Motschmann

Casino-Gesellschaft [CG] Name: Casino; Das Cassino; Der Klub; Ressource unter den Linden; Casinogesellschaft; heute: Casino-Gesellschaft in Berlin 1786. – Zum Namen: Als „Casino“ werden einerseits Gebäude mit Klubräumen für gesellige Zusammenkünfte und andererseits der Speiseraum für Offiziere bezeichnet. Das Rheinische Conversations-Lexicon oder encyclopädische Handwörterbuch für gebildete Stände aus dem Jahr 1824 führt die Bezeichnung „Ca-

sino“ auf die Landhäuser der wohlhabenden Einwohner Neapels zurück, nach denen „man auch den gesellschaftlichen Vereinen der sogenannten vornehmen Welt großer und kleiner Städte den Namen Casino gegeben“ habe (3. Band, S. 168, Anhang I). Eine andere Deutung des Begriffs „Casino“ gibt die Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste von 1826: „Vorzugsweise nannte man in Venedig die kleinen Zimmer 717

11  Ressourcen / Geselligkeitsvereine

über den Kaffeehäusern des Markusplatzes, waltungsgebäude der Komischen Oper); seit Casini. Sie waren ehemals von den Nobili in 1870: Unter den Linden 2 (im neu aufgebauBeschlag genommen, um in denselben, frei ten zweiten Stockwerk), Eingang Wilhelmvon häuslichem Standeszwange, Gesellschaft straße; Juli 1880–1931: Räume im Erdgezu empfangen und zu bewirten. Diese Mode schoss des neuerbauten Hauses Pariser Platz war lange Zeit allgemein, und Alt und Jung 3 (den ersten Stock bewohnte Fürstin Marie machte sie mit; gegenwärtig ist sie mit dem Radziwill, die dort einen Salon unterhielt; an venezianischen Adel selbst in Verfall gekom- der Stelle des im II. Weltkrieg zerstörten Gemen. Wahrscheinlich rührt aber die Benen- bäudes befindet sich heute der Gehry-Neunung Casino für einen geschlossenen Zirkel bau der DG-Bank); 1931–1934: 1. und 2. der vornehmsten Klasse und das Lokal dessel- Etage des Hauses Schadowstraße 9 (als Unterben, eine Benennung, welche aus Italien ge- mieterin des Union-Klubs, dem das Haus gekommen und sich auch in Deutschland gel- hörte); bis 1943: Bendlerstraße 31 (gemeinsatend gemacht hat“ (15. Teil, S. 263, Anhang me Bewirtschaftung mit dem GardekavallerieII). Die Bezeichnung Casino setzte sich durch Klub; das Haus wurde am 22.11.1943 bei eifür „geschlossene Erholungsgesellschaften, zu nem Luftangriff vollständig zerstört und das welchen sich die höhern Stände vereinigten“ Archiv der CG vernichtet); vorübergehend (Conversationslexikon, 1833). – Gebäude na- Lützowstraße, bis auch diese Räume zermens Casino waren weit verbreitet; man fin- bombt wurden; vorübergehend Jägerstraße det sie ebenso in Potsdam wie in den meisten 2/3; August 1950–1958: in den Pfälzer WeinResidenz- und Handelsstädten. Die den Ca- stuben, Joachimsthaler Str. 41; danach wechsinogesellschaften vergleichbaren Vereinigun- selnde Räumlichkeiten in Gaststätten und gen trugen auch Namen wie Harmonie oder Hotels, u. a. ab 1959 „Zum Klaussner“ in der Museum. Grolmannstraße 39; ab 1963 im Restaurant Gründung: Als Gründungsjahr ist 1786 tra- „Bernhard“ Kurfürstendamm 184; ab 1970 diert, teilweise sogar mit einem genauen Da- im „Hotel am Steinplatz“, Uhlandstr. 197; ab tum (12. Oktober); doch konnten weder Tag 1980 im „Wrangelschlößchen“ Steglitz; bis noch Jahr bisher belegt werden. Der frühes- 2003 im „Hotel Hamburg“, Landgrafenstrate indirekte Nachweis (1791) ergibt sich aus ße 4; heute: Peter-Lenné-Straße 1–3 in Dahder Mitgliedschaft von Ludwig Graf v. Kalck- lem, im Haus der  Großen Landesloge. reuth, der 1841 50-jährige Casino-Zugehörigkeit feiert. 1793 wird die Gesellschaft in Programmzitat: „Bei Errichtung des Casizwei Berliner Reisebeschreibungen genannt; no hat man hauptsächlich beabsichtiget, den zu dieser Zeit ist sie bereits berühmt und wird Genuss gesellschaftlicher Unterhaltung und zahlreich besucht (Rumpf, 1793, S. 155 f.; erlaubter Vergnügungen, desgleichen ErNicolai, 1793, S. 153). werbung und Mittheilung gemeinnütziBestand: Bis heute; mit Unterbrechung der ger Kenntnisse durch Vereinigung der verArbeiten von April 1945 bis 1950. schiedenen gebildeten Stände zu befördern“ Sitz: 1793–1799: Unter den Linden / Ecke (Grundgesetze der Casino-Gesellschaft, 1809, Wilhelmstraße, im Haus des Kriegsrat Schul- § 1). ze (Unter den Linden 3); Juli 1799–1833: Charlottenstraße / Ecke Behrenstraße (Char- Geschichte und Programmatik: Die CG ist lottenstraße 31); 1834–1836: Unter den Lin- eine der ältesten und vornehmsten geschlosden 24 (auf dem Areal des heutigen Grand senen Männergesellschaften in Berlin, die mit Hotel); 1837–1869: Unter den Linden 18, in einer Unterbrechung von 1945 bis 1950 bis der I. Etage (heute befindet sich dort das Ver- heute Bestand hat. Sie hob sich von Anbe718

Casino-Gesellschaft [CG]

ginn durch ihr elitäres Mitgliederensemble („Männer des Adels und der höheren Stände“, „fremde Gesandte und andere Personen von Stand“) von den zahlreichen anderen Ressourcen ab und „behauptete den ersten Rang“. Der sozial exklusive Klub weist Parallelen auf zu den britischen „clubs“ und „societies“, die sich zwischen 1580 und 1800 in großer Zahl entwickelten. Für das ausgehende 18. Jahrhundert sind in der englischsprachigen Welt 6.500 dieser Assoziationen belegt – davon allein 3.000 in London –, die das Bedürfnis nach regulierter Geselligkeit befriedigten und durch Ballotage und Mitgliedsbeiträge den Kreis potentieller Mitglieder begrenzte (Nathaus, S. 24). – Über die Gründung der CG in Berlin ist nichts Konkretes bekannt. Möglicherweise ist die Adelsgesellschaft, die in den 1779 erschienenen Bemerkungen eines Reisen-

tauration“ (Rumpf, 1829, S. 126 [u. ö.]). Der französischsprachige Stadtführer Berolineúm von 1805 vermerkt: „Le étrangers de distinction trouveront ici un Casino placé dans une de plus belles maisons de la ville rue Charlotte No. 31 ou se rassemblent la noblesse et les Envoyés de puissances étrangères“ (S. 281). Dass das Casino auch wegen seiner zahlreichen internationalen Zeitungen Anziehungskraft besaß, bestätigt John Quincy Adams, der spätere 6. Präsident der Vereinigten Staaten, der von 1798 bis Juni 1801 als amerikanischer Botschafter in Berlin tätig war und in dieser Zeit auch regelmäßig die CG besuchte. In seinen Tagebüchern schreibt er am 20. April 1798: „At the Casino – Such a collection of French, English and German newspapers and periodical pamphlets that it is scarcely possible to peruse them with methodical order.“ Namentlich erwähnt er L’Esprit des

den durch die königlichen preußischen Staaten in Briefen erwähnt ist, als Vorgängerin der späteren CG anzusehen: „Unter den Linden ist seit wenigen Monaten eine Gesellschaft junger Adelicher, wozu aber doch wenige Bürgerliche zugelassen werden, errichtet. Größtentheils ist das Sujet dieser Zusammenkunft Gespräch über die Verfassung des Staats, – als ein Nebenwerk wird das Billard, und der L’hombretisch angesehen“ (Bd. 1, S. 596). Ab 1793 ist der Klub bzw. das Cassino Unter den Linden an der Wilhelmstraßenecke (ab 1799 in der Charlottenstraße) regelmäßig in den Berlin-Beschreibungen genannt als Ressource oder geschlossene Gesellschaft, „wo man Journale und Zeitungen lieset, sich über die Neuigkeiten des Tages, politische Ereignisse unterhält, wo man spielt, ißt und trinket“ (Rumpf, 1804, S.  521). „Seine Mitglieder sind die fremden Gesandten, Staabs-Officiere und andere angesehene Männer vom Civilstande. Fremde lassen sich durch ein Mitglied einführen, erhalten dann eine Zutrittskarte, und finden hier alle einheimischen und fremden Journale, Handbücher zum Nachschlagen, eine Spielpartie und eine gute Res-

Journaux, français et étrangers, ouvrage périodique et litteraire (Juli 1772 – April 1818). Die deutschsprachigen Zeitschriften scheint Friedrich Nicolai geliefert zu haben. Zumindest aber hat er der Gesellschaft eine entsprechende Auswahl unterbreitet, wie einem Brief des CG-Mitglieds Christoph Goßler an Nicolai vom 24. Dezember 1795 zu entnehmen ist. Neben der Nutzung von Tageszeitungen und Wochenschriften standen den Mitgliedern eine Bibliothek und zwei Kartenzimmer zur Verfügung. Über die Anschaffung der Periodika und Bücher wurde gemeinsam entschieden. Das Auf und Ab der Gesellschaft zeigt sich besonders in den schwankenden Mitgliederzahlen. Mindereinnahmen führten dazu, dass sich die Gesellschaft 1831 in finanziellen Schwierigkeiten befand, woraufhin eine Kommission ernannt und mit Untersuchungen und Vorschlägen beauftragt wurde, „um die Gesellschaft lebensfähig zu erhalten“. Im März 1836 gründete sich ein geselliger Privat-Verein namens Das junge Casino, der im Jagor’schen Haus zusammenkam. Da von diesen Aktivitäten lediglich zwei handschrift719

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liche Seiten, ein Antrag und ein Mitgliederverzeichnis, Zeugnis geben, ist nicht sicher zu sagen, ob es sich möglicherweise um eine Ausgründung junger Casino-Mitglieder handelte, doch deutet die Namensgleichheit auf eine Verbindung beider Gesellschaften hin. Wie bei Ressourcen nicht ungewöhnlich waren der Weinkonsum und das Rauchen wiederholt Gegenstand der Mitgliederversammlungen. In den Jahren ab 1837 stritten die CG-Mitglieder darüber, ob in den Klubräumen geraucht werden dürfe und unter welchen Bedingungen. Bisher war das Tabakrauchen in den Räumen des Casino (ebenso wie das Mitbringen von Hunden „der nöthigen Reinlichkeit willen“) nicht gestattet. Mit dem sogenannten „Tabakkrieg“ beschäftigte sich am 30. März 1837 sogar eine außerordentliche Generalversammlung, bei der 37 Mitglieder der 1. Klasse, darunter fünf Bürgerliche, anwesend waren (Luck, S. 8). Das Rauchen wurde schließlich im wenig genutzten Billardsaal gestattet, bei Zuwiderhandlung aber Strafen bis hin zum Ausschluss aus der Gesellschaft in Aussicht gestellt. Erst ab 1848 war das Rauchen überall erlaubt. Die CG blieb von den politischen Bestrebungen 1848 nicht unberührt. Selbst in dem scheinbar homogenen Klub kam es zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten und Debatten. Um die Geselligkeit in der Gesellschaft zu erhalten, wurde ein neuer Paragraph in die Gesetze aufgenommen, demzufolge ein (politisch) „nicht harmonierendes“ Mitglied erneut zur Ballotierung gebracht werden sollte. 1866 wurden der CG, „deren Mitglieder ausschließlich den höchsten und höheren Ständen angehören“ und die über ein Vermögen von 150.000 Talern verfügte, die Korporationsrechte erteilt (GStPK, I. HA Rep. 77, Tit. 1053 Nr. 11, Bd. 6). Dies bedeutete die Umwandlung einer Privatgesellschaft in eine juristische Person und änderte die Rechtsverhältnisse, die auch den Erwerb eines eigenen Vereinslokals ermöglichten. 720

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die CG zunehmend von hohen Militärs dominiert (so waren die meisten Kommandeure des Ersten Garde-Regiments Mitglieder der I. Klasse), was auch in den hochherrschaftlichen Stadtpalästen, die als Klublokale gemietet wurden, und in den Klubaktivitäten selbst seinen Ausdruck fand. Man unterhielt vermutlich keine Vortragstätigkeit; die Zusammenkünfte galten ausschließlich dem geselligen Verkehr (gemeinsame Mahlzeiten, Karten- und Brettspiele, Zeitungsstudium, Konversation). Im I. Weltkrieg war die CG von Kriegsbegeisterung und bedingungsloser Kaisertreue geprägt; mehrfach wurden Kriegsanleihen gezeichnet. Nach dem Krieg fanden die Missionschefs auswärtiger Vertretungen nicht mehr ohne Weiteres Aufnahme, sondern mussten sich einem Ballotement unterwerfen. So sollten unter anderen die Gesandten der Sowjetrepubliken ferngehalten werden. Ab 1927 mussten aus finanziellen Gründen einige repräsentative Räume untervermietet werden. 1928 zog der Deutsche HerrenKlub mit seinem Vorsitzenden Frhr. v. Gleichen-Rußwurm, der auch der Direktion der CG beitrat, dort ein. Es entstanden mehrfach Doppelmitgliedschaften. Aufgrund des Mitgliederensembles ist davon auszugehen, dass die CG besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts und in der Weimarer Republik nicht nur wie die zahlreichen anderen Klubs eine gesellschaftliche, sondern auch eine politische Bedeutung in Berlin hatte. So amtierten die CG-Mitglieder August v. Trott zu Solz als preußischer Kultusminister (1909/17); Oskar Hergt als Finanzminister (1917/18) bzw. Reichsjustizminister (1927/28); Dr. Gustav Roesicke und Conrad Frhr. v. Wangenheim waren führend im Bund der Landwirte engagiert; Leopold v. Buch war Hauptritterschaftsdirektor und Mitglied des Herrenhauses (1912–18), Elard v. Oldenburg-Januschau Mitglied des Reichstages (1902–1912; 1930–32); Walter v. Keu-

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dell Reichsinnenminister (1927/28), Dr. Al- zwölf Direktions-Assistenten, geleitet, die bert Neuhaus Reichswirtschaftsminister die Ämter eines Rechnungsführers, Sekre(1925/26), Magnus Frhr. v. Braun Reichs- tärs, Bibliothekars, Zensors, Intendanten und minister für Ernährung und Landwirtschaft Administrators ausübten. Jeder der sechs Di(1932–33), Wilhelm Frhr. v. Gayl Reichsin- rektoren hatte nach der Reihe zwei Monanenminister (1932). te lang den Vorsitz. Bei den Wahlen sollGleichzeitig verlor die CG in dieser Zeit te „auf die Mannigfaltigkeit der Stände, wostark an Bedeutung. Nach einem Mitglieder- raus die Gesellschaft bestehet, und auf die höchststand im Jahr 1924 (441 Mitglieder I. Nothwendigkeit, dass die Achtzehn MitglieKlasse und 224 Mitglieder II. Klasse) sanken der des Ausschusses aus diesen verschiedenen die Mitgliederzahlen in den folgenden Jah- Ständen, zu Beförderung mehrerer Geselligren stetig, im Zeitraum 1924 bis 1930 fast keit, genommen werden“, geachtet werden um die Hälfte (auf 231 Mitglieder I. Klasse); (§ 58). Über neue Mitglieder wurde balloentsprechend verringerten sich die Einnah- tiert. Es gab Mitglieder 1., 2. und 3. Klasmen der CG aus den Mitgliedsbeiträgen und se. Um zur 1. Klasse zu gehören, musste man dem Weinverkauf, so dass die Gesellschaft einen Berliner Wohnsitz haben. Dieser wur1931 das Quartier am Pariser Platz aufgeben de automatisch auch für in Berlin tätige ausmusste und die bisher vom Garde-Kavalle- ländische Diplomaten und hier stationiertes rie-Klub genutzten Räume in der Schadow- Militär angenommen. Die 2. Klasse bildeten straße bezog. Das Haus gehörte dem Uni- diejenigen Mitglieder, die außerhalb Berlins on-Klub, der zur CG freundschaftliche Be- wohnten und nicht mehr als die Hälfte des ziehungen unterhielt. Dessen Präsident, Graf Jahres in Berlin verbrachten. „Fremde oder Lubbert Westphalen, war langjähriges CG- Preußische Unterthanen, welche nur zufälMitglied. Im April 1945 stellte die CG ihren lig nach Berlin kommen“, konnten sich „zur Betrieb ein und wurde erst ab 1950 wieder Aufnahme in die 3. Klasse melden“, durfaktiv. Heute hat sie 118 Berliner und 80 Aus- ten darin aber höchstens sechs Monate verwärtige Mitglieder, die sich zweimal im Mo- bleiben. Wahlberechtigt war nur die 1. Klasnat zu abendlichen Vorträgen über alle neuen se. – Seit 1880 waren Studenten und FähnEntwicklungen in Wissenschaft, Kunst, Wirt- riche von der Aufnahme ausgeschlossen und schaft und Gesellschaft und Diskussionen im auch nicht als Gäste zugelassen. EingeführGeist der Toleranz und des gegenseitigen Re- te „Fremde“ konnten drei Wochen lang das spekts treffen. Bei politischer Neutralität wird Klublokal besuchen, allerdings nur einmal von den Mitgliedern Offenheit für verschie- während eines Jahres. – Die Mitglieder und dene Weltanschauungen und Meinungen er- ihre Gästen konnten im Vereinslokal täglich wartet. Frauen können nach wie vor keinen „von Morgens 9 Uhr an bis Abends um 11 Mitgliederstatus erwerben, werden jedoch zu Uhr und später“ (§ 52) zusammenkommen den meisten Veranstaltungen als Gäste einge- und sich durch Lektüre, Spiel und Konverladen. 2010 wurde ein Beirat ins Leben geru- sation unterhalten. Das Haus wurde bewirtfen, der die Frühgeschichte der CG erforscht. schaftet; man konnte dort speisen, es gab ein großes Weinangebot; für die Herren standen Struktur und Organisation: Die ältesten Diener zur Verfügung. überlieferten Statuten stammen aus dem Jahr In einer ersten kurzen Vereinsgeschichte des 1809; in 109 Paragraphen sind die Grundge- Kammerherrn Hans-Ulrich v. Luck aus dem setze der Casino-Gesellschaft dargestellt. Dem- Jahr 1931, dem noch Vereinsmaterialien ab zufolge wurde die CG von einem Direkto- 1830 vorlagen, wird auch aus den Protokollen rium, bestehend aus sechs Direktoren und der Generalversammlung zitiert. Im ältesten 721

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überlieferten Protokoll vom 18. März 1830, das durchaus Rückschlüsse auf den Inhalt anderer Protokolle und die entsprechenden Sitzungen zulässt, wurden folgende Punkte verhandelt: Decharge über die Rechnungslegung für das vorangegangene Jahr; Abgaben an die Armenkasse (von den eingesammelten 50 Talern gingen 5 Taler an das  Friedrichsstift, 15 Taler an die Suppenanstalt, 10 Taler an die Brennholz-Kommission, 15 Taler an die Anstalt für verwahrloste Kinder und 5 Taler an die Wadzeck’sche Anstalt); Verlosung von Aktien; Abstimmung über die Zeit des Mittagstisches (Luck, S. 4). – Anfang der 1850er Jahre waren Hazardspiele an der Tagesordnung; es wurde hoch gepokert bis weit in den Morgen hinein. Viele Gäste kamen nur des Spiels halber in den Klub. 1851 wurden die statutenwidrigen Spiele in den Räumen der CG unter hohe Strafe gestellt. – Finanzierung: Mitgliedsbeiträge und das „Eintrittsgeld“ waren den drei Klassen entsprechend gestaffelt. Für die Zeit um 1813 sind jährliche Beiträge von 30 Talern für die Mitglieder I. Klasse, 20 Talern für die Mitglieder II. Klasse und halbjährlich 10 Talern für die Mitglieder III. Klasse belegt, die in monatlichen Raten zu zahlen waren. 1835 wurden fünf Mitglieder ausgeschlossen, da sie trotz Mahnungen mit ihren Zahlungen im Rückstand waren. 1890 betrugen die Mitgliedsbeiträge 200 Mark jährlich für Mitglieder der I. Klasse und 120 Mark für die Mitglieder der II. Klasse, die in Quartalsraten im voraus zu zahlen waren. Laut Statut von 1809 war „der 4te Theil dessen […], was von der laufenden Einnahme eines jeden Jahres überschiesset“ für wohltätige Zwecke bestimmt. Mitglieder und Gäste konnten zudem freiwillige Beiträge in eine Wohltätigkeitskasse einzahlen; in diese Kasse flossen auch die Strafgelder. „Die Disposition über diese mit eben so vieler Oekonomie als Milde zu verwaltende Kasse behält sich die Gesellschaft uneingeschränkt vor“ (§ 12). – Die Klub-Lokale: Die CG verfügte nie über ein eigenes Haus, sondern mie722

tete repräsentative bis luxuriöse Räume in zentraler Lage. Ihre zweite Unterkunft in der Charlottenstraße beschreibt der schwedische Schriftsteller Per Daniel Atterbom als „großes, ja prächtiges Lokal“ „in einem Palaste nicht weit vom Gendarmenmarkte“. Das Anwesen war am 22. Dezember 1790 vom Architekten Carl Gotthard Langhans gekauft worden, der mit seiner Familie auch darin wohnte. Im Nachbarhaus befand sich das Weinlokal Lutter & Wegner. Die Etablierung der CG im Langhans’schen Haus geht möglicherweise auf die Bekanntschaft zwischen dem Architekten und dem Fürsten Franz Ludwig v. Hatzfeldt-Trachenberg zurück. Fürst Hatzfeldt war ein Förderer des Künstlers Langhans und wird 1809 als „Dirigent“ des Casino genannt. Die folgenden Lokale Unter den Linden waren Immediatbauten. Die zweite Etage des Gebäudes Unter den Linden 2, die 1870 für 19.920 Mark jährlich gemietet wurde, umfasste 14 große Räume mit einem Speisesaal und einem Billardzimmer. Auf der Veranda wurde im Sommer bis spät in die Nacht Skat gespielt. Die vornehmste Adresse für 50 Jahre war Pariser Platz 3. Das v. Rohdich’sche Legatenhaus (das alte Wrangel-Palais) war zuvor nach den Wünschen der CG umgebaut worden; der jährliche Mietzins betrug in den Jahren von 1880 bis 1910 30.000 Mark jährlich. Das Haus hatte im Parterre fünf Räume (zwei Lesezimmer, einen Raum mit Balkon, der vorrangig von den Schachspielern genutzt wurde, einen saalartigen Salon mit Sofas, Klubsesseln und Kamin sowie ein Schreibzimmer, das auch als Konferenz- und Empfangszimmer diente). Im Vestibül, wo sich die Diener aufhielten, befanden sich die Garderobe, die Toiletten und die Telefonanlage. Weiterhin gab es (zum Hof gelegen) ein Bibliothekszimmer mit ca. 4.000 Bänden, ein Unterhaltungszimmer, ein Spielzimmer und drei Frühstückszimmer. 1878 bis 1880 wurden zwei große Säle angebaut: der Billardsaal mit drei Billards und der Speisesaal, der etwa 70 Herren Platz bot. Das Haus

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hatte geräumige Küchen und Keller, zudem eine Wohnung für den Portier und eine für den Rendanten der Gesellschaft. In den Räumen hingen Porträtgemälde von Friedrich Wilhelm III. und Friedrich Wilhelm IV., von Kaiser Friedrich und Kaiser Wilhelm II.; im Spielzimmer stand ein Bronzedenkmal Friedrichs des Großen. Auf eigene Kosten konnte die CG den Garten gestalten und eine Kegelbahn nebst Kegelhaus anlegen. – Das Vorhaben, in den 1870er Jahren ein eigenes Haus in der Voßstraße zu bauen (an dem Platz, auf dem später das Kaufhaus Wertheim errichtet wurde), wurde nicht realisiert. – Die Bibliothek: Die CG legte vermutlich von Anbeginn eine Bibliothek an, die stetig erweitert wurde. Den Schwerpunkt bildeten ausländische und deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften, wobei den deutschsprachigen wohl erst Mitte der 1790er Jahre eine größere Bedeutung zugemessen wurde. Denn über den bislang dafür zuständigen Legationsrat George Carl Vollrath v. Buch heißt es in dem bereits erwähnten Brief Goßlers an Nicolai vom Dezember 1795: „Der LegationsRath von Buch, welcher sich bisher der Sache unterzogen hat, scheint theils unrichtige theils unvollständige Kenntnisse davon zu haben. Es ist nicht unwichtig, die Lektüre einer so zahlreichen Gesellschaft gut zu leiten und diese Betrachtung läßt mich gütige Nachsicht hoffen, daß ich mir Ew. Wohgeboren geneigten Rath ganz ergebenst erbitte. Daß man bei einer aus Mitgliedern von so verschiedener Art bestehenden Gesellschaft auf die möglichste Abwechselung sehen muß, werde ich nicht anmerken dürfen. Sollte es Ew. Wohlgeboren gefällig seyn, die Lieferung selbst zu übernehmen, so würde ich bitten, mir die Bedingungen wissen zu lassen.“ Nicolai notiert daraufhin ein bemerkenswert umfangreiches und vielfältiges Spektrum von 17 Zeitschriftentiteln, die er offenbar der CG für angemessen hielt: Kaiserlich privilegirter Reichs-Anzeiger (Gotha: Becker), Auswahl der

besten ausländischen geographischen und statis-

tischen Nachrichten zur Aufklärung der Völkerund Länderkunde (Hg. Matthias Christian Sprengel, Halle: Renger); Olla potrida, eine Quartalschrift (Hg. Heinrich August Ottokar Reichard, Berlin: Wever); Philosophisches Journal einer Gesellschaft teutscher Gelehrten (Hg. Friedrich Immanuel Niethammer, Jena, Leipzig: Gabler); Allgemeine Literatur-Zeitung (Halle: Schwetschke); Der Teutsche Obstgärtner oder gemeinnütziges Magazin des Obstbaues in Teutschlands sämmtlichen Kreisen (Hg. Johann Volkmar Sickler, Weimar: IndustrieComptoir); Magazin von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen (Berlin: Voß); Annalen der brittischen Geschichte (Hg. Johann Wilhelm von Archenholz. Tübingen: Cotta); Beyträge zur Kenntniß vorzüglich des Innern von England und seiner Einwohner (Hg. Carl Gottlob Küttner, Leipzig: Dyck); Leipziger Monatsschrift für Damen (Leipzig: Voß); Neue Leipziger gelehrte Anzeigen (Leipzig: Dyck); Annalen der Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit in den preussischen Staaten (Hg. Ernst Ferdinand Klein, Berlin, Stettin: Nicolai); Beiträge zur Kenntniß der Justizverfassung und juristischen Literatur in den preussischen Staaten (Hg. Christian Ludwig Stengel, Halle: Verlag des Waisenhauses); Flora. Teutschlands Töchtern geweiht von Freunden und Freundinnen des schönen Geschlechts, eine Quartalschrift (Tübingen: Cotta); Historische Nachrichten und politische Betrachtungen über die französische Revolution (Hg. Christoph Girtanner, Berlin: Unger); Journal von und für Franken (später u.d.T. Fränkischer Merkur oder Unterhaltungen gemeinnützigen Inhalts für die fränkischen Kreislande und ihre Nachbarn) und die Medicinisch-chirurgische Zeitung. Mitglieder: a) Allgemeines: Man kann davon ausgehen, dass die Mehrzahl der ausländischen Geschäftsträger in Berlin die CG besucht hat. Sie war der zentrale Anlaufpunkt außerhalb der Dienstgeschäfte, ein Umschlagplatz von Ideen und Meinungen, der Ort, an dem das politische Tagesgeschehen diskutiert 723

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wurde. Im Laufe der Jahrhunderte waren Monarchen, Kanzler, Minister, Militärs, Industrielle, rechtsstehende Abgeordnete und ausländische Diplomaten in großer Zahl Mitglieder der CG. Aber auch so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Wilhelm v. Humboldt, Harry Graf v. Kessler oder Kurt v. Hammerstein-Equord sind unter den Mitgliedern zu finden. Von der Gründung an waren hauptsächlich Adlige sowie einige angesehene Bürgerliche Mitglieder der CG. Zu ihrem Personenensemble gehörten vor allem Angehörige der Hofgesellschaft, der höchsten Beamtenschaft, der Diplomatie und der Garderegimenter. Obgleich der Beitritt zur CG nie an die Adelszugehörigkeit gebunden war, stellten die adligen Kreise das Hauptkontingent der Mitglieder, weshalb auch die Bezeichnung Adliges Casino oder Adelsklub geläufig war. Von den Anfängen an bis heute bestanden und bestehen enge Beziehungen zum Hause Hohenzollern, was sich auch darin zeigt, dass 1847 der 21-jährige Prinz Georg v. Preußen als Mitglied aufgenommen wurde. 1865 schenkte König Wilhelm I. der CG sein Bild in der Uniform des Ersten Garde-Regiments zu Fuß. Am 22. März 1870 übernahm der König das Protektorat, das von Wilhelm II. fortgesetzt wurde. 1909 traten der Kronprinz Wilhelm, 1911 Prinz Eitel Friedrich und 1912 Prinz Oskar v. Preußen der CG bei, gefolgt vom Chef des Hauses Hohenzollern, Prinz Louis Ferdinand (seit 1934) und Prinz Wilhelm Karl, zweiter Sohn des Prinzen Oskar. – Mitglieder und ehemalige  Mitglieder der CG, so Carl-Hans Graf v. Hardenberg-Neuhardenberg, Ewald v. Kleist-Schmenzin, Hans Paul Oster, Kurt v. Plettenberg, FriedrichWerner Graf v. der Schulenburg, Fritz-Dietlof Graf v. der Schulenburg, Fabian v. Schlabrendorff und Adam v. Trott zu Solz gehörten zum Widerstand gegen das NS-Regime.  – Die CG war eine reine Männergesellschaft. Damen war es nicht einmal erlaubt, die Klubräume zu betreten. Lediglich einmal, beim Einzug des Kaisers durch das Brandenburger 724

Tor am 16. Juni 1871, durften die weiblichen Angehörigen von den Fenstern des Casinos aus die Parade verfolgen. – In den Gründungsjahren ist von etwa 100 Mitgliedern auszugehen. Mitgliederverzeichnisse sind erst ab 1838 überliefert (s. Grund-Gesetz von 1838). Im Zeitraum von 1830 bis 1848 hatte die CG durchschnittlich 130 Mitglieder. Von der Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bewegten sich die Mitgliederzahlen für die I. Klasse zwischen 127 und 323. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zählte die CG 300 bis 400 Mitglieder der I. und ca. 200 Mitglieder der II. Klasse. Mitgliederverzeichnisse der anderen Klasse haben sich nicht erhalten, so dass die Gesamtmitgliederzahl nicht festzustellen ist. – b) Einzelmitglieder bis 1815: Folgende Mitglieder konnten aus Briefen oder Tagebüchern ermittelt werden, wobei die Liste ergänzungsbedürftig ist: John Quincy Adams (amerikan. Botschafter) und sein jüngerer Bruder Thomas Boylston Adams; Wilhelm Benecke v. Gröditzberg; Graf Ernst v. Bernstorff, von der Gartower Linie; Carl Gustav v. Brinckman; Legationsrat George Carl Vollrath v. Buch; Friedrich August Ludwig v. Burgsdorff; Justinian Casamajor (engl. Botschafter 1801–1802); Baron Lars Engeström; Friedrich Gentz (?); Gorman; Christoph Goßler; Peter v. Gualtiery; Helbig (Sekretär der sächs. Legation in Berlin); Josef v. Hudelist (kaiserl. Geschäftsträger in Berlin); Wilhelm v. Humboldt; Generalleutnant Ludwig Graf v. Kalckreuth; (Friedrich Heinrich?) Knoblauch; Burckhard Alexius Constantin v. Krüdener (russ. Gesandter in Berlin); Gottlob Johann Christian Kunth (Geh. Rat, Erzieher und Freund der Brüder Humboldt); M. de Maisonneuve; Obertribunalrat Johann Siegfried Wilhelm Mayer; General Meuron (in englischen Diensten stehend); William Vans Murray (amerikan. Gesandter in den Niederlanden); Maximilian Ferdinand v. Néale; John Joshua Proby (engl. Diplomat); Herr v. QuillD.); Rotenburg feld (Oberst-Lieutenant a.  [ein Rittmeister v. Rothenburg war bei der

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Gesandtschaftspepinière]; Baron de Rothkirch; Sartoris; Otto Fr. Ludw. v. Schack (Rittmeister im Regiment Gend’armes); v. Schierstädt [ein Secondelieutenant August Wilhelm v. Schierstedt stand zu dieser Zeit als Adjutant bei dem Berliner Regiment v. Winnig; er ist der Ehemann Luise v. Finckensteins]; Kriegsrat Schütz; Friedrich Wilhelm August v. Sellentin; Lieutenant Voss [ein Lt. v. Voss stand beim Regiment Gend’armes]; Wedel; Graf Friedrich August v. Zinzendorf (sächs. Gesandter in Berlin). – c) Eintritte 1816 bis Mitte des 19. Jh. (Auswahl): v. Alvensleben (1837); v. Barby (1837); Exc. v. Borcke (General-Lieutenant a. D.); Paul de Bourgoing (franz. Gesandter); Major v. Bredow; Exc. v. Buch (1831); Baron v. Buddenbrock (Oberst-Lieutenant a. D.); Baron v. Canitz (Oberst-Lieutenant und Kammerherr der Königin, 1837); Victor Cousin (Philosoph, Politiker); Endell (Geh. Kommerzienrat, 1831); Major v. Franckenberg; Graf v. Haeseler (Königl. Schlosshauptmann u. Ritterschafts-Direktor); Ernst August König von Hannover (1839); Graf Hardenberg (1831); Major v. Heister; v. Hirschfeldt (1837); Prinz Adolph zu Hohenlohe-Ingelfingen (GeneralLieutenant); Graf v. Hohenthal (ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister des Königs von Sachsen, 1838); v. Humbert (Königl. Kammerherr (1840); Graf zu Inn und Knyphausen (Wirkl. Geh. Rat, ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister des Königs von Hannover, 1845); v. Jagow (1837); Herr v. JagowRühstaedt (1842); A. Järta (Königl. schwed. und norweg. ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1841); Jordan (Bankdirektor); Karl Christoph Albert Heinrich v. Kamptz (preuß. Staatsmann); Geheimrat Klügel; v. Lestocq (1831); Graf v. Linden (ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister des Königs von Württemberg); Graf v. Lottum (Oberst-Lieutenant a.D.); Legationsrat v. Löwenöhr; Kammerherr v. Luck (Oberstleutnant der GardeLandwehr a.D.); Martin v. Magnus; Graf v. Maltzan (freier Standesherr auf Militsch,

1846); Baron v. Maltzan-Pinnow (1844); Rittmeister Frhr. v. Manteuffel; Major v. Mauderode (1846); Herzog Georg v. MecklenburgStrelitz (1846); v. Minckwitz (1837); Frhr. v. Münchhausen (1837); Moritz v. Oppenfeld (1846); von der Osten (1831); Oberfinanzrat Paalzow (1831); v. Pachelbl-Gehag; Geheimrat Pitzschel; Graf v. Pourtalés (1837); Georg Prinz von Preußen (1847); v. Quistorp (1831); Graf v. Radolinsky (Königl. Kammerherr, 1837); Leutnant Frhr. v. Reitzenstein; v. Roe­ der (Königl. Kammerherr und Schlosshauptmann, 1836); v. Saldern-Leppin (Königl. Kammerherr, 1841); Baron Schimmelpenningk van der Oye (ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister des Königs der Niederlande, 1842); v. Schlegell (Oberst und Flügeladjutant des Königs, 1839); Graf v. Schlippenbach (General-Lieutenant a. D., 1838); v. der Schulenburg (Oberst u. Hofmarschall des Prinzen Albrecht v. Preußen, 1832); Graf Schwerin (1837); Graf zu Solms-Baruth (1831); Dr. Tammau (1846); v. Tempelhoff (Justizrat (1834); v. Tippelskirch (Generalleutnant a. D.); v. Tresckow (1831); Graf Wartensleben (1831); v. Watzdorf (1831); Graf v. Wilamowitz-Möllendorff (Königl. Kammerherr, 1835); Major v. Wilkens; v. Wilkens-Hohenau (Kurhessischer Wirkl. Geh. Rat, ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1833); v. Witzleben (Major und Adjutant des Prinzen Carl v. Preußen, 1841); Prinz August v. Württemberg (General der Kavallerie und kommandierender General des Garde-Corps, 1834). – d) Präsidenten: Friedrich Wilhelm August v. Sellentin (1798 nachgewiesen); Fürst Franz Ludwig v. Hatzfeldt-Trachenberg (1809 nachgewiesen); Heinrich Christian Friedrich v. Pachelbl-Gehag (1830 nachgewiesen); Prinz August v. Württemberg (ab 1852); Viktor Moritz Karl I. Herzog v. Ratibor, Fürst v. Corvey (ab 1856); Karl Friedrich Ferdinand Graf v. der Goltz (1880–1891); Wilhelm v. Wedell-Piesdorf (1891–1915); Karl Leo Julius Fürst Wedel (1915–1919); Regierungspräsident a. D. Rudolf v. Branden725

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stein (1920–1923); Generalleutnant a. D. Felix v. Baerensprung (1923–1931); Regierungspräsident a. D. Theodor Graf Baudissin (1931– 1945); Hans v. Meibom (1950–1961); General der Artiellerie a. D. Maximilian Fretter-Pico (1961–1973); Dr. Helmut Rauschenbusch (1973–1979); Rolf v. Zedlitz (1979–1982); Hubertus v. Weyrauch (1982–1986); Dr. Heinz Michaelis (1986–2003); Gunter v. Jena (2003–2006); Dr. Christian Frhr. v. Hammerstein (2006–2009); Prof. Dr. Falko v. Falkenhayn (seit 2009). Querverweise auf andere Vereine: Seit 1784 bestand eine Casinogesellschaft in Wien. Die 1785 in Oldenburg gegründete Casinogesellschaft ist die älteste dieser Art in Deutschland. Die Gesellschaft nannte sich in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens nur Club, Clubgesellschaft, Großer Club bzw. nach dem Klublokal Von Hartenscher Club und nahm erst nach Errichtung eines klubeigenen „Casino“Gebäudes 1840 den Namen Casinogesellschaft an. Unter Hinweis auf die Annehmlichkeiten der englischen Klubs und der holländischen Sozietäten benannte man 1784 die Ziele des zu gründenden Klubs, die große Übereinstimmungen mit der ein Jahr später entstandenen Berliner Gesellschaft aufweisen, wie folgt: „Die Hauptabsicht dieses neuen Clubs würde dahin gerichtet seyn müssen, daß man stets bei Erholungsstunden einen Zufluchtsort habe, wohin man nach eignem Gefallen stundenlang oder auf einige Augenblicke gehen könne, um entweder eine Spielparthie zu machen oder bei einer Pfeife Taback mannigfaltigen Unterhalt in vermischter Gesellschaft zu finden. Um den Stoff zur Unterhaltung sehr reichhaltig zu machen, würden allerhand politische und gelehrte Zeitungen und Journale anzuschaffen sein, und zwar besonders auch solche, die sonst gewöhnlich hier nicht gelesen werden“ (Schaap, S. 23–24). Weitere Casinogesellschaften gründeten sich 1796 in Saarbrücken, 1802 in Frankfurt a. Main (sie bildete 1848 eine politische Gruppe, die Casino726

Partei, die unter ihrem Präsidenten Heinrich v. Gagern die größte Fraktion in der Frankfurter Paulskirche stellte; 1919 fortgesetzt als Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft), 1805 in Aachen, 1808 in Koblenz und in Basel, 1809 in Köln (gegründet unter dem Namen Societé), 1810 zu Trarbach, 1812 in Dortmund und in Weinheim, 1816 in Wiesbaden, 1817 in Mayen, Regierungsbezirk Koblenz; 1825 in Radeburg; seit 1842 gibt es eingetragene Vereine in Mülheim an der Ruhr, seit 1858 in Idar, in Wittlich und in Duisburg; weitere entstanden im späten 19. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Die Casino-Gesellschaft in der Residenzstadt der Wittelsbacher Herzöge Zweibrücken hat ihren Ursprung 1813 in der Französischen Revolution, als die linksrheinischen Gebiete Frankreich angeschlossen wurden. In Mannheim wurde 1803 eine Lesegesellschaft names Casino gegründet, um in geselliger Runde Literatur, Kunst und Musik zu pflegen. Nach der Vereinigung mit der Museums-Gesellschaft agiert sie bis heute unter dem Namen Harmonie-Gesellschaft als älteste kulturelle Gesellschaft der Kurpfalz. – Die Berliner CG entstand vermutlich nicht nach dem Vorbild der ältesten deutschen Gesellschaft dieser Art, der Oldenburger, sondern bildete sich unabhängig von dieser. Seit 2010 unterhalten die Berliner, Oldenburger und Zweibrücker Casino-Gesellschaften freundschaftliche Beziehungen. – Der 1798 als Direktor nachgewiesene Sellentin war zugleich 1798 bis 1801 Großmeister der Freimaurerloge  Royal York sowie 1796 einer der vier Gründungsmitglieder des  Berliner Bürgerrettungs-Instituts. – Beim Wirt des Casino (1810–1812 war dies Bandemer) versammelten sich ab 1811 auch die Mitglieder der  Deutschen Tischgesellschaft, bis sie bald aus Platzmangel in die Börsenhalle umziehen mussten. Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: Unterlagen aus der Frühzeit der Gesellschaft gingen in den napoleonischen Kriegswirren

Palmiésche Ressource [Ress2]

verloren. Das später entstandene Vereinsarchiv ter en peu de temps ce qu’il y a de plus curieux wurde bei einem Bombenangriff 1943 voll- tant dans la capitale qu’aux environs … par G. ständig zerstört. Vereinsmaterialien sind erst Mila. Berlin 1805, S. 281. – Grundgesetze für aus der Zeit ab 1830 überliefert: GStA PK, I. die Casino-Gesellschaft in Berlin. Berlin 1809. HA Rep. 94 Kleine Erwerbungen, Nr. 1672: – Albrecht: Die Casino-Gesellschaft in Berlin Casino-Gesellschaft, Berlin (Statuten- und im Rahmen des Zeitgeschehens 1786–1970. Mitgliederbuch, 1838–1943). – GStA PK, VI. Berlin 1970 (Privatdruck für die Mitglieder). – HA Nl Schmidt-Ott, F., Nr. 1251 (enthält: Di- Luck, Hans-Ulrich v.: Die Casino-Gesellschaft rektion der Casino-Gesellschaft, 1910). – GStA 1786–1931. Berlin 1931 (Privatdruck für die PK, XX. HA, Nl Hergt, O., Paket 3 Nr. 5 Mitglieder). – Rumpf, Johann Daniel Phil(Verzeichnis der Mitglieder für 1938). – GStA ipp: Berlin und Potsdam. Eine Vollständige PK, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Darstellung der merkwürdigsten Gegenstände. Tit. 1072 Nr. 8 („Das junge Kasino“, 1836: ge- Erstes Bändchen [= Erster Theil: Berlin]. Bernannt sind 24 „Urmitglieder“ und 11 weitere lin 1804, S. 521. – Dass. 1829, S. 126. – c) LiMitglieder); Tit. 1053 Nr. 11 Bd. 6 (Erteilung teratur: Gall, Lothar / Jeske, Jürgen / Roth, von Korporationsrechten 1866). – SBB-PK, Ralf (Hg.): Treffpunkt der Bürgergesellschaft: Nachlass Nicolai I, Bd. 26, Mappe 11 (Brief die Frankfurter Gesellschaft Industrie und Christoph Goßlers an Friedrich Nicolai, Ber- Wissenschaft – Casino-Gesellschaft von 1802. lin, 24. Dez. 1795, mit Notizzettel Nicolais [Frankfurt a. M.] 2010. – Nathaus, Klaus: Or[Bl. 2 r/v] [Für diesen Hinweis sei Rainer Falk ganisierte Geselligkeit. Deutsche und britische ausdrücklich gedankt]. – Adlige Mitglieder Vereine im 19. und 20. Jahrhundert. Göttinder Casinogesellschaft zu Berlin 1938. In­stitut gen 2009 (Kritische Studien zur GeschichtsDeutsche Adelsforschung. Internet-Plattform wissenschaft, Bd. 181). – Schaap, Klaus / Neuhttp://home.foni.net/~adelsforschung/ca- mann-Nieschlag, Werner (Hg.): 225 Jahre Casino01.htm . – b) Gedruckte Quellen: Be- sino-Gesellschaft Oldenburg 1785–2010. Hg. rolineúm, ou nouvelle description de Berlin. im Auftrag der Casino-Gesellschaft OldenOuv­rage indispensable pour connoître et visi- burg. Oldenburg 2010.

Uta Motschmann

Palmiésche Ressource [Ress2] Name: Palmiésche Ressource; Ressource im Pal- hebt Friedrich Nicolai unter den vielen „Ressorcen und Clubs, welche zur Unterhaltung miéschen Haus, Große Ressource. Gründung: Unbekannt; erste Erwähnung 1786. geschlossener Gesellschaften bestimmt sind“, Bestand: Es ist nicht bekannt, wie lange die „die sogenannte große Ressource, von hunRess2 existierte; 1816 wird sie in den Reise- dert Personen, (auf der Schloßfreyheit im Palführern noch erwähnt. mierschen [!] Hause)“ neben zwei anderen als Lokalitäten: Weinhandlung von Palmié im die bedeutendsten hervor. Auch in den folfrüheren Ratskeller des Rathauses Alt-Kölln, genden Jahren bis 1816 wird die Ressource im Schloßfreiheit Nr. 7 (später: Breite Straße/ Palmiéschen Hause in den Berliner ReisebeEcke Gertraudenstraße) schreibungen immer wieder namentlich und als „sehr anständige“ erwähnt. Sie scheint in Geschichte und Programmatik: In seiner Be- den 1780er und 1790er Jahren und in den ersschreibung der Residenzstadt Berlin von 1786 ten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu den 727

11  Ressourcen / Geselligkeitsvereine

größten Ressourcen in Berlin gehört zu ha- – Nicolai, Christoph Friedrich: Wegweiben. Nähere Hinweise zum geselligen Leben ser für Fremde und Einheimische durch die in der Ressource, zu ihrer Organisation und Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam Finanzierung und zu den Mitgliedern sind und die umliegende Gegend, enthaltend eine nicht überliefert. kurze Nachricht von allen daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. In einem bis jetzt Nachweise in Reisebeschreibungen: Gä- fortgesetzten Auszuge der großen Beschreidicke, Johann Christian: Lexicon von Ber- bung von Berlin und Potsdam. Berlin 1793, lin und der umliegenden Gegend. Enthal- S. 153. – Dass.: Berlin 1799, S. 181. – Dass.: tend alles Merkwürdige und Wissenswerthe Berlin 1816, S. 195. – Rumpf, Johann Daniel von dieser Königsstadt und deren Gegend. Philipp: Berlin und Potsdam. Eine VollständiEin Handbuch für Einheimische und Frem- ge Darstellung der merkwürdigsten Gegende. Berlin 1806, S. 518. – Nicolai, Friedrich: stände. Erstes Bändchen [= Erster Theil: BerBeschreibung der Königlichen Residenzstäd- lin]. Berlin 1804, S. 521. – Rumpf, Johann te Berlin und Potsdam, aller daselbst befind- Daniel Philipp: Berlin oder Darstellung der lichen Merkwürdigkeiten, und der umlie- interessantesten Gegenstände dieser Residenz. genden Gegend. Dritte, völlig umgearbeite- Ein Handbuch für Fremde und Einheimische. te Auflage. Erster Band, Berlin 1786, S. 956 f. Berlin 1793, S. 156.

Uta Motschmann

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12 Studentenverbindungen

Mit der Eröffnung der neugegründeten Berliner Universität zu Michaelis 1810 entstanden in Berlin die ersten Studentenverbindungen, indem von anderen Universitäten kommende Studenten die dort lebendigen studentischen Bräuche und Sitten auch in Berlin einführten. Dabei sind einige der landsmannschaftlichen Verbindungen, wie die Vandalia (1811–1821) und die Guestphalia (1811–1821), Berliner Gründungen, andere, wie die märkische, die schlesische und die pommersche Landsmannschaft, bestanden bereits an der Viadrina in Frankfurt an der Oder und wurden von ehemaligen Frankfurter Studenten von dort nach Berlin übertragen und die Konstitutionen den neuen Berliner Verhältnissen angepasst (siehe  Corps Marchia;  Corps Pomerania;  Corps Silesia). Weiterhin entstanden in Berlin 1815 eine Curonia, eine baltische Studentenverbindung der Kurländer (wohl identisch mit der Ruthenia), sowie 1819 eine  Polonia, die beide bis 1821 Bestand hatten. Bereits im Gründungsjahr 1810 verlief in Berlin das studentische Leben nicht reibungslos und konfliktfrei: So gab es neben den, zwischen den einzelnen Landsmannschaften und landsmannschaftlichen Gruppierungen bestehenden Streitereien, auch ein großes Unverständnis in der Berliner Bevölkerung gegenüber den studentischen Sitten. Man war hier nicht an die studentische Ungebundenheit, zu der bunte und auffällige Trachten, auf der Straße offen getragene Schlag- oder Fechtwaffen sowie ein burschikoser Umgangston gehörten, gewöhnt. Der König forderte von der Universitätsbehörde strenge Maßregeln und verbot auch das Tragen von farbigen Abzeichen und Kokarden (Köpke, S. 100 f.). Daraus resultierend wurde im Dezember 1810 das Reglement der akademischen Gerichtsbarkeit als allgemeingültiges Grundgesetz für alle preußischen Universitäten erlassen und eine Erkennungskarte für Studenten eingeführt. Die Fechtböden der Landsmannschaften wurden geschlossen und dafür ab Oktober 1811 ein gemeinsamer Fechtboden im Universitätsgebäude eingerichtet. Ebenfalls im Oktober 1811 wandte sich der zweite Rektor der Universität, Fichte, in seiner Antrittsrede gegen Landsmannschaften, Orden und deren studentische Bräuche, wie den Comment, das Kommers- und Duellwesen. Da nach Ansicht des Philosophen die Berufung des Studenten in Studium und Bildung bestehe, würden diese Ausschweifungen die akademische Freiheit nachgerade aufheben (Fichte: Ueber die einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit). In Berlin, wie an den meisten deutschen Universitäten, entstanden in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts aus diesen regional geprägten Landsmannschaften die studentischen Corps; dabei wurden Elemente aus der Zeit der alten Landsmannschaf729

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ten sowie der geheimen Studentenorden des 18. Jahrhunderts übernommen, aber es fand auch neues Gedankengut, auf den Vorstellungen des klassischen Idealismus fußend, Eingang. So sollte der während der Studienzeit geschlossene Freundschaftsbund nicht mit dem Studium enden, sondern auf Lebenszeit weiterbestehen (LebensbundPrinzip). Später kam noch das Toleranzprinzip dazu, das besagte, dass in den Corps keine bestimmte konfessionelle Überzeugung und auch keine politischen Ansichten vorherrschen sollten. Aus dem Umfeld der Turner kamen schließlich national-politische Ideen. Friedrich Friesen und Ludwig Jahn, beide Lehrer an der Plamann’schen Erziehungsanstalt, zielten mit ihrem Text Ordnung und Einrichtung der deutschen Burschenschaft darauf, den wissenschaftlichen Bildungsanspruch der neuen Universität mit sozialen Verbindungstraditionen der Studenten zu verknüpfen und der aktuellen politischen Situation anzupassen. „Sich frei und selbständig nach eigenthümlicher Weise im Lernen und Leben zum deutschen Manne zu bilden, ist der Zweck des Besuchs von hohen Schulen und das Kleinod der Burschenfreiheit“, heißt es in der 48 Paragraphen umfassenden Eingabe, die das Nationale betont und sich gegen die regionale Zersplitterung der Landsmannschaften richtet (Schneider, S. 8). Zwischen den Studentenvereinigungen und den Jahn’schen Turnern in der Hasenheide gab es enge Verbindungen ( Turngesellschaft). Fast alle Berliner Studenten fühlten am Beginn der Befreiungskriege eine deutsch-vaterländische Verpflichtung. Im Februar 1813 meldeten sich „im Fechtsaal der Universität […] ungeachtet derer, die schon zum Heere abgegangen waren, 259. Die Frage war nicht: Wirst du dienen, sondern: Wo wirst du dienen? […] Der Tag des Auszuges der meisten Freiwilligen nach Breslau, der 9.2.1813, wurde noch einige Jahre als ‚Bewaffnungsfest‘ gefeiert“ (Mechow, S. 21). Als sich in Jena 1815 die Allgemeine deutsche Burschenschaft gründete und für das studentische Verbindungswesen eine neue Epoche einläutete, wollte man diese Erfahrungen auch auf Berlin ausweiten. Einen ersten Versuch, in Berlin Kommilitonen verschiedener Provinzen in einer gemeinsamen Studentenverbindung zusammenzuführen, unternahm die 1815 während des zweiten antinapoleonischen Krieges gegründete  Borussia. Auch die  Vandalia, die Verbindung mecklenburgischer Studenten, orientierte sich im Zuge der napoleonischen Besatzung national und versuchte, die regionale Identifikation der Mitglieder zu überwinden. Dennoch blieb die Situation angespannt. „Die von der Wartburg zurückkehrenden Berliner Studenten gewannen zwar die Landsmannschaften dafür, ihre Verfassungen burschenschaftlich umzuarbeiten und ‚den Wilden‘ freundlicher entgegen zu kommen, aber die Gründung einer allgemeinen Burschenschaft gelang nicht, die Landsmannschaften waren durchaus nicht zum Nachgeben zu bewegen. Der Senior der Vandalia Aegidi, ein Teilnehmer des Burschentages auf der Wartburg und späterer Mitstreiter des Berliner Burschenvereins, den Bechstein als den besten Schläger und wahrhaftesten Turner rühmt, war damals der Mittelpunkt der Berliner Studentenschaft, aber auch er besaß noch nicht genügend Tatkraft und Einfluß, eine endgültige Einigung herbeizuführen und die Begründung einer allgemeinen Burschenschaft durchzusetzen. / Wohl arbeitete man Schriften aus über das Burschenwesen, bildete Gesetzkommis­ 730

12 Studentenverbindungen

Abb. 131  Das Universitätsgebäude in Berlin, Stahlstich von J. M. Kolb, um 1876.

sionen und Redaktionen, aber immer blieben die Gegensätze unausgeglichen und neue Schwierigkeiten verhinderten die erstrebte Einigung“ (Marth, S. 84). Ludwig Bechstein beschreibt – jedoch rund dreißig Jahre später – in dem Zeitbild Berthold der Student die frühe Burschenschaftsbewegung in Berlin: „Wenn es zu einer festen Gestaltung endlich kommen soll, so stimmt die Marchia für einen Antrag und die Neomarchia dagegen, die Vandalia dafür, die Pomerania dagegen, und ehe wir es uns versehen […] tritt, statt einer neuen Burschenschaft eine neue Landsmannschaft, eine Neopomerania, recht als das fünfte Rad am Wagen, in das Leben“ (Bechstein, 1. Abth., 2. Band, S. 99–100). „Aus den Landsmannschaften traten Mitglieder aus, aus der beginnenden Burschenschaft desgleichen, es bildete sich eine Westphalia, es ward daran gearbeitet, auch noch eine Polonia zu gründen, und während die für die Burschenschaft Begeisterten bald nach dem Wartburgfeste dieselbe im Geist bereits über ganz Deutschland verbreitet erblickt hatten, war jetzt in Berlin größere Spaltung, als jemals vorhanden“ (ebd., S. 126–127). „Wo war nun die große deutsche Burschenschaft? – Wo war der Geist der Eintracht und Einheit – der in so vielen schönen glänzenden Farbenstrahlen von den Wartburgzinnen über das Vaterland hinleuchten sollte? In Berlin war er nicht – in Heidelberg, Göttingen, Gießen, Leipzig, Halle nicht – in Jena, da war er gewesen, und schien nicht mehr da zu sein“, beklagt Bechstein für das Jahr 1817 (ebd., S. 155). Schließlich kam es in Berlin 1818 doch zur Gründung einer Burschenschaft ( Berliner Burschenschaft), die sich jedoch bereits ein Jahr später wieder auflösen musste. Die burschenschaftliche Idee lebte dennoch weiter. 1820 gründete sich die  Arminia, ein Jahr 731

12 Studentenverbindungen

früher war eine Filiale der Warschauer  Polonia gegründet worden, eine der größten Studentenverbindungen in Berlin, die enge Kontakte zur Arminia pflegte und wie diese einen kosmopolitischen Ansatz vertrat. Am 21. Mai 1824 ließ Friedrich Wilhelm III. alle studentischen Verbindungen per Kabinettsorder verbieten. Da ihnen generell „politische Bestrebungen und verderbliche Zwecke zu Grunde liegen“, sollten alle „nach dem Geist der Burschenschaft eingerichteten Verbindungen auf Meinen Universitäten“ als „verbotene und geheime Verbindungen angesehen und behandelt […] werden“. Die Order erhob Burschenschaften von „bloße[n] Studenten-Verbindungen“ in die Kategorie geheimer Verbindungen, die durch revolutionäre und umstürzlerische Vorhaben der allgemeinen Sicherheit gefährlich seien. Mitgliedern drohte der Verweis von allen preußischen Universitäten sowie ein späteres Berufsverbot. Die Order bedeutete die gesetzliche Fixierung massiver Eingriffe in die rechtliche Autonomie der Universität: „Untersuchung und Bestrafung“ wurden den staatlichen Gerichtshöfen übertragen und der Einfluss der Polizei gestärkt. Ihr gebührte „die polizeiliche Aufsicht gegen alle diese geheimen und verbotenen Verbindungen, der erste Angriff und die polizeiliche Untersuchung“. Die abschreckenden Maßnahmen zeigten Wirkung; auch bei den Landsmannschaften, die zwar nicht ausdrücklich erwähnt waren, jedoch ebenso im Fokus standen. Infolge der andauernden Untersuchungen und Bestrafungen verloren die Landsmannschaften zunehmend ihre Mitglieder und lösten sich um 1821/22 allmählich auf. Das Kultusministerium benannte im März 1820 noch drei Landsmannschaften, die Pommersche, die Märkische und die Westphälische. „Bis jetzt scheint ihre Verbindung nur gesellschaftlichen Frohsinn, gemeinschaftliches Zechen, Aufrechthaltung des sogenannten Comments und gemeinschaftliche Vertheidigung und Unterdrückung der geheimen Orden zu bezwecken“ (GStA, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. XII Nr. 4, Bl. 75v). Als sich der Gymnasiast Gustav Kombst 1825 an der Berliner Universität immatrikulierte, konstatierte er: „Reste von Studentenverbindungen fanden sich wohl in Berlin vor, aber nichts Organisiertes. […]. Einige Versuche derart, die von Pommern und Märkern ausgingen, verdienen kaum der Erwähnung“ (Kombst, S. 67). Nach 1826 entstanden an der Berliner Universität zuerst wieder Vereinigungen, die sich der Pflege der Wissenschaft oder des Gesanges verschrieben hatten, sowie verschiedene, sogenannte Bierkönigreiche, die an die Trinksitten der landsmannschaftlichen Verbindungen anknüpften. Indem diese sich immer mehr organisierten und festere Formen annahmen, sind einige davon als Keimzelle der späteren Berliner Corps zu sehen. Neben der polizeilichen Überwachung und dem Verbot der studentischen Verbindungen infolge der Karlsbader Beschlüsse ist in Berlin noch ein anderer Aspekt zu berücksichtigen, der die Schwierigkeiten beim Verbindungsaufbau bedingte: Studentische Verbindungen zielten auf die Konstruktion einer exklusiven Gemeinschaft. In traditionellen Universitätsstädten wie Heidelberg, Würzburg, Gießen oder Jena hatten Korporationen eine lange Tradition. Mit der Burschenschaftsbewegung erreichte die Entwicklung 732

12 Studentenverbindungen

um 1815 einen Höhepunkt, exemplarisch dafür stehen die Gründung der Urburschenschaft in Jena und das Wartburgfest von 1817. An Berlins Universität taten sich Verbindungen wie Landsmannschaften und Burschenschaften dagegen schwer. Seit der Gründung der Universität 1810 traten sie vereinzelt in Erscheinung, erreichten aber, anders als in den traditionellen deutschen Universitätsstädten, kaum gesellschaft­liche Aufmerksamkeit oder politische Ausstrahlung. Offenbar eigneten sich Kleinstädte, in denen Studenten und ihre Lebensform tonangebend waren, besser zur Etablierung gemeinschaftlicher Sozialisationsmodelle. Das „Prinzip der multiplen Option“ als Charakteristikum der Großstadt stand der Idee einer studentischen Verbindung entgegen. Die Stadt duldet ein Nebeneinander unterschiedlicher Gruppierungen und Ansichten ohne inte­ gratives Zentrum, dem kulturellen Biotop mit seinen unterschiedlichen Protagonisten liegt kein Einheitskonzept zugrunde. Urbanität und Burschengemeinschaft scheinen zueinander im Widerspruch zu stehen. Schon Ludwig Bechstein beschreibt in seinem Zeitbild das Fehlen einer einheitlichen Burschenschaft in Berlin um 1817 auf ähnliche Weise: „Schon die Größe Berlins, in welcher die Studentenwelt so ziemlich verschwindet, läßt den einheitlichen Geist, den am besten nur Kleinstädte zu pflegen vermögen, nicht aufkommen, die Einzelnen wohnen, stehen und bleiben einander zu fern, nur das Collegium und hie und da ein Versammlungsort vereinen zeitweilig. Unter den acht- bis neunhundert Studirenden Berlins widmen kaum 2/3 so viel der Burschenschaft Antheil, als sie unter den 3 bis 400 Jenensern findet, also etwa 200, und die Hälfte dieser zwei Drittheile gehört den genannten Landsmannschaften [Marchia, Neomarchia, Vandalia, Pomerania] an, die andre Hälfte steht als Wilde außer allem Verband“ (Berthold der Student, Abth. 1, Band 1, S. 296). Burschen- und Landsmannschaften gehörten in Berlin zwar zur studentischen Kultur, bildeten aber anders als in Jena oder Heidelberg nicht ihren Mittelpunkt. „Berlin hat eine Universität, aber es ist keine Universitätsstadt“, beschrieb Erich Schmidt bei der Jahrhundertfeier der Berliner Universität treffend diesen Sachverhalt (Schmidt, S. 49). Berlin hatte im Studienjahr 1811/12 250 Studenten. „Während an kleinen Universitätsstädten etwa jeder 10. Bewohner Student war, war es damals in Berlin nur jeder 400.“ (Mechow, S. 19). Bekannte Protagonisten der Burschenschaftsbewegung waren zeitweise in Berlin anwesend, ohne allerdings nachhaltige Spuren zu hinterlassen. Insgesamt bot die Stadt zu viele andere Arten der Beschäftigung und sozialen Möglichkeiten. Studenten waren nur ein kleiner Teil des gesellschaftlichen Lebens und hatten im Gegensatz zu kleinen Universitätsstädten keinen hervorgehobenen Status. Dass Landsmannschaften immer etwas populärer waren, könnte ebenfalls mit der urbanen Situation zusammenhängen. Die große Stadt bot viele Bildungsmöglichkeiten und führte junge Menschen aus den verschiedenen Regionen an der Universität zusammen. Der Gefahr, in der Anonymität zu versinken, leisteten Landsmannschaften auf einfache Art Vorschub. Der Zusammenschluss von Studenten gleicher regionaler Herkunft bot immer die leichteste Möglichkeit, sozialen Anschluss zu finden. Um 1840 lebte in Berlin das studentische Verbindungswesen wieder auf; in der Zeit des Vormärz entstanden rasch neue Verbindungen und neue Verbindungsarten: Neben Corps 733

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und Burschenschaften traten konfessionelle Verbindungen und Landsmannschaften, wissenschaftliche Kränzchen und Vereine. Die Blütezeit des Corporationswesens in Berlin fällt jedoch in die Zeit nach 1871. Aus der Zeit um 1840 stammen die folgenden Corporationen: Marco-Borussia (1833–1835); Neoborussia (1838–1866); Pomerania II (1838– 1847); Marchia (1838 bis heute); Silesia II (1839–1840); Hanseatica (1840–1846); Lusatia II (1840); Normannia (gegr. 1842 unter der Bezeichnung Cerevesia oder Weltkneipe); Guestphalia (1845 bis heute); Vandalia (gegründet 1851; hervorgegangen aus der 1849 gegründeten Berliner Burschenschaft Alemannia); Franconia (1863–1864); Teutonia (gegr. 1866 als Freie Burschenschaft Teutonia); Alemannia (1869–1887). Ausgewählte Literatur: Bechstein, Ludwig: Wollen und Werden. Deutschlands Burschenschaft und Burschenleben; romantisches Zeitbild. Abth. 1: Berthold der Student oder Deutschlands erste Burschenschaft. Halle 1850. – Becker, Ulrich: Studentische Verbände. Eine Bibliographie, zusammengestellt aus den Beständen des Instituts für Hochschulkunde. 2 Bde., Würzburg 1975 und 1976. – Fabricius, Wilhelm: Die deutschen Corps. Eine historische Darstellung der Entwicklung des studentischen Verbindungswesens in Deutschland bis 1815, der Corps bis zur Gegenwart. Frankfurt a. M. 1926. – Fichte, Johann Gottlieb: Ueber die einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit. Eine Rede beim Antritte seines Rectorats an der Universität zu Berlin, den 19. October 1811 gehalten. Berlin 1812. In: J. G. Fichte – Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Werke Bd. 10, Stuttgart 2005, S. 347–376. – Haase, Sven: Berliner Universität und Nationalgedanke 1800–1848: Genese einer politischen Idee. Stuttgart 2012 (Pallas Athene, 42); zugl. Diss. HU Berlin 2008. – Köpke, Rudolf: Die Gründung der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin; nebst Anhängen über die Geschichte der Insti-

tute und den Personalbestand. Berlin 1860. – Kombst, Gustav: Erinnerungen aus meinem Leben. Leipzig 1848. – Lüdtke, Torsten: Turner, Burschen und Philister – Studentisches Leben in Berlin zwischen Universitätsgründung und Revolution. In: Tenorth, Heinz-Elmar (Hg.): Geschichte der Universität Unter den Linden. Gründung und Blütezeit der Universität zu Berlin 1810–1918. Berlin 2012, S. 269–324 (Biographie einer Institution, Bd. 1). – Lund, Hannah Lotte: Die Universität in der Stadt 1810–1840. Geselligkeit – Kultur – Politik. In: ebd., S. 325– 380. – Marth, Albert: Geschichte des Corps Marchia zu Berlin (zum 109. Stiftungsfest). Berlin 1919. – Mechow, Max: Berliner Studenten 1810–1914. Berlin 1975 (Berlinische Reminiszenzen, 42). – Paschke, Robert: Studentenhistorisches Lexikon. Köln 1999. – Schmidt, Erich: Jahrhundertfeier der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin: 10.–12. Oktober 1910; Bericht im Auftrag des Akademischen Senats. Berlin 1911. – Schneider, Gustav Heinrich: Die Burschenschaft Germania zu Jena. Jena 1897, S. 8–12. – Voigt, Eduard Christian: Der Anteil der Berliner Studentenschaft an der allgemeinen deutschen Burschenschaft bis zu ihrer ersten Katastrophe. Berlin 1914.

Sven Haase / Uta Motschmann u. Mitarb. von Torsten Lüdtke

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Corps Marchia [CM]

Corps Marchia [CM] Name: Corps Marchia. Gründung: 26. November 1810 an der Berliner Universität (als Fortsetzung eines seit 1786 an der Universität Frankfurt/Oder bestehenden landsmannschaftlichen „Kränzchens“). Bestand: Mit Unterbrechungen bis heute (Suspensionen u. a. während der Befreiungskriege 1813–1815, nach den Karlsbader Beschlüssen, während der beiden Weltkriege und nach einem Verbot in den 1930er Jahren). Sitz: Im 19. Jahrhundert: Gemietete Kneipund Paukräume in verschiedenen Lokalen und Wohnungen in Berlin; seit 1909: eigenes Corpshaus in der Englischen Straße 14; seit 1927: Haus Sigmundshof 17 im Tiergarten (das Haus wurde im II. Weltkrieg zerbombt, wobei auch das Archiv verbrannte); seit 1953: eigenes Haus Bernadottestraße 68 in Berlin-Dahlem. Wahlspruch: 1788–1829: Sucurre cadenti; 1829 bis heute: Virtute pauci magna valent. Geschichte und Programmatik: Das aus einem landsmannschaftlichen märkischen Studentenkränzchen an der Universität Frankfurt an der Oder hervorgegange Corps Marchia ist die älteste Studentenverbindung Berlins und ein typisches Beispiel für die Entstehung der modernen Corps aus den alten Landsmannschaften. Ihre Geschichte ist (ähnlich der anderer Landsmannschaften) gekennzeichnet von permanenten Auflösungen und Neugründungen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kann sich das CM in Berlin dauerhafter konstituieren. In Frankfurt an der Oder hatten sich um 1786 vier Studentenkränzchen gebildet: das preußische, das schlesische, das pommersche und das märkische, die sich detaillierte „Gesetze“ gaben (vgl. Golinski, S. 46 ff., S. 96 ff.), sich in einem Universitätskartell zusammenschlossen und freundschaftlich miteinander verkehrten. Das märkische Kränzchen nahm hauptsäch-

Abb. 132  Wappen der Marchia (Märkerwappen).

lich geborene Märker auf; ihre Farben waren orange-weiß. Zwischen 1807 und 1811 hatte es 119 Mitglieder. Infolge der Verlegung der Viadrina nach Breslau im September 1811 siedelte ein Teil der Märker nach Breslau über, während eine zahlenmäßig größere Gruppe von Studenten an die neu gegründete Universität Berlin kam (ein Teil bereits im Herbst 1810, die Mehrzahl dann ein Jahr später). Ihre studentischen Traditionen nahmen sie an die neuen Studienorte mit. Am 26. November 1810 gründete sich in Berlin eine neue Marchia, deren Stifter und erster Senior Adolf Wilhelm v. Dittmar war, der bereits dem Märkischen Kränzchen in Frankfurt angehört hatte. Weitere Mitgründer waren Lorenz, Lentze, Schmidt und Klaatsch. Kurze Zeit zuvor hatten sich schon einige Märker zu einer ersten Verbindung in Berlin um den Stifter und Senior Friedrich Palm zusammengeschlossen, die sich allerdings nur wenige Wochen halten konnte. Die letzten, im September 1811 aus Frankfurt übergesiedelten Märker vereinigten sich mit der ersten Gruppe und betrachteten 735

12 Studentenverbindungen

Abb. 133  Stammbuchblatt von August Hermann Klaatsch: Märkische Studenten aus Frankfurt an der Oder und Berlin, Berlin 1811.

sie als gemeinsame Fortsetzung der Frankfurter Marchia. Unter ihrem Senior Jung­nickel knüpften sie unmittelbar an die Frankfurter Tradition an und führten ihr 1807 in Frankfurt eingerichtetes Stammbuch lückenlos weiter. Aus der Frankfurter Zeit behielten sie auch die Farben Orange und Weiß, den aus dem Anfangsbuchstaben des Verbindungsnamens entwickelten Zirkel sowie den Wahlspruch „Succurre cadenti“ bei. Der Frankfurter und Berliner Märker Klaatsch brachte die in Frankfurt getragenen Uniformen nach Berlin (vgl. Weiß, Archiv). Mit dem aus Frankfurt gewohnten ungezwungenen Studentenleben und ihrem selbstbewussten Auftreten, zu dem auch das Führen der Waffe gehörte, stießen die Landsmannschaften in Berlin auf wenig Verständnis. Der Polizeipräsident schloss zeitweise ihre Fechtböden. Der Rektor der Universität, Fichte, sprach sich scharf gegen die Landsmannschaften aus. Nach einem Disziplinarverfahren musste der führen736

de Märker Klaatsch die Universität Berlin verlassen (Weiß, Archiv). Mehrere Monate lang existierten zwei Marchias in Berlin, bis man im Januar 1812 den Entschluss fasste, „die von den Frankfurter Märkern im November 1811 als Fortsetzung der Frankfurter Marchia gegründete Verbindung wieder aufzulösen, um zusammen eine neue märkische Verbindung zu begründen, bezugsweise die erste Berliner Marchia vom November 1810 wieder zu erneuern und fortzusetzen“ (Marth, S. 63). Der erste Senior dieser nunmehr alle Märker umfassenden Verbindung war August Kloer, der bereits der Frankfurter Marchia angehört hatte. Bis zu der Anerkennung des Gründungstages (26. November 1810) wurde der Rekonstitutionstag 24. Januar 1812 als Stiftungstag angesehen. In den Gründungsjahren zählten Freiheit und Einigkeit des Vaterlandes und die Befreiung von der Fremdherrschaft zu den Idealen des CM. Märker sind demzufolge wenig spä-

Corps Marchia [CM]

ter auch bei den Turnern und in anderen patriotisch-nationalen Vereinigungen zu finden. Palm und Dittmar waren 1812 als „Kundschafter“ des Jahn-Friesen’schen  deutschen Bundes bei antinapoleonischen Aktionen eingesetzt. Dem Aufruf des preußischen Königs zur Vaterlandsverteidigung folgend, meldeten sich mindestens 19 Märker, darunter der Senior, im Februar 1813 zum Heer, was zur Auflösung der ersten Berliner Marchia am 10. Februar 1813 (wie auch der anderen Berliner Landsmannschaften) führte. Die meisten kämpften als freiwillige Jäger, einige im Lützow’schen Freikorps; sechs fielen. Nach ihrer Rückkehr 1814 setzten die Kriegsteilnehmer Studium und Aktivität in Berlin fort, viele rückten aber nach dem Ausbruch der weiteren Kämpfe im März 1815 erneut zur Armee ein. Aus patriotischer Begeisterung für Preußen schlossen sich Marchia, Pomerania und Silesia vorübergehend 1815/16 unter dem Namen  Borussia und den Farben Schwarz-Weiß zu einer einheitlichen großen Verbindung zusammen (Weiß, Archiv). Im April 1816 rekonstituierte sich die Marchia als Neomarchia (auch: Neomarchia et Ascania) und nahm auch Mitglieder der inzwischen aufgelösten Borussia auf. Sie bestand bis Sommer 1818. Die Idee einer allgemeinen Studentenvereinigung war in Berlin bald wieder aufgegeben worden. Während in Jena Jahns und Friesens Idee einer allgemeinen Burschenvereinigung und einer einheitlichen Burschenverfassung Früchte trug und sich dort die Landsmannschaften zugunsten eines einheitlichen burschenschaftlichen Verbandes auflösten, bestanden in Berlin die alten Landsmannschaften weiter fort. „Obwohl ursprünglich von Berlin ausgegangen, vermochte hier die burschenschaftliche Idee noch nicht durchzudringen, während auch an anderen Universitäten recht bald burschenschaftliche Vereinigungen entstanden“ (Marth, S. 81). Das änderte sich in den folgenden Monaten. Zum Wartburgfest am 17. Oktober 1817 waren auch aus Berlin etwa 20 Studenten, unter ihnen Mitglie-

Abb. 134  Tasse eines Corps-Mitglieds der Marchia.

der der Marchia wie Karl Bauer als offizieller Deputierter der Berliner Studentenschaft, weiterhin August Ferdinand Schulze, v. Wangenheim, Karsten und v. Koenen, erschienen. „Die Berliner Landsmannschaften lehnten allerdings die Auflösung und Umwandlung nach Jenenser Muster ab. Der Versuch, durch korporativen Beitritt zu einem Berliner ‚Burschenverein‘ weiterzubestehen, mißlang. Die burschenschaftlichen Ideen beherrschte die Studentenschaft so stark, daß eine Fortführung der alten Tradition aussichtslos erschien. Unter Mitwirkung des Aktiven Krausnick beschloss das Corps Marchia am 9. März 1818 die formale Auflösung, sorgte aber für die Weitergabe des Märkerstammbuchs als Grundlage für die Rekonstitution. Dagegen setzten sich die Aktiven v. Wangenheim und Jonas an die Spitze der neuen Bewegung, stifteten am 2. Juni 1818 die  Berliner Burschenschaft und beteiligten sich an der Gründung der überregionalen Allgemeinen Deutschen Burschenschaft in Jena“ (Weiß, Archiv). Infolge der „Karlsbader Beschlüsse“ konnte die 737

12 Studentenverbindungen

Burschenschaft bald nur noch im Geheimen Thuringia und Lusatia, die damals den Seniagieren und verlor dadurch an Bedeutung; im orenconvent bildeten, mit Relegation. WeiGegenzug blühten die alten Landsmannschaf- tere Anlässe für behördliche Untersuchungen ten wieder auf. „So erstand ungeachtet der bildeten Mensuren von Landsmannschaftern Verfolgungen und Verbote, die sich gegen alle mit Offizieren und Burschenschaftern. Der studentischen Verbindungen ohne Ausnahme verantwortliche Märkersenior Rothe wurrichteten, auch die alte Marchia [am 24. Ja- de wegen Zugehörigkeit zu einer verbotenuar 1819] wieder zu neuem Leben“ (Marth, nen Verbindung mit Karzer bestraft und mussS. 92). Man übernahm die Konstitution der te die Universität verlassen. 1822/23 stellte im Juni 1818 aufgelösten Neomarchia, behielt das Corps Marchia den Aktivenbetrieb ohne aber die alten Märkerfarben. Die Stifter der förmliche Suspen­sion ein“ (Weiß, Archiv). nun als „Corps“ bezeichneten Verbindung „Seit 1826 versuchten Berliner Studenten, waren: Robert (erster Senior bis März 1820), die amtlichen Verbote durch Bildung harmKnauff (zweiter Senior), Barthold, Cosmar, los erscheinender Vereinigungen zu unterLimonius, Martins, Graeff, v. Drigalski, The- laufen. Von anderen Universitäten übernahden, Tetschke, Schulze, Gründler, Zober, Me- men sie das Brauchtum des ‚Bierstaats‘. In enves, Meyerhoff, Ribbentropp, Schuppe, Kam- ger Anlehnung an die Corps standen besonlah, v. Lüderitz, Mila, v. Massenbach, v. Bor- ders die Jenenser ‚Bierherzogtümer‘ in hoher ne. Sie nannten sich untereinander „Bundes- Blüte. Auf feucht-fröhlichen ‚Hoftagen‘ verbrüder, Landsleute oder nur Brüder“ (Marth, ulkte man dort die deutsche Kleinstaaterei. S.  95). Von den eingetretenen 22 Mitglie- In Berlin gründete ein studentischer Freundern verließ ein Teil freiwillig oder gezwun- deskreis ehemaliger Schüler des Joachimsthalgen die Verbindung bald wieder; darunter ei- schen Gymnasiums, die im Hinblick auf die nige, weil sie weiterhin mit den Burschen- Tradition ihrer Schule als ‚Märker‘ bezeichnet schaftern verkehrten. Nachdem weitere Mit- wurden, das Bierkönigreich der Joachimsthaglieder ausgetreten waren, um die Neomarchia ler. Vier ältere Mitglieder rekonstituierten wieder aufzutun, verblieben der alten Mar- 1829 unter Führung des Seniors Eichhorn die chia noch sechs Mitglieder. Als im Sommer Marchia mit den Farben orange-weiß-gold“ 1820 die Berliner Burschenschaft mit der Grün- (Weiß, Archiv). dung der  Arminia unter Leitung des Gra- Durch verschärfte Verfolgungen und Unfen Bocholtz wieder hervortrat und, ausge- terdrückung studentischer Verbindungen in hend von etwa 30 Mitgliedern, bald mehr den 1830er Jahren kam es erneut zur Auflöund mehr Anhänger gewann, kam es zu stän- sung, wie in dieser Zeit in Berlin überhaupt digen (auch blutigen) Auseinandersetzungen keine studentischen Verbindungen mehr bezwischen dem CM und den als „Brunnenver- standen zu haben scheinen (Marth, S. 109). giftern“ bezeichneten Burschenschaftern. In- Nach weiteren Rekonstitutionen, Suspensifolge der fortdauernden staatlichen Untersu- onen und erneuten Gründungen sowie eichungen und Bestrafungen, die nicht nur die nem Verbot waffenstudentischer VerbindunBurschenschafter, sondern auch die Lands- gen an den Berliner Universitäten in den mannschaften betrafen, verlor das CM immer 1950er Jahren reicht die Geschichte der Marmehr Mitglieder. „1821 fiel ein Brief des Ber- chia bis in die heutige Zeit. Seit der Grünliner Seniorenconvents, mit dem er den Seni- dung wurden über 1.000 Berliner Studenten orenconvent zu Greifswald über die studenti- beim CM aktiv und nach der „Fuchsenzeit“ schen Verhältnisse in Berlin unterrichtete, in rezipiert. Zur Jahreswende 2012/13 hatte das die Hände der Behörden. Die Universität be- Corps 22 Aktive und Inaktive sowie 144 Alte strafte die Senioren der Marchia, Pomerania, Herren. 738

Corps Marchia [CM]

Struktur und Organisation: Das CM ist pflichtschlagend, d. h. ihre Mitglieder üben mit dem Glockenschläger das studentische/ akademische Fechten aus, und es ist farbentragend, d. h. halbuniformiert. Die Couleur, Brustband und Burschenmütze oder Tönnchen, sind bis 1838 die Farben orange-weiß, seit dem orange-weiß-gold. – Die Verfassung der Frankfurter Verbindung von 1802, die zu den ältesten bekannten Corps-Constitutionen zählt, enthält im Kern die noch heute im CM geltenden Grundsätze hinsichtlich des Verbindungszwecks, der Rechte und Pflichten aller Mitglieder und Aufgaben der Chargierten. Seit 1807 trug sich jeder bei der Aufnahme in die Verbindung (Rezeption) in das fortlaufend geführte Märker-Stammbuch ein (Weiß, Archiv). Seit Wintersemester 1956/57 gilt eine modernisierte Konstitution. – Die einflussreichste Persönlichkeit in der Verbindung war der Senior, der von allen Mitgliedern gewählt wurde. Sämtliche Mitglieder, ohne Rücksicht auf ihre Semesterzahl, bildeten den Konvent. Die älteren Mitglieder schlossen sich in einem Kandidatenkonvent zusammen, in dem über alle wichtigen und schwierigen Angelegenheiten der Verbindung entschieden wurde. Ein Zensorengericht traf bei Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten einzelner Mitglieder richterliche Entscheidungen, konnte wohl auch Strafen verhängen und strenge Kritik üben und hatte demnach eine erzieherische Funktion. Für die Aufnahme in die Verbindung waren zunehmend keine territorialen Rücksichten mehr maßgebend, sondern es wurde auf gute Sitten und Vaterlandsliebe geachtet. Zur Marchia gehörten damals die Pommern, Schlesier, Preußen und die Lutschieven (Kur- und Livländer). Der Fechtboden des CM befand sich 1810/11 in der Dorotheenstraße; Kommerse fanden bei Lutter und Wegner in der Charlottenstraße statt. Mit den anderen, ebenfalls in den Gründungsjahren der Berliner Universität entstandenen bzw. hier neu konstituierten Landsmannschaften der Westphalen, der Schlesier,

Pommern und Vandalen wurden häufig Mensuren und pro-patria-Suiten ausgefochten. Im Anschluss wurde gemeinsam getafelt, gezecht, getanzt und gesungen. Mitglieder: a) Die Senioren: Adolf Wilhelm v. Dittmar und Friedrich Palm (1810–1811); Jungnickel (1811–1812); August Kloer (Jan. bis März 1812); Karbe (März 1812–1813); Peter Schmidt (1813); Lange (ab Nov. 1814); C. Marquardt (ab April 1816); Winkler (um 1818); Robert (Jan. 1819 bis März 1820); Schuppe (März bis Juni 1820); Zöllner (ab Juni 1820); Martins (bis Juni 1821); Rothe (1821). – Die beiden ersten Senioren der Marchia, Palm und Dittmar, kämpften in den antinapoleonischen Kriegen. Palm wurde als Generalmajor verabschiedet, v. Dittmar führte danach ein griechisches Bataillon und fiel in Missolunghi. Einer der ersten Märker in Berlin, v. Kunowsky, war 1813/14 freiwilliger Jäger, wurde im Mai 1814 in Paris Leutnant im Leib-Infanterie-Regiment, 1821 im Garde-Jäger Bataillon und lebte später als Rittergutsbesitzer. – b) Einzelmitglieder 1810 bis 1815 (chronologisch): Nach den Kösener Corpslisten hatte die Marchia im Gründungsjahr 1810 neun Mitglieder. Im Jahr 1811 kamen 39 hinzu, im Jahr 1812 acht und im Jahr 1814 22. Bis zum Ende des Jahres 1820 hatte das CM insgesamt 164 Mitglieder. 1810: 1. Adolf Wilhelm v. Dittmar, aus Berlin; 2. Johann Gottlieb Ferdinand Lorenz, stud. cam.; 3. Leopold Lentze, stud. theol.; 4. Carl Wilhelm Schmidt, stud. theol.; 5. August C. F. Hermann Klaatsch, stud. med.; 6. Friedrich Leopold Palm; 7. Theodor F. W. Schwarz, stud. jur.; 8. Justus Ferdinand Pehlemann; 9. Carl Friedrich Jungnickel, stud. cam. – 1811: 10. Carl Gottfried Luckow; 11. Wilhelm Krickau; 12. Carl A. J. Schwarz; 13. August Kloer, stud. jur. et cam.; 14. August Friedrich Mebes; 15. Gustav Wilhelm Runge; 16. Carl Friedrich W. Krüger, stud. jur.; 18. Chr. Friedrich Maß (1813 gefallen bei Großbeeren); 19. Joh. Heinrich August Hey, stud. jur.; 20. Ewald Wilhelm Philipp Hecker, stud. med.; 21. Friedrich A. L. Duden; 22. Ludw. 739

12 Studentenverbindungen

L. Karbe; 23. Georg L. C. Ewald, stud. jur.; 24. Peter D. L. Hauschild; 25. Carl v. Holzendorff; 26. Louis A. J. v. Holzendorff; 27. Engmann (1813 gefallen bei Großbeeren); 28. Carl Goldmann, stud. theol.; 29. Franz Alb. Freyer; 30. Tillack (1813 gefallen bei Lützen); 31. Peter Schmidt, stud. theol.; 32. Wilhelm Ludwig Bahrfeld; 33. Carl Friedrich Wilhelm Fahrenholz, stud. jur.; 34. Johann Wilhelm Grüneberg, stud. theol.; 35. Muthmann; 36. Carl August Schulze; 37. Johann Friedrich L. Roestel; 38. Carl W. A. Roestel; 39. Liesegang; 40. C. L. W. Büttner, stud. theol. (1813 bei Leipzig gefallen); 41. Otto F. W. v. Kunowsky; 42. Dreyer: 43. Jacob Krumbholz, stud. theol.; 44. Carl Krumbholz, stud. theol.; 45. Carl Steffeck, Dr. phil.; 46. Thieme; 47. Albrecht Graf v. AlvenslebenErxleben; 48. Carl Becker, stud. theol. – 1812: 49. Carl Eduard Boehr, stud. med.; 50. Carl August Behrens; 51. Otto Rudolf v. Wülcknitz, stud. cam.; 52. v. Hoven; 53. Friedrich Eduard Traugott Lange (1816 Mitgründer der Neomarchia); 54. Carl W. G. Marquardt; 55. Leopold v. der Osten, stud. jur.; 56. Ferdinand v. der Osten, stud. jur. (gefallen bei Soeplitz) – 1814: 57. Friedrich Wilhelm Bernhardi; 58. Carl Bauer (Deputierter der Berliner Studentenschaft beim Wartburgfest am 17.10.1817); 59. C. Marquardt; 60. Carl Friedrich Neumann, stud. jur.; 61. Christian Gustav Hecker, stud. med.; 62. Justus Friedrich Hecker, stud. med.; 63. Otto v. Koenen; 64. Vocke; 65. Friedrich Wilhelm Fetzau; 66. Friedrich Wilke; 67. Gustav Wilke; 68. F. H. B. Bode; 69. Heinrich Karsten, stud. theol.; 70. Carl F. L. Pilarick, stud. theol.; 71. Carl Gustav Wagner; 72. Carl August Schwarsow, stud. theol.; 73. Carl Martus, stud. theol.; 74. Chr. Bellermann, stud. theol.; 75. C. Guticke, stud. jur.; 76. Carl Burchardi; 77. Rütnick; 78. V. Budach; 79. Friedrich Wilhelm G. Fehrmann. – Albrecht Graf v. Alvensleben-Erxleben (rezipiert 1811) war von 1835–1842 als preußischer Finanzminister tätig; Heinrich Guischard gen. von Quintus Icilius (rez. 1817) war 1848 Mitglied der Paulskirche (Nationalversammlung in Frankfurt/Main); Heinrich Wilhelm 740

Krausnick (rez. 1817) Berliner Oberbürgermeister von 1834–1848 und 1851–1862; Heinrich Alexander Frhr. v. Arnim (rez. 1819) preußischer Staatsminister des Auswärtigen 1848. Querverweise auf andere Vereine: Das Berliner CM gehört dem 1848 gegründeten Kösener Senioren-Convents-Verband an, einem Dachverband der ältesten Studentenverbindungen in Deutschland, später auch Österreichs und der Schweiz. – 1902 gründeten die Alten Herren der Marchia den Verein Alter Berliner Märker e.V. – Märkische Studentenverbindungen gab es ebenfalls an anderen Universitäten, so in Halle und Breslau (gegr. 1811); zu späteren Marchia-Gründungen kam es u. a. in Aachen, Bonn, Braunschweig, Breslau, Brünn und Greifswald. Sie bestehen teilweise bis heute. – Obwohl die Marchia geheime Rituale ablehnte, galt dies nicht für die Freimaurerei. Marchia tolerierte die  Freimaurerlogen; einige ihrer Mitglieder waren (oder wurden später) Freimaurer. – August Hermann Klaatsch, der das Märker-Stammbuch führte, war 1826 bis 1829 Mitglied der  Gesellschaft der Freunde der Humanität; ebenso der Märker Heinrich Wilhelm Krausnick (ab 1837). Bibliographie: a) Archivalien: BAK, DB 9, A. 2. Stammbücher und Alben, 102. Boyther, Eduard (Marchia Berlin, Jenaische Burschenschaft 1815, Teutonia Halle 1816), Göttingen 1818 (Abschrift). – BAK, DB 9, B. I. 1. d. K13/263. Berlin. Aufruf der Landsmannschaft Marchia zum Wartburgfest 1817 (Abschrift). – Märkerstammbuch von August Hermann Klaatsch (im Archiv des CM). – b) Gedruckte Quellen und Darstellungen: Assmann, Rainer: 21 der ältesten Constitutionen der Corps und ihrer Vorläufer bis zum Jahre 1810. In: Einst und Jetzt. Jb. d. Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung. München, Sonderh. 1981. – Bechstein, Ludwig: Wollen und Werden. Deutschlands Burschenschaft und Burschenleben; romantisches Zeitbild. Abth. 1: Berthold der Student

Corps Guestphalia [CGph]

oder Deutschlands erste Burschenschaft. Hal- bentragenden Korporationen an der Berliner le 1850. – Golinski, Ludwig: Die Studenten- Universität von 1810 bis 1870. In: Einst und verbindungen in Frankfurt a. O. Diss. Breslau Jetzt. Jb. d. Vereins für corps­studentische Ge1908. – Haupt, Joachim Leopold: Landsmann- schichtsforschung. München 1961. – Röhlke, schaften und Burschenschaften: ein freies Wort Erich: Über das Stammbuch der Märkischen über die geselligen Verhältnisse der Studieren- Verbindung zu Frankfurt a. O. und Berlin seit den auf den teutschen Hochschulen. Alten- dem 17. November 1807. In: Einst und Jetzt. burg 1820. – Kösener Corpslisten: 1960; eine Jb. d. Vereins für corpsstudentische GeschichtsZusammen­ stellung der Mitglieder der beste- forschung. München 1965, S.  146  ff. sowie henden und der nach dem Jahre 1892 suspen- Jb. 1966, S. 165 ff. mit Corpsliste 1807–1813. dierten Corps mit Angabe von Farben, Zir- – Röhlke, Erich: Die Bierkönigreiche der kel, Jahrgang, Chargen und Personalien für den Marchia Berlin. In: Einst und Jetzt. Jb. 1964, Hohen Kösener SC-Verband u. d. Verband Al- S. 153 ff. – Sommerlad, Bernhard: Wartburgter Corpsstudenten im Auftrag des VAC-Vor- fest und Corpsstudenten. In: Einst und Jetzt. Jb. standes zum 2. Male bearb. von Otto Gerlach. 1979. – Weiß, Egbert: Frankfurter und Berliner Bochum 1961. – Marth, Albert: Geschichte Märker. In: Einst und Jetzt. Jb. 1992, S. 185– des Corps Marchia zu Berlin (zum 109. Stif- 187. – Weiß, Egbert: Corpshistorische Einfühtungsfest). Berlin 1919. – Meyer, Kurt: Die far- rung: Marchia 1786–1960 (im Archiv des CM).

Uta Motschmann

Corps Guestphalia (Landsmannschaft der Westphalen) [CGph] Name: Corps Guestphalia. Gründung: 21. Mai 1810 [laut Kösener Corps­listen: 1811]. Auflösung: 1813, rekonstituiert 4. November 1814; trat Juni 1818 zur  Berliner Burschenschaft über; Rekonstituierung als Corps 25. Januar 1819, aufgelöst 1821.

Schande und Schimpf über den, der nicht sein Leben in die Schanze wirft für diese Dreifaltigkeit“ (zitiert nach: Max Mechow: Berliner Studenten 1810–1914. Berlin 1975, S. 21). Der Brief illustriert, wie auch die Landsmannschaften vom Gedanken der deutsch-vaterländischen Verpflichtung getragen waren.

Farben: Grün-schwarz-weiß. Wahlspruch: Gloria virtutis comes.

Namentlich bekannte Mitglieder: 1811: Theodor Körner (von April bis Juni aktiv); Hübner. – 1819: August Wuth; Ludwig v. d. Leithen. – 1821: Michael Paul; Vollmer.

Das Corps Guestphalia war eine für nichtpreußische Deutsche bestimmte Studentenverbindung. Kurzzeitig gehörte ihm Theodor Körner an, der 1811 für ein Jahr in Berlin studierte. Im September 1811 schrieb er an seine Guestphalia: „Alten deutschen Sinn und unserer Väter Kraft wollten wir in uns aufziehen und treu bewahren und wie die alten Germanen nichts für höher erkennen als das Vaterland und unsere Ehre und unsere Freiheit.

Quellen: Kösener Korps-Listen von 1798 bis 1910. Im Auftrage des Kösener S.C.-Verbandes bearb. u. hg. v. Karl Rügemer. Starnberg bei München 1910. – Meyer, Kurt: Die farbentragenden Korporationen an der Berliner Universität von 1810 bis 1870. In: Einst und Jetzt, 6. Bd., Jb. 1961 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 132.

Uta Motschmann 741

12 Studentenverbindungen

Corps Pomerania (Landsmannschaft der Pommern) [CPom] Name: Corps Pomerania. Gründung: Nach den Kösener Corpslisten am 6. März 1809 in Frankfurt an der Oder gegründet; um 1810 in Berlin konstituiert. Bestand: Suspendiert 1813; Rekonstitution November 1814; bildet 1813 mit  Marchia die Kriegsverbindung  Borussia; Rekonstitution April 1816; 1818 geht eine größere Gruppe zur  Burschenschaft (darunter v. Wangenheim); Rekonstitution 5. Januar 1819 (laut Märkerstammbuch: 1820); aufgelöst spätestens 1822. Farben: Weiß-blau; später: hellblau-weiß. Wahlspruch: Ubi patria, ibi benes.

1817–1818 bestand eine Neo-Pomerania mit den Farben blau-weiß-gelb, „anscheinend von preußischen Neuvorpommern (Gebietszuwachs für Preußen 1815!)“ gestiftet (Meyer, S. 134).

Namentlich bekannte Mitglieder: 1811: Joh. Schröner, stud. jur.; Karl Wilhelm Münchmeyer; Karl Johann Frese. – 1814: Karl Loffhagen, stud. jur. – 1816: v. Wangenheim, stud. jur.; C. W. Krüger. – 1817/18: Fr. Rhade; August Uterhart, stud. jur.; v. Borcke, stud. jur.; C. W. Kaminsky, stud. med.; Karl Triest; Töpfer, stud. phil.; Wilwesolowski aus Polen; A. Boje, stud. jur. – 1821: v. Schmeling, stud. jur.; L. Bauer, stud. jur. Quellen: Kösener Korps-Listen von 1798 bis 1910. Im Auftrage des Kösener S.C.-Verbandes bearb. u. hg. v. Karl Rügemer. Starnberg bei München 1910. – Meyer, Kurt: Die farbentragenden Korporationen an der Berliner Universität von 1810 bis 1870. In: Einst und Jetzt, 6. Bd., Jb. 1961 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S.  132, 134.

Uta Motschmann

Corps Silesia (Landsmannschaft der Schlesier) [CSi] Name: Corps Silesia. Gründung: Gestiftet Ende 1811 als Fortsetzung der Silesia in Frankfurt/Oder. Bestand: Beteiligt sich ab 1813 mit  Marchia und  Pomerania an der Kriegsverbindung  Borussia; Rekonstitution als Silesia um 1817; geht 1818 zur  Burschenschaft über; Rekonstitution als Silesia 25. Januar 1819; aufgelöst Herbst 1820. Farben: Hellblau-weiß.

Wahlspruch: EGE (Ewigkeit geschwornen Eyden), auch UBTNDT (Unsern Bund trennt nur der Tod). Quellen: Kösener Korps-Listen von 1798 bis 1910. Im Auftrage des Kösener S.C.-Verbandes bearb. u. hg. v. Karl Rügemer. Starnberg bei München 1910. – Meyer, Kurt: Die farbentragenden Korporationen an der Berliner Universität von 1810 bis 1870. In: Einst und Jetzt, 6. Bd., Jb. 1961 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 133, 135.

Uta Motschmann

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Corps Vandalia [CVan]

Corps Vandalia (Landsmannschaft der Mecklenburger) [CVan] Name: Corps Vandalia. Gründung: 8. November 1811 durch den Göttinger Vandalen Franz Eichhorn. Bestand: Aufgelöst 1813, rekonstituiert Ende 1814; abermalige Auflösung 1818, da Übergang zur  Burschenschaft; rekonstituiert 25. Januar 1819; seit Juni 1821 nicht mehr erwähnt. Farben: Schwarz-rot; auch: blutrot-gold (Meyer, S. 133). Wahlspruch: Virtuti semper corona, auch: Viros fortes conjungat virtus.

Die Vandalia war eine besonders reformfreudige landsmannschaftliche Verbindung mecklenburgischer Studenten, die sich im Zuge der napoleonischen Besatzung inhaltlich neu orientierte und national ausrichtete (Hardtwig, S. 98 ff.; Haase, S. 143). Der Jenaer Theologiestudent Theodor Müller und Mitglied der dortigen Vandalia berichtet von dem Wandel zu einer „deutschen“ Organisation: „Die Schriften und Reden eines Arndt, Jahn und Fichte erweckten und belebten in jenen Berliner Vandalen den nur zu lange erstorbenen Sinn für deutsches Volksthum“ (Pabst, S. 79). „Von Berichten über die Heldentaten Schills und Dornbergs beeindruckt und von der Agitation ihrer Lehrer ab 1813 angeheizt‚ ‚setzt sich in jener Berliner Studentenverbindung ein patriotisches Sinnen und Streben fest‘“ (Haase, S. 143; darin zitiert: Pabst, S. 79). Namentlich bekannte Mitglieder: 1811: Franz Eichhorn (Stifter); Joh. Alb. Boysen; Rudolf Pabst; Karl Franz Arndt, stud. theol. – 1812: C. v. Lützow, stud. cam.; August v. Lützow; Johannes Aggens, stud. med.; Vollrath

Hoffmann. – 1813: O. König, stud. phil.; Louis Guillaume Dortu, stud. jur.; Ludwig v. Köckeritz und Friedland, stud. cam.; Karl Friedrich Uterhart, stud. med.; Johann Karl Heinrichs, stud. theol. (Verfasser der Burschenschaftsurkunde); Stiebel. – 1814: August Johann David Francke, stud. theol.; Georg Ludwig Jacob Christlieb, stud. theol.; Hermann v. Santen, stud. theol.; H. Loeper. – 1815: Alb. Kramer, stud. jur.; L. F. Scheel. – 1816: Wilhelm Boldemann, stud. med.; Franz Claudius, stud. theol. – 1817: Ernst August Aegidi (später Mitstifter der Berliner Burschenschaft); Stegemann; Georg Benthe, stud. jur.; C. L. v. Duisburg, stud. med.; August Skuha, stud. theol. – 1818: Johann Christ. Ludwig Wagner. Literatur: Haase, Sven: Berliner Universität und Nationalgedanke 1800–1848. Genese einer politischen Idee. Stuttgart 2012 (PALLAS ATHENE, 42). – Hardtwig, Wolfgang: Zivilisierung und Politisierung. Die studentische Reformbewegung 1750–1818. In: Ders.: Nationalismus und Bürgerkultur in Deutschland 1500–1914. Ausgewählte Aufsätze. Göttingen 1994, S. 79–107. – Kösener Korps-Listen von 1798 bis 1910. Im Auftrage des Kösener S.C.-Verbandes bearb. u. hg. v. Karl Rügemer. Starnberg bei München 1910. – Meyer, Kurt: Die farbentragenden Korporationen an der Berliner Universität von 1810 bis 1870. In: Einst und Jetzt, 6. Bd., Jb. 1961 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 132. – Pabst, Karl Robert: Theodor Müllers Jugendleben in Mecklenburg und Jena. Ein kulturgeschichtliches Lebensbild aus der Zeit der deutschen Knechtung und Befreiung mit besonderer Rücksicht auf das jenaische Studentenleben bis zum Jahre 1815. Aarau 1861.

Uta Motschmann

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12 Studentenverbindungen

Corps Borussia [CBo] Name: Corps Borussia. Gründung: März 1815 (nach Meyer bereits 1813 gebildet aus Pomerania, Marchia und Silesia). Bestand: Bis ca. April 1816; nach anderen Angaben bis 1822. Spätere Neugründungen sind Marco-Borussia (1833–1835) und Neoborussia (1838–1866). Seit 1873 besteht wieder eine Borussia mit Sitz in Berlin-Grunewald. Farben: Schwarz-weiß. Wahlspruch: In constantia semper corona. Geschichte und Programmatik: Das CBo wurde nach der kriegsbedingten Auflösung der Landsmannschaften im Frühjahr 1815 von den zurückgebliebenen Mitgliedern gegründet und kann als Vorstufe einer allgemeinen Studentenvereinigung angesehen werden. Schon kurz vor der Auflösung des  Corps Marchia hatte der Märker Christian Hecker Kontakt zur Hallenser Teutonia aufgenommen. „In Halle entstanden nämlich schon nach dem ersten Freiheitskriege die früheren Kränzchen nicht wieder als einzelne, getrennte Landsmannschaften, sondern hatten sich, der […] neuen Idee einer engeren Vereinigung aller Studenten und dem Gefühl der größeren Zusammengehörigkeit aller durch den Krieg mehr vereinigten deutschen Stämme folgend, am 1. November 1814 zu einer gemeinsamen Landsmannschaft ‚Teutonia‘ vereinigt, die den Wahlspruch „Ehre, Freiheit, Vaterland“ führte“ (Marth, S. 75). Die Hallenser Teutonia wollte ihre Bestrebungen auch auf andere Universitäten übertragen und führte entsprechende Verhandlungen, so mit der Lusatia in Leipzig und mit Hecker aus Berlin, welcher dann unmittelbar nach der im

März 1815 erfolgten Auflösung der Marchia der Stifter und Senior der Berliner Borussia wurde, die als allgemeine Studentenverbindung die zurückbleibenden Kommilitonen vereinigte und bewusst einen übergreifenden und nicht den Namen einer einzelnen Provinz erhielt. Die Berliner Borussia hatte die gleichen Grundsätze wie die Hallenser Teutonia bis hin zu den gleichen preußischen Landesfarben „schwarz-weiß“. Allerdings waren ihre Einheitsbestrebungen von denen der späteren Burschenschaften sehr verschieden. Die landsmannschaftlichen Grenzen wurden zwar verwischt, die alten Prinzipien und Formen aber beibehalten. Vereinigte sie anfangs die zurückbleibenden Mitglieder sämtlicher vaterländischen Landsmannschaften, so bestand sie vor ihrer Auflösung nur noch aus Märkern und Pommern; drei andere Landsmannschaften hatten sich wieder von ihr gelöst. Namentlich bekannte Mitglieder: Christian Hecker (Stifter und Senior); Adolf Berlin (später Bürgermeister von Schweidnitz); Joh. Hertrumpf (später Polizeianwalt, Görlitz); Fitzau; Neumann; Haffner. Quellen: Kösener Korps-Listen von 1798 bis 1910. Im Auftrage des Kösener S.C.-Verbandes bearb. u. hg. v. Karl Rügemer. Starnberg bei München 1910. – Marth, Albert: Geschichte des Corps Marchia zu Berlin (zum 109. Stiftungsfest). Berlin 1919, besonders S. 75–79. – Meyer, Kurt: Die farbentragenden Korporationen an der Berliner Universität von 1810 bis 1870. In: Einst und Jetzt, 6. Bd., Jb. 1961 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 133, 135.

Uta Motschmann

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Corps Lusatia [CLu]

Corps Curonia (Landsmannschaft der Kurländer) [CCu] Name: Corps Curonia; der ursprüngliche Name war möglicherweise Ruthenia. Gründung: 24. Juni 1815. Bestand: Auflösung spätestens im Herbst 1821, „vielleicht auch schon früher (1817) wegen Mangel an Nachwuchs, da die russ[i­ sche] Regierung im Herbst 1821 ihren Untertanen das Studium an deutschen Universitäten erschwerte“ (Meyer, S. 133). Farben: Grün-blau-weiß. Wahlspruch (lettisch): Draugs tam draugam (Freund dem Freunde) und: Sirds kurzemnecka gods (das Herz ist des Kurländers Ehre).

Betont antiburschenschaftlich Lands­mannschaft.

eingestellte

Mitglieder: a) Stifter: Baron Gustav v. Fircks, stud. phil.; Chr. Goertz, stud. med.; Baron Heinrich v. Saß, stud. jur.; Joh. v. Körber, stud. med. – b) weitere Mitglieder (chronologisch): v. Schwarzhoff;

Graefe; Chr. Tottsen; K. Michael Schumacher; Fr. Gustav Straus; Louis Cambecq (Camberg); Andreas Gevecke; Jakob Seraphim; Wilhelm Adolphi; Wagner; Baron Karol. v. Offenberg; Joh. Staehr; Baron August Schoultz; v. Nutzen I; v. Nutzen II; Schmidt; Daniel Schmoel­ling; August Heylmann; Bernstein; Leonhard Pohl; Haffner; G. Hecker; C. Hecker; Fitzau; Konstantin Beck; Ludwig Schnack; Gustav v. Kühlewein; Otto v. Panck; Dietrich Pohl; Chr. v. Schmid; Claus v. Kühlewein; Georg Gevecke; W. C. Böchmann; Ulrich Kühn; Ernst Reinh. v. Eichholz; Eduard Dännemark; Karl Stoff. Quellen: Kösener Korps-Listen von 1798 bis 1910. Im Auftrage des Kösener S.C.-Verbandes bearb. u. hg. v. Karl Rügemer. Starnberg bei München 1910. – Meyer, Kurt: Die farbentragenden Korporationen an der Berliner Universität von 1810 bis 1870. In: Einst und Jetzt, 6. Bd., Jb. 1961 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 133.

Uta Motschmann

Corps Hanseatica [CHa] Name: Corps Hanseatica. Gründung: 1815. Auflösung: Januar 1818, „da 26 Mitglieder der burschenschaftlichen Verfassung zustimmten, ohne aber selbst Mitglieder der Burschenschaft zu werden“ (Meyer, S. 133). Rekonstitution 25. Januar 1819, aufgelöst vor 8. Juni 1821.

Farben: Rot-weiß oder: rot-weiß-rot. Quelle: Meyer, Kurt: Die farbentragenden Korporationen an der Berliner Universität von 1810 bis 1870. In: Einst und Jetzt, 6. Bd., Jb. 1961 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 132, 135.

Uta Motschmann

Corps Lusatia (Landsmannschaft der Lausitzer) [CLu] Name: Corps Lusatia. Bestand: 1816–1821; nach anderen Quellen: 4.12.1819 – 1821.

Farben: Blau-rot-gold. Stifter: Joh. Richter, stud. theol.

Uta Motschmann 745

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Berliner Burschenschaft [BBursch] Name: Berliner Burschenschaft. Gründung: 2. Juni 1818 (Stiftungstag: 18. Juni 1818). Auflösung: Oktober 1819; 1820 Neukonstituierung als  Arminia. Sitz: Zusammenkünfte fanden in einem „gemietheten Lokal Holzmarktstr. No. 23. beym Gastwirth Flemming“, wie auch in den Wohnungen der Mitglieder statt.

sowie „das Volk nach Erdschollen zersplittern“ (Schneider, S. 10). Die studentischen Orden dagegen würden „es mit der allgemeinen Menschenliebe zu thun haben und eine Weltbürgerlichkeit bezwecken; […] eine Burschen-Freimaurerei betreiben“ und „für eine spätere bürgerliche Welt sich zusammentun“ (Schneider, S. 10). In der neu zu bildenden Burschenschaft sollten zwar auch „Burschenfreiheit“ und „Burschengleichheit“ herrschen, doch verstanden Friesen und Jahn unProgrammzitat: „§ 4. Burschenschaft ist die Gemeinschaft aller christlich deutschen Bur- ter „Burschenfreiheit“ das Recht des Studenschen in Einer Verfassung, die ihnen die Frei- ten, sich „frei und selbstständig nach eigen­ heit sichert, Gottes Ruf und dem des Vaterlan- thümlicher Weise im Lernen und Leben zum des auf geradem Wege zu folgen“ (GStA PK, I. deutschen Manne zu bilden“. Dieses Recht, HA Rep. 77, Tit. XXVIc, Nr. 2, Bl. 9v). das allen Burschen gleich und frei zustände, begründe die Burschengleichheit, die nur Geschichte und Programmatik: 1810 for- durch „natürliche Unterschiede“ wie „Alter, derten Friedrich Friesen und Friedrich Lud- Erfahrung, Einsicht, Kraft und das Vertrauwig Jahn die Einrichtung von Burschenschaf- en der Mitburschen“ geschieden sein dürfe ten an den Universitäten. An der Universi- (Schneider, S. 8). Als weitere Grundsätze solltät Berlin, selbst aus Reform- und Erneue- ten „Ehre über Leben“ sowie „Vaterland und rungsbestrebungen heraus erwachsen, sollte Volk über Alles“ gehen: So könnten nur „Ehrsich nach dem Willen Jahns und Friesens nun liche und Wehrliche, die das Sittengesetz und ebenfalls das studentische Leben wandeln. In das der Ehre halten, […] für Burschen gelten“. ihrer Denkschrift Ordnung und Einrichtung Und: „Immer muß der ehrliche und wehr­ der deutschen Burschenschaften legten sie An- liche Bursch die Ehre höher schätzen, wie das spruch und Ziele der Burschenschaft fest: So Leben“ (Schneider, S. 9). Jeder Bursch müsse mache die „gesammte Burschenschaft jeder sich außerdem nicht nur geistig (im Studium), hohen Schule […] ein Ganzes aus, ein freies sondern auch körperlich (auf dem Turn- und Gemeinwesen freier Leute“ (Schneider, S. 10). Fechtboden sowie dem Schießplatz) ausbilden, Dabei sollten die Mitglieder derselben nie- um für Volk und Vaterland wirken zu können. mals vergessen, dass es „die heiligste Pflicht Das Eintreten für das Volk und das gemeinsades deutschen Jünglings und des Gelehrten me Vaterland stellte dabei ein neues Ideal dar, besonders ist, ein deutscher Mann zu werden das sich so nicht im Gedankengut der besteund dereinst im bürgerlichen Leben für Volk henden studentischen Corporationen finden und Vaterland kräftig zu wirken“ (Schneider, ließ, und das auf eine umfassende, auch sittS. 9). In der Denkschrift verurteilten Frie- lich-moralische Erneuerung des Studentenlesen und Jahn auch die bestehenden studenti- bens und Verbindungswesens abzielte. schen Orden, Landsmannschaften und Kränz- Ende des Jahres 1811 legten Friesen und Jahn chen, denn Landsmannschaften und Kränz- die Denkschrift Johann Gottlieb Fichte, dem chen suchten „unnütze Händel“ (Ehren- zweiten Rektor der Berliner Universität, zur händel und Zweikämpfe) und würden den Prüfung vor, der die Schrift Ende Januar 1812 Studenten „von den Wissenschaften abziehen“ äußerst ungünstig begutachtete. Mit scharfen 746

Berliner Burschenschaft [BBursch]

Abb. 135  Karl v. Wangenheims Gründungsaufruf der Berliner Burschenschaft, Ostern 1818.

Worten lehnte er die Einrichtung einer Burschenschaft in Berlin nach Friesens und Jahns Entwurf ab. Mit dem Kampf gegen Napoleon und die französische Vorherrschaft in den Jahren 1813 bis 1815 fanden die Ideen Friesens und Jahns – wie auch nationales Gedankengut – schließlich doch Eingang in den Lebensbereich der Studenten. Inspiriert von Friesens und Jahns Denkschrift Ordnung und Einrichtung der deutschen Burschenschaften schlossen sich die Jenaischen Landsmannschaften am 12. Juni 1815 zur Jenaischen Burschenschaft zusammen. Dem Beispiel Jenas folgten bald auch die Studenten anderer deutscher Hochschulen; in Berlin blieb es jedoch bei der landsmannschaftlichen Organisation der Studenten. Die Bestrebungen, alle aus den preußischen Landesteilen stammenden Studenten in einer Landsmannschaft, dem  Corps Borussia „national“ zu einigen, waren nicht sehr erfolgreich und nur von kurzer Dauer. Im Oktober 1817 fand das durch Arndt und Jahn inspirierte und von der Jenaischen Burschenschaft (u. a. durch die Berliner Maßmann und Dürre) als Nationalfest geplante Wartburgfest statt. Aus Berlin nahmen etwa dreißig Personen teil. Für einige der teilnehmenden Berliner Studenten waren die dort gemachten Erfahrungen und Erlebnisse der Anlass, sich trotz verschiedener behördlicher Untersuchungen und entgegen des seit dem 7. Dezember 1817 bestehenden Verbots aller studentischen Verbindungen auch in Berlin für die Bildung einer Burschenschaft einzusetzen. Ein Aufruf des Jurastudenten Karl v. Wangenheim am Schwarzen Brett der Universität zu Anfang

des Sommersemesters 1818 markiert den Beginn der burschenschaftlichen Aktivitäten in Berlin: „Diejenigen, welche fest entschlossen sind, ihrer reinen Überzeugung gemäß, geistig und leiblich für die Errichtung einer allgemeinen deutschen Burschenschaft nach allen ihren Kräften zu wirken, werden hierdurch aufgefordert, ihre Namen und ihre Wohnung zu unterzeichnen. K. v. Wangenheim Or[anien?]burger Str. 28“ (Lüdtke, S. 302). Diesem Gründungsaufruf folgten zahlreiche Studenten, wie auch das Gründungsprotokoll der BBursch vom 2. Juni 1818 belegt. Unter den Gründern waren nicht wenige, die zuvor schon einer Landsmannschaft angehört hatten. Die mit der BBursch im Berliner Burschenverein vereinigten Landsmannschaften wollten den Verlust von Einfluss und Macht, der mit der Gründung der BBursch verbunden war, jedoch nicht kampflos hinnehmen; so war der designierten Sprecher (erster Vorsitzender) der BBursch, Ludwig Jonas (Jonas I), und auch andere Mitglieder bereits vor der eigentlichen Gründung von den Landsmannschaften zum Duell auf Stoßdegen gefordert worden. Nur ein kleiner Teil der Duelle wurde jedoch ausgetragen, da die akademischen Behörden dagegen einschritten, nachdem der Bruder des Sprechers der BBursch, Wilhelm Jonas (Jonas II), im Zweikampf ein Auge verloren hatte. Trotz dieser Anfechtungen konnte sich die BBursch behaupten. Eine aus dem Wintersemester 1818/19 datierende Mitgliederliste (BAK, DB 9, B.I.1.d. K5/86/94) trägt die eigenhändigen Unterschriften von etwa sechzig Studenten, gegen Ende des Winter747

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Abb. 136  Unterschriftenliste des Wintersemesters 1818/19.

semesters sind es 102 Studenten (Festschrift Arminia, S. 26). Neben Karl v. Wangenheim, Ludwig Christ und den Brüdern Jonas ist der in Leobschütz geborene Karl Ulrich einer der Wortführer der Burschenschaft. Auf Ulrich, der 748

bereits in Breslau einer Landsmannschaft angehörte, und der sich dort wegen zahlreicher Händel den Beinamen „Ulrico furioso“ erwarb, geht auch der Entwurf einer Verfassung der BBursch zurück. Im Vorwort heißt es:

Berliner Burschenschaft [BBursch]

„Teutschland ist der Freiheit altes Vaterland. – hafteten wurden in den Berliner GefängnisUns, teutsche Jugend, haben die Väter nicht sen – der Stadtvogtei, der Hausvogtei und darum gezeugt, daß wir Vaterlandsvergeßen im Schloss zu Köpenick – gefangen gehalten. hindämmern und die Kraft verrauschen laßen, Unter den ersten waren Karl Ulrich, Ludwig die der Gemeinde gehört. Wollen wir Gott Rödiger, der Redner des Wartburgfestes, und versuchen und die Eide zur angebornen Frei- Franz Lieber, ein Vertrauter Jahns. Aus dieser heit verläugnen? Nein, wir gehören zusam- Zeit stammt wohl auch eine Umdichtung des men! – Ein junges frisches Zusammenleben von August v. Binzer gedichteten Studentenund Streben in der Burschenschaft muß hin- liedes „Stoßt an – – lebe!“: „Wer die Wahrheit zukommen, die wahre Wiege der Größe für kennt und saget sie frei, / Der kommt in Berjeden der sich unterwindet Vertreter und Ver- lin auf die Hausvogtei, / Frei ist der Bursch!“ weser seines Volkes zu werden. – Die Hoch- (Marth, S. 91–92). Nach diesem Schlag konnschulen sind die Waffenhallen der geistigen te die Burschenschaft nur noch im Geheimen Wehrschaft fürs Vaterland und die Wahrheit, agieren und verlor rasch an Bedeutung, was die leibliche und sittliche, darf keinem fehlen, zunächst zum Wiedererstehen und Erstarken der Bursche heißen will. Das ist jeder junge der Landsmannschaften (Corps) führte. hochherzige Kerl, der mit eben dem Ernste, Programmatisch war die BBursch den im Jahnder ihn treibt in die Männerschlacht, das gan- Friesen’schen Entwurf formulierten Zielen ze Leben erfaßt, dem kein Gedanke zu hoch stark verpflichtet. So sah sie es als vorrangiund kein Opfer zu groß ist, wenns gilt fürs ges Ziel an, „eine Vereinigung, gegründet auf Recht und die Freiheit“ (GStA PK, I. HA das Verhältnis der deutschen Jugend zur werRep. 77, Tit. XXVIc, Nr 2, Bl. 8v–9r). denden Einheit des deutschen Volkes“ zu stifNeben den Beratungen über die Verfas- ten. Darüber hinaus wollte die BBursch – ganz sung der BBursch gehörten auch verschiede- im Sinne der Ideen des klassischen Idealismus – ne Überlegungen zur Eindämmung bzw. zur ihre Mitglieder zu Persönlichkeiten mit gefesAbschaffung des als entartet aufgefassten Du- tigtem Charakter bilden. Dieser Anspruch war, ellwesens im Winter 1818/19 zu den kon­ hinsichtlich des Wesens der bestehenden Stutrovers diskutierten Themen, die im Januar dentenvereinigungen, neu und zeigt die be1819 im öffentlichen Bekenntnis des Duell- sondere Verbundenheit zu den Leitsätzen und verwurfs von zwölf Duellgegnern unter der Leitfiguren des deutschen Idealismus. Führung Christs gipfelten. Die Ausartungen des studentischen Lebens, Nach dem Attentat des Erlanger und Jenaer die sich bei den Landsmannschaften (Corps) Burschenschafters Carl Ludwig Sand auf den zeigten, griff die BBursch auf das Heftigste russischen Staatsrat und Lustspieldichter Au- an. Zunächst bekämpfte sie die Entartungen gust v. Kotzebue am 23. März 1819 in Mann- des Duellwesens, schließlich das Duellwesen heim sahen viele, vor allem aber die Regie- selbst, an dessen Stelle ein studentisches Ehrungen in Wien und Berlin, in der neu ent- rengericht treten sollte. Die Verse eines Spottstandenen Burschenschaft eine demagogisch- gedichtes aus der Zeit um 1820 spielen auf die umstürzlerische Bewegung und Anzeichen generelle Ablehnung des Duells durch zwölf einer allgemeinen Verschwörung, und so ver- Mitglieder der BBursch, aber auch auf die als fielen die Burschenschaften mit den Karlsba- ‚schmachvoll‘ erachteten, von Ulrich ausgeder Beschlüssen der behördlichen Auflösung. arbeiteten Grundsätze der Burschenschaft an: Im Sommer 1819, während die BBursch mit „Das Schwarze das deutet schwarze Nacht, / den Vorbereitungen zu dem für Oktober in Womit sich die Augen umdunkeln. / Wenn Berlin geplanten Burschentage befasst war, die Braven sehen des Hiebers Pracht“. Nur erfolgten die ersten Verhaftungen. Die Ver- wenn „der Chorbursch [sic!] den leuchten749

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den Schläger“ [den Stoßdegen, die studentische Fechtwaffe] hebt, so würde die „Stube“, das Mensurlokal, vor „schallendem Jubel“ beben. Das „Rothe“ hingegen würde des „Blutes Lauf“ bezeichnen, der sich nicht nach siegreich bestandenem Zweikampf zeigen würde, sondern bei der Duell-Forderung „eilig den Wangen entfliehet“. Deshalb „verhülle“ das Band der Burschen auch die „Schande“ und den „Frevel“, denn nur „[w]er der ächten Sitte den Untergang schafft, / Den zeichnen die Farbe der Burschenschaft“ (Heinemann, S. 91). Andere zeitgenössische Berichte geben den Eindruck der damaligen idealistischen und begeisterten Stimmung wieder, zeugen aber auch von dem herrschenden echten und oft auch überschäumenden Frohsinn, der unter den Burschenschaftern herrschte. Neben der Fechtausbildung wurde auch das Turnen gepflegt. Daneben erlebte die wissenschaftlichpolitische Bildung in wöchentlichen Vorträgen und Aussprachen eine besondere Blüte. Im Sommer 1820 trat die BBursch mit der Gründung der  Arminia wieder hervor.

zig Mitglieder“ umfassten (GStA PK, I. HA. Rep. 77 Tit. XXVIc, Nr. 1, Bl. 82r). Geleitet wurde sie durch „zwei Kollegien, den Vorstand und den Ausschuß“ (ebd., Bl. 85r). Aus den neun Vorstehern wurden Sprecher, Kassenführer, Protokollführer und der Obmann für den Fechtboden gewählt. Dem Ausschuss oblag die Kontrolle des Vorstandes und der Abteilungen sowie die Repräsentation der BBursch „in dringenden Fällen“ (ebd., Bl. 87r). – Von den Aktivitäten der BBursch sind u. a. eine Huldigung vor Jahns Haus am Abend des 17. März 1819 oder das rauschende Frühlingsfest in Pichelsberg (heute zu Berlin-Spandau) vom 2. Mai 1819 gut bezeugt. Ein Bericht dieses Festes findet sich im Brief des Studenten Lindenberg an Maßmann, der den Untersuchungsbehörden in die Hände fiel. Am Fest nahmen neben 86 Berliner Burschen auch Professoren und Gönner teil; namentlich werden Schleiermacher, Hegel und de Wette genannt, wobei besonders Schleiermacher, aber auch de Wette, an der Feier Gefallen gefunden zu haben scheinen. So ermunterte Schleiermacher die studentischen Teilnehmer, ein auf Scharnhorst gedichtetes Lied zu singen, brachte danach einen national-patriotischen Trinkspruch aus und trank schließlich Brüderschaft mit einem der anwesenden Studenten (vgl. Lenz, Bd. 2, I., S. 54).

Struktur und Organisation: Äußeres Zeichen der BBursch war ein schwarz-rotes Band mit goldener Einfassung. Nach Wendland sei das Band mit der „kaum bemerkbaren“ Einfassung insgesamt 2,2 cm breit gewesen; auch sei das Tragen eines Bandes „in Berlin von Mitglieder: Das Gründungsprotokoll ist von der Burschenschaft gar nicht gefordert“ ge- 54 Studenten unterschrieben. Im Sommersewesen, „manche Mitglieder“ besaßen wohl mester 1818 wuchs die BBursch auf 84 Mit„überhaupt kein Band“ (Wendland, S. 209 f.). glieder an; Ende des Wintersemesters 1818/19 So war die sogenannte „altdeutsche Tracht“ besaß sie 116 Mitglieder. – Eine sogenannte (ein hochgeschlossener, knielanger Rock aus „Wechsel-Liste“ gibt Auskunft über die Herfeinem Tuch oder Samt, über dem ein großer, kunft und die Vermögens- und Wohnverhältmeist spitzenverzierte Kragen und als Kopf- nisse der Burschenschafter. Viele waren Söhbedeckung ein zum Rock passendes Barett ne von Beamten und Pastoren und gehörten getragen wurde) ebenfalls ein Erkennungs- dem gehobenen Bürgertum oder dem Adel zeichen der Burschenschafter. Die BBursch an. Sie verfügten meist über einen Wechsel untergliederte sich zum „Behuf der genau- von 200 bis 500 Reichstalern, was eine recht ren Berathung und Abstimmung […] in ein- angenehme Lebensführung ermöglichte, lazelne Abtheilungen, welche der Zahl nach gen doch viele der Wohnungen in der Friedwenigstens zwanzig, höchstens fünfundzwan- richstadt, in der Oranienburger oder Fried750

Berliner Burschenschaft [BBursch]

richstraße. Ganz allgemein bemerkt Lenz in seiner Universitätsgeschichte zum Ansehen der Burschenschafter: „Es waren die Besten, die das burschenschaftliche Ideal hochhielten, die Lieblinge der Professoren“ (Lenz, Bd. 2, I., S. 38). – Vorsteher/Sprecher: Ludwig Jonas (Jonas I); Karl v. Wangenheim; Karl Ulrich; Schütz; Adolf Lette; Friedrich Johann Frommann; Wilhelm Jonas (Jonas II); Wilhelm Brockmann; Heinrich Graf zu Rantzau; Heinrich Nicolovius (Nicolovius II); Heinrich v. Stülpnagel; Friedrich Geibel, Albert Hollander (Hollænder, Hollaender); Franz Neumann; Adolph v. Oertzen; Friedrich Bluhme; Ernst August Aegidi; Wilhelm Brockmann; Friedrich Bergius; Johann Georg Ludwig Braun; Carl Buddée; Gustav Friedrich Wilhelm Fehmer; Karl Ganzel; Carl Großheim; Ferdinand Wagener, Ludwig Hoer­ner. – Gründungsmitglieder 1818 (in der Reihenfolge der Unterschriften auf dem Gründungsprotokoll vom 2. Juni 1818; dabei geben die in eckigen Klammern gesetzten römischen und arabischen Zahlen jeweils Monat und Jahr der Immatrikulation an): 1. Ludwig Jonas (Jonas I), stud. theol. [IV/1815]), zuvor Mitglied des  Corps Marchia; 2. Karl Ulrich (Ullrich), stud. jur. [X/1817] mit cons. abeundi [V/1820] wegen Zugehörigkeit zur Burschenschaft bestraft, inhaftiert in der Hausund Stadtvogtei (Lüdtke, S. 309ff.); 3. Gustav Friedrich Wilhelm Fehmer, stud. theol. [IX/1817]; 4. Friedrich Wilhelm Wedding, stud. phil. [I/1818]); 5. Wagner (wohl Ferdinand Wagener, stud phil. [VI/1817]); 6. Karl v. Sternenfels, stud. jur. [X/1817]; 7. Friedrich Karl Ferdinand Zedelt, stud. theol. [X/1816]; 8. Friedrich Zelle, stud. theol. [III/1817], später stud. phil. [III/1820]; 9. Karl Eduard Schultze (auch Schulze), stud. theol. [III/1820]; 10. Friedrich (Matrikel: Johann Carl Ferdinand) Bergius, stud.theol. [IV/1816 u. XII/1817]; 11. Christian Adam Schütze, stud. theol. [V/1816]; 12. Eugen Anton Wigand, stud. theol. [X/1815]; 13. Johann Georg Christian Kapp, stud. theol.

[IV/1816]); 14. Wilhelm Wesselhöfft, stud. med. [XI/1817], zuvor Mitglied der Jenaischen Burschenschaft; 15. Friedrich Johannes Frommann, stud. phil. [IV/1817] zuvor Mitglied der Jenaischen Burschenschaft; 16. Johann Georg Ludwig Braun, stud. jur. [XI/1817]; 17. Karl Ludwig Ganzel, stud. med. [X/1816]; 18. Wilhelm Jonas (Jonas II), stud. jur. [XI/1816]; 19. Ernst Joachim C. Foerster (Förster), stud. phil. [XI/1819]; 20. Gottlieb Hagenauer, stud. phil. (Pädagogik) [X/1817], aus Aarau, Schweiz; 21. Heinrich Graf zu Rantzau, stud. jur. [V/1818]; 22. Johann Karl Bertram Stüve, stud. jur. [IV/1818]; 23. Karl v. Wangenheim, stud. jur. [X/1816], Teilnehmer am Wartburgfest 1817, Gründer der BBursch 1818, zuvor Mitglied des  Corps Marchia; 24. Karl Heinrich Weißenborn, stud. jur. [IV/1816]; 25. Albert Hollander (Hollaen­ der), stud. phil. (Philologie) [IV/1818]; 26. Friedrich Geibel, stud. theol. [X/1817], ältester Bruder des Dichters Emanuel Geibel; 27. Ernst Heinrich Wilhelm Sauer, stud. theol. [XII/1815]; 28. Horn; 29. Rüdiger; 30. Carl v. Rabenau, stud. jur. [IV/1817]; 31. Ernst August Aegidi, stud. med. [X/1815]; 32. August Ferdinand Crüger, stud. theol. [IV/1817]; 33. Wilhelm Adolph Lette, stud. jur. [IX/1816], zuvor Mitglied der Heidelberger Burschenschaft, Mitglied des Paulskirchenparlaments, Lette-Verein; 34. August Feldhoff, stud. theol. [X/1817]; 35. Eduard Ludwig Albert Valerian Eckard, stud. med. [III/1818]; 36. A. F. G. Winkler, stud. theol. [IV/1815]); 37. Hellmuth v. Grevenitz, stud. jur. [V/1818]; 38. Friedrich August Schulze, stud. theol. [III/1818]; 39. Ludwig Christ, stud. jur. [X/1816]), aus Chur, Schweiz; 40. Carl Buddee (Buddé, Buddée), stud. jur. [XI/1817]; 41. Heinrich Heß, stud. jur. [IV/1818], aus Zürich; 42. Friedrich David Müller, stud. theol. [X/1819]; 43. Johann Ludwig Mayerhoff (Meyerhoff, Meierhoff), stud. theol. [IV/1818], relegiert 1822; 44. Franz Rakow, stud. jur. [IV/1818]; 45. Heinrich Gustav Reichardt, stud. theol. [IV/1818]; 46. Carl 751

12 Studentenverbindungen

Paris, stud. cam. [IV/1818]; 47. Carl Bahr, stud. theol. [IV/1818]; 48. Ferdinand Deegener, stud. theol. [IV/1818]; 49. Heinrich Richard Asmus v. Stülpnagel, stud. jur. [III/1818]; 50. August Milo, stud. theol. [IV/1817]; 51. Joseph Gassmann (Gaßmann), stud. phil. [V/1818]; 52. Carl Weber, stud. theol. [IV/1818]; 53. Friedrich Adolph Constantin Tschirner, stud. jur. [IV/1818]; 54. Ferdinand Claß, stud. phil. [X/1817]. – Mitglieder Wintersemester 1818/19: Auf einer Liste vom Beginn des Wintersemesters 1818/19 finden sich die eigenhändigen Unterschriften von sechzig Mitgliedern der BBursch. Nachstehend sind die Namen in der Abfolge der Mitgliederliste genannt; die bereits aus dem Gründungsprotokoll bekannten Namen sind ausgelassen: 4. Wilhelm Krausnick, stud. jur. [X/1816], zuvor Mitglied des  Corps Marchia; 5. J. Hermann Sprickmann[Kerkerinck] (in der Matrikel fälschlich als Sprichmann geführt), stud. jur. [IV/1817]; 6. Albert Ewald, stud. jur. [XI/1817]; 9. Franz Tallier, stud. jur. [X/1816]; 10. Wilhelm [v.] Rinck (Rinck I) stud. jur. [IV/1817]; 11. Friedrich Wilhelm v. Rinck (Rinck II), stud. jur. [IV/1819]; 13. Heinrich Bermann, stud. med. [IX/1819]; 14. Rudolf Dambach, stud. cam. [IV/1816]; 19. Gustav Lieber, stud. med. [IX/1816]; 20. Ludwig Winkler (Winkler II), stud. theol. [V/1815]; 21. Carl Sigismund Burchardi, stud. jur. [IX/1814]; 22. Johann August Schlenther, stud. jur. [X/1815 und V/1817]; 24. G. v. Petersdorff, nicht immatrikuliert; 25. Leopold v. Plehwe, Leutnant im 2. Garderegiment, nicht immatrikuliert; 26. Hans Rudolf v. Plehwe, seit 17.05.1818 Kapitän/Hauptmann im 2. Garderegiment, Gasthörer an der Universität, Teilnehmer des Wartburgfestes; 27. Johann Peter Carl Witte, stud. med. [IV/1818]; 28. Hans Wilhelm Gustav Schwärz; stud. jur. et cam. [X/1817]; 31. August Scholz, stud. jur. [X/1817]; 32. Ewald Rudolph Stier, stud. jur. [X/1815], später stud. theol. [IV/1820]; 35. Baur (identisch mit Carl Bauer? Mitglied des  Corps 752

Marchia); 38. Carl August Schmarsow, stud. theol. [X/1812]; 39. Carl Mohr, stud. theol. [IV/1818]; 40. Ludwig August Boje, stud. jur. [X/1815]; 42. Christian Leopold Konrad (auch C. L. Eduard) Rumschöttel, stud. phil. (Mathematik) [XI/1818]; 42. J. L. Gruen, nicht immatrikuliert; 43. Ernst Heinrich Schmidt, stud. theol. [VI/1819]; 45. Carl Ferdinand Triest, stud. cam. [IV/1816 und XI/1818]; 46. August Tholuck, stud. theol. [I/1817]; 47. [van] Calker, (wohl Dr. Friedrich van Calker, 1818 Priv.-Doz. für Philosophie an der Univ.); 48. Adolph Köppen, stud. jur. [X/1817]; 49. Herrmann Friedrich Reinicke, stud. cam. [XI/1819]; 50. Ernst Heinrich Zober, stud. theol. [IX/1818]; 51. Franz Lieber, (stud. jur./theol./phil.), nicht immatrikuliert; 54. Karl Berger, stud. med. [XI/1817]; 55. Heinrich Röhmke, stud. jur., nicht immatrikuliert; 56. Wilhelm Brettner, stud. med. [XI/1817]; 57. Burchard, nicht immatrikuliert; 59. Carl Plantico, stud. theol. [X/1816]; 60. August v. Staegemann, stud. jur. [V/1818]; 61. Julius Gensichen, stud. jur. [X/1816]. – Eine undatierte Wechsel-Liste (1818/19) nennt Namen, Wohnort und Höhe des Wechsels. Nachstehend werden die Namen in der Abfolge der Liste genannt, dabei sind die bereits bekannten Namen ausgelassen: Friedrich Eduard Wilhelmi [Wilhelmy], stud. jur. [X/1818]; Friedrich Bluhme, stud. jur. [X/1818]; Richard Mac Lean, stud. jur. et cam. [VIII/1818]; Carl Friedrich Ferdinand Sietze, stud. jur. [IV/1817]; Friedrich Jensch, stud. jur. [X/1817]; Carl Veiht (Weiss?), stud. jur., nicht immatrikuliert; Karl Mosche (?), stud. theol., nicht immatrikuliert; Friedrich v. Plessen, stud jur. [IX/1817]; Adolph v. Oertzen, stud. jur. [XI/1817 und X/1818]; Gustav Adolph Uhlmann, stud. theol. [IV/1818]; Carl Bunsen, stud. med. [X/1818]; Friedrich Georg Heinrich Nicolovius (Nicolovius II), stud. jur. [X/1818]; Johann August Eduard Orthmann, stud. jur. [IV/1818]; Carl Gustav Eichler, stud. phil. (stud. cam.) [IV/1818]; Eduard Banks, stud. jur. [IX/1818]; Friedrich

Berliner Burschenschaft [BBursch]

Sieveking, stud. jur. [X/1818]; Heinrich Grabau, stud med. [X/1818]; Hermann Siemsen, stud. phil. (Pharmazie) [IX/1818]; Wilhelm v. Oertzen, stud. jur., nicht immatrikuliert; Karl Julius Ferdinand Schnaase, stud. jur. [IV/1816 und XI/1818]; August Stüler (Stühler), stud. phil. (Mathematik) [I/1819]; Fritz (Gottfried Wilhelm) Stüler (Stühler), stud. med. [X/1818]; Eduard Oesterreich, stud. theol. [IX/1818]. – Weitere Mitglieder nach den Ermittlungsakten der Polizeibehörden (die bereits bekannten Namen sind ausgelassen): Friedrich Wilhelm Ackermann, stud. jur. [XI/1819]; Carl Beck, stud. theol. [III/1819]; Wilhelm Brockmann, stud. jur. [IV/1819]; Wilhelm Boldemann, stud. med. [X/1818], gest. als Arzt im Freiheitskampf in Griechenland; Gustav v. Bonin, stud. cam. [IV/1816 und IV/1819]; Gustav Ernst Brühl, stud. theol. [V/1819]; Heinrich Eduard Brühl, stud. theol. [V/1819]; Carl Friedrich Brunner, stud. jur. [IV/1819]; Gustav August Buerdorf (Buer­ dorff), stud. jur. [IV/1819]; Julius Eduard Leo­pold v. Caprivi, stud. jur. [X/1818]; Carl George Danziger, stud. cam., nicht immatrikuliert; Friedrich Dulitz, stud. theol. [IX/1817 und IV/1819]; Gottlob Conrad Escher, stud. phil. [IV/1819]; August Theodor Eyssenhardt, stud. theol. [III/1819]; Carl Ferdinand Fabricius, stud. jur. [V/1819]; Christian Fessel, stud. med. [X/1818]; J. Georg Finsler, stud. jur. [IV/1819], aus Zürich; Carl Garz (Gartz), stud. jur. [X/1817]; Friedrich Gaupp, stud. jur. (theol.) [XI/1817]; Carl Gobbin, stud. jur. [XI/1818]; Wilhelm Heinrich Graffunder, stud. jur. [IV/1819]; Alfred Graffunder, stud. theol. [IV/1819]; Carl Anton Großheim (Grosheim), stud. jur. [X/1817]; August Grünenthal, stud. med. [IV/1819]; Gustav Adolph Haacke, stud. theol. [VI/1819]; Johann Adolph Hauschteck, stud. jur. [V/1819]; Carl Friedrich Heiberg, stud. jur. [X/1818]; Gustav v. Henning, stud. jur. [XII/1819]; Wilhelm Friedrich Heindorf, stud. phil. [IV/1819]; Christian Heyde, stud. med. [I/1818]; Karl Heinrich Hermes, stud. theol. [X/1819];

Ludwig Hoerner (Hörner), stud. theol. [X/1818]; Heinrich v. d. Hude, stud. jur., nicht immatrikuliert; Friedrich Ippel, stud. med. [I/1818 und III/1822]; Erich Jacobs, stud. med. [I/1819]; Friedrich Bernhardt Jenner, stud. med. [IV/1818]; Carl Heinrich Kalisch, stud. theol. [IV/1819]; Friedrich Ludwig Keller, stud. jur. [IV/1819] aus Zürich; Jacob Wilhelm Heinrich Lehmann, stud. theol. [IV/1819]; August Wilhelm Ernst Leonhard, stud. theol. [IV/1819]; Bernhard Lindenberg, stud. jur. [IV/1819], Johann Carl Friedrich Maass (Maaß), stud. theol. [III/1819]; Hermann August Rudolph Manger, stud. jur. [IV/1818]; Carl Ernst August Adolph Matern, stud. theol. [IV/1818]; Meyer (wohl Ferdinand Meyer, aus Zürich, Mitarbeiter von Pestalozzi); Franz Neumann, stud. phil. [IV/1819]; Friedrich v. Oertzen, stud. jur. [IV/1818]; Ernst Graf zu Rantzau; stud. cam. [IV/1819]; Wilhelm Friedrich August Rhein, stud. theol [IV/1818]; Johann Ru­ dolph Ringier, stud. jur. [X/1818] aus Lenzburg, Schweiz; Johann Friedrich Rost, stud. theol. [X/1817]; Albert Schallehn, stud. jur. [IV/1819]; Albert C. Bernhardt Scheepers, (stud. jur.), nicht immatrikuliert; Carl Schmidt, stud. theol. [X/1818]; Friedrich Schröder (Schroeder), stud. jur. [X/1818]; Johann Carl August Schülke, stud.jur. [III/1819]; Franz Carl Heinrich Sternberg, stud.jur. [III/1819]; Carl Johann Stumpe, stud. jur. [IV/1819]; Ernst Theveny, stud. cam. [X/1818]; Heinrich Uterhardt, stud. jur. [XI/1819]; Wilhelm Voigt, stud. jur. [VIII/1818]; Adolph v. Wulfen (v. Wulffen), stud. jur. [III/1818, X/1818 und X/1820]; Eduard Theodor August Zander, stud. theol. [III/1819]. – Gäste: Gustav Asverus, stud. jur. [X/1818], zuvor Mitglied der Jenaischen Burschenschaft; Dr. Friedrich Wilhelm Carové, stud. phil. (Philosophie) [XI/1818], zuvor Mitglied der Heidelberger Burschenschaft; Carl Dühring (Düring), stud. med. [V/1819], zuvor Mitglied der Gießener Burschenschaft; Dr. Karl Franz Joseph Bader, zuvor Mitglied der Freiburger 753

12 Studentenverbindungen

Burschenschaft; Dr. Friedrich Christoph Förs- te und politische Ökonomie am South Caroliter; Dr. Karl Gustav Jung, zuvor Mitglied der na College (heute Universität von South CaHeidelberger Burschenschaft; Dr. Georg Lud- rolina), später Berater von Präsident Lincoln. wig Rödiger (Roediger), zuvor Mitglied der Verfasser des Lieber Code und Begründer der Teutonia Heidelberg, der Jenaischen Burschen- Encyclopedia Americana. schaft, später auch der Erlanger Burschenschaft. – Prominente Mitglieder: Friedrich van Cal- Querverweise auf andere Vereine: Nach ker (1790–1870), Schüler des Philosophen dem Verbot und der Auflösung der BBursch Fries in Jena, habilitierte 1818 in Berlin und infolge der Karlsbader Beschlüsse war burwurde anschließend Professor der Philosophie schenschaftliches Leben in Berlin zunächst an der neu gegründeten Universität zu Bonn. noch in der  Arminia möglich, doch wur– Ju­ lius Leopold Eduard v. Caprivi (1797– den burschenschaftliche Verbindungen bald 1865) Jurist, war später preußischer Obertri- durch die verschärfte Verfolgung in den Unbunalrat und Kronsyndikus (Vater des späteren tergrund gedrängt. Von dieser Entwicklung Reichskanzlers und Nachfolgers von Bis- profitierten anfangs die Landsmannschafmarck Leo Graf v. Caprivi). – Friedrich Jo- ten (Corps), bis schließlich auch diese der hannes Frommann (1797–1886), Sohn des behördlichen Auflösung anheimfielen oder Verlegers Carl Friedrich Ernst Frommann in kaum noch in Erscheinung traten. Erst ab Jena, übernahm ab 1830 die Leitung der väter- etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts kommt lichen Firma. Begründer und Vorstandsmit- es zur Bildung neuer Burschenschaften, die glied des Börsenvereins des Deutschen Buch- entweder keinen langen Bestand haben oder handels. 1862 übergab Frommann die Wart- sich später als Corps neu konstituieren. Ein burgfahne (Fahne der Jenaischen Burschenschaft, Beispiel dafür ist die zwischen 1845 und 1849 1816) der UB in Jena. – Ludwig Jonas (Jonas I) bestehende Burschenschaft Germania [Germa(1797–1859), evangel. Theologe, war Pfarrer nia I] (silber-rot-schwarz), deren Mitglied Joan der Berliner Nikolaikirche und Herausge- seph Victor v. Scheffel war. – Nach der Schilber der Werke Schleiermachers. 1848 wurde ler-Feier der Berliner Universität wird am er Mitglied der preußischen Nationalver- 12.11.1859 die Burschenschaft Brandenburgia sammlung. – Johann Georg Christian Kapp (rot-weiß-gold) gegründet, die sich 1875 in (1798–1874), Philosoph, demokratischer badi- Arminia (schwarz-rot-gold) umbenennt und scher Politiker im Umfeld der Märzrevolution. schließlich 1909 den Stiftungstag der BBursch, – Heinrich Wilhelm Krausnick (1797–1882) den 18. Juni 1818, als Gründungsdatum anwar 1834–1848 und 1851–1862 Berliner Ober- nimmt. 1862 gründen ehemalige Mitglieder bürgermeister und 1865 Mitbegründer des der Brandenburgia die Burschenschaft GermaVereins für die Geschichte Berlins. – Wilhelm nia [Germania II] (silber-rot-schwarz). – Im Adolf Lette (1799–1868), Jurist und Sozialpo- Jubiläumsjahr 1910 bestehen an der Berlilitiker, gehörte 1848 dem volkswirtschaft­ ner Universität folgende weitere Burschenlichen Ausschuss der Paulskirche an und war schaften: a) zugehörig der Deutsche Burschenspäter Mitglied im Preußischen Abgeordne- schaft (DB): Burschenschaft Allemannia (gegr. tenhaus, wo er der liberalen Richtung ange- 1883, hellrot-silber-hellblau); Franconia (gegr. hörte. 1866 Gründer des Vereins zur Förderung 1878 als Gedania, schwarz-gold-hellrot); Burder Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts schenschaft Hevellia (gegr. 1877, grün-silber(Lette-Verein). – Franz Lieber (1800–1872) rot); Burschenschaft Primislavia (1877, rot-sildeutsch-amerikanischer Jurist, Publizist und ber-blau); Burschenschaft Saravia (gegr. 1872; Rechts- und Staatsphilosoph, Philhellene und silber-karmesinrot-grün). b) zugehörig dem Freiheitskämpfer. 1835 Professor für Geschich- Rüdesheimer Verband Deutscher Burschenschaf754

Berliner Burschenschaft [BBursch]

ten (RVDB): Burschenschaft Marcomannia (gegr. 1886, rot-silber-hellblau); Burschenschaft Rugia (gegr. 1886, rot-schwarz); Burschenschaft Teutonia (gegr. 1887, grün-weißviolett). c) zugehörig dem Allgemeinen Deutschen Burschenbund (ADB): Burschenschaft Neo-Germania (gegr. 1883, gold-schwarzrot-gold); Burschenschaft Saxonia (gegr. 1899). Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: Deutsche Burschenschaft. Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e.V., Archiv und Bücherei im Bundesarchiv Koblenz [BAK] (Bestand DB 9). [Einen Gesamtüberblick über den Bestand bietet: Lönnecker, Harald [Bearb.]: Deutsche Burschenschaft. Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e.  V., Archiv und Bücherei im Bundesarchiv Koblenz (Bestand DB 9). Koblenz 2012 (=Veröffentlichungen des Archivs der Deutschen Burschenschaft. N. F., Heft 9)]. Der Bestand im Einzelnen: BAK, DB 9, B. I.1.d.: K5/86. Berlin: Karl v. Wangenheim, Landsmannschafter-Rede, 1817, dabei: Liste der Berliner Burschenschaft, 1818, Ansichten über das Burschenleben, 1818; K5/94. Berlin. Mitgliederlisten, 1817– 1819; K5/96. Berlin: Ordnung für Convictorium und Lesezimmer der Berliner Burschenschaft, 1819/20; K5/97. Berlin: Materialien zur Geschichte der Berliner Burschenschaft (Sammlung Reuter); K7/136. Jena: Schriftwechsel mit der Berliner Landsmannschaft betr. Gründung einer Burschenschaft, 1818; K11/208. Berlin: Burschenschaftliche Turnerliste, Eingabe betr. Einrichtung eines Turnplatzes, 1818–1819, dabei: Karl v. Wangenheims Aufruf zur Gründung einer Burschenschaft, Ostern 1818; K11/209. Berlin: Burschenschaft (Auszug aus dem Protokollbuch), Schriftverkehr, Wartburgfest, Verrufe, Mitglieder, Stammbuchblätter, Turnverein, 1817–1819; K11/212. Berlin: Verhandlungen der Burschenschaft, 1818–1819; K12/229. Berlin: Materialien zur Geschichte der Berliner Burschenschaft (Abschrift Herman Haupt,

1910); K13/246. Berlin: Gründung der Burschenschaft, 1818; K13/265. Berlin: Materialien zur Geschichte der Burschenschaft, 1822–23; K13/249. Berlin: Materialien zur Geschichte der Berliner Burschenschaft (gesammelt von F. Reuter). – BAK, DB 9, A. 2.: Stammbücher und Alben, 102. Boyther, Eduard (Marchia Berlin, Jenaische Burschenschaft 1815, Teutonia Halle 1816), Göttingen 1818 (Abschrift); BAK, DB 9, M.: Burschenschafterlisten, Berlin [Einzelheiten zu den Listen in: Lönnecker, Harald: „Das Thema war und blieb ohne Parallel-Erscheinung in der deutschen Geschichtsforschung“. Die Burschenschaftliche Historische Kommission (BHK) und die Gesellschaft für Institutions- und Wissenschaftsgeschichte. Heidelberg 2009, 172–182 (= Darstellungen und Quellen S.  zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 18). – Lönnecker, Harald: Die Burschenschafterlisten – eines „der wichtigsten Hilfsmittel für die Kenntnis der deutschen politischen und Geistesgeschichte“. Zur Entstehung und Entwicklung eines Gesamtverzeichnisses deutscher Burschenschafter. In: Herold-Jb. N.F. Bd. 14 (2009), S. 153–170]. – GStA PK, I. HA, Rep. 76, Va Sekt. 1 Tit. 12 Nr. 2: Disciplin und Excesse auch geheime und burschenschaftliche Verbindungen Dez. 1811 – Nov. 1830. – Dass. Nr. 4: Burschenschaft 1819–1826. – Dass. Nr. 7: Bd. 1: Landsmann- und Burschenschaftl. Verbindungen 1821–1824. – GStA PK, I. HA, Rep. 77, Tit. 13 Nr. 18: Acta betr. die geheime Verbindung Arminia in Berlin. – GStA PK, I. HA, Rep. 77, Tit. 26c Nr. 1: Papiere der Allgemeinen Burschenschaft 1817–1820. – Dass. Nr. 2: Auszüge betreffend die allgemeine deutsche Burschenschaft, sowie die Burschenschaften bei den einzelnen Universitäten 1818–1821. – Institut für Hochschulkunde an der JuliusMaximilians-Universität Würzburg, Nachlass von Max Mechow zur Geschichte der BerT. unveröffentlichliner Studenten (mit z.  ten Manuskripten). – b) Gedruckte Quel755

12 Studentenverbindungen

len: Bechstein, Ludwig: Wollen und Wer- liner Burschenschaft. Ein Spottgedicht auf die den. Deutschlands Burschenschaft und Bur- Farben der Burschenschaft (1821). In: Haupt, schenleben; romantisches Zeitbild. Abth.  1: Herman et al. (Hg.): Quellen und DarstelBerthold der Student oder Deutschlands ers- lungen zur Geschichte der Burschenschaft te Burschenschaft. Halle 1850. – [Festschrift und der deutschen Einheitsbewegung, Bd. V. Arminia] Berliner Burschenschaft Armi- Heidelberg 1927, S. 88–92. – Lüdtke, Torsnia [Hg.]: 150 Jahre Berliner Burschenschaft ten: Turner, Burschen und Philister – Stu2. Juni 1818 – 2. Juni 1968. Werden, Wir- dentisches Leben zwischen Universitätsgrünken, Wollen, Berlin 1968. – Haupt, Joachim dung und Revolution. In: Tenorth, Heinz-ElLeopold: Landsmannschaften und Burschen- mar (Hg.): Geschichte der Universität Unter schaften: ein freies Wort über die geselligen den Linden, Bd. 1. Gründung und Blütezeit Verhältnisse der Studierenden auf den teut- der Universität zu Berlin 1810–1918. Berlin schen Hochschulen. Altenburg 1820. – Lenz, 2012, S. 269–324. – Satori-Neumann, Bruno Max: Geschichte der Königlichen Friedrich- Th[omas]: Die Berliner Burschenschaft GerWilhelms-Universität zu Berlin. 4 Bde. Halle mania 1862–1912. Berlin 1912. – Thomann, (Saale) 1910–1918. Besonders: Bd. II,1.: Mi- Björn: Berlin, Bonn, Breslau. Die Anfänge nisterium Altenstein. Halle (Saale) 1910, und der burschenschaftlichen Bewegung an drei Bd. IV: Urkunden, Akten und Briefe. Hal- preußischen Universitäten. In: Sigler, Sebasle (Saale) 1910. – Marth, Albert: Geschich- tian (Hg.): Sich stellen – und bestehen! Festte des Corps Marchia zu Berlin. Berlin 1919 schrift für Klaus Gerstein. Essen 2010, S. 47– (Festschrift zum 109. Stiftungsfest). – Schnei- 62. – Thomann, Björn: Die „Urburschender, Gust[av] Hein[rich]: Die Burschenschaft schaften“ in Berlin, Breslau und Bonn. EntGermania zu Jena. Jena 1897. – c) Literatur: stehung, Aufstieg und Niedergang. In: Einst Dvorak, Helge (Hg.): Biographisches Lexikon und Jetzt. Jb. d. Vereins für corpsstudentische der Deutschen Burschenschaft. Bd. I: Politiker, Geschichtsforschung 56 (2011), S. 129–157. Teilbände 1–8. Heidelberg 1996–2013 [weite- – Wendland, A[ugust]: Noch ein altes Burre Bände zu Künstlern und Wissenschaftlern schenband. In: Burschenschaftliche Blätter, 20. in Vorbereitung]. – Heer, Georg: Geschichte Jg. (WS 1905/06), Nr. 9, S. 209 f. – Wentzcke, der deutschen Burschenschaft. Bd. II: Die De- Paul: Geschichte der deutschen Burschenmagogenzeit (1820–1833). Heidelberg 1927 schaft. Bd. I: Vor- und Frühzeit bis zu den (= Haupt, Herman (Hg.): Quellen und Dar- Karlsbader Beschlüssen. Heidelberg 1919 (= stellungen zur Geschichte der Burschenschaft Haupt, Herman (Hg.): Quellen und Darstelund der deutschen Einheitsbewegung, Bd. X). lungen zur Geschichte der Burschenschaft und – Heinemann, Otto: Zur Geschichte der Ber- der deutschen Einheitsbewegung, Bd. VI).

Torsten Lüdtke

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Polonia / Bund der Freunde Π. Κ. [Polonia]

Polonia / Bund der Freunde Π. Κ. [Polonia] Name: Polonia. Gründung: Herbst 1819. Bestand: Bis März 1821. Sitz: Zusammenkünfte fanden u. a. in einer Wohnung in der Letzten Straße 50 statt. Programmzitat: „Zur Zeit der Stiftung war der Zweck: die Erhaltung der Nationalität (oder des National Geistes), die Befestigung der Freundschaft, das Bemühen den Ruf der Polen im Auslande, und die Ordnung der Angelegenheiten der hier studirenden Polen zu erhalten“ (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen. Nr. 43 Bd. 2, Bl. 180r und v). – „Der Zweck des Bundes […] ist: – dem Vaterland Hülfe zu bringen und die Ketten zu zerbrechen, mit denen es gefesselt ist – Geist und Herz zu reformiren, thätig auf die Gemüther Anderer zu wirken, oder besser gesagt, in ihnen den Geist der Vaterlands-Liebe anzufachen, der in dem Pohlnischen Blute niemals lange unterdrückt werden kann. / Ein fingirter scheinbarer Zweck: die Ordnung auf der Universität zu erhalten, den Misbräuchen einer übel verstandenen Freiheit und dem unnützen Renommiren vorzubeugen, soll uns schützen gegen allen Verdacht und gegen alle Nachforschungen. Es soll der Schein des Zwecks seyn, der unserer ungleich würdiger ist. Zu diesem letztern Zweck haben wir uns mit der Arminia verbunden, ob wir gleich im Herzen mit ihnen nach dem erstern streben.“ (Aus einem beschlagnahmten Papier, o. D., o. Unterschr.; GStA PK, I. HA Rep. 77 Tit. 17 Gen Nr. 43 adh, Bl. 56v–57r). Geschichte und Programmatik: Die Berliner Polonia wurde 1819 als eine Filiale der Warschauer Polonia von dem Warschauer Studenten Anton Kraszewski und seinem Berliner Kommilitonen Cyprian Jarochowski gegründet. Bis zu ihrem Verbot war sie eine der größten Verbindungen Berlins, der 70 der insgesamt 207 polnischen Studenten angehörten.

Die Behörden glaubten, Mitglieder der Polonia und der  Arminia hätten sich in einem Geheimzirkel für ein freies Polen eingesetzt und witterten ein Komplott. Tatsächlich existierten zwischen den Arminen und der Polonia enge Bande. Neben dem Ehrengericht veranstaltete man gemeinsame Studentenfeste und Fahrten und feierte die Freundschaft beider Völker – ein Indiz für den kosmopoliten Ansatz der frühen Nationalbewegung (Wawrykowa, S. 17). Vage deutete sich die theoretische Möglichkeit einer radikaldemokratischen Studentenorganisation an, doch handelte es sich dabei lediglich um eine Minderheit in einer überschaubaren Gruppe an einer vergleichsweise großen Universität. Bei den staatlichen Ermittlungen gegen studentische Umtriebe 1822 kam auch die freundschaftliche Verbindung der Polonia mit den Mitgliedern der Arminia ans Licht (Wawrykowa, S. 13–21), und die 70 Mitglieder der Polonia ereilte dieselbe Bestrafung wie die Arminen (Wawrykowa, S. 21). Aus den Verhörprotokollen geht hervor, dass die Verbindung zur Zeit ihrer Gründung „abgesondert von allen übrigen Studenten-Verbindungen auf der hiesigen Universität und ohne sich in deren Angelegenheiten zu mischen ruhig“ fortbestanden habe. „Erst im Sommer [1821] trat hierin eine Änderung ein. Einige der Mitglieder wünschten sich den übrigen Commilitonen wieder zu nähern, angeblich, um die Aufhebung des Verrufs zu bewirken, den die Landsmannschaften über die dortigen Polen ausgesprochen hatten. Die Meinungen waren getheilt, ob man sich an die hiesigen deutschen Landsmannschaften oder an deren Gegnerin die burschenschaftliche Verbindung Arminia anschließen solle. Endlich entschied die Mehrheit für Letzeres und so kam diese Vereinigung zu Stande deren Resultat die Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehrengerichts zur Schlichtung der zwischen Polen und Deutschen entste757

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henden Streitigkeiten“ war (GStA PK, I. HA Verein, genannt Verein der Freunde, bestanden Rep. 77, Tit. 17 Gen. Nr. 43 Bd. 2, Bl. 179r). habe (Meyer, S. 134). Die Umwandlung in eine geheime Verbindung sei erfolgt, a) um auf das sittliche Be- Struktur und Organisation: Erkennungszeitragen der jüngeren studierenden Landsleu- chen der Polonia waren „a) theils Bänder von te einwirken und sie zu einem wissenschaft- rothen blauen und weißen Streifen“ und „b) lichen Streben anfeuern zu können, damit sie theils Ringe von Eisen und Gold mit den „als tüchtige Männer dereinst zu der Wieder- Chiffren ‚Z.P.‘ (bedeutend) ‚Polnische Verbinherstellung und Selbständigkeit und des alten dung‘ oder ‚W.i.O.‘ (bedeutend) ‚Freiheit und Ganges ihres gemeinsamen Vaterlandes des Vaterland‘“ (GStA PK, I. HA, Rep. 77, Tit. 17 alten Königreichs Polen“ mitwirken könn- Gen. Nr. 43, Bd. 2, Bl. 178v). ten, und b) um durch strenge Sonderung von Aus Angst vor Entdeckung vernichteten die den übrigen Studentenverbindungen Streitig- Mitglieder ihre schriftlich verfasste Konstitu­ keiten mit diesen zu vermeiden (ebd.). Nicht tion und ihre Protokolle; von da an wurde alles alle Mitglieder teilten die nationalpatrioti- mündlich verhandelt, wobei vieles Auslegungsschen Bestrebungen, viele sahen in der Polo- sache blieb. Die Aufnahme neuer Mitglienia lediglich eine Interessenvertretung fern der der wurde von einer Wahl abhängig gemacht, „nur die tüchtigsten und geehrtesten Landsleute“ Heimat sowie ein „lebenslanges Bündnis“. Eine weitere polnische Vereinigung, die 1817 konnten der Verbindung beitreten. in Warschau gegründete Gesellschaft der Freunde Π. Κ., wurde 1820 als Tochtergesellschaft Mitglieder der Polonia (alphabetisch): Anin Berlin etabliert. Die Verbindung wurde im ton Babski (Bergfach); Peter Bartinowski (stud. Herbst 1819 von Ludwig Koehler und Lud- jur.); Anton v. Bernotowicz (stud. jur.); Franz wig Mauersberger, die bereits in Warschau als v. Biejanski (stud. jur.); Joseph v. Biejanski; KaMitglieder aufgenommen worden waren, ge- lixt Bojanowski; Marcellus Bukowiecki (stud. stiftet; am 12. Januar 1820 fand die erste Ver- jur.); Gustav Stanislaw Conrad (stud. jur.); Ausammlung statt. Der Name der Gesellschaft der gustin Górzenski (stud. cam.); Eugen Gustav Freunde Π. Κ. ist mit den Anfangsbuchstaben v. Habedank-Potworowski; „der Belletristider griechischen Worte πάντα κοινά (omnia ker Heryng“ [Willibald Alexis?]; Joseph Jagicommunia) versehen, womit die Gleichheit elski (stud. med.); Cyprian Jarochowski; Analler Mitglieder ausgedrückt werden sollte. Es ton v. Koczorowski; Ludwig Köhler; Anton v. ist nicht sicher zu bestimmen, ob diese Gesell- Koszutski (stud. jur.); Joseph Krajewski (stud. schaft parallel zur Polonia existierte, oder ob jur.); Anton Kraszewski; Mag. Kunat; Telesbeide Vereinigungen verschmolzen. Ein In- for v. Kurnatowski; Victor Adam v. Kurnadiz in den behördlichen Untersuchungsproto- towski; Adam Constantin v. Loga (stud. phil.); kollen lässt eher ersteres vermuten. Dort sind Michael Malowiecki (stud. jur.); Anton Mandrei Personen genannt, die 1822 der Mit- tij (stud. cameral. et phil.); Carl Marcinkowgliedschaft in einer geheimen Gesellschaft der ski (stud. med.); Matthaeus Mielzinski; HipFreunde Π. Κ., in einem besonderen wissen- polit Maslowski (stud. jur. et phil.); Roman v. schaftlichen Klub und in der geheimen Ver- Osten; Thaddäus v. Pagowski (stud. jur.); Anbindung Polonia angeklagt sind, nämlich stud. ton Poplinski; Johann Poplinski; Eugen Gustav med. Ludwig Koehler aus Warschau (23 Jahre v. Potworowski; Przenski (stud. jur.); Joseph alt), Eysenhardt und Ludwig Friedrich Sach- v. Radónski (stud. jur.); Nicolaus v. Radónski sé (22 Jahre, Privatsekretär des Staatsministers (stud. jur.); Franz v. Radónski (stud. jur.); Dov. Humboldt). Meyer vermutet, dass die Po- minic v. Reykowski (stud. jur.); Ludwig Friedlonia aus einem engeren und einem weiteren rich (Louis) Sachse (Sekretär des Staatsminis758

Arminia [Arminia]

ters v. Humboldt); Johann Salkiewicz (stud. vom 19. Februar 1822. – GStA PK, I. HA jur.); Valentin v. Salkowski; Dr. Skalski; Johann Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 1 Tit. XII v. Skorzewski (stud. jur.); Claudius Szcza­ Nr. 7 Bd. 1: Acta betreffend die Landsmannniecki; Theodor Dominik Szczaniecki; Leo und Burschenschaftlichen Verbindungen und v. Szmitkowski; Dominic v. Sozaniecki; An- sonstige Disciplinar-Vergehungen der Studieton v. Stablewski; Erasmus v. Stablewski; Jo- renden, Oct. 1821 – April 1824). – GStA PK, seph Stefanski (stud. cam.); Weylepp (Forst- I. HA Rep. 77, Tit. 17 Gen. Nr. 43 Bd. 2. – akademie Tharant); Peter Ignaz Willant (Wie- b) Gedruckte Quellen: Allerhöchste Kabiland) (stud. med.); Michael Wisolowski (stud. nettsorder die Bestrafung aller geheimen, bejur.); Aloys v. Zaborowski; Zienkowski; Peter sonders der burschenschaftlichen VerbinPaul Thaddäus Zyc (stud. jur.) – Alle Mitglie- dungen auf den preußischen Universitäten der waren Anfang/Mitte 20; die meisten ge- betreffend. Berlin den 21. Mai 1824. In: Arhörten dem polnischen Adel an. Fast alle, auch chiv der Deckerschen Geheimen Ober-Hofdiejenigen, die sich zu dieser Zeit nicht mehr buchdruckerei. Sammlung von Edikten, Gein Berlin aufhielten, wurden im Zuge der po- setzen und sonstigen amtlichen Erlassen. lizeilichen Ermittlungen ab Ende 1821 be- Band XXV 1824–1825. Dokument Nr. 27. schattet und zwischen Februar und April 1822 – Kombst, Gustav: Erinnerungen aus meiverhaftet und verhört. Sämtliche Papiere wur- nem Leben. Leipzig 1848. – Lenz, Max: Geden beschlagnahmt. – Der Mitstifter des Ver- schichte der Berliner Universität, Bd. II. Haleins der Freunde, Karol Marcinkowski, war spä- le 1910, bes. S. 159. – Meyer, Kurt: Die farter „Gründer eines gleichnamigen Vereins zur bentragenden Korporationen an der Berliner Schaffung von Stipendien für polnisch lernen- Universität von 1810 bis 1870. In: Einst und de Jugend und zur Bekämpfung des Deutsch- Jetzt, 6. Bd., Jb. 1961 des Vereins für corpstums in der Ostmark“ (Meyer, S. 134). In den studentische Geschichtsforschung, S.  134. – Kreisen der Polonia soll auch Heinrich Heine c) Forschungsliteratur: Wawrykowa, Maverkehrt haben (ebd.). ria: Die polnischen Studentenverbindungen an den deutschen Universitäten in den Jahren Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: 1817–1824. In: Dies.: Revolutionäre DemoGStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministeri- kraten in Deutschland und Polen 1815–1848. um. Va Sekt. 2, Tit. XII, Nr. 8 Bd. 1: Unter- Braunschweig 1974, S. 13–21 (= Schriftenreisuchungsbericht zur Arminia und Polonia he des internationalen Schulbuchinstituts, 19).

Sven Haase / Uta Motschmann

Arminia [Arminia] Name: Arminia; Bund der Herminen. Gründung: Juni 1820. Bestand: Bis März 1821. Programmzitat: „Den Geist der Verfassungsurkunde der allgemeinen teutschen Burschenschaft erkennen die Herminen als den ihrigen und suchen ihn ins Leben zu führen. / Zweck des Vereins ist ein volksthümliches

Zusammenleben teutscher Burschen, welches sich äußert: 1) durch Freiheit, welche darin besteht alles thun zu können, was nicht unrecht ist, 2) durch Gleichheit, welche darin besteht, daß das Gesetz für alle dasselbe ist. 3) durch Einheit, welche darin besteht, daß alle diejenigen, welche durch die Natur als Einheit geschaffen, es auch in der Wirklichkeit sind“ (§§ 1 und 2 der Gesetze der Herminen). 759

12 Studentenverbindungen

– „Da es die Umstände der Zeit nicht gestatten, daß sich der Gemeinwille öffentlich in einer allgemeinen Versammlung äußern kann, so ist der teutsche Verein ein geheimer, welcher sich in Abtheilungen von 10 Mann unter einem Vorsteher versammelt“ (ebd., § 6). Geschichte und Programmatik: Nach verschiedenen Versuchen, sich zwischen 1815 und 1819 national und burschenschaftlich zu konstituieren (siehe auch  Corps Borussia und  Berliner Burschenschaft), traten im Sommer 1820 die burschenschaftlich gesinnten Berliner Studenten durch die Gründung der Arminia wieder hervor. Einer ihrer Wortführer war Graf Bocholtz, der bereits zuvor in Jena als Burschenschafter durch die Duellfor- Abb. 137  Wappen der Arminia. derung an den reaktionären Schriftsteller Alexander Stourdza für Furore gesorgt hatte und der, für die Idee der Burschenschaft werbend, scher Vereine aus den Karlsbader Beschlüssen durch die deutschen Hochschulen zog. Die zu unterlaufen, interpretierte man den WahlKonstitution der neuen Burschenschaft, die spruch „Freiheit, Gleichheit, Einheit“ wenisich an den Hauptgrundsätzen der alten (Ber- ger politisch; im Vordergrund stand vielmehr liner) Burschenschaft orientierte und deren Far- das volkstümliche Zusammenleben der Burben übernahm, hatte dieser wohl selbst ver- schen. Das Ziel von 1818 wurde entschärft: fasst. Dem Grafen Bocholtz, der in Berlin „Alle deutschen Burschenschafter sollen sich nicht immatrikuliert war, standen burschen- mit gleicher Teilnahme und mit gleicher Lieschaftlich geprägte Studenten, wie der Theo- be für ihr Vaterland und nach dem Bilde der loge Ludwig Hörner oder die Jurastudenten Einheit Deutschlands als Brüder umfassen“ Leopold v. Caprivi und Hermann v. Roten- (Lenz, S. 154–155), vielmehr sei es Zweck, han zur Seite, letztere hatten bereits der Berli- das „volksthümliche Zusammenleben zur ner Burschenschaft bzw. der Erlanger Burschen- christlich-deutschen Ausbildung der geistigen schaft angehört. In der losen Form einer Lese- und körperlichen Kräfte zum Dienste für das und Fechtbodengesellschaft hatten v. Caprivi, Vaterland“ zu stärken (Heer, S. 83). Die direkwie auch andere Studenten, die Umgangs- te Forderung nach politischer Einheit entfiel, formen der Berliner Burschenschaft gegen vie- allerdings wählte man die „deutschen“ Farben le Widerstände aufrechterhalten. Die Armi- „Schwarz-Rot-Gold“. Die Arminen konzen­ nia, die auch als Bund der Herminen bezeich- trierten sich stärker auf studentische Refornet wurde, erwies sich – wie schon zuvor die men, als auf die Formulierung politischer AnBerliner Burschenschaft – als auserwählter Kreis sprüche. Damit trugen sie den Ergebnissen des von anfangs ca. 30 vorbildlichen Studenten geheimen Burschentages vom Herbst 1820 in aus angesehenen Familien mit einem hohen Dresden Rechnung. Die Studenten beschlosAdelsanteil. Bis es zur staatlichen Interven­tion sen, sich weniger in das Politische der Staaten und Untersuchung kam, befassten sich die einzumischen, sich dafür aber mehr um den Arminen mit den klassischen burschenschaft- akademischen Wirkungskreis der Studenten, lichen Themen. Um das Verbot studenti- sprich das soziale Zusammenleben, zu küm760

Arminia [Arminia]

mern – ein reflexiver Hinweis auf Differenzen dere wiederum versuchten, die Behörden vom unter den Burschenschaften, die zu überwin- Nutzen der burschenschaftlichen Verbindunden waren, bevor man sich die Einheit des Va- gen zu überzeugen. Leopold v. Caprivi verterlandes auf die Fahnen schrieb. Die Arminia wies bei seinem Verhör auf die Lernbeflissenstellte sich gegen den Duellzwang und sprach heit und das positive Verhalten der Arminen sich für die Einrichtung von Ehrengerichten in den Seminaren und den Respekt gegenaus. Grundsätzlich stand der Zweikampf nicht über den Lehrkräften. Grund seines Eintritts mehr zur Disposition, doch scheiterten ein- sei die Reglementierung studentischer Verheitliche Reglementierungen an den Verfol- haltensmuster gewesen (Schreiben Caprivis an gungen durch die Behörden und an dem un- den Staatsminister vom 8. Juni 1822). Zu Begebrochenen Einfluss der Landsmannschaften. ginn der Untersuchungen 1821 herrschte in Viele lebensreformerische Vorschläge blie- der preußischen Verwaltung noch Uneinigkeit ben in elitären Kreisen und drangen nicht zur über die Dimension des Politischen der ArMasse der Studenten durch. Ein radikaler Flü- minia. Geheimrat Frick wollte keine „politigel, der sich an den Gießener Schwarzen ori- sche Tendenz“ erkennen, während Süvern die entierte, fehlte in Berlin. Verbindung als politisch einstufte. Vor allem Die Verfassungsurkunde der Arminia verwies die Nähe zu anderen Burschenschaften maauf den christlichen Charakter der Verbindung, che die Arminia verdächtig (vgl. die Gutachallerdings waren Juden ausdrücklich aufnah- ten von Frick und Süvern). Während der Unmeberechtigt. Grundlage der Verfassung war tersuchung kam eine interessante Verbindung die in gemäßigtem, liberal-nationalem Ton zwischen der Arminia und der von polnischen gehaltene „Kompromissverfassung“ der Allge- Studenten in Berlin begründeten  Polonia, meinen Deutschen Burschenschaft von 1818. Die einer landsmannschaftlich organisierten polniVerfassung betonte lebensreformerische An- schen Geheimgesellschaft, ans Licht (Wawrysätze und formulierte das Politische sehr lei- kowa, S. 13–21). se. Aus Furcht vor der Verfolgung durch die Im Zuge der Ermittlungen wurde die ArBehörden löste sich die Arminia nach einem minia, später auch das Ehrengericht endgülknappen Jahr offiziell auf. Realiter bestand sie tig aufgelöst und eine Neueinrichtung verbojedoch nach der Auflösung als „Ehrengericht“ ten. Im Winter 1821/22 lagen den Behörden weiter. Die erwarteten Nachforschungen ge- die Namen von rund einhundert Studenten rieten schließlich im Sommer 1821 zur auf- vor, die der Mitgliedschaft in der Arminia verwändigen strafrechtlichen Untersuchung, in dächtigt wurden. Im Mai 1822 wurde gegen die bald die Universitätsbehörde, das Kultus- die bekannten Mitglieder der Arminia Anklaund Innenministerium sowie der König invol- ge erhoben, doch wurden die meisten begnaviert waren. Beim Eintritt in die Verbindung digt. Lediglich vier, darunter auch v. Capriwaren den Mitgliedern der Arminia die Fol- vi, wurden zu einer sechswöchigen Festungsgen dieser Entscheidung nicht bewusst. Erst haft verurteilt, die sie in Magdeburg abbüßten während der laufenden Untersuchung erkann- (Wendland, S. 254). Nach Lenz wurden nur ten viele, dass durch ihre eigene Unbedarftheit drei Studenten von der Begnadigung ausgeund die unerbittliche Strenge des Staates ihre schlossen: Leopold v. Caprivi, Ludwig Hörberufliche Zukunft auf dem Spiel stand. Der ner und Heinrich Utterhardt. Sie galten als Theologiestudent Ferdinand Froeger bang- Anführer der Arminen und hätten am engste um sein „ganzes Schicksal“ und versuchte, ten mit der Polonia in Verbindung gestanden. in einer demütigen Bittschrift eine Milderung seiner Strafe zu erreichen (Schreiben Froegers Struktur und Organisation: Über das Innenan den Staatsminister vom 8. Juni 1822). An- leben und die Organisationsformen der Armi761

12 Studentenverbindungen

nia ist nur wenig bekannt. Sämtliche Informationen dazu stammen aus den Ermittlungsakten der preußischen Behörden. Innerhalb kurzer Zeit wurden aus losen Zirkeln organisierte und ritualisierte Zusammenkünfte. Indessen war die Arminia (wie auch die Polonia) von zu kurzer Dauer, um fortdauernde Traditionslinien zu begründen. Nach Aussagen v. Caprivis bestand die Verbindung ursprünglich aus zwei, zuletzt aus fünf Abteilungen zu je zehn Mitgliedern. Die jeweiligen Vorsteher waren zugleich als Ehrenrichter tätig. Hierarchien gab es v. a. in Bezug auf Alter und Erfahrung der Mitglieder sowie Dauer der Mitgliedschaft. Nach der Auflösung der Verbindung wurde die Institution eines Ehrengerichts beibehalten und als äußerer Zusammenhalt angesehen. „Alle Mitglieder der früheren Verbindung Arminia haben sich auch späterhin dem Ehrengerichte unterworfen; außer denselben sind viele neue Theilnehmer zum Ehrengericht hinzugetreten“ (Aussage v. Caprivis vor dem Untersuchungsausschuss; GStA PK, I. HA Rep. 77 Tit 17 Gen Nr. 44, Bd. 1, Bl. 279r). Während der Zusammenkünfte wurde gegessen, getrunken und über verschiedene Themen, wie das Studium, das studentische Leben, Tagespolitik und Literatur gesprochen. Dass man einen Fechtboden unterhielt, lässt darauf schließen, dass Duelle und Zweikämpfe nicht ausgeschlossen waren, aber gemäß burschenschaftlichen Reformierungsideen in reglementierter Form stattfanden. Studentische Ehre und ihre Verteidigung waren nicht nur affirmative Losungen der ganzen Burschenschaftsbewegung, sie bestimmten auch das Selbstbild einer sich als Elite begreifenden Jugendkultur. Die politische Gesinnung dürfte zwischen Kosmopolitismus und einem gemäßigt vertretenem Nationalgedanken changiert haben, radikale Tendenzen sind vereinzelt nicht auszuschließen, aber wohl eher in der Polonia zu finden. Die erste Verfassung war von der Gründung an für ca. fünf Monate gültig, eine revidierte Verfassungsurkunde wurde von Herbst 1820 bis März 1821 von 762

Maßmann II [Johann Karl Maßmann] angefertigt und „in GroßQuart in einem rothen Bande mit goldenen Verzierungen sauber eingebunden“ (Aussage v. Caprivis, a. a. O.). Von Caprivi gab weiterhin an, dass er diese eine Zeitlang besessen habe, aber über ihren Verbleib nichts wisse. Auch die Urfassung sowie das Protokollbuch seien verschollen. Mitglieder: Die Arminia wuchs von anfangs 20 auf ca. 100 Mitglieder an. Den beträchtlichsten Anteil stellten Juristen und Theologen, während Mediziner und Studenten der Philosophischen Fakultät kaum ins Gewicht fielen. Hinzu kamen drei Studenten der Kameralwissenschaft. Der größte Teil der Arminen stammte aus Preußen. Die erste Verfassung, die bis Herbst 1820 gültig war, begrenzte die Aufnahme auf „Teutsche“ und „Christen“. Nach einer Revision Ende 1820 konnten ausnahmsweise und in besonderen Fällen auch Juden und „Nichtdeutsche“ als Mitglieder aufgenommen werden. De facto wurde nur ein Jude, de Castro, Mitglied bei den Herminen, jedoch kein „Nichtdeutscher“. Unter den zwölf zu Beginn der späteren Untersuchung verhörten Arminen tragen fünf einen adligen Namen. In der Kabinettsorder des Königs führen 13 von 24 genannten Mitgliedern einen Adelstitel. Auf einem Pfeifenkopf der Arminia, der das Datum 18. Juni 1820 trägt, sind 26 Namen eingraviert, darunter zehn Adlige (Wendland, S. 253). – Originale Mitgliederlisten sind nicht überliefert; die tatsächlichen und vermutlichen Mitglieder lassen sich allerdings aus den Verhörprotokollen ermitteln, die jedoch bei einzelnen Namensnennungen voneinander abweichen. – Gründer der Arminia: Dietrich Werner Graf v. Bocholtz; Leopold v. Caprivi; Hermann Frhr. v. Rotenhan; Johann Ferdinand Martin Heyfilder; Theodor Fuss; Ernst Zugbaum; Friedrich David Müller. – Einzelmitglieder (alphabetisch geordnet. – Die in eckigen Klammern gesetzten römischen und arabischen Zahlen geben Monat und Jahr des Abgangs von der Universität an. – Bei den mit

Arminia [Arminia]

* bezeichneten Personen ist die Mitgliedschaft nicht sicher nachweisbar; manche waren nur in der Verbindung des Ehrengerichts): *Wilhelm Ackermann, stud. jur. [VIII/1820]; Karl Friedrich Baerwald (Berwald), stud. phil. [IV/1821]; *Gustav Bartholdi (Bartholdy), stud. phil. [XII/1822, relegiert]; *Samuel Beer­baum, stud. theol., [c.a.]; Johann August Bergmann, stud. jur. [XII/1822, relegiert]; *Johann August Bermann, stud. med. [gelöscht I/1820]; Baron v. Bissing, stud. med. [nicht immatrikuliert]; Graf v. Blumenthal [nicht immatrikuliert]; Dietrich Werner Graf v. Bocholtz (Bocholz) (Vorsteher) [nicht immatrikuliert]; August Bollert, stud. theol. [XII/1822, relegiert]; Karl v. d. Borch, stud. jur. [gelöscht III/1821]; Louis v. d. Borch, Forstwiss. [III/1821]; Karl Bormann (Borrmann), stud. jur. [VIII/1821]; Wilhelm Brockmann, stud. jur. [XII/1820] (1819 Vorsteher der Burschenschaft in Berlin und nachher Mitgl. der Arminia, dann EM, Auskultator beim Oberlandesgericht zu Münster); *Gustav Ernst Brühl, stud. theol. [1823?]; Carl Friedrich Brunner, stud. jur. [III/1821] (später EM der Arminia, Referendar beim Stadtgericht zu Potsdam); Bucholtz (Buchholz) [nicht immatrikuliert]; Karl Buddée, stud. jur. [VIII/1820] (später Referendar beim Kammergericht); *August Wilhelm Callin,

Abb. 138  Pfeife der Arminia mit Inschrift auf dem Pfeifenkopf.

stud. jur. [1823?]; Julius Leopold Eduard v. Caprivi, stud. jur. [XII/1821] (Vorsteher); Joseph Hermann de Castro, stud. med. [gelöscht Herbst 1821]; Karl Cromeyer (Kromaier), stud. cam. [XII/1821, relegiert]; Karl Ludwig le Coq, stud. jur. [Ostern 1821 abgegangen, neu immatrikuliert Michaelis 1822]; Carl George Danziger, stud. cam. und stud. phil. [VII/1821] (später EM, Auskultator beim Berliner Stadtgericht); Hermann Nicolas Decker, stud. jur. [VIII/1821]; Adolph Demarrées (de Marées), stud. jur. [freigesprochen]; August Theodor 763

12 Studentenverbindungen

Eyssenhardt, stud. theol. [XII/1821, relegiert] giert]; *Eduard Otto Philipp Mollart (Mol(Vorsteher); *Gustav Friedrich Wilhelm Feh- lard), stud. jur. [III/1822]; *Ludwig Mollwo, mer, stud. theol.; Christian Fessel, stud. med. stud. jur. [XI/1820]; Gustav Muhrbeck, stud. [XII/1821, relegiert]; Ludwig Ficker(t), stud. jur. [III/1821]; Friedrich David Müller, stud. med. [XI/1820 zum Dr. promoviert]; *Hein- theol. [XII/1822, relegiert]; *Müller aus Thürich Friedrich v. Fock (Fork), stud. jur. [Frühj. ringen, Baueleve [nicht immatrikuliert] (soll 1823]; Ernst Joachim C. Foerster (Förster), 1823 in Erfurt oder in Frankfurt/Oder als stud. phil. [Sommer 1822 relegiert]; Theodor Condukteur leben); Alexander Neuendorff, Fuss, stud. jur. [IX/1820]; *Anton Ganzoni, stud. jur. [XII/1822, relegiert]; Ferdinand stud. jur. aus Graubünden [1823? c.a.]; *Her- Neumann, stud. theol. [XII/1822, relegiert]; mann Theodor Goldtdammer (Goldammer), Heinrich Neumann, stud. theol. [XII/1822, stud. jur. [freigesprochen]; *Adolph Göschen, relegiert]; August Wilhelm Pallin, stud. jur. stud. theol. [Sommer 1823, bleibt verdächtig]; [1823 KarzerArrest, c. a.]; Karl Leopold Pape, Grunelius (Vorsteher) [Sommer 1822 gest.]; stud. phil. [IV/1821]; Franz Michael Pabst, Albrecht Friedrich v. d. Hagen, stud. jur. stud. jur. (später Auskultator beim Stadt- und [XII/1822, relegiert]; Ferdinand Hager, stud. Landgericht zu Erfurt); *Passow [nicht immaphil. [III/1821]; *Adolph Harrer, stud. phil. trikuliert] (1823 Lehrer am Gymnasium zum [bleibt verdächtig]; Heinrich Hedemann, stud. Grauen Kloster]; Christian Platz, stud. phil. jur. [IV/1821]; Wilhelm Hellwig, stud. jur. [III/1821]; Adolph Graf v. Posadowski, stud. [Ostern 1821, soll aber im Sommer 1823 noch jur. [XII/1822, relegiert]; Leonhard v. Prittstudiert haben]; Johann Ferdinand Martin witz, stud. jur. [III/1821] (später EM, AuskulHeyfelder (Heyfilder), stud. med. [VII/1817, tator beim Berliner Stadtgericht); Ernst Graf relegiert, kam aber zurück und besuchte Kur- zu Rantzau, stud. cam. [VIII/1820]; Karl se]; Ludwig Hörner, stud. theol. [XII/1821, Friedrich Georg Rehberg, stud. jur. [III/1821]; relegiert, soll aber im Sommer 1823 noch stu- *Rudolph v. Rehdiger, stud. jur. [c. a.]; *Karl v. diert haben]; Jacob Friedrich Heinrich Kaest- Reibnitz, stud. jur. [studiert 1823 noch, Karzer ner, stud. med. [Michaelis 1821]; Maximilian und c. a.]; Adolph Reisig, stud. med. [XII/1822, Kayser, stud. theol. [XII/1821, relegiert]; relegiert]; Karl Ludwig Reuter, stud. med. Friedrich Ludwig Keller, stud. jur. aus Zürich [XII/1822, relegiert]; *August Rodewald [VIII/1821]; Julius v. Kelsch (Keltsch), stud. (Rohdewald), stud. theol. [studiert 1823 noch, jur. [III/1821] (später Referendar beim Ober- freigesprochen]; Hermann Röseler, stud. jur. landesgericht zu Breslau); *Adolph Kittel, stud. [VII/1820] (Vorsteher; später Auskultator med. [c. a., studiert 1823 noch]; Albert v. Kö- beim Oberlandesgericht zu Ratibor); Hermann nen (Koenen), stud. jur. [IV/1821, erneut ab Frhr. v. Rothenhan (Rotenhahn) [IV/1821] Ostern 1822]; Louis Laurens, stud. jur. [Som- (Vorsteher und eifrigster Förderer); Wilhelm mer 1822, relegiert]; Ludwig v. d. Leithen, Schallehn, stud. theol. [Frühjahr 1823, c. a.]; stud. jur. [XII/1821, relegiert] (Vorsteher); Alexander Schmidt, stud. theol. [XII/1822, reKarl Friedrich Liebetrut, stud. theol. [studiert legiert]; Gustav Schrötter, stud. jur. [III/1820] 1823 in Tübingen]; *Karl Lübbe, stud. jur. (Mitgl. der Burschenschaft, nachher Arminia, so[XII/1820]; Johann Karl Massmann, stud. wohl in Berlin als in Breslau, später Referendar med. [XII/1822, relegiert]; Johann Ludwig beim Kammergericht); *Johann Heinrich WilMayerhoff (Meierhoff, Meyerhoff), stud. theol. helm Schwittau, stud. med. [studiert 1823 noch, [XII/1822, relegiert]; Karl Mengel, stud. jur. freigesprochen]; Wilhelm Stappenbeck, stud. [VIII/1821, kehrte Michaelis zurück, ohne theol. [XII/1822, relegiert]; Franz Karl Heinsich neu immatrikulieren zu lassen]; Eduard rich Sternberg, stud. jur. [III/1821]; Karl StruMoewes (Mewes), stud. jur. [XII/1822, rele- ensee, stud. jur. [XII/1822, relegiert]; Franz 764

Arminia [Arminia]

Abb. 139  Rundschreiben zum Beschluss des Rektors und des Senats der Berliner Universität über die Relegation von 32 Mitgliedern der Arminia, 30. Mai 1822.

Otto Succo, stud. theol. [III/1821] (Vorsteher); Ernst Theveny, stud. cam. [III/1822]; Hans Karl Baron v. Thüngen, stud. jur. [gelöscht III/1823]; Ferdinand Heinrich Troeger, stud. theol. [XII/1822, relegiert]; Heinrich Uterhardt (Utterhardt), stud. jur. [Ostern 1822] (Vorsteher); Wilhelm Voigt, stud. jur. [VII/1821] (später Auskultator beim Stadtgericht zu Rathenow); Heinrich Wendt, stud. phil. [XII/1822, relegiert]; Theodor Wichmann, stud. med. [XII/1822, relegiert]; August v. Winzingerode, stud. cam. [studiert 1823 noch]; Otto Ludwig Zedelt, stud. jur. [XII/1822, relegiert]; Ernst Zugbaum, stud. jur. [III/1821] (Arminia in Breslau und Berlin, später Auskultator beim Stadt- und Landgericht zu Erfurt).

Die staatlichen Behörden bestraften 32 Arminia-Mitglieder mit Relegation und sieben mit Consilium abeundi; weitere 32, die keine Arminia-Mitglieder waren, aber das Ehrengericht anerkannt hatten, erhielten Verweise. – Brockmann, Brühl, Brunner, Buddée, v. Caprivi, Danziger, Eyssenhardt, Fehmer, Fessel, Foer­ ster, Hörner, Keller, Mayerhoff, Müller, Sternberg, Theveny, Uterhardt und Voigt waren zuvor Mitglieder der  Berliner Burschenschaft. Querverweise auf andere Vereine: Die anfänglich abgesondert von den anderen Studentenverbindungen arbeitende  Polonia vereinigte sich im Sommer 1821 mit der Arminia, deren Resultat die Einrichtung eines gemein765

12 Studentenverbindungen

schaftlichen Ehrengerichts zur Schlichtung der zwischen Polen und Deutschen entstehenden Streitigkeiten war. Bibliographie: a) Archivalische Quellen: GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va, Sekt. 2, Tit. XII, Nr. 8, Bde. 1–4: Acta die unter dem Namen Arminia auf unseren Universitäten und besonders auf der Universität zu Berlin bestehenden Studenten-Verbindung. (Die Untersuchung der Arminia zwischen Februar 1822 und Oktober 1825 umfasst sehr viele Aktenstücke. Sie beziehen sich auch auf andere Verbindungen mit dem Namen Arminia an preußischen Universitäten; allerdings beschäftigen sich mehr als Zweidrittel der Akten mit der Berliner Arminia). Auswahl: GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 2, Tit. XII, Nr. 8 Bd. 1, hier S. 1 und S. 124. – Schreiben des Studenten Ferdinand Froeger an den Staatsminister vom 8. Juni 1822. In: Dass., S. 76 ff. – Schrei­ben des Studenten Leopold v. Caprivi an den Staatsminister vom 8. Juni 1822. In: Dass., S. 43 f. – Gutachten Fricks und Süverns zur Arminia an seine königliche Majestät vom 3. bzw. 15. August 1822. In: Dass., Fricks Gutachten I und II, S. 125–134 und S. 135–171; Süverns Antwort ebd., S. 172– 184, hier S. 173. – Untersuchungsbericht zur Arminia und Polonia vom 19. Februar 1822. In: Dass., S. 1. – Bericht des Universitätsrichters. In: GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va, Sekt. 2, Tit. XII, Nr. 8, Bd. 2, S. 48–65. – Allerhöchste Kabinettsorder die Bestrafung aller geheimen, besonders der burschenschaftlichen Verbindungen auf den preußischen Universitäten betreffend. Berlin den 21. Mai 1824. In: Archiv der Deckerschen Geheimen OberHofbuchdruckerei. Sammlung von Edikten, Gesetzen und sonstigen amtlichen Erlassen. Band XXV: 1824–1825. Dokument Nr. 27. – GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 13 Nr. 18 (Acta

betr. die geheime Verbindung Arminia in Berlin). – GStA PK, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern Tit. 17 Gen Nr. 44, Bd. 1–3. – GStA PK, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern Tit. 17 Gen Nr. 43 adh (Beziehungen zur Polonia). – GStA PK, I. HA Rep. 84a Nr. 50164 (Acta generalia des Justiz-Ministeriums betr. spezielle Untersuchungen wegen demagogischer Umtriebe), besond. Bl. 195–196 (ehemalige Mitglieder der Arminia die jetzt im Staatsdienst angestellt sind). – Bundesarchiv Koblenz, DB 9, B. I. 1. d. K11/210. Berlin: Arminia, 1822–1823; K13/265. Berlin: Materialien zur Geschichte der Burschenschaft (Relegationsurkunde, 1822, Gnadengesuch des Grafen Bocholtz an König Friedrich Wilhelm III., 1823), 1822–1823. – b) Gedruckte Quellen: Kombst, Gustav: Erinnerungen aus meinem Leben. Leipzig 1848. – Lenz, Max: Geschichte der Berliner Universität, Bd. 2. I. Halle 1910. – Schneider, Gustav Heinrich: Die Burschenschaft Germania zu Jena. Jena 1897, S. 8–12. – Wendland, August: Ein Pfeifenkopf der alten Arminia. In: Burschenschaftliche Blätter 19. Jg., Sommersemester 1905, S. 252–254. – c) Forschungsliteratur: Hardtwig, Wolfgang: Studentische Mentalität – Politische Jugendbewegung – Nationalismus. Die Anfänge der deutschen Burschenschaft. In: Ders.: Nationalismus und Bürgerkultur in Deutschland 1500– 1914. Ausgewählte Aufsätze. Göttingen 1994, S. 108–148. – Hardtwig, Wolfgang: Zivilisierung und Politisierung. Die studentische Reformbewegung 1750–1818. In: Ders.: Natio­ nalismus und Bürgerkultur in Deutschland 1500–1914. Ausgewählte Aufsätze. Göttingen 1994, S. 79–107. – Heer, Georg: Geschichte der deutschen Burschenschaft. Bd. II: Die Demagogenzeit (1820–1833). Heidelberg 1927 (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung. Bd. X).

Sven Haase u. Mitarb. von Uta Motschmann und Torsten Lüdtke 766

13 Tischgesellschaften

Die Tischgesellschaften sind in enger Beziehung zu den Bildungs- und Geselligkeitsvereinen zu sehen; beide Organisationsformen sind durch zahlreiche Parallelmitgliedschaften geprägt. Das organisatorisches Charakteristikum der Tischgesellschaften, das sich bereits im Namen ausdrückt, sind regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten. Die Zusammenkünfte fanden in öffentlichen Lokalen statt. Eine öffentliche Wirksamkeit und ein stetiges Anwachsen der Mitgliederzahlen waren gewollt. Die Tischgesellschaften entstanden während der Stein-Hardenberg’schen Reformzeit; ihre Mitglieder entstammten großenteils der gehobenen Beamtenschaft, die durch eine monarchische Haltung und eine preußisch-nationale Gesinnung verbunden war. Im Gegensatz zu den in der Aufklärungsepoche entwickelten Vereinsmodalitäten propagierten sie unkonventionelle Geselligkeitsformen. Die beiden  Gesetzlosen Gesellschaften lehnten Vereinsstatuten explizit ab. Doch auch die scheinbar lockeren „gesetzlosen“ Verbindungen konnten auf bestimmten Regularien nicht verzichten, zumindest was Versammlungstag, -zeit und -ort, die Finanzierung und die Aufnahme neuer Mitglieder anbelangte. Dies war in den zahlenmäßig großen Vereinigungen realiv streng geregelt; Frauen waren von den Zusammenkünften ausgeschlossen, Gäste wurden akribisch in Gästebüchern verzeichnet. Die wenig später gegründete  Deutsche Tischgesellschaft verfügte dann wieder über Statuten, es wurden Protokolle geführt und Tischreden sowie andere Vorträge festgehalten, allerdings auf das Ballotieren über neue Mitglieder verzichtet. Die Themen der Tischgespräche waren nicht vorherbestimmt, sondern dürften den breitgefächerten Berufs- und sonstigen Interessen der Mitglieder entsprochen haben. Die stark von den napoleonischen Kriegen beeinflussten Mitglieder, teils Adlige, teils Bürgerliche, teils hohe Beamte, teils Militärs, dazu mehrere Künstler, waren preußisch-patriotisch gesinnt, unterstützten die militärische Befreiung Preußens und dessen politische und geistige Erneuerung. Besonders viele adlige und bürgerliche Offiziere waren in der  Eichlerschen Gesellschaft vertreten. Die preußischen Siege gegen Napoleon (die Schlachten bei Leipzig und bei Belle-Alliance) wurden zu Vereinsfesten erhoben (wie der Gründungstag der preußischen Monarchie von der Deutschen Tischgesellschaft). Die Tischgesellschaften waren nicht nur (kostspielige) Freizeitvergnügungen der preußischen Beamtenschaft, sondern Sammelbecken des preußischen Widerstandes gegen Napoleon. Wenngleich von den Gesetzlosen Gesellschaften keine Protokolle vorliegen, kann von politisch geprägten Tischgesprächen ausgegangen werden. Die Deutsche Tischgesellschaft rief mit ihren Ausschlussklauseln gegenüber Juden (wie auch gegen 767

13 Tischgesellschaften

Frauen, Franzosen und „Philistern“) und besonders durch Juden verachtende Tischreden öffentliche Empörung hervor. Allen Tischgesellschaften gemeinsam waren ein deftiger Humor und eine ausgelassene Stimmung, was die geistige Homogenität der Mitglieder widerspiegelt. Stärker als bei anderen Vereinen standen charismatische Personen den Gesellschaften vor, die stark deren Profil vorgaben und zahlreiche neue Mitglieder anzogen (so Johann Heinrich Menu v. Minutoli der GG1, Philipp Karl Buttmann der GG2 oder Achim v. Arnim der DTG). Uta Motschmann

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Die Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) / Die Zwanglose [GG1]

Die Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) / Die Zwanglose [GG1] Name: Gesetzlose Gesellschaft; ab 1809: älte- witz, der Geh. Regierungsrat Wilckens, der re Gesetzlose Gesellschaft; Gesetzlose Gesell- Major Graf Lottum und der Major Heinschaft Nr. 1; seit 1811: Die Sonnabendsgesell- rich Menu v. Minutoli, eine „gesetzlose Geschaft No. 1; auch kurzzeitig: Mittwochs-Ge- sellschaft“, deren „einziges Gesetz“ in dem Beschluss bestand, alle 14 Tage im heiteren sellschaft; seit 1826: Die Zwanglose. Gründung: 8. März 1806. Freundeskreis beim Mittagessen zusammenBestand: Bis 1914. zukommen. Menu v. Minutoli, der bereits Zusammenkünfte: In verschiedenen öffent- 1801 zu den Mitbegründern der  Militälichen Lokalen Berlins, u. a. in der Börsen- rischen Gesellschaft gehört hatte, wurde zum halle, Königstraße; vor 1812: während der ersten „Direktor“ gewählt, der die TischgeSommermonate im Tiergarten bei Kaemp- sellschaft ebenso wie der spätere Minister v. fer [Kemper], einem großen Restaurant mit Altenstein maßgeblich prägte. Die GG1 hatte Konzertgarten an der Stelle gelegen, wo anfangs einen großen Zulauf. Durch den miheute die Viktoriastraße auf den Kemper- litärischen und politischen Zusammenbruch Platz mündet; Sommer 1812: im Frhr. v. d. Preußens und das Exil des preußischen Hofes Reck’schen Garten, Leipziger Straße 3. Die kam es allerdings zum Ende des GründungsWinterversammlungen fanden meist bei jahres fast zur gänzlichen Auflösung der eben Bandemer statt, der früher Koch der Bör- erst gegründeten Gesellschaft. Die Zusamsenhalle war, und von 1810–1812 das Ca- menkünfte wurden „angesichts der traurigen sino in der Charlotten-/Ecke Behrenstraße Zeitverhältnisse“ ausgesetzt. Am 18. Juli 1807 leitete, dann die Wirtschaft der Börsenhal- nahmen die in Berlin gebliebenen Mitglieder le in der Königstraße übernahm. Manchmal ihre Versammlungen wieder auf, und neue aß man auch im Englischen Haus, Mohren- Mitglieder traten hinzu. Mit der Rückkehr straße 49; ab 1813: im Tiergarten; seit 1817: des Königs nach Berlin erwachte die GeWinterversammlungen häufig bei Simon an sellschaft zu neuem Leben und feierte fortder Roßstraßen-Ecke und bei Holzapfel in an dieses Datum als eigentlichen Stiftungstag, der Tiergartenstraße 37; ca. 1828–1834: im an welchem ein silberner Humpen mit der Winter bei König im Englischen Haus; im Inschrift „der 23. Dezember 1809“ auf das Sommer bei Günther im Tiergarten im alten Wohl von König und Vaterland geleert wur„Kemper Hof “; 1834: vorübergehend im Ho- de. Menus Nachfolger an der Spitze der Getel de Russie, Unter den Linden (da Brand im sellschaft wurde im Sommer 1810 Friedrich Englischen Haus); 1848: im Kroll’schen Eta- Philipp Rosenstiel, unter dessen Leitung die blissement und im „Café au Prince Royal“, Gesellschaft in Sonnabends-Gesellschaft Nr. 1 Unter den Linden 25; ab 1855: bei Kroll, bei umbenannt wurde, da man in Erinnerung Arnim, bei Lang­let oder bei Adlon; im Som- an den Einzugstag des Königs im Dezember mer im Grunewald, an der Havel oder an 1809 den Sonnabend zum Versammlungstag der Spree. Für die späten Jahre sind die Ver- gewählt hatte. Als 1811 bei einer Gesamtzahl von 46 Mitgliedern die Zahl der besusammlungsorte nicht bekannt. chenden Mitglieder auf unter zehn gesunken Geschichte und Programmatik: Am 8. war, bemühte sich Rosenstiel um verschieMärz 1806 gründeten neun Männer, der dene Änderungen und schuf damit für die Kriegsrat Herff, der Geh. Legationsrat Küs- bisher „gesetzlose“ Gesellschaft eine Quasiter, der Geh. Kriegsrat Müller, die Geh. Fi- Verfassung; denn „Beschlüsse oder Gesetze nanzräte von Quast, Wilckens und von Kle- kann eine Gesetzlose Gesellschaft nicht ha769

13 Tischgesellschaften

Abb. 140  Heinrich Menu von Minutoli; Gemälde von Paul Ernst Gebauer, 1823.

Abb. 141  Friedrich Philipp Rosenstiel; Büste von Johann Gottfried Schadow, 1819.

ben“ (Rosenstiel, 23. Juni 1812, in: Soehlke, S. 27). Die Aufnahme neuer Mitglieder wurde erleichtert, und aus der Sonnabendsgesellschaft wurde eine Mittwochsgesellschaft. Nach einer zwischenzeitlichen Belebung der GG1 sank 1812 die Teilnehmerzahl erneut, so dass Rosenstiel die Existenz der Gesellschaft generell in Frage gestellt sah. Die Situation besserte sich in der Folgezeit kaum, da 1813 etwa die Hälfte der Mitglieder in den Krieg zog. Erst ab 1816 stieg die Zahl der Mitglieder stetig, und auch die Zusammenkünfte wurden wieder regelmäßig besucht. Unter Teilnahme von 47 Mitgliedern, auch des am gleichen Tag aufgenommenen Generals der Infanterie v. Tauentzien, wurde der 23. Dezember 1817 bei Bandemer feierlich begangen. Als 1818 die Gesellschaftskasse ins Minus geriet, verwandelte Rosenstiel kurzerhand das Jahr in ein Quintal, denn: „Den Gesetzlosen ist alles möglich!“ Während des Stiftungsfestes 1826 gab die Gesellschaft, die sich seit 1809, als in Berlin eine

weitere  Gesetzlose Gesellschaft gegründet worden war, bereits Gesetzlose Gesellschaft Nr. 1 genannt hatte, angesichts der großen Konkurrenz ihren Namen auf und taufte sich in Die Zwanglose um. In der Zeit der antinapoleonischen Kriege und der Reformen war die GG1 konservativ-patriotisch eingestellt. Charakteristisch für die Zwanglosen war ihre unerschütterliche Königstreue, die auch während der Verfassungsdiskussionen in den 1840er Jahren unverändert blieb. Offiziere und hohe Staatsbeamte prägten zunehmend den Klub, während gemäßigt Konservative an den Rand gedrängt wurden. So legte der seit 1848 amtierende Kammerrichter Drygalsky 1855 sein Direktorenamt infolge eines Konflikts mit dem ordentlichen Mitglied General-Polizeidirektor Hinkeldey nieder, nachdem dieser seinen Austritt angezeigt hatte. Die GG1 feierte 1906 ihr hundertjähriges Bestehen und existierte noch bis 1914, ohne den früheren hohen Mitgliederbestand

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je wieder zu erreichen. Seit den 50er Jahren Gesellschaft zu ermöglichen, schlug Rosendes 19. Jahrhunderts gibt es nur noch unzu- stiel vor, ältere, selten erscheinende Mitgliereichende Mitteilungen über die GG1, so der zu Ehrenmitgliedern zu erklären. Im Juni dass bereits Soehlke 1906 konstatieren muss- 1812 wurde für den Fortbestand der Gesellte, dass nicht einmal festzustellen sei, ob und schaft und für Freitag als Versammlungstag vowie die Gesellschaft ihr 50-jähriges Beste- tiert. Als die Mitglieder weiterhin in geringer hen gefeiert habe. Da das Gesellschaftsleben Zahl zu den Zusammenkünften erschienen, nach der Ära Rosenstiel anscheinend nicht legte Rosenstiel noch im gleichen Monat sein mehr aufgezeichnet wurde, bleiben die letz- „Ämtchen“ als Geschäftsführer nieder; überten rund 60 Jahre der GG1 weitestgehend im nahm es jedoch erneut, als sich kein NachDunkeln. folger finden ließ (v. Braunschweig und Aloys Hirt lehnten ab). Gleichzeitig kehrte man Struktur und Organisation: Der Namens- zum ursprünglichen Versammlungstag Sonngebung entsprechend gab es zwar keine Ge- abend zurück. – Finanzierung: Die GG1 fisetze, doch wurden Mitgliederlisten und Gäs- nanzierte sich über Mitgliedsbeiträge. In den tebücher geführt. Neue Kandidaten mussten ersten Jahren war ein einmaliges Eintrittsgeld durch ein Mitglied vorgeschlagen werden und von zwei Talern 12 Groschen zu zahlen, durch sich dann einem Wahlverfahren stellen. Bei den der Eintretende „Anteil an dem silbernen zwei verneinenden Stimmen wurde der Kan- Humpen gewann“. Ab 1815 wurden vierteldidat ausgeschlossen, wodurch „schon eini- jährliche Beiträge von vier Reichstalern erhoge treffliche Kandidaten“ nicht aufgenommen ben. Seit Sommer 1812 hatte jeder, der sich werden konnten. Die „Direktoren“ wur- zum Essen angemeldet hatte, einen Taler zu den per Ballotement mit Stimmenmehrheit zahlen; die Gesellschaft musste dabei auf Anfür ein Jahr gewählt. Einmal in den gesetzlo- forderung des Wirtes immer für mindestens sen Kreis aufgenommen, blieb man lebens- 16 Gedecke aufkommen. Von überschüssilang Mitglied, auch wenn man für längere gen Gesellschaftsgeldern wurden wiederholt Zeit nicht an den Zusammenkünften teilneh- Spenden abgegeben. Im Januar 1823 untermen konnte oder Berlin verlassen musste. Un- stützte man die abgebrannte Stadt Friedland ter Rosenstiels Leitung wurden durch Stim- mit 26 Talern, und im März 1825 wurde für menmehrheit folgende Veränderungen fest- die vom Hochwasser geschädigten Bewohgelegt: Anstelle gestorbener, von Berlin ent- nern der Preußischen Niederungen 25 Taler fernt wohnender oder die Gesellschaft sechs gespendet. Zum 25-jährigen Stiftungsfest hatMonate lang nicht besuchender Mitglieder te die Gesellschaft einen Kassenbestand von konnten neue Mitglieder gewählt werden; 300 Talern. – Feste: Die GG1 feierte jähreine Mitgliederhöchstzahl wurde nicht festge- lich drei Feste: das Stiftungsfest am 8. März; legt; die Wahlen erfolgten geheim durch ein den Geburtstag des Königs am 3. August und Wahlkästchen, in das Wahlzettel „pour“ und die Rückkehr des Königs und seiner Familie „contre“ eingeworfen wurden; war der vier- nach Berlin am 23. Dezember. Anlässlich der te Teil der Stimmen in der Abteilung „con- Leipziger Völkerschlacht wurde der 18. Oktotre“, galt der Vorgeschlagene als ausgeschlos- ber zum Festtag der Gesellschaft erhoben. Bei sen; die Auszählung der Stimmen erfolgte öf- den Geselligkeiten kreiste der Humpen und fentlich; Versammlungen fanden alle 14 Tage zahlreiche Trinksprüche wurden ausgebracht. Mittwoch Nachmittag gegen drei Uhr statt. (Um 1900 war nur noch der Vorsitzende beDementsprechend wurde der Gesellschafts- rechtigt, eine Rede zu halten und aus dem name in Mittwochsgesellschaft verändert. Um Humpen zu trinken.) Das bevorzugte Getränk jüngeren Mitgliedern eine Aufnahme in die der Festtage war der „Cardinal“, eine Mi771

13 Tischgesellschaften

schung aus „Franzwein“, „Rheinwein“ und „Champagner“, versetzt mit Ananas. Ein Höhepunkt war die Feier des 25-jährigen Regierungs-Jubiläums des Königs am 16. November 1822, bei der 58 Teilnehmer ihrem König das Gelübde unwandelbarer Treue erneuerten. In den 1820er Jahren wurden auch Sänger zu den Festen eingeladen; mitunter wurden Rosenstiels Toaste im Chor gesungen. Am 16. Februar 1828 wurde Rosenstiels 50-jähriges Dienstjubiläum von 77 Personen festlich begangen. Zum 25-jährigen Stiftungsfest erschienen nahezu alle Mitglieder (98 Personen, darunter 20 Gäste). Gemeinsam wurde die Natio­nalhymne gesungen. Mitglieder: a) Allgemeines: Die GG1 hatte unter ihren Mitgliedern mehrere Staatsbeamte, die an der Ausarbeitung der preußischen Reformen beteiligt waren. „Manche der 1808 neu errichteten fünf Ressortministe­ r ien bestanden bei ihrem damaligen geringen Geschäftsumfange zeitweise fast ausschließlich aus Mitgliedern der Gesellschaft, besonders waren sie stark vertreten im Finanzministerium“ (Soehlke, S. 22). Am ersten Verfassungsentwurf Hardenbergs waren die Mitglieder Schuckmann, Ancillon und Eichhorn unmittelbar beteiligt; Mitarbeiter im weiteren Sinne waren die Mitglieder v. Winterfeldt, Le Coq, v. Villaume, v. Raumer, v. Trützschler, v. Ladenberg, v. Reibnitz, Friccius, v. Pogwisch und Scheffer. An den Militärreformen waren General Graf Tauentzien v. Wittenberg, General v. Pirch, Generalleutnant v. Holtzendorf, v. Brause, v. Natzmer, v. Schmidt, v. Thile, v. Ende und Graf Nostitz beteiligt. Weiterhin gehörten Künstler wie Schadow und Rauch, Zelter, Carl Maria v. Weber und Karl v. Holtey der GG1 an. Besonders in den späteren Jahren waren unter den Mitgliedern viele Militärbeamte. Am 8. August 1820 zählte die GG1 93 in Berlin anwesende, davon 70 aktive Mitglieder, und man beschloss, dass künftig 75 das Maximum sein sollte, welche Zahl 1832 auf 80 „aktive oder 772

ordentliche“ Mitglieder erhöht wurde, wozu dann noch die Ehrenmitglieder kamen (1832 waren es acht). Im Jahr 1848 sank die Mitgliederzahl von 80 wirklichen Mitgliedern auf 58. Zur 100-Jahrfeier 1906 hatte die Gesellschaft noch 39 Mitglieder. – b) Direktoren: Menu v. Minutoli (1806 bis Aug. 1810); Friedrich Phi­ lipp Rosenstiel (Aug. 1810–1832); Paalzow (1832–1848); v. Drygalski, Kammergerichtsrat (1848–1855); Oberstleutnant Mohrenberg, Platzmajor bei der Kommandantur Berlin (1855–1870); Oberst a. D. v. Malinowski, früher Direktor der Haupt-Artillerie-Werkstatt in Berlin (1870–1873); Regierungsrat Boetticher, später vortragender Rat und Direktor im Ministerium des Königl. Hauses (1873– 1886); Geh. Oberregierungsrat Harder (1886 – nach 1906). – c) Einzelmitglieder bis 1815 (alphabetisch; in Klammern die Mitgliedschaftsnummer): Geh. Regierungsrat Alberti (24); Geh. Kabinettsrat Albrecht (57); Geh. Finanzrat (später Finanzminister) v. Altenstein (18); Prof. Ancillon (35); Geh. Justizrat v. Arnim-Heinrichsdorf (76); Landschafts-Direktor v. Below (70); Geh. Oberbergrat Graf v. Beust (73); Staatsrat Borsche (64); Generalmajor und Kommandant von Berlin v. Brauchitsch (80); Kammergerichtspräsident und Generalauditeur v. Braunschweig (42); v. Bredow, Rittergutsbesitzer auf Schwanebeck (63); Oberst v. Bronikowski (58); Kammerpräsident v. Bülow (55); Schlesischer Repräsentant Graf v. Carmer (72); Geh. Ober-Hofbuchdrucker Decker (47); Geh. Regierungsrat Delbrück (67); Landrat v. Dewitz (79); Generalleutnant v. Diericke (83); Staatsrat Graf zu Dohna-Wundlaken (48); Geh. Obersteuerrat Ferber (84); Geh. Regierungsrat Formey (61); Staatsrat Friese (41); Froriep (25); Oberberghauptmann Gerhard (62); Legationsrat Glaeser (39); General-Münzdirektor Goedeking (75); Polizeipräsident v. Gruner (33); Geh. Regierungsrat Baron v. Hagen (81); Kammerassessor Hecht (27); Geh. Hofrat und kgl. Leibarzt Dr. Heim (78); Kriegsrat Herff (1); Geh. Staatsrat v. Heydebreck (38); Landschafts-Di-

Die Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) / Die Zwanglose [GG1]

rektor (später Regierungspräsident) v. Hippel (59); Hofrat Hirt (14); Oberstleutnant v. Horn (53); Geh. Legationsrat v. Kamptz (85); Oberbergrat Karsten (23); Kammerherr Graf v. Kayserlingk (71); Major v. Kehler (68); Obermedizinalrat Klaproth (22); Geh. Obertribunalsrat Klein (37); Geh. Finanzrat v. Klewitz (6); Staatsrat (später Geh. Oberregierungsrat) Koehler (54); Geh. Justizrat v. Koenen (30); Obermedizinalrat v. Koenen (17); Regierungsrat v. Koenen (49); Geh. Legationsrat Küster (2); Staatsrat Dr. Langermann (43); Baron Lauer v. Münchhofen (82); Staatsrat v. Lavière (56); Major Graf v. Lottum (8); Kaufmann S. Mathis (36); Justizkommissar Mathis (60); Major Menu v. Minutoli (9); Geh. Obertribunalsrat Meyer (19); Stadtphysikus Meyer (26); Geh. Kriegsrat Müller (3); Geh. Legationsrat Nagler (15); Staatsrat Nicolovius (40); Geh. Regierungsrat Pistor (34); Stadtrat Poselger (69); Oberstleutnant v. Proeck (21); Geh. Finanzrat v. Quast (4); Oberbergrat Reil (44); Staatsrat Rosenstiel (16); Prof. Rudolphi (45); Geh. Finanzrat Sack (10); Prof. v. Savigny (46); Oberst Graf v. Schlieffen (50); Geh. Justizrat Prof. Schmalz (66); General v. Schoeler (77); Geh. Finanzrat v. Schöne (13); v. Schroeder (32); Geh. Staatsrat (später Innenminister) v. Schuckmann (65); Domdechant v. d. Schulenburg (12); Geh. Finanzrat Staegemann (29); Geh. Justizrat v. Steinersdorf (74); Staatsrat Süvern (51); Geh. Regierungsrat Uhden (11); Major v. Weitershausen (31); Geh. Finanzrat Wilckens (5); Geh. Regierungsrat Wilckens (7); Staatsrat Wloesner (52); Geh. Regierungsrat Wolf (20); Baumeister Zelter (24). – d) Gäste: Die GG1 wurde von vielen Gästen besucht, wobei diese jeweils von einem Mitglied eingeladen und eingeführt werden mussten. Zum 15-jährigen Stiftungsfest am 8. März 1821 wurde ein Fremdenbuch in rotledernem Einband gestiftet. Laut Rosenstiel hatte die GG1 vom 22. März 1806 bis zum 24. Februar 1821 1.960 Besucher. Nach Soehlke, der die Festschrift zum 100-jährigen Bestehen verfasste und dafür vielfältige Infor-

mationen und Erinnerungen älterer Mitglieder zusammentrug, soll auch der mit Minutoli befreundete Scharnhorst in der Gesellschaft als Gast verkehrt haben. 1813 werden folgende Gäste genannt, die wiederholt die Gesellschaft besuchten: Vincke, Oberpräsident von Westfalen; Oberpräsident v. Merckel; v. Jordan; Schadow; Rauch; Carl Maria v. Weber; Karl v. Holtey. Querverweise auf andere Vereine: Die GG1 erhielt 1809 eine Namensvetterin: die  Gesetzlose Gesellschaft Nr. 2. Beide Gesellschaften existierten mehrere Jahre mit dem gleichen Namen nebeneinander und hatten ihre Zusammenkünfte teilweise in den gleichen Lokalen; dazu gab es mehrere Parallelmitgliedschaften. Bei der Feier am 18. Oktober 1821 besuchte die GG1 die im gleichen Lokal tagende Gesetzlosen Gesellschaft Nr. 2, die ein „Punschbivoak“ arrangiert hatte (Soehlke, S. 45). „Weniger gut schien man mit der  Belle-Alliance-Gesellschaft zu stehen“ (Soehlke). Die GG1 bestand bis 1914, während die jüngere Gesellschaft noch heute existiert. – Zahlreiche Parallelmitgliedschaften bestanden mit der  Gesellschaft der Freunde der Humanität, dem  Montagsclub und dem  Schachclub. – Namensverwandte Gesellschaften: a) Die Zwanglose Gesellschaft in München, die 1837 gegründet wurde und bis heute besteht, beruft sich zwar nicht auf die Berliner Zwanglose, doch scheint die Namenswahl nicht zufällig erfolgt zu sein. Zwei der Gründer dieser Münchner spätromantischen Dichtergesellschaft, Franz von Elsholtz und Hans Ferdinand Maßmann, waren gebürtige Berliner. – b) Die am 22. Januar 1884 in Berlin gegründete Zwanglose Gesellschaft, eine Wochenkneipgesellschaft (auch Zwangloser Freitag genannt), hatte ihr historisches Vorbild in der hier beschriebenen 1806 gegründeten Zwanglosen Gesellschaft. – c) Die vom 2.9.1826 bis 1830 bestehende Zwecklose Gesellschaft in Breslau (Gründer war August Heinrich Hoffmann v. Fallersleben) hatte 773

13 Tischgesellschaften

die 1824 gegründete Berliner Mittwochsgesellschaft, nicht jedoch die Zwanglose, zum Vorbild. Als Parallele zur Zwecklosen Gesellschaft wurde im Frühjahr 1828 in Berlin von Wilhelm Wackernagel die Namenlose Gesellschaft gegründet. Bibliographie: 1) Archivquellen: Vereinsmaterialien (wie Protokollbücher, Präsenzbücher, Fremdenbücher, Briefwechsel) konnten bisher nicht ermittelt werden, obwohl es sie nachweisbar gegeben hat. – 2) Drucksachen:

Soehlke, Ernst: Die Zwanglose 1806–1906. [Berlin 1906]. [Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Gesellschaft; mit Mitgliederverzeichnis]. – 3) Forschungsliteratur: Dr. Metzel: Die Zwanglose 1806 bis 1906. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 23 (1906), Nr. 5, S. 57–61 [Rez. des vorigen Titels]. – Vom Bruch, Rüdiger: Die Stadt als Stätte der Begegnung. In: Kant, Horst (Hg.): Fixpunkte: Wissenschaft in der Stadt und der Region. Festschr. f. Hubert Laitko anläßlich seines 60. Geburtstages. Berlin 1996, S. 14–15.

Uta Motschmann

Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) [GG2] Name: Die Gesetzlose Gesellschaft zu Ber- von Lang­let, Unter den Linden 16, ständiges lin; Die Zweite Gesetzlose Gesellschaft; ab 29. Quartier, danach das Lokal von Aimée Unter März 1817: Gesetzlose Gesellschaft Belle-Al- den Linden 27, von 1895 bis 1909 das Grand liance; später wieder Die Gesetzlose Gesell- Restaurant Royal Unter den Linden 33, danach das Savoy-Hotel, Friedrichstraße 103, ab schaft zu Berlin. Gründung: 4. November 1809. 1913 das Hotelrestaurant Bellevue an der Ecke Bestand: Bis heute. der Bellevue- und damaligen Königgrätzer Zusammenkünfte: Die Treffen fanden in ver- Straße, ab 1916 bei Trarbach in der Kantstraße, schiedenen Berliner Lokalitäten statt, wobei ab 1923 im Landwehr-Offiziers-Kasino in der man zwischen Sommer- und Winterquartie- Jebensstraße, von 1924 bis 1936 (mit Unterren wechselte. Winterquartiere waren in den brechungen) wieder bei Trarbach in der Kantfrühen Jahren die Börsenhalle im Lustgarten, straße 8, danach bis zum Ende des Krieges in das Casino in der Charlotten-/Ecke Behren- den Weinstuben von Ewest in der Behrenstrastraße, bei Jagor Unter den Linden und spä- ße 26a, teilweise auch im Gardekavallerieklub ter für längere Zeit das Englische Haus in der in der Bendlerstraße und nach dessen ZerstöMohrenstraße. Die Sommerquartiere wa- rung im Klub von Berlin in der Jägerstraße 2–3, ren stets im Tiergarten, in Charlottenburg wo am 16. Februar 1945 zum letzten Mal ein im Türkischen Zelt oder in einem der zahl- Essen stattfand. Nach dem Krieg trafen sich reichen Lokale; manchmal wurde im Frei- die Mitglieder zuerst in ihren Privatwohnunen getafelt. Nach mehreren Wechseln fand gen; ab Oktober 1952 wurde das Restaurant man bei Kemper im Tiergarten eine länger des Schlosshotels Steglitz (das ehem. Gutshaus dauernde Stätte bis in die 1830er Jahre. Spä- Wrangels) zur neuen Versammlungsstätte und ter werden als Sommerquartiere noch „Gün- danach mit kleineren Unterbrechungen bis thers Odeum“ im Tiergarten und von 1852 bis heute das Restaurant Alter Krug in Dahlem. etwa 1875 „Kroll’s Etablissement“ im Tiergarten genannt. Dann fand kein Wechsel nach Programmzitat: „Durch eine seit mehreren den Jahreszeiten mehr statt. Von 1875 bis An- Jahren in Berlin bestehende gesetzlose Gesellfang der 1890er Jahre wurde das Restaurant schaft, welche aber von der Idee einer sol774

Die Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) [GG2]

chen noch in verschiedenen Punkten entfernt war, war im Winter 1809–10 bei einigen Personen die Ueberzeugung entstanden, daß auch sie zu einer gesetzlosen Gesellschaft gehörten, die sich nur noch nicht gesetzt habe, und welche bestimmt sei dem Ideal näher zu kommen. / Sie setzte sich hierauf am 4ten November 1809 vierzehn Personen stark. / Sie beschäftigte sich hierauf mit ihrer Vervollständigung, und fuhr damit fort so lange und so oft innere Regungen ihr kund thaten, daß in der großen Welt außer ihr geborne Mitglieder der Gesellschaft seien, die nur noch nicht anerkannt wären.“ „Gesetzlose Gesellschaften können nicht nur unendlich viele neben einander bestehen, sondern man kann auch unendlich vieler solcher Gesellschaften Mitglied zugleich sein, aus dem einfachen Grunde weil kein Gesetz vorhanden ist, wodurch ein Mitglied verbunden wäre, in irgend einer derselben zu erscheinen. Eben dieser Grund zerstört daher auch jeden Einwand, warum irgend jemand nicht Mitglied irgend einer solchen Gesellschaft sein oder werden könne. Ja selbst das Nichtwollen findet nicht statt; denn obige Gesellschaft zum Beispiel existirte, so wie die Idee davon in der Seele derjenigen sich vollendete die den Gedanken gefaßt hatten, und jedes Mitglied ist Mitglied, so wie die übrigen sich überzeugt haben daß er es ist“ (Buttmann: Pragmatische Statuten der gesetzlosen Gesellschaft, 4.11.1809). Geschichte und Programmatik: Die GG2, die ihren Namen von ihrer Statutenlosigkeit herleitete, war und ist bis heute eine reine Männergesellschaft. Sie war eine zwanglose (eben „gesetzlose“) gesellige Vereinigung, in der Vertreter verschiedener Berufskreise zum gemeinsamen Essen und zum Gespräch zusammenkamen. Als Gründungstag ist Sonnabend, der 4. November 1809 überliefert, als sich 14 Männer auf Initiative von Philipp Karl Buttmann trafen, um eine (zweite) „gesetzlose“ Tischgesellschaft in Berlin zu gründen.

Es war die Zeit der preußischen Reformbestrebungen. Seit knapp einem Jahr war die Hauptstadt frei von der französischen Besatzung. Man hoffte auf die Rückkehr des Königs in seine Residenz, die kurz vor Weihnachten auch erfolgte. Buttmann galt als der rechte Mann für eine durch menschlich-harmonische Beziehungen geförderte und durch vaterländische Empfindungen gehobene Geselligkeit. Er wurde erster „Zwingherr“ der Gesellschaft. Obwohl es bereits eine drei Jahre zuvor gestiftete  Gesetzlose Gesellschaft gab, war Buttmann der Meinung, sie wäre „von den Ideen einer solchen noch in verschiedenen Punkten entfernt“. Er war gesetzlos genug, seiner neuen Gesellschaft den gleichen Namen zu geben – mit dem Erfolg, dass sich die ältere sehr bald Gesetzlose Gesellschaft Nr. 1 nannte und 1826 endgültig in die  Zwanglose umtaufte. Die „Gesetzlosigkeit“ ging so weit, dass eine vielfache Mitgliedschaft bei allen diesen Vereinigungen häufig zu verzeichnen war. Buttmann war der Mittelpunkt des Kreises, ein Meister echter Geselligkeit. An seinen Geist und Witz scheint keiner der Vorsitzenden der übrigen Gesellschaften dieser Zeit herangereicht zu haben. Bis Ende 1810 konnte er eine illustre Gesellschaft um sich versammeln. Ihre Mitglieder verfolgten beruflich vielfältigste Interessen und waren bestrebt, lebhaften Gedankenaustausch zu pflegen, fern von den „Schranken der Convenienz, des eit­ len Luxus, der persönlichen Ab-, An- und Rücksichten, welchen unsere bürgerliche und häusliche Geselligkeit fast erliegt“, wie es ein späterer „Gesetzloser“ formulierte. Patriotisches Empfinden und ungezwungene Unterhaltung, verbunden mit regelmäßigen Tafelfreuden, waren das einigende Band. Schweren Belastungen war die GG2 durch die Karlsbader Beschlüsse 1819 und die Demagogenverfolgungen ausgesetzt, da zahlreiche Mitglieder wie de Wette, Schleiermacher und Reimer direkt davon betroffen waren. Da auch reaktionäre Verwaltungsbeamte der GG2 angehörten, führte dies zu erheblichen Spannungen. 775

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Der Direktor im Justizministerium v. Kamptz Die Zahl der aktiven Mitglieder der GG2 wurde „ins Gesetz erklärt“, was die Streichung, war im Laufe ihrer 200-jährigen Geschichden Austritt aus der Gesetzlosigkeit bedeute- te starken Schwankungen unterworfen. Heute. Heinrich v. Treitschke hat der GG2 in sei- te vereint die Gesellschaft politisch und wisner Deutschen Geschichte im neunzehnten Jahr- senschaftlich unterschiedlich denkende und hundert (1879 ff.) ein Denkmal gesetzt „als ei- handelnde Menschen zu einem regelmäßiner Stätte großstädtischer Geselligkeit“, in der gen gedanklichen Austausch. Sie kennt keine zur Zeit der Demagogenverfolgungen „geist- schriftlich fixierten Regeln und keinen Mitreiche Menschen verschiedener Gesinnung gliedsbeitrag und stellt es ihren Mitgliedern noch einen neutralen Boden für ungezwun- frei, ob sie regelmäßig zu den monatlichen genen Verkehr“ finden konnten. Einen Auf- Treffen erscheinen. schwung erlebte die GG2 1840 mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. Prä- Struktur und Organisation: Die GG2 begend wurden nun der Philologe Lachmann saß zwar keine Satzung im eigentlichen Sinne, und der Jurist Homeyer, wie überhaupt bis praktizierte aber von Anfang an bestimmte 1847 fast alle Rektoren der Berliner Universi- Aufnahmeregeln und Kommunikationsfortät zu den Mitgliedern zählten. Mit insgesamt men und war hierarchisch gegliedert. Diese über 230 Mitgliedern erreichte die GG2 um „Pragmatischen Statuten“ waren vom Stifter 1840 ihre Blütezeit, danach halbierte sich der ganz „buttmannisch“ zusammengestellt worBestand bis 1869. Nach 1870 setzte ein noch den. Die Verfassung keiner anderen Geselldramatischerer Schrumpfungsprozess ein. Das schaft hat dabei als Muster gedient. InteresGewicht der Verwaltungsjuristen und Rich- sant ist, dass Buttmann, dem Schleiermacher ter nahm zu, während andere Gruppen, auch eine „fast ängstliche bürgerliche Gesetzlichdie der Professoren, seit der Jahrhundertmit- keit“ nachsagte (Klenze, S. 11), hier der Gete zurückgingen (vgl. v. Bruch). Auch in der setzlosigkeit das Wort redete und sie zugleich Folgezeit trafen in der GG2 liberale Vereins- wieder in gesetzmäßige Bahnen verwies, also mitglieder wie August v. Bethmann Hollweg, die Gesetzmäßigkeit der Gesetzlosigkeit proGeorg Reimer, Mommsen, Droysen und Be- klamierte. Buttmann ging von dem Gedanseler und streng konservative Mitglieder zu- ken aus, dass es an sich in Berlin und sonst sammen. Neue Impulse erhielt die GG2 erst zahlreiche, wie er sich ausdrückte, „geborewieder unter dem „Zwingherrn“ Hempten- ne“ Mitglieder der Gesellschaft gäbe, die im macher 1900 bis 1915, ohne jedoch an die Zustand der Gesetzlosigkeit lebten, nur noch überaus gesprächsfrohe Gründungszeit an- nicht als Gesetzlose „anerkannt“ wären. Bei schließen zu können. Fortan dominierten solcher Konstruktion kam er dennoch nicht Verwaltungsjuristen, führende Männer der um die Frage einer Prüfung der Kandidaten Wirtschaft und Minister die zunehmend ex- herum, die anerkannt werden sollten, d. h. klusiver werdende Gesellschaft. „In der Wei- mit seinen Worten, um „die äußeren Formen marer Zeit setzt sich die zuvor schon signi- von dem, was man gemeinhin Vorschlag und fikante Überalterung fort: vor allem pensio- Wechsel heißt“. Ein Kreis von 13 durch Abnierte Beamte und Militärs trafen sich 14täg- stimmung ermittelte „Vorwähler“ übernahm lich sonnabends, der politische Bogen reicht eine erste Durchsicht zwecks Vorschlag. Sie von der äußersten Rechten bis zur Deutschen bildeten, von Buttmann auch scherzhaft-iroVolkspartei“ (v. Bruch). Während des Natio- nisch als „Kurfürsten“ oder „Wahlherren“ nalsozialismus habe sich keiner „aus unserem bezeichnet, einen, wie er es nannte, „WohlKreise zum Tausendjährigen Reich bekannt“ fahrtsausschuß“. Mindestens bis Anfang der (Hoppe, S. 112). 1870er Jahre hat sich eine solche Vorwahl er776

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halten, damals allerdings nur noch von sechs angeblichen Gesetzlosigkeit waren der GeWahlherren geübt. Bei der folgenden eigent- sellschaft in ihrem äußeren Gepräge doch belichen Wahl schloss eine Nein-Stimme unter stimmte Formen gegeben, an denen Buttzwölf Mitgliedern die „Anerkennung“ aus. mann nicht rütteln ließ. Er konnte hier mit „So oft die Mitteilung einer solchen Anerken- einem „liebenswürdigen Despotismus“ diktanung an ein bisher noch unbekanntes Mit- torisch werden. Ein Gesetzloser reimte darüglied ergeht“, heisst es in den „Statuten“ wei- ber in einem Festgedicht von 1817, auf Politer, „so verbittet man sich von jedem die et- tisches anspielend: waige Verweigerung als eine bare Absurdität. Mit glattenWorten sahn wir uns erst angekörnt Jeder hat von dem Augenblick an das Recht, [= angelockt], alle 14 Tage an dem jedesmal von der GesellEs sei gesetzlos hier und jeder Zwang entfernt: schaft gewählten Ort mit soviel Gästen, als er Die Konstitution bestand in wenig Sätzen. will, aus der Zahl der noch nicht anerkannDoch, ach, sie schützte nicht vor souveränen ten Personen zum Mittagessen sich einzufinNetzen. den. Er kann dies jedesmal tun; er kann es Sie hatten uns umstrickt in unbesorgter Ruh: immer unterlassen“. Damit war also, wie es Urplötzlich zog er sie mit schlauen Händen zu. der noch zu Buttmanns Zeit (1823) zur GeWir mußten männiglich nach seiner Pfeife sellschaft gestoßene Professor der Rechtstanzen: Traktate schloß er ab und neue Allianzen. gelehrtheit Klenze einmal ausdrückte, jeDie Konstitution ward jämmerlich verdreht, dem Anerkannten der character indelebilis Und übers Recht errang den Sieg die Majestät. eines Gesetzlosen verliehen. Ganz ausscheiKurz: er ward Souverän. Doch wollen wir ihn den konnte nach Buttmanns Ansicht ein einrühmen mal Anerkannter überhaupt nicht. Es blieb Und halten ihn getrost für einen Legitimen. immer die Möglichkeit, dass jemand „wieNaturgang will es so: verehrte Gönner, glaubt, der zu sich und zu uns“ kam. Bezeichnend Ein Körper wird zum Rumpf, beseelt ihn nicht ist eine Protokoll-Eintragung Buttmanns zu ein Haupt. Mitgliedern, „welche sich ausgeschlossen haben, aber zum Wiedereintritt stets eingeladen Unabdingbar war und blieb die Regelmäßigsind“. Mit keinem Wort erwähnen die „Sta- keit der Versammlungen. Sie fanden in Form tuten“ irgendeine Leitung der Gesellschaft, einer Tischgemeinschaft alle 14 Tage sonnda ein Oberhaupt einer Vereinigung von Ge- abends statt. Man kam im allgemeinen um 15 setzlosen geradezu widersprach. Dennoch Uhr zusammen, manchmal auch erst abends. gab es in der Praxis dieses Oberhaupt. Es er- Den Protokollbüchern entsprechend sind nur gab sich fürs erste von selbst, dass kein ande- wenige Zusammenkünfte ausgefallen. In der rer als der Stifter Buttmann der Tafel präsi- Woche vor der jeweiligen Tafel trug ein Bote dierte. Von selbst mag sich bei seinem dik- bei den Mitgliedern ein Blatt umher, das der tatorischen Wesen und der überlauten Stim- „Zettelschreiber vulgo Tyrann“ mit Angame der Name „Zwingherr“ ergeben haben. be von Ort und Zeit ausgefertigt hatte. DaEr kam, wie es scheint, in frühester Zeit auf rauf schrieb jeder unter gleichzeitiger Zahund ist bis heute für den an der Spitze Ste- lung von einem Groschen Courant als Botenhenden geblieben. Dagegen sind die beiden lohn seinen Namen, entweder in die Spalte anderen, in Buttmann’scher Zeit verwandten Aderunt (werden da sein) oder Viderunt (geBezeichnungen „Tyrann“ (er selbst nannte sehen). Buttmann pflegte demnach die Mitsich nie anders) und „Padischah“ (islamischer glieder unter Verballhornung der lateinischen Fürstentitel = Großherr) nicht in den Sprach- Ausdrücke in aderuntes und videruntes zu schatz der Gesetzlosen eingegangen. Bei aller teilen. Man hat, abgesehen von bestimmten 777

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Abb. 142  Auszug aus dem Protokollbuch der GG2, Eintrag vom 31. März 1810.

Kriegsmonaten des Jahres 1813, die in den Protokollbüchern als „frugale Zwischenperiode“ verzeichnet ist, bei einer in den Statuten festgelegten Summe von einem Reichstaler für den Speisensatz gut getafelt. „Alles übrige“, heisst es in den Statuten weiter, „wird 778

mit dem Wirt und der eigenen Börse verabredet“. Jedes Mitglied konnte Gäste mitbringen, die in den Protokollbüchern eingetragen wurden. In der frühen Zeit wurde davon reger Gebrauch gemacht. Vorträge wurden bei den 14-tägigen Zusammenkünften nicht ge-

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halten, vermutlich wurde aber häufig gesun- mit den Worten aus: „Heil Dir, dem herzgen. Bei den Stiftungsfeiern trug der „Zwing- haften Gründer dieser Genossenschaft. Buttherr“ Festreden vor, und es ist von weiteren manns, des vielgeliebten Erztyrannen, Anlaunigen Beiträgen anderer Mitglieder auszu- denken lebe immerdar unter uns hoch!“ gehen. Nichts davon wurde jedoch protokolliert. Zahlreiche patriotische Feiern vereinte Mitglieder: a) Der Stifter und erste „Zwing­ die Gesetzlosen und ihre Gäste: am 18. Ok- herr“: Der aus Frankfurt a. M. stammende tober 1814 zur Feier der Schlacht bei Leip- Kaufmannssohn und Altphilologe Philipp Karl zig, am 18. Juni 1816 zur Feier von Belle-Al- Buttmann, bei Gründung der GG2 45 Jahren liance, am 30. und 31. März 1818 zur Feier alt, galt in der Hauptstadt als witziges und der Tage vor und in Paris, am 2. Mai 1818 zur schlagfertiges Original. „Witzboldkönig“ hat Feier von Groß-Görschen, am 18. Juni 1818 ihn sein Freund Schleiermacher auf dem Buttvon Belle-Alliance, am 17. Oktober 1818 von mann-Pokal genannt. Der Anekdoten über Leipzig, am 30. und 31. März (durchgehend) ihn sind viele; sie lassen einen Mann von unzur Erinnerung an die Vorgänge bei Paris, am gewöhnlichem Geist und überquellendem 18. Juni 1819 für Belle-Alliance, am 18. Okto- Humor erkennen. Seine Vorfahren waren aus ber 1819 und am 19. Oktober 1822 für Leip- Glaubensgründen aus Südfrankreich in die zig. Aus Anlass des 25-jährigen Stiftungsfestes Pfalz und in die alte Reichsstadt Mainz ausgewurde beschlossen, den 4. November, den ei- wandert. Ihren Namen Boudemont hatten sie gentlichen Stiftungstag, zu ignorieren und da- aufgegeben. In „Schmollberg“ hat ihn der für die Feier auf den 5. Dezember, Buttmanns Nachfahre scherzhaft verdeutscht. Buttmann Geburtstag, zu verlegen, da Buttmann es ge- arbeitete zuerst als Hilfsarbeiter an der in Neuwesen sei, „der in den mitgeteilten Statuten ordnung befindlichen Königlichen Bibliothek die gesetzlose Gesellschaft wie eine unsichtba- in Berlin. 1796 wurde er Bibliothekssekretär, re Kirche behandelte, deren Glieder nicht ei- ist aber über den später erreichten Posten eines gentlich von menschlicher Wahl und Aufnah- Bibliothekars nie hinausgekommen; schlug me abhängig wären, sondern bloß anerkannt selbst eine entsprechende Karriere aus. Auch zu werden brauchten, um die Mitgliedschaft als Lehrer am Joachimsthalschen Gymnasium wie einen character indelebilis durch das gan- hat er sich neben dem bibliothekarischen Amt ze Leben an sich zu tragen“. Buttmann habe vorübergehend (1800 bis 1809) betätigt. Ebenzugleich „die Teilnahme an dieser Gesellschaft so hat er nebenamtlich zeitweilig die Haudeals eine Art von Bedingung zu einem ruhi- und Spenersche Zeitung redaktionell betreut. gen Tode“ angesehen (Klenze, S. 5–6). Zu sei- Als renommierter Graecist wurde er 1806 in nem Geburtstag am 5. Dezember 1817 erhielt die philologisch-historische Klasse der AkadeButtmann einen silbernen „Zwingherrn-Be- mie der Wissenschaften aufgenommen, deren cher“, der jahrzehntelang, noch nach Butt- ständiger Sekretar er 1811 wurde. 1810 gehörmanns Tod, benutzt wurde (er gilt heute als te er der Einrichtungskommission der Uniververschollen). Jährlich wurde mit Gästen das sität an. Einen ordentlichen Lehrstuhl hat er Stiftungsfest gefeiert. Am 17. Dezember 1859 nie innegehabt. – Buttmann wurde in der fand die Feier zum 50. Gründungstag der Ge- GG2 manchmal als „Römischer Kaiser“, sellschaft statt. Wie der damalige Zwingherr, „Großsultan“ oder „kommandierender GeneKarl Gustav Homeyer, bei der Feier verkün- ral“ bezeichnet; immer war er der „unbedete, gab man als „einzige kunst- und prunk- schränkte und willig anerkannte Selbstherrlose Festgabe“ ein Verzeichnis der bis dahin scher und Zwingherr“, „das lebendige Gesetz 302 Mitglieder heraus. Beim Festmahl kreis- der Gesetzlosen“ (Klenze, S. 8). Am meisten te der Buttmann-Becher, und die Feier klang wirkte er durch „die frische erquickliche und 779

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durch kein pädagogisches Messer gestörte Eigenthümlichkeit seines Wesens“, so fasste es sein Vereinsgenosse Klenze (S. 11) zusammen. Buttmann ist in den verschiedensten Kreisen geachtet worden. Ihm entgegengesetzte Charaktere zogen ihn besonders an. Die Schwächen seiner Freunde habe er nie verschont; er habe aber auch niemals verletzend gewirkt. Sein beißender Witz, gepaart mit meisterhafter Sprachbeherrschung und Schlagfertigkeit, habe der Geselligkeit die rechte Würze gegeben, wirkte erzieherisch und diente dazu, sich „eine weichliche und schwächliche Empfindlichkeit“ abzugewöhnen (Klenze, S. 9). – b) Allgemeines: Die 14 Personen, die den ältesten Stamm bildeten, standen den preußischen Reformern nahe; sieben waren Gelehrte und Theologen, darunter Schleiermacher, der ein Jahr zuvor an die Dreifaltigkeitskirche berufen worden war. Daneben standen drei hohe Beamte, ferner ein Arzt, ein Justizrat und ein Bankier. Auch die letzten beiden hatten engste Beziehungen zu dem Gelehrtenkreis: der Justizrat und „expedierende Kammergerichtssekretär“ Spalding als Bruder, der Bankier Alberthal als Stiefsohn des Professors Spalding. Alle Mitglieder des ältesten Stammes waren in den Dreißiger oder Vierziger Jahren. Mehrere Mitglieder verließen bald Berlin, wie der Diakonus von St. Marien und spätere Professor in Breslau, Gaß, oder Heindorf. Andere starben schon 1810 oder unmittelbar darauf: der Staatsrat Karsten, Leiter des preußischen Bergwesens, „der Gesellschaft bitter beweinter Erstling“, wie Buttmann im Protokoll vermerkte; der Philologe Spalding und der Botaniker Willdenow, der Direktor des Botanischen Gartens. In der GG2 verblieben der vielbeschäftigte praktische Arzt Dr. Heinrich Meyer, Hausarzt manches Gesetzlosen, und namhafte Gelehrte wie der spätere juristische Professor Goeschen, der Astronom Ideler, der Geheime Kriegs- und spätere Staatsrat Alberti, ferner der Kammergerichtsrat Conrad Barthold Müller. Er ist der erste in der Reihe der Räte des Kammergerichts und auch Obertribunals, die sich 780

Abb. 143  Philipp Karl Buttmann; Kupferstich von Löwe, 1808.

bald als Mitglieder und als Gäste einfanden. An den Kreis der Gründer schlossen sich bis Ende 1810 35 Personen an. Die Zahl spricht für die Anziehungskraft der Gesellschaft. Einige Ältere waren jetzt darunter, wie der 61-jährige Bibliothekar Biester, der 52-jährige Zelter, der Leiter der Sing-Akademie, der 63-jährige stadtbekannte Arzt Heim und der 51-jährige Reformer des preußischen Medizinalwesens Reil. Weitere Gelehrte von Rang kamen hinzu: der Geologe Leopold v. Buch, bis zu seinem Tode im Jahre 1853 eines der treuesten Mitglieder; der Physiker Erman, der Jurist v. Savigny, der Archäologe Hirt, der Mathematiker Tralles. Weiterhin der Direktor des Werderschen Gymnasiums Bernhardi und ein Theologe aus der Familie der Delbrück. Wie im ältesten Stamm haben Geistliche fortan bis in die 80er Jahre nie gefehlt. Für die weitere Entwicklung war es von Bedeutung, dass neben der Gelehrtenschicht sich im Jahre 1810 zwei Gruppen hoher Verwaltungsbeamter dem Gründungsstamm anschlossen. Die eine

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bestand aus mehreren Mitarbeitern Hardenbergs in der sogenannten Immediatkommission für die Zivilverwaltung, also aus Männern, die an dem Hauptsitz des staatlichen Reformwesens wirkten: der Geheime Staatsrat v. Klewitz, später preußischer Minister der Staatsfinanzen; Niebuhr, der Verfasser der Römischen Geschichte; und Staegemann, der später die Leitung der GG2 übernimmt. Daneben steht eine zweite Gruppe von Verwaltungsjuristen mit Wilhelm v. Humboldt, Chef des Departements für Unterricht und Kultus, und einigen seiner Räte. Zu ihnen gehörten der Staatsrat (Vortragende Rat) Friedrich Schultz; der Staatsrat Wilhelm Süvern; sein Kollege, der Königsberger Nicolovius; und der Staatsrat Uhden, alle waren Mitglieder der Einrichtungskommission der Universität; wie auch der Kammergerichtsassessor Eichhorn, bald Syndikus der Universität und späterer Kultusminister. Weitere Mitglieder waren der Staatsrat Kunth, der frühere Erzieher der Brüder Humboldt; der 32-jährige Polizeidirektor Justus Gruner, einer der glühendsten preußischen Patrioten und Napoleonhasser; der Kammergerichtsrat Friedrich Wilhelm Sack; der Generalintendant der Domänen und Forsten Peter Alexander v. Itzenplitz auf Cunersdorf bei Wriezen und der eben erst aus seiner Münsterschen Heimat nach Berlin gekommene Johann Heinrich Schmedding, damals Vortragender Rat für die katholischen Kirchensachen in der Kultusabteilung des Innenministeriums. Auch Künstler traten in der Gründungszeit der GG2 bei: der Direktor des Nationaltheaters Iffland, über den Buttmann jedoch ins Protokollbuch eintrug: „Kam nie und starb doch“. Der Porträt- und Historienmaler Friedrich Bury wurde von Buttmann mit der Notiz bedacht: „Nirgends zu Hause“. Er wird später noch einige Male als Gast, auch als „gewesenes Mitglied“ genannt und scheint nur anfangs in der GG2 anwesend gewesen zu sein. Anders dagegen der Baumeister Heinrich Gentz, Professor der Bauakademie und Leiter der Schlossbaukommission, der bis zu seinem

Tod 1811 aktives Mitglied blieb. Hinzu kamen zwei Vertreter des Bergfaches, v. La Roche und Gerhard, ein Bankier Brüstlein und der Buchhändler Georg Andreas Reimer. Gering vertreten war der Adel. Von den bis Ende 1810 eingetretenen 35 Mitgliedern gehörten ihm nur sieben an. Die ersten Militärs in der Gesellschaft waren der Direktor der Kriegsschule Oberst v. Boguslawski (1812), und der Generalmajor v. Grolmann (1814). 1816/17 kam eine erhebliche Anzahl von Offizieren hinzu, u. a. v. Hüser, v. Pfuel, Rühle v. Lilienstern, v. Wolzogen, v. Röder, v. Schöler, Leo v. Lützow, v. Witzleben, v. Hedemann, v. Gerlach, v. Brandenstein, v. Below, v. Bardeleben, Gneisenau und die Generalstabsärzte Rust und v. Wiebel. Bis 1859 „gab die Gesellschaft dem Heere und nahm aus ihm 41 Generale“. In der Gründungszeit trat eine große Zahl von Universitätsprofessoren bei, weshalb die Gesellschaft auch das „Professorenkränzchen“ genannt wurde; daneben finden sich Beamte, die später zahlenmäßig überwiegen. Zu allen Zeiten sind höhere Ministerialbeamte aus den Zentralbehörden und aus der Diplomatie, Provinzialbeamte und Offiziere vertreten. 1851 gehörten der Gesellschaft elf Minister an. Dazu gesellten sich Künstler und Wissenschafter wie die Dichter Achim v. Arnim (1813) und E. T. A. Hoffmann (1820–22), die Maler Karl Begas (1827), Peter v. Cornelius (1843), Wilhelm Wach (1826), Johann Erdmann Hummel (1813), Samuel Rösel (1822), der Architekt Schinkel (1817), die Bildhauer Rauch (1818) und F. Tieck (1820), der bereits oben genannte Musiker Zelter (1809/10), der Schauspieler Iffland (1809/10), die Buchhändler G. A. Reimer (1809/10) und Besser (1842); die Kunstkenner und -pfleger Waagen (1823) und Ignaz v. Olfers (1829); der Philosoph Solger (1811), der Anatom Rudolphi (1812), der Astronom Encke (1826), der Zoologe Lichtenstein (1811), der Mineraloge Weiß (1811), der Botaniker Link (1816), die Bürgermeister Büsching (1811) und v. Bärensprung (1814). Fichte hat die Gesellschaft nur einmal als Gast 781

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besucht, im Februar 1811, eingeführt von Heindorf. Ein Eintrag vom 31.10.1818 zeigt, dass Hegel, der wenig später selbst Mitglied wurde, bald nach seiner Übersiedlung nach Berlin (Sept. 1818) von Schleiermacher eingeführt wurde (vgl. Arndt). – Frauen sind bislang weder als Mitglieder noch als Gäste aufgeführt. [Dieser Teil folgt in wesentlichen Punkten der von Willi Hoppe verfassten Festschrift zum 150-jährigen Bestehen der Gesellschaft sowie anderen Festschriften.] – c) Die „Zwingherren“ (Direktoren): 1. Philipp Karl Buttmann (1809–1829); 2. Friedrich Baron Eichler v. Auritz (1829); 3. Friedrich Schleiermacher (1829–1834); 4. Friedrich August v. Staegemann (1834–1840); 5. Karl Lachmann (1840– 1851); 6. Karl Gustav Homeyer (1851–1874); 7. Lauchlan MacLean (1874–1879); 8. Gustav Homeyer (1879–1894); 9. Hermann Riem (1894–1899); 10. Eduard Droop (1900–1904); 11. Theodor Hemptenmacher (1904–1912); 12. Justus Hermes (1912–1915); 13. Fritz Timann (1915–1931); 14. Friedrich Schrader (1932–1937); 15. Carl Semper (1937–1948); 16. Hans v. Meibom (1948–1960); 17. Fritz Mussehl (1960–1962); 18. Ferdinand Frhr. v. Nordenflycht (1962–1966); 19. Rudolf Weber-Lortsch (1966–1976); 20. Konrad SchmidtTorner (1976–1990); 21. Olaf Bergmann (1990–2002); 22. Herbert Voß (seit 2002). – c) Einzelmitglieder bis 1815 (alphabetisch, in Klammern das Eintrittsjahr): Alberthal, Bankier (1809, Gründungsmitglied); Alberti, Staatsrat (1809, Gründungsmitglied); Ludwig Achim v. Arnim (1813); Balan (1814); v. Bärensprung (1814); I. Bekker (1813); Bernhardi (1810); Biener, Prof. der Rechte (1811); Biester (1810); Boeckh (1811); v. Boguslawski (1812); Brüstlein, Bankier (1810); Leopold v. Buch (1810); Bury (1810); Büsching (1811); Buttmann (1809, Stifter); Gaß, Konsistorialrat (1809, Gründungsmitglied); v. Grolman, kommandierender General in Posen (1814); Delbrück, Prinzenerzieher (1810); Graf DohnaWundlaken (1811); C. Fr. Eichhorn, Geh. Oberjustizrat (1811); J. A. Eichhorn, Staatsminis782

ter (1810); Erman, Prof. (1810); Gentz, Kriegsrat (1813); Genz, Prof. an der Bauakademie (1810); Gerhard, Oberberghauptmann (1810); Göschen (1809, Gründungsmitglied); Justus v. Gruner, Staatsrat (1810); Hainchelin, Kriegsrat (1810); Heim (1810); Heindorf (1809, Gründungsmitglied); Himly (1810); Hirt (1810); W. v. Humboldt (1810); Hummel (1813); Ideler, Astronom (1809, Gründungsmitglied); Iffland (1810); Illiger, Prof. der Naturgeschichte (1811); v. Itzenplitz (1810); Karsten, Staatsrat (1809, Gründungsmitglied); v. Klewitz, Staatsminister u. Oberpräsident (1810); v. Könen, Geh. Obermedizinalrat (1810); Körner, Geh. Oberregierungsrat (1815); Kunth (1810); v. La Roche (1810); Lichtenstein (1811); Marheineke (1811); Heinrich Meyer, Arzt (1809, Gründungsmitglied); Müller, Wirkl. Geh. Rat (1809, Gründungsmitglied); Nicolovius (1810); Niebuhr (1810); Reil (1810); v. Rhediger, Staatsrat (1811); Poselger (1811); Reimer, Buchhändler (1810); Ritschl (1814); Rudolphi (1812); Rühs (1811); Sack (1810); v. Savigny (1810); Schleiermacher (1809, Gründungsmitglied); Schmedding (1810); Conrad Schneider, Prof. (1813); C. L. F. Schultz, Staatsrat (1810); Simon, Justizkommissar (1814); Solger (1811); Spalding (1809, Gründungsmitglied); G. L. Spalding (1809, Gründungsmitglied); v. Staegemann (1810); Süvern (1810); Tralles (1810); Uhden, Geh. Oberregierungsrat (1810); de Wette (1811); Weiß, Prof. d. Mineralogie (1811); Willdenow (1809, Gründungsmitglied); Wlömer (1814); Prof. Woltmann (1812); Zelter (1810). – d) Gäste: In der Zeit von März 1810 bis Dezember 1820 waren in der Regel zwei bis sieben Gäste anwesend; insgesamt mehr als 1.400 Gäste. Es handelte sich oftmals um Verwandte, besonders Söhne, die später selbst Mitglieder wurden; weiterhin waren es Schwiegerväter und Schwiegersöhne, Kollegen, besonders auswärtige Universitätsprofessoren (u. a. der Astronom Bessel (1819), der Archäologe Welcker (1815), der Naturforscher Oken (1811), der Germanist Jacob Grimm (1840), Leopold Ranke (1825; später Mitglied), aus-

Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) [GG2]

wärtige Buchhändler (Brockhaus und Hirzel ders Schleiermacher. Die „Griechheit“, wie aus Leipzig; Perthes aus Hamburg, Schwetsch- sie sich auch nannte, gab bei dem ernster Arke aus Halle, Cotta aus Stuttgart, Frommann beit folgenden einfachen Mahl der Unteraus Jena) und deren Schriftsteller. Desweiteren haltung Raum, aber Buttmann mochte doch der Kapellmeister J. F. Reichardt, Clemens eine Stätte heiterer, ausschließlich mit TafelBrentano (1817), A. W. Schlegel (1827), Carl freuden verbundener Geselligkeit erwünscht Maria v. Weber (1816), Chamisso, Wilhelm erscheinen. – Die GG2 hatte einen ähnlichen Müller, Willibald Alexis und Günther v. Gö- Charakter wie der 1749 gegründete  Moncking (1820). Am 15. Mai 1819 war August tagsclub, war allerdings mehr als dieser mit pavon Goethe anwesend. Ein häufiger Gast war triotischen Reformbestrebungen verknüpft. Ernst Moritz Arndt, über den es in der Fest- – Starke personelle Überschneidungen gab schrift von 1909 heißt: „Niemand ist wohl es mit der 1797 gegründeten  Gesellschaft häufiger mitgebracht [worden] als Ernst Mo- der Freunde der Humanität. Während Buttritz Arndt von Eichhorn, Reimer u. a.“ mann nach Gründung der GG2 nach langjähriger Mitgliedschaft aus dem Montagsclub Querverweise auf andere Vereine: Seit 1806 austrat, wurde er erst während seiner Zeit als existierte in Berlin bereits eine Gesetzlose Ge- Zwingherr, im September 1812, Mitglied der sellschaft, die sich zur Unterscheidung von ih- Humanitätsgesellschaft und blieb dort bis März rer jüngeren Namensvetterin dann  Ge- 1826. – Auch die seit 1800 existierende, nasetzlose Gesellschaft Nr. 1 und ab 1826 Die turwissenschaftlich orientierte  PhilomaZwanglose nannte. Beide Tischgesellschaften tische Gesellschaft hatte unter ihren Mitglieverfolgten ähnliche Zwecke, existierten to- dern Gesetzlose. Buttmann, der von Anfang lerierend bis freundschaftlich nebeneinander an aktives Mitglied war und zahlreiche Vorund nutzten teilweise die gleichen Lokalitä- träge hielt, trat letztmalig im Mai 1811 mit eiten, allerdings, da beide jeweils 14-tägig tafel- nem Vortrag in Erscheinung. – Die Mitglieder ten, an unterschiedlichen Sonnabenden. Bei der seit 1815 bestehenden  Eichlerschen Geden Mitgliedern gab es mehrere Parallelmit- sellschaft, die sich, nach Buttmann, durch eigliedschaften. Die GG2 scheint jedoch at- nige gemeinsame Probemahlzeiten „zur Getraktiver als die ältere Gesetzlose gewesen zu setzlosigkeit gebildet hatten“, wurden bei der sein, „zumal die Fühlung mit der politischen Zusammenkunft am 29. März 1817 in einer Entwicklung weit intensiver sich hier nieder- spontanen Aktion „sämmtlich der gesetzloschlug“ (v. Bruch). – Buttmann gilt ebenfalls sen einverleibt; sie wuschen vor aller Augen als Gründer der älteren  Graeca, jenes die allen ihren noch anklebenden Wust von GeLektüre vornehmlich griechischer Schriftstel- setzlichkeit durch vielen Wein ab, und beiler pflegenden Kreises. Von der Graeca gehen de Gesellschaften bilden nunmehro die Geoffensichtlich Fäden zur GG2. Den Kern der sellschaft Belle-Alliance“. Die Verbindung Graeca bildeten drei Gelehrte, die zugleich mit der Eichlerschen Gesellschaft führte zu eizum Stamm der GG2 gehörten, neben Butt- ner Bereicherung der GG2 an Mitgliedern, mann seine beiden intimsten Freunde Prof. besonders hochrangigen Militärs, und hinGeorg Ludwig Spalding vom Grauen Klos- terließ „Spuren kriegerische[n] Geistes, die ter, ebenfalls Akademiemitglied, und Ludwig Buttmann vermochten unsre Wanderungen Friedrich Heindorf, damals Kollege Spaldings zu Kempers Garten als Feldzüge, die Mahlzeiam Gymnasium, später Professor an den Uni- ten als Schlachten zu behandeln. Jeden 18ten versitäten Berlin, Breslau und Halle. An die- Juni wurde Belle-Alliance, jeden 18ten Oktose Trias reihten sich andere, denen man auch ber wurde Leipzig nochmals, wie Buttmann in der Frühphase der GG2 begegnet, beson- sich ausdrückte, geschlachtet, und um das er783

13 Tischgesellschaften

götzliche Bild anschaulich zu machen, be- – Hoppe, Willy: Die Gesetzlose Gesellschaft stand er immer darauf, daß wo möglich im zu Berlin. Gegründet am 4. November 1809. Freien gegessen und Abends um ein Feu- Festschrift zum 150jährigen Bestehen. Berlin er im Kemperschen Garten Kaffee getrun- 1959. – Hertz, Martin: Karl Lachmann, eine ken wurde“, wobei das kalte Wetter im Ok- Biographie. Berlin 1851, S. 214–224. – [Klentober „Buttmanns Despotismus“ oft verei- ze, Clemens August Carl]: Ph. Buttmann und telte (Klenze, S. 7). So vermerkte Buttmann die Gesetzlosen. Am 4. November/5. Deim Protokollbuch: „Eine zur Feier des 18ten cember 1834. Statt Handschrift für die MitOctobers [1820] abermals beschlossene freie glieder der gesetzlosen Gesellschaft. Berlin Himmelsfeier ward durch Verschwörung eini- 1834. – Parthey, Gustav: Origins Graecitager Astronomen vereitelt. Wegen einiger Re- tis Berolinensis. Zur Geschichte der Berliner gentropfen fand die Mehrzahl der Kombat- Griechheit; als Manuskript gedruckt. [Berlin] tanten nicht gerathen unter freiem Himmel 1861; 21861. – [Rühs, Friedrich]: „Auf den zu fechten. Alle zogen sich ins Lazareth zu- Becher.“ Die Gesetzlosen ihrem Zwingherrn rück; der General folgte ihnen“ (Klenze, S. 8). am 5. Dec. 1817. Als Handschrift gedruckt. – 1863 gründete der „Gesetzlose“ Bethmann- – Schleiermacher, Friedrich: GedächtnisreHollweg die Mittwochs-Gesellschaft als unpoli- de auf Philipp Buttmann. [In der öffentlichen tisch-gelehrte Vereinigung. Obwohl in deren Sitzung vom 8. Julius 1830 von Hrn. SchleiProtokollen die GG2 nicht erwähnt wird, be- ermacher gelesen.] In: Abhandlungen der standen enge personelle Beziehungen (vgl. v. Königlichen Akademie der Wissenschaften Bruch). – In der zweiten Hälfte des 19. Jahr- zu Berlin, Berlin 1832, S. XI–XXII. – Zimhunderts gab es ideelle, thematische und per- mer, Heinrich W. B.: Johann Georg Zimmer sonelle Überschneidungen mit der 1864 ge- und die Romantiker mit Briefen von Arnim, gründeten exklusiven Herrenrunde Club von Boeckh, Brentano, Görres, Savigny, Brüder Berlin, der Industrielle, Bankiers und Minis- Schlegel, L. Tieck, de Wette u. a. Frankfurt ter angehörten. a. M. 1888. – c) Forschungsliteratur: http:// www.gesetzlose-gesellschaft.de [Elektronische Bibliographie: a) Archivquellen: Überliefert Quelle; bearbeitet von der GG2, i. e. Herbert sind drei Quartbände Protokolle aus der Zeit Voß]. – Wikipedia-Artikel: Gesetzlose Gesellvon 1809/10 bis Ende 1934. In ihnen haben schaft zu Berlin http://de.wikipedia.org/wiki/ sich unter den Daten der Zusammenkünfte Gesetzlose_Gesellschaft_zu_Berlin [Elektrodie Gäste und die sie einführenden Mitglieder nische Quelle]. – Arndt, Andreas / Virmond, eigenhändig eingetragen (im Besitz der GG2). Wolfgang: Hegel und die „Gesetzlose Gesell– b) Gedruckte Quellen: Buttmann, Nekro- schaft“. Ein neu aufgefundenes Dokument. log. In: Beilage zur Allgemeinen Preußischen In: Hegel-Studien 20 (1985), S. 113–116. – Staatszeitung Nr. 177 vom 28.VI.1829. – Die Boeckh, Walther: Ernst Moritz Arndt und Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin. Festschrift sein Berliner Freundeskreis aus der „Gesetzzum 100jährigen Bestehen (1809–1909). Ber- losen“ und „Griechischen Gesellschaft“. In: lin 1909. – Homeyer, Karl Gustav: „Home- Zs. des Vereins für die Geschichte Berlins, 54, rus redixivus exiex“. Festrede K. G. Homey- 1937, S. 83–86. – Vom Bruch, Rüdiger: Die ers zum 50jährigen Jubiläum der „Gesetzlo- Stadt als Stätte der Begegnung. In: Ders.: Gesen Gesellschaft“. 1859. Als Handschrift ge- lehrtenpolitik, Sozialwissenschaften und akadruckt. Für die Mitglieder der Gesetzlosen demische Diskurse in Deutschland im 19. und Gesellschaft zum 17. XII. 1859. Berlin 1859. 20. Jahrhundert. Stuttgart 2006, S. 177–179.

Herbert Voß / Uta Motschmann 784

Deutsche Tischgesellschaft [DTG]

Deutsche Tischgesellschaft [DTG] Name: Deutsche Tischgesellschaft; Deutsche Tisch-Genossenschaft; Christlich-deutsche Tisch­ gesellschaft; Deutsche Gesellschaft. Gründung: 18. Januar 1811. Auflösung: Unbekannt; nach 1834, dem Jahr der letzten Erwähnung. Sitz: Verschiedene Gasthöfe und Ressourcen: Casino, Börsenhalle, Englisches Haus, Kämpfer im Tiergarten.

an Gemeingeist bilde, ob sich wohl eine öffentliche Anerkenntniß des Christlichen und Deutschen unter so vielen ohne einen Spott darüber denken lasse, ob sich eben so allgemein die Verachtung gegen erstorbenen Mechanismus in der Welt gegen das Judenthum und gegen das Philister­thum wie Verehrung gegen das Bewährte in der Geschichte sich zeige, insbesondre gegen die Krone, unter der wir vereinigt leben. Daß wir aus Liebe zu dieser Krone und zu Deutschland alles Französische herzlich hassen, daß wir uns als Deutsche nach deutscher Art herzlich und offen lustigmachen wollten versteht sich dabey allen von selbst, daß man sich vereinigte, um nicht durch Andersgesinnte gestört zu seyn, war auch natürlich, daß sich diese Gesinnung in manchem Trinkspruch äusserte folgte von selbst“ (aus einer Rede Ludwig Achim v. Arnims von 1815).

Programmzitat: „Alle vierzehn Tage Dienstags gegen drei Uhr Tags versammelt sich die deutsche Tischgesellschaft zum Mittagsessen bey dem Wirthe des Casino, jedoch ist niemand verpflichtet an jedem Versammlungstage zu erscheinen als der Sprecher oder einer der Gesellschaft, dem er sein Geschäft übertragen hat, welches darin […] besteht […], das Tagblatt von jedem Versammlungstage zu schrei­ben, worin die neu eingeführten Gesetze eingetragen, die gehaltenen Re- Geschichte und Programmatik: Die Gründen so wie alle andre allgemeine Mitheilungen dung der DTG geht auf die Initiative Achim an Kunstsachen, Büchern, Gesängen erwähnt v. Arnims zurück. Zur Jahreswende 1810/11 oder beygelegt die aufgenommenen Mitglie- schreibt er an Jacob und Wilhelm Grimm: der genannt werden […] Bey künftig aufzu- „Ich bin damit beschäftigt, eine deutsche nehmenden Mitgliedern findet kein Ballotie- Freßgesellschaft zum 18ten Januar, welches ren statt weil es die Ehre des Einzelnen bey ei- der Krönungstag unsrer Monarchie ist, zu ernem Vergnügen aufs Spiel setzt, wer von zehn richten, ihr sollt Ehrenmitglieder werden, inMitgliedern mit ihres Namens Unterschrift sofern sich Dein Appetit Wilhelm, noch erbeym Tagblat als der Gesellschaft wohlanstän- hält, sie hat große Zwecke, Adam Müller ist dig und angemessen eingeführt wird, ist da- Mitunternehmer, ich bin Gesetzgeber. Das durch ordentliches Mitglied. Die Gesellschaft weiseste der Gesetze bestimmt, daß jeder leversteht unter dieser Wohlanständigkeit, daß es derne Philister ausgeschlossen, wer von Zehein Mann von Ehre und guten Sitten und in nen mit ihres Namens Unterschrift dafür erchristlicher Religion geboren sey, unter die- kannt ist, wird ausgeschlossen.“ Der „Beser Angemessenheit, daß es kein Philister, als richt“ vom ersten Versammlungstag hebt herwelche auf ewige Zeiten daraus ve[r]bant sind“ vor, dass die DTG „durch freie Übereinkunft (aus den Statuten vom 18.1.1811). – „So wur- der versammelten Männer“ gestiftet worde nun der erste Versuch am 18 Jan 181[1] ge- den sei, die Gleichheit der Mitglieder in Framacht, ob eine gemischte Gesellschaft aus vie- ge stellende Standesgrenzen werden an keiner len treflichen, aber einander wenig bekann- Stelle angedeutet. Die DTG entspricht hierten Menschen zur gemeinsamen Berathung in dem emanzipatorischen Grundzug des bürüber Gesetze, und zur gemeinsamen Lust füh- gerlichen Vereinswesens als eines freien Zuren könnte, ob sich darin feste Anhänglichkeit sammenschlusses zur Verfolgung gemeinsamer 785

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Interessen von Gleichgesinnten unabhängig und konnte den Tischgenossen die Genugtuvon ihrer Standesherkunft. Das demokrati- ung suggerieren, auch gegenüber der äußeren sche Prinzip bestimmt auch den Entschei- Bedrohung des Vaterlandes im Innern einen dungsprozess in der DTG, in der über wich- aktiven Beitrag zu leisten. tige Fragen (etwa die Ausschlussklauseln) Die stets von tiefer Verachtung geprägten, oft nach dem Mehrheitsprinzip abgestimmt wur- makabren Witze über die Juden können sich de. Die DTG stellte keineswegs eine rück- an einigen Stellen – so in Arnims von ex­ wärts gewandte Vereinigung konservativer tremem Antisemitismus bestimmter TischreAdeliger dar, sondern folgte (bei gleichzeiti- de Ueber die Kennzeichen des Judenthums und ger Intoleranz gegenüber den Juden und un- in einer Rede Christian Wilhelm Beuths – zu ter Ausschluss der Frauen) bei ihrer Stiftung hasserfüllten Vernichtungsphantasien steigern. den spezifisch bürgerlichen Ideen von Gleich- Preußischer Patriotismus bei Betonung der heit und Freiheit der Person. Im Innern wur- Einheit von Christentum und Deutschheit, de die Vereinigung durch die fest gegründe- scherzhafte Elemente wie der Ausschluss von te monarchische Haltung, ihren preußischen Philistern sowie Identitätstiftung durch AbNationalismus zusammengehalten, nach au- grenzung von Fremden (den Juden als ansäsßen war es der Hass auf die französische Be- sigen Fremden) sind die Identifikationsgehalsatzungsmacht, die sie ideologisch einte. Wäh- te, die den Mitgliedern der DTG bei ihrer rend man allerdings die Toasts auf das Herr- Gründungsversammlung angeboten wurden. scherhaus ohne Bedenken lautstark äußern Zu dieser wurde nicht nur Arnims Vorschlag durfte, konnte man seine Feindschaft gegen- für die Statuten vorgelegt, sondern er verfassüber dem überlegenen äußeren Fremden nur te auch das Stiftungslied der deutschen Tischindirekt aussprechen. Als offen anzugreifender Gesellschaft am Krönungstage dem 18ten Januar Gegner kam er nicht in Betracht. Der halb 1811. Es ist neben der Philister-Abhandlung scherz-, halb ernsthafte „Krieg“ (Beckedorff) Brentanos der einzige Text der DTG, dessen gegen Philister- und Judentum durfte sich da- Druck von ihr selbst verantwortet wurde. Am gegen in den Tischreden unzensiert austoben. ersten Versammlungstag vorgelegt, darf er als Im Kontext der romantischen Kulturkritik eine Art anfänglicher Grundkonsens der Verstehen Juden wie Philister für den „erstorbe- einigung betrachtet werden. Er fungiert als nen Mechanismus in der Welt“, die rationa- inhaltliche Ergänzung zu den in den Statuten listische und geldwirtschaftliche Nivellierung festgelegten Regeln des Zusammenschlusses. des Lebens. Die Juden sollten das mensch- Schon die Entscheidung für den Krönungslich Verfehlte, das Mechanische und Schein- tag der preußischen Mo­narchie sollte in den lebendige repräsentieren, dessen Entlarvung Zeiten höchster Bedrohung für die Existenz Lächerliches bloßlegt, Komik erzeugt und des preußischen Staates an dessen glorreiim gemeinsamen Auslachen dem Einzelnen, che Anfänge erinnern. Alle fünf Strophen des der sich als besser und überlegen erfährt, sei- Stiftungsliedes kreisen um den „Wahlspruch“ ne Gruppenzugehörigkeit bestätigt. Im Falle der Gesellschaft: „die preußische Krone“. In der Juden kommt als antisemitisches Stereotyp Rückbindung an die Geschichte der Kolonoch der Hinweis auf die nur an der Oberflä- nialisierung des preußisch-deutschen Ostens che geglückte Akkulturation hinzu, unter der wird den Attributen „christlich deutsch“ eine sich der den christlichen Deutschen nur aus- doppelte Bedeutung zugewiesen: Einerseits nutzende Parasit zu verstecken suche. Die Ju- weisen sie somit auf die als glorreiche Heidenden aus der Gesellschaft auszuschließen, wur- besiegung angesehene Gründung Preußens de als ein Beitrag zum Kampf gegen die äu- und die Stiftung seiner Krone zurück, die zußeren Feinde des deutschen Volkes betrachtet gleich an die historische Landnahme durch 786

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den deutschen Ritterorden und mit diesem andererseits an die Ursprünge jenes preußischen Adels erinnert, der zwar „in Ergebenheit“, aber auch in „Freiheit“ dient. Während die direkt politischen Tischreden der Zeit um 1811/12 den rein preußischen Nationalismus der Berliner Tischgenossen ausdrückten, waren in die übrigen Diskurse die von Arnim und Brentano vertretenen Positionen einer deutschen Nationalkultur integriert. Entsprechend dem für die DTG signifikanten Widerspruch zwischen unromantischer Vereinsgeselligkeit und romantischem Kulturprogramm lässt sich inhaltlich ein Unterschied ausmachen zwischen preußisch-partikularistischer Orientierung der politischen Gedichte vor 1813 oder z. B. der offiziellen Tischreden der „Sprecher“, der Vorsitzenden, bei Amtsübernahme bzw. -abgabe einerseits und den scheinbar unpolitischen Vorträgen über Kleinkunst oder hohe Kunst andererseits, in denen eine Erweiterung des Nationenbegriffs im Sinne einer gemeinsamen deutschen Kulturnation vertreten wird. Durch dieses Nebeneinander von romantischem Kulturprogramm und politisch-programmatischen, preußisch-nationalistischen Tischreden wurde der Keim gelegt für die Verknüpfung von preußischem und deutschem Nationalismus, die auf den festlichen Sitzungen aus Anlass des Vereinsstiftungstages 1813–1815 in den politischen Liedern Arnims und in seiner Tischrede vom Januar 1815 verkündigt wurde. Bereits beim ersten Treffen zeichnete sich ein unerwartet großer Erfolg der Tischgesellschaft ab, denn die ursprüngliche Obergrenze von fünfzig Mitgliedern musste in sechzig abgeändert werden. Dies ist erstaunlich angesichts der großen Zahl von in Berlin schon existierenden geselligen Vereinigungen und auch hinsichtlich der hohen Kosten, die eine Teilnahme an der DTG mit sich brachte: ein Reichstaler allein für das Essen, dazu noch ein Groschen für den Boten und acht Groschen Strafgeld musste zahlen, wer verspätet zu den Versammlungen erschien.

Das Casino, das zunächst zum Vereinslokal gewählt wurde, war ein von einem Restaurateur bewirtschafteter Versammlungsraum. Dieser Raum wurde bald zu eng; Arnims Vereinigung war auf öffentliche Wirksamkeit angelegt, und ein zahlenmäßiges Wachsen war von vornherein eingeplant. Daher setzte man in den Statuten fest, dass bei neu hinzukommenden Mitgliedern kein „Ballotieren“ stattfinden solle. Unter Ballotage verstand man eine geheime Abstimmung mit Kugeln, in welcher die Mitglieder des Vereins zwecks Bewahrung der Höchstzahl bei einem Neueintritt über das Ausscheiden eines bisherigen Mitglieds befinden mussten. Indem die DTG ausdrücklich auf dieses Verfahren verzichtete, akzeptierte sie von vornherein ein tendenziell unbegrenztes Wachsen. Das Verlassen des ersten Versammlungslokals beweist, dass der DTG die Offenheit für neue Mitglieder wichtiger war als die noch in den Statuten festgelegte räumliche und quantitative Fixierung. Während die DTG einen großen Erfolg im Berliner Sozialleben verbuchen konnte, provozierte sie zugleich empörte Reaktionen in der Presse. In einer Folge von drei Artikeln für die im schweizerischen Aarau erscheinenden Miszellen für die Neueste Weltkunde berichtete der jüdische Berliner Aufklärer Saul Ascher entsetzt über die Ausschlussklausel der DTG, in der er einen Affront gegen die Emanzipationspolitik der Regierung sah, und er forderte diese daher indirekt auf, den Verein zu verbieten. Wilhelm Gubitz nahm in seinem für das in Stuttgart bei Cotta (also gleichfalls außerhalb preußischen Staatsgebiets) erscheinende Morgenblatt für gebildete Stände verfassten Artikel gleichfalls vor allem an dem Ausschluss auch getaufter Juden Anstoß und meinte, das Vereinsstatut widerspreche in dieser Hinsicht eindeutig dem Namensattribut der Tischgesellschaft und sei „ächt-unchristlich“. Nach dem erfolgreichen Gründungsjahr 1811 kann man von großen Schwankungen bei der Teilnehmerzahl ausgehen, Arnim selbst nahm nur bis 1815 (und bereits seit dem Vorjahr nur 787

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noch sporadisch) an den Vereinstreffen teil; immerhin erzählt Brentano von einer Versammlung vom 24. Februar 1816, die „brillant“ gewesen sein soll. Einen letzten Bericht von einem Versammlungsverlauf gibt August v. Varnhagen im Jahr 1820, danach gibt es keine spezifische Erwähnung mehr, nur 1834 wird das Fortbestehen der DTG ein letztes Mal festgestellt.

den Beitrags sowie durch das Bürgenprinzip die Mitgliedschaft verwehrt. Juden (auch getaufte) waren ausgeschlossen, Frauen durften gleichfalls nicht in den Verein aufgenommen werden. Von den 86 bekannten Mitgliedern gehörten jeweils genau eine Hälfte dem Adelsstand und die andere dem Bürgertum an. Aufgegliedert nach Berufen überwiegen deutlich die Beamten (37) und die Militärs (19). Mit Fürst RadStruktur und Organisation: Als eine Art lei- ziwill und Graf Ingenheim finden sich Mittendes Gremium kontrollierte der „Gesetzge- glieder aus dem höchsten Hofadel, bei den bende Ausschuß“ die Einhaltung der Vereins- Beamten hohe Staatsbeamte wie Staegemann. statuten und die Zulässigkeit von Anträgen auf Stark vertreten waren auch die Gelehrten, alderen Änderung. Der sogenannte „Sprecher“ lein zwölf Mitglieder lehrten an der Berliner füllte die Rolle des Vorsitzenden aus, der die Universität, sieben sind Ärzte (davon drei frei Versammlungen zu leiten und das Protokoll zu praktizierend); nur vier Tischgenossen kann schreiben hatte (in den Jahren bis 1815 über- man dem handwerklich-kaufmännischen Bürnahmen Beckedorff, Arnim und Fichte die- gertum zurechnen, dabei waren z. B. der Banses Amt), Aufgabe des „Schreibers“ hingegen kier Schwink, der in Königsberg lebte, oder war das Festhalten der Tischreden bzw. ande- auch Zelter, der nur auf der Gründungsliste rer Vortragsbeiträge. Die Versammlungen fan- genannt wird, kaum regelmäßige Teilnehmer den alle vierzehn Tage, dienstags, statt, zur der Versammlungen. Gutsherren finden sich Bezahlung des Essens und Trinkens wurde ein nur drei (wenn man Ludwig Achim v. Arnim – Reichstaler verlangt, wer zu spät zu den Tref- der dies freilich erst ab 1814 gezwungenermafen erschien, zahlte ein Strafgeld. – Rituale: ßen wurde – schon dazu zählen will). – MitDie zentrale Rolle, die der Ausschluss der Ju- glieder (bis 1816): Karl Alberti, Carl Otto den für den Verein in seiner Anfangszeit spiel- Ludwig v. Arnim, Friedrich Abraham Wilte, wird an Versammlungsritualen und Re- helm Graf v. Arnim, Ludwig Achim v. Arnim, quisiten deutlich: Die Glocke des Versamm- Friedrich Wilhelm Ludwig v. Bärensprung, lungsleiters verkündigte mit ihrem Namen Josef Wilhelm Balan, Karl Moritz Ferdinand „concordia“ die Eintracht, die „Freundschaft“ v. Bardeleben, Georg Philipp Ludolph Beckeder Tischgenossen, und ihr „Geläute“ sollte dorff, Peter Christian Wilhelm Beuth, August „Scheinlebendige schrecken“ und die „Juden Ferdinand Bernhardi, Ludwig Graf v. Bomlaut verdammen“; bei den Essen stellte man belles, Clemens Maria Wenzeslaus Brentano, jedes Mal demonstrativ einen „Schinken“ in Friedrich Bury (Büry, Büri), August Frieddie Mitte der Tafel, damit klar werde, daß rich Wilhelm v. Bülow, Karl Friedrich Mo„kein Beschnittener […] diesem Tische“ sich ritz Paul Graf v. Brühl, Ludwig August Fr. A. Graf v. Chasot (Chazot), Carl Philipp Gottnähern dürfe. fried v. Clausewitz, Ludwig Georg Fr. Frhr. v. Mitglieder: Arnim betonte stolz, dass sich in Dalwigk, Ernst Friedrich Eckardt, Friedrich der von ihm gestifteten Vereinigung „Män- Ferdinand Alexander Graf zu Dohna-Schloner aus allen Gesellschaftskreisen“ zusam- bitten, Karl Günther Theodor v. Dewitz, Karl menfanden. Allerdings war den weniger ver- Friedrich Eichhorn, Johann Albrecht Friedmögenden Schichten von vornherein durch rich Eichhorn, Paul Erman, Johann Gottlieb die Höhe des für die Essen zu entrichten- Fichte, Johann P. D. Fink, Friedrich Ferdinand 788

Deutsche Tischgesellschaft [DTG]

Flemming, Janus Genelli, Johann Heinrich Gründung von „Deutschen Gesellschaften“, Gen(t)z, Ludwig v. Gen(t)z, Ludwig Friedrich die sich auf Anregung Ernst Moritz Arndts (in Leopold v. Gerlach, Carl Johann Christian seiner Schrift Entwurf einer teutschen GesellGrapengiesser, Otto Grell, Friedrich Siegis- schaft von 1814) in der hessischen Provinz gemund Siebmann (ab 1812: Friedrich Siegis- bildet hatten. Die DTG habe nach der Freumund v. Grunenthal), Carl Georg Albrecht E. de über den Kriegsausgang noch den weiteren v. Hacke (Hake), August Georg Friedrich M. „Triumph“ erlebt, „daß einer der geistreichsv. Hedemann, Carl Emil Heinrich v. Scholtz ten Schriftsteller unsrer Nazion in einer allgeund Hermensdorff, Karl v. Hinckeldey, Adam mein gelesenen Schrift, deutsche GesellschafGeorg Friedrich v. Horn, Gustav Graf v. In- ten ganz in der Art wie die unsre als ein schögenheim, Franz Julius Georg H. v. Hymmen, nes Band deutscher Gesinnung anrieth, daß Heinrich Ludwig Reinhard H. v. Hymmen, seine Ermahnung an mehreren Orten solAugust Wilhelm Iffland, Kuno Ludwig von che Gesellschaften sammelte, daß uns die besder Kettenburg, Heinrich v. Kleist, Ludwig te Hamburger Zeitung erzehlt, wie am Rhein Ernst v. Koenen, Heinrich Kohlrausch, Ge- insbesondre in Rödelheim, Butzbach, Giesorg Carl v. Laroche (La Roche), Martin Hein- sen usw. schon solche Gesellschaften bestänrich Karl Lichtenstein, Eduard Maria Prinz v. den, die alles Französische verbannten und Lichnowsky, Johann Carl Heinrich Meyer, auch die Juden ausschlössen“ (Arnim, Rede Johann Karl Wolff Dietrich v. Moellendorff, von 1815). Adam Heinrich Müller, Johann Wilhelm Carl 1817 wurde die Brandenburgische Tisch-GesellFranz Graf v. Nesselrode, Carl Ludwig Hein- schaft (später: christlich-Brandenburgische Tischrich Otto, v. Perlitz, Ernst v. Pfuel, Friedrich Gesellschaft) gegründet, deren Name und Stav. Pfuel, Karl Philipp Heinrich Pistor, Leo- tuten sich deutlich auf die DTG als Modell pold v. Quast, Anton Heinrich Fürst v. Rad- bezogen. Die Mitglieder rekrutierten sich ziwill, Carl Georg Ludwig v. Raumer, Wil- aus „Preussischen Militär-Beamten, welche helm v. Rappard (Rabbard), Johann Friedrich die Feldzüge in den Jahren 1812, 1813, 1814 Reichardt, Eberhard Friedrich Christoph Ba- und 1815 in der Verwaltung mitgemacht“ ron von der Reck, Georg Andreas Reimer, und „ihren Collegen, mit denen sie im Felde Eugen v. Roeder, Wilhelm v. Roeder, Fer- im engsten Verkehr gestanden“ (Statuten der dinand v. Roeder, Friedrich Carl v. Savig- christlich-Brandenburgischen Tisch-Gesellschaft ny, Karl Friedrich Schinkel, Friedrich Daniel gegeben am 9. Januar 1822. Berlin 1907, S. 3). Ernst Schleiermacher, Otto Hermann Fürst v. Schönburg, Georg Gotthilf Schwinck, Johann Bibliographie: a) Quellen: Die Mehrzahl Kaspar Friedrich Schulz, Karl Wilhelm Ferdi- der Texte Arnims, einige von Brentano, sonand Solger, Friedrich August Staegemann, A. wie eine Tischrede Beckedorffs sind im ArF. Triest, Karl Ludwig Heinrich Tiedemann, nim-Nachlass des Goethe- und Schiller-ArCarl Otto Friedrich v. Voß, Friedrich Lud- chivs in Weimar überliefert. Weitere Tischrewig Vogel, Christian Samuel Weiß, Fried- den Brentanos und Arnims als auch ein Beirich Ludwig August Wißmann, Karl Christi- trag Beuths finden sich als ehemalige Bestände an Wolfart, Christian Wilhelm Friedrich Au- der Preußischen Staatsbibliothek in der Varngust Wolf, Friedrich Johann Ernst Wollan(c)k, hagen-Sammlung der Biblioteka Jagiellońska, Karl Friedrich Zelter, Joseph Zerboni de Spo- Kraków. Einige Gedicht-Manuskripte Arnims und Brentanos sind im Frankfurter Freisetti, Albert Peter Heinrich v. Zschock. en Deutschen Hochstift. Handschriften von Querverweise auf andere Vereine: Laut Ar- Fichtes Tischrede und Tagblatt haben sich im nim hat die DTG Modell gestanden bei Fichte-Nachlass der Berliner Staatsbibliothek 789

13 Tischgesellschaften

PK, die Handschrift eines Liedes von Staege- findet sich im Freien Deutschen Hochstift). mann hat sich im Savigny-Nachlass der UB – Alle Quellen liegen gedruckt vor: Ludwig Marburg erhalten. – Von den zwei nur als Achim von Arnim. Werke und BriefwechErstdrucke überlieferten Tischreden finden sel. Historisch-kritische Ausgabe. In Zusamsich im Fall der Abhandlung Brentanos Der menarbeit mit der Stiftung Weimarer KlasPhilister, vor, in und nach der Geschichte Ex- sik und Kunstsammlungen hg. v. R. Burwick, emplare in der Herzogin Anna Amalia Bib- L. Ehrlich, H. Härtl, R. Moering. U. Rickliothek, Weimar; der Landesbibliothek Go- lefs, C. Wingertszahn. Bd. 11: Texte der deuttha sowie in der Berliner Staatsbibliothek PK schen Tischgesellschaft, hg. v. Stefan Nien(die keine Unterschiede im Druck aufwei- haus. Tübingen 2008. – b) Forschungslitesen), während von Arnims Stiftungslied nur ratur: Nienhaus, Stefan: Geschichte der deutein Druck in der Varnhagen-Sammlung be- schen Tischgesellschaft. Tübingen 2003 (darin kannt ist (eine handschriftliche Vorstufe be- Bibliographie zur älteren Forschungsliteratur).

Stefan Nienhaus

Eichlersche Gesellschaft / Belle-Alliance-Gesellschaft (EiG) Name: Eichlersche Gesellschaft oder Belle-Al- (Nr. 2) hatte es bereits verschiedene gemeinsaliance-Gesellschaft; nach der Vereinigung mit me Mahlzeiten gegeben (vermutlich fanden die der Gesetzlosen Gesellschaft Nr. 2 kurzzeitig regelmäßigen Zusammenkünfte auch jeweils Gesetzlose Gesellschaft Belle Alliance. im gleichen Lokal statt), bis die EiG schließlich Gründung: 1815, vermutlich kurz nach der am 29. März 1817 in der Gesetzlosen aufging: Schlacht von Belle-Alliance am 18. Juni 1815. „Eine Gesellschaft welche sich unter den AusBestand: Verschmolz am 29. März 1817 mit picien des Hrn Baron von Eichler und mittelst der  Gesetzlosen Gesellschaft (Nr. 2). Zuziehung mehrer alt-gesetzloser-Mitglieder, Zusammenkünfte: In verschiedenen öffent- in einer Reihe von Probe-Mahlzeiten zur Gelichen Lokalen Berlins. setzlosigkeit gebildet hatte, ward am 29. Mart. der gegenwärtigen einverleibt“, heißt es in den Geschichte und Programmatik: Die EiG Protokollbüchern der Gesetzlosen Gesellschaft. war eine Gründung vorwiegend von Militärs Am gleichen Tag erfreute sich die Gesellschaft zur Erinnerung und Verherrlichung der sieg- „der erstmaligen Anwesenheit eines vorlängst reichen Schlacht von Belle Alliance (Waterloo). anerkannten Mitgliedes des Kö. Staatsministers Die Bezeichnung „Schlacht bei (oder: von) Freiherrn von Humboldt“. Es geschah „bei geBelle Alliance“ geht dabei auf Blücher zurück meinschaftlicher Feier des Jahrestages der Einund wurde in der preußischen und deutschen nahme von Paris“ „par un mouvement sponGeschichtsschreibung bis ins 20. Jahrhundert tané“. Die Neulinge „wuschen vor aller Aubeibehalten, um die Leistungen der preußi- gen allen ihnen noch anklebenden gesetzlichen schen Truppen neben denen der alliierten Ar- Wust durch viele Gläser Weines ab; und beimee gleichberechtigt zum Ausdruck zu brin- de Gesellschaften bilden nunmehro die Gegen. Neben zwei Zivilisten gehörten der Belle- setzlose Gesellschaft Belle Alliance“. Buttmann Alliance-Gesellschaft zwölf Offiziere an, die in sah diesen Akt scherzhaft als „2. Konstitutiden Befreiungskriegen gekämpft hatten, da- on ohne Revolution“ an. Baron Eichler wurrunter ihr Gründer Major Friedrich Eichler de von Buttmann „adoptiert“ und zum „Kronv. Auritz. Mit der  Gesetzlosen Gesellschaft prinzen des gesetzlosen Reichs“ proklamiert 790

Eichlersche Gesellschaft / Belle-Alliance-Gesellschaft [EiG]

(Klenze, S. 7), bis er 1829 Nachfolger Buttmanns als zweiter „Zwingherr“ wurde. Aloys Hirt, Mitglied der GG2, urteilte in einem Brief an J. E. Hummel vom 10.6.1817: „Die neue Gesellschaft Belle alliance scheint Buttmannsche Fabrik zu seyn und wahrscheinlich dirigirt er das Ganze“ (Jürgen Zimmer: Nachrichten über Aloys Hirt und Bibliographie seiner gedruckten Schriften. Jb. der Berliner Museen, Bd. 41, 1999, S. 147). In der ersten Versammlung nach dem Zusammenschluss am 19. April 1817 wurde Gneisenau, General der Infanterie, in die Gesellschaft aufgenommen. Mitglieder: Major Friedrich Casimir Elias Baron Eichler v. Auritz (1768–1829), Mitglied der Militär-Studienkommission und Adjutant des Kriegsministers, Onkel des Dichters August Graf v. Platen; Generalmajor Friedrich v. Schoe­ ler (1772–1840), als Diplomat lange Zeit in Russland, Infanteriegeneral; Oberst Karl Ernst Job Wilhelm v. Witzleben (1783– 1837); Generalleutnant, Chef des Militärkabinetts, Staats- und Kriegsminister, persönlicher Freund und Generaladjutant des Königs Friedrich Wilhelm III.; Hauptmann Ludwig Friedrich Leopold v. Gerlach (1790–1861); Karriere im preußischen Generalstab, enger Vertrauter des Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm IV.; Generalleutnant Leopold Freiherr v. Lützow (1785–1844), (nicht der Freischarführer), Anhänger Schills; Oberstleutnant August Friedrich Magnus v. Hedemann (1785– 1859), später General der Kavallerie, Schwiegersohn von W. v. Humboldt; Major v. Wagner, gest. als Generalmajor; Major Friedrich August Karl v. Brandenstein (1786–1857); Major August Ferdinand v. Arnauld de la Perière (1786– 1863), Generalleutnant; Rittmeister Gustav Friedrich Eugen v. Below (1791–1852), Diplomat; Oberstleutnant Karl Moritz Ferdinand v. Bardeleben (1777–1868), 1813 Offizier auf der Festung Spandau, 1814 Major, gest. als General der Infanterie; Johann Wilhelm v. Wiebel

(1767–1847), Generalstabs­chirurg, 2. Leibarzt von Friedrich Wilhelm III., Chef des Militärmedizinalwesens; Friedrich Christoph Förster (1791–1868), ehemaliger „Lützower“, Dr. der Philosophie, Dichter und historischer Schriftsteller, Lehrer an der Artillerie- und Ingenieurschule, Kustos bei der Königl. Kunstkammer, Direktor des Berliner Münzkabinetts, Leiter des ethnographischen Museums, Schwiegersohn von Friedrich Gedike, redigierte die Neue Berliner Monatsschrift, die Vossische Zeitung und zusammen mit Willibald Alexis das Neue Berliner Konversationsblatt; Karl Friedrich Wilhelm Grell (1784–1821), Prediger. Querverweise auf andere Vereine: Während zur GG2 eine symbiotische Beziehung bestand, verstand sie sich „nicht so gut“ mit der  Gesetzlosen Gesellschaft (Nr. 1) (Soehlke). – Einige personelle Überschneidungen gab es mit der  Deutschen Tischgesellschaft (Gerlach, Hedemann, Bardeleben), mit dem  Maikäferklub (Gerlach), mit der  Gesellschaft der Freunde der Humanität (Wiebel) und der  Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache (Förster). Bibliographie: a) Undruckte Quellen: Sitzungsprotokolle der Gesetzlosen Gesellschaft (Nr. 2) von 1817 (im Besitz der GG2). – Gedruckte Quellen: Die Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin. Festschrift zum 100jährigen Bestehen (1809–1909). Berlin 1909, S. 13. – Hoppe, Willy: Die Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin. Gegründet am 4. November 1809. Festschrift zum 150jährigen Bestehen. Berlin 1959, S. 34–35. – [Klenze, Clemens August Carl]: Ph. Buttmann und die Gesetzlosen. Am 4. November/5. December 1834. Statt Handschrift für die Mitglieder der gesetzlosen Gesellschaft. Berlin 1834, S. 7. – Soehlke, Ernst: Die Zwanglose 1806– 1906. [Berlin 1906]. [Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Gesellschaft], S. 45 Anm. – http://www.gesetzlose-gesellschaft.de/II.phtml [Elektronische Quelle].

Uta Motschmann 791

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

Dieses Kapitel vereint diejenigen Vereinigungen, die in der jüdischen Gemeinde entstanden sind und in dieser bzw. auf diese wirken wollten. Dazu gehören Wohltätigkeitsvereine, Bildungsgesellschaften und gesellige Vereine, die entsprechend auch anderen Vereins-Kategorien zugeordnet werden könnten. Um jedoch einen besseren Überblick über die jüdische Vereinsentwicklung zwischen Tradition und Modernisierung des Judentums zu ermöglichen, wurden sie in einer Rubrik zusammengefasst. Von den ca. 172.000 Einwohnern Berlins um 1800 waren im Jahr 1790 3.379 Juden; 1801 wurden 3.549 Juden gezählt. Zum Vergleich: der Französischen Kolonie gehörten 4.668 Personen an; etwa 1.000 mehr (Bratring, 1804, S. 33). Juden machten demzufolge nur etwa 2 Prozent der Berliner Bevölkerung aus. Die jüdische Gemeinde wies allerdings die höchste „Vereinsdichte“ auf: ca. 3.500 Juden standen im Untersuchungszeitraum 22 Vereinigungen zur Verfügung. Die ältesten Vereine in Berlin sind traditionelle jüdische Hilfsvereine wie Sterbe- und Beerdigungsgesellschaften, Unterstützungsvereine für Kranke, arme Bräute, Talmudstudenten und Wöchnerinnen. Diese Unterstützungsvereine sind nicht Berlin-spezifisch, sondern typisch für alle jüdischen Gemeinden; sie haben oftmals eine jahrhundertelange Geschichte. Die jüdische Wohltätigkeit, die sich in den Vereinen widerspiegelt, war im Talmud festgelegt. Die kollektive, institutionalisierte Form der Aufgaben war: 1. Dem Fremden Gastfreundschaft zu gewähren. 2. Den Kranken zu besuchen, der dessen bedarf. 3. Fürsorge für die Armen, Witwen und Waisen. 4. Begleitung der Toten zur Bestattung. Sie wurden durch gewählte Vorsteher der jüdischen Gemeinde oder durch freiwillige organisatorische Zusammenschlüsse praktiziert (Fehrs, S. 134). Maimonides stellte im 12. Jahrhundert acht Stufen der Tsedaqah (Zedaqa: Wohltätigkeit) zusammen, wobei die niedrigste Stufe der Zedaka die Gewährung eines Almosens war und die höchste, den Verarmten in die Lage zu versetzen, von Hilfe unabhängig zu werden (Hilfe zur Selbsthilfe): 1. Mit Unfreundlichkeit geben. 2. Weniger geben als angebracht, aber bereitwillig geben. 3. Geben, nachdem man darum gebeten wird. 4. Geben, bevor man gebeten wird. 5. Der Gebende kennt nicht den Namen des Bedürftigen, aber dieser kennt den Spender. 6. Der Wohltätige weiß, wem er gibt, aber der Arme erfährt nicht den Namen des Spenders. 7. Wohltätig sein in einer Weise, dass sowohl Spender als auch Bedürftige anonym bleiben und nichts voneinander wissen. 8. Dem Bedürftigen die Möglichkeit geben, sich selbstständig zu ernähren (Maimonides: Mischne Tora, Hilchot Mat’not Ani’im 10:1,7–14). 792

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

Abb. 144  Daniel Itzig (1723–1799), Gemälde von Josef Friedrich August Darbes, 1787 (© Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr.: VII 59/455x).

Abb. 145  Isaak Daniel Itzig (1750–1806), Kupferstich von Daniel Berger nach Anton Graff, 1788 (© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 923-40).

In Berlin gab es viele dieser traditionellen Chevrot (auch: Chebrot, Chewrot, oder mit th am Ende; im Singular: Chevra, Chewra oder Chebra, mit t oder th am Ende, wenn ein weiteres Nomen folgt): die Beerdigungsgesellschaft  Chewra Kadischa (gegr. 1675, die in jeder jüdischen Gemeinde zu Zwecken der rituellen Bestattungszeremonien vorhanden sein musste);  Bikur Cholim (Gesellschaft der Krankenbesucher, gegr. 1703);  Chebrath Mohalim (Gesellschaft der Beschneider, gegr. 1715);  Hachnassath Kallah (Gesellschaft zur Ausstattung von Bräuten, gegr. 1720);  Beth Hamidrasch („Haus des Lernens“ zum Tora-Studium, gegr. 1743). Dazu zählt auch ein 1745 gegründeter Frauenverein (der erste in Berlin überhaupt), der sich Chevrat Naschim Zidkaniyot (Gesellschaft frommer Frauen) nannte und als Dach für einen Beerdigungsverein, einen Krankenverein und einen Armenverein für jüdische Frauen fungierte (Baader 2002, S. 105 f.; Marcus, S. 139 f.). Konnten Frauen hier karitativ tätig sein, waren sie aus dem Ende des 18. Jahrhunderts beginnenden Aufklärungs-Diskurs allerdings konsequent ausgeschlossen. Hinsichtlich der alten jüdischen Vereine gibt es oftmals ein Identifizierungsproblem. Die in den zeitgenössischen Quellen auftauchenden deutschen Umschreibungen erschweren es, diese Vereine eindeutig zuzuordnen, wie beispielsweise die jüdische Gesellschaft, die die Armen mit Hemden und andern notwendigen Kleidungsstücken versorgt (evtl. Malbisch Arumim), die Gesellschaft, die Arme mit Brot und Holz versorgt (evtl. Haspaqat Eb793

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

jionim), die jüdische Gesellschaft, die jeden, der schwere Ausgaben hat, zwei Büchsen zusendet oder die jüdische Gesellschaft Schutz der Freunde (gegr. vor 1793 und nicht identisch mit  Magine Rèim). Zudem wurden die Begriffe ‚Gesellschaft‘ und ‚Anstalt‘ zu dieser Zeit willkürlich gebraucht. Auf der Grundlage des Begriffes kann nie sicher bestimmt werden, ob es sich um eine Einrichtung im Rahmen der Gemeindeverwaltung oder wirklich um eine selbständige oder wenigstens autonome Organisation handelte. Vor allem Nichtjuden, die über derartige Vereinigungen berichteten, kannten sich nur begrenzt bei innerjüdischen Organisationsstrukturen aus. Juden hatten in Preußen und Berlin immer einen Sonderstatus inne; sie galten als Bürger zweiter Klasse und als „Staat im Staate“. Obwohl viele gebildete und wohlhabende Juden seit den 1770er Jahren zum Christentum übergetreten waren und eine jüdische Oberschicht zur ökonomischen Elite in Berlin gehörte, wurde ihnen die bürgerliche Gleichstellung verwehrt. Erst mit dem politischen Zusammenbruch Preußens änderte sich allmählich die Judenpolitik des preußischen Staates. Doch auch mit dem Edikt vom 11. März 1812, das zwar den Schutzjudenstatus aufhob und die preußischen Juden zu „Einländern“ und „Staatsbürgern“ erklärte, wurde keine vollständige Emanzipation erreicht. Juden wurde auch danach der Zugang zu Lehr- und Staatsämtern verweigert. In Folge des Edikts wurden in Berlin 1816 die jüdischen Stiftungen den allgemeinen Gesetzen unterworfen und der staatlichen Aufsicht unterstellt (Junghans, S. 26). Eine breite, öffentlich geführte Diskussion über die „bürgerliche Verbesserung“ der Juden ging einher mit einer innerjüdischen Debatte zwischen traditionalistischen Juden und den Vertretern der jüdischen Aufklärung, der Haskala. Mit Moses Mendelssohn und Isaak Euchel entwickelte sich Berlin zu einem Zentrum der Haskala. Der Privatgelehrte Lazarus Bendavid, der als Bindeglied zwischen der allgemeinen und der jüdischen Aufklärung fungierte, der Mitglied in zahlreichen nichtjüdischen Vereinen und langjähriger Direktor der  Gesellschaft der Freunde der Humanität war, bemühte sich um ein religiöserneuertes und säkulares Bildungskonzept (Lohmann, Teil 1, S. 69). Die 1778 gegründete jüdische Freischule, die auch christliche Kinder besuchen konnten, stand von 1806 bis zu ihrer Schließung 1825 unter Bendavids Leitung. Das Projekt der jüdischen Freischule wurde in besonderem Maße von den wohlhabenden und einflussreichen Berliner Familien Itzig und Friedländer getragen, die eine zentrale Stellung innerhalb der jüdischen Gemeinde und der jüdischen Wohlfahrt einnahmen. Sie gehörten zu den Berliner Juden, die in zeitgenössischen Quellen als verhältnismäßig wohlhabend beschrieben wurden, obgleich ihr Reichtum in keinem Verhältnis beispielsweise zum Wohlstand von Juden in Frankfurt am Main stand. Mit der Freischule ist die erste jüdische Aufklärungsgesellschaft in Berlin verbunden, die für die Reform des traditionellen jüdischen Erziehungswesens eintrat ( Chevrat Chinuch Ne’arim, gegr. 1778). Bereits zwei Jahre zuvor gründete sich mit der  Heiratsgesellschaft der erste nichtreligiös motivierte Verein zur gegenseitigen Selbsthilfe. In den 1780er und 1790er Jahren entstanden weitere neuartige Vereine der Haskala, die das Judentum modernisieren und über die Gemeinde hinaus moralisch wirken wollten. Ihre Protagonisten fühlten sich der „maskilischen Repu794

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

Abb. 146  David Friedländer (1750–1834), Kupferstich von Daniel Berger nach Anton Graff, 1789 (© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 847-40).

Abb. 147  Lazarus Bendavid (1762–1832), Kupferstich von M. S. Lowe, 1806.

blik“ (Feiner, S. 233) zugehörig; viele ihrer Unternehmungen standen mit der Orientalischen Buchdruckerei in Beziehung:  Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Gerechten für die Vielen, gegr. 1784);  Chevrat Schocharej haTov weha Tuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten, gegr. 1786), die als erste Wohltätigkeitsgesellschaft der Berliner Haskala anzusehen ist;  die Gesellschaft der Freunde (gegr. 1792);  Chev­ rat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung, gegr. 1793);  Magine Rèim (Verein zu gegenseitiger Hilfe, gegr. 1804); die  Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Kgl.-Preußischen Staaten jüdischer Religion (gegr. 1812) oder der  Brüderverein (gegr. 1815). Zudem gründeten Juden nun solche Vereine, die ihnen bislang verschlossen waren, wie die Ressourcen und die Freimaurerlogen ( Ressource der jüdischen Kaufmannschaft, 1794;  Ressource der Gesellschaft der Freunde, 1795;  Christlichjüdische Loge zur Toleranz, ca. 1782). Denn, wie auch Rhode 1799 beschreibt, herrschte in Berlin gegen die jüdische Kolonie „noch ein Vorurtheil, welches man unmöglich in einer so aufgeklärten Stadt erwartet. Obgleich einige jüdische Häuser zu den reichsten und elegantesten der Stadt gehören, obgleich in einigen Familien ein Ton herrscht, der zum Muster eines gebildeten Tons dienen kann; so sind von allen öffentlich arrangirten Pickenicks und Ressourcenbällen die Juden ausgeschlossen, und eine christliche Gastwirthstochter würde die Nase rümpfen, wenn sie mit der gebildetsten Jüdin darauf zusammentreffen sollte“ (Rhode, S. 30 f.). Vereinigungen wie die von Feßler gestiftete  795

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

Mittwochsgesellschaft und die  Gesellschaft der Freunde der Humanität, in der Christen und Juden sich gemeinsam versammelten, übernahmen eine Vermittlerrolle und halfen, „die gegenseitigen Vorurtheile beider Nationen gegen einander [zu] vernichten“ (ebd., S. 31). Literatur: Baader, Maria B.: Inventing Bourgeois Judaism. Jewish Culture, Gender, and Religion in Germany, 1800–1870. Ph. D. Dissertation, Columbia University, New York 2001. – Baader, Maria B.: Die Entstehung jüdischer Frauenvereine in Deutschland. In: Huber-Sperl, Rita (H.): Organisiert und engagiert. Vereinskultur bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert in Westeuropa und den USA. Königsstein 2002, S. 99–116. – Bratring, F. W. A.: Statistisch-topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg. [Erstausgabe in 3 Bdn., Berlin 1804, 1805 und 1809]. Kritisch durchgesehene und verbesserte Neuausgabe von Otto Büsch und Gerd Heinrich. Berlin 1968. – Fehrs, Jörg H.: Von der Heidereutergasse zum Roseneck. Jüdische Schulen in Berlin 1712–1942. Berlin 1993. – Feiner, Shmuel: Haskala – Jüdische Auf klärung. Geschichte einer kulturellen Revolution. Aus dem Hebräischen übers. von Anne Birkenhauer. Hildesheim [u. a.] 2007 (NETIVA Wege deutsch-jüdischer Geschichte und Kultur. Studien des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts, Bd.  8). – Ja-

coby, Jessica: Anfänge und Entwicklung der jüdischen Krankenpflege in Berlin. In: Zerstörte Fortschritte. Das jüdische Krankenhaus in Berlin 1756•1861•1914•1989. Berlin 1989 (Deutsche Vergangenheit. Stätten der Geschichte Berlin, Bd. 35). – Junghans, Lutz: Juden als Stifter in Berlin und Frankfurt am Main in der Zeit von 1812–1933. Diss. HU Berlin 1966. – Lohmann, Ingrid: Chevrat Chinuch Nearim: die jüdische Freischule in Berlin (1778–1825) im Umfeld preußischer Bildungspolitik und jüdischer Kultusreform. Eine Quellensammlung. Münster [u. a.] 2001. – Marcus, Jacob R.: Communal Sick-Care in the German Ghetto. Cincinnati 1947. – [Rhode, Johann Gottlieb]: Berlin 1799 für Freunde des Geschmacks und der Moden. Beiträge zur Characteristik der Einwohner Berlins von Johann Gottlieb Rhode. Hg. und mit krit. Anm. vers. von Uwe Otto. Berlin 1977. [Die darin versammelten Beiträge sind dem von 1799–1800 vierteljährlich erschienenen Magazin „Berlin, eine Zeitschrift für Freunde der schönen Künste, des Geschmacks und der Moden“ entnommen.]

Uta Motschmann

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Chewra Kadischa [CKa]

Chewra Kadischa [CKa] Name: Chewra Kadischa; auch: Chewra[h] Kaddischa; Chebra Kadischa (Beerdigungsgesellschaft, „Heilige Gesellschaft“, ‫;)חברא קדישא‬ Chewra Kadischa deGemilut Chassadim („Heilige Gesellschaft für wohltätige Werke“ ); Gemiluth Chassadim; Kirchhofszunft. Gründung: 30. Dezember 1675. Auflösung: 1827. Sitz: Oranienburger Straße 8. Programm: In den traditionellen jüdischen Gemeinden bis zum frühen 19. Jahrhundert war für die Betreuung der Sterbenden und Toten die Chewra Kadischa zuständig. Das umfasste die letzte Waschung, das Sprechen der notwendigen Gebete, das Tragen der Leiche zum Friedhof und die Bestattung entsprechend den überlieferten Geboten. Geschichte und Programmatik: Ende 1675, vier Jahre nach der Neubegründung der jüdischen Gemeinde Berlins und drei Jahre nach Eröffnung des jüdischen Friedhofs an der Oranienburger Straße (heute Zugang von der Großen Hamburger Straße), entstand auf Initiative von Salomo Mirels, Benjamin Mirels, Jeremias Halberstadt und Koppel Ries ein Krankenpflege- und Bestattungsverein. Koppel Ries übernahm für die nächsten zwei Jahrzehnte den Vorsitz. Nachdem sich im frühen 18. Jahrhundert eine Krankenpflegegesellschaft  Bikur Cholim gegründet hatte, konzentrierte sich die CKa ganz auf die Betreuung der Sterbenden und Toten. Daneben verteilte sie im Winter Holz und Geld an Bedürftige. Ihr wurde der 1672 angelegte Friedhof übertragen, weshalb sie auch für die Genehmigung der Inschriften auf den Grabsteinen sowie der beim Begräbnis gehaltenen Reden zuständig war. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kamen weitere Dienstleistungen wie der Sargbau hinzu. Die Beziehungen zwischen CKa und Bikur Cholim bestanden fort und wurden noch einmal intensiviert, als die Krankenpflegegesell-

schaft 1753 das jüdische Krankenhaus neben den Friedhof verlegte und von der Beerdigungsgesellschaft finanziell unterstützt wurde. Einerseits kam es zu Streitigkeiten zwischen beiden Organisationen wegen Grundstücksnutzungen, Baufinanzierung und Pachtzahlungen. Andererseits unterstützte die CKa die Gesellschaft Bikur Cholim um 1800 finanziell, als diese die Unterhaltskosten für das Krankenhaus nicht mehr allein tragen konnte. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sah sich die CKa zunehmend mit dem schwindenden Interesse ihrer Mitglieder konfrontiert. Immer häufiger wurden die Mitglieder ermahnt, ihren Aufgaben nachzukommen, wurden bei Zuwiderhandlung Strafzahlungen verhängt. Auch wurde es offensichtlich unattraktiv, das Amt des Vorstehers anzunehmen, weshalb die Verweigerung der Amtsübernahme mit der hohen Strafe von 25 Reichstalern belegt wurde. Immer öfter musste die Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf bezahlte Kräfte von außen zurückgreifen. Ein neuer äußerer Konflikt entstand aus der Auseinandersetzung mit den aufklärungsorientierten Kräften in der Gemeinde. Die CKa war eine Repräsentantin der traditionellen Kräfte in der Gemeinde. Eine der seit Jahrhunderten gültigen Vorschriften lautete, dass Tote am Tag ihres Sterbens, und zwar vor Sonnenuntergang beerdigt werden müssten. Dagegen regte sich Widerstand von Seiten der Maskilim – der Vertreter der jüdischen Aufklärung Haskala –, die auf die Gefahr des Scheintodes und damit der Beerdigung eines lebenden Menschen hinwiesen. Solange es sich bei den Kritikern um Einzelpersonen handelte, verteidigte die CKa erfolgreich ihre Machtposition und gestattete keine Beerdigungen auf dem jüdischen Friedhof, die nicht nach den traditionellen Regeln erfolgten. Die Situation änderte sich jedoch mit der Gründung der zum großen Teil aus Maskilim bestehenden  Gesellschaft der Freunde Anfang 1792. Dieser 797

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

neue Verein setzte sich unter anderem für die von den Maskilim geforderte Frist von drei Ruhetagen zwischen Tod und Beerdigung für seine Mitglieder ein, versprach, alle dadurch entstehenden Zusatzkosten zu übernehmen, und konnte diese Position nach siebenmonatigen Verhandlungen durchsetzen. Das Engagement der Mitglieder der CKa ließ im frühen 19. Jahrhundert weiter nach. Oft gelang es bei Versammlungen nicht mehr, die für Entscheidungen nötigen 18 Mitglieder zusammenzurufen, weshalb dieses Quorum nur noch für Wahlen und Satzungsänderungen aufrechterhalten wurde. Neue Mitglieder konnten sich gegen einen erhöhten Beitrag von allen Diensten befreien lassen. Dennoch wurde schon 1813 eine völlige Auflösung der Gesellschaft befürchtet. Das Ende der traditionellen CKa kam im folgenden Jahrzehnt. Schon zuvor hatte die zunehmende Schwäche der Gesellschaft zu erhöhtem Einfluss der Gemeindeleitung geführt, die unter anderem im späten 18. Jahrhundert die Festlegung der Begräbnisgebühren an sich gezogen hatte. Nachdem die preußische Regierung die Gemeinde im September 1824 aufgefordert hatte, den alten, überfüllten und ohne Genehmigung erweiterten Friedhof an der Oranienburger Straße zu schließen, erwarb die Gemeinde 1825 ein Ackergrundstück an der Schönhauser Allee. Die CKa wollte auch diesen neuen Friedhof in ihre Verwaltung übernehmen, was ihr von der Gemeindeverwaltung verwehrt wurde. Daraufhin beschwerte sich die Gesellschaft bei der preußischen Regierung. Diese stand grundsätzlich auf Seiten der traditionellen Kräfte innerhalb der jüdischen Gemeinde. In diesem Fall jedoch entschied sie 1827, dass die Gesellschaft über keine Korporationsrechte verfüge und deshalb Grundeigentum weder erwerben noch besitzen könne. Die CKa sei vielmehr als Privatgesellschaft zu betrachten, deren Tätigkeit auf die Beerdigungen selbst beschränkt bleiben sollte. Das war das Ende der alten CKa. An ihre Stelle trat eine neugegründete Beerdigungs-Anstalt der Gemein798

de, der der Friedhofsbetrieb zugeordnet wurde. Es vollzog sich hier eine Entwicklung, die sehr dem Vorgang aus dem Jahr 1821 ähnelte, als der Krankenhausbetrieb von der selbständigen Gesellschaft Bikur Cholim auf die neugegründete gemeindeeigene Krankenverpflegungsanstalt übertragen wurde. 1828 beschloss die Beerdigungsanstalt zusammen mit den Gemeindevorstehern, ihre überschüssigen Finanzmittel in den Bau und die Einrichtung einer ersten Altersversorgungsanstalt für betagte bedürftige Gemeindemitglieder zu investieren. Eine Kommission wurde gebildet, deren Arbeit zur Einweihung dieses ersten Altersheims der Berliner Judenschaft in den Gebäuden Oranienburger Straße 8 und Große Hamburger Straße 26 im folgenden Jahr führte. Nach 1846 verliert sich die Spur der Beerdigungsanstalt, möglicherweise im Zusammenhang einer Umstrukturierung der Gemeindeverwaltung auf Grundlage des preußischen Gesetzes über die Verhältnisse der Juden vom 23. Juli 1847, welches auch das Begräbniswesen betraf. Struktur und Organisation: Die CKa wurde durch einen dreiköpfigen Vorstand geleitet. Die Wahl des Vorstandes sowie die Mitent­ scheidung über wichtigere Fragen fiel in die Zuständigkeit der 18er-Kommission, die vermutlich wie bei anderen Chewroth aus den 18 Mitgliedern bestand, welche der Organisation am längsten angehörten. Die Vorstandswahlen, die zunächst jährlich, dann dreijährig stattfinden sollten, wurden in der Praxis aber oft nur sehr unregelmäßig durchgeführt. Die Einnahmen der CKa setzten sich aus den Eintrittsgeldern der Mitglieder, den Begräbnisgebühren, Spenden und Strafgeldern zusammen. Bestraft wurde nicht nur das Fehlen bei den übertragenen Diensten, sondern auch als unsittlich betrachtetes Verhalten wie Kartenspiel und nichtjüdisches Äußeres wie Bartlosigkeit. In der Anfangszeit gab es einmal jährlich im Monat Nissan ein Festmahl aller Mitglieder.

Chewra Kadischa [CKa]

Da es dabei aber regelmäßig zu Streitigkeiten sowie zu finanziellen Defiziten kam, wurde diese Regel bald abgeschwächt, so dass die Festessen in kleinerem Kreis stattfanden.

mon Landsberg (1820–1827), Isaac Meyer (1820), G. Goldschmidt (1827), Aron Samuel (1827). – 3) Rechnungsrevidenten (in Klammern: nachgewiesene Amtsausübung): vor 1786: Ephraim Mordechai (1740), Wolf Fürst (1746), Herz Keslin (1746), Abraham Nauen (1774–1777), Jeremija J. (1774–1777), Lipmann Tausk (1774–1777); ab 1786: Joel Nauen (1790), Moses Leib (1790–1793), Baruch Tausk (1790–1793, 1805), Ascher Ephraim (1793, 1803–1804), Eisick Gewir (1803), Hersch Glogau (1804), Benjamin Holländer (1805), Eisick Goschlar (1808), Hersch Erfurt (1808); nach 1815: Mordechai Levi (1816– 1821), Moses Samter (1816–1827).

Mitglieder: 1) Allgemeines: Zunächst konnten nur 18 Personen den Vollmitgliedstatus erwerben, was ihnen eine exklusive Stellung gab. Alle anderen Interessenten erhielten den Status von „Aufwärtern“, als welche sie kein Stimmrecht besaßen, aber die gleichen Dienstpflichten wie die Mitglieder zu erfüllen hatten. Bereits 1720 wurde die Grenze von 18 Mitgliedern fallengelassen. Beitrittskandidaten wurden jedoch weiterhin zunächst Aufwärter, deren Eignung und religiöser Lebenswandel während einer Probezeit Querverweise auf andere Vereine:  Chew­ von vier Jahren geprüft wurde. Aufnahme als ra Bikur Cholim;  Gesellschaft der Freunde. – Aufwärter fand nur, wer entweder mindes- 1913 gründete sich wieder eine Chewra Katens sechs Jahre verheiratet oder Sohn eines discha, die den Zusatz „Groß-Berlin“ trug angesehenen Mitglieds war. Die Mitglieder- und bis 1931 nachweisbar ist. – Eine weitezahlen entwickelten sich wie folgt (M = Mit- re Chewra Kadischa entstand nach der Grünglieder, A = Aufwärter, D = Diener): 1677: dung der neoorthodoxen Austrittsgemein18 M; 1727: 25 M, 7 A; 1743: 30 M, 12 A; de Adass Jisroel für deren separaten Friedhof 1774: 57 M, 15 A; 1784: 69  M, 8  D; 1792: in Weißensee und existierte mindestens von 56 M, 6 D; 1795: 56 M, 7 D; 1798: 56 M, 1902 bis 1915. – Ein Wohltätigkeitsverein mit 6 A; 1799: 56 M, 10 A; 1800: 55 M, 5 A, 2 dem Namen Chebra Gemilus Chassodim exisBahrenträger; 1804: 54 M; 1806: 42 M, 6 A, tierte erneut seit 1884 und war mindestens bis 24 M ohne Dienstpflicht; 1813: 56 M, 2  A, 1898 tätig. 12 M ohne Dienstpflicht; 1815: 67 M, 5 A; 1818: 68 M; 1820: 69 M. – 2) Vorstand (in Bibliographie: 1) Archivquellen: CAHJP Klammern: nachgewiesene Amtsausübung): D/Be 4 (Jüdische Gemeinde Berlin), Nr. 215– vor 1786: Gumprecht (1743), Jesaja Hollän- 217. – CAHJP P 17 (Nachlass Moritz Stern), der (1743–1744), Mordechai Chaim (1743– Nr. 616 (Protokollbuch der Chewra Kadischa 1750, 1765), Abraham Rintel (1743), Michel in der Übersetzung von Jacob Jacobson). – Bamberg (1750, 1765), Jeremija (1750, 1765, CJA 1, C Ge 1, Nr. 21/1. – CJA 1, D 75 Gr 1774), Ephraim (1774), Isak Reis (1774); ab 1 (Nachlass Wilhelm Graetz), Nr. 9. – 2) For1786: Moses Bamberg (1773–1795), Nathan schungsliteratur: Aust, Cornelia: KontinuiHalberstadt (1778–1792), Benjamin Halber- tät und Wandel in den jüdischen Gemeinstadt (1778–1807), Baruch Eschwi (1791– den Berlins und Warschaus im Übergang vom 1802), Hersch Dobrisch (1795–1806), Da- 18. zum 19. Jahrhundert. Ein kontrastierenvid Samter (1795–1806), Lipmann Tausk der Vergleich am Beispiel der Beerdigungs(1802–1806), Hersch Landsberg (1802–1820), bruderschaften (Chewrot Kadischa). UnverAscher Ephraim (1805–1806), Eisick Gewir öffentlichte Magisterarbeit FU Berlin 2003. (1806–1807), Gottschalk Helfft (1808–1825); – Goldschmidt, James: Entstehung und Entnach 1815: Isaak Jafe (1819–1825), Hirsch Si- wicklung der Altersversorgungsanstalten der 799

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

Abb. 148  „Von Sterben und betrauern der Juden“, aus Paul Christian Kirchner: Jüdisches Ceremoniel, Kupferstich, Jüdisches Museum Berlin.

Berliner Jüdischen Gemeinde. In: Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin 19 (1929), S. 169–172. – Keuck, Thekla: Hofjuden und Kulturbürger. Die Geschichte der Familie Itzig in Berlin. Göttingen 2011 (= Jüdische Religion, Geschichte und Kultur, Bd. 12). – Meisl, Josef: Einleitung. In: Protokollbuch der Jüdischen Gemeinde Berlin (1723–1854). Hg. v. Josef Meisl. Jerusalem 1962, S. XIII–

LXXXII. – Panwitz, Sebastian: Die Gesellschaft der Freunde (1792–1935). Berliner Juden zwischen Aufklärung und Hochfinanz. Heidelberg 2007 (= Haskala, Bd. 34). – Scheiger, Brigitte: Juden in Berlin. In: Von Zuwanderern zu Einheimischen. Hugenotten, Juden, Böhmen, Polen in Berlin. Hg. v. Stefi JerschWenzel / Barbara John. Berlin [West] 1990, S. 153–488, hier S. 271 f.

Sebastian Panwitz

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Bikur Cholim [BC]

Bikur Cholim [BC] Name: Bikur Cholim; auch: Chebrat/Chewrat Bikur/Bickur/Bikkur Cholim; Biqqur Cholim („Gesellschaft für Krankenbesuch“, ‫;)ביקור חולים‬ Gottesdienstlicher Verein der Kranken-Besucher. Gründung: 24. Februar 1703. Auflösung: Nach 1841. Sitz: 1703–1753 Rosmariengasse; 1753 – nach 1822 Oranienburger Straße 7. Programm: Der Krankenbesuch (Bikur Cho­ lim), einschließlich der Krankenseelsorge, ist eine der Mitzwot, der religiösen Pflichten im Judentum. Gesellschaften, die sich dieser Pflicht annahmen, existierten daher in vielen traditionellen jüdischen Gemeinden. Geschichte und Programmatik: 1703, gut dreißig Jahre nach der Wiederbegründung der jüdischen Gemeinde in Berlin, wurde die Bikur Cholim-Gesellschaft gegründet. Neben dem Besuch und der Pflege der Kranken in ihren Privatwohnungen, der „Hauskranken“, baute die Gesellschaft ein Armenkrankenhaus, ein Hekdesch, in der Rosmariengasse auf, in dem die „Stadtkranken“ (Durchreisende, Zugewanderte oder Alleinstehende ohne Familie) betreut wurden. Die Gesellschaft kooperierte in den Folgejahren häufig mit der  Chewra Kadischa und der Chebrath Naschim Zidkanijoth (gegründet 1745), die sich vor allem um weibliche Kranke kümmerte. 1753 errichtete die Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Chewra Kadischa und der jüdischen Gemeinde auf dem Grundstück Oranienburger Straße 7 ein für die damalige Zeit modernes Krankenhaus, das sich unter anderem durch seine niedrige Sterblichkeitsrate auszeichnete. Zu den Aufgaben der Gesellschaft BC gehörten jetzt Krankenbesuche, die Verwaltung des Armenkrankenwesens und die unentgeltliche Leitung des Krankenhauses. Finanziert wurde die Tätigkeit durch Spenden, Kollekten und Gemein-

dezuschüsse. Da die finanziellen Anforderungen allerdings immer größer wurden, richtete die Gesellschaft 1803, zur Hundertjahrfeier ihres Bestehens, einen Jubelfonds (Keren Hajobel) ein, dessen Umfang schnell die Höhe von 16.000 Taler überschritt und 1807 knapp 24.000 Taler betrug. Personen, die für diesen Fond spendeten, erhielten alle Rechte der Mitglieder der BC, ohne zu ihren Aufgaben verpflichtet zu sein. Am 12. September 1803 verabschiedete die Gesellschaft ein neues Statut. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege wurde immer deutlicher, dass ein modernes Krankenhaus nicht mehr im Rahmen eines privaten Vereins geführt und finanziert werden konnte. Man beschloss daher 1821 die vollständige Trennung zwischen Krankenhausbetrieb und der BC-Gesellschaft. Ersterer erhielt den Namen Krankenverpflegungsanstalt der jüdischen Gemeinde und stand nun ausschließlich unter der Verwaltung der jüdischen Gemeinde. Dieser neuen Anstalt wurden auch alle Legate und Vermächtnisse sowie der Jubelfonds zugeordnet. Der Verein BC kümmerte sich fortan allein um die geistigen Bedürfnisse der Kranken. Konkret stellte er sich die Aufgaben: 1) Kranke zu besuchen, 2) für sie die Krankenpsalmen und -gebete zu singen und zu sprechen, 3) in den letzten Lebensstunden im Zimmer des Kranken Andacht zu halten und zu wachen, 4) nach dem Absterben sieben Tage lang einen Totengottesdienst durchzuführen und 5) dreißig Tage lang im Haus der Hinterbliebenen einen Abschnitt aus der Mischna, dem zentralen Teil des Talmud, vorzutragen. Zu diesen Aufgaben waren alle Mitglieder verpflichtet. Sie konnten sich aber durch einen erhöhten Mitgliedsbeitrag von den Diensten teilweise oder ganz befreien. Die Gesellschaft existierte mindestens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, dann verliert sich ihre Spur. 1959 wurde eine neue „Vereinigung

zur Betreuung jüdischer Kranker“ Bikkur Cho801

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

lim gegründet, die sich Mitte 1973 „aus finanziellen Gründen“ wieder auflöste. Struktur und Organisation: Solange die Gesellschaft das Krankenhaus betrieb, bezogen sich die meisten ihrer Regeln auf den Betrieb dieser Einrichtung. Das Statut von 1744 legte fest, dass der jeweilige Vorsteher zweimal täglich einen Kontrollbesuch im Krankenhaus machen musste. Bei einem neu aufgenommenen Kranken hatte er für ein weiß bezogenes Bett und einen Schlafrock zu sorgen. Um die Speisung der Kranken kümmerte sich ein im Krankenhaus wohnender „Beglaubigter“ des Vereins. Die Gesellschaft stellte einen Arzt an, welcher die Kranken innerhalb wie außerhalb des Krankenhauses besuchte. Er stellte Rezepte aus, die vom Vorsteher unterzeichnet wurden. Anschließend brachte der Vereinsbote sie in die Apotheke und kehrte mit den Arzneien zurück. Der Bote hatte auch auf die rechtzeitige Einnahme der Medizin durch die Kranken zu achten und dem Vorsteher und dem Arzt regelmäßig Bericht zu erstatten. Neben dem Arzt wurde ein „Barbier“ (= Chirurg) engagiert, der die Kranken „mit göttlichem Beistand“ kurieren sollte. In besonders kritischen Fällen wurden weitere Ärzte herangezogen – „an kein Geld wird nischt gespahrt“. Die Vorsteher sorgten dafür, dass Kranke Besuche von Mitgliedern der Gesellschaft empfingen und dass Krankenwachen gehalten wurden. Zudem sollten sie auch den Kranken selbst zum Beten, zur Beichte und zum Sündenbekenntnis bewegen. Schließlich regelte das Statut von 1744 die Zusammenarbeit mit der  Chebrath Mohalim, der neugegründeten Chebrath Naschim Zidkanijoth und der  Chewra Kadischa. Neben dem Vorstand entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Gesellschaft BC die Institution der „Repräsentanten“. Es waren dies die 18 am längsten der Gesellschaft angehörenden Mitglieder, die Aufgaben übernahmen, welche in moderneren Vereinen der Mitgliederversammlung 802

vorbehalten blieben. Den Statuten von 1822 entsprechend zählten dazu: die Wahl der drei Vorsteher (immer an den Pessach-Halbfeiertagen) und die Untersuchung von Beschwerden der Mitglieder gegen die Vorsteher sowie – gemeinsam mit den Vorstehern – die Aufnahme neuer Mitglieder, die Änderungen der Statuten und die Beratung über Mitglieder bei unmoralischem Verhalten. Die Vorsteher leiteten die alltägliche Arbeit des Vereins: die Einteilung der Mitglieder zu Andachten und Wachen bei Kranken und Sterbenden sowie zu Gottesdiensten, die Auswahl der Gebete und die Kontrolle der ordnungsgemäßen Ausführung der Dienstpflichten sowie die Einberufung der gemeinsamen Sitzungen mit den Repräsentanten. Das Amt des Vorsitzenden rotierte monatlich unter den Vorstehern. Sämtliche Vereinsunterlagen wurden ab 1822 in deutscher Sprache geführt. Einem der Vorsteher wurde das Amt des Rendanten (Schatzmeisters) übertragen. Die Vereinseinnahmen setzten sich zusammen aus Spenden bei den vom Verein durchgeführten Andachten, Beitrittsgeldern, Strafgeldern, Gebühren bei Inanspruchnahme bestimmter Dienste durch Nichtmitglieder sowie Geschenken und Vermächtnissen. Die Ausgaben bestanden aus dem Gehalt des Vereinsboten sowie den Vergütungen an Personen, welche Vereinsdienste für Nichtmitglieder übernahmen. Das Rechnungswesen wurde einmal jährlich von den Kontrolleuren des Krankenhauses geprüft. Ein eventueller Jahresüberschuss ging an das Krankenhaus, ein Defizit wurde aus der Krankenhauskasse getilgt. Für ihre Versammlungen stand den Vorstehern und den Repräsentanten das Sitzungszimmer im Krankenhaus zur Verfügung. Mitglieder: a) Allgemeines: Nach der Satzung von 1822 durfte jedes Gemeindemitglied, welches „religiös und moralisch gebildet“ war, dem Verein beitreten. Die Vereinsmitglieder teilten sich in vier Klassen, bei denen unterschiedliche Eintrittsgelder (18

Bikur Cholim [BC]

Groschen bis 6 Reichstaler) und Mitgliedsbeiträge (1 bis 4 Reichstaler/Jahr) unterschiedlichen Verpflichtungen und Rechten gegenüber dem Verein entsprachen. Überschritt ein Mitglied das Alter von 60 Jahren oder war es fünf Jahre als aktives Mitglied tätig gewesen, wurden ihm auf Wunsch die Dienstpflichten (siehe oben) erlassen. Versäumte ein Mitglied den ihm übertragenen Dienst, musste es Strafgelder zwischen zwei Groschen und einem Reichstaler zahlen. Nichtbezahlung der Strafgelder sowie wiederholtes Dienstversäumnis wurden mit dem Ausschluss aus dem Verein bestraft. – Von der vermutlich großen Zahl an Mitgliedern ab 1703 ließen sich nur wenige ermitteln: b) Vorstand: 1820: Israel Sachs, Ruben Samuel Gumpertz, Wolff Hertel. – c) Einzelmitglieder: David Friedländer (1803 Kassierer), Lippmann Levy, Liebermann Schlesinger. Querverweise auf andere Vereine: Bikkur Cholim. Vereinigung zur Betreuung jüdischer Kranker: Neugründung in der Zeit nach dem Ende der Herrschaft des Nationalsozia­ lismus, die aber nur vierzehn Jahre Bestand hatte (1959–1973). – Chewra Kadischa: Beerdigungsgesellschaft, die bei verschiedenen Gelegenheiten mit BC kooperierte. – Chebrath Mohalim: Gesellschaft der Beschneider, die mit BC bei Geburten von Knaben im Krankenhaus kooperierte. – Chebrath Naschim Zidkan(i)jot(h) (‫ – )נשים צדקניות‬gegründet 1745, Frauenverein zur Pflege weiblicher Kranker und Beerdigung weiblicher Toter, der sowohl mit BC als auch mit der Chew­ra Kadischa kooperierte und mindestens bis 1845 existierte. – Gesellschaft der Freunde: Gründung aufklärungsnaher Junggesellen, die verschiedene Aufgaben der alten Chew-

roth in ihre Satzung übernahm, darunter das Besuchen der Kranken. Bibliographie: 1) Archivquellen: Die 1887 noch vorhandenen Teile des Archivs der Gesellschaft sind heute verschollen. – LAB, B Rep. 42, Nr. 48202 (1959–1973). – 2) Drucksachen: 1803: Tifereth Israel. Hymne zum hundertjährigen Jubiläum des Krankenbesuch-Vereins. Berlin 1803. – 1822: Statuten für den gottesdienstlichen Verein, welcher im Jahre 1703 von mehrern Mitgliedern der Judenschaft in Berlin unter dem Namen Bikur Cholim gegründet, und bis zum Jahre 1821 mit der Kranken-Verpflegungs-Anstalt vereinigt gewesen ist. Berlin 1822. – 1822: Statuten für die Kranken-Verpflegungs-Anstalt der Judenschaft in Berlin. Berlin 1822, hier vor allem Abschnitt 7 „Von dem gottesdienstlichen Verein“, S. 46– 48. – 1841: Statuten für den gottesdienst­lichen Verein, welcher im Jahre 1703 von mehreren Mitgliedern der Judenschaft in Berlin unter dem Namen Bikur Cholim gegründet, und bis zum Jahr 1821 mit der Kranken-Verpflegungs-Anstalt vereinigt gewesen. Berlin 1841. – 3) Forschungsliteratur: Landshuth, L.: Ein altes Statut der jüdischen Krankenverpflegungsanstalt zu Berlin. In: Die Gegenwart. Berliner Wochenschrift für Jüdische Angelegenheiten 1 (1867), S. 267 f. – Scheiger, Brigitte: Juden in Berlin. In: Von Zuwanderern zu Einheimischen. Hugenotten, Juden, Böhmen, Polen in Berlin. Hg. v. Stefi Jersch-Wenzel / Barbara John. Berlin [West] 1990, S. 153–488, hier S. 271 und 273. – Stürzbecher, Manfred: Aus der Geschichte des jüdischen Krankenhauses in Berlin. In: Zur Geschichte der jüdischen Krankenhäuser in Europa. Düsseldorf 1970, S. 60– 92. – Zur Geschichte der Krankenpflege in der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Berlin 1887.

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Chebrath Mohalim [Mohalim] Name: Chebrath/Chewrath Mohalim („Gesellschaft der Beschneider “, ‫)חברת מהלים‬. Gründung: 1715. Auflösung: Nach 1886. Sitz: Nicht bekannt. Geschichte und Programmatik: Die Chebrath Mohalim war ursprünglich der Zusammenschluss der Mohalim der Berliner jüdischen Gemeinde, also der Männer, die an den neugeborenen Knaben die rituell vorgeschriebene Beschneidung der Penisvorhaut vornahmen. Durch ein Beschneidungsregister ist die Existenz des Vereins schon für das Jahr 1714/15 belegt. Zweck der Gesellschaft war es, bei neugeborenen Knaben auswärtiger bedürftiger Familien, die sich in Berlin aufhielten, die sonst gebührenpflichtige Beschneidung kostenlos vorzunehmen. In den Jahren zwischen 1845 und 1852 unterzog der neuberufene Vorsteher Aron Hirsch Heymann die Gesellschaft einer tiefgreifenden Modernisierung. Er nahm in den Verein außerordentliche („beitragende“) Mitglieder auf – Personen, die keine Mohalim waren, sondern lediglich durch regelmäßige Geldbeiträge die Möglichkeiten der Chebrath Mohalim vergrößerten. Ihre Zahl stieg in den folgenden Jahren auf bis zu 360. Das ermöglichte die Ausweitung des Aufgabenkreises und die Gründung einer Unterstützungskasse für arme Wöchnerinnen. Diese gewährte bedürftigen Wöchnerinnen, welche einen Knaben geboren hatten, Geldunterstützungen, besoldete die Ammen und zahlte bei Notwendigkeit monatliche Milchgelder. Am 12. Februar 1852 wurde eine entsprechende neue Satzung verabschiedet. 1865 erfolgte die Ausweitung der Hilfeleistungen auch auf Frauen, die eine Tochter geboren hatten. Zwischen 1852 und 1875 wurden 1.610 Wöchnerinnen mit einer Summe von insgesamt 16.000 Talern unterstützt. Ein Vereinsleben im engeren Sinne fand in der Chebrath Mohalim nicht statt. Das 150. Jubilä804

um jedoch wurde 1865 sehr festlich mit Diner und Tanz in den Räumen der  Gesellschaft der Freunde begangen. Struktur und Organisation: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestanden die Einnahmen des Vereins aus geringfügigen Beiträgen der Personen, die an einem Beschneidungsvorgang teilnahmen. Die ab 1845 hinzugekommenen außerordentlichen Mitglieder zahlten einen Jahresbeitrag von ein bis zwei Talern, wodurch sich das Vereinsvermögen zwischen 1845 und 1875 von 700 auf 10.000 Taler vergrößerte. Mitglieder: a) ordentliche Mitglieder (Mohalim): Israel Cohen, Aron Hirsch Heymann, Elchanan Rosenstein, S. Salinger. – b) außer­ ordentliche Mitglieder ab 1845/52 (alphabetisch): Jakob Bamberger, Meyer Samuel Baswitz, Gerson Bleichröder, Benjamin Joachim Liebermann, Joseph Benjamin Liebermann, Joseph Joachim Liebermann, Louis Liebermann, Philipp Liebermann, Meyer Magnus, David Oppenheim, Gustav Sobernheim, Moritz Sobernheim, Wilhelm Sobernheim. Querverweise auf andere Vereine: Sanduko (auch Sandekim, Sandek-Verein, GevatterGesellschaft, ‫סנדקים‬, Wöchnerinnenhilfsverein), gegründet 1770 oder 1772, unterstützte und verpflegte notleidende Wöchnerinnen bei Geburt, Beschneidung und Wochenlager; die Gesellschaft existierte mindestens bis 1820, ab den späten 1840er Jahren wurden die Aufgaben von der Chebrath Mohalim übernommen. Bibliographie: 1) Archivquellen: CAHJP D/Be 4/388. – 2) Drucksachen des Vereins: 1856: Namens-Verzeichniß sämmtlicher beitragender Mitglieder zur ChebrathMohalim und der damit verbundenen Unterstützungskasse für arme Wöchnerinnen in

Hachnassath Kallah [HK]

der jüdischen Gemeinde zu Berlin, so wie der ordentlichen Mitglieder (Mohalim) am 15. April 1856. – 1857: Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der Chebrath Mohalim und der damit verbundenen Unterstützungskasse für arme Wöchnerinnen in der jüdischen Gemeinde zu Berlin im Jahre 1857. – 1865: Fest-Gesänge und -Gebet zu der in der Hauptsynagoge stattfindenden Einhundert und funfzigjährigen Jubel-Feier der Che-

brath-Mohalim (Verein zur Unterstützung armer Wöchnerinnen) zu Berlin am 15. Januar 1865. – 1869: Verzeichnis der unserer ‫( חברה‬Chewra) angehörenden ‫( מהלים‬Mohalim), deren Functionen als solche die verehrten Mitglieder unserer Gemeinde in vorkommenden Fällen in Anspruch nehmen können, 1869. – 3) Memoiren: Heymann, Aron Hirsch: Lebenserinnerungen. Berlin 1909, S. 275–278 und S. 376–378.

Sebastian Panwitz

Hachnassath Kallah [HK] Name: Hachnassath(-)Kalla(h) („Hineinbringen der Braut“, ‫ ;)הכנסת כלה‬Gesellschaft Hachnassath Kallah zur Ausstattung bedürftiger Bräute. Gründung: 23. Mai 1720. Auflösung: Nach 1932. Sitz: 1902–1905: Berlin C 2, Große Präsidentenstraße 3; 1922–1933: Berlin C 2, Rosenstraße 2–4. Programm: Zweck der Gesellschaft Hachnassath Kallah war es, „unbemittelten israelitischen Jungfrauen bei ihrer Verheirathung eine Unterstützung in baarem Gelde zu gewähren“ (Statuten von 1858, § 1). Geschichte und Programmatik: Der Verein gehörte zu den ältesten Organisationen der Berliner jüdischen Gemeinde. Bei seiner Gründung 1720 handelte es sich um einen eher losen Bund, der spontan für arme Bräute Mittel sammelte. 1741 kam es zu einer Formalisierung. Die neuen Statuten beschränkten die Unterstützung auf Bräute aus Berlin und den benachbarten Gemeinden. Zunächst handelte es sich dabei um eine Organisation auf Gegenseitigkeit, bei der nur Töchter der Mitglieder antragsberechtigt waren. Im Rahmen einer grundlegenden Reform wurde ab 1828 auch Töchtern von Nichtmitgliedern

ermöglicht, Anträge zu stellen. 1839 schaffte der Verein erstmals eine eigene Chuppa – einen jüdischen Traubaldachin – an. Ein Vereinsleben im engeren Sinne fand in der HK nicht statt. Das 140. Jubiläum jedoch wurde 1860 sehr festlich mit Musik, Vorträgen und lebendigen Bildern aus der biblischen Geschichte in den Räumen der  Gesellschaft der Freunde begangen. Zudem wurde es mit der Hochzeitsfeier einer armen Braut verbunden. Ihr wurden nicht nur die satzungsmäßigen Ausstattungsgelder übergeben. Vielmehr wurde auch eine Lotterie veranstaltet, deren Lose unter den Mitgliedern verteilt wurden. Die meisten Gewinner machten die ihnen zugelosten Gegenstände dem Brautpaar zum Geschenk. Im 20. Jahrhundert unterstützte die Gesellschaft fast ausschließlich die Töchter von Nichtmitgliedern. Ihre Tätigkeit ist noch für Januar 1933 nachgewiesen. Die Auflösung erfolgte unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. Struktur und Organisation: 1829 kam es zu einer Umstrukturierung der traditionellen Chewrah („Gesellschaft“) zu einem modernen Verein. Seitdem waren die Statuten in deutscher Sprache verfasst. Jedoch verstand sich HK auch weiterhin als Organi805

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

sation der jüdischen Gemeinde, deren Vor- Querverweise auf andere Vereine:  Heistand als unmittelbare Aufsichtsbehörde an- ratsgesellschaft, gegr. 1776, als Verein, dessen erkannt wurde. Mitglieder sich bei Verheiratung ihrer TöchDer Vorstand bestand aus fünf Personen und ter und anderer weiblicher Angehöriger gewurde für drei Jahre gewählt. Vorstandsmit- genseitig unterstützten. glieder durften weder in gerader noch in Seitenlinie bis einschließlich zum dritten Grad Bibliographie: 1) Archivquellen: CAHJP miteinander verwandt sein. D/Be 4/391–392. – CAHJP P 215 (Nachlass Der Fonds des Vereins stieg kontinuierlich von Maaß/Gottschalk/Lackmann): enth. Proto3.100 Talern im Jahre 1768 über 7.400 Taler kollbuch der Gesellschaft Hachnassah Kallah. 1821 auf 15.061 Taler 1839. Haupteinnahme – CJA, 1, 75 A, Be 2, Nr. 280–288 (# 510– waren neben Spenden das Eintrittsgeld und 518, 1831–1932). – GStA PK, I. HA, Rep. der Jahresbeitrag, die 1858 bei jeweils zwei 077, Tit. 1021 Berlin, Nr. 68, Bd. 1, Bl. 181 f. Talern lagen. Die „perpetuelle Mitgliedschaft“ – 2) Drucksachen: Statuten der Gesellschaft konnte durch die Zahlung eines Kapitalbei- Hachnassath Kallah zur Ausstattung der Bräutrags erlangt werden, dessen Zinsen dem Jah- te in Berlin. Berlin 1858. – Dass. für die Jahresbeitrag entsprachen. re 1870 und 1889. – Revidierte Satzungen der Gesellschaft Hachnassath Kallah (zur AusstatMitglieder: Der Beitritt war ausschließ- tung von Bräuten) in Berlin. Berlin 1909. – lich männlichen, beitragszahlenden Mitglie- Namen-Verzeichniss sämmtlicher Mitglieder dern der Berliner jüdischen Gemeinde mög- der Gesellschaft Hachnassath-Kalla in Berlin. lich. Über die Aufnahme entschied der Vor- Berlin 1843. – Dass. für die Jahre 1859, 1870 stand per Ballottement. – a) Einzelmitglie- und 1888. – Uebersicht der Einnahmen und der bis 1815 (alphabetisch): Hirsch Fürstner, Ausgaben der Wohlthätigkeits-Gesellschaft Nathan Isaac Gerhard, Beer Philipp Gold- „Hachnassath Kallah“ zur Ausstattung der schmidt, Jacob Goldschmidt, Ruben Samu- Bräute in der jüdischen Gemeinde zu Berlin in el Gumpertz, Joseph Haller, Courtier Hertel, den Jahren 1855, 1856, 1857. Berlin [1858]. – Itzig Klemann, Itzig Abraham Königsberger, Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der Jacob Moses Krohn, Daniel Levy, Joseph Le- Gesellschaft „Hachnassath-Kallah“ in Berlin vin Meyer, Wolff Jacob Mossner, Michel L. im Jahre 1861. – Dass. für die Jahre 1862 und Neugass, Ludwig Steinthal, Kalmann Weyl, 1863. – Total-Uebersicht der Einnahmen und Moses Weyl, Daniel Israel Wulff. – b) Mit- Ausgaben der Gesellschaft „Hachnassath-Kalglieder nach 1815 (alphabetisch): Moses lah“ in Berlin in den drei Jahren 1861, 1862, Benda (Vorstand 1820), David Cassel (Vorsit- 1863. – Uebersicht der Einnahmen und Auszender 1870–1893), Adolph Cohn, Salomon gaben der Gesellschaft „Hachnassath-Kallah“ Abraham Friedländer (Vorstand 1820), Ben- (zur Ausstattung der Bräute) in Berlin für die ny Goldschmidt, Jacob Goldschmidt (Vorsit- Jahre 1880 bis 1887. Berlin 1888. – Bericht zender 1843), Aron Hirsch Heymann (Vor- der Gesellschaft Hachnassath Kallah zur Aussitzender 1857–1864), Hartwig Hirschfeld, stattung von Bräuten für die Jahre 1890, 1891, Eugen Landau, Isaac Meyer (Vorstand 1820), 1892. Berlin 1893. – Dass. für die Jahre 1893, Rudolf Mosse, Emil Pincus (Vorsitzender 1894, 1895 (Berlin 1896); für die Jahre 1896, 1915–1933), Theodor Pincus, Albert Rathe- 1897, 1898 (Berlin 1899); für die Jahre 1899, nau, Ruben Salomon (Vorstand 1820), James 1900, 1901 (Berlin [1902]); für die Jahre 1902, Simon, Martin Simon (Vorsitzender 1893– 1903, 1904 (Berlin [1905]). – Fest-Cantate zur 1905), Georg Tietz, Oscar Tietz, Oscar Was- hunderfunfzigjährigen Jubel-Feier der Gesellsermann, Lipman Wulf. schaft Hachnassath-Kallah (Ausstattung der 806

Beth Hamidrasch [BHM]

Bräute). Den 22. Mai 1870. Componirt von Isidor Rosenfeld. Berlin 1870. – Tafel-Lieder zur hundertfunfzigjährigen Jubel-Feier der Gesellschaft Hachnassath-Kallah (Ausstattung der Bräute). Den 22. Mai 1870. Berlin 1870. – 3) Zeitungsartikel: AZJ 79. Jg., Nr. 15, Ge-

meindebote S. 1; 09.04.1915. – Berliner Vereinsbote 1896. – Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin 23 (1933), Nr. 1 (Januar), S. 17. – 4) Memoiren: Heymann, Aron Hirsch: Lebenserinnerungen. Berlin 1909, S. 354–357, 365–366 und 401.

Sebastian Panwitz

Beth Hamidrasch [BHM] Name: Beth Hamidrasch; auch: Beth-Hamidrasch, Beth ha-midrasch („Haus des Lernens“, ‫ ;)בית המדרש‬Beth Hamidrasch Gesellschaft. Gründung: 27. Oktober 1743. Auflösung: 1930er Jahre. Sitz: 1745–1930er Jahre: Heidereutergasse 4. Programm: Beth ha-midrasch („Haus des Lernens“) ist einer der antiken Begriffe für jüdische Versammlungs- und Gebetsorte, bevor sich das griechische Wort Synagoge durchsetzte. In der Neuzeit bezeichnet der Begriff eine private oder der jüdischen Gemeinde zugeordnete Gesellschaft zum Studium heiliger Schriften (Talmud und Torah) durch Schüler (Bachurim) unter Leitung eines oder mehrerer Rabbiner. Für gewöhnlich verfügte ein Beth Hamidrasch auch über eine eigene kleine Synagoge. Geschichte und Programmatik: Am 27. September 1743 beschloss die Leitung der Jüdischen Gemeinde Berlin, die Gründung eines organisatorisch selbständigen Beth Hamidrasch vorzubereiten. Die finanzielle Grundlage bildeten bereits vorliegende Vermächtnisse und Spendengelder. Bis dahin hatte in Berlin keine religiöse Lehreinrichtung bestanden. Schon einen Monat später, am 27. Oktober 1743, fand die Gründung statt. Am 23. Dezember 1743 beschloss die Gemeindeleitung, der Gesellschaft das bis dahin leere, gemeindeeigene Grundstück Heidereutergasse 4, vor der Synagoge, zum Bau eines Lehrhauses auf

Kosten des BHM zur Verfügung zu stellen. Der dreistöckige Bau wurde 1744–1745 errichtet und bot Platz für einen Betsaal, Lehrräume und Dienstwohnungen. 1834 wurde das Gebäude wegen Baufälligkeit abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der bis zur Zerstörung im II. Weltkrieg existierte. Die innere Verfassung des BHM ließ in den 1830er Jahren allerdings auch aus der Per­ spektive der orthodoxen Kräfte viel zu wünschen übrig. Eine Reform und Renovierung der Lehrstuben, der Bibliothek und der Synagoge machten aus der Einrichtung wieder eine würdige Lehranstalt. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen mit dem Gemeindevorstand, der der Gesellschaft die Selbständigkeit absprach und Anspruch auf das Haus des BHM erhob. Zur Verstärkung des Konfliktes trug bei, dass die Gemeindeleitung zur Jahrhundertmitte in liberale Hände überging, während sich beim BHM neoorthodoxe Kräfte durchsetzten. Dementsprechend bestimmte die Vereinssatzung 1913, dass die Vereinssynagoge „nach dem überlieferten Ritus“, also orthodox, geführt werden müsse. Das BHM konnte seine Selbständigkeit schließlich verteidigen. Beim Gebäude wurde ein Kompromiss erzielt. Am 6. November 1912 erfolgte die Eintragung der Gesellschaft ins Vereinsregister unter der Nummer 1532 als äußeres Zeichen der Unabhängigkeit. 807

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Struktur und Organisation: Die Gesellschaft Mitglieder: a) Allgemeines: Zunächst wurwurde bei ihrer Gründung von fünf Gabbaim den als Mitglieder der Gesellschaft nur Män(Vorstehern) geleitet. Spätestens 1769 trat an ner aufgenommen, später (vermutlich ab der ihre Stelle ein dreiköpfiger Vorstand und die Zeit um 1900) wurden auch Frauen zugelasKommission der 18 (auch: 18er Kommissi- sen, zunächst aber noch ohne aktives und pason). In die Kompetenz der letzteren fiel un- sives Wahlrecht. Die Satzung von 1913 beter anderem die Wahl der im BHM angestell- stimmte, dass Personen, die aus dem Judenten Rabbiner. Dem Vorstand oblag die Buch- tum ausschieden oder ihre Kinder nicht jühaltung und die Anwendung der Statuten- disch erzogen, automatisch die Mitgliedschaft vorschriften. Als Rabbiner fungierten zum verloren. – 1768 hatte der Verein 109 Mitglieeinen direkt vom Verein angestellte Geistli- der, 1871: 239, 1882: 189, 1885: 208 (inkl. che, die Gehalt und eine Dienstwohnung er- immerwährende), 1888: 239, 1889: 249. – b) hielten, zum anderen Gemeinderabbiner. Die Vorstand: Gabbaim 1743: Samuel HalberAufgaben des BHM-Rabbiners wurden 1766 stadt (gest. 1743), Löb Halberstadt, Abraham wie folgt festgelegt: 1. vormittags Unterricht Rintel, Liepmann Neckarstein, Herz Klefür Schüler im Alter bis zu 18 Jahren; 2. Un- ve. – Vorsitzender 1770/71: Löb Halberstadt. terricht auf dem gesamten Gebiet des Tal- – Vorstand 1820–1827: Salomon Veit (1751– mud und der zugehörigen kasuistischen Lite- 1827), Samuel Bernsdorff (= Bendix; 1747– ratur; 3. Vorträge am Nachmittag, zu denen 1835). – Vorstand 1827: Simon Veit (vermutder Zutritt auch Nichtstudierenden erlaubt lich Fehler in der Überlieferung, da Simon ist; 4. zu Schabat ein Vortrag über ein Thema Veit bereits 1819 gestorben war), Isaak Moser. aus dem Gebiet Hagada (Agada) und 5. kei- – Vorstand 1830: B. Ph. Goldschmidt, Samune rabbinische oder Vortragstätigkeit außer- el Aron (1831 stattdessen Joseph Levin Heckhalb des BHM ohne Zustimmung des Vor- scher), Moser. – Weitere, nach 1830 amtierenstands. Dafür erhielt der Rabbiner freie Woh- de Vorsteher siehe: Zur Geschichte des Beth Hamidrasch, 1913. – c) Einzelmitglieder: nung und ein Gehalt von drei Talern. Mitglieder 1768 (erfasst nach Stern, bis inkl. Lehrpersonal (Rabbiner): 1743–1762: Naph- S.  26): (Nr.  6)? Ißachar Bär/Behrend/Beer/ tali Herz/Herz Pila (gest. 1762). – 1743–1770: Berndt Moses/Berndt Bolle/Be(h)rend MoJoel Sachs (gest. 1770). – 1743–1765: Jere- ses Levi(n) (gest. 1789); (Nr. 9) Wolf Moses mias Hirsch (gest. 1765). – 1763–1768: Ger- Halberstadt/Meyer (gest. 1784); (Nr. 13) Elison Unger (gest. 1768). – 1766–1778: San- as Hirschel Fränkel (1720–1791); (Nr. 18) Abvil Neugaß (gest. 1778). – 1770–1783: Je- raham Krotoschin (gest. 1783); (Nr. 19) Liephuda Löb/Löbel Fernbach/Farrnbach (gest. mann Meyer Wulff (1745–1812), Großvater 1798/1800). – 1778–1824: Schemaja Lands- Meyerbeers; (Nr. 21) Beermann Zülz/Bernberg = Simon Joachim Landsberger (1744– hard Isaac Zülz (gest. 1768), Prinzipal Moses 1824). – 1783–1826: Meyer Simon Weyl Mendelssohns; (Nr. 23) David Bruck/Bruch (1744–1826). – 1824–1870: Michael Lands- (gest. 1780); (Nr. 26) Wolf/Wulff Joseph Rinberger (1804–1870). – 1826–1869: Elchanan tel (gest. 1799); (Nr. 31) Baruch Bendit/BenRosenstein (1796–1869). – 1869–1899: Esri- dix Michael Bamberger/Bernd Hirsch (1735– el Hildesheimer (1820–1899). – 1871–1885: 1809); (Nr. 35) Abraham Moses/Schlesinger/ Bernhard Zomber (1821–1885). – bis 1886: Frankfurter (gest. 1798); (Nr. 36) Hirsch FanDavid Cassel (1818–1893). – 1885–1904: Ab- ti/Zewi Hirsch/Hirsch Behrend Salomon raham Biberfeld (1831–1904). – 1900–1910: (1752–1796); (Nr. 38) Seew Wolf/Wulff ElEsra Munk (1867–1940). – 1905–1930er Jah- kisch/Hirsch (gest. 1783); (Nr.  40) Isserl/ re: Eduard Chaim Biberfeld (1864–1939). Israel Berlin/Michel/Fränkel (gest. 1799); 808

Beth Hamidrasch [BHM]

(Nr. 44) Daniel Itzig (1723–1799); (Nr. 45) Abraham Zewi (gest. 1790); (Nr. 46) Itzig/ Isaak Flesch (gest. 1799); (Nr. 50) Benjamin Levin Cohn (1727–1792); (Nr. 51) Abraham Potsdam/Potsdamer/Levin/Levi/Schulhoff (gest. 1771); (Nr. 53) Dow Bär/Bernd Ephraim (1734–1788); (Nr. 60) David Benjamin Eger (gest. 1802); (Nr. 61) Baruch Jeremias Eschwe (1736–1801); (Nr. 62) Arje Löb/ Levin Ephraim (1728–1821); (Nr.  70) Baruch Beermann Levy Taus(k) (1739–1811); (Nr. 73) Elkan/Jonas Salomon Nauen (gest. 1795); (Nr. 75) Daniel Gewer/Geber, Daniel Jacob (1726–1791); (Nr. 81) Seew Wolf Goslar (gest. 1772); (Nr. 92) Itzig Levy/Heidelberg (gest. 1785); (Nr. 95) Abraham Fürth/ Fränkel (gest. 1803); (Nr. 99) Herz Cohn/ Herz Aron (gest. 1769); (Nr.  102) Rintel; (Nr. 108) David Nathan (1731–1778); zudem: Moses Mendelssohn (1729–1786), Juda Veit (ca. 1709–1786), Samuel Aron (gest. 1779).

Stiftungskuratorium verwaltet und existierte, bei mehrfachen organisatorischen Umstrukturierungen, bis ins 20. Jahrhundert.

Bibliographie: 1) Archivquellen: Das Archiv des BHM, das 1931 noch existierte, ist heute verschollen. Auch der Verbleib der reichhaltigen und kostbaren Bibliothek mit über 2500 Bänden ist unbekannt. – 2) Drucksachen: a) Statuten/Satzungen: 1768: Statuten des Beth-Hamidrasch-Institutes v. J. 1768. Berlin 1864. (Diese bei Stern, S. 15 erwähnte Schrift ließ sich nicht ermitteln.). – 1875: Statut der Beth-Hamidrasch-Gesellschaft zu Berlin 1875 (5635). Berlin 1875. – 1913: Satzung des Beth-Hamidrasch zu Berlin. (Eingetragener Verein). Berlin 1913. – b) Sonstiges: Namens-Verzeichnis sämtlicher Mitglieder des Beth-Hamidrasch e. V. zu Berlin. Berlin 1914. – Zur Feier des 150jährigen Bestehens der Beth-Hamidrasch-Gesellschaft. 16. Dezember 1893. Festgedicht. Berlin Querverweise auf andere Vereine: Mach- 1893. – 3) Forschungsliteratur: Fehrs, Jörg sekem Lomde Thora (auch: Machasikej Lom- H.: Von der Heidereutergasse zum Roseneck. dej Tora, Gesellschaft zur Förderung des Thora- Jüdische Schulen in Berlin 1712–1942. Berlin Studiums) wurde am 15. Januar 1792 mit dem 1993, S. 31–34. – Stern, Moritz: Das VereinsZiel gegründet, arme Gelehrte zu unterstüt- buch des Berliner Beth Hamidrasch 1743– zen; sie existierte bis mindestens 1811. – Tal- 1783. Berlin 1931 (= Beiträge zur Geschichmud-Verein (Chewras Schass), gegründet 1852, te der Jüdischen Gemeinde Berlin, Heft 4). verhandelte mit dem BHM mehrfach erfolglos – Zur Geschichte des Beth Hamidrasch in über eine Fusion; die Auflösung erfolgte 1940 Berlin. In: Satzung des Beth-Hamidrasch zu durch die Gestapo. – Veitel-Heine-Ephraim’sche Berlin e. V. Berlin 1913, S. 3–19. – 4) MeStiftung (auch als kleines Beth Hamidrasch be- moiren: Heymann, Aron Hirsch: Lebenserzeichnet) wurde 1773 gegründet, von einem innerungen. Berlin 1909, S. 391–398.

Sebastian Panwitz

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14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

Heiratsgesellschaft [HeiG] Name: Heiratsgesellschaft. Gründung: 8. August 1776. Auflösung: 1794. Sitz: Nicht bekannt. Programm: Zweck des Vereins war die gegenseitige Unterstützung der Mitglieder im Heiratsfall. Sollte die Tochter, Enkelin oder Schwester eines Mitglieds heiraten, zahlten die übrigen Mitglieder jeweils einen bestimmten Geldbetrag zur Bestreitung der Aussteuer und Hochzeitskosten. Geschichte und Programmatik: Der Heiratsverein wurde als Alternative zur seit 1720 bestehenden Gesellschaft  Hachnassath Kallah gegründet, von der er sich darin unterschied, dass er 1) sich nicht als Institution der jüdischen Gemeinde, sondern als Privatverein sah, 2) nicht von den traditionell orientierten Gemeindeeliten, sondern von Vertretern oder Anhängern der jüdischen Aufklärung (Haskala) getragen wurde und dementsprechend von seinen Mitgliedern keinen traditionellen Lebenswandel forderte und 3) auch Witwen sowie weniger bemittelten Personen offen stand. Waren bisherige Organisationen in der jüdischen Gemeinde vom Gedanken der Unterstützung Bedürftiger im Rahmen religiöser Verpflichtung geprägt, handelte es sich bei der HeiG vermutlich um den ersten Verein gegenseitiger Selbsthilfe. Struktur und Organisation: Der erste Vorstand setzte sich aus den Initiatoren des Vereins zusammen. Beim Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds wurde sein Nachfolger durch die verbliebenen Vorstandsmitglieder bestimmt. Der Vorstand haftete persönlich für die Richtigkeit der Finanzen. Die Aufnahme neuer Vereinsmitglieder erfolgte durch Mehrheitsentscheid einer Kommission, welcher der Vorstand sowie zehn weitere Vereinsmitglieder, die per Los bestimmt wurden, angehörten. Ein Neumitglied 810

hatte einen Reichstaler Eintrittsgeld sowie zwei Groschen für das Mitgliedsbüchlein, in welchem die Beitragszahlungen vermerkt wurden, und sonstige Verwaltungsausgaben zu zahlen. Die Beitragshöhe im Falle einer Hochzeit lag je nach Mitgliederzahl zwischen 16 Groschen und einem Reichstaler. Das Mitglied, dem die Finanzierung einer Hochzeit bevorstand, erhielt eine Unterstützung in Höhe von maximal 200 Reichstalern. Nach zehn Jahren Mitgliedschaft konnte einem wirtschaftlich weniger bemittelten Mitglied der Beitrag halbiert oder ganz erlassen werden. Mitglieder: Vorstand 1776: Daniel Itzig, Jacob Moses, Isaac Benjamin Wulff, Moses Mendelssohn, Zacharias Veitel Ephraim. – Weitere Mitglieder (1777–1782): Isaac Abraham, Isaac Marcus, Levin Joseph, Abraham Salomon jr., Levin Aron Saul, Behrend Wolff Perlheffter, Isaac Moses Abraham, Levin David Fränkel, Hirsch Jacob, Behrend Levin Elkisch, Joseph Abraham, Joseph Levin Elkisch, Salomon Jacob, Meyer Benjamin Levi, Hirsch Marcus Ephraim, Alexander Moses, Jacob Moses, Levin Levi, Lazarus Jacob Gottschalk, Moses Marcus Ascher, Zacharias Hirsch, Moses Isaac Levi, Benjamin de Lemos (1711–1789; Mitglied für seine Tochter Henriette, verh. Herz), Hirsch Salomon, Lazarus Isaac Oppenheim, Nathan Liepmann, Baruch Moses, Beer Marcus Riess, Lazarus Hertz, Isaac Salomon, Philipp Isaac Ries, Jacob Meyer Riess, David Salomon, Marcus Abraham, Juda Veit (ca. 1709– 1786, Mitglied für seine Tochter Edel, verh. Mertens), Samuel Bendix Gumpertz, Meyer Samuel Seckel, Herz Abraham Leffmann, Moses Marcus Assur, Joseph Salomon. Bibliographie: Archivalien: UB Frankfurt a. M., Jud. Germ. 765 (Satzung von 1776 auf Deutsch mit hebräischen Buchstaben). – Literatur: Keuck, Thekla: Hofjuden und Kulturbürger. Die Geschichte der Familie Itzig in

Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung) [CCN]

Berlin. Göttingen 2011 (= Jüdische Religion, Geschichte und Kultur, Bd. 12). – Plan und Errichtung einer Heiratsgesellschaft 1776. In: Jüdische Trauungen in Berlin 1759–1813. Mit Ergänzungen für die Jahre 1723 bis 1759. Bearb. und hg. v. Jacob Jacobson. Berlin [West] 1968, Dokument 1, S. 619–625 (= Veröffent-

lichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 28; Quellenwerke, Bd. 4). – Weinryb, Bernhard: Eine jüdische Organisation zu gegenseitiger Hilfe in Berlin vor 150 Jahren (Ueber die jüdische Heiratsgesellschaft). In: Jüdische Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik NF 4 (1933/34), S. 293–297.

Sebastian Panwitz

Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung) [CCN] Name: ‫חברת חנוך נערים‬, Chevrat Chinuch Ne’arim; Cheder Chinuch Ne’arim; Jüdische Freyschule zu Berlin; Institut Chinuch Ne’arim. Gründung: 1778 (es existiert keine Gründungsurkunde); 26. April 1781 (Aufnahme eines geregelten Unterrichts an der Freischule). Bestand: Bis 29. Dezember 1825 (Auflösung der Freischule). Sitz der Freischule: 1778–ca. 1784: Spandauer Straße; ca. 1784–1806: Geckhol (oder: Jeckeholl, Jeckeholz) 8 / Klosterstraße 35 („Fortsetzung der Klosterstraße, von der Papenstraße […] bis an die neue Friedrichsstraße“); 1806– 1818: Klosterstraße 9, 3. Stock; 1818–1825: Rosenstraße 12 (gemeindeeigenes Haus der „Vorsteher der Neuen Synagoge“). Programmzitat: „[…] Bey allen diesen Verbeßerungen, die wir bisher vorgenommen, haben wir niemahls das Ziel aus den Augen gelaßen, das wir uns bey Stiftung dieser Schule gesetzt, und vorerst zu erreichen gesucht haben. Wir haben nämlich uns bisher noch nicht vornehmen können, die völlige Erziehung der Kinder zu dirigiren, als wozu uns die Fonds, die Zeit, und die Kräfte vor der Hand fehlen; sondern wir haben uns eingeschränkt: Bloß die Kenntniße die ein jedes Kind bisher in Nebenstunden in seinem väterlichen Hause zu erlernen pflegte, methodischer, faßlicher, und gründlicher in unsrer Schule lehren zu laßen, und den Unterricht in demselben, zum

Abb. 149  Emblem der Chevrat Chinuch Ne’arim. Ausschnitt aus David Friedländers Lesebuch für jüdische Kinder, Berlin 1779.

Theil ganz unentgeltlich, zum Theil weniger kostbahr zu machen. […] Sollten aber, wie es verlauten will, sich bemittelte Mitglieder unsrer Gemeinde zu Berlin finden, denen unser Institut und unsre Ordnung, dermaßen gefällt, daß sie gesinnt sind, dem Institut Capitalie zu einem Fond zu schenken, damit unser Schulunterricht größeren und ausgebreiteteren Nutzen haben könne; so sind wir nicht abgeneigt ihrem Verlangen zu willfahren. In diesem Fall, wenn uns diese Männer, Fähigkeit, guten Willen, und redliche Absichten zutrauen, sind wir bereit, das ganze Erziehungsgeschäft zu übernehmen, und unsre Sorgfalt auch auf limudej ha-tora, jireat ha-schamajim, u-middot we-hanhagot derech erez [religiöse Studien und Sittenlehre] aus zu dehnen“ (Programmschrift vom 19. Februar 1783). 811

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

Geschichte und Programmatik: Die CCN war die erste jüdische Aufklärungsgesellschaft in Berlin. Sie ging aus Zusammenkünften einiger Maskilim (jüdischer Aufklärer) hervor, die sich seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts regelmäßig in den Privatwohnungen ihrer Mitglieder oder ideellen Unterstützer zusammenfanden. Insofern hatte die CCN selbst keinen festen Sitz, wohl aber die von ihnen initiierte jüdische Freischule, deren innere Einrichtung, Organisation und Lehrplankonzeption die Anfangsjahre der CCN bestimmten. Ihren Sitz erhielt die Schule zuerst in der Spandauer Straße, dann um 1784 mietfrei im ehemaligen Wohnhaus Daniel Itzigs im Jeckeholz, einer Verlängerung der Klosterstraße. Die Gründung der Freischule selbst war bereits die hauptsächliche Zielsetzung der CCN, mit der sie einen Ort schufen, an dem ihre Programmatik einer modernen, nach aufgeklärten Grundsätzen geführten, ganz neuen jüdisch-bürgerlichen Erziehung und Schulbildung praktiziert werden sollte. Es sollte auch der Ort sein, Moses Mendelssohns 1783 erschienene Pentateuchübersetzung als Lehrbuch einzusetzen und somit zu größerer Wirkung zu verhelfen. In den Anfangsjahren wurden Realien wie deutsche Grammatik, Geographie und Zeichnen nur nachmittags, zusätzlich zum traditionellen Unterricht an der Talmud Tora-Schule, gelehrt. Mit einem programmatischen Aufruf unternahm die Direktion im Februar 1783 den Versuch, auch religiöse Unterrichtsinhalte zu übernehmen. Mit diesem Programm offenbarte die CCN ihr übergeordnetes Ziel einer von der jüdischen Gemeinde getragenen „öffentlichen Stiftung“, an der sich säkulare Fächer und Religionsunterricht gegenseitig ergänzen sollten, um mit den Schulabsolventen einen neuen Typus des sittlich und moralisch gebildeten wie auch sprachgewandten und bürgerlich gebildeten Juden zu schaffen: der Gegenpart zum traditionell erzogenen Talmudschüler. Dieser ursprüngliche Plan scheiterte am Widerstand der traditionellen Gemeinde812

mehrheit. Man befürchtete den Bruch mit der Tradition und Glaubensverlust. Damit konnte das Hauptziel der CCN, das neue Bildungskonzept zu etablieren und ihm in der gesamten jüdischen Gemeinde Berlins Geltung zu verschaffen, zunächst nicht verwirklicht werden. Nach dem Vorstoß von 1783 blieb die Freischule eine private Institution, ohne finanzielle Unterstützung oder ideellen Rückhalt durch die jüdische Gemeinde, angewiesen auf Schulgeld und private Kontribuentenzahlungen. Eine einzigartige und außergewöhnliche Finanzierungsquelle eröffneten Mitglieder der CCN mit der Einrichtung einer hebräischen Druckerei (Orientalische Buchdruckerey), deren Einnahmen der Schule zu Gute kommen sollten und für die sie 1784 eine staatliche Konzession erhielt. Die für die Anlegung von Druckerei und Buchhandlung erhobenen Steuern wurden auf Bitte der Schuldirektoren erlassen, weil die Freischule von den Behörden als „nützliche milde Stiftung“ bewertet wurde und als solche nicht der Steuerpflicht unterlag. Noch das letzte Buch, das 1822 in der Orientalischen Buchdruckerei verlegt wurde, trug den Vermerk „biDefus Chevrat Chinuch Ne’arim“ – im Druck bzw. im Verlag der CCN. Einen tiefen Einschnitt in die Geschichte der CCN brachte das Jahr 1799 mit Daniel Itzigs Tod. Bis zu diesem Zeitpunkt war Itzig der Hauptfinanzier der Freischule gewesen, die ihre Räumlichkeiten zwar noch behalten konnte, nun aber nicht mehr mietfrei. Infolge des Konkurses der Firma Itzig & Co. 1796 wurde die Freischule in Daniel Itzigs Testament entgegen eines ursprünglichen Plans nicht bedacht. Firmeninsolvenz und Verlust des Hauptunterstützers zogen einerseits ernsthafte Finanzierungsprobleme nach sich, andererseits wagte die CCN nun erneut die Aufnahme religiöser Unterrichtsinhalte. War noch Ende 1796 kein expliziter Religionsunterricht vorgesehen gewesen – gelehrt wurde Schreiben und Lesen, Deutsch und Franzö-

Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung) [CCN]

sisch, Rechnen und Buchhaltung, Zeichnen und Geographie –, so wurde ab 1800 erstmals ein Lehrer eingestellt, der für das Fach „Religion und Moral“ zuständig war. Seitdem wurde nun auch ganztägig unterrichtet. Bis 1803 hatte sich der Fächerkanon zu einem beträchtlichen Umfang erweitert. Der Unterricht umfasste die vom Oberschulkollegium für Bürger- bzw. Mittelschulen empfohlenen, zuzüglich spezifisch jüdischer Fächer: Sprachen (Deutsch, Französisch und Hebräisch), Künste (Zeichnen, deutsche und lateinische Schrift, hebräische Kursivschrift) und wissenschaftliche Kenntnisse (Geographie, Naturkunde mit Physik, Chemie, Naturgeschichte, Technologie und Warenkunde, Rechnen, Maß-, Münz- und Gewichtskunde, kaufmännisches Buchhalten, Geschichte, Mathematik, Religion und Moral). Später, ab Juli 1820, wurde auch Gesang unterrichtet. Die Freischuldirektion bemühte sich ab der Jahrhundertwende vermehrt um Anerkennung als öffentliche Bürgerschule durch das Oberschulkollegium und um Unterstützung durch die jüdische Gemeinde. Diese Jahre waren bestimmt von zunehmenden Finanzierungsschwierigkeiten, 1806 bedingt durch die Niederlage Preußens und den Tod des langjährigen Schuldirektors, der mit dem Verlust ihres bisherigen Schullokals einherging. Die neue Unterkunft gegenüber in der Klosterstraße 9 war ein „elendes Nest“. Während die Gemeinde der Freischule nach wie vor ablehnend gegenüberstand, erhielt sie zunehmend Zustimmung bei den Behörden. Die Direktion war befugt, „fremden“, zumeist polnischen Schülern für die Zeit ihres Schulbesuchs Aufenthaltsgenehmigungen auszustellen. Nach langem vergeblichen Bemühen erwirkte der neue Schuldirektor 1818 endlich die Erlaubnis, mit der Schule größere und schönere Räume in einem gemeindeeigenen Haus in der Rosenstraße 12 beziehen zu dürfen. 1819 sorgte das staatliche Verbot des Schulbesuchs christlicher Kinder an jüdischen Schulen dafür, dass die Freischule einen hohen Anteil an bei-

tragenden Schülern verlor. Die Einrichtung einer Gemeindeschule wurde zu einer letztmöglichen Zielsetzung. 1823 erhielt die Freischule ideelle Unterstützung durch den Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden. Es wurden von verschiedenen Seiten Pläne zur Einrichtung einer Gemeindeschule entworfen. Den Gemeindemitgliedern teilte man schließlich im Dezember 1825 die Eröffnung der jüdischen Gemeindeknabenschule mit. Diese übernahm das Schullokal in der Rosenstraße sowie alle Schüler und alle jüdischen Lehrer. Nachdem die Gemeindeschule 1829 mit der Talmud Tora-Schule vereinigt wurde, nannte sie sich Gemeindeschule Talmud Tora und entsprach mit ihrer ausgeprägt jüdischen und bürgerlichen Komponente wohl am ehesten den ursprünglichen Absichten der CCN, die mit ihrem Plan, ein allumfassendes Erziehungsinstitut zu schaffen, den traditionellen Unterricht an der Talmud Tora-Schule in den Fächerkanon der modernen Schule hatte integrieren wollen. Doch während die jüdische Freischule unter Führung der CCN ein Projekt der Haskala war, das einzuordnen ist in die aufklärerischen Bestrebungen einer kulturellen und literarischen Modernisierung des Judentums durch Reform und Verbürgerlichung des traditionellen jüdischen Erziehungswesens und in die politischen Emanzipationsdebatten bis 1815, ging es der Direktion der Gemeindeschule von 1829 um die Bewahrung und Festigung jüdischer Identität und Religiosität in einer zunehmend säkularisierten und reaktionären bürgerlichen Gesellschaft. Struktur und Organisation: Die CCN war verantwortlich für die Organisation und Finanzierung der Freischule sowie für die Auswahl der Lehrer und für die konzeptionelle Gestaltung des Lehrplans. Aus ihr gingen außerdem die Angehörigen des Direktorats hervor, die ihre Tätigkeit an der Freischule unentgeltlich verrichteten. Jeweils am letzten Sonntag eines Monats wurden Direktionsver813

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sammlungen einberufen, nach Bedarf auch Lehrerkonferenzen. Es gab keine schuleigenen Fonds, so dass die Schule auf private Geldgeber und Schulgeld angewiesen war. Schüler aus armen Familien erhielten den Unterricht kostenlos. Dieser Schulgeldbefreiung liegt die Benennung „Freischule“ zugrunde. Zusätzliche Einnahmen hatte die Schule durch die ihr angeschlossene Druckerei, durch die Mieteinnahme für die schuleigene MendelssohnBüste, die schon bald nach ihrer Anfertigung 1785 aus der Schule entfernt und verliehen wurde, und durch den Verkauf eines Kupferstichs mit dem Porträt Moses Mendelssohns, das die CCN 1787 mit Widmung der Freischule an König Friedrich Wilhelm II. anfertigen ließ. Noch um 1820 wurden Exemplare davon verkauft. Einnahmen aus der Druckerei erbrachte hauptsächlich der Verkauf des jüdischen Kalenders und diverser Gebetbücher.

Erneuerte Gesetze für die Lehrlinge der jüdischen Freyschule zu Berlin wurden im Dezember 1797 erlassen, eine Disziplinierungsmaßnahme, die besonders durch die Aufnahme vieler „fremder“ Schüler aus den neuen Provinzen Neuost- und Südpreußen notwendig geworden war. Es ging um regelmäßigen Schulbesuch, um Pünktlichkeit, Sauberkeit, die Einhaltung von Ruhe und die Vermeidung von Störungen während des Unterrichts. Es ging aber auch um die fristgemäße Abgabe des monatlichen Schulgelds und um die Regelung von Feier- und Ferientagen. Beste Leistungen und gutes Benehmen – auf „das sittliche Betragen“ wurde besonders Wert gelegt – wurden mit kleinen Geschenken und Empfehlungen beim Schulabgang belohnt. Bei Zuwiderhandlungen drohte der Schulausschluss. Die Möglichkeit, Kenntnisse und Sittlichkeit unter Beweis zu stellen, boten vor allem die halbjährlichen internen Prüfungen sowie die einmal im Jahr abgehaltene öffentliche Prüfung. Bis 1806 wurden die öffentlichen Prüfungen in den Räumlichkeiten der Schule abgehalten, zwischen 1807 und 1818 mussten wegen der beengten Verhältnisse des 814

derzeitigen Schullokals andere Veranstaltungsorte in der Nähe aufgesucht werden: Spandauer Str. 21, Klosterstr. 92, Neue Friedrichstr. 56, Klosterstr. 56, Klosterstr. 36, Neue Friedrichstr. 22. Die öffentlichen Prüfungen wurden sowohl in der Haude & Spenerschen Zeitung als auch in den gedruckten Programmen Nachricht von dem Zustande der jüdischen Freyschule in Berlin angekündigt. Zwischen 1803 und 1825 gaben die Direktoren insgesamt 16 dieser Schulprogrammschriften heraus, in denen sie über die neuesten Entwicklungen in der Freischule, Lehrmethode, Lehrplanänderungen, Schülerzahlen, neues Lehrpersonal, etc. berichteten und detaillierte Auflistungen der Einnahmen und Ausgaben der Schule lieferten. Bis zu ihrem Ausschluss im September 1819 hatte die Freischule einen nicht unbedeutenden, von Jahr zu Jahr wechselnden, Anteil an christlichen Kindern in ihrer Schülerschaft. Am Hebräisch- und Religionsunterricht nahmen sie nicht teil, wohl aber am Unterricht in „Jüdisch Schönschreiben“. Das gemeinsame Gebet gehörte zum täglichen Ritual der Freischule. Ein christlicher Beobachter berichtete nach der öffentlichen Prüfung von 1807, die Freischule gebe „ganz geräuschlos und im Stillen ein schönes Muster ächter Toleranz und Unparteilichkeit […]. Kinder beider Confessionen, der jüdischen und der christlichen, stehen untereinander, beten, ohne an einander Anstoß zu nehmen, jene mit bedecktem, diese mit unbedecktem Haupte, zu unserem gemeinschaftlichen Schöpfer und Vater im Himmel, und treiben das gemeinsame Werk des Fleißes und der Uebung mit brüderlichem Wetteifer“ (Propst Hanstein, Haude & Spenersche Zeitung No. 63 vom 26. Mai 1807). Das Personal der Freischule setzte sich aus ein bis zwei Direktoren, ein bis drei Inspektoren (Studien-, Ökonomie- und Kasseninspektor), drei bis acht Lehrern (jüdische und christliche) und einem Pedell zusammen. Manche Inspektoren waren Lehrer an der Freischule, unter ihnen befanden sich auch Christen.

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1803 wurden die Aufgaben der Direktion detailliert beschrieben: „Sie hält jeden Son[n] tag vor dem ersten eines jeden Monats eine Versammlung zur Berathschlagung über alle auf den Unterricht, die Oeconomie oder die Cassengeschäfte der Stiftung Bezug habende Gegenstände, die in dieser Versammlung nach Mehrheit der Stimmen entschieden werden. Der Director hat in den Versammlungen den Vorsitz und die Entscheidung bei getheilten Stimmen, jedes Mitglied aber den Vortrag über die in sein Departement einschlagende Gegenstände. Jedoch steht es jedem von ihnen frei, auch seine Bemerkungen und Anträge über die Gegenstände der Verwaltung seiner Collegen vorzutragen. Das Protocoll führt derjenige Inspector, der die Secretairiatsgeschäfte besorgt. Die Execution der Beschlüsse haben die Inspectores dergestalt unter sich vertheilt, daß ein Inspector […] alles dasjenige, was zum Unterricht gehört, und zugleich die Lehrclassen und die Disciplin der Lehrlinge; der andere […] alles was in das Fach der innern Oeconomie einschlägt, die Einnahme und Ausgabe mit einbegriffen, und ein dritter […] die Bibliothek, das Archiv, die Controlle der Casse und die Secretariatsgeschäfte unter seiner speciellen Besorgung hat. Ein besoldeter Copist ist ihnen zur Erleichterung bei ihren Arbeiten, besonders bei denen des dritten Inspectors beigeordnet. Der Director leitet das Ganze, ertheilt das Mundetur für alle schriftlichen Ausfertigungen, nimmt die Lehrlinge an, bestimmt das Lehrgeld, die außerordentlichen Versammlungen, und verrichtet überhaupt alles, was gewöhnlich zu den Geschäften eines Directors gerechnet wird. Jeden Sonntag nach dem ersten eines jeden Quartals hält die Direction eine Generalversammlung, zu welcher sämmtliche Lehrer eingeladen werden, und ihre Anträge, Vorschläge und Bemerkungen mittheilen können“ (Programmschrift vom Mai 1803). Am 3. Oktober 1803 wurden Neu

revidirte Gesetze für die Geschäftsverwaltung bei der jüdischen Freischule erlassen, die den Lehrplan sowie die Organisation der Schule regel-

Abb. 150  Titelblatt des Programms der jüdischen Freischule von 1803.

ten. Thematisch waren sie in vier Abschnitte mit 38 Paragraphen untergliedert: „Von den Lehrgegenständen“, „Von der Verwaltung der Schulangelegenheiten“, „Von den Einkünften der Schule“ und „Von den Erfordernißen zur Aufnahme als Lehrer“. Als der erste Direktor starb, wurde sein Nachfolger im Juli 1806 von den Inspektoren und Lehrern vorgeschlagen. Die Entscheidung über die Wahl des neuen Schulleiters lag aber bei den Kontribuenten der Freischule, ihren langjährigen privaten Geldgebern, die nun den hauptsächlichen Mitgliederkreis der CCN stellten. Die Wahl des neuen Direktors wurde vom Königl. Staatsministerium bestätigt. Die Mitglieder: Mitgliederlisten der CCN existieren nicht. Aus den Quellen lässt sich jedoch der Mitgliederkreis erschließen. Er um815

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Abb. 151  Moses Mendelssohn. Marmorbüste von Jean Pierre Antoine Tassaert, 1785.

fasste einen kleinen Kern an aktiven Mitgliedern und ideellen Förderern (Gründungsmitglieder und Direktorat) sowie eine weit größere Anzahl an finanziellen Unterstützern der Freischule (Kontribuenten). Im weiteren Sinn können auch deren Lehrer den Förderern der CCN zugerechnet werden, da sie ihre Tätigkeit aus ideellen Gründen für ein geringeres Gehalt als an anderen Schulen üblich ausübten, auf das sie in den Krisenjahren nach 1806 sogar zeitweilig ganz verzichteten. – Initiatoren der Freischule waren der Hofbauinspektor, später Königlicher Hofbaurat, Isaac Daniel Itzig und der Kaufmann und Seidenfabrikant David Friedländer, Sohn und Schwiegersohn Daniel Itzigs, einer der wohlhabendsten Juden Berlins, der der Schule mietfreie Unterkunft und den Hauptanteil an finanzieller Unterstützung gewährte. Isaac Daniel Itzig und David Friedländer waren in ihrer Frühphase gemeinsam Direktoren der Freischule. Mit Ben816

jamin Daniel Itzig und seinem Cousin Jacob Isaac Wulff als erste Kassen-Inspektoren gehörten zwei weitere Angehörige der Familie Itzig dem frühen Direktorat an. Benjamin Daniel war stiller Teilhaber der Firma Itzig & Co., deren Geschäfte sein Bruder Isaac Daniel Itzig führte. Das ursprüngliche Bildungs- und Unterrichtskonzept der Freischule geht maßgeblich auf David Friedländer zurück, der kurze Zeit nach dem Scheitern des Vorstoßes von 1783 das Direktorat verließ, um sich mit seiner Übersetzung des hebräischen Gebetbuchs verstärkt der Reform des synagogalen Gottesdienstes oder auch seinen Aktivitäten in anderen Gesellschaften der Berliner Haskala, der  Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Gerechten für die Vielen) und der  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten), zuzuwenden. Isaac Daniel Itzig leitete die Freischule bis zu seinem Tod 1806 allein weiter. Danach wurde Lazarus Bendavid, Kantianer, Publizist und Redakteur der Haude & Spenerschen Zeitung, Direktor der Freischule. Dieses Amt behielt er bis zur Schließung der Schule Ende 1825 inne. – Mentor, geistiger Vater und zugleich das prominenteste Mitglied der CCN war Moses Mendelssohn. Einer jener Sabbatabende, an denen sich im Hause Mendelssohns einige jüdische Jünglinge zusammenfanden, um hauptsächlich über Themen wie „Erziehungs- und Bildungsanstalten, Verbesserung des Unterrichts und Empfehlung der deutschen Muttersprache“ zu debattieren, war wohl die Geburtsstunde der CCN. „Der Weltweise sah es gern, daß die jungen Männer vorzüglich über diese Materien mit einander stritten“, berichtete Friedländer später (1819). Inwieweit Mendelssohn bei der Gründung der Freischule aktiv war, kann nicht rekonstruiert werden. Die im Auftrag der CCN angefertigte Mendelssohn-Büste und der Mendelssohn-Stich zeigen aber deren Verbundenheit mit Mendelssohn und dessen pädagogische Vorbild-Funktion für die Bildung der Freischul-Schüler.

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Mit den Porträts hatten sie eine charaktervolle Persönlichkeit vor Augen, nach der sie sich selbst bilden sollten. In den ersten Jahren ihrer Existenz beteiligte sich Mendelssohn aktiv an der Entwicklung der Freischule, indem er Beiträge für Friedländers Lesebuch für jüdische Kinder (1779) lieferte und als einer der Preisrichter eines von der Freischul-Direktion initiierten Preisausschreibens „auf den besten Entwurf einer nach jüdischen Grundsätzen abgefaßten Sittenlehre“ (1783) fungierte. Wei­te­re Preisrichter waren der Berliner Oberlandesrabbiner Hirschel Lewin, der „philosophische Arzt“ Marcus Herz sowie der hebräische Dichter Naphtali Herz (Hartwig) Wessely, der im Jahr zuvor mit seinem von Friedländer ins Deutsche übersetzten Sendschreiben Worte der Wahrheit und des Friedens (1782), dem ersten systematischen Entwurf zur Reform des jüdischen Erziehungswesens, der Freischule ihr Bildungskonzept lieferte. Mendelssohn, Lewin, Herz und Wessely können als frühe geistige Förderer der Freischule dem Mitgliederkreis der CCN zugerechnet werden. Als weitere Mitglieder kommen diejenigen in Frage, die sich am Preisausschreiben beteiligten und Sittenschriften verfassten. Neben Wessely selbst waren dies Isaac Satanow und Simon Höchheimer. Schließlich kann Isaac Abraham Euchel im weitesten Sinn zu den Mitgliedern der CCN gerechnet werden. Aus Königsberg kommend, sollte er 1783/84 durch David Friedländer einen Posten in Berlin vermittelt bekommen, vermutlich handelte es sich dabei um das geplante Amt des Religionslehrers an der Freischule. Mit dem Scheitern des erweiterten Programms von 1783 scheiterte auch dieses Vorhaben. – Die Kontribuenten der Freischule zählten hauptsächlich zur reformorientierten neuen ökonomischen Oberschicht der Berliner Judenschaft. Einen Hauptanteil ihrer Einnahmen erhielt die Freischule durch regelmäßige Zahlungen von Angehörigen der Familie Itzig und deren sozialem Umfeld, die 1806 die Hälfte der Kontributionsbeiträge leistete. In

Abb. 152  Moses Mendelssohn. Kupferstich von Johann Gotthard von Müller, 1787 (© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 636-121).

diesem Jahr zählte die Freischule 100 Kontribuenten, die 513 Taler zahlten. Unter ihnen befanden sich acht (von 15) Kinder Daniel Itzigs: Fanny v. Arnstein (geb. Vogel Itzig), Cäcilie v. Eskeles (geb. Zippora Itzig), Sara Levy, Bella Salomon, Rebecca Ephraim, Recha Itzig, Henriette Oppenheim und Elias Daniel Itzig sowie die beiden Schwiegersöhne Mendel Oppenheim und Bernhard Seligmann. Isaac Daniel Itzig und Benjamin Daniel Itzig waren nach dem Konkurs ihrer Firma nicht mehr zahlungsfähig. Hinzu kamen aber zehn beitragende Enkel, so dass die finanzielle Aufrechterhaltung der Freischule weitgehend als ein Projekt der Familie Itzig anzusehen ist. Spätestens seit dem Tod Daniel Itzigs, 1799, stellte der Kontribuentenkreis die Hauptakteure der CCN. – Auffällig ist die relativ hohe Anzahl von Frauen unter den Kontribuenten, darunter vor allem sieben Töchter Daniel It817

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zigs: die Baroninnen und Wiener Salonièren Fanny v. Arnstein und Cäcilie v. Eskeles und in Berlin Bella Salomon, Rebecca Ephraim, Henriette Oppenheim und die unverheiratete Recha Itzig sowie als eine der Hauptkontribuenten Sara Levy, die in Berlin einen musikalisch-literarischen Salon führte und 1792 Mitglied der  Sing-Akademie wurde. Auch die Töchter von Liepmann Meyer Wulff, dem wohlhabendsten Unternehmer Berlins, zählten zu den Kontribuentinnen: Henriette und Seraphine Ephraim (ab 1816 Ebers). Neben den Angehörigen der jüdischen Wirtschafts­ elite Berlins – Kaufleute, Bankiers, Manufakturbesitzer – bestand die zahlenmäßig größte Gruppe der Kontribuenten aus ‚bemittelten Hausvätern‘, die die Freischule mit geringeren, aber regelmäßigen Jahresbeiträgen unterstützten. – Zu den christlichen Gästen der CCN, die die Freischule aus privatem Interesse oder anlässlich von Schulprüfungen und Schulvisitationen besuchten, zählten der Schriftsteller Friedrich August Cranz, der Aufklärungstheologe und Berliner Propst Gottfried August Ludwig Hanstein, Oberkonsistorialrat und Oberschulrat Johann Wilhelm Heinrich Nolte und Johann Joachim Bellermann, Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster, später Mitglied der Berlinischen Schulkommission und Spezialaufseher für die jüdischen Schulen. Sie alle waren Gönner und ideelle Förderer der Freischule. – Einzelmitglieder der CCN: a) Direktoren der Freischule: Lazarus Bendavid (1806– 1825), David Friedländer (1778 – ca. 1785), Isaac Daniel Itzig (1778–1806). – Frühe Mentoren der Freischule: Isaac Abraham Euchel, Marcus Herz, Simon Höchheimer, Hirschel Lewin, Moses Mendelssohn, Isaac Satanow, Naphtali Herz (Hartwig) Wessely. – Inspektoren der Freischule: Jacob Ezechiel Aronsson (ca. 1800–1806), Salomon Benda (Bendavid) (ca. 1800–1804), Friedrich August Garlipp (1806–1815), Meyer Hirsch (1806–ca. 1808), Benjamin Daniel Itzig (ca. 1778–1796), Marcus W. Koch (1812–1825), Johann Fried818

rich Meyer (1779–1825), Abraham Ries (1806–1825), Levin Wulff Rintel (ca. 1796– 1806), Naumann Simonsohn (Nachman Berlin, ca. 1778–1796), Nathan Ullmann (ca. 1796–1803), Jacob Isaac Wulff (ca. 1778– 1796). – Regelmäßige Kontribuenten der Freischule bis 1815 (Auswahl): Fanny v. Arnstein, Lazarus Bendavid, Samuel Bacher Berend, Abraham Philipp Beschütz, Dr. Alexander Bing, Wilhelm (Wolff) Cassel, Baron Ferdinand v. Dellmar, Joseph Demuth, Henriette Ephraim (Ebers), Rebecca Ephraim, Moses Heiman Ephraim, Seraphine Ephraim (Ebers), Michael Fränkel, Wolff Samuel v. Halle, Calmon (Heinrich Carl) Heine, Isaac Helfft, Recha Itzig, Samuel Levy Itzig, Selig Jacobi (Jacoby), Israel Jacobson, Sara Levy, Jacob Moses Levy, Moses Levy, David Liebmann, Moritz Magnus, Elias Meyer, Johann Friedrich Meyer, Joseph Levin Meyer, Meyer Moses Meyer, Henriette Oppenheim, Salomon Sachs, Bella Salomon, Baruch Simon, Simon Veit, Ephraim Veitel, Dr. J. Michel Wolf, Lipmann Meyer Wulff. – Mehrfache Kontribuenten der Freischule, 1816–1825 (Auswahl): Fanny v. Arnstein, Meyer Samuel Bamberger, Herz Beer, Lazarus Bendavid, Samuel Bacher Berend, Abraham Philipp Beschütz, Dr. Alexander Bing, Jacob Burg, Moses Caspari, Wilhelm (Wolff) Cassel, Israel Behrend Cohen, Jacob Dann, Henriette Ephraim (Ebers), Rebecca Ephraim, Seraphine Ephraim (Ebers), Caroline Fränkel, geb. v. Halle, Israel Levy Friedländer, Nathan Isaac Gerhard, Isaac Goldschmidt, Ruben Gumpertz, Wolff Samuel v. Halle, Calmon (Heinrich Carl) Heine, Isaac Helfft, Hartwig Hirschfeld, Samuel Hirschfeld, Edel Itzig, Recha Itzig, Samuel Levy Itzig, Israel Jacobson, Meyer Jacobson, Heymann Jacoby, Selig Jacoby, Israel Lazarus Jaffé, Heinrich Lassar, Joseph Ludwig Lesser, Sara Levy, Jacob Moses Levy, Moses Levy, Samuel Levy, David Liebmann, Baruch Levin Lindau, Abraham Löwenthal, Moritz (Meyer) Magnus, Abraham Mendelssohn, Joseph Mendelssohn, Elias

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Meyer, Johann Friedrich Meyer, Joseph Levin Meyer, Meyer Moses Meyer, Jacob Normann, Henriette Oppenheim, Moses Pinkson, David Jacob Ries, Salomon Sachs, Bella Salomon, Baruch Simon, Abraham Simonsohn, Philip Veit, Simon Veit, Dr. J. Michel Wolf, Moses Israel Wulff, Lipmann Meyer Wulff, Daniel Israel Wulff. – Lehrer der Freischule (bis 1815): Jean André, Isaac Baruch Aron, M. Badowitz, Friedrich Benda, Abraham Philipp Beschütz, Lesser Beschütz, Joseph Bielfeld, L. Friedrich Bonte, Salomon Jacob Cohen (= Schalom Kohen), Wolf Isaac Cohn, Georg Cords, Wolf Joseph Beer Curländer, Levy David, Franz Fayon, Aaron Friedenthal (Jaroslaw oder: Jaroslawer), Hirsch Gabriel, Friedrich August Garlipp, Kupferstecher Heinersdorff, Israel Jacob, Marcus W. Koch, , Johann Friedrich Legrom, Joseph Lesser (Lesser Kretschin oder: Krotoschin), Ferdinand Magnus, Johann Friedrich Meyer, Helft Moritz Meyer, Levin(?) Michaelis, Moses Michelson, Alexander Mosar, Salomon Murret, Gottfried August Hein F. Müller, Louis Nogier, Jacob Pinsk, Salomon Ponge, I. Schireck, Dr. Isaac Simon Warschauer, Heymann Züllichauer. – Lehrer der Freischule (bis 1825): Acary, Jean André, Isaac Baruch Aron, Friedrich Benda, B. Heinrich Bendig (Bendix), Bressensdorff, Dr. David Jean Del-Croix, David(?) Fränkel, Friedrich August Garlipp, Marcus W. Koch, Lauber, Johann Friedrich Legrom, Ferdinand Magnus, Johann Friedrich Meyer, Helft Moritz Meyer, Regnault, Schönborn, Gottlieb Ludwig Schultze, Dr. Isaac Simon Warschauer, Willmann. Querverweise auf andere Vereine: Die von der CCN initiierte jüdische Freischule war die erste ihrer Art im aschkenasischen Kulturraum. Zuweilen dienten ihr sephardische Einrichtungen zum Vorbild, viel mehr wurde sie jedoch selbst zum Vorbild späterer Schulgründungen in Breslau (1791), Dessau (1799), Seesen (1801) und Frankfurt am Main (1804), Wolfenbüttel (1809) und Kassel (1809). In Berlin gab es enge personelle und ideelle Beziehungen zu den jü-

dischen Aufklärungsvereinigungen  Chavurat Mazdiqej haRabim,  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija und  Chevrat Marpe laNefesch, die direkt aus der CCN hervorgingen bzw. von Mitgliedern der CCN gegründet wurden. Außerdem unterstützte die  Gesellschaft der Freunde die Freischule zuweilen durch Geldspenden. Zwei ihrer Gründungsmitglieder, Levin Wulff Rintel und Jacob Ezechiel Aronsson, waren Inspektoren der Freischule. Unter den Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde befanden sich der Zeichenlehrer Heinrich Bendig (Bendix) und der Pedell und Kasseninspektor der Freischule Abraham Ries. Außerdem waren zahlreiche Mitglieder der Gesellschaft der Freunde Kontribuenten der Freischule oder direkte Unterstützer einzelner Schüler. David Friedländer zählte zu den Inspektoren der  Ressource der Gesellschaft der Freunde. Isaac Daniel Itzig war Mitglied der Berliner Gruppe der  Asiatischen Bruderschaft und der  Christlich-jüdischen Loge zur Toleranz. In letzterer hatte er eine leitende Position inne. Ihr gehörten auch die beiden ersten Kassen-Inspektoren der Freischule, Benjamin Daniel Itzig und Jacob Isaac Wulff, an. Lazarus Bendavid war Mitglied der  Philomatischen Gesellschaft, der  Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache, des  Schachklubs und der  Gesellschaft der Freunde der Humanität. Letzterer stand er von 1799 bis 1809 als Direktor vor. Auch Jacob Ezechiel Aronsson war Mitglied der Humanitätsgesellschaft. Die CCN grenzte sich deutlich von der traditionellen Talmud Tora ab, einer gemeindeeigenen Stiftung, die in direkter Nachbarschaft zur Freischule, in der Klosterstraße 23, lokalisiert war. Die Talmud Tora-Schule, deren Direktoren sie Anfang des 19. Jahrhunderts auch als (talmudische) „Freischule“ bezeichneten, wurde zeitweilig zur verfeindeten Konkurrenzinstitution der privaten „Itzigschen Freischule“. Bibliographie: Quellen: Chevrat Chinuch Nearim. Die jüdische Freischule in Ber819

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lin (1778–1825) im Umfeld preußischer Bildungspolitik und jüdischer Kultusreform. Eine Quellensammlung in 2 Teilen. Hg. v. Ingrid Lohmann, mithg. v. Uta Lohmann u. Mitarb. v. Britta L. Behm, Peter Dietrich und Christian Bahnsen. Münster u. a. 2001 (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, 1) [enthält: Archivalien, Polizeiakten, Zeitschriftenartikel, Autobiographisches, Briefe, schulinterne Dokumente, Schulprogrammschriften]. – Forschungsliteratur: Behm, Britta L.: Moses Mendelssohns Beziehungen zur Berliner jüdischen Freischule zwischen 1778 und 1786. Eine exemplarische Analyse zu Mendelssohns Stellung in der Haskala. In: Britta L. Behm, Uta Lohmann, Ingrid Lohmann (Hg.): Jüdische Erziehung und aufklärerische Schulreform. Analysen zum späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Münster 2002, S. 107–135 (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, 5). – Keuck, Thekla: Hofjuden und Kulturbürger. Die Geschichte der Familie Itzig in Berlin. Göttingen 2011 (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur, 12). – Lohmann, Ingrid: Die jüdische Freischule in Berlin – eine bildungstheoretische und schul-

historische Analyse. Zur Einführung in die Quellensammlung. In: Chevrat Chinuch Nearim. Die jüdische Freischule in Berlin, S. 13– 84. – Lohmann, Ingrid und Lohmann, Uta: Die jüdische Freischule in Berlin im Spiegel ihrer Programmschriften (1803–1826). Preußische Regierung, bürgerliche Öffentlichkeit und jüdische Gemeinde als Adressaten – vor und hinter den Kulissen. In: Arno Herzig, Hans Otto Horch, Robert Jütte (Hg.): Judentum und Aufklärung. Jüdisches Selbstverständnis in der bürgerlichen Öffentlichkeit. Göttingen 2002, S. 66–90. – Lohmann, Uta: „Auf den Namen einer Bürgerschule Ansprüche machen“ – Religionsunterricht und staatliche Klassifizierung der Berliner Freischule. In: Britta L. Behm, Uta Lohmann, Ingrid Lohmann (Hg.): Jüdische Erziehung und aufklärerische Schulreform. Analysen zum späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Münster 2002, S. 137–165 (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, 5). – Lohmann, Uta: Chevrat Chinuch Nearim – The Berlin Jüdische Freischule between Mascilic Aims, State Requirements and Bourgeois Demands. Ramat-Gan, Israel 2006 (Braun Lectures in the History of the Jews in Prussia, 13).

Uta Lohmann

Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Gerechten für die Vielen) [CMR] Name: ‫ ;חבורת מצדיקי הרבים‬Chavurat Mazdiqej haRabim; Vereinigung derer, die viele zur Gerechtigkeit führen; Gruppe der Mazdiqej haRabim; Gruppe der Gerechten; Gesellschaft der Gerechten; Vereinigung der Gerechten für die Vielen; Gesellschaft der Wohltäter für die Vielen. Gründung: 3. Februar 1784 (Konzession für die Orientalische Buchdruckerei); 26. Oktober 1785 (Festlegung der Statuten). Auflösung: Etwa Juni 1787. Sitz: Spandauer Straße („nahe dem Hospitale“; Sitz der Druckerei); Geckhol ( Jeckeholl oder Jeckeholz) 8 (Wohnung Isaac Satanows). 820

Programmzitat: „Heil denen, die bewahren das Recht, dem, der Gerechtigkeit übt zu jeder Zeit. Ja, das Wertvollste erblickte das Auge [der Weisen], seligen Angedenkens, in ihrer Erklärung: Es sei das Verfassen von Büchern und ihr Verleihen an andere. Man muss zwischen materiellem und geistigem Gerechten [oder: Wohltäter] hinsichtlich des Zieles und Endzwecks unterscheiden: Jener streut aus und schenkt den Dürftigen. Es liegt ein Zweck in seinen Wohltaten, denn er will ein Leben für den Augenblick leben. Aber wenn dieser ausstreut von seinen Büchern und dem Men-

Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Gerechten für die Vielen) [CMR]

schen Wissen schenkt, wird er ein ewiges Leben haben, und seine Wohltat ist für immer beständig. Der Sinn der Gelehrsamkeit sollte in der inneren Vervollkommnung für das ewige Leben liegen. Deshalb lasst Gold aus dem Becher fließen und gebt dem Silber seine Quelle, um Bücher zu verlegen; ihres Lohnes ist sehr viel, ist mehr als das Abfassen eines einzigen Buches und sein Entleihen an einen Einzelnen – diese Wohltat ist für immer beständig. / Doch sind die Ausgaben für den Druck vielfältig, und die Bewerkstelligung dessen ist gewiss sehr schwierig. Daher ist es das erklärte Ziel der Verleger, Bücher herauszugeben, die für jede Seele passend sind, wie die Sammlung von Gebeten und Bußgebeten und ähnliche, die viel Beliebtheit besitzen und gekauft werden. Auch sah ich wissenschaftliche Abhandlungen; doch sind ihrer nur wenige, denn nicht viele wollen sich mit ihnen belehren. Wegen einer [vermeintlichen] Schwächung der Tora gibt es keine Nachfrage und kein Bedürfnis nach diesen Abhandlungen, aus Furcht vor dem Schaden. Und so ist die Lehre unserer Weisen fast verlorengegangen, und der Verstand unserer Einsichtigen ist verborgen. Viele der Gebildeten unseres Volkes sind der Hungersnot ausgeliefert – es ist kein Hunger nach Brot und kein Durst nach Wasser, sondern [ein Verlangen,] das Wort Gottes zu vernehmen. Darum nehme ich mir das Recht und rufe die Vornehmen unseres Volkes auf, einen Bund und Vertrag zu schließen, dem Silber seine Quelle zu geben, um neue und alte und auch übersetzte Bücher drucken zu können. Die Gelehrten unseres Volkes finden [dann] keinen Mangel an Büchern aller Art von Verstandesweisheit mehr vor, wie etwa über ihre Schrift und ihre Sprache, und sie brauchen nicht vor den Toren der Vornehmen unseres Volkes umherzuirren, um nach Nahrung für die gelehrte Seele zu fragen. Wie der Alte, so der Junge“. (Isaac Satanow: Vorwort zu Pinqas uChetav haDat, 1786. Übersetzung aus dem Hebräischen; Bibelzitate sind kursiv gesetzt).

Geschichte und Programmatik: Die CMR war die erste jüdische Aufklärungsgesellschaft Berlins, die auch überregional wirksam werden wollte. Ihre Geschichte beginnt mit der Einrichtung der Orientalischen Buchdruckerei, ihre Vorgeschichte reicht mindestens eine Dekade weiter zurück. Am 8. Januar 1784 richteten führende Mitglieder der  Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung), die Direktoren der jüdischen Freischule zu Berlin, ein Gesuch an König Friedrich II., in dem sie um Erlaubnis baten, eine Buchdruckerei und eine Buchhandlung anlegen zu dürfen, deren Erträge der Freischule zu Gute kommen sollten. Die am 3. Februar 1784 erteilte Konzession für die Orientalische Buchdruckerei gewährte den Druck von hebräischen Büchern und in „andern orientalischen Sprachen“, wobei erlaubt war, Übersetzungen, Anmerkungen und Erläuterungen in jeder beliebigen Sprache hinzuzufügen. Die Konzession beinhaltete auch die Erlaubnis zum überregionalen Buchhandel und zur Einrichtung einer Buchhandlung. Im Jahrzehnt zuvor hatte sich eine Gruppe von jüdischen Gelehrten in Berlin zusammengefunden, die den Kern der ersten Generation der Berliner Haskala (jüdische Aufklärung) bildete. Zu dieser Gruppe zählten neben Moses Mendelssohn zunächst hauptsächlich Naphtali Herz (Hartwig) Wessely und Isaac Satanow. Sie waren Anfang der 1770er Jahre nach Berlin gekommen und begründeten oder intensivierten hier ihre schriftstellerische Tätigkeit, mit der sie eine Modernisierung der jüdischen Kultur und der hebräischen Sprache intendierten. Auffällig ist, dass ein Großteil ihrer aufklärerischen Schriften ohne Angabe des Verlags bzw. des Druckherrn publiziert wurden. Dazu zählen die von Wessely und Satanow vor 1784 verfassten bzw. herausgegebenen und in Berlin gedruckten Schriften ebenso wie Mendelssohns kommentierte Vorabveröffentlichungen seiner deutschen Übersetzungen der Tora, die zwischen 1780 und 1782 in Berlin mit hebräischen Lettern 821

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gedruckt wurden. Vermutlich wurden die Berliner hebräischen Schriften bereits in der selben Offizin gesetzt und gedruckt, für die 1784 die Konzession erteilt wurde. Das Bemühen der Maskilim (jüdischen Aufklärer) um den Betrieb einer hebräischen Druckerei war Teil eines umfassenden Modernisierungsprogramms, das schon lange vor der Konzessionserteilung entstand und das den literarisch-wissenschaftlichen Kern der Haskala ausmachte. An diesem aufklärerischen Modernisierungsprojekt beteiligten sich einige Maskilim um Mendelssohn, der später prominentestes Mitglied der CMR wurde. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand anfangs die Pentateuchübersetzung; die Arbeit am hebräischen Kommentar wurde zu einem Gemeinschaftsprojekt. Nach Mendelssohns Tod, 1786, setzten jüngere Maskilim diese Arbeit fort, indem weitere biblische Bücher nach Mendelssohns Methode einer rationalistischen Schrifterklärung übersetzt und kommentiert wurden. Sie waren zudem bestrebt, auch säkulare wissenschaftliche Literatur und Neuauflagen mittelalterlicher jüdischer Religionsphilosophie zu veröffentlichen, womit sie den hebräischen Buchmarkt inhaltlich erweiterten. Noch vor Mendelssohns Tod zeichnete es sich ab, dass Herstellungskosten und Vertrieb der aufklärerischen Literatur aus finanziellen Gründen kaum zu bewerkstelligen waren. 1786 beschrieb der aus Podolien stammende Maskil Isaac Satanow die Situation auf dem hebräischen Buchmarkt als unzureichend und unterstützungsbedürftig. Es herrsche ein „Mangel an Büchern aller Art von Verstandesweisheit“. Satanow appellierte daher an die Wohlhabenden, die Orientalische Buchdruckerei zu unterstützen. Die Herausgabe der Bücher sei teuer, und deshalb habe man sich zunächst auf den Druck von Gebetbüchern konzentriert, „die viel Beliebtheit besitzen und gekauft werden“. Das erklärte Ziel der Verleger war jedoch, auch wissenschaftliche Literatur zu einem möglichst günstigen Preis zu drucken. 822

Nur so konnte eine größere Verbreitung erzielt und folglich auch ein breiteres Lesepublikum erreicht werden. In dieser Situation schlossen sich einige Maskilim zusammen, um eine Vereinigung zu gründen, die das Ziel hatte, ein klar gezeichnetes Verlagsprogramm zu erstellen und gleichzeitig den Druck der Haskala-Literatur zu unterstützen und deren überregionalen Vertrieb zu organisieren. Die Initiatoren dieser Vereinigung waren vor allem Isaac Daniel Itzig und David Friedländer, die Direktoren der Freischule, sowie Satanow, der seit 1784 Leiter der Orientalischen Buchdruckerei war. Nach dem biblischen Buch Daniel, Kapitel 12, Vers 3, nannten sie sich CMR (Vereinigung derer, die viele zur Gerechtigkeit führen). Dieser Name allein war schon Teil des Programms. Wie Satanow in seinem Vorwort zu den Statuten betonte, ging es ihm darum, die Wohlhabenden der jüdischen Gemeinde vom Kauf der Bücher zu überzeugen. Damit würden sie das Gebot der Zedaqa (Gerechtigkeit, die Frömmigkeit mit Wohltätigkeit verbindet) auch auf ein neues Gebiet ausweiten: Mit der Subskription und der Zusicherung des Ankaufs der Haskala-Literatur sollten sie nicht nur den Druck unterstützen, sondern hauptsächlich auch dazu beitragen, dass die Ärmeren die Bücher preiswert erwerben oder zumindest von den „Gerechten“ oder Wohltätern ausleihen konnten. Die CMR sorge somit auch dafür, dass das Streben nach „innerer Vervollkommnung“ durch Gelehrsamkeit gewährleistet werden könne – sie sorge für „Nahrung für die gelehrte Seele“. Dass diese Nahrung in der Aneignung von wissenschaftlichen Kenntnissen und dem Wertehorizont der Aufklärung bestehen müsse, war Basis ihrer Programmatik. Die CMR prägte einen neuen Gerechtigkeitsbegriff, indem sie sich gegen die Flut rabbinischer Literatur wandte, die nur für den Schriftgelehrten, den „Talmid Chacham“ als Inbegriff des traditionellen Gerechten, zu bewältigen war. In den Augen der Maskilim sollten nicht nur die Talmudgelehrten als Gerechte betrach-

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tet werden, sondern ebenso gut auch diejenigen, die ein bürgerliches Gewerbe ausübten, wie die Kaufleute und die Handwerker, die mit ihrer Profession dem Wohle der Gemeinschaft dienten. In diesem Sinne hieß es in der anonym verfassten satirischen Schrift Ketav joscher: „Je mehr die Früheren sich der Kürze befleißigten, umso weitschweifiger wurden die späteren Autoritäten, so dass es heutzutage unmöglich ist, ohne ausgedehntes Studium einer Masse von Büchern der Früheren und der Neueren auch nur ein Gesetz gründlich zu erlernen. […] Kein Zweifel, kein Geschöpf kann in der hohen Sphäre der Autoren solcher Bücher verweilen! Aber auch die Drucker und die Grossierer und die Krämer zählen zu denen, die viele zur Gerechtigkeit führen“ (Saul Berlin: Ketav joscher (1783/84), Kap. 4; Übersetzung aus dem Hebräischen von Rainer Wenzel). Immense Bedeutung für die Verbreitung der Haskala-Literatur und ganz besonders auch von Mendelssohns Bibelübersetzung, die erst ein Jahr vor Erteilung der Konzession erschienen war, hatte die der Druckerei angeschlossene Buchhandlung. Die Konzession gewährte den ungehinderten Verkauf inner- und außerhalb der öffentlichen Jahrmärkte. Subskribentenlisten machen die Verbreitung deutlich. Beispielsweise hatte Isaac Satanows und David Friedländers zweibändiges hebräisches und deutsches Gebetbuch Tefilot Jisrael bzw. Gebete der Juden, das 1786 erschien, also während des Existenzzeitraums der CMR, Käufer in Amsterdam, Anklam, Berlin, Bleicherode, Bonn, Braunschweig, Breslau, Brody, Dessau, Dresden, Frankfurt a. d. Oder, Frankfurt a. Main, Glogau, Greifswald, Haag, Halberstadt, Halle, Hamburg, Kassel, Königsberg, Kopenhagen, Köslin, Lissa, Potsdam, Prag, Stralsund, Straßburg, Strelitz, Westfalen, Wien, Wilna u. a. m. Vermutlich hatte die CMR zumindest in den größeren Orten Govim, Kassierer bzw. Korrespondenten, eingesetzt. Im Herbst 1786 fusionierte die CMR mit der 1783 in Königsberg gegründeten Gesellschaft

Abb. 153  Titelblatt der Statuten Pinqas uChetav haDat, Berlin 1785.

der hebräischen Litteraturfreunde (Chevrat Dorschej Laschon Ever). Die somit neu entstandene Gesellschaft nannte sich fortan  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija. Struktur und Organisation: Im Oktober 1785 stellte die CMR ihre Statuten in 14 Paragraphen zusammen, die Anfang 1786, nach Mendelssohns Tod, in einer hebräischsprachigen Broschüre unter dem Titel Pinqas uChetav haDat veröffentlicht wurden. Mit der Verbreitung ihrer Statuten bemühte sich die CMR um öffentliche Bekanntmachung und warb um Mitgliedschaften. Neue Mitglieder bezahlten eine Aufnahmegebühr in die Kasse der CMR, über deren Höhe sie selbst, nach Maßgabe ihres Vermögens, bestimmen konnten (§ 9). Ferner sollten alle Mitglieder bei Ge823

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Abb. 154  Titelblatt von Naphtali Herz Wessely: Rechovut, Berlin 1785, mit dem Vermerk „unter Anordnung der Vorsitzenden des Instituts Chinuch Ne’arim Isaac Daniel Itzig und David Friedländer“.

legenheit der Geburt eines Kindes oder der Hochzeit eines Sohnes „eine Gabe an die Kasse entrichten“ (§ 8). – Der CMR standen Isaac Daniel Itzig und David Friedländer kraft ihres Amtes als Direktoren der jüdischen Freischule vor, zugleich waren sie auch deren Schatzmeister (§ 5). Änderungen in den Statuten durften nur nach Zustimmung der Direktion und der in anderen Städten eingesetzten Kassierer (Korrespondenten, Govim) nach dem Mehrheitsbeschluss vorgenommen werden (§ 14). Die zu verlegenden Bücher bedurften einer ausdrücklichen Druckgenehmigung des Vorstandes (§ 3, § 12). Folglich erschienen einige Bücher der Orientalischen Buchdruckerei mit dem ausdrücklichen Vermerk „un824

ter Anordnung der Vorsitzenden des Instituts Chinuch Ne’arim Isaac Daniel Itzig und David Friedländer“; einen entsprechenden Vermerk trugen etwa ’Ejin Mischpat und Rechovut von Naphtali Herz Wessely auf dem Titelblatt, die 1784 und 1785 erschienen. Isaac Satanow wurde als Leiter und Verleger der Druckerei eingesetzt, als der er auch für die Leitung der Buchhandlung verantwortlich war. Zu Anfang seiner Tätigkeit stellte Satanow seine umfangreichen Publikationsvorhaben in einer kleinen Broschüre unter dem Titel Sefer haGilui wehaChitum dar. Hierin verwies er ausdrücklich darauf, dass ihm Isaac Daniel Itzig und David Friedländer beim Druck der Bücher helfend zur Seite standen, sowie auf Daniel Itzig als Mentor, der ihm in seinem Hause Unterkunft gewährte. Eine Druckgenehmigung der Vorsteher der CMR „und einiger Wohltäter“ lag 1785 bereits für die deutsche Übersetzung der fünf Bücher Moses, der Propheten und der Hagiographen vor. Nach Mendelssohns Vorbild sollten auch die fünf Schriftrollen (Chamesch Megilot: Hohelied, Ruth, Klagelieder, Prediger, Esther), und die Prophetenlesungen (Haftarot) verlegt werden, nämlich „in deutscher Übersetzung und mit einer Erklärung nach dem einfachen Verständnis der geschriebenen Worte und der Grammatik der Verfasser sowie mit der Anleitung Raschis“. Einen eigenen Programmpunkt bildete Satanows dreiteiliges Sprachwerk, für das noch einmal gesondert um Subskribenten geworben wurde (§ 13). Alle Publikationsprojekte, die in den Statuten Erwähnung fanden, wurden in den folgenden Jahren tatsächlich realisiert, allerdings zumeist erst unter der Ägide der  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija. Zum hauptsächlichen Verlagssortiment der Orientalischen Buchdruckerei gehörten Bücher, die sich grob in drei Kategorien einteilen lassen: 1. Kommentierte Übersetzungen aus dem Hebräischen ins Deutsche mit hebräischen Buchstaben, 2. Neuauflagen mittelalterlicher Bücher und 3. neue wissenschaftliche Abhandlungen und Schriften.

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Die Bücher der Orientalischen Buchdruckerei „die zum Gespräch und zur Aufnahme der erschienen ohne die sonst übliche Approba- Unterschriften zur Verfügung“ standen (§ 7). tion rabbinischer Autoritäten. Um sich den- Die Mitglieder verpflichteten sich, die Bünoch gegen Kritik und Bannsprüche von tra- cher der Orientalischen Buchdruckerei für eine ditionalistischer Seite abzusichern, wurde in festgesetzte Summe von einem Groschen pro den Statuten festgelegt, dass die Bücher durch Druckbogen zu erwerben (§ 2), wobei minsachverständige Gutachter kontrolliert wer- destens ein Bogen pro Woche abgenommen den mussten: „Jedes Buch, sei es alt, neu oder werden musste (§ 6, § 12). Als Gegenleistung übertragen, das durch die Vorsteher der Ver- sollte in jedem Buch, das zwölf Druckbögen einigung zum Druck gebracht werden soll, oder mehr umfasste, ein Pränumerandenverwird nicht ohne Überprüfung der in der be- zeichnis veröffentlicht werden (§ 11), d. h. in treffenden Schrift abgehandelten Wissenschaft allen Büchern ab einem Umfang von 96 Blatt für geeignet erklärt werden; dies soll durch bzw. 192 Seiten. Gelehrte, die in Glaubens- und Gesetzesangelegenheiten unterrichtet sind, geschehen“ Mitglieder: Anfang 1786 hatte die CMR laut (§ 3). Handelte es sich um religionsgesetzli- der den Statuten angehängten Namensliste 66 che Auslegungsliteratur rabbinischer Traditi- Mitglieder, die mit einem Sternchen markiert on, so sollte diese vom Berliner Oberrabbiner waren und zu denen es im Statut heißt: „Jede und dem obersten rabbinischen Gerichtshof Unterschrift der Gruppe der Mazdiqim [Gein Berlin geprüft werden. Entsprechend sollte rechten] ist mit einem Stern markiert, und auch mit säkularer wissenschaftlicher Literatur dieses Zeichen [bedeutet:] Die, welche viele verfahren werden, die „von den Gelehrten des zur Gerechtigkeit führen, sind wie die Sterne“ Volkes, die in der Wissenschaft, von der in den (§ 13). Von diesen 66 Mitgliedern sind 23 als Kapiteln des betreffenden Buches gesprochen „Bachur“, Unverheirateter (traditionell: Talwird, unterwiesenen sind“ zu überprüfen war mudstudent), bezeichnet. Hinzu kamen 79 (§ 3). Subskribentenlisten boten eine zusätzli- Personen, die die CMR unterstützten, indem che Absicherung gegen Vorbehalte von tradi- sie Satanows dreiteiliges Sprachwerk subskritioneller Seite, denn es unterzeichneten häu- bierten, darunter auch Daniel Itzig und der fig die wohlhabendsten und angesehensten Arzt und Naturwissenschaftler Marcus Elieser Gemeindemitglieder und bekannten somit Bloch. Der erste Teil von Satanows Sprachöffentlich ihre ideelle Unterstützung der Has­ werk Sefer haSchoraschim, der 1787 erschien, beinhaltet eine Liste von 260 Personen, die kala-Literatur. Erklärtes Ziel der CMR war es, wissenschaft- berechtigt waren, die Bände für jeweils einen liche Literatur zu einem möglichst günstigen Reichstaler zu erwerben. Neben den Berliner Preis zu drucken und zu verbreiten (§ 3, § 4). Mitgliedern befanden sich in der CMR MitNur so konnte eine größere Verbreitung er- glieder u. a. in Frankfurt an der Oder, Hamzielt und folglich auch ein breiteres Lesepub- burg, Hasenpoth, Jeßnitz, Königsberg, Potslikum erreicht werden. Mit Veröffentlichung dam, Schwedt und Strelitz. – Mitglieder in ihrer Statuten warb die Vereinigung um neue Berlin: a) Vorstand: Direktoren und SchatzMitglieder und Subskribenten für die von ih- meister: David Friedländer und Isaac Daniel nen verlegten Bücher. In die umfangreicheren Itzig; Leitung von Verlag und Buchhandlung: Bücher der Orientalischen Buchdruckerei wur- Isaac Satanow; Korrespondenten/Kassierer: den Subskribentenverzeichnisse aufgenom- Jeremias Bendix (Bendit), David Friedländer, men. Die CMR war offen zugänglich; in allen Isaac Daniel Itzig; Rabbinischer Gutachter: Städten, wo sich Interessenten zur Mitglied- Oberlandrabbiner Hirschel Lewin. – b) Einschaft meldeten, wurden Govim eingesetzt, zelmitglieder: Aaron Beer, Abraham Bende825

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mann(?), Jeremias Bendix (Bendit), Juda Ja- pflege, weg von der Unterstützung traditiocob Bernburg, Lesser (Löser) Beschütz, Phi- neller Lehr- und Bethäuser, Synagogen und lipp Joel Beschütz, Herz (Hirsch) Bing, Ab- Talmuds­ chulen, hin zur Unterstützung der raham Casper, Mordechai Baruch Chalfan, Orientalischen Buchdruckerei und ihren aufkläElkan Flesch, Süßkind Isaac Flesch, Abra- rungsorientierten Publikationen. Diese Druham Friedländer, David Friedländer, Ruben ckerei war eine Initiative der Berliner HaskaSamuel Gumpertz, Marcus Herz, Benjamin la und ein weltliches Projekt zur ModerniDaniel Itzig, Isaac Daniel Itzig, Jacob Daniel sierung der jüdischen Kultur, das sich radikal Itzig, Bendit Joresch (= Joseph Neuburger?), von der jüdischen Tradition abgrenzte. Mit Zadok Königsberg, Joseph Lesser (= Lesser ihrem modernen Gerechtigkeits-Anspruch Kretschin oder: Krotoschin), Daniel Samu- konkurrierten die Mitglieder der CMR mit el Levy, Samuel Salomon Levy, Wolf Samu- dem Ideal des Zadiq, des im religiösen Sinel Levy, Abraham Salomon Liebman(?), Joel ne „Gerechten“, der im traditionellen Sinn Bril Löwe, Moses Mendelssohn, Elias Mey- gerecht ist gegenüber Gott und der Tora und er, Joel Abraham Meyer, Jospe (Joseph) Min- der mit vollkommener Frömmigkeit seiner den, Aaron Jacob Moses (Arndt), Jacob Mo- Umgebung ein Beispiel gibt. Die Vorstellunses, Daniel Pleß, Moses Potsdam (= Moses gen von traditioneller und von aufgeklärter Zültz?), Nathan Potsdam (= Nathan Zültz?), „Gerechtigkeit“ unterschieden sich grundleNathaniel Meyer Ries, Koppel Meyer Ries, gend und waren Ausdruck einer jeweils ganz Jossel Rochnowe (Joseph Pick), Nathan Salo- anderen Lebenswelt. mon (Salman Dessau), Chaim Schochet, Da- Die CMR stand in engster Verbindung zur  vid Semtor, Moses Slotowe, Israel Ullmann, Chevrat Chinuch Ne’arim, deren Direktoren Ephraim Veitel(?), Joel Wesel (Wessely), Ben- sie gemeinsam hatte. Personelle Überschneijamin Isaac Wulff, Isaac Wulff (Elkisch), Isaac dungen gab es auch mit deren Mitgliedern Benjamin Wulff, Jacob Isaac Wulff. sowie mit den Mitgliedern der  Gesellschaft der Freunde. Eine Neugründung erfuhr Querverweise auf andere Vereine: Das Ver- die CMR mit der 1794 durch Isaac Satanow lagskonzept der Orientalischen Buchdruckerei, ins Leben gerufenen  Chevrat Marpe laNedas sich aus den Statuten der CMR ablesen fesch. lässt, stimmte vollkommen mit den Modernisierungsbestrebungen der frühen Berliner Bibliographie: Quellen: Berlin, Saul (anoHaskala überein. Programmatisches Vorbild nym): Ketav joscher (1783/84). Berlin 5555 war Mendelssohns Einleitung zu seiner Pen- (1794/95). – Pinqas uChetav haDat. Berlin tateuchübersetzung Or laNetiva von 1782. 5545 (1785) [Statuten der Vereinigung mit Diese diente der CMR gewissermaßen als Mitgliederliste]. – Sefer haGilui wehaChiWegweiser für das Verlagsprogramm der Ori- tum. Berlin 5544 (1784) [Isaac Satanows Verentalischen Buchdruckerei: Alle älteren Wer- lagsprogramm]. – Tefilot Jisrael. Berlin 5546 ke, die Mendelssohn hier als nützlich für die (1786) [Subskribentenliste]. – ForschungsÜbersetzung der Tora und die Abfassung des literatur: Feiner, Shmuel: Haskala – JüdiKommentars erwähnt hatte, erschienen später sche Aufklärung. Geschichte einer kulturelin ihrerseits kommentierten Neuauflagen der len Revolution. Hildesheim u. a. 2007 (NetiOrientalischen Buchdruckerei. Mit ihrem Ver- va – Wege deutsch-jüdischer Geschichte und lagsprogramm grenzte sich die CMR strikt Kultur. Studien des Salomon Ludwig Steinvom traditionellen hebräischen Buchmarkt heim-Instituts, 8). – Keuck, Thekla: Hofjuab. Sie strebte außerdem nach einer Verla- den und Kulturbürger. Die Geschichte der gerung der traditionellen Wohltätigkeits- Familie Itzig in Berlin. Göttingen 2011 (Jüdi826

Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten) [CST]

sche Religion, Geschichte und Kultur, 12). – Lohmann, Uta: “Sustenance for the Learned Soul”: The History of the Oriental Printing

Press at the Publishing House of the Jewish Free School in Berlin. In: Leo Baeck Institute Year Book LI (2006), S. 11–40.

Uta Lohmann

Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten) [CST] Name: ‫חברת שוחרי הטוב והתושיה‬, Chevrat nur der Wohltaten mehrere leisten, sonSchocharej haTov wehaTuschija; Gesellschaft dern auch mit so vielfach verdoppelter Stärder Beförderer des Edlen und Guten; Gesell- ke und mit unendlich wichtigem Nachdruck, jede derselben weit reeller, weit dauerhafter, schaft zur Beförderung des Guten und Edlen. Gründung: August 1786; 17. Juni 1787 (Da- weit umfassender und weit folgenreicher machen können; so wie es auf der anderen Seite tum des Gesellschaftsprogramms). Auflösung: 1790/91 (inoffizielles Ende der bei jedem einzelnen Mitgliede einer solchen Berliner Gesellschaft); Sommer 1794 (offizi- wohltätigen Gesellschaft, ein weit freudenreicheres seliges Gefühl erwecken muss, durch elles Ende der Berliner Gesellschaft). Sitz: Burgstraße 25 (Wohnsitz des Ober-Di- seine Mit- und Einwirkung nicht bloß zum rektors der CST, Isaac Daniel Itzig); Heilig- Wohl eines, sondern zu dem von Tausenden geiststraße „im Düchenischen Hause“ (Wohn- seiner Nebenmenschen beigetragen zu haben. sitz des Direktors der CST, Joel Bril Löwe, bei Diesem löblichen Gefühl eigenen Werts alDavid Friedländer); Königstraße 32 (Wohnsitz lein ist, so lehrt die tägliche Erfahrung, schon des Direktors der CST, Baruch Levin Lindau). hinreichend das Band der Gesellschaft auf im– Der Sitz einer eigens für die Mitgliederver- mer zu verfestigen, und man kann also dem sammlungen der CST angemieteten Woh- zufolge mit gutem Grunde sich das Aufkommen und den Fortgang einer solchen Gesellnung ist nicht bekannt. schaft versprechen, bei welcher noch außer Programmzitat: „Es sind gottlob der Men- der Hervorrufung jenes edlen Gefühls, auch schen mehrere unter unserer Nation, die die Einrichtung getroffen werden, dass ihren sich zum Vergnügen machen, von dem Gu- Mitgliedern selbst einiger Vorteil aus ihrer ten, das sie besitzen, anderen mitzuteilen Verbindung entstehe, wie in dem Verfolg dieund ihren Nebenmenschen nach bestmögli- ses Plans mit mehrerem zu ersehen ist“ (Einchen Kräften nützlich zu sein. Es seien die- leitung zum Plan zu einer Gesellschaft der Bese Kräfte des Geistes oder des Körpers, die- förderer des Edlen und Guten, Juni 1787). se Güter mittelbare, oder unmittelbare, immer wird ihre Mitteilung beide, sowohl den Geschichte und Programmatik: Die CST Mitteilenden als den Teilnehmenden glück- war die erste jüdische Wohltätigkeitsgeselllich machen. Das Gefühl jedes rechtschaffe- schaft der Berliner Haskala. Sie konstituierte nen Herzens bürgt für diese Wahrheit. Ver- sich im August 1786 als eine Schwestergesellmögen dieses nun aber schon einzelne Kräf- schaft der Ende 1782 in Königsberg gegrünte, an einzelne Glieder verwendet, welch deten jüdischen Aufklärungsgesellschaft Cheeine größere Wirkung lässt auf der einen Sei- vrat Dorschej Laschon Ever (Gesellschaft der te sich nicht von den vereinigten Kräften vie- he­bräischen Litteraturfreunde). Im Juni 1787 ler solcher Edelgesinnten erwarten, die nicht fusionierte diese zudem mit der 1784 ent827

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standenen Berliner jüdischen Aufklärungsgesellschaft  Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Gerechten für die Vielen). Während die Gesellschaft der hebräischen Litteraturfreunde eine Zweigstelle der CST in Königsberg blieb, ging die Chavurat Mazdiqej haRabim nahezu lautlos in der CST auf. Am Anfang ihres Vereinsprogramms spielten deren Gründungsmitglieder wörtlich darauf an: „Der Endzweck dieser Gesellschaft soll und muss kein anderer sein, als der ihrem Namen völlig entspricht: Die Beförderung des Edlen und Guten. Das heißt, nicht nur durch ihre vereinigten Kräfte so viele gute und löbliche Handlungen zu verrichten oder Einrichtungen zu treffen, als ihr nach den jedesmaligen Umständen möglich sein wird; sondern auch, und zwar dieses hauptsächlich, den Trieb zum Edlen und Guten so viel als möglich in die [!] Herzen der Menschen rege machen, aus welchem letzterem Grunde sie sich des Namens Mazdiqej haRabim [Gerechte der Vielen] verdient machen wird“ (Plan, Anfang des 1. Artikels). Dieser Vorspann zum Programm macht auch deutlich, dass die Gründungsmitglieder durch den Zusammenschluss der beiden Gesellschaften eine Stärkung ihrer aufklärerischen Position erwarteten. Die Fusion förderte die Gruppenbildung der jüdischen Aufklärer über Landesgrenzen hinweg. Die Zeitschrift HaMeasef war ihr Verständigungsorgan über alle relevanten sozialen, kulturellen, religiösen und pädagogischen Belange des Judentums. Die CST wurde zu ihrer Dachorganisation. Wie schon bei der  Chavurat Mazdiqej haRabim, war die Überregionalität Teil ihrer Programmatik: „Die Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Edlen schränkt sich nicht, wie andere bis jetzt unter uns errichtete löbliche Institute, auf die Bewohner einer einzigen Stadt ein; vielmehr wird es ihr höchst angenehm sein, auch an anderen Orten wie und wo sie seien, edle und tätige Menschenfreunde zu finden, die an ihren Einrichtungen Teil nehmen wollen, die ihr denn auch willkommene Freunde sein werden“ (Plan, 5. Artikel, 1.) 828

Mit dem detailliert und fundiert ausgearbeiteten Plan zu einer Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten legte die CST unterm 17. Juni 1787 ein zweisprachiges, he­bräisch und jüdisch-deutsch abgefasstes Gründungsstatut vor. Der Plan zeigt, dass die CST die Programmatik beider Vorgänger in sich vereinigte, aber auch modifizierte Zielsetzungen mit neuen Schwerpunkten formulierte. Dem Statut der Gesellschaft der hebräischen Litteraturfreunde zufolge hatte ihr vorrangiges Ziel darin bestanden, die hebräische Monatsschrift HaMeasef (Der Sammler) herauszugeben. Das erste Heft dieser Zeitschrift, die zum zentralen Organ der deutschen Has­ kala wurde, erschien Ende 1783 in Königsberg und beinhaltete auch das Vereinsstatut, das sich inhaltlich mit der Programmatik der Zeitschrift deckte. Intendiert wurde vor allem eine Belebung der hebräischen Sprache, womit den Juden ein neuer Zugang zur jüdischen Überlieferung, jenseits traditionalistischer Auslegung und vermeintlicher Fehlinterpretation, eröffnet werden sollte. Von Anfang an hatte die Gesellschaft der hebräischen Litteraturfreunde zwei „Korrespondenten“ in Berlin: Joel Bril Löwe, wohnhaft im Haus David Friedländers, und Josel Rochnowe (Joseph Pick), wohnhaft im Haus Naphtali Herz Wesselys. In einer Mitteilung „an ihre Brüder, die Maskilim im Volke“ gab die Gesellschaft der hebräischen Litteraturfreunde im dritten Jahrgang von HaMeasef unter dem Datum des 25. August 1786 die Existenz der neuen CST, „die Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Edlen“, bekannt. Diese habe sich zur Aufgabe gemacht, Gutes zu tun und ihre Mitmenschen zu unterstützen. Interessenten sollten sich an Joel Bril Löwe in Berlin wenden. Wegen der weit günstigeren Verhältnisse des Drucks bei niedrigeren Verkaufspreisen siedelte die Redaktion der Zeitschrift 1787 nach Berlin über und wurde von nun an hier verlegt. Nach dem Umzug zeichnete die CST als verantwortliche Herausgeberin des Measef, die

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„von nun an nach einem anderen Plan eingerichtet und noch gemeinnütziger, als sie bis jetzt war, gemacht werden“ sollte (Plan, 1. Artikel, 1. a). Dieser Neugestaltung widmete sich ein ganzer Artikel der Statuten. Hierin wurde u. a. bestimmt, dass sich der Umfang der Zeitschrift ohne Preisaufschlag verdoppeln werde und die einzelnen Ausgaben wechselweise folgende Rubriken enthalten würden: Gedichte, grammatikalische und ästhetische Abhandlungen, Naturlehre, Naturgeschichte, moralische Aufsätze, Stücke aus der alten und neuen Geschichte, Betrachtungen und Untersuchungen, exegetische Versuche, Neuigkeiten, Nachrichten, Ankündigungen, Rezensionen, Erziehungssachen, vermischte Abhandlungen (Plan, 10. Artikel). Alle Mitglieder der CST wurden verpflichtet, HaMeasef gegen Vorkasse des festgesetzten Preises abzunehmen (3. Artikel, 1). Neben der Herausgabe von HaMeasef übernahm die CST die Aufgaben der  Chavurat Mazdiqej haRabim, indem sie Förderung, Produktion und Vertrieb der Haskala-Literatur unter ihre Verantwortung stellte. Die CST setzte das von ihrer Vorgängergesellschaft entworfene Verlagsprogramm fort, indem sie neue Bücher, Übersetzungen und Neuauflagen herausgab. In den kommenden Jahren führte sie die Orientalische Buchdruckerei zu ihrer Blütezeit. Den größten Teil des Verlagssortiments machte der Druck neuer Schriften im Geiste der Haskala aus, wozu an erster Stelle HaMeasef zu rechnen ist, der in drei Jahrgängen, 1787 bis 1790, durch die CST mit ihrem verantwortlichen Redakteur Isaac Euchel ediert wurde. Die deutsche Zugabe, Der Sammler, erschien mit der Angabe „Herausgegeben von einer Gesellschaft hebräischer Litteraturfreunde, unter Aufsicht von Isaac Abraham Euchel“. Isaac Satanow veröffentlichte weiterhin Bücher, die er zu Zeiten der  Chavurat Mazdiqej haRabim bereits angekündigt hatte, allerdings ohne sich zur Mitgliedschaft in der CST zu bekennen. Unter der Ägide der CST wurden außerdem philosophische Schriften, moderne hebräische

Abb. 155  Titelblatt von HaMeasef (Der Sammler) IV (1787/88), hg. von der CST.

Poesie, Verteidigungsschriften der Haskala, ethische und biographische Werke sowie naturwissenschaftliche Abhandlungen, Reisebeschreibungen und Natur- und Sprachlehrbücher „zum Gebrauch der jüdischen Schulen“ verlegt. Bei besonderen Anlässen gab die CST Gelegenheitsschriften heraus, wie etwa 1788 und 1790 die hebräischen Glückwunschgedichte Schir Kelulot und Schir Yedidut anlässlich der Hochzeiten von Sanwil Friedländer und von Baruch Lindau. Beide waren Gründungsmitglieder der CST. Zu den Übersetzungen zählen hauptsächlich die Übertragungen biblischer Bücher mit hebräischem Kommentar nach dem Vorbild von Moses Mendelssohns Tora und Psalmen-Aus829

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gabe. An Mendelssohns Methode orientierten sich die kommentierten Übersetzungen, die ab 1788 im Verlag der Orientalischen Buchdruckerei erschienen: ein Großteil der Hagiographen, die Chamesch Megilot (Fünf Festrollen: Hohelied, Ruth, Prediger, Klagelieder, Esther) und die Prophetenlesungen Haftarot mikol haSchana, die von der CST herausgegeben und als Gemeinschaftswerk von mehreren ihrer Mitglieder bearbeitet wurden. Die Herausgabe der Zeitschrift, das biblische Übersetzungswerk und die Anfertigung anderer Bücher der Haskala zu einem möglichst günstigen Preis stellten einen von drei Wegen dar, die die CST einschlagen wollte, um „das Edle und Gute“ in den Menschen zu erwecken. Sie nannten es den „literarischen Weg, zur Bildung des Verstandes und Herzens“. Alle literarischen Produkte der CST sollten in der unter Aufsicht der  Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung) stehenden und an die jüdische Freischule angeschlossenen Orientalischen Buchdruckerei gedruckt werden. Damit verfolgte die CST die Nebenabsicht, „zugleich ein Institut in etwas zu begünstigen, das selbst nicht wenig zur Beförderung des Edlen und Guten beiträgt“ (Plan, 1. Artikel, Anhang). Die beiden anderen Wege der CST waren neu im Programm der Aufklärer. Mit dem „belohnenden Weg“ wollte man je nach Begebenheit Preise verleihen, und zwar an diejenigen, die sich „durch Schriften oder durch Handlungen, um das Wohl der Menschheit und besonders um das Wohl der jüdischen Nation verdient gemacht haben“. Zum dritten, dem „ausübenden Weg“, hieß es ganz unspezifisch, die CST wolle gelegentlich „nach den jedes Mal sich ereignenden Umständen, solche Einrichtungen treffen […], die zum Wohl unserer Nation gereichen“ (Plan, 1. Artikel). Ein neuer und nicht unbedeutender Punkt in der Programmatik der CST war die Verpflichtung für die Autoren und Herausgeber unter ihren Mitgliedern, auf ihren Publikationen zu vermerken, dass sie Mitglied 830

der CST waren, „um dergestalt die ihm dadurch zufallende Ehre mit der ganzen Gesellschaft zu teilen“ (Plan, 3. Artikel, 2. b). Diese Maßnahme diente der öffentlichen Stärkung der Gruppe von jüdischen Aufklärern innerhalb der jüdischen Gemeinden. Zu den Büchern, deren Titelblatt mit einem entsprechenden Vermerk erschien, zählen Baruch Lindaus Lehrbuch der Physik und Geographie (1788), Isaac Euchels Biographie Moses Mendelssohns (1788), Euchels Ausgaben von Jona (1788) und der Sprüche Salomo (1790), der dritte und vierte Teil von Joel Bril Löwes Ausgabe der Psalmen (1788–91) und die von Aaron Wolfssohn und Löwe herausgegebenen Fünf Festrollen (1788–90). Die deutsche Ausgabe der Klagegesänge Jeremias von Wolfssohn und Löwe (Berlin, bei Friedrich Maurer 1790) erschien kurioserweise mit der Angabe „Mitglieder der Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde zu Königsberg und Berlin“. Neu in der Programmatik der CST waren auch ihre künstlerischen Ambitionen. Sie wandte sich bei der Einwerbung von Mitgliedern ausdrücklich an Künstler, „da die schönen Künste und Wissenschaften zur Ausbildung der Menschen sehr wichtige Mittel sind, und durch ernste Betriebsamkeit in denselben die Nation sehr gehoben werden wird“ (Plan, 2. Artikel, 2). Die Künstler wurden verpflichtet, „der Gesellschaft bei sich ereignenden Umständen mit ihrer Kunstgeschicklichkeit hilfreiche Hand zu leisten“ (3. Artikel, 3). Das Kunstengagement der CST drückte sich darin aus, dass sie Kupferstiche anfertigen ließ und dass die von ihr verlegten Bücher zum Teil illustriert waren oder graphische Verzierungen aufwiesen. Die Jahrgänge 1788/89 und 1789/90 von HaMeasef enthielten Porträts von Isaac Daniel Itzig und David Friedländer als Titelkupfer, ebenso besaß der dritte Teil von Naphtali Herz Wesselys Mosaide Schirej Tiferet (1792) ein Porträt des hebräischen Dichters. Diese Kupferstiche wurden auch als Einblattdrucke verkauft. Die

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künstlerische Ausrichtung der CST drückte gesetzlichen Auslegungstradition der aschkesich aber auch inhaltlich aus, indem für Ha- nasisch-rabbinischen Autoritäten. Measef ein neues ästhetisch-poetisches Kon- Trotz des ursprünglichen Plans, HaMeasef zept entworfen wurde. vom Herbst 1787 an regelmäßig und ununDas übergeordnete Ziel der CST war die terbrochen erscheinen zu lassen, wurde die Schaffung einer neuen intellektuellen Elite Monatsschrift 1790 für mehrere Jahre eingeinnerhalb der jüdischen Gemeinden Deutsch- stellt. Erst 1794 erschien schließlich das letzlands und darüber hinaus. Ideologisch grenz- te, in der Orientalischen Buchdruckerei verte sie sich daher harsch gegen die alte Füh- legte Heft, als Druckort wurden „Berlin und rungsschicht der rabbinisch-talmudischen Breslau“ angegeben. Die neuen verantwortliGe­ lehrten ab. Sehr deutlich lässt sich der chen Redakteure, Joel Bril Löwe und Aaron neue Führungsanspruch der Maskilim aus der Wolfssohn, die Isaac Euchel ablösten, waren Programmatik der CST in dem Punkt able- 1791 und 1792 nach Breslau umgesiedelt, um sen, wo es um die Vergabe von Approbatio- dort als „Professor“ bzw. „Oberlehrer und nen durch Vorsteher der CST geht. Die Au- Inspektor“ führende Positionen an der Kötoren wurden dazu angehalten, ihre Schriften niglichen Wilhelmsschule einzunehmen. Im „der Hauptdirektion der Gesellschaft zur Ap- Auftrag der CST kündigten sie nicht nur den probation“ einzusenden. Erhielt ein Buch die Umzug der Zeitschrift, sondern auch deren Druckgenehmigung, so setzte die CST „ihre Umstrukturierung an: HaMeasef sollte von Approbation an die Spitze des Buches“ (Plan, nun an „für eigene Rechnung“ der Redak3. Artikel, 2. b) B und 4. Artikel, 1). Mit die- teure und in geringerem Umfang erscheinen. sem Verfahren ersetzte die CST faktisch die Die Subskribenten wurden dazu verpflichrabbinischen Autoritäten, denen es bisher tet, den gesamten Jahrgang abzunehmen. Die vorbehalten war, Approbationen zu erteilen. Strenge, mit der sie die Bezahlung der bestellIn dieselbe Richtung weist die Vergabe von ten Exemplare von den Kollekteuren einforTiteln durch die Maskilim. Sie bezeichneten derten, weist darauf hin, dass 1790 die Einetwa Moses Mendelssohn, ihr großes Vor- stellung des Measef mit massiven Finanziebild, zumeist mit dem Titel „Morenu“ (unser rungsschwierigkeiten zusammenhing: „Den Lehrer), der ursprünglich ein Befähigungs- Herren Kommissionärs dient zur Nachricht, nachweis für das Rabbineramt war und allge- dass wir an keinen derselben ein Stück verabmein eine Auszeichnung für Talmudgelehr- folgen lassen, ohne entweder voraus die Nate darstellte. Die Vergabe dieses Titels war ei- men seiner Subskribenten vor uns zu haben, gentlich den rabbinischen Autoritäten vorbe- oder wenigstens von ihm (dem Kommissiohalten. In der Subskribentenliste des letzten när) selbst versichert zu sein, dass er die AnTeils von Joel Bril Löwes Ausgabe der Psal- zahl Exemplare, die er vertreibt, gewiss behält men (1790) wird David Friedländer und und uns den Betrag nach jedesmaligem EmpNaphtali Herz Wessely der Titel „Chacham“ fang prompt einschickt. Jede Ausrede von be(Weiser, Gelehrter) beigelegt, den ursprüng- stellten und nicht angenommenen Exemplalich die biblischen Schriftgelehrten trugen, ren fällt weg“ (Nachricht, HaMeasef VII/1, die sich mit ethischen Alltagsfragen auseinan- 4.). Ab 1795 erschien HaMeasef mit der Andersetzten und sich als Lehrer des Volks ver- gabe „Auf Kosten der Herausgeber“. standen. Auch die Rabbiner der sephardi- Schon die Umzüge von Löwe und Wolfsschen Gemeinden trugen die Bezeichnung sohn nach Breslau, die zeitlich etwa mit der „Chacham“. An diesen Traditionsstrang des Einstellung der Zeitschrift zusammenfallen, Judentums wollten die Maskilim anknüpften markieren einen Bruch in der Geschichte und traten damit in Opposition zur religions- der CST in Berlin. Sie verlor damit zwei ih831

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

rer aktivsten Mitglieder. Euchel, der eigent­ liche Initiator von HaMeasef, zog sich resigniert zurück. Keiner der Autoren oder Herausgeber, die nach 1791 Bücher in der Orientalischen Buchdruckerei verlegen ließen, setzte mehr unter seinem Namen den Zusatz „Mitglied der CST“. Bis dahin waren viele Übersetzungen erschienen, doch der Plan, „eine gute deutsche Übersetzung von allen Sifrej Kodesch“ (Heiligen Büchern) anzufertigen, blieb unvollendet. David Friedländer arbeitete noch an Jesaja und Hiob, doch wurden nur Teile seiner Übersetzungen 1794 in HaMeasef veröffentlicht. Die Nachfrage nach hebräischen Schriften begann insgesamt zu stagnieren. Erst 1799 veröffentlichte Isaac Satanow als Leiter der  Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung) das Buch Hiob mit deutscher Übersetzung und hebräischem Kommentar. Als Löwe und Wolfssohn die Herausgabe von HaMeasef nach Breslau holten, bedeutete dies faktisch das Ende der CST als Berliner Gesellschaft, deren Zielsetzungen immer eng mit der Zeitschrift verbunden waren. Der „belohnende“ und der „ausübende Weg“, deren Ausführung sich die Gründungsmitglieder zur Aufgabe gemacht hatten, waren zu unbestimmt, um daraus ein erneuertes Programm formulieren zu können. In die Kategorie „ausübender Weg“ gehörte die von David Friedländer anlässlich Moses Mendelssohns fünftem Todestag gehaltene Vorlesung bey der erneuerten Todesfeyer Mendelssohns. Sie wurde am 9. Januar 1791 „gehalten in der jüdischen Gesellschaft zur Beförderung des Edlen und Schönen [!]“ und in diesem Jahr in der Deutschen Monatsschrift veröffentlicht. In den 1790ern gingen aus der Orientalischen Buchdruckerei zwar weiterhin Bücher der Has­ kala hervor, doch ab Ende 1794 zeichnete die  Chevrat Marpe laNefesch dafür verantwortlich. Die CST war in Berlin nicht mehr existent. In Breslau erschien HaMeasef noch bis 1797, „Gedruckt in der Kön. Pr. Priv. Graßischen orientalischen und deutschen Stadt832

Abb. 156  Isaac Euchel (Mitglied der CST ): Mischlej, Berlin 1790.

Buchdruckerey“. Auf dem hebräischen Deckblatt hieß es, die Zeitschrift enthalte Gedichte und Aufsätze, die zusammengetragen und gesammelt seien durch die Mitglieder der CST und von Aaron Wolfssohn und Joel Bril Löwe zum Druck gebracht wurden. Unter ihrer Herausgeberschaft bekam der Breslauer HaMeasef eine radikalere Ausrichtung, wodurch er zunehmend unter Kritik geriet. Über die Gründe für die Einstellung der Zeitschrift 1797 schrieb ihr späterer Redakteur, der mehr als ein Jahrzehnt später eine neue Folge unter Federführung der  Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft der die hebräische Literatur Liebenden) herausgab: „da manche individuelle Ansichten, die jene Herausgeber von gewissen Dingen hatten, von einem

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für unnütz. Alle unsere hebräisch geschriebenen Bücher liest Keiner …“ (Stein).

Abb. 157  Joel Bril Löwe (Mitglied der CST ): Sefer Semirot Yisrael, Berlin 1790.

Theile ihrer Leser anders genommen wurden, so entstanden daraus mehrere Missverständnisse, und man fing an, über den beabsichtigten Punkt hinweg zu schreiten. Missverstanden von dem einen, unrichtig beur­ theilt und falsch beschuldigt von dem andern Theile, fanden diese Sammler für gut, um allen fernern Irrungen auszuweichen, die Feder völlig nieder zu legen“ (Salomon Cohen: Ein Wort über die Tendenz des Sammlers, S. 3 f.). Spätestens 1799 mussten sich die Mitglieder der CST eingestehen, dass auch ihre hebräische Buchproduktion ein Misserfolg war. Resigniert schrieb Friedländer an Wolfssohn, er halte „alle Aufklärung durch ‚Measphim‘ [‚Sammler‘, d. h. die Herausgeber und Autoren der Zeitschrift HaMeasef (Der Sammler)]

Struktur und Organisation: Wegen ihrer beiden Standorte war die Organisation der CST zweigeteilt. In Königsberg blieb die Hauptdirektion, bestehend aus zwei Direktoren, einem Kasseninspektor, einem Assessor und einem Sekretär. In Berlin wurde die Oberdirektion eingerichtet, die personell ebenso ausgestattet war und zusätzlich noch einen Druckereiinspektor und zwei Lektoren („Korrektores“) besaß. Beide Direktionen unterstanden einem Oberdirektor in Berlin (Plan, 5. Artikel, 4–6). Fanden sich an einem Ort mehr als zehn Mitglieder zusammen, so sollte aus ihren Reihen ein Inspektor bestimmt werden. Waren es mehr als 30 Mitglieder, musste eine Unterdirektion eingerichtet werden, die aus einem Inspektor pro zehn Mitgliedern, einem Direktor und einem Sekretär bestehen sollte (Plan, 5. Artikel, 2–3). Die einzelnen Mitglieder unterstanden den Inspektoren, diese der nächsten Unterdirektion, diese der Oberdirektion in Berlin. Bei der Entscheidung über die Aufnahme von Beiträgen für HaMeasef oder von Schriften zum Verlag in der Orientalischen Buchdruckerei wurde der Hauptdirektion in Königsberg das letzte Wort eingeräumt, die sich darüber mit der Oberdirektion verständigte. „Zur Verhütung der Unordnung“ korrespondierte die Königsberger Direktion nur mit ihrer Berliner Schwesterinstitution, was auch für die Kostenabrechnungen galt (Plan, 6. Artikel, 1–2). Berlin war die „Kommunikationszentrale“, Königsberg das „ideologische Kontrollzentrum“ der CST (Feiner). Die eingereichten Schriften gelangten anonym an die Hauptdirektion, die sie an einige ausgewählte gelehrte Mitglieder zur Beurteilung weiterleitete. Erst bei positiver Begutachtung wurde der Name des Autors ermittelt und die Schrift zum Druck gebracht. Fiel die Beurteilung negativ aus, so wurde die Schrift ohne Kenntnis des Verfassers zurück833

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

geschickt (Plan, 6. Artikel, 4–6). Jeder An- Kunstwerken subskribierten, und in solche, wärter auf Mitgliedschaft in der CST muss- „die jährlich außer der Abnahme des Measef, te den anderen Mitgliedern und Inspektoren noch eine freiwillige Gabe, ohne etwas dageseines Wohnortes bekannt gemacht werden, gen zu verlangen, der Gesellschaft bewilligen“ damit diese über seine Aufnahme urtei- (Plan, 3. Artikel, 4). len konnten. Bei positiver Einschätzung des Kommissionäre bzw. Kollekteure oder „KorBewerbers wurde dieser der Hauptdirekti- respondenten“ jedes Ortes mit einer Inspekon vorgeschlagen. Sämtliche aufgenomme- tion hatten die Aufgabe, die Jahresbeträge nen Mitglieder erhielten von dieser ein ver- von den Mitgliedern bzw. Subskribenten einsiegeltes Patent und vom zuständigen Inspek- zukassieren und an die Hauptdirektion weitor die Statuten der Gesellschaft ausgehän- terzuleiten. Wenn er nicht unentgeltlich ardigt (Plan, 7. Artikel, 1–4). Ebenso erhielten beitete, so hatte jeder Kommissionär und In­ die von ihren Mitgliedern gewählten Direk- spektor das Recht, „10 Prozent von allen dem toren, In­spektoren und Assessoren ein Patent Gelde zu genießen, das durch seine Hände in zur Bestätigung ihrer Wahl durch die Haupt- die Kasse der Gesellschaft fließt“ (Plan, 10. direktion (Plan, 8. Artikel, 1–3). Die Mitglie- Artikel, 5–6). Um 1790 befanden sich Subder waren in drei verschiedene „Klassen“ ein- skribenten u. a. in Altona, Amsterdam, Berlin, geteilt: In Literaten (Gelehrte), Künstler und Bernburg, Breslau, Dessau, Dresden, FrankFördermitglieder. Nach dem Vorbild ande- furt am Main, Frankfurt an der Oder, Fürth, rer Lesegesellschaften wurden die „literari- Glogau, Halberstadt, Hamburg, Hannover, schen Mitglieder“ jedes Ortes mit einer In- Kassel, Königsberg, Kopenhagen, Landsberg, spektion dazu angehalten, sich mindestens Leipzig, Liebenwalde, Lissa, Nancy, Posen, einmal monatlich zu treffen, „um Vorlesun- Potsdam, Prag, Prenzlau, Riga, Sklow, Straßgen allerlei Art zu halten, lehrreiche Gesprä- burg, Stargard, Stendal, Strelitz, Warschau che zu führen, Aufgaben der Hauptdirektion und Wien. zu behandeln, oder schon behandelte zu beurteilen, oder sonst über die Angelegenhei- Mitglieder: Im Nachtrag zu den Statuten hieß ten der Gesellschaft zu sprechen“. Zur Rege- es u. a., es solle „jedem Mitglied jährlich eine lung der internen Angelegenheiten und der gedruckte Liste zugehändigt werden, in welGeschäftsverwaltung sollten sich alle Direk- cher nicht nur alle Mitglieder namentlich und tionsangehörigen einmal wöchentlich treffen, ihrer Klasse nach spezifiziert, sondern auch alle wofür jede Direktion „auf Kosten der Gesell- die in diesem Jahre in der Gesellschaft vorgeschaft eine Wohnung zu ihren Zusammen- fallenen Veränderungen angezeigt sein werden“ künften“ mieten sollte (Plan, 5. Artikel, 3). (Plan, Nachtrag, 2). Eine solche Liste ist nicht Alle Mitglieder eines Ortes hatten eine jähr- bekannt, doch lassen sich die gelehrten bzw. liliche Hauptversammlung abzuhalten (Plan, 9. terarischen Mitglieder an ihren Beiträgen für Artikel, 1–3). HaMeasef und an den von ihnen publizierten Die Finanzierung der CST lief über den Ver- Büchern mit Hinweis auf ihre Mitgliedschaft kauf der von ihr herausgegebenen Zeitschrift in der CST verifizieren. Die Gründungsmitund der Bücher und Kunstwerke, wobei die glieder sind im Statut vom Juni 1787 aufgeFördermitglieder („Mitglieder der dritten führt. Die Fördermitglieder erscheinen auf den Klasse“) eine zentrale Rolle spielten. Diese Subskribentenlisten von HaMeasef. – Grünwaren wiederum in zwei Unterklassen einge- dungsmitglieder: Isaac Daniel Itzig: Ober-Diteilt, nämlich in solche, die jährlich HaMeasef rektor in Berlin. Gemeinsam mit David Friedabonnierten und zusätzlich auf eine von ih- länder war Itzig auch Direktor der  Chanen bestimmte Menge an Büchern oder vurat Mazdiqej haRabim und der  Chevrat 834

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Chinuch Ne’arim. Im Zusammenhang mit der mon Maimon (?), Gedalja (Moses) ObersitzCST taucht sein Name aber nicht weiter auf, ko (Obrzycko), Salomon Pappenheim (?), Joso dass er eher als Schirmherr, denn als aktives sel Rochnowe (Reichenau, auch Joseph Pick), Mitglied der CST anzusehen ist. Sein Amt war Jacob Sulzbach, David Theodor, Naphtali rein repräsentativ, denn er besaß ein hohes Maß Herz (Hartwig) Wessely, Aaron Wolfssohn. – an gesellschaftlichem Renommee, mit dem die Die Sozialstruktur der Mitglieder erster Klasfinanzkräftigen Gemeindemitglieder zur Mit- se war sehr unterschiedlich. Einige von ihnen gliedschaft bewegt werden konnten. Itzig war waren in den wohlhabenderen jüdischen HäuHofbauinspektor und Mitglied der Berliner sern als Privatlehrer oder Buchhalter angestellt. Gruppe der Asiatischen Bruderschaft sowie der Viele von ihnen kamen aus dem preußischen  Christlich-jüdischen Loge zur Toleranz. Ausland, vor allem aus polnischen Gebieten, In Königsberg: Isaac Abraham Euchel, Simon und hatten daher nur begrenztes AufenthaltsBaras, Mendel Breslau und Sanwil Friedländer. recht in Berlin. Als Angestellte bei Berliner Euchel, Breslau und Friedländer gehörten 1782 Schutzjuden wurde ihnen dieses zwar gewährt, auch schon zu den Gründungsmitgliedern der sie konnten jedoch selbst keine eigene FamiChevrat Dorschej Laschon Ever (Gesellschaft lie gründen, was die besondere Bedeutung des der hebräischen Litteraturfreunde), Simon Ba- Junggesellenstatus in einigen jüdischen Aufras’ Mitgliedschaft war nur von kurzer Dauer: klärungsgesellschaften erklärt. Aus diesem soer starb schon 1787, kurz vor Veröffentlichung zialen Muster hoben sich die Angehörigen der der Statuten der CST. Postum wurde der letz- Familie Friedländer heraus. Sie gehörten der te Teil seines umfangreichen Aufsatzes über jü- Berliner Wirtschaftselite an. Baruch Lindau dische Kindererziehung im vierten Jahrgang des war Bankier und entstammte einer wohlsituMeasef veröffentlicht. ierten Familie aus Lindow in der Mark BranIn Berlin: Joel Bril Löwe und Baruch Lindau. denburg. Naphtali Herz Wessely, die GalionsLöwe und Lindau waren bereits Mitglieder der figur der CST, entstammte einer HamburKönigsberger Gesellschaft der hebräischen Lit- ger Großkaufmannsfamilie. – Künstler (Mitteraturfreunde gewesen. Beide waren als Pri- glieder zweiter Klasse): Abraham Abramson vatlehrer tätig, Löwe unterrichtete die Kinder (Medailleur), Benedict Heinrich Bendix (BenDavid Friedländers, Benoni und Moses. dig) (Zeichner, Kupferstecher), Daniel Berger Hauptdirektion in Königsberg: Mendel Breslau, (Kupferstecher; Mitgliedschaft unsicher), MoSanwil Friedländer. ses Samuel Löwe (= Johann Michael Siegfried Oberdirektion in Berlin: Isaac Euchel, Joel Bril Lowe) (Zeichner, Miniaturmaler, KupfersteLöwe, Baruch Lindau. cher), Beer (Carl Bernhard) Wessely (KompoDirektion der Druckerei: Isaac Daniel Itzig, Da- nist, Musikdirektor). – Förderer (Mitglieder vid Friedländer, Isaac Euchel. dritter Klasse) (Subskribenten von HaMeasef Buchhändler : David Friedländer und Simon in Berlin, 1785–1790/91): Abraham AbVeit (um 1789), Aaron Wolfssohn (bis 1792). – ramson (Potsdam), Jeremias Bendix (Bendit), Gelehrte, Literaten (Mitglieder erster Klas- Hirsch Nathan Bendix, Joseph Hirsch Bendix, se): Jehuda Benseev, Mendel Breslau (Mena- Samuel Hirsch Bendix, Mordechai (Marcus chem Brese), Isaac A. Euchel, Jechiel (Gottleb Elieser) Bloch, Isaac Bomburg (?), Löb Breslau, oder Gottlieb) Euchel, Abraham A. Friedlän- Elchanan Bril, Joel Bril (Löwe), Löb Brunder, Abraham W. Friedländer, Benoni Fried- schwig (Jehuda Leib Heckscher), Salomon länder, David Friedländer, Moses Friedlän- (Salkind) Bütow, Mordechai Cohn (= Marcus der, Menachem Mendel Lefin (Satanow oder Marcuse?), Akiba Flesch, Abraham FriedlänSatanower), Baruch Lindau (Baruch Levin), der, David Friedländer, Abraham Nathan HalElchanan (Bril) Löwe, Joel (Bril) Löwe, Salo- berstadt, Isaac Halberstadt, Joel Samuel Hal835

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

le, Wolff Samuel Halle, Joseph Haltern, Salomon (Salman) Heizfeld (= Hildesheim?), Isaac Samuel Helfft, Benjamin Daniel Itzig, Daniel Itzig, Elias Daniel Itzig, Isaac Daniel Itzig, Jacob Daniel Itzig, Aaron Friedenthal (Jaroslawer), Aaron Joresch, Ascher Königsberg, Jidel Königsberg, Zadok Königsberg, Daniel Samuel Levy, Moses Salomon Levy, Samuel Salomon Levy, Wolf Samuel Levy, Moses Mendelssohn, Löb Minden, Joseph Mosson (Zwi), Simon Muhr, Salman Pan (Salomon Nathan jun.), David Präger, Jecheskiel Prenzlau, Liepmann Moses Ries (Töplitz), Jesaja Ries, Jossel Rochnowe, Isaac Satanow, Moses Slotowe, Joseph Veit (Witzenhausen), Simon Veit (Witzenhausen), Simon (Lekesch) Warburg, Beer (Carl Bernhard) Wessely, Naphtali Herz Wessely, Isaac Benjamin Wulff, Jacob Isaac Wulff, Abraham Zültz. – Um 1788 hatte HaMeasef insgesamt etwa 220 bis 230 Subskribenten. Unter ihnen befand sich als einziger Christ der Schriftsteller, Buchhändler und Verleger Friedrich Nicolai. – Korrespondenten (Kommissionäre) 1789: Chaim Pappenheim (Altona), Salomo Prag (Amsterdam), Josel Rochnowe (Breslau), Meir Fürth (Dessau), Jacob Stern (Frankfurt am Main), Samuel Detmold (Fürth), Chaim Würzburg (Hamburg), Feibel Barash (Hannover), Leib Popert (Kassel), Mendel Breslau (Königsberg), Simon Neukirchen (Kopenhagen), Seligman Pappenheim (Nancy), Abraham Leib Liebschütz (Prag) und Pessach Halle (Wien). Querverweise auf andere Vereine: Außer der Königsberger Chevrat Dorschej Laschon Ever (Gesellschaft der hebräischen Litteraturfreunde), aus der sie direkt hervorging, hatte die CST keine Vorbilder. In ihren Statuten lassen sich zwar Übereinstimmungen mit anderen Vereinen erkennen, etwa in Hinsicht auf die Regelungen der Mitgliederaufnahme, die Wahl der Vorsteher oder auch die inhaltliche Diskussionsbreite, doch das ganze Finanzierungs- und Unterstützungsmodell sowie die Zielvorstellungen der CST sind einma836

lig. – Als eine Abspaltung der CST entstand 1794 die  Chevrat Marpe laNefesch, die deren „literarischen Weg“ weiterverfolgte, indem sie Literatur der Haskala produzierte und zu einem möglichst günstigen Preis auf den Buchmarkt brachte. Personell war diese neue Gesellschaft zugleich eine Neugründung der  Chavurat Mazdiqej haRabim. Einen Neuanfang des „literarischen Wegs“ startete in Berlin etliche Jahre später die  Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft der die hebräische Sprache Liebenden). – Ein neues Konzept von „belohnendem“ und „ausübendem“ Weg des ursprünglichen Programms der CST entwarfen einige der Junggesellen unter den aktivsten Mitgliedern der CST, indem sie Ende 1792 die  Gesellschaft der Freunde mitbegründeten. Zu den Initiatoren und frühesten Mitgliedern dieses wohltätigen Vereins gehörten Isaac Euchel, Aaron Wolfssohn, Baruch Lindau, Joel Bril Löwe sowie Simon Veit, Benoni Friedländer, Moses Friedländer und andere, wie etwa der Künstler Benedict Heinrich Bendix (Bendig). Bibliographie: a) Quellen: Cohen, Salomon: Ein Wort über die Tendenz des Sammlers. In: HaMeasef, Neue Folge, 1. Jg. (1808/09), S. 1–5. – Euchel, Isaak: Vom Nutzen der Aufklärung. Schriften zur Haskala. Mit den hebräischen Originaltexten. In Verbindung mit dem Franz Rosenzweig Forschungszentrum Jerusalem hg., übers. u. komm. v. Andreas Kennecke. Düsseldorf 2001 (Jüdische Geistesgeschichte, 3). – HaMeasef, Jahrgänge III (1785/86) bis VII (1794/95). – Lohmann, Uta und Lohmann, Ingrid (Hg.): „Lerne Vernunft“. Jüdische Erziehungsprogramme zwischen Tradition und Modernisierung. Quellentexte aus der Zeit der Haskala, 1760–1811. Münster 2005 (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, 6). – Plan zu einer Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten unter dem hebräischen Namen Schocharej haTov wehaTuschija. Königsberg und Berlin 1787 [Statuten]. – Stein, Leopold: Die

Gesellschaft der Freunde [GdF]

Schrift des Lebens. Zweiter Teil, Straßburg chel. Architekt der Haskala. Göttingen 2007. i. E. 1877 [Brief David Friedländers 1799 an – Lohmann, Uta: “Sustenance for the Learned Aaron Wolfssohn, S. 444 f.]. – b) Forschungs- Soul”: The History of the Oriental Printing literatur: Feiner, Shmuel: Haskala – Jüdi- Press at the Publishing House of the Jewish sche Aufklärung. Geschichte einer kulturellen Free School in Berlin. In: Leo Baeck Institute Revolution. Hildesheim u. a. 2007 (Netiva – Year Book LI (2006), S. 11–40. – Pelli, Moshe: Wege deutsch-jüdischer Geschichte und Kul- The Gate to Haskalah. An Annotated Index to tur. Studien des Salomon Ludwig Steinheim- Hame’asef, the First Hebrew Journal (hebr.). Instituts, 8). – Kennecke, Andreas: Isaac Eu- Jerusalem 2000.

Uta Lohmann

Gesellschaft der Freunde [GdF] Name: Gesellschaft der Freunde. Gründung: 29. Januar 1792. Auflösung: 25. November 1935 (Verbot durch die Nationalsozialisten). Sitz: Gründung 1792: Spandauer Straße 21 („Fließsches Haus“). – 1795 Klosterstraße. – 1796 Oranienburger Straße („Ungewittersches Haus“). – 1805 Königstraße 44 („Nauendorffsches Haus“). – 1808 Neue Friedrichstraße 22/23 („Löhdersches Haus“). – 1820– 1877 Neue Friedrichstraße 35 (Eigentum). – 1886 Hinter der Katholischen Kirche 2. – 1913–1922 Potsdamer Straße 122 a/b.

Abb. 158  Emblem des Vereins.

Programmzitat: „Ob wohl nun der Zweck im Allgemeinen eine jede Wohlthat in sich involvirt, so sehen sich die Verfasser dieses Plans dennoch genöthigt, vorjetzt blos auf die zunächst liegende Uebel und die Mittel ihnen abzuhelfen, ihr Augenmerk zu richten. / Krankheit und Dürftigkeit sind diese beyden Uebel, die oft Hand in Hand gehen, oft eins dem andern auf den Fuß folgt, und einen Menschen vom besten Willen und Fähigkeit zu Grunde richten. Auf welche Weise man diesen Uebeln entgegen gearbeitet hat, zeigt der Plan selbst, und es ist hier genug, wenn nur die Aussicht eröffnet wird, wie ein unbemittelter Mensch sich beruhigen kann, wenn ihn der traurige Gedanke aufstößt: was wird aus mir werden, wenn Krankheit mich überfällt, oder ein un-

vorhergesehener Umstand mich auf eine Zeitlang brotlos macht? – Er sieht nun eine ganze Gesellschaft sich um seine Genesung bestreben, sieht sich verpflegt, versorgt, und genest ohne die drückende Sorge, was er nun anfange; er wird von seinen Freunden besucht, sie sind bemühet ihn zu zerstreuen, ihm Trost zuzusprechen, und alle Mittel anzuwenden, ihm sein Leiden erträglich zu machen. Setzt ihn ein Zufall außer Brod, so findet er eine Zeitlang seinen Unterhalt, ohne an seine Ehre gekränkt zu werden, und hundert Freunde bemühen sich, ihm die Gelegenheit zu verschaffen sich wieder selbst zu ernähren, und ihn als Freund zu empfehlen. / Aber auch der be837

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

mittelte Mann, der keiner Unterstützung aus der Gesellschaftskasse bedarf, findet hier außer der Freude durch seinen geringen Beytrag so manchen Nothleidenden unterstützen zu helfen, auch Trost und Beruhigung für sich selbst. Wer die mannigfaltigen Unannehmlichkeiten der größtentheils isolirten Lebensart eines Unverheyratheten, besonders bey vorfallender Unpäßlichkeit u. d. gl. recht kennt, wird sicherlich zugeben, daß ihm der Besuch, die Fürsorge, die Mühwaltung und (wenn ers verlangt) die Besorgung seiner Geschäfte und Bewahrung seiner Effekten, von einer Gesellschaft uneigennütziger Freunde und fast in gleichem Verhältniß stehender Menschen sehr willkommen und angenehm seyn müsse. […] Es ist diesem nach nicht zu zweifeln, daß diese gute Anstalt von jedem Edelgesinnten beherziget und kräftig unterstützt werden wird, und es ist der einige Wunsch derjenigen, die aus reinem, von allen Nebenabsichten freyem, Eifer für die Errichtung bemühet waren: / daß diese wohlthätige Anstalt in der Folge Mittel besitzen möge, ihren edlen Zweck mehr und mehr auszudehnen, und auch Nichtmitglieder der Gesellschaft des Genusses ihrer Wohlthaten theilhaftig machen zu können; daß sie auch in andern Orten Nachahmer finden möge, die ähnliche Institute errichten, und daß diese Institute sich gegen einander wie edelgesinnte Schwestern verhalten mögen, denen die Fürsorge, Pflege und Bildung ihrer Kinder gegenseitig am Herzen liegt“ (Plan zur Errichtung einer wohlthätigen

Gesellschaft unter dem Namen Gesellschaft der Freunde, 1792, S. VIII–XII). Geschichte und Programmatik: Im Januar 1792 rief ein Freundeskreis, bestehend aus den Maskilim (jüdischen Aufklärern) Isaac Euchel, Aaron Wolfssohn, Joseph Mendelssohn, Nathan Oppenheimer und Aron Neo, zur Gründung der Gesellschaft der Freunde auf. Er wandte sich an eine spezifische Gruppe innerhalb der Berliner jüdischen Gemeinde: unverheiratete, mehrheitlich junge An838

hänger der jüdischen Aufklärung (Haskala), die sich sowohl als Junggesellen, als auch als Unterstützer grundlegender Veränderungen im Bildungs- und Ritualwesen sowie im Verhältnis zur nichtjüdischen Umwelt Zurücksetzungen und Ausgrenzungen ausgesetzt sahen. Diese sollten sich zusammenschließen und gegenseitig Unterstützung in Fällen von Armut, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Krankheit und Tod gewähren, Aufgaben, die bis dahin exklusiv von traditionellen Gesellschaften wie  Chewra Kadischa und  Bikur Cholim übernommen worden waren. Die Unterstützung notleidender „Freunde“, wie sich die Mitglieder gegenseitig nannten, blieb Zeit ihres Bestehens die zentrale Aufgabe der Gesellschaft. Der Kreis der zu Unterstützenden wurde später auch auf Angehörige und Hinterbliebene von Mitgliedern ausgedehnt. Daneben war die GdF in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens in innerjüdische Kon­ troversen involviert. Vor allem am Streit um den Ritus der „frühen Beerdigung“ beteiligte sie sich aktiv und konnte für ihre Mitglieder die von der Aufklärung angestrebte 3-Tagesfrist zwischen Tod und Beerdigung durchsetzen. Das nach diesem Erfolg geplante Folgeprojekt des Baus einer Leichenhalle scheiterte allerdings an unzureichenden Mitteln. Ungeachtet dieses Rückschlags blieb der Verein attraktiv und erfolgreich. Das zeigte sich an steigenden Mitgliederzahlen und finanziellen Mitteln, bald aber auch darin, daß das Modell „Gesellschaft der Freunde“ von anderen Organisationen in Teilen oder auch komplett kopiert wurde. Die Gesellschaft  Magine Rèim (gegründet 1804) und der  Brüderverein (gegründet 1815) übernahmen die Verfassung der GdF bis ins Detail. Daneben erfolgten auch Ausgründungen aus den Reihen des Vereins selbst. Es handelte sich hier um inhaltliche Initiativen von Vereinsmitgliedern, die sich im Rahmen der GdF nicht verwirklichen ließen und für die deshalb neue Vereine gegründet wurden. Die Initiativgruppe der  Gesellschaft zur Beförderung der Industrie un-

Gesellschaft der Freunde [GdF]

ter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion (gegründet 1812) zum Beispiel bestand ausschließlich aus Mitgliedern der GdF. Die einzige offizielle Ausgründung eines Vereins geschah 1795, als sich die GdF ihre eigene  Ressource schuf. Diese Organisation (ab 1815 Geselliger Verein der Gesellschaft der Freunde) war über viele Jahrzehnte ein durch Satzung und Mitglieder eng an die GdF gebundener Tochterverein, bevor er sich im späten 19. Jahrhundert von seiner Mutterorganisation trennte. Ab den 1820er Jahren wandelte sich die Gesellschaft mit ihrem eigenen Haus zwischen Alexanderplatz und Synagoge zum Kulturzentrum und wichtigsten Verein des Berliner Judentums. Ein zweiter tiefgehender Wandel trat nach der Reichsgründung 1871 ein und transformierte die Organisation zum inoffiziellen Zentrum der Finanz- und Wirtschafts­ eliten, deren Unternehmen deutschland- und europaweit tätig und führend waren. Während der Jahre der Weimarer Republik erlebte die GdF eine letzte Blüte, bevor sie 1934 ins Visier der nationalsozialistischen Überwachung geriet und am 25. November 1935 verboten wurde. Struktur und Organisation: Zwar gab es schon vor 1792 etliche, teilweise sehr alte Organisationen in der jüdischen Gemeinde, die Chewroth (Gesellschaften) alten Typs. Die GdF jedoch war der erste Verein „neuen Typs“ unter den Berliner Juden, ein Verein, der grundsätzlich allen unverheirateten Männern, unabhängig von ihrer sozialen Stellung, offenstand, der seine Beschlüsse auf der Grundlage demokratischer Entscheidungsfindung durch die Mitgliederversammlung fasste und der sein Arbeits- und Finanzsystem durchsichtig gestaltete. Zu diesem Zweck wurden ausgesprochen detaillierte und umfangreiche Statuten entworfen, diskutiert, verabschiedet und regelmäßig modifiziert, in denen alle Einzelheiten des Vereinslebens – von den Rechten und Pflich-

Abb. 159  Plan eines Leichenhauses, 1798.

ten der Mitglieder über die Funktionen der einzelnen Vorstandsmitglieder und den Ablauf der Jahresversammlungen bis hin zur Definition der Strafzahlungen und zur Verwaltung der Vereinsfinanzen – auf das Genaueste festgelegt wurden. Da es kaum Erfahrungen und rechtliche Vorgaben von Seiten des Staates gab, mussten die Mitglieder fast alle Instrumente des Organismus „moderner Verein“ selbst entwickeln und testen. Das führ839

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

te dazu, dass sich die Diskussionen und Auseinandersetzungen während der Jahresversammlungen sehr häufig um Satzungsfragen drehten. Regelmäßig wurden für die Bearbeitung solcher Fragen auch Sonderkommissionen eingesetzt. – Die Leitung der GdF lag in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens bei einem zweigliedrigen Vorstand. Der „engere Ausschuß“ tagte permanent und regelte die Alltagsgeschäfte der Organisation. Neben dem Vorsteher (Vorsitzenden), dem Kassierer, den Sekretären, Ökonomen und Assessoren gehörte ihm ein „Pflegevater“ an, der sich besonders der Krankenbetreuung annahm sowie die Maßnahmen in Todesfällen beaufsichtigte. Ihm unterstanden auch der Arzt und der Krankenwärter, die der Verein beschäftigte. In unregelmäßigeren Abständen tagte der „größere Ausschuß“, der unter anderem Satzungsfragen zu klären und die Finanzführung zu überwachen hatte. Die Wahl der Mitglieder des „engeren Ausschusses“ erfolgte einmal jährlich durch die Mitgliederversammlung, anfänglich mittels Wahlmänner, später direkt. In den ersten Jahren gab es fast jährliche Wechsel auf fast allen Vorstandsposten. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts setzten sich längere Amtszeiten durch. Die zusätzlichen Mitglieder des „größeren Ausschusses“ benannte der „engere Ausschuß“ jedes Mal aufs Neue, wenn dieses erweiterte Gremium einberufen wurde. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts wurden engerer und größerer Ausschuss zu einem „Vorstand“ zusammengeführt. – Da die Unterstützung der Mitglieder einen wichtigen Teil der Vereinsarbeit ausmachte, wurde die Vermögensverwaltung besonders klar geregelt. Der reguläre Finanzfonds wurde in ein Grundvermögen und in disponible Gelder geteilt. Das Grundvermögen war in den ersten Jahren des Bestehens der Gesellschaft gebildet worden, indem man mit Zahlungen sehr zurückhaltend war, während gleichzeitig der Anstieg der Mitgliederzahlen zu einer stetigen Vermehrung der Mittel des Vereins führte. Ihm flossen zu840

dem die Eintrittsgelder neuer Mitglieder zu (1792: 3, 1797: 8, 1803: 10, 1827: 25 Taler pro Person). Zu den disponiblen Geldern gehörten die Zinsen des Grundvermögens und der jährliche Mitgliedsbeitrag in Höhe von fünf Talern. Nur aus diesem Teil des Vereinsvermögens durften die Unterstützungszahlungen geleistet werden. Das Gesamtvermögen, das bei der Gründung 1792 250 Taler betragen hatte, stieg kontinuierlich auf 7.000 (1802), 15.900 (1812) 25.600 (1822), 31.000 (1832) und 42.200 Taler (1842). 1809 schuf der Verein eine zusätzliche Wittwen- und Waisenanstalt, damit nicht nur seine Mitglieder, sondern auch deren Angehörige Zuwendungen empfangen konnten. Auch ihre Mittel wuchsen kontinuierlich an und überstiegen zwanzig Jahre nach ihrer Gründung bereits die Hälfte des regulären Vereinsmögens. 1844 trat der Goldschmidt Reservefonds als zusätzliches Finanzinstrument hinzu, der aktiv wurde, „wo die Statuten der Gesellschaft keine Wirksamkeit gestatten“. 1874 schließlich wurde noch ein Dispositionsfonds gegründet, der entferntere Verwandte verstorbener Vereinsmitglieder unterstützte. Mitglieder: a) Allgemeines: Ursprünglich gestattete die GdF nur unverheirateten Männern den Zutritt, wobei die Heirat nach dem Eintritt nicht zum Verlust der Mitgliedschaft führte. Eltern konnten für ihre minderjährigen Söhne die Mitgliedschaft erwerben. Diese beiden Regeln führten dazu, dass das Durchschnittsalter der Mitglieder anfänglich vergleichsweise niedrig lag. Es traten aber durchaus auch Junggesellen im fortgeschrittenen Alter und mit materiell gesicherter Stellung dem neugegründeten Verein bei. 1807 wurde die Regel, die Verheirateten den Beitritt verwehrte, aufgehoben. Sie war sinnlos geworden, da die Mehrzahl der Vereinsmitglieder inzwischen selbst verheiratet war. – Zur Religion der Mitglieder gab es nie eine satzungsmäßige Regelung. Da der Verein im Kreis der jüdischen Gemeinde gegründet

Gesellschaft der Freunde [GdF]

wurde, gehörten ihm anfänglich ausschließlich Juden an. Aber schon in den 1790er Jahren konvertierten erste Mitglieder, 1835 wurde erstmals ein Christ jüdischer Abstammung aufgenommen. Im 20. Jahrhundert schließlich kam es zu zahlreichen Beitritten von Personen ohne jeglichen jüdischen Familienhintergrund. Die Mehrheit der Mitglieder der Gesellschaft blieb jedoch stets jüdisch. – Sozial war der Verein zunächst stark gemischt. Neben selbständigen Kaufleuten, Unternehmern und Ärzten fanden sich Angestellte, Pädagogen und Publizisten. Später traten auch Geistliche und Juristen hinzu. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die GdF mehr und mehr zum Verein der Wirtschaftsund Finanzelite des Berliner Bürgertums. Ban­kiers wie die Mendelssohns, Warschauers und Bleichröders, Textilunternehmer wie die Liebermanns, Mosses und Reichenheims sowie Inhaber von Zeitungsimperien wie die Ullsteins und Rudolph Mosse fanden sich ebenso in seinen Reihen wie die Rathenaus und Hugo Preuß. Künstler wie der Maler Max Liebermann, der Schriftsteller Alexander Moszkowski, der Komponist Giacomo Meyerbeer und der Violinist Bernhard Dessau sowie Geisteswissenschaftler wie der Archäologe Ludwig Borchardt und der Orientalist Bruno Güterbock waren die Ausnahme. Insgesamt gehörten der GdF im Verlaufe der fast anderthalb Jahrhunderte ihres Bestehens um die 3.000 Mitglieder an. – b) Einzelmitglieder (in den Kategorien jeweils alphabetisch): Eintritt bis 1815: Heinrich Arndt, Jacob Aronssohn, Jacob Bacher, Salomon Aron Bahn, Jacob Herz Beer, Jacob Meyer Beer (Giacomo Meyerbeer), Anton Heinrich Bendemann, Levin Bacher Berend, Samuel Bacher Berend, Moritz Bielfeld, Abraham Herz Bing, Samuel Bleichröder, Sußmann (Alexander) Bleich­ röder, Wilhelm Cassel, Ephraim (Eduard) Cohen, Abraham Cohn (Carl Adolph Köhne), Heimann Joseph Veitel Ephraim (Hermann Eberti), Jeremias Baruch (Gerhard Friedrich) Eschwe, Isaac Eu-

chel, Alexander Flesch, Benoni Friedländer, Jacob Friedländer (Friedheim), Moses Friedländer, Itzig Goldschmidt, Carl Siegfried Günsburg, Beer Güterbock, Hirsch Leiipp Hellser Güterbock, Calm Heine, Phil­ born (Hirsch), Abra­ham (Adolph Friedrich) Heydemann, Beer Isaac Hirsch (Franz Bernhard Huber), Marcus Isaac (Martin Isert), Isaac Elias Itzig (Julius Eduard Hitzig), Israel Jacobson, Eduard Kley, Baruch Levin (Bernhard Ludwig) Lindau, Joel Abraham List, Joel Löwe (Bril), Salomon Maimon, Joseph Mendelssohn, Nathan Mendelssohn, Abraham Mendelssohn (Bartholdy), Martin Heinrich Mendheim, Moritz Carl Dietrich Meyer, Joseph Muhr, Aron Neo, Mendel Oppenheim, David Oppenheimer, Nathan Oppenheimer, Wolff Is. (Wilhelm Eduard) Rieß, Ludwig Rintel, Salomon Runkel, Adolph Martin Schlesinger, Joseph Swa, Phi­lipp Martin Steinthal, Simon Veit, David Moses (Dietrich Moritz) Wallach, Heinrich Dietrich Wallach, Meyer Warburg, Marcus Warschauer, Bernhard Wessely, Michael Wolff, Aaron Wolfssohn. – Eintritt bis 1880 (Auswahl): Eduard Arnhold, Joseph Aub, Baruch Levin Auer­ bach, Meyer Samuel Baswitz, Bernhard Samuel Berend, Gerson (von) Bleichröder, Julius Bleichröder, Meno Burg, Eduard Gans, Ludwig Max Goldberger, Arthur Hobrecht, Aron Horwitz, Wilhelm Kopetzky, Eugen (von) Landau, Ludwig Lesser, Benjamin Liebermann, Joseph Liebermann, Ludwig Loewe, Meyer Magnus, Moritz Manheimer, Alexander Mendelssohn, Franz (von) Mendelssohn, Ernst (von) Mendelssohn-Bartholdy, Paul Mendelssohn-Bartholdy, Joel Wolf Meyer, Moses Moser, Rudolf Mosse, Hugo Oppenheim, Leonor Reichenheim, Moritz Reichenheim, Martin Steinthal, Max Steinthal, Leopold Ullstein, Rudolf Ungerleider, Moritz Veit, Robert Warschauer sen., Leopold Zunz. – Eintritt bis 1918 (Auswahl): Felix Deutsch, Fritz (von) Friedländer(-Fuld), Carl Fürstenberg, Ludwig Geiger, Ludwig Güterbock, Arthur (von) Gwinner, Maximilian 841

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Kempner, Wilhelm Kuczynski, Max Liebermann, Franz von Mendelssohn, Robert von Mendelssohn sen., Otto (von) Mendelssohn Bartholdy, Paul von Mendelssohn-Bartholdy, Alexander Mosz­ kowski, Franz Oppenheim, Walther Rathenau, James Simon, Oscar Tietz, Robert Warschauer jun., Oscar Wassermann, Richard Wolffenstein. – Eintritt bis 1935 (Auswahl): Willy Dreyfus, Louis Hagen jun., Paul Kempner, Rudolf Löb, Hans Luther, Alfred Manovill, Robert von Mendelssohn jun., Friedrich Reinhart, Hjalmar Schacht, Carl Friedrich von Siemens. Querverweise auf andere Vereine: Jüdische Vereine gleichen Namens, über die bislang nichts Näheres bekannt ist, entstanden auch in Leipzig, Breslau, Wiesbaden und Frankfurt (Main). – Inhaltliche Bezüge gab es zu  Bikur Cholim  Brüderverein  Chewra Kadischa  Gesellschaft zur Beförderung der Indus-

trie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion  Magine Rèim  Ressource der Gesellschaft der Freunde. Bibliographie: 1) Archivquellen: CAHJP, 75 A, 75 E und Be 2. – GStA PK, II. HA, Abt. 14 und Freimaurer, 5.1.4. – LAB, A Rep. 030-04. – Stiftung Stadtmuseum, Dokumentensammlung, Vereine. – 2) Drucksachen: a) Satzungen: 1792: Plan zur Errichtung einer wohlthätigen Gesellschaft unter dem Namen Gesellschaft der Freunde. Berlin 1792. – 1803: Statuten der mit Königl. Allerhöchster Bewilligung errichteten Gesellschaft der Freunde zu Berlin. o. O. 1803. – 1827: Statuten der Gesellschaft der Freunde zu Berlin. Berlin 1827. – 1837: Statuten der mit Königl. Allerhöchster Bewilligung errichteten Gesellschaft der Freunde zu Berlin. 2. Auflage der Statuten von 1827 mit den am 26sten Februar 1837 beschlossenen Abänderungen. Berlin 1837. – 1874: Statut der Gesellschaft der Freunde. (Gegründet 1792.) Revisionen von 1870, 1872 und 1874. Berlin o. J. (1874). – 1896: Statut der Gesellschaft der Freunde zu 842

Berlin. Berlin 1896. – 1907: Revidiertes Statut der Gesellschaft der Freunde zu Berlin. Genehmigt durch Allerhöchsten Erlaß vom 31. Mai 1897. Mit den in der Hauptversammlung vom 25. März 1907 beschlossenen Aenderungen. Berlin 1907. – 1917: Revidiertes Statut der Gesellschaft der Freunde zu Berlin. Genehmigt durch Allerhöchsten Erlaß vom 31. Mai 1897. Mit den in den Hauptversammlungen vom 25. März 1907 und 31. März 1917 beschlossenen Aenderungen. Berlin 1917. – 1923: Neue Satzung der Gesellschaft der Freunde. Beschlossen in der Hauptversammlung am 29. März 1923. – b) Jubiläumsschriften: 1842: Lesser, Ludwig: Chronik der Gesellschaft der Freunde in Berlin zur Feier ihres 50jährigen Jubiläums. Nebst Nachtrag 1842–1872 von Martin Steinthal. Berlin 1842 bzw.1872. – 1892: Baschwitz, Hermann: Rückblick auf die hundertjährige Geschichte der Gesellschaft der Freunde zu Berlin und Nachtrag zur Chronik bis zum Schluß des Jahres 1891. Berlin 1892. – 1892: Feier des 100jährigen Bestehens der Gesellschaft der Freunde 1792–1892, 27. März. Berlin 1892. – c) Mitgliederverzeichnisse: Verzeichniß der sämmtlichen Mitglieder der Gesellschaft der Freunde. [Berlin 1811]. – Namen-Verzeichniss sämmtlicher Mitglieder der Gesellschaft der Freunde beim Anfang des Jahres 1836. Berlin 1836. – Dass. am 15. Februar 1837 (Berlin 1837); am 29. Januar 1843 (Berlin 1843); am 1. Januar 1844 (Berlin 1844); am 1. Februar 1845 (Berlin 1845); am 1. Februar 1846 (Berlin 1846); am 15. Februar 1847 (Berlin 1847); am 1. Februar 1853 (Berlin 1853); am 10. März 1863 (Berlin 1863); am 1. März 1869 (Berlin 1863); am 1. März 1870 (Berlin 1870); am 24. Februar 1872 (Berlin 1872); am 1. März 1873 (Berlin 1873); am 1. März 1877 (Berlin 1877); März 1880 (Berlin 1880); März 1881 (Berlin 1881); März 1882 (Berlin 1882); 1. März 1887 (Berlin 1887); 1. März 1892 (Berlin 1892); 4. März 1893 (Berlin 1893); 1. Februar 1895 (Berlin 1895); Februar 1897 (Berlin 1897). – Mitglieder-Ver-

Gesellschaft der Freunde [GdF]

zeichniss der Gesellschaft der Freunde. Ende 1898 (Berlin 1898); für das Jahr 1898, erstatFebruar 1901. Berlin 1901. – Dass. März 1904 tet in der 107. ordentlichen Hauptversamm(Berlin 1904); März 1905 (Berlin 1905); An- lung am 23. März 1899 (Berlin 1899). – Gefang März 1912 (Berlin 1912). – Mitglieder- sellschaft der Freunde. Bericht des Schriftfühverzeichnis der Gesellschaft der Freunde. An- rers H[ermann] Baschwitz für das Jahr 1899. fang März 1929. Berlin 1929. – Dass. Anfang Berlin 1900. – Dass. für das Jahr 1900, erstatMärz 1932 (Berlin 1932); Anfang März 1935 tet in der [109.] Hauptversammlung vom 31. (Berlin 1935). – d) Jahresberichte: Jahresbe- März 1901 (Berlin 1901); für das Jahr 1901 richt. Erstattet von dem Secretair der Gesell- (Berlin 1902); für das Jahr 1902 (Berlin 1903); schaft der Freunde [für 1872] in der ordentli- für das Jahr 1903 (Berlin 1904). – Deutsch, chen General-Versammlung derselben am 23. Hermann: Bericht über das Jahr 1931 für die März 1873. Berlin 1873. – Jahresbericht des 140. Hauptversammlung der Gesellschaft der Secretairs der Gesellschaft der Freunde für das Freunde am 31. März 1932. Berlin 1932. – Jahr 1873, erstattet in der ordentlichen Ge- Sabersky, Fritz: Bericht über das Jahr 1934 für neralversammlung am 15. März 1874. Berlin die 143. Hauptversammlung der Gesellschaft 1874. – Jahres-Bericht des Secretairs der Ge- der Freunde am 27. März 1935. Berlin 1935. sellschaft der Freunde für das Jahr 1877, er- – e) Sonstiges: Lehmann, Joseph: Gesellschaft stattet in der ordentlichen General-Versamm- der Freunde. Rede des interimistischen Vorlung am 23. März 1878. Berlin 1878. – Dass. stehers in der General-Versammlung vom 3. für das Jahr 1878, erstattet in der ordentli- März 1839. Berlin 1839. – Lehmann, Joseph: chen General-Versammlung am 15. März Gesellschaft der Freunde. Rede des Vorstehers 1879 (Berlin 1879); für das Jahr 1879, erstat- in der General-Versammlung vom 16. Februar tet in der ordentlichen General-Versammlung 1840. Berlin 1840. – Lehmann, Joseph: Gesellam 13. März 1880 (Berlin 1880); für das Jahr schaft der Freunde. Rede des Vorstehers in der 1892, erstattet in der 101. ordentlichen Ge- General-Versammlung vom 14. Februar 1841. neral-Versammlung am 25. März 1893 (Ber- Berlin 1841. – Namen-Verzeichniß derjenigen lin 1893); für das Jahr 1893, erstattet in der Mitglieder der Gesellschaft der Freunde, die zu 102. ordentlichen General-Versammlung am deren Unterstützungs-Anstalt für Wittwen und 18. März 1894 (Berlin 1894); für das Jahr Waisen Beiträge leisten. Berlin Jg. 1847, 1853, 1894, erstattet in der 103. ordentlichen Gene- 1863–1865, 1871–1874, 1877–1882, 1887, ral-Versammlung am 17. März 1895 (Berlin 1892–1893, 1895–1897, 1900. – Plan zu einer 1895); für das Jahr 1895, erstattet in der 104. mit Königlicher Allerhöchster Bewilligung allordentlichen General-Versammlung am 31. hier zu errichtenden Leichen- und RettungsMärz 1896 (Berlin 1896); für das Jahr 1896, Anstalt. Berlin 1798. – 3) Forschungsliteratur: erstattet in der 105. ordentlichen Generalver- Panwitz, Sebastian: Die Gesellschaft der Freunsammlung am 28. März 1897 (Berlin 1897); de 1792–1935. Berliner Juden zwischen Auffür das Jahr 1897, erstattet in der 106. or- klärung und Hochfinanz. Hildesheim, Zürich, dentlichen Hauptversammlung am 27. März New York 2007 (= Haskala, Bd. 34).

Sebastian Panwitz

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Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung) [CMN] Name: ‫חברת מרפא לנפש‬, Chevrat Marpe laNefesch; Gesellschaft für Seelenheilung. Gründung: ca. 1793; Juli 1794 (Programmatischer Aufruf). Bestand: Bis ca. 1799. Sitz: Geckhol (oder: Jeckeholl, Jeckeholz) 8 (Wohnung Isaac Satanows im Haus Daniel Itzigs). Programmzitat: „Dies sind die Wohltäter des friedliebenden und gläubigen Volks, [die Mitglieder der] Chevrat Marpe Nefesch [Gesellschaft für Seelenheilung], die sich dem Volk freiwillig zur Verfügung stellen, um zu helfen und um denjenigen, deren gelehrte [oder: aufgeklärte] Seelen erkrankt sind, mit Heilmitteln nützlich zu sein; so wie die Chevrat Biqur Cholim [Gesellschaft der Krankenbesucher], deren wohltätiger Geist die Armen unterstützt, indem sie sie ermutigt und ihnen mit Medizin für am Leib Erkrankte hilft. Jene Wohltäter aber beauftragen einen sachverständigen Heiler, dessen Arznei diejenigen heilen soll, denen es an Wissen mangelt und deren interessierte Seele dadurch mit einer schweren Erkrankung des Verstandes daniederliegt und geplagt wird. Sie sind es, die Fürsorge tragen, indem sie Geld einsammeln, mit dem wertvolle Bücher gedruckt werden können, neue gemeinsam mit alten. Diese [Bücher] werden Früchte der Heilung sein und als Medizin dienen, um den Mund des Ausgezeichneten zu lösen, damit er über höchst wichtige Dinge sprechen kann. Dank ihrer Wohltätigkeit [oder: Freigiebigkeit] werden sie [auf der Mitgliederliste der CMN] aufgestellt, damit jeder von ihnen für eine festgelegte Summe pro Jahr, die jeder mit seinem Namen festsetzt, die gedruckten Bücher erhält. Dies soll ihre volle Belohnung und ein Werk der Gerechtigkeit und des Friedens sein“ (Übersetzung des hebräischen Vorspanns zur Mitgliederliste der CMN in: Isaac Satanow (Hg.): Sefer HaKusari von Jehuda Halevi. Berlin 1795 und Isaac Sa844

tanow (Hg.): More Nevuchim von Moses Maimonides. Teil 2, Berlin 1795). Geschichte und Programmatik: Die CMN entstand als eine Neugründung der  Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Gerechten für die Vielen), nachdem die  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten) in Berlin aufgelöst wurde, die deren Aufgabe, Bücher der Haskala im Verlag der Orientalischen Buchdruckerei herauszugeben, seit 1787 übernommen hatte. Wie ihre beiden Vorgängergesellschaften war auch die CMN bestrebt, überregionale Reichweite zu erlangen. Mit ihrem Namen „Gesellschaft für Seelenheilung“ griff sie eine bekannte Programmatik der allgemeinen Aufklärung auf, die die Literatur als eine Heilkunst der aus unterschiedlichen Gründen in Mitleidenschaft geratenen Seele betrachtete. Das Verlangen nach dieser literarischen Heilung setzte die Erkenntnis voraus, dass der Mensch seelisch aus dem Gleichgewicht geraten sei. Indem ihm falsche Bedürfnisse, Mängel, Surrogate eingeredet wurden, sei es zu einer unnatürlichen Trennung von Körper und Seele gekommen. Die Menschheit sei daher innerlich zerrissen und habe die Kunst zu leben verlernt. Sie bedürfe daher der Seelenheilung (vgl. Manger). Aus Sicht der CMN bestand das Übel für die Juden in der Trennung der „Gottesfurcht“ (Religionspraxis) von den säkularen Kenntnissen, den Wissenschaften und der Philosophie, eine Trennung, die vom traditionalistischen Judentum gefordert wurde. Dieses Unheil zu beseitigen, machte die CMN zu ihrer übergeordneten Zielsetzung. Kopf der CMN war Isaac Satanow, der auch schon in der  Chavurat Mazdiqej haRabim eine führende Position innehatte, indem er für die Leitung des Verlags und der Buchhandlung der Orientalischen Buchdruckerei verantwortlich war. Diese Aufgabe übernahm Satanow vermutlich um 1792/93 erneut, noch bevor er

Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung) [CMN]

Abb. 160  Titelblatt von Michtav Marpe Nefesch, 1794.

Abb. 161  Isaac Satanow: Mischlej Asaf (2. Teil), Berlin 1792.

1794 seinen programmatischen Aufruf Michtav Marpe Nefesch (Abhandlung der Seelenheilung) publizierte, mit dem er sich als Initiator und Vorsteher der CMN der hebräisch lesenden Öffentlichkeit präsentierte. Die CMN wiederum erschien als eine Gesellschaft, die Satanow die Verantwortung für Herausgabe und Verkauf der hebräischen Aufklärungsliteratur übertrug. In diesem Aufruf ging es Satanow vor allem darum, neue Mitglieder für die CMN, d. h. finanzielle Unterstützer für seine Buchproduktion zu gewinnen, und darüber hinaus Werbung zu machen für die von ihm verlegten und weitere Bücher der Haskala-Literatur, die über die Buchhandlung erworben werden konnten. Zu letzteren zählte beispielsweise auch Moses Mendelssohns religionsphiloso-

phisches Hauptwerk Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum, das 1783 auf Deutsch verfasst in Berlin erschienen war. 1796 bot Satanow in seiner Buchhandlung ca. 50 Schriften an, darunter Werke der frühen Berliner Haskala, die vor Gründung der Orientalischen Buchdruckerei erschienen waren. In einem ‚jüdischdeutschen‘ Schreiben, das als Anhang von Satanows Michtav Marpe Nefesch erschien, fasste David Friedländer dessen literarische Aktivitäten lobend zusammen. Man wisse, dass Satanow „seit langen Jahren sich mit der hebräischen Literatur und Gelehrsamkeit beschäftigt, und der gelehrten Welt auf mannigfaltige Weise nützlich gewesen“ sei. Er habe nicht nur eigene Schriften verfasst, „welche sowohl in Absicht ihres eigenen Wertes, als in Absicht des 845

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Vortrages, den besten Schriften ihrer Art an die Seite gesetzt zu werden verdienen“, sondern sein Verdienst bestehe auch darin, „daß er die besseren moralischen und philologisch-philosophischen Schriften, die äußerst selten und kostbar geworden sind, neu auflegt, und mit erklärenden Anmerkungen, oft mit eigenen Commentarien begleitet“. Viel Anerkennung verdiene Satanow, betonte Friedländer (Empfehlungsschreiben vom 11. August 1794). Die hebräischen Bücher, die Satanow in den folgenden Jahren publizierte, umfassten zum einen Sprachwerke, die Satanow bereits zu Zeiten der  Chavurat Mazdiqej haRabim angekündigt hatte und die er nun noch mit den fehlenden Bänden vollendete. Zum anderen erschienen Neuauflagen des hebräischen Gebetbuchs, vor allem aber auch zahlreiche Neuauflagen älterer hebräischer Literatur, darunter Werke von Moses Maimonides, Asarja de Rossi und Jehuda Halevi. Dies entsprach einer ideellen Ausrichtung der Haskala, die zu einem hohen Maß unter dem Einfluss der jüdischen Philosophie des Mittelalters stand. Satanows Publikationen erschienen in einer traditionelleren Gestaltung als die Bücher der  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija. Dieses nur äußerlich Traditionelle entsprach dem Auftreten Satanows selbst, dem nachgesagt wird, dass er unter dem traditionellen Kaftan des polnischen Juden bürgerliche Kleidung trug. Mit ihrem neobiblischen Schreibstil markieren Satanows literarische Aktivitäten den Beginn des De­ struktionsprozesses traditioneller jüdischer Werte (Pelli). Satanow, charakterisiert als „rätselhafte Figur der jüdischen Kultur des 18. Jahrhunderts“ und als „zwanghafter Literat“ (Feiner), gab seinen Texten einen klassischen Anschein. Durch die pseudo-biblische Form wurde der Leser mit dem Kontrast zwischen Tradition und modernem Inhalt konfrontiert, wodurch bewusst Nachdenken, Skepsis und Kritik, jene aufklärerischen Ansprüche an die menschliche Vernunft, hervorgerufen wurden. Satanow schrieb seine eigenen Texte oft antiken Gelehrten zu, wodurch sie einen ‚heiligen‘ 846

Anstrich erhielten. Zur Autorschaft der Kommentare bekannte er sich selbst. Äußerlich folgte er so der jüdischen Präsentation der heiligen Schriften und ihrer Kommentare. Diese Technik erlaubte es ihm, einen traditionell wirkenden Text auf eine säkulare Weise zu interpretieren und somit Ideen der Haskala einfließen zu lassen. Ein Beispiel für diese Vorgehensweise Satanows ist sein mehrbändiges ‚Sprüche des Asaf‘, das 1789 (Mischlej Asaf, Teil 1), 1792 (Mischlej Asaf, Teil 2) und 1793 (Semirot Asaf) in Berlin erschien und auf das Friedländer in seinem Empfehlungsschreiben besonders verwies. Ein vierter Teil (Megilat Chasidim) wurde erst 1802 veröffentlicht. In Mischlej Asaf wandte Satanow seine Methode der Präsentation aufklärerischer Werte und Ideen in besonders ausgeprägter Weise an. Seine Absicht war es, auf akzeptable Art zu lehren und zu überzeugen, ohne seine Leser mit völlig neuen und revolutionären Gedanken vor den Kopf zu stoßen. Dafür stimmte er der traditionellen Ansicht zunächst scheinbar zu, um dann aber Kritik zu äußern und schließlich seinen ‚häretischen‘ Standpunkt zu offenbaren (Pelli). Diese rhetorische Vorgehensweise verteidigte Satanow selbst in einem seiner Kommentare, indem er sie als die literarische Methode des Seelenheilers präsentierte: Diesem sei es angemessen, sich mit dem Unverständigen zuerst einverstanden zu erklären, um anschließend seine Ansichten nach und nach von einem Extrem zum anderen zu transformieren, bis er diese auf Wahrheit und Gerechtigkeit bauen könne. Denn nur so würden die Unverständigen die Medizin des Seelenheilers akzeptieren, der ihnen eine Wahrheit präsentiert, die im Gegensatz zu dem steht, an was sie bisher glaubten (Satanow, Mischlej Asaf, 2. Teil, nach Pelli). Satanow betrachtete Religion nicht mehr als unantastbares Allerheiligstes, sondern als menschliches Phänomen. Nicht nur als solches hinterfragte er die Religion, sondern vor allem weil er sie als Hauptursache für die Feindschaft zwischen den Angehörigen verschiedenen Glaubens betrachtete. Ganz Auf-

Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung) [CMN]

klärer, trat Satanow für religiöse Toleranz und Humanität ein, weil nicht zu erweisen sei, ob eine der existierenden Religionen wahr und die anderen folglich falsch seien. Zur Weltanschauung der Haskala, die Satanow mit seinen Werken etablieren wollte, zählte vor allem die Verbindung von Religion mit dem Erwerb säkularer Kenntnisse, Wissenschaften und Philosophie als eine Grundvoraussetzung für die wahre Gotteserkenntnis. Nur auf diesem Wege könne der Mensch glücklich werden und sich vervollkommnen. Nur so könne der seelisch Kranke geheilt werden. Als grundlegend für die angestrebte „Vervollkommnung“ der Juden (wie der Menschheit insgesamt), betrachtete Satanow „die Verbesserung der Sitten“. An deren erster Stelle stehe „die Barmherzigkeit“, weil jeder Mensch durch Barmherzigkeit ausdrücken könne, „gemeinwohl, das heißt ein Helfer und Unterstützer seiner Nächsten zu sein“. In Satanows Augen wurde soziales Engagement erst durch das Erbarmen – als Sitte begriffen – begründet: Das Erbarmen der Starken mit den Schwachen, der Reichen mit den Armen, der Satten mit den Hungrigen, der Gesunden mit den Kranken (Satanow, Michtav Marpe Nefesch). Die CMN existierte vermutlich bis 1799. In diesem Jahr erblindete Satanow. Außerdem verloren Freischule, Druckerei und Buchhandlung in Folge des Todes von Daniel Itzig im Mai 1799 ihre mietfreie Unterkunft im ‚Jeckeholz‘, einer Verlängerung der Klosterstraße. Tatsächlich befanden sich diese drei Institutionen unter einem Dach in einem Gebäude Daniel Itzigs, in dem auch Satanow selbst im Stockwerk über der Druckerei logierte. Satanow verlor mit Itzigs Tod nicht nur seine Wohnung, sondern vor allem auch seinen einflussreichsten und finanzkräftigsten Unterstützer. Im Frühjahr war in der Orientalischen Buchdruckerei noch die hebräisch-deutsche Gelegenheitsschrift Schir Yedidut erschienen: „Dem Ober-Landes-Ael­ testen, Herrn Daniel Itzig gewidmet an Seinem sieben und siebzigsten Geburtstage den 18. März 1799 von Seinem ergebenen Isaac

Satanow“. In diesem Jahr wurden noch einige Bücher in der Orientalischen Buchdruckerei verlegt, doch bis zu Satanows Tod, 1804, erschienen hier nur noch wenige Schriften. Die stag­nierende Buchproduktion ging aber weniger auf den Tod Itzigs zurück. Sie lag vor allem an der geringen Nachfrage nach hebräischer Aufklärungsliteratur. „Es schlug ja Einer schon vor, über die jüdische Druckerei zu schrei­ben:

hier werden Bücher gedruckt, die nie gelesen werden! Das ist, nach meiner Meinung, im eigentlichen Sinne des Wortes wahr“, schrieb Friedländer 1799 resigniert (Stein). Struktur und Organisation: Als Leiter der

Orientalischen Buchdruckerei arbeitete Satanow eng mit den Mitgliedern der  Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung) zusammen, die für den Betrieb der jüdischen Freischule verantwortlich waren, der wiederum die Druckerei angeschlossen war. Unterstützung bei der Buchproduktion erhielt er von David Friedländer und vermutlich auch von Isaac Daniel Itzig, der die Freischule leitete und der auf einer hebräischen Subskribentenliste als „Berater des Bücherdrucks“ bezeichnet wurde. Friedländer half Satanow auch bei der Einwerbung von Mitgliedern für die CMN und von Subskribenten seiner Bücher. Letztendlich war Satanow aber für die Organisation der CMN und für den Druck und Vertrieb der Bücher allein verantwortlich. Finanziell war Satanow abhängig von den Mitgliedern der CMN, die seine Publikationen mit festen Jahresbeträgen förderten. Mit seinem Aufruf Michtav Marpe Nefesch von 1794 bekundete Satanow öffentlich „sein Gesuch, daß ihm wohlhabende Männer in seinen Bemühungen behilflich sein und versprechen sollen, ihm jährlich seine herauszugebende Schriften gegen billige Preise abzunehmen“ (Friedländers Empfehlungsschreiben). In diesem Jahr hatte die CMN 22 Förderer, die zusammen 140 Reichstaler für den Buchdruck aufbrachten. 1795 erhöhte sich die Mitgliederzahl auf 28 und der Jahresgesamtbetrag auf 847

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163 Reichstaler. Die einzelnen Mitglieder ver- Marpe Nefesch abgedruckte Mitgliederliste entpflichteten sich, Bücher im Wert von fünf oder spricht exakt der Mitgliederliste in HaKusari. sechs Reichstalern pro Jahr abzunehmen. Den Demnach hatte die CMN um die Jahreswendoppelten Jahresbeitrag zahlten vier Berliner de 1794/95 22 Mitglieder, davon waren zwölf Mitglieder: Benjamin Daniel Itzig und Samuel in Berlin. Nach Satanows Aufruf Michtav MarSalomon Levy mit jeweils zwölf Reichstalern pe Nefesch meldeten sich weitere Mitglieder, so und David Veitel Ephraim und David Fried- dass die CMN im weiteren Verlauf des Jahres länder mit jeweils zehn Reichstalern. Isaac Da- 1795, bei Verlust eines Mitglieds, auf eine Geniel Itzig verpflichtete sich außerdem zur Ab- samtzahl von 28 männlichen Mitgliedern kam. nahme von sieben Büchern, ohne festgelegten – Einzelmitglieder in Berlin: Abraham Hirsch Betrag. Zusätzliche Finanzierung erhielt Sata- Bendix (= August Heinrich Bendemann), Lesnow durch den öffentlichen Buchverkauf und ser Beschütz, Benjamin Veitel Ephraim, David weitere Subskribenten, die aber nicht automa- Veitel Ephraim, Isaac Euchel, Joseph Flies, Datisch Mitglieder der CMN waren. Beispiels- vid Friedländer, Marcus Herz, Benjamin Da­ weise wies Satanows Ausgabe von Jehuda Ha- niel Itzig, Isaac Daniel Itzig, Jacob Daniel Itzig, levis HaKusari eine Subskribentenliste mit 35 Samuel Salomon Levy, Tevele Potsdam (= DaNamen auf, von denen jeder die Bezahlung vid Herz Borchard?), Liebermann Schlesinger. – von zwei Reichstalern für das Buch zugesagt Weitere Mitglieder befanden sich in Königsberg hatte. Für die drei Bände des More Nevuchim (5), Dessau (2), Halberstadt (2), Friedrichstadt von Maimonides konnte Satanow 31 Subskri- (1), Frankfurt an der Oder (1), Hamburg (1), benten gewinnen, die jeweils einen Reichsta- Glogau (1), Posen (1) und Russland (1). ler pro Band entrichteten. Querverweise auf andere Vereine: TeilweiMitglieder: Vorstand: Isaac Satanow. – Mento- se waren die Mitglieder der CMN bereits Mitren: Daniel Itzig, David Friedländer, Isaac Da­ glieder der  Chavurat Mazdiqej haRabim und niel Itzig. – Isaac Satanow stammte aus dem klei- der  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija nen polnischen Ort Satanow in Podolien. Dort gewesen bzw. sie waren Mitglieder der noch erhielt er eine traditionelle jüdische Erziehung bestehenden  Chevrat Chinuch Ne’arim. und erwies sich als begabter Talmudschüler. Mit Die CMN griff den modernen Gerechtigkeitszwanzig Jahren wurde er Kaufmann. Nach der bzw. Wohltätigkeitsappell der  Chavurat ersten polnischen Teilung zog er 1772, im Al- Mazdiqej haRabim wieder auf, wandelte ihn nun aber auf den Heilungsbegriff hin ab: „Sehr ter von vierzig Jahren, nach Berlin, wo er sich sinnreich“ vergleiche Satanow „den Reichen dem Kreis der frühen Haskala anschloss. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als privater He­ mit dem Gelehrten. Beide, sagt er, erfüllen nur bräischlehrer, wobei er von David Friedländer dann ihre Bestimmung, wenn sie von ihrem durch Empfehlungen unterstützt wurde. Die Überfluß zum Besten ihrer Nebenmenschen, Berliner Mitglieder seiner CMN gehörten zum vernünftigen Gebrauch machen, und, setzt er größten Teil der jüdischen Wirtschaftselite an. hinzu, legen die Reichen oft Kranken Häuser Sie waren Bankiers und Großkaufleute, unter an, ohne Rücksicht auf sich, sondern auf ihre leidende Nebenmenschen; um wie viel billiihnen drei Söhne und vier Schwiegersöhne des Oberlandesältesten Daniel Itzig. Zu den Berli- ger ist es den Seelen-Arzt zu unterstützen, der die besten Seelen Arzneien anschafft, um sie ner Mitgliedern der CMN gehörten außerdem zwei Ärzte, ein Lehrer der jüdischen Freischu- in Umlauf zu bringen, und dadurch die Verle und Isaac Euchel, der zuvor eine leitende Po- breitung so mannigfaltiger Vorurteile zu versition in der  Chevrat Schocharej haTov weha- hindern, gesetzt auch der Unterstützer brauTuschija inne gehabt hatte. – Die in Michtav che weder des Arztes noch der Heilmittel“, 848

Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung) [CMN]

so David Friedländer (Empfehlungsschreiben komm. v. Isaac Satanow. Berlin 1795 [Mitvom August 1794). Mit diesem Konzept kon­ gliederliste der CMN]. – Lohmann, Uta struierte Satanow eine Parallele zur traditionel- und Lohmann, Ingrid (Hg.): „Lerne Verlen Krankenpflegegesellschaft  Chevrat Biqur nunft“. Jüdische Erziehungsprogramme zwiCholim, die dem religiösen Gebot des Kran- schen Tradition und Modernisierung. Quelkenbesuchs verpflichtet war. Zugleich aber pa- lentexte aus der Zeit der Haskala, 1760–1811. thologisierte er die traditionelle Geisteswelt Münster 2005 (Jüdische Bildungsgeschichund Lebenspraxis. In apotropäischer Absicht te in Deutschland, 6). – Maimonides, Mostand bei ihm die rabbinische Lehre unter Kri- ses: More Nevuchim. Teil 2, hg. u. komm. v. tik. Seiner Überzeugung nach befanden sich Isaac Satanow. Berlin 1795 [Mitgliederliste der die Juden in krank machender Finsternis, denn CMN]. – Satanow, Isaac: Michtav Marpe Nesie wüssten nicht, zwischen der Essenz des Ju- fesch. Berlin 1794 [Programmatischer Aufruf dentums und trivialer Verfolgung unwichtiger mit Mitgliederliste der CMN]. – Stein, Leo­ Zeremonien zu unterscheiden. Während Sata- pold: Die Schrift des Lebens. Zweiter Teil, now für die Abschaffung des Unwesentlichen Straßburg i. E. 1877 [Brief David Friedläneintrat, zögerte er nicht, für die Übernahme ders 1799 an Aaron Wolfssohn, S. 444–445]. von modernen europäischen Sitten und Ge- – Forschungsliteratur: Feiner, Shmuel: Habräuchen zu appellieren (Pelli). Für die Mit- skala – Jüdische Aufklärung. Geschichte einer glieder der CMN repräsentierte Satanow eine kulturellen Revolution. Hildesheim u. a. 2007 neue Art des jüdischen Gelehrten, der religiöse (Netiva – Wege deutsch-jüdischer GeschichGelehrsamkeit mit weltlichem Wissen verband. te und Kultur. Studien des Salomon LudIn seinem Empfehlungsschreiben benannte ihn wig Steinheim-Instituts, 8). – Keuck, TheDavid Friedländer mit dem hebräischen Ti- kla: Hofjuden und Kulturbürger. Die Getel Morenu weRabenu (unser Lehrer und unser schichte der Familie Itzig in Berlin. GöttinMeister). Diese Ehrenbezeichnung war bisher gen 2011 (Jüdische Religion, Geschichte und nur traditionell gebildeten, rabbinischen Auto- Kultur, 12). – Lohmann, Uta: “Sustenance for ritäten vorbehalten gewesen. Dennoch waren the Learned Soul”: The History of the Oridie Aktivitäten der CMN zur Verbreitung der ental Printing Press at the Publishing House Haskala-Ideologie eher moderat. Sie stand so- of the Jewish Free School in Berlin. In: Leo gar in Kontroverse mit ihrer Vorgängergesell- Baeck Institute Year Book LI (2006), S. 11–40. schaft, der  Chevrat Schocharej haTov weha- – Manger, Klaus: Literatur als Heilkunst der Tuschija, nachdem diese nach Breslau umge- Seele betrachtet. In: Heidi Eisenhut, Anett zogen war und der dort verlegte HaMeasef Lütteken, Carsten Zelle (Hg.): Heilkunst und immer radikalere Züge annahm. Als die He- schöne Künste. Wechselwirkungen von Merausgeber im siebten Jahrgang der Zeitschrift dizin, Literatur und bildender Kunst im 18. Satanows Mischlej Asaf scharf kritisiert hatten, Jahrhundert. Göttingen 2011. – Pelli, Moshe: veröffentlichte dieser unter dem Namen seines Isaac Satanow: Metamorphosis of Judaic VaSohnes, „Doctor Schönemann“, die polemi- lues – Mishlei Asaf as Reflecting the Haskasche Gegenschrift Minchat Biqurim, 1797 ge- lah Ideology. In: Ders.: The Age of Haskalah. druckt in der Orientalischen Buchdruckerei. Leiden 1979, S. 151–170. – Rezler-Bersohn, Nehama: Isaac Satanow – An Epitome of an Bibliographie: Quellen: Berlin, Nachman Era. In: Leo Baeck Institute Year Book XXV (Naumann Simonssohn): ’Ejin Mischpat. Ber- (1980), S. 81–99. – Vinograd, Jeshajahu: Ozar lin 1796 [Verkaufsliste der Buchhandlung Sa- haSefer ha’ivri (Hebräischer Buchschatz). Jetanows]. – Halevi, Jehuda: HaKusari. Hg. u. rusalem 1994.

Uta Lohmann 849

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Ressource der jüdischen Kaufmannschaft [RdjK] Name: Ressource der jüdischen Kaufmann- „Die Räume der Ressource waren ein Treffschaft; ab 1815: Ressource von 1794; ab 1924: punkt für die führenden Geschäftsleute Berlins. Obgleich das Klubleben der deutschen Ressource von 1794 und Club von 1880. Reichshauptstadt niemals annähernd die gleiGründung: 1794. che Rolle gespielt hat wie etwa in London, Auflösung: 16. April 1934. Sitz: 1818–1871 Burgstraße 13 (Eigentum); hatten viele der Herren damals doch das Bedürfnis, sich in einer gesellschaftlich zwanglo1871–1934 Schadowstraße 6/7 (Eigentum). sen Form abends zu treffen und sich über die Geschichte und Programmatik: Zu den we- Ereignisse des Geschäfts und der Politik auszusprechen. Für diese Kreise bildete die Resnigen Organisationen im Berlin vor 1800, die Juden grundsätzlich verschlossen waren, ge- source viele Jahre lang einen Mittelpunkt. […] hörten die „Ressourcen“ genannten geselligen Dort traf man keine geringe Anzahl der an der Vereine. Daher verbanden sich die jüdischen Börse direkt oder indirekt beteiligten Herren“ Kaufleute und Bankiers der Stadt 1794 und (Carl Fürstenberg: Die Lebensgeschichte eines deutschen Bankiers 1870–1914. Berlin 1931, gründeten eine eigene Ressource. Wie üblich dürfte sie über ein eigenes Lokal verfügt ha- S. 314). – 1924, im Nachklang der Hyperinben, in dem sich die Mitglieder regelmäßig zu flation, erfolgte die Fusion mit dem Club von zwanglosen Gesprächen und zum Spiel einfin- 1880 zur Ressource von 1794 und Club von den konnten. Zudem führten solche Organi- 1880. sationen mehrmals jährlich größere Empfänge, Bankette und Bälle durch. Nachdem etliche Mitglieder: Einzelmitglieder konnten für die Mitglieder zum Christentum konvertiert wa- frühen Jahre nicht ermittelt werden. ren, benannte sich der Verein 1815 in Ressource von 1794 um. Da die Ressource von An- Bibliographie: 1) Archivquellen: GStA PK, fang an wohlsituierte Mitglieder vereinte, ver- I. HA, Rep. 77, Sekt. 19, Tit. 1053, Nr. 11, fügte sie schnell über umfassende finanzielle Beiakte 1. – GStA PK, I. HA, Rep. 151, I A, Mittel. So konnte sie ihr Lokal nicht nur stets Nr. 8071. – LAB, A Rep. 030-04, Nr. 3012. mit den exklusivsten und modernsten Ange- – ZGA, Berlin 263. – ZGA, Dorotheenstadt boten ausstatten, sondern sich bereits 1818 ein 295. – 2) Forschungsliteratur: Panwitz, Seeigenes Haus in der Burgstraße kaufen. 1871 bastian: Die Gesellschaft der Freunde 1792– wechselte der Verein in die Schadowstraße, 1935. Berliner Juden zwischen Aufklärung wo er sich in den Anfangsjahren der Elektri- und Hochfinanz. Hildesheim 2007, vor allem zität gar eine eigene Kraftstation erbauen ließ. S. 68 f. und 207 f. (= Haskala, Bd. 34).

Sebastian Panwitz

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Ressource der Gesellschaft der Freunde [RGdF]

Ressource der Gesellschaft der Freunde [RGdF] Name: Ressource der Gesellschaft der Freunde; ab 1815: Geselliger Verein der Gesellschaft der

Freunde. Gründung: 1795. Auflösung: 4. Februar 1933. Sitz: Klosterstraße (1795), Oranienburger Straße, Ungewitter’sches Haus (1796); Königstraße 44, Nauen’sches Haus (1805), Neue Friedrichstraße 22/23, Löhder’sches Haus (1808), Neue Friedrichstraße 35 (1820–1884), Potsdamer Straße 9 (1888–1933). Geschichte und Programmatik: Im Januar 1795 mietete der Vorstand der  Gesellschaft der Freunde ein Lokal in der Klosterstraße, um seinen Mitgliedern dort die Möglichkeit zu geben, zum freundschaftlichen Gespräch bei Tee, Kaffee und Tabak zusammenzukommen. Wenig später kamen Vorlesungen aus neuerschienenen Schriften sowie ein Billard hinzu. Interessenten zahlten regelmäßige Extrabeiträge, die Einnahmen und Ausgaben wurden gesondert von der allgemeinen Kasse der Gesellschaft der Freunde abgerechnet. Nachdem diese Einrichtung über ein Jahr erfolgreich bestanden hatte, wurde sie 1796 als förmliche Organisation unter dem Namen Ressource der Gesellschaft der Freunde institutionalisiert. Als Gründungsjahr sah sie jedoch immer das Jahr 1795 an. Die Beziehungen zwischen Ressource und Gesellschaft der Freunde wurden per Vertrag geregelt, die Gesellschaft zahlte einen regelmäßigen Beitrag für die von der Ressource zu mietenden und zu verwaltenden Räumlichkeiten. 1802 wurden die ersten gedruckten Statuten publiziert. 1815 erfolgte die Auflösung der Ressource zur „Erhaltung der Eintracht unter den Mitgliedern“ bei gleichzeitiger Neugründung des Geselligen Vereins der Gesellschaft der Freunde. In deren als „Polizei-Gesetze“ veröffentlichen Statuten fand sich der Passus: „Den Inspektoren liegt die Verpflichtung ob, auf die Befolgung der PolizeiGesetze streng zu achten, Alles zu verhindern, was den Regeln der Sittlichkeit und des An-

standes zuwiderläuft […]“ – ein Zeichen dafür, daß in der aufgelösten Ressource nicht alles nach diesen Regeln verlaufen war. Anfänglich waren die Beziehungen zwischen der Gesellschaft der Freunde und dem Geselligen Verein ausgesprochen eng. Nur Mitglieder ersterer durften letzter beitreten. Der Vorstand des Geselligen Vereins war der GdF gegenüber rechenschaftspflichtig. Bei Streitigkeiten innerhalb des Geselligen Vereins war die GdF oberste Schlichtungsinstanz. Da der Gesellige Verein für die Bereitstellung von Räumlichkeiten und die Veranstaltung eines Informations- und Unterhaltungsprogramms zuständig war, fiel ihm 1820/21 der Erwerb und das Bespielen des Grundstücks und Hauses Neue Friedrichstraße 35 zu, das beiden Organisationen für die nächsten vierzig Jahre als Domizil diente. In den 1830er Jahren wurde unter den Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde das Interesse an einer Parallelmitgliedschaft im Geselligen Verein so gering, dass dessen Existenz auf dem Spiel stand. Daraufhin kam es 1834 zur Umarbeitung der Statuten und zur Öffnung des Geselligen Vereins gegenüber Fremden, also Personen, die nicht gleichzeitig der GdF angehörten. Sie hatten zwar den geringeren Statuts von „BMitgliedern“, denen das passive Wahlrecht versagt blieb. 1849 fielen allerdings bei einer neuen Satzungsrevision diese Unterschiede fort. In den folgenden Jahren entwickelten sich beide Organisationen schrittweise auseinander. Als der Gesellige Verein 1870 sein 75-jähriges Jubiläum feierte, waren Vertreter der Gesellschaft der Freunde nur noch „Ehrengäste“. Bei einer Zählung im folgenden Jahr ergab sich, dass nur noch 187 der 537 Mitglieder des Geselligen Vereins der Gesellschaft der Freunde angehörten. Im Februar 1877 unterzeichneten beide Organisationen den Trennungsvertrag, im Mai 1878 wurden die letzten Vorrechte der GdF – Bestätigung von Satzungsänderungen und Abführung von Finanzüberschüssen – gegen eine Einmalzahlung abgelöst. In der Öffentlichkeit wurde allerdings auch 851

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

in den folgenden Jahren oft nicht klar zwischen beiden Organisationen unterschieden, so dass der Name „Gesellschaft der Freunde“ regelmäßig auch dort verwendet wurde, wo eigentlich der Gesellige Verein gemeint war. 1884 musste das Grundstück Neue Friedrichstraße 35 wegen des Baus der Stadtbahn verkauft werden. Der Gesellige Verein erwarb die Potsdamer Straße 9 und ließ sich dort 1886– 1888 vom Architektenbüro Cremer & Wolffenstein ein neues Vereinsheim mit großen Sälen und Funktionsräumen, ausgestattet nach dem neuesten Stand der Technik, erbauen. Verlief die weitere Entwicklung des Vereins bis zum Ersten Weltkrieg ausgesprochen erfolgreich, so geriet die Organisation danach durch die Inflation bis 1923 und die Weltwirtschaftskrise ab 1929 in eine strukturelle Krise, die zu erdrückender Überschuldung und in die Liquidation führte. Am 4. Februar 1933, nur wenige Tage nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten, beschloss der Gesellige Verein der Gesellschaft der Freunde seine Auflösung. Mitglieder: a) Vorsitzende: L. Aron (1795– 1796), Wolff Cassel (1797–1803, 1808–1809, 1811), Itzig Goldschmidt (1804–1806), Salomon Joseph Bielfeld (1807), Samuel Bleichröder (1810, 1816), D. Wallach (1812), Jacob Nathan (1813–1814), Israel Jacobson (1815), Nathan Helfft (1817–1818, 1828–1832), Selig Jacoby (1819–1821), Samuel Berend Berend (1822– 1827), Moritz Levy (= Moritz Daniel Volkmar) (1833 – mindestens 1855). – b) Mitglieder bis 1815: L. Aron, Levin Aron jr. (= Lev. Arons), Salomon Aron Bahn, Salomon Joseph Bielfeld, Samuel Bleichröder, Wolff Cassel (= Wilhelm Cassel), Moses Eby (= Moses Ebi = Moser Eby), Baruch Eschwe (= Gerhard Eschwe), Jacob Friedländer (= Jacob Friedheim), Itzig Goldschmidt, Beer Isaac Hirsch (= Franz Bernhard Huber), Israel Jacobson, Israel Lazarus Jaffé, Meyer Kalmus, A. Königsberger, Samuel A. Liebmann (= Sigismund Anton Liebert), C. L. Loewe, Alexander Benjamin Lomnitz, Ema­nuel

Magnussohn (= E. Mangold), Heinrich Markow, Bendix Meyer, Jacob Nathan (= Johann Nathan), Jeremias Neo (= Hieronymus Albert Neo), David Oppenheimer, Nathan Oppenheimer, Elias Philipp (= Eduard Philippi), Marcus Theodor Robert (= Robert-Tornow), Gutkind Alexander Rosenberg, Hirsch Rubens (= Heinrich Rubens), B. Simon, Abraham Simonsohn, Samuel Vaudel, Heymann Wallach (= Heinrich Wallach). – c) Mitglieder nach 1815 bis ins späte 19. Jahrhundert: Simon Joel Arnheim, Meyer Samuel Baswitz, Samuel Bacher Berend, Gerson (v.) Bleichröder, Joseph Tobias Goldberger, Selig Jacoby, Nathan Helfft, Ludwig Lesser, Adolph Liebermann (v. Wahlendorf), Benjamin Liebermann, Meyer Magnus, Alexander Mendelssohn, Franz (v.) Mendelssohn, Paul Mendelssohn-Bartholdy, Moritz Rathenau, Leonor Reichenheim, Moritz Reichenheim, William Schönlank, Martin Steinthal, Leopold Ullstein, Robert Warschauer d. Ä. Bibliographie: 1) Archivquellen: CAHJP D/Be 4/390. – CJA 75E, Nr. 20 (# 14319). – LAB, A Rep. 030, Tit. 148 B, Nr. 3034 und 3034/1. – ZGA Berlin 1238. – 2) Mitgliederverzeichnisse: Namen-Verzeichniß sämmtlicher Mitglieder des geselligen Vereins der Gesellschaft der Freunde am 1. October 1866. Berlin 1866. – Dass. am 1. October 1870 (Berlin 1870); dass. am 1. October 1873 (Berlin 1873); dass. am 1. October 1877 (Berlin 1877); dass. am 1. October 1878 (Berlin 1878); dass. am 1. October 1879 (Berlin: 1879); dass. am 1. October 1881 (Berlin 1881); dass am 1. Januar 1891 (Berlin 1891). – 3) Satzungen: Revidirtes Statut des geselligen Vereins der Gesellschaft der Freunde de 1872. Berlin 1872. – Statut des geselligen Vereins der Gesellschaft der Freunde. Berlin 1879. – 4) Forschungsliteratur: Panwitz, Sebastian: Die Gesellschaft der Freunde 1792–1935. Berliner Juden zwischen Aufklärung und Hochfinanz. Hildesheim 2007, vor allem S. 69–71, 81–85, 157– 159 und 206 f. (= Haskala, Bd. 34).

Sebastian Panwitz 852

Ohel Jescharim [OJ]

Ohel Jescharim [OJ] Name: Ohel Jescharim; auch: Chebrath Ohel Jescharim (‫ ;)חברת אהל ישרים‬Miete-Gesellschaft; Miethe-Unterstützung-Institut; WohlthätigkeitsAnstalt zur Mietheunterstützung an Mitglieder der Synagogen-Gemeinde; Miet/Miete/MietsUnterstützungs-Anstalt; Israelitischer Mietehilfsverein. Gründung: 1798. Auflösung: Nach 1936. Sitz: 1909–1922: Berlin C 2, Rosenstraße 2–4. Programmatik und Organisation: Die OJ war eine autonome, nicht selbständige Organisation der jüdischen Gemeinde. Zweck des Abb. 162  Dank-Urkunde von Ohel Jescharim Vereins war die Zahlung von Mietzuschüssen vom 31.12.1858 für G. Salinger (geb. 1809) als an bedürftige Mitglieder der jüdischen Ge- Wohltäter der Anstalt. meinde. Wesentliche Entscheidungen mussten durch die Gemeindeleitung bestätigt werden. Staatliche Stellen stuften sie als „Verein zung] betreffend die Wohlthätigkeits-Anstalt ohne Rechtspersönlichkeit“ ein. – Die Ver- zur Mietheunterstützung an Mitglieder der einsstruktur um 1800 ist unbekannt. Das äl- Synagogen-Gemeinde in Berlin. Berlin 1858. – Satzungen der Miets-Unterstützungs-Anteste überlieferte Statut stammt von 1858. stalt der jüdischen Gemeinde „Ohel JeschaMitglieder (Vorstand): 1820: Liebermann rim“ in Berlin. Genehmigt vom Vorstande Schlesinger, Salomon Levin Bülow. – 1843: der jüdischen Gemeinde am 10. Mai 1909. Meyer Benda, J. Hirschfeld, Heinrich Rubens, Berlin 1909. – Namen-Verzeichnis der MitE. Philippi. – 1851: Israel Hirschfeld, Hei- glieder der Miets-Unterstützungs-Anstalt der mann Rubens, Meyer Heymann. – 1858: Joel Jüd[ischen] Gemeinde zu Berlin (Chebrath Wolff Meyer, Joseph Leipziger, J.  Steinthal, Is- Ohel Jescharim) vom Jahre 1798. Berlin o. D. rael Hirschfeld, Meyer Heymann, B. Lieber- [um 1909]. – Bericht für die resp. Wohlthäter mann, D. J. Lehmann. – 1862: Joel Wolff Mey- des Miethe-Unterstützung-Instituts. Berlin er, Joseph Leipziger, I. Steinthal, Israel Hirsch- 1843. – Bericht der Miets-Unterstützungsfeld, Meyer Heymann, D. I. Lehmann, Moritz Anstalt der jüdischen Gemeinde „Ohel JeMeyer. – 1909–1922 Vorsitzender: Emil Pincus. scharim“ für die Geschäftsjahre 1906, 1907, 1908. Berlin [1909]. – Bericht der Miets-UnBibliographie: 1) Archivquellen: CJA, 1, 75 terstützungsanstalt der jüdischen GemeinA Be 2, Nr. 290–291. – LAB, A Rep. 030-07, de „Ohel Jescharim“ für die Geschäftsjahre Nr. 28. – 2) Drucksachen: Urkunde [= Sat- 1909–1912. Berlin [1913].

Sebastian Panwitz

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Magine Rèim [MR] Name: Magine Rèim („Schild/Schutz/Unterstützung der Genossen/Gefährten/Freunde“); ab 1894 mit dem Zusatz: Verein zu ge-

genseitiger Hülfe. Gründung: 4. November 1804. Auflösung: 5. August 1937. Sitz: Der Verein wechselte über die Jahrzehnte seines Bestehens oft seinen Tagungsort. Ermitteln ließen sich folgende Lokale: 1855 Therbuschsche Ressource, Oranienburger Straße 18 (50-jähriges Jubiläum); 1857 Arnim’s Hotel, Unter den Linden 44 (Generalversammlung); 1858–1860 Gesellschaft der Freunde, Neue Friedrichstraße 35 (Generalversammlung); 1879 Arnim’s Hotel, Unter den Linden 44 (75-jähriges Jubiläum); 1887 Neue Friedrichstraße 35; 1917 Firma A. Falkenburger, Taubenstraße 16/18 (Vereinsbüro); 1930–1934 Brüderverein, Kurfürstenstraße 115/116 (Hauptversammlung); 1931–1932 Brüderverein, Kurfürstenstraße 115/116 (Vorstandssitzungen); 1936 Verwaltungsgebäude Synagoge Fasanenstraße (Hauptversammlung); 1937 Verwaltungsgebäude Jüdische Gemeinde Berlin, Oranienburger Straße 29 (129. & 130. Hauptversammlung). Programmzitat: „Zwillings-Schwestern sind den Menschenleiden Schützend als Gefährten mitgegeben. Holde Menschenlieb und edle Freundschaft, Möge unser Bündnis ewig dauern“ (Motto der ersten Satzung).

„Bei den vielen, in unserer hiesigen Colonie extistirenden Chewroth [Gesellschaften], deren Mildthätigkeit sich nicht nur auf verarmte Hausväter, sondern sich auch auf fremde durchreisende Arme erstreckt, findet sich hier dennoch eine Klasse Hülfsbedürftiger, an deren Versorgung wohl oft gedacht, für welche aber bis jetzt noch wenig gethan worden ist. Es haben nemlich diejenigen Armen unserer Colonie unverheiratheten Standes, wel854

che entweder durch zunehmendes Alter oder durch kränkliche Zufälle unfähig werden, sich Lebensbedürfnisse zu verschaffen, nur auf geringe Unterstützung der hiesigen milden Anstalten Anspruch zu machen, indem diese fast lediglich für verheirathete Personen vorhanden sind. Um aber endlich auch für diese Klasse der Leidenden zu sorgen, haben sich einige Menschenfreunde aus Hang zu allem Edlen und Guten für dieselben angelegentlich verwendet, und vermittelst eines Zirkulars alle wohlthätigen Männer hiesiger Stadt aufgefordert, zur Errichtung einer Gesellschaft zum Besten solcher Hülfsbedürftigen beizutragen. Ihr Bestreben hatte den gewünschten Erfolg, indem sich eine ziemliche Anzahl von Kontribuenten eingefunden, welche sich zu Mitgliedern dieser Gesellschaft gemeldet und subskribirt haben“ (Einleitung zu den Statuten vom 4. November 1804, zitiert nach: Kurz gefaßte geschichtliche Darstellung, 1855, S. 6 f.). Geschichte und Programmatik: Eine erste Gründungssitzung des Vereins ist für den 26. August 1804 bezeugt, auf welchem bereits ein provisorischer Vorstand gewählt wurde. Als ihren „Stiftungstag“ verstand die Gesellschaft jedoch stets den Tag der Publikation der ersten Statuten – den 4. November desselben Jahres. Um die Krankenbetreuung der eigenen Mitglieder zu verbessern, schloss die MR 1809 ein Abkommen mit der  Chewrath Bikur Cholim. Der ursprünglichen Zielsetzung – gegenseitige Unterstützung der Mitglieder – trat 1835 eine Hülfsanstalt für Wittwen und Waisen zur Seite. Eine gesellige Komponente in Form einer „Ressource“ hatte bei Magine Rèim jedoch keinen langen Bestand. Gegründet 1814, wurde sie schon 1818 aus Gründen der Finanzknappheit wieder aufgelöst. 1894 fügte MR ihrem Namen den erklärenden Zusatz Verein zu gegenseitiger Hülfe bei. Nach der Machtübertragung an die Natio-

Magine Rèim [MR]

nalsozialisten 1933 wurde der Verein schrittweise durch die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Mitglieder, durch die zunehmende Emigration und durch die stärkere Notwendigkeit von Hilfsmaßnahmen gegenüber von in Not geratenen Mitgliedern seiner materiellen Basis beraubt und beschloss im August 1937 seine Selbstauflösung. Struktur und Organisation: Die MR kopierte teilweise bis ins Detail die Zielsetzung und Verfassung der  Gesellschaft der Freunde. Auch sie konzentrierte sich zunächst auf die Unterstützung Unverheirateter in Fällen von Krankheit, Arbeitslosigkeit, Armut und Tod. Für die Betreuung der Kranken waren im Vorstand zwei Pflegeväter zuständig. Um die herausgehobene Stellung der ledigen Mitglieder zu betonen, stand in den Anfangsjahren ausschließlich diesen das passive Wahlrecht für die verschiedenen Vorstandsämter zu. Der Vorstand tagte regulär einmal im Monat, um über aktuelle Fragen zu beraten und über eventuell vorliegende Beitrittsanträge per Ballottement zu entscheiden. Eine „Session“ (Mitgliederversammlung) mit der Rechenschaftslegung über vorangegangene Arbeit fand jährlich statt. Einmal in drei Jahren, „und zwar im Monat November, wo möglich am Stiftungstage der Gesellschaft, zwischen der Frankfurter und Leipziger Messe“ (Satzung von 1818, § 41), wurde auf einer „Generalsession“ der Vorstand neu gewählt, an die sich ein gemeinsames Mahl anschloss. Vorstandsmitglieder waren ohne Einschränkung wieder wählbar. Allerdings durften Vorstandsmitglieder weder Verwandte „nach israelitischem Recht“ noch „Handlungsgesellschafter“ sein (Satzung von 1818, § 46). Auswärtige Personen konnten Vereinsmitglieder werden, hatten jedoch keinen Anspruch auf Unterstützungszahlungen. Am Ende des Jahres 1804 besaß der Verein ein Vermögen von gut 260 Taler. Unterstützungen wurden erstmals 1807 gezahlt, bis dahin wurden Eintritts- und Mitgliedsgelder gespart

und ein Grundfonds gebildet. Das Gesamtvermögen betrug Ende 1808 bereits gut 1.200 Taler. Der Mitgliedsbeitrag lag bis 1815 bei vier, anschließend bei acht Groschen Courant pro Monat. Das Eintrittsgeld war in den ersten Jahren auf acht Reichstaler Courant festgesetzt. Durch eine Einmalzahlung von 100 Reichstaler Courant (1818) konnte die „immerwährende Mitgliedschaft“ erworben werden, die von der Zahlung der monatlichen Beiträge befreite. Später gründete MR eine eigene Schutzkommission, die sich der Unterstützung der Mitglieder in außerordentlichen, von der Satzung nicht geregelten Problemfällen zu widmen hatte. Mitglieder: a) Allgemeines: Im Unterschied zur Gesellschaft der Freunde und zum ebenfalls ähnlich verfaßten  Brüderverein betonte MR stets seinen jüdischen Charakter. Nur Männer jüdischen Glaubens konnten Mitglied sein. Dementsprechend war die Mitgliedschaft konservativer verfasst als bei den verwandten Nachbarvereinen. Aber es gab auch Mitglieder, die gleichzeitig allen drei Vereinen angehörten. – Wie die Gesellschaft der Freunde konzentrierte MR seine Unterstützungstätigkeit zunächst ausschließlich auf unverheiratete Mitglieder, da bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nur der Familienvater als vollwertiges Mitglied einer jüdischen Gemeinde galt und Junggesellen sich häufig diskriminiert fühlten. Nach einer ersten Periode der Etablierung und Stabilisierung wurde 1818 durch eine Satzungsänderung auch Verheirateten die Möglichkeit auf Unterstützung geboten, die jedoch geringer ausfiel als die Zahlungen an Unverheiratete. Erst später fiel diese Unterscheidung ganz fort. Bei der Bewerbung um eine Aufnahme in den Verein galt anfänglich die Einschränkung, dass Mitgliedskandidaten entweder „in der hiesigen Gemeinde ehelich geboren und wohnhaft“ sein oder sich mindestens drei Jahre ununterbrochen in Berlin aufgehalten haben müssten. Auch Jünglinge im Alter von 13 bis 18 855

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Jahren konnten sich bewerben, mussten aber Hirsch Heymann (um 1850), Carl Heymann eine Einverständniserklärung ihrer Eltern (um 1850), Hartwig Hirschfeld (ab 1820er), oder Vormünder vorlegen. – Die Mitglieder- Georg Minden (um 1900). zahl überstieg um 1860 die 500 und erreichte 1894 erstmals die Zahl 1.000. Ab dem frühen Bibliographie: 1) Archivquellen: CAHJP, 20. Jahrhundert, spätestens ab 1912, wurde P 047 (Nachlass Veit), Nr. 13 (Schriftwech„selbständigen Frauen“ ausdrücklich der Bei- sel u. a. zu MR). – CAHJP, P 215 (Nachlass tritt gestattet. – b) Vorstand: Den ersten Vor- Maaß), IV 22 (Quittung von MR). – GStA stand von 1804 bildeten Michael Elkisch (Di- PK, I. HA, Rep. 77, Tit. 1021, Nr. 68. – rektor), Joseph Fränkel und Heimann Jacoby LAB, A Rep. 003-01, Nr. 222, Film A 4366. (Pflegeväter), I. Aronsohn (Protokollführer), – LAB, A Rep. 030, Tit. 148B, Nr. 3099 und Hirsch Heimann Zülz (Kassierer), Löb Hei- 3099/1. – Sonderarchiv Moskau, Fond 1194, mann Zülz und Jacob Moses Burg (Beisitzer) Opis 1, Nr. 27. – 2) Mitgliederverzeichsowie Abraham Tanchum, Beer Bleichrode, nisse: 1848: LAB, A Rep. 003-01, Nr. 222 Jacob Nathan Meyer und Jacob Bütow (As- (Film A 4366). – 1849: LAB, A Rep. 003sessoren). Dieser Vorstand amtierte bis 1808. 01, Nr. 222 (Film A 4366). – 1850: LAB, A Von da an galt eine dreijährige Amtszeit. In Rep. 003-01, Nr. 222 (Film A 4366). – 1852: späterer Zeit hatten den Vorsitz unter ande- LAB, A Rep. 003-01, Nr. 222 (Film A 4366). rem Hirsch Heimann Meyer/Zülz (1810– – 1928: Verzeichnis der Mitglieder der Gesell1825), Philipp Hellborn (1825–1849), Mey- schaft Magine-Rèim (Verein zu gegenseitiger er Samuel Baswitz (1849–1854), Joel Wolff Hilfe). Gegründet am 4. November 1804 zu Meyer (1855–1869), Hermann Demuth Berlin. Abgeschlossen am 1. Mai 1928. LAB, (1869–1879), Hermann Joel Meyer (1879– A Rep. 030, Tit. 148 B, Nr. 3099/1. – 3) 1890), Salomon Lachmann (1890–1893), Satzungen: 1818: Grundgesetze und VerfasMoritz Manheimer (1893–ca. 1910), Isidor sung der Gesellschaft Magine Rèim zu Berlin. Levy (um 1912) und Ernst Wallach inne. – Neu entworfen im Jahr 5579. Berlin 1818. – c) weitere Einzelmitglieder bis 1815 (al- 1836: Gesetzliche Bestimmungen der Hülfsphabetisch): Dr. J. Aronsohn, M. D. A. Ben- Anstalt für Wittwen und Waisen der Mitglieda, Samuel Bendix, Beer Bleichrode, Samuel der der Gesellschaft Magine-Rèim in BerBleichröder, Jacob Bütow, Jacob Moses Burg, lin. Gegründet im Monat Thamus 5595, d. Bendit Elkisch, Michael Elkisch, Joseph Frän- i. im Monat Juli 1835. Berlin 1836. – 1845: kel, J. B. Fränkel, Dr. med. Friedländer, Mi- Grundgesetze und Verfassung der Gesellschaft chael J. Gewer, Jeremias Heinemann (1819– Magine-Rèim zu Berlin. Aufs Neue revidirt 1852 Vorstandsmitglied), Alexander Hirsch- 5605 (1845). Potsdam 1845. – 1856: Statut bach, Joseph Holländer, Heimann Jacoby, Jo- der Gesellschaft Magine-Rèim. Revidirt und seph Jacoby, Hertz Joseph, Adolph Lasser, bestätigt. 1856 (5516). Berlin 1856. – 1856: Heinrich Lassar, Philipp Lewin, Ruben Le- Statut der Hülfsanstalt für Wittwen u. Waiwin, Bendix Meyer, Ely Isaac Meyer, Hirsch sen der Mitglieder der Gesellschaft MagineHeimann Meyer (Zülz), Jacob Nathan Meyer, Réim. Revidirt und bestätigt. 1856 (5516). Bennet Michaelis, Samuel J. Minden, Hein- Berlin 1856. – 1873: Nachtrag zum revidirrich Rubens, Abraham Simonsohn, Moses ten und unter dem 19. Juli 1856 bestätigten Stargard, Abraham Tanchum, Josel Salomon Statut der Gesellschaft Magine-Rèim. Berlin, Wolters (gest. 1846), David Würzburg, Moses den 9. April 1873. – 1882: Revidirtes Statut Israel Wulf, Löb Heimann Zülz. – d) weitere der Hülfs-Anstalt für Wittwen und Waisen Einzelmitglieder nach 1815 (alphabetisch): der Gesellschaft Magine-Rèim. Berlin 1882. Joseph Tobias Goldberger (1850er), Aron – 1894: Revidirte Statuten für die Wohltä856

Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde) [COL]

tigkeits-Gesellschaft Magine-Rèim (Verein – 4) Festschriften: Fest-Gedicht zur Feier des zu gegenseitiger Hilfe), gestiftet am 4. No- 50jährigen Jubiläums der Gesellschaft Magivember 1804; mit Korporationsrechten ver- ne Rèim. Berlin [1854]. – Kurz gefaßte geschichtliche Darstellung der Gründung und sehen durch Allerhöchste Kabinetsordre vom 28. Juni 1841, sowie für die damit verbun- Entwicklung der Gesellschaft Magine-Rèim dene Hülfs-Anstalt für Wittwen und Waisen. in Berlin, vom November 1804 bis NoBerlin 1894. – 1912: Neue Satzungen für die vember 1854. Zur Feier ihres funfzigjähriWohltätigkeits-Gesellschaft Magine Rèim gen Jubiläums in der General-Versammlung (Verein zu gegenseitiger Hülfe), gestiftet am am 25. März 1855 den Mitgliedern überge4. November 1804, mit Korporationsrech- ben vom Vorstande [Autor: Jeremias Heineten versehen durch Allerhöchste Kabinetsor- mann]. Berlin 1855. – 1804–1904. Magine dre vom 28. Juni 1841, sowie für die damit Rèim (Verein zu gegenseitiger Hülfe). Ein verbundene Hülfs-Anstalt für Witwen und Rückblick auf hundert Jahre [Autor: Georg Waisen. Berlin 1912. – 1922: Neue Satzun- Minden]. o. O. (Berlin), o. J. (1904). – 5) Zeigen der Wohltätigkeits-Gesellschaft Magi- tungsartikel: AZJ 77. Jg., Nr. 26 (27.6.1913), ne Rèim (Verein zu gegenseitiger Hilfe), ge- Gemeindebote, S.  1 (108. Hauptversammstiftet am 4. November 1804, mit Korporati- lung). – Berliner Vereinsbote 1896. – 6) Meonsrechten versehen durch Allerhöchste Ka- moiren: Heymann, Aron Hirsch: Lebenserbinettsorder vom 28. Juli 1841. Berlin 1922. innerungen. Berlin 1909, S. 308–312.

Sebastian Panwitz

Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde) [COL] Name: ‫חברת אוהבי לשון עברית‬, Chevrat Ohavej Laschon ’Ivrit; Gesellschaft Hebräischer Literaturfreunde; Gesellschaft von Freunden der hebräischen Sprache; Gesellschaft der die hebräische Sprache Liebenden. Gründung: 1808 (evtl. schon um 1800). Auflösung: September 1809. Sitz: Nicht bekannt. Programmzitat: „Fanatismus und Irreligion sind zwei entgegengesetzte, aber gleich schädliche Extreme. Mehrtausendjährige Erfahrungen haben diese Wahrheit g[e]nugsam gezeigt, denkende Moralisten haben sie zu jeder Zeit zu erörtern und darauf aufmerksam zu machen gewußt, so daß fast kein Wort hinzu zu thun übrig bleibt. In der Mitte zwischen jenen gefährlichen, äußersten Grenzen liegt wahre Religiosität. Ihre Nothwendigkeit, ihre Alleinfähigkeit zur Gründung des zeitlichen und ewigen

Heils, jedes einzelnen Individuums sowohl, als der ganzen menschlichen Gesellschaft, ist eben so evident, als die Schädlichkeit jener Extreme. Aber die Grenzlinie bestimmt anzugeben, wie weit sich der Bezirk der ächten Religion erstrecke, die Waage stets mit der Genauigkeit zu halten, daß sich keine Schaale herüber oder hinüber neige, ist, und wird noch lange bleiben – ein schweres Problem. […] – Die Anschließung an die bürgerliche Gesellschaft, die Annahme der sittlichen und wissenschaftlichen Kultur kann – so tröstet man sich – jenen Verlust ersetzen, und wenigstens den Weg zur Moralität bahnen. Muß aber nicht die Religion diesen Weg bewahren? Vor jeder irrigen Abweichung schützen? […] Der neue Sammler soll nun, durch die litterarische Beschäftigung mit jener alten ehrwürdigen Sprache und ihrer heiligen Schriften, die Religion eine Stufe zum Mittelpunkt wieder zurückführen, und dadurch das Gleichgewicht viel857

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leicht wieder herstellen“ (Salomon Cohen: Ein Wort über die Tendenz des Sammlers, 1808/09). Geschichte und Programmatik: Die COL war eine späte Gesellschaft der Berliner Has­ kala im frühen 19. Jahrhundert. Anders als die Berliner jüdischen Aufklärungsgesellschaften im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts, denen es vor allem um eine Modernisierung des Judentums im Sinne einer Balance zwischen jüdischer und allgemeiner Kultur, zwischen Glauben und Wissen ging, und die sich daher als Alternativen zu den traditionellen jüdischen Gesellschaften und zur rabbinischen Elite verstanden ( Chevrat Chinuch Ne’arim;  Chavurat Mazdiqej haRabim;  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija;  Chevrat Marpe laNefesch), verfolgte die COL eine anders gelagerte Problematik: Seit den späten 1790er Jahren hatte sich besonders in den großstädtischen jüdischen Gemeinden, allen voran in Berlin und Königsberg, eine Krise bemerkbar gemacht, die sich vor allem in Assimilationstendenzen, religiösem Indifferentismus und Konversionsbereitschaft äußerte. War die frühere Haskala für die Wahrung jüdischer Existenz eingetreten, indem sie für die Aneignung allgemeiner Kenntnisse und kultureller Werte plädierte, so lautete die Argumentation nun, dass für den Eintritt in die europäische Kultur der Verzicht auf die jüdische Religion und den hebräischen Sprach­erwerb nicht erforderlich sei. Die spätere Berliner Haskala war in ihrer Zielsetzung moderat. Was sie beflügelte, war nicht der Wunsch nach Veränderung der traditionellen Gesellschaft, sondern das Bedürfnis, der religiösen Krise innerhalb der jüdischen Gemeinden entgegenzutreten. Die Ursache für den Verlust jüdischer Identität, der mit zunehmender Immoralität einherging, sahen die Maskilim (jüdischen Aufklärer) in illegitimen, misslungenen, inkonsequenten Modernisierungsbemühungen, die dem eigentlichen Anliegen der Haskala (jüdische Aufklärung) entgegen waren. Jüngere 858

Abb. 163  Titelblatt von HaMeasef 5569 (1808/09), hg. von der COL.

Maskilim, die großteils aus Osteuropa stammten, sahen die Notwendigkeit, die ‚wahre Aufklärung‘ mit philosophischem Tiefgang und Herzensbildung gegen die verflachte und religiös indifferente ‚Pseudo-Aufklärung‘ zu verteidigen. Ein Weg der Verteidigung aufklärerischer Werte führte zur Gründung der COL, die sich zur Aufgabe machte, gegen die beiden religiösen Extreme, „Fanatismus und Irreligion“, ignoranten Traditionalismus und Glaubensabfall, anzukämpfen. Als geeignetes Mittel erachteten ihre Initiatoren einen Neuanfang des „literarischen Wegs“ der  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija: Sie starteten eine neue Folge der hebräischen Zeitschrift HaMeasef (Der Sammler). Mit der erneuten Herausgabe der Zeitschrift verbanden

Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde) [COL]

sie die Pflege der hebräischen Sprache, was sich auch in dem deutschen Namen der COL, „Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde“, ausdrückte, mit dem sie wiederum an die ursprüngliche Gesellschaft Chevrat Dorschej Laschon Ever anknüpfte, die sich auf Deutsch ebenso nannte und als erste Herausgeberin der Zeitschrift ihren Namen gab. Wie zu Zeiten der  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija, wurde die neue Folge von HaMeasef in ihrem ersten Erscheinungsjahr in der Orientalischen Buchdruckerei verlegt. Hauptinitiator der COL war Salomon Jacob Cohen, der seit 1800/01 eine Anstellung als Lehrer für Religion und Moral an der unter Leitung der  Chevrat Chinuch Ne’arim stehenden jüdischen Freischule innehatte. Seine erste Initiative zur neuen Herausgabe von HaMeasef war mit einer Anfrage an Isaac Abraham Euchel verbunden, der führendes Mitglied der  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija in Berlin und erster Herausgeber bzw. Redakteur der Zeitschrift gewesen war. Cohen wollte Euchel für das erneute Erscheinen gewinnen, doch dieser antwortete im Sommer 1800 desillusioniert: „Es tut mir leid um dich, mein Freund, denn du hältst einen kostbaren Stein in der Hand, aber niemand will ihn haben, du bringst Balsam und Myrrhe, Heilmittel für alle, die nach Sittlichkeit streben, aber keiner interessiert sich für sie. […] Die Tage der Liebe sind vergangen, […] die Zeit, da wir das Wissen knospen sahen, als die hebräische Sprache prächtig erblühte und die jungen Männer Israels tagtäglich hinauszogen, um die Früchte der Vernunft einzubringen“ (Euchel an Cohen am 11. August 1800; zit. nach Feiner: Haskala, S. 372). Spätestens seit 1796 betrachtete Euchel eine Fortsetzung der Zeitschrift bestenfalls in deutscher Sprache „mit jüdischer Schrift“ als erfolgversprechend. Nur so könne HaMeasef erneut zu einem „Repertorium“ gemacht werden, „worin wichtige, die Jehudim [Juden] allein betreffende Gegenstände, auf eine eigene dem Zeitgeist angemessene Art, aufgestellt werden können“ (Isaac Euchel:

Abb. 164  Porträt Salomon Jacob Cohen. Titelkupfer zu Schalom Hacohen: Nir David, Wien 1834.

Ist nach dem jüdischen Gesetze das Übernachten der Toten wirklich verboten? Breslau 1796/97). Trotz Euchels Absage gab Cohen seinen Plan nicht auf und versuchte vermutlich seither, Gleichgesinnte und Förderer für sein Vorhaben zu gewinnen. Dass die COL schließlich 1808 mit der ersten Ausgabe des neuen Measef öffentlich hervortrat, lag wohl daran, dass Cohen bis zu diesem Zeitpunkt auch überregional einige Unterstützer von Ansehen und Einflussvermögen gefunden hatte. In den Augen der  Chevrat Chinuch Ne’arim hatte Cohen seinen Befähigungsnachweis als geeigneter Religions- und Hebräischlehrer an der Freischule unter anderem damit erworben, dass er 1799 das hebräisch-deutsche „moralische Fabel-Buch“ Mischlej Agur veröffentlichte, das in Berlin in der Orientalischen Buchdruckerei erschien und als Lehr859

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buch konzipiert war. Er habe dieses Buch aus durch das Gleichgewicht vielleicht wieder „Liebe zur Dichtung und Sprachschönheit“ herstellen“. Deutlich klingt hier eine Verunund aus „Mitgefühl für die Knaben der Söh- sicherung, ob dies gelingen möge, durch, und ne Israels, damit sie Ermahnung zu vernünf- angesichts der Erfahrung der heftigen Kritik tiger Moral in leichter und klarer Sprache hö- am ‚alten Sammler‘, wurde betont, dass man ren und rechte und gute Eigenschaften ein- „bei der Sammlung mit der Wahl behutsam üben“, verfasst, so Cohen in seinem hebräi- umgehen“ müsse (Cohen: Ein Wort über die schen Vorwort (deutsche Übersetzung in LV, Tendenz des Sammlers, 1808/09). Und so sollsiehe unten). Zur Voraussetzung seiner Ein- ten „Streitsachen“ religiöser und politischer stellung als Lehrer machte ihm die  Chev- Art in HaMeasef nicht aufgenommen werrat Chinuch Ne’arim das Abfassen eines wei- den. Willkommen waren dagegen moralische teren Lehrbuchs, der hebräischen Sprachlehre Erzählungen, wissenschaftliche AbhandlunTorat Laschon ’ivrit, die 1802 „zum Gebrauch gen, jüdische Geschichte, Biographien, Rejüdisch-deutscher Schulen“ in der Orienta- zensionen, Buchankündigungen und nicht lischen Buchdruckerei herauskam. In seinem zuletzt Erklärungen zu den heiligen Schrif‚jüdisch-deutschen‘ Vorwort schrieb Cohen ten und zum Hebräischen. Mit der Pflege dazu: „Es hat nämlich die wohllöbliche Di- der hebräischen Literatur verband die COL rection der Chevrat Chinuch Ne’arim seit ei- vor allem den „großen Zweck“, „mittels ihniger Zeit den rühmlichen Entschluß gefaßt, rer auf die Nation zu wirken“. Darüber hinden bisher in der jüdischen Freyschule ver- aus schätzte sie den Wert dieser Literatur an nachläßigten Unterricht in der Religion und sich. Man war optimistisch, dass es noch hinder dazu erforderlichen Kenntniß der Kit- reichend „Kenner und Freunde der Hebrävej qodesch [der heiligen Schriften], in die- ischen Litteratur“ gebe, um die Herausgabe selbe wieder einzuführen. Sie fand es für gut, eines hebräischen Journals zu rechtfertigen. mir dieses so heilige als wichtige Geschäft Außerdem betrachteten die Mitglieder der mit dem ausdrücklichen Beding anzuvertrau- COL das Hebräische als „allgemeine Spraen, daß ich ein methodisches Lehrbuch ent- che“, in der sie „mit Deutschen sowohl, als werfe, und danach eine Information einrich- mit Franzosen, Engländern u. s. w. reden wolten soll“. Sein Hauptaugenmerk sei dabei, so len“, womit sie ihren Anspruch internationaCohen, „auf Methode und Deutlichkeit“ ge- ler Wirksamkeit deutlich machten. Entsprerichtet gewesen, „damit die lernende Jugend chend waren literarische Beiträge nicht nur zu dieser itzt leider so sehr hintenan gesetz- in hebräischer oder deutscher Sprache, sonten Sprache mehr Lust bekommen möge“. In dern auch in anderen Sprachen willkommen. seinen Lehrbüchern zeichnete sich Cohens Cohen machte den neuen HaMeasef zu eiLiebe zum Hebräischen und sein Wunsch, ner Plattform für jüngere Autoren und Podiese Sprache zu pflegen und lebendig zu er- eten der Haskala. Es gelang ihm, Beiträge halten, schon deutlich ab. Auch in der Pro- zahlreicher neuer, aber auch namhafter ältegrammatik der COL erhielt das Hebräische rer hebräischer Schriftsteller in der Zeitschrift eine zentrale Bedeutung für ihr Ziel, einen zu versammeln, unter ihnen Salomon Papgoldenen Mittelweg zur „wahren Religio- penheim (1740–1814), David Friedrichsfeld sität“, jenseits von „Fanatismus und Irreligi- (1755–1810), David Caro (1782–1839), Soon“ zu bahnen: „Der neue Sammler soll nun, lomon Löwisohn (1788–1821) und Moses durch die litterarische Beschäftigung mit je- Philippson (1775–1814). ner alten ehrwürdigen Sprache und ihrer hei- Trotz seines ambitionierten Vorhabens, verligen Schriften, die Religion eine Stufe zum ließ Cohen mit seiner COL schon 1809 BerMittelpunkt wieder zurückführen, und da- lin, „das dahinsiechende Zentrum der Has­ 860

Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde) [COL]

kala“ (Feiner). Euchel hatte mit seinem auf eigene Erfahrung gründenden Pessimismus wohl recht behalten, und Cohen musste erkennen, dass der neuen Folge von HaMeasef zumindest in Berlin keine erfolgreiche Zukunft beschieden war. Um 1808/09 hatte er zudem seine Anstellung als Lehrer an der Freischule verloren. Mit dem Versuch, die Haskala außerhalb Berlins neu aufzubauen, verlagerte er die Publikation der folgenden beiden letzten Jahrgänge (1809/10 und 1810/11) an andere Orte: Altona und Dessau. Die COL wurde jetzt nicht mehr als Herausgeberin genannt, Cohen zeichnete allein als verantwortlicher Redakteur. Die Dessauer Ausgaben wurden von dem Übersetzer und Schriftsteller Moses Philippson mitherausgegeben, der seit 1799 Lehrer an der jüdischen Franzschule in Dessau war. Struktur und Organisation: Die COL veröffentlichte keine Statuten. Über Mitgliederversammlungen und -wahlen ist nichts bekannt. Vereinsspezifisches Zeitschriftenprojekt war die neue Folge von HaMeasef, dessen Herausgabe zugleich der Zweck der COL war. Ihre Finanzierung lief hauptsächlich über den Verkauf der Zeitschrift, wobei, wie bereits bei der  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija, die Einwerbung von Subskribenten von großer Bedeutung war. Die Subskribenten hatten pro Jahrgang drei Taler zu bezahlen. Für die Annahme von Subskriptionen und den Vertrieb der Zeitschrift außerhalb Berlins waren mehrere Kommissionäre zuständig. Mitglieder: Gründer der COL und zugleich verantwortlicher Herausgeber und Redakteur von HaMeasef war Salomon Jacob Cohen (auch: Kohen oder Schalom Hacohen, 1772– 1845). Salomon Cohen stammte aus Meseritz (Wolstein) in Posen. 1800 kam er nach Berlin, wo er bis 1808 als Lehrer für Hebräisch, Religion und Moral tätig war. Als er 1809 Berlin verließ, verlagerte er die Herausgabe von HaMeasef zuerst nach Altona, dann nach Dessau,

seinen eigenen Aufenthaltsorten. 1813 scheiterte sein Vorhaben, in London eine Hebräischschule zu gründen. 1820 unternahm er in Wien einen weiteren Versuch, eine hebräische Zeitschrift herauszugeben und war damit weit erfolgreicher als mit HaMeasef: Seine Bikurej ha’Itim entwickelte sich zu einer der einflussreichsten hebräischen Literaturzeitschriften, die viele der bekanntesten jüdischen Gelehrten der Zeit zu ihren Verfassern zählte. Als Beilage zu Bikurej ha’Itim erschienen auch Wiederveröffentlichungen einiger Ausgaben von HaMeasef. Neben Ludwig David Jacoby’s Bücher- und Kunst-Handlung in der Spandauer Straße 23, war Cohen in Berlin auch als Kommissionär der COL tätig, indem er Subskriptionen für HaMeasef entgegen nahm. – Um 1809 hatte die COL mehrere Mitglieder (Subskribenten) in Amsterdam, Berlin, Bernburg, Braunschweig, Breslau, Brod (= Brody?), Dessau, Dresden, Glogau, Kassel, Mitau, Petersburg, Posen, Potsdam, Prag, Riga, Rotterdam und einzelne Mitglieder an „verschiedenen Orten“, darunter Frankfurt, Fürth, Leipzig, Lissa, Straßburg und Warschau. Einige (ungenannte) Subskribenten nahmen zuweilen mehrere Exemplare als Sammelbestellung entgegen, so etwa in Halberstadt, Hamburg und Kopenhagen. Die Zahl der Subskribenten belief sich auf rund 240 Personen, die insgesamt ca. 360 Exemplare der Zeitschrift abnahmen. Unter ihnen befanden sich auch Frauen und Christen. Die meisten Mitglieder hatte die COL in Berlin (59), gefolgt von Prag (38), Posen (20), Glogau (17), Rotterdam (16) und Braunschweig (13). – Kommissionäre in anderen Städten: Cohen gelang es, außerhalb Berlins aktive Unterstützer seines Zeitschriftenprojekts zu gewinnen, die sich bereit erklärten, Subskribenten für Hation Measef einzuwerben und die Organisa­ des Vertriebs zu übernehmen. Vermutlich nahmen diese „Kommissionäre“ auch Vorschläge für Beiträge entgegen, die sie dann an die Redaktion von HaMeasef weiterleiteten. 861

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1808/09 gab es acht Orte mit Kommissio- wil) Gewer (Gedert), Michael Hirsch (Manis) nären außerhalb Berlins: Amsterdam (Hirsch Gewer, Joseph Gridicz, Isaac Gruner, Ruben Somerhausen bzw. Heiman Sommerhausen), Samuel Gumpertz, Hirsch Güterbock (DrieBreslau (David Bengi[?]), Frankfurt am Main sen), Isaac Halberstadt (= Isaac Zacharias?), (Siegmund Geisenheimer), Hamburg (Mo- Joseph Haltern (Haller), Isaac Helfft, Jesases Jacob Jaffe oder Jacob Meyer Jaffe), Kassel ja (Esaias) Helfft, Samuel Gottschalk Helfft, (Jeremias Heinemann), Königsberg (Salomon Wolff Hirsch (Zwi) (= Wolff Hörtel?), PhiBernhardt), Posen (David Caro) und Prag lipp (Feibusch) Hurwitz, Heinrich Jacoby, (Ephraim Wehli). – Es war Cohen geglückt, David (Tevele) Jonas, Hirsch (Heinrich Herfür die Kommissionärsposten der COL eini- schel) Jonas, Leib Kronick, Abraham Liepge Männer von Rang und Namen zu gewin- mann, Michael Hirsch (Martin Heinrich) nen. So war Siegmund Geisenheimer (1775– Mendel (Mendheim), Aron Jacob Moses 1828) bekannt als Mitbegründer des jüdi- (Arndt), Salomon Jacob Moses (Zwi), Heischen Philanthropins in Frankfurt am Main, mann Moses, Joseph (Josel) Muhr, Michael das 1804 eröffnet worden war, und Jeremi- Levin Neugass, Abraham Offner, David Opas Heinemann (1778–1855) war „Konsisto- penheimer, Meyer Potsdam, David Präger, rialrat“ am 1808 gegründeten Westfälischen Nathan Ratibor, David (Tevele) Rieß, Isaac Konsistorium der Israeliten in Kassel. Später, Rieß, Salomon Runckel, Israel Sachs, Samuab 1817, gab Heinemann die deutschsprachi- el Levin Sachs, Philipp Salomon, Liebermann ge Zeitschrift Jedidja in Berlin heraus. Hirsch Marcus Schlesinger, Ludwig Levin Steinthal, Somerhausen (1781–ca. 1850) mitbegründe- Joseph Veit, Philipp (Feibusch) Veit, Simon te 1808 eine jüdische Gesellschaft für Kna- Veit, Heimann (Heinrich Moritz) Wallach, benerziehung in Amsterdam. Die program- Aaron Wolfssohn, Daniel Wulff (Tausk), Lematische Einleitung der von ihr herausgege- vin Gerson Wulff. – Die meisten Mitgliebenen hebräisch-holländischen Schrift Erst- der der COL waren Kaufleute, Bankiers und lingsfrüchte der Erziehung (Amsterdam 1809; Lehrer. Unter den Subskribenten befand sich deutsche Übersetzung in LV) veröffentlich- die Hälfte des aus zehn Personen bestehente die COL in HaMeasef. Ebenso beschäftig- den Gemeindevorstands, der Ende 1808 gete sich David Caro intensiv mit Erziehungs- wählt worden war und erstmals überwiegend fragen und veröffentlichte einen mehrteili- aus Reformanhängern bestand. Auffällig ist gen Aufsatz zur Kindererziehung in den fol- allerdings die Abwesenheit David Friedlängenden Jahrgängen der Zeitschrift (deutsche ders und anderer Angehörigen der Familie Übersetzung in LV). 1816 eröffnete Caro die Itzig von der Subskriptionsliste. erste jüdische Elementarschule in Posen. Aus Einziger Christ unter den Subskribenten war Prag lieferte Ephraim Wehli Beiträge für Co- „Herr Director Doctor Bellermann“. Konsishens hebräische Zeitschriften HaMeasef und torialrat und Direktor Johann Joachim BelBikurej ha’Itim. – Einzelmitglieder in Ber- lermann unterrichtete seit 1804 am Berliner lin (Subskribenten): Salomon (Meschulam) Gymnasium zum Grauen Kloster vor allem Bahn, Jacob Herz (Jehuda) Beer, Moses Religion und Hebräisch sowie antike LiteraHirsch Bock, Lazarus Levin Braunschweig, tur und wurde später an der Berliner UniPhilipp (Feibusch) Bütow, Salomon (Sal- versität Professor für orientalische Sprachen. kind) Bütow, Heimann Veitel Ephraim, Da- 1815 zählte Bellermann zu denjenigen christvid Fernbach, Hirsch Fränkel (Meyer), Mi- lichen Beamten, die am ersten Gottesdienst chael Fränkel, Israel Levy Friedländer, Judas im Reformtempel von Israel Jacobson teilIsaac Fürst, Abraham Gans, Samuel Geber (= nahmen. Drei Jahre später war er GutachJacob Samuel Gebert?), Samuel Jacob (San- ter für die Kommission zur Prüfung des Juden­ 862

Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde) [COL]

zwistes, bevor er 1819 als Mitglied der Berlinischen Schulkommission zum Spezialaufseher für die jüdischen Schulen ernannt wurde. Querverweise auf andere Vereine: Die COL war eine Neugründung der Königsberger Chevrat Dorschej Laschon Ever (Gesellschaft der hebräischen Litteraturfreunde) bzw. der Berliner  Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija, die als Vorbilder dienten. Von engeren Beziehungen zu Mitgliedern der  Chevrat Chinuch Ne’arim kann ausgegangen werden, da deren Direktion Cohen 1800 als Lehrer an der unter ihrer Leitung stehenden jüdischen Freischule anstellte. Personelle Überschneidungen mit den früheren jüdischen Aufklärungsgesellschaften gab es insgesamt nur in geringem Umfang (ca. 20 Prozent). Lediglich neun aller Berliner Mitglieder der COL unterstützten zuvor schon die Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija, so dass von einem stark veränderten Mitgliederkreis gesprochen werden kann. Bibliographie: 1) Quellen: Cohen, Salomon: Ein Wort über die Tendenz des Sammlers. In: HaMeasef, Neue Folge, 1. Jg. (1808/09), S. 1–5. – Euchel, Isaak: Vom Nutzen der Aufklärung. Schriften zur Haskala. Mit den hebräischen Originaltexten. In Verbindung mit dem Franz Rosenzweig Forschungszentrum Jerusalem hg., übers. u. komm. von Andreas Kennecke. Düsseldorf 2001 (Jüdische Geistesgeschichte, 3). – HaMeasef, Neue Folge, erster

Jahrgang, Berlin 1808/09. – LV = Lohmann, Uta und Lohmann, Ingrid (Hg.): „Lerne Vernunft“. Jüdische Erziehungsprogramme zwischen Tradition und Modernisierung. Quellentexte aus der Zeit der Has­kala, 1760–1811. Münster 2005 (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, 6). – 2) Forschungsliteratur: Feiner, Shmuel: Haskala – Jüdische Aufklärung. Geschichte einer kulturellen Revolution. Hildesheim u. a. 2007 (Netiva – Wege deutsch-jüdischer Geschichte und Kultur. Studien des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts, 8). – Feiner, Shmuel: The Neglected Generation: Post-Berlin Maskilim in the Age of Conservatism, 1797–1824. In: Studia Rosenthaliana 40 (2007–2008), S. 205– 215. – Feiner, Shmuel: The Pseudo-Enlightenment and the Question of Jewish Modernization. In: Jewish Social Studies 3 (1996), S. 62–88. – Lohmann, Uta: „Auf den Namen einer Bürgerschule Ansprüche machen“ – Religionsunterricht und staatliche Klassifizierung der Berliner Freischule. In: Britta L. Behm, Uta Lohmann, Ingrid Lohmann (Hg.): Jüdische Erziehung und aufklärerische Schulreform. Analysen zum späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Münster 2002, S. 137– 165 (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, 5). – Lohmann, Uta: David Friedländer. Reformpolitik im Zeichen von Aufklärung und Emanzipation. Hannover 2013. – Pelli, Moshe: The Gate to Haskalah. An Annotated Index to Hame’asef, the First Hebrew Journal (hebr.). Jerusalem 2000.

Uta Lohmann

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Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion [IndGes] Name: Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion; ab 1845: Gesellschaft zur Verbreitung der Handwerke und des Ackerbaues unter den Juden im Preußischen Staate. Gründung: Juni 1812. Auflösung: Nach 1917. Sitz: Nicht bekannt. Programmzitat: „§ 2. Die Gesellschaft wird unvermögende junge Leute jüdischer Religion die Lust und Fähigkeit bezeigen, ein Handwerk zu erlernen, auf ihre Kosten bey guten Meistern in die Lehre bringen, und auf ihre Fortschritte sowohl, als auf ihr gutes und sittliches Betragen wachen. / § 3. Sie wird ferner, sobald es ihre Kräfte erlauben, diese Lehrlinge, wenn sie ausgelernt haben, und Zeugnisse ihres guten Verhaltens und ihrer Capacitaet bekommen, mit Geld und Empfehlungen unterstützen, damit sie sich als Meister etabliren können. Diese Unterstützung zum Etablissement kann auch solchen jüdischen Arbeitern zum Theil werden, welche die Gesellschaft nicht hat auslernen lassen, die sich aber durch vorzügliche Atteste dazu besonders qualificiren, und denen es an Mitteln zur ersten Einrichtung fehlt. / § 4. Die Gesellschaft wird ferner durch Prämien und durch Aufmunterungen aller Art, sobald es nöthig und zweckmäßig befunden wird, den Gewerbe-Fleiß im Allgemeinen unter den Juden zu befördern suchen“ (Gründungssatzung 1812). Geschichte und Programmatik: Die Gründung der Gesellschaft zur Beförderung der Industrie war eine Reaktion auf die Verabschiedung des sogenannten Judenemanzipationsediktes vom 11. März 1812, welches die bisherigen Schutzjuden zu preußischen Staatsbürgern machte und ihnen eine weitgehende rechtliche Gleichstellung mit den anderen preußi864

schen Untertanen gewährte. Der Verein setzte es sich zum Ziel, die sowohl von der christlichen Umwelt als auch von einem Teil des reformorientierten Judentums geforderte berufliche Umorientierung der preußischen Juden zu unterstützen. An die Stelle von Handel sollten in verstärktem Maße Handwerke und landwirtschaftliche Tätigkeit treten. Gefördert wurden Knaben und junge Männer im Alter von 12 bis 20 Jahren, wobei bei Personen, die jünger als 18 waren, die Einwilligung der Eltern oder Vormünder vorliegen musste. Übernommen wurde das Lehrgeld, im Krankheitsfall zusätzlich die Heilungskosten, nicht aber die Kosten für den Lebensunterhalt. Wenn auch die Beförderung des Ackerbaus von Anfang an zu den nominellen Aufgaben des Vereins gehörte, verschob man ihre Durchführung auf den Zeitpunkt, wenn die Integration in das Handwerkswesen vollständig gelungen sei. Es gibt keinen Beleg dafür, dass sich die Gesellschaft je praktisch mit Fragen der Landwirtschaft beschäftigte. Nach der Einholung der behördlichen Genehmigung im Juni 1812 trat eine Initiativgruppe, bestehend aus Samuel Bendix, Liebermann Schlesinger, August Heinrich Bendemann, Z. Fränckel und Joseph Mendelssohn, mit einem Gründungs- und Spendenaufruf an die Öffentlichkeit. Bis Anfang August 1812 hatte die IndGes bereits 26 jüdische Lehrlinge bei christlichen Meistern in die Lehre gegeben. Anfänglich weigerten sich noch einzelne Gewerke, vor allem die der Tischler und Schuhmacher, ihren Meistern die Aufnahme jüdischer Lehrlinge zu gestatten. Daraufhin führte das Innenministerium in einem Schreiben an das Berliner Polizeipräsidium aus: „Daß sich kein Gewerk oder Zunft weigern dürfe, künftig auch Lehrlinge jüdischer Religion einschreiben zu laßen, versteht sich von selbst, es sollten dergleichen Weigerungen je verstummen.“

Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern … jüdischer Religion [IndGes]

Die IndGes wirkte mehr als ein Jahrhundert erfolgreich in Berlin und war beispielgebend für ähnliche Gründungen in zahlreichen anderen Städten. Struktur und Organisation: Die Leitung der Gesellschaft oblag einem fünfköpfigen Comité. Jährlich wurden jeweils zwei seiner Mitglieder von der Generalversammlung des Vereins neu gewählt. In der Kompetenz der Generalversammlung lagen zudem sämtliche Satzungsänderungen. Das Comité wiederum ernannte zwei Inspektoren, die die Einhaltung der Ausbildungsvereinbarungen durch die Meister und Lehrlinge zu überwachen hatten und zudem an den Vorstandssitzungen teilnahmen.

sitzender 1912), Moritz Ulmann, Joseph Wolff, Daniel Israel Wulff. Querverweise auf andere Vereine: Die IndGes wurde zu einem Prototyp für ein ganzes Segment des jüdisch-deutschen Vereinswesens im 19. Jahrhundert. Ab den 1820er Jahren gründeten sich etliche ähnlich verfasste und ausgerichtete Vereine, unter anderem in Dresden 1829, in Mecklenburg 1836, in Breslau 1840, in Detmold/Lippe 1842 und in Bernburg/Anhalt 1844. Besonders lange aktiv war der Verein für Westphalen und Rheinprovinz zur Bildung von Elementarlehrern und zur Beförderung von Künsten und Handwerken unter den Juden mit Sitz in Münster, der bis ins späte 19. Jahrhundert hinein wirkte.

Mitglieder: a) Allgemeines: Gegründet Bibliographie: 1) Archivquellen: CAHJP, wurde der Verein von Mitgliedern der  P 17/619. – GStA PK, I. HA, Rep.  77, Gesellschaft der Freunde, die auch in den fol- Tit.  30, Nr.  23, Bd.  1. – LAB, Rep. 030, genden Jahren sämtliche Leitungspositio- Tit. 95, Nr. 13963. – SBB PK, Musikabteinen der Organisation besetzten. So waren lung mit Mendelssohn-Archiv, MA Nachl. zum Beispiel alle Mitglieder des Vorstands 5,3-I und 5,9-IV. – 2) Chronik: Adler, Marvon 1827 gleichzeitig Mitglieder der Gesell- cus: Chronik der Gesellschaft zur Verbreischaft der Freunde. – Mitglied konnte jede tung der Handwerke und des Ackerbaues Person werden, die den geforderten Jahres- unter den Juden im Preußischen Staate, gebeitrag von fünf Talern bezahlte. Die Mit- gründet 1812, für die Jahre 1812–1899. Bergliedschaft endete mit der Einstellung der lin 1899. – 3) Zeitungsartikel: AZJ, 47. Jg., Beitragszahlung. – b) Vorstandsmitglieder Nr. 6 (6.2.1883), S. 89 f. – AZJ, 64. Jg., Nr. 4 bis 1815 (alphabetisch): August Heinrich (25.1.1901), Gemeindebote, S. 2. – AZJ, 75. Bendemann, Samuel Bendix, Carl Ema- Jg., Nr. 51 (20.12.1912), Gemeindebote, S. 2. nuel Ezechiel, Z. Fränkel, Abraham Fried- – 4) Forschungsliteratur: Lohmann, Uta: länder, Heinrich Jacoby, Joseph Mendels- „Auf der Organisation ruht die Zukunft des sohn, Liebermann Schlesinger. – c) Vor- Handwerks“. The history and activities of Jestandsmitglieder nach 1815: Joseph Frän- wish artisans in Berlin. In: Leo Baeck Institukel (Vorsitzender 1896), Nathan Helfft, B. S. te Year Book 41 (1996), S. 115–139. – PanHerzbach, Meyer Jacobson, Heinrich Lassar, witz, Sebastian: Die Gesellschaft der Freunde Leopold Lesser (Vorsitzender 1883–1901), 1792–1935. Berliner Juden zwischen AufkläDavid Ludwig Loewe, Alexander Mendels- rung und Hochfinanz. Hildesheim 2007, vor sohn, Heinrich Natdorff, Georg Tietz (Vor- allem S. 75–77 (= Has­kala, Bd. 34).

Sebastian Panwitz

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Brüderverein [BrV] Name: Brüderverein; ab 1843 mit dem Zusatz „zur gegenseitigen Unterstützung“; nach 1934:

Jüdischer Brüderverein. Gründung: 1. Januar 1815. Auflösung: 16. Oktober 1939. Sitz: 1855 Neue Friedrichstraße 21; 1865– 1867 Neue Friedrichstraße 35; 1876–1887 Unter den Linden 4a (Eigentum); 1905–1939 Kurfürstenstraße 115/116 (Eigentum). Programmzitat: „Der Verein macht es sich zum Zweck die bestmögliche Beförderung des Wohls u. die Belebung des Gemeingeistes seiner Mitglieder, wie überhaupt eine engere Annäherung u. eine gegenseitige freundschaftliche Unterstützung unter denselben zu bewirken, u. strebt namentlich u. hauptsächlich dahin den ohne eigene Schuld nahrungslos gewordenen Mitgliedern durch eine thätige Verwendung zur Verschaffung eines neuen Erwerbszweiges, den durch physische Uebel gänzlich unthätig gewordenen durch Geldunterstützungen, so wie den Kranken durch brüderliche Theilnahme u. gehörige Pflege beizustehen, so daß sie niemanden auf irgend eine Weise zur Last fallen, u. sie überhaupt durch Fürsorge aller Art vor Noth u. Beschämung gesichert werden. Wenn eine solche Anstalt je von Nutzen sein kann, so ist sie es unstreitig am meisten für Personen auswärtiger Geburt. Je isolierter sie in dem Orte ihres Aufenthaltes sind, desto wehmüthiger müssen sie bei widerwärtigen, besonders aber bei Krankheits-Zufällen es empfinden, daß sie fremd u. der Theilnahme redlicher Verwandten entzogen sind, u. desto mehr müssen sie darauf bedacht sein, durch eine freundschaftliche Verbindung mit den Brüdern ihres Schicksals u. ihres Berufs ihr moralisches und physisches Wohl sicherer zu stellen, indem sie sich gegenseitig die Stelle jener Verwandten vertreten“ (Begründung der Vereinsgründung, 1815). Geschichte und Programmatik: Der BrV gründete sich Anfang 1815 unter zugewan866

Abb. 165  Emblem des Vereins aus dem Jahr 1918.

derten Mitgliedern der Berliner jüdischen Gemeinde. In seiner Programmatik und in seinem Aufbau kopierte er, ähnlich wie die Gesellschaft  Magine Rèim, die  Gesellschaft der Freunde teilweise bis ins Detail. Gegen die Zahlung eines Mitgliedsbeitrags konnten die Mitglieder mit Unterstützung in Fällen von Krankheit, Armut, Arbeitslosigkeit und Tod, einschließlich Krankenbesuche und Leichenbegängnisse, rechnen. Besonders wichtig für die Zugewanderten war zudem der Aspekt, dass sie in diesem Kreis schnell eine soziale Einbindung finden konnten. Über seine Vorstandsmitglieder war der Verein eng mit der jüdischen Reformbewegung verbunden. Der Reformprediger Isaac Levin Auerbach zum Beispiel hatte lange Jahre den Vereinsvorsitz inne. 1843 gab sich der Verein den Zusatz „z. g. U.“ (d. h. „zur gegenseitigen Unterstützung“). Um den immer größer werdenden Bedürfnissen zu entsprechen, erwarb der Verein zunächst das Haus Unter den Linden 4a, später das noch größere Grundstück Kurfürstenstraße 115/116. Nach 1934 musste der BrV seinen Namen in Jüdischer Brüderverein ändern. 1939 wurde seiner Existenz durch die Zwangseingliederung in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland ein Ende gesetzt. Das Ver-

Brüderverein [BrV]

einshaus in der Kurfürstenstraße wurde dem Judenreferat des Reichssicherheitshauptamtes unter Adolf Eichmann zugeordnet. Nach dem Krieg kam es zu einer Neugründung des BrV. Seine materielle Konsolidierung scheiterte jedoch am Widerstand der internationalen jüdischen Großorganisationen, so dass diese Neugründung keinen langen Bestand hatte. Struktur und Organisation: Der BrV wurde durch einen von der jährlich zusammentretenden Mitgliederversammlung gewählten Vorstand geleitet, der sich monatlich einmal traf und aus Direktor, Pflegevater (zuständig für die Koordinierung der Krankenbetreuung), Kassierer, Controlleur und Revidenten, Sekretair und zwei Assessoren bestand. – Zu den Einnahmen des Vereins gehörten Eintritts- und Mitgliedsgelder, Rückzahlungen früherer Unterstützungsgelder durch Mitglieder, Strafgelder bei unentschuldigt versäumtem Vereinsdienst, Spenden und Zinsen. Das Eintrittsgeld betrug zur Zeit der Gründung sechs, der Jahresbeitrag zwei Reichstaler. Für die Zahlung von 100 Reichstalern erwarb man den Status des „perpetuellen“ (immerwährenden) Mitglieds und war von allen weiteren Mitgliedsbeiträgen befreit. Das Mitglied verpflichtete sich zu einer Mitgliedschaft von jeweils drei Jahren. Mitgliedern, die sich besonders um den Verein verdient machten, konnte der Vorstand den Titel „Verdientes Mitglied“ verleihen, als welches er zur Vereinsleitung herangezogen wurde. Mitglieder: Mitglied konnten (wie bereits bei der Gesellschaft der Freunde und Magine Rèim) ausschließlich Männer werden. Zunächst gehörten nur Mitglieder der jüdischen Gemeinde dem Verein an. Ebenso wie die Gesellschaft der Freunde erlaubte es aber auch der BrV Konvertiten, im Verein zu verbleiben, so dass er sich zu einem konfessionell gemischten Verein entwickelte. Erst bei der Wiederbegründung nach 1945 fügte der BrV seiner Sat-

zung einen Paragraphen bei, laut welchem nur Juden die Mitgliedschaft offen stand. Im Unterschied zur Gesellschaft der Freunde gehörten dem BrV mehrheitlich Vertreter des mittleren und des Kleinbürgertums an. Da seine soziale Basis damit sehr breit war, überschritt die Mitgliederzahl um 1900 zeitweise deutlich die Grenze von 1000. Allerdings traten auch Angehörige des Großbürgertums dem BrV bei, die gleichzeitig der Gesellschaft der Freunde (und manchmal zudem der Magine Rèim) angehörten. Dazu gehörten unter anderem Carl Fürstenberg, Benjamin Liebermann, Rudolf Mosse, Oscar Tietz und Franz Ullstein. Bibliographie: 1) Archivquellen: CAHJP D/Be 4/98 (1814), 385 (1855–1872), 386 (1900–1912), 387 (1908). – CAHJP P 17/622623 (1815). – GStA PK, I. HA, Rep. 77, Tit. 1021 Berlin, Nr. 61 (1815–1915), enth. Satzung 1815. – LAB, A Rep. 057, Film 639, Nr.  808 Brüdervereinshaus Kurfürstenstr. – LAB, B Rep. 211 Nr. 1450–1461 Kurfürstenstr. 115/116. Brüderverein zu gegenseitiger Unterstützung (Thefi-Haus), 1905–1964; sowie Nr. 2815–2817 Kurfürstenstr. 114–116. Brüderverein zu gegenseitiger Unterstützung, 1886–1867. – 2) Vereinsdrucksachen: a) Mitgliederverzeichnisse: 1855: Verzeichniss der Mitglieder des Brüder-Vereins zu gegenseitiger Unterstützung zu Berlin, am Schlusse des Jahres 1855, des Ein und vierzigsten seiner Stiftung. Berlin 1855. – 1864: Verzeichniss der Mitglieder des Brüder-Vereins zu gegenseitiger Unterstützung zu Berlin am Schlusse des Jahres 1864. Zur fünfzigjährigen Jubel-Feier. Berlin 1864. – 1872: Verzeichniss der Mitglieder des Brüder-Vereins zu gegenseitiger Unterstützung zu Berlin am 16. März 1872. Berlin 1872. – 1908: Verzeichnis der Mitglieder des Brüder-Vereins zu gegenseitiger Unterstützung. Berlin, März 1908. Berlin 1908. – b) Satzungen: 1815: Statuten des BrüderVereins. Handschriftliches Exemplar mit gesiegelter Bestätigung durch Älteste der Berliner Judenschaft. – 1832: Statuten des, mit Geneh867

14  Vereine in der jüdischen Gemeinde

migung eines Königl. hohen Ministerii des Innern, unterm ersten Januar 1815 errichteten Brüder-Verein zu Berlin. Berlin 1832. – 1937: Neue Satzung des [Jüdischen] Brüder-Vereins zu gegenseitiger Unterstützung zu Berlin. Berlin 1934 [mit Veränderungen per Stempel und Einklebung 1937]. – c) Festschriften: Auerbach, J. L.: Festrede zur funf und zwanzig-

jährigen Jubelfeier des Brüder-Vereins zu Berlin. Gehalten in der General-Versammlung am 19. Januar 1840 vom Director des Vereins. Berlin 1840. – 3) Forschungsliteratur: Panwitz, Sebastian: Die Gesellschaft der Freunde 1792– 1935. Berliner Juden zwischen Aufklärung und Hochfinanz. Hildesheim, Zürich, New York 2007 (= Has­kala, Bd. 34).

Sebastian Panwitz

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15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Wohltätigkeitsvereine sind private, gemeinnützige Personengesellschaften zur Förderung der Armen in allen Belangen, die zur Verbesserung ihrer Lage beitragen, gemeint sind vor allem Unterkunft, Versorgung mit Kleidung, Nahrung und Heizung, sowie Erziehung und Ausbildung. Wohltätigkeitsvereine wirkten außerhalb der staatlichen und kommunalen Armenpflege, waren aber Teil eines komplexen, historisch gewachsenen, und zumeist städtischen Versorgungssystems, zu dem auch kirchliche Einrichtungen und die Versorgungssysteme der Gewerke und Korporationen zählten. Die Vereine gehörten dabei in den Jahrzehnten um 1800 zu den noch jungen bürgerschaftlich organisierten Initiativen zur Bekämpfung der Armut. Dies hat historische Ursachen. In Berlin war die Armenfürsorge seit 1699 in erster Linie staatlich organisiert und finanziert. Die Königliche Armendirektion war für die Versorgung in den Armenanstalten sowie für die sogenannten Hausarmen verantwortlich, ebenso für die Waisen- und Krankenversorgung. Daneben bestand ein seit dem Mittelalter entwickeltes kirchliches Versorgungssystem in einzelnen Parochien sowie die Armenfürsorge der Jüdischen und der Französischen Gemeinde. Erst 1819 wurde das Berliner Armenwesen unter Beibehaltung der privaten Vereine und Stiftungen kommunalisiert. Im Vergleich zu den Stiftungen, die bereits im Mittelalter als karitative Institutionen bekannt waren, sind Vereine eine erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts aufkommende Form bürgerlicher Selbstorganisation. Um rechtsfähig zu sein, also Finanz- und Grundstücksgeschäfte tätigen zu können, bedurfte es einer staatlichen Anerkennung ihrer Handlungszwecke und Statuten, die in Preußen durch das Allgemeine Landrecht von 1794 geregelt wurde. Hier heißt es, dass eine Genehmigung erteilt werden kann, wenn der Verein „fortdauernde gemeinnützige Zwecke“ erfüllt (ALR 1794, II. Teil, 6. Titel, § 25). Durch diese Privilegierung waren Vereine gleichberechtigt mit anerkannten Stiftungen und bildeten einen Teil des Armenfürsorgesystems, das subsidiär aufgebaut war (ALR 1794, II. Teil, 19. Titel). Zu unterscheiden sind deshalb, sowohl formal als auch oftmals hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit, soziale Initiativen, die ihre Tätigkeit erst auf der Grundlage laufender privater Zuwendungen entfalten konnten, und Stiftungen, die bei Gründung einen Kapitalstock oder eine Immobilie erhielten, aus deren Zinsen sie ihre Tätigkeit finanzieren und bei denen deshalb eine Dauerhaftigkeit zu erwarten war. Die Begriffe „Verein“, „Gesellschaft“ und „Stiftung“ wurden in diesem Zusammenhang oftmals synonym gebraucht, da im frühen 19. Jahrhundert zwischen den Organisationsformen Verein und Stiftung noch gar nicht unterschieden wurde, weder rechtlich noch im all869

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

gemeinen Sprachgebrauch. „Stiftung“ bedeutete schlichtweg, etwas zum allgemeinen Wohl zu geben, gleich ob es sich im späteren Sinne um eine Hergabe von Vermögen oder eine tätige Anregung und Gründung handelte. Der Verein als juristisch definierte Personengesellschaft entwickelte sich erst in den kommenden Jahrzehnten. Allerdings bestand eine klare Trennung zwischen privater Initiative und öffentlicher Armenfürsorge. Eine vereinsgetragene soziale Fürsorge entstand, wie auch die Reformbemühungen des öffentlichen Fürsorgesystems insgesamt, vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Berlins im 18. Jahrhundert. Die Durchsetzung des Manufakturwesens bewirkte einen erheblichen Bevölkerungszuwachs (1750: 113.000 Einwohner, 1800: 172.000) und eine nachhaltige Erschütterung der traditionellen Stadtgesellschaft. Arme waren nun nicht mehr aus „natürlichen“ Gründen Erwerbsunfähige, die karitativ zu unterstützen waren, sondern, neben der durch gesteigerte Mobilität auffälligen Straßenbettelei, durch ihre abhängige Tätigkeit potentiell gefährdete Beschäftigte, vor allem der Textilmanufakturen. Unterschieden wurde nun zwischen unverschuldeten Armen und solchen, die zur Arbeitsamkeit angehalten werden sollten. Anreger des Systems einer auf das Prinzip der Arbeitsamkeit, bei individueller „Fallbetreuung“ durch Bürger, gegründeten Armenfürsorge war im Übrigen ein Verein, die Patriotische Gesellschaft in Hamburg, die das dortige traditionelle Armensystem 1788 entsprechend anpasste und deren Prinzipien in Berlin im Jahre 1803 durch die Berliner  Gesellschaft der Armenfreunde rezipiert wurde. Zu einer Änderung der Berliner Fürsorgestruktur kam es zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht, doch verdeutlichte die Wirtschaftskrise der Napoleonischen Besatzung sowohl die Reformnotwendigkeit, wie sie auch eine allgemeine Sensibilität gegenüber sozialen Belangen hervorrief, die in Berlin bis in den Vormärz anhielt. In einer Übersicht über die sozialen Bestrebungen, die das Preußische Innenministerium 1846 erarbeitet hatte, entfielen von insgesamt 1.680 sozialen Vereinen auf die Provinz Brandenburg 300, die meisten davon in Berlin. Von den Vereinen, die ihr Gründungsjahr angegeben hatten, waren nur 15 Prozent in der Zeit bis 1820 entstanden (Sachße/Tennstedt, S. 239 f.). Der Gründungsboom sozialer Vereine erfolgte demzufolge erst im Zuge der Industrialisierung. Laut einer Statistik wurden 1785 11.028 Berlinerinnen und Berliner im Rahmen der offiziellen Armenfürsorge unterstützt. Davon waren 3.465 sogenannte Hospitaliten, also Menschen, die in Anstalten untergebracht waren; hinzu kamen die 1.133 Insassen des Arbeitshauses, das unter anderem der Zwangseinweisung von Straßenbettlern diente. 1801 wurden in Berlin 9.974 sogenannte „Stadtarme“ gezählt, dazu 1.922 Arme in Armenhäusern, 760 in Waisenhäusern und 362 Arme in den Hospitälern der Stadt, zusammen also 12.988 Personen. Insgesamt schwankte die Zahl der offiziell unterstützten Armen zwischen 1770 und der Wende zum 19. Jahrhundert zwischen einem und acht Prozent der Stadtbevölkerung (Ludwig, 2007, S. 57). Die aufkommende Frühindustrialisierung, die mit einer Verarmung und teilweisen Verelendung der sozialen Unterschichten einherging, hatte die Grenzen der traditionellen kommunalen, staatlichen und kirchlichen Armenversorgung deutlich zu Tage treten lassen. Aufklärerisch inspi870

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

rierte Reformer und Philanthropen versuchten deshalb, den Gedanken der Wohltätigkeit mit dem der Nützlichkeit zu verbinden. Grundgedanke der neu entstehenden, zumeist auf privater Initiative beruhenden Wohltätigkeitsvereine und „mildtätigen“ Stiftungen war es, die Armut durch aktive Hilfe zur Selbsthilfe zu bekämpfen. Den in Not geratenen Menschen sollte geholfen werden, ohne dass sie dem Staat, den Kommunen oder wohltätigen Stiftungen dauerhaft zur Last fielen. Zeitweilige Unterstützungsleistungen oder Kredite, die beispielsweise eine Stiftung zur Verfügung stellen konnte, sollten die Hilfsbedürftigen befähigen, sich ihren Lebensunterhalt bald wieder aus eigener Kraft verdienen zu können. Von den fast 400 Berliner Stiftungen, die Friedrich Gustav Lisco in seiner Übersicht aus dem Jahr 1846 verzeichnet, wurden ca. 120 vor 1786 gegründet, 52 entstanden im Untersuchungszeitraum des Handbuchs, annähernd 200 nach 1815. Neben staatlichen und kommunalen Einrichtungen wie dem Großen Friedrichs-Waisenhaus und Hospital (seit 1697), dem Großen Invalidenhaus (seit 1748), dem Neuen Hospital (1799) und der Charité (seit 1726) sowie soziale Einrichtungen der reformierten Domgemeinde, der französisch-reformierten, der jüdischen und der katholischen Gemeinden traten private Unternehmungen. Hospitäler aus privater Gründung waren das Spletthaus für zwölf arme Frauen auf dem Georgenkirchhof, das 1788 gegründete Koppensche Armenhaus für 22 alte Frauen in der Auguststraße und das Koppjohannsche Armenhaus am Schiffbauerdamm für Witwen und Waisen der Spandauer Vorstadt. In der Tendenz nahm die Zahl privater Gesellschaften und Stiftungen zu, die sich nicht mehr nur allgemein mit der Armenfürsorge befassten, sondern konkrete Notlagen der Zeit bekämpfen wollten. Zu diesen privaten Gesellschaften zählen die beiden 1776 bzw. 1779 gegründeten französischen und deutschen  Gesellschaften zur Versorgung der hiesigen Hausarmen mit freier Feuerung und die 1800 gegründete  Armen-Speisungs-Anstalt, die mehrere Suppenküchen unterhielt. Während diese die arme Bevölkerung mit Naturalien versorgten oder – wie die  Holzsparende Gesellschaft – erzieherisch auf einen sorgsamen Umgang mit den Ressourcen einwirken wollte, bezweckten andere Hilfe zur Selbsthilfe, um in Not geratene Einwohner Berlins wieder in Lohn und Brot zu bringen und in die bürgerliche Gesellschaft zu integrieren. Beispiele dafür sind das  Berlinische Bürgerrettungs-Institut (1796) und die  Freiwillige Armenbeschäftigungsanstalt des Barons Hans Ernst von Kottwitz (1807). Mehrere Gesellschaften wandten sich der Versorgung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu, wobei Schulunterricht und handwerkliche Tätigkeiten verbunden wurden (Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen (seit 1793);  Verein zum Besten der Waisen im großen Friedrichs-Hospital (nach 1806);  Friedrichsstift (1807);  Luisenstift (1807);  Königin-Luise-Stiftung (1811)). Eine weitere private Einrichtung war das Taubstummen-Institut des Dr. Ernst Adolph Eschke, das, als Privatinstitut 1788 gegründet, zehn Jahre lang keine Förderung aus der königlichen Schatulle erhielt und erst 1798 zu einem Königlichen Institut mit eigenem Lokal in der Linienstraße erhoben wurde. „Der erste Schritt zur bessern Armenpflege ist die Sorge für die Jugend“, begründete die Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen den 871

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Zweck ihrer Unternehmung. „Es giebt nur ein Mittel, diesem Uebel [der zunehmenden Armut] ganz abzuhelfen; nämlich, daß wohlwollende Männer sich freiwillig vereinigen, einzelne Theile der Armenversorgung auf sich zu nehmen. Wenn eine Gesellschaft für die Erziehung armer Kinder sorgt, eine andre mit Verpflegung und Heilung der Kranken sich beschäftigt, eine dritte abgelebte Personen unterstüzt, eine vierte in Verfall gekommene Bürger durch Arbeit oder Vorschüsse vom Verderbe rettet u. s. w. so wirkt am Ende alles zu dem heilsamen Zwek zusammen; von dem auf einen Punkt gerichteten Eifer vieler guten Menschen ist der beste Erfolg zu erwarten, jede Gattung der Dürftigen erhält die ihr angemessene Versorgung, und den öffentlichen Anstalten bleibt nur dasjenige übrig, was eigentlich für ihn gehoert, die Besserung der Bettler von schlechten Sitten, und die Unterhaltung der großen Krankenhäuser und Hospitäler, wo weit sie nothwendig sind“ (GStA PK, II. HA Abt. 4 Kurmark Materien A–H Tit. CCII Armen-Sachen Sect. a Berlin, Nr. 9, Bl. 2r und 2v). Die in dem Zitat deutlich werdende Grundhaltung einer philanthropischen Verantwortung für die Stadtgemeinde – verstanden als sozial differenzierter Personenverband – wurde erstmals 1808 in der Preußischen Städteordnung festgeschrieben, war aber andererseits auch umstritten. Gerade aus der sich entwickelnden kommunalen Armenverwaltung heraus wurde die fehlende Zuverlässigkeit der Unterstützungsleistungen und die individuell bestimmte Willkürlichkeit der Handlungsfelder kritisiert – eine Debatte, die noch Anfang des 20. Jahrhunderts kontrovers geführt wurde. Der gesellschaft­liche Wandel im „langen“ 19. Jahrhundert führte insgesamt zur Integration des Sozialen in die politische Debatte, allerdings mit unterschiedlicher Intensität und Zielsetzung. Bis zur Revolution von 1848 war private Initiative durch Stiftungen und Vereine nicht nur Teil einer sozialen Grundausstattung in den Städten, sondern auch eine durch König und Staatsbürokratie geförderte Form sozialer Politik. In der Zeit um 1800, verstärkt während der Napoleonischen Besatzung, wurden verschiedene neue Wohltätigkeits-, Ausbildungs- und Beschäftigungsmodelle erprobt, die vorrangig privat initiiert, finanziert und organisiert waren, zunächst ohne Kapitalvermögen starteten und erst später als Korporation anerkannt wurden. Die Besatzungszeit zeitigte aber auch einen gegenteiligen Effekt: Bereits bestehende Stiftungen gerieten in existentielle Nöte und Schwierigkeiten und mussten zum Teil ihre Tätigkeit ganz einstellen oder – wie beispielsweise das Berlinische Bürgerrettungs-Institut – auf ein Minimum reduzieren. Die Tendenz, Vereine und Stiftungen zur Armenfürsorge zu gründen, hielt das gesamte 19. Jahrhundert hinweg bis zum Ersten Weltkrieg an; der Höhepunkt wurde allerdings erst nach dem hier untersuchten Zeitraum erreicht.

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15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Literatur: Lisco, Friedrich Gustav: Das wohlthätige Berlin. Geschichtlich-statistische Nachrichten über die Wohlthätigkeits-Uebung Berlin’s. Berlin 1846. – Ludwig, Andreas: Der Fall Charlottenburg: soziale Stiftungen im städtischen Kontext (1800–1950). Köln [u. a.] 2005 (Schriftenreihe: Städteforschung, Reihe A, Darstellungen; 66), (zugl.: Diss. TU Berlin, 2000). – Ludwig, Andreas: Das Luisenstift – Eine Stiftung zu Beginn des 19. Jahrhunderts im

Berliner Kontext sozialer Bestrebungen und öffentlicher Armenfürsorge. In: Lehnert, Erik / Piethe, Marcel (Hg.): „Lasset uns Gutes thun und nicht müde werden …“, 200 Jahre Luisenstift Berlin. Berlin 2007, S. 51– 67. – Sachße, Christoph / Tennstedt, Florian (Hg.): Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg. Stuttgart, 2. Aufl. 1998. – Für hilfreiche Hinweise sei Jens Thiel herzlich gedankt.

Andreas Ludwig / Uta Motschmann

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Gesellschaft französischer Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz [FHolz] Name: Société pour la distribution de bois de chaffage aux pauvres honteux; Gesellschaft fran-

zösischer Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz; Französische Gesellschaft zur Vertheilung von Brennholz an verschämte Arme; Französische Brennholzgesellschaft; Französische Armenholz-Gesellschaft; Französische Holzvertheilungsgesellschaft. Gründung: 10. September 1776. Auflösung: Nach 1882. – Der letzte in den Akten enthaltene Jahresbericht umfasst den Winter 1881/82. Sitz: Die Sitzungen fanden reihum in den Wohnungen der Mitglieder statt. Programm: „Nach den festgesetzten und angenommenen Grundsätzen der Gesellschaft ist kein Armer, er sey von welcher Religion er wolle, von dieser Hülfe [der Versorgung „schamhafter Armen mit Winterholz“] ausgeschlossen, sobald ihn irgendwo ein Wohlthäter empfohlen hat und sie hält es für heilige Pflicht, die Almosen eines jeden nach seiner besondern Willkühr zu vertheilen. Ueber­ haupt ist es ihre einzige Absicht, der edlen Armuth nach allen Kräften aufzuhelfen“ (Ber-

linische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 133 v. 6. November 1787). Geschichte und Programmatik: Die Holzverteilungsgesellschaft der Französischen Kolonie war die erste ihrer Art, lieferte die Französische Kolonie doch überhaupt „Muster von wohlthätigen und gut administrirten Stiftungen“ (Berlinische Monatsschrift 1784, III, S. 156). Gegründet im Herbst 1776 unter der Regierung Friedrichs II., „der ihr viele Unterstützung zufließen ließ“, sammelten ihre Mitglieder Gelder zum Ankauf von Holz und Torf, um diese als Winterfeuerung an Bedürftige zu verteilen. Dabei wurden nicht nur Einzelpersonen und Familien der Französischen Gemeinde bedacht, sondern eben874

so Witwen von Mitgliedern der Französischen Gemeinde, „die deutschen Ursprungs sind“, Frauen oder Witwen Deutscher sowie Witwen von Katholiken, die vor ihrer Verheiratung der Französischen Gemeinde angehörten, und andere empfohlene Personen oder Familien. Am 19. September 1776 trat die FHolz mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit. Ihr erster Fonds betrug 110 Reichstaler, womit 133 Familien und Witwen unterstützt werden konnten. Im zweiten Winter 1777/78 standen ihr 878 Rthlr. zur Verfügung, um 199 Personen mit Feuerholz zu versorgen. Im Winter 1784/85 belieferte sie 614 Familien mit Holz, „wovon ein Drittel theils Deutsche, theils Katholiken waren“ (Nicolai, 1786, S. 690). Im Winter 1796/97 verteilte sie an 947 bedürftige Haushaltungen ca. 236 Haufen Holz und Torf; wobei die Gesellschaft immer auch den Fuhrlohn übernahm. „Die mehresten erhielten ein Viertel Haufen, die Bedürftigsten zwey Viertel“ (Jahrbücher der preußischen Monarchie 1798, 1. Bd., S. 230). Im Winter 1797/98 wurden 758 Familien oder Einzelpersonen mit 205 Haufen Holz und 23 ½ Haufen Torf unterstützt. „An ihren Wohlthaten nehmen Franzosen und Deutsche Antheil“ (Nicolai, 1799, S. 147). Im Winter 1813/14 verteilte die FHolz „überhaupt 194 ¼ Haufen Kienenholz, woran bei der ersten Vertheilung 603, und bei der zweiten 298 Familien oder Personen Antheil nahmen“ (Nicolai, 1816, S. 150). Im September 1796 war der Kapitalfonds auf 10.625 Reichstaler angewachsen und stieg in den folgenden Jahren stetig an: September 1797: 10.725 Taler; September 1798: 11.025 Taler; Oktober 1814: 22.994 Taler. Unterstützung erhielt die FHolz aus der königlichen Schatulle: Friedrich Wilhelm II. spendete einen jährlichen Beitrag von 500 Taler, sein Nachfolger Friedrich Wilhelm III. 300 Taler. Im 50. Jahr des Bestehens der FHolz 1826 wurden 627 Per-

Gesellschaft französischer Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz [FHolz]

sonen unterstützt. Die Zahl der Bedürftigen wuchs im Laufe des 19. Jahrhunderts stetig, ihre Versorgung mit Feuerholz und Torf war zu einer Daueraufgabe geworden. Struktur und Organisation: Der erste Rendant der Gesellschaft war der Kaufmann Paul Lautier in der Brüderstraße, danach der Kaufmann Humbert, ebenfalls in der Brüderstraße; sie nahmen die Spendengelder entgegen. Jährlich wurden Kassenberichte bzw. Rechenschaftsberichte gedruckt und unentgeltlich ausgeteilt (Relation de la distribution de bois aux pauvres honteux). Ab Winter 1876/77 erschienen die Berichte in deutscher Sprache, und die Gesellschaft nannte sich nun Französische Ge-

sellschaft zur Vertheilung von Brennholz an verschämte Arme. Der letzte Bericht umfasst den Winter 1881/82. Holzverteilungen erfolgten in Berlin, der Dorotheenstadt, der Friedrichstadt, auf dem Werder und in der Luisenstadt. – Mit dem Tod des ersten Direktors Hainchelin 1787 wurde das permanente Direktorenamt aufgehoben, und die Mitglieder verteilten fortan die Arbeiten unter sich; der Vorsitz alternierte mit jeder Sitzung. Die wöchentlichen Sitzungen fanden reihum in den Wohnungen der Mitglieder statt. Bis zu ihrem Ende behielt die Gesellschaft diesen Rhythmus bei. „Auch die Tasse Kaffee wird als historische Erinnerung festgehalten, so wie das dazu gehörige Gebäck. Auch die Sitzungen werden wie von Anfang an, jede Woche bei einem andern der zehn Mitglieder gehalten. Die Reihenfolge wird durch die Zeit des Eintritts in die Gesellschaft bestimmt. Am Ende des October findet die öffentliche Rechnungslegung statt. Zu derselben wird durch einen Bericht eingeladen“ (Rechenschaftsbericht 1881/82). Mitglieder: a) Die Stifter: Pierre Hainchelin (Direktor); Samuel Bocquet (Sekretär); Samuel Bouvier (Schatzmeister); Jean Bastide (Controleur de la Scociété et Teneur du grand livre); Henri Saunier; Louis Essaie de Pajon de Moncets; Etienne Corneille Barez;

Jean Etienne Deleuze de Lancizolle. – b) Einzelmitglieder 1776–1815 (alphabetisch; in Klammern die Mitgliedschaftszeiten): Henri d’Anières (1800–1806); Frédéric George Louis Barandon (1797–1812); Etienne Corneille Barez (1776–1797); Guillaume Henry Barthélemy (1777–1800, Kassierer 1788); Jean Bastide (1776–1777); Guillaume Baudouin (1811–1817); Pierre Louis Béringuier (1799–1808); Antoine Bocquet (1812–1820); Samuel Bocquet (1776–1820); Samuel Bouvier (1776–1781); Jean Pierre Charton (1809– 1817); Pierre Jér. Hainchelin (1776–1787); Jean Paul Humbert (1798–1831); Jean Jouffroy (1806–1823); Jean Etienne Deleuze de Lancizolle (1776–1838); Charles Henry Laspeyres (1804–1809); Samuel Mathis (1787–1801); Louis Esaie de Pajon de Moncets (1776–1799); Antoine Thomas Palmié (1801–1811); Henri Saunier (1776–1820). – c) Einzelmitglieder nach 1815: J. F. D. Andrié (1850–1866); Emil Baudouin (1857–1869); Max Berg (ab 1873); Jacques Abrah. Bernard (1834–1849); Rodolphe Biermann (ab 1865); Edouard Blell (1851–1863); François Louis Bouvier (1820– 1842); Gustave Briet (1872–1876); Albert Cazalet (ab 1874); Jean David Charton (1849– 1875); Albert Coulon (ab 1876); Joseph Drège (ab 1863); François Joseph Favre (1827–1830); Auguste Fournier (1840–1874); Henri Gambini (1869–1872); Louis George (ab 1875); Gustave Haslinger (ab 1867); Paul Henry (1845– 1853); Charl. F. A. d’Heureuse (1842–1845); Charles Hugo (1866–1872); David Charles Humbert (Doyen, 1817–1837); Edouard Humbert (Kassierer 1831–1865); Philippe Jacob (1819–1835); Emile Jordan (1833–1853); Maurice Jordan (1833–1840); Pierre August Jordan (1823–1833); Charles Landré (ab 1875); Thédore Lorenz (1854–1866); André Guill. Lovie (1817–1842); Charles Mathieu (ab 1865); Charles Louis Mathieu (ab 1867); Louis Mathieu (1834–1867); Gaspard Molière (1820–1844); Jacob Louis Nicolas (1853– 1865); Jean Michel Palmié (1833–1841); Jean Etienne Plantier (1842–1873); Guillaume 875

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Reclam (1830–1833); F. H. Ernest de Rohr (1842–1853); Charles Roland (1866–1875); Jérémie Rousset (1823–1823); Charles Louis Saint-Martin (1845–  ?); Gustave Sy (1852– 1857). Querverweise auf andere Vereine: Drei Jahre später wurde die  Gesellschaft deut-

scher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen mit Brennholz gegründet, die in gleicher Weise eine entsprechend größere Anzahl von Bedürftigen unterstützte. Beide sozialen Einrichtungen versuchten, gegen konkrete Notlagen der Zeit anzugehen. Sie wurden vom jeweils regierenden König unterstützt und erhielten Holz und Torf vom Königl. HauptBrennholz-Verwaltungs-Comptoir zu einem billigeren oder dem Armenpreis. – Eine vergleichbare Einrichtung, die bedürftige Einwohner Berlins mit Naturalien versorgte, war die  Armen-Speisungs-Anstalt. Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: LAB, A Rep. 20001 Nr. K 51. – GStA PK, I. HA Rep. 96 A, 8 G (Armenpflege der französischen Kolonie

in Berlin (Société française) 1797–1802). – b) Gedruckte Quellen: Gädicke, Johann Christian: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend […]. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806, S. 82 f. – Nicolai, Friedrich: Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam. Berlin 1786, S. 689 f. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend, enthaltend eine kurze Nachricht von allen daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. In einem bis jetzt fortgesetzten Auszuge der großen Beschreibung von Berlin und Potsdam. Berlin 1799, S. 146 f. – Dass. Berlin 1816, S. 149 f. – c) Literatur: Muret, Eduard: Geschichte der französischen Kolonie in Brandenburg-Preußen, unter besonderer Berücksichtigung der Berliner Gemeinde. Berlin 1885. – Wilke, Jürgen: Zur Sozialstruktur und demographischen Analyse der Hugenotten in Brandenburg-Preußen, insbesondere der in Berlin. In: Ingrid Mittenzwei (Hg.): Hugenotten in Brandenburg-Preußen. Berlin 1987, S. 27–99 (Studien zur Geschichte, 8).

Uta Motschmann

Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz [DHolz] Name: Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz; ursprünglich: Gesellschaft zur Versorgung wahrer Hausarmen mit freier Feuerung; umgangssprachlich auch: Deutsche Brennholzgesellschaft; Deutsche Holzversorgungsgesellschaft; Deutsche Holzvertheilungsgesellschaft; Armenholz-Gesellschaft; Armenholz-Versorgungs-Anstalt; Gesellschaft zur Versorgung der hiesigen deutschen Hausarmen mit freier Feuerung; ab 1849: Deutsche Gesellschaft zur Versorgung verschämter Armer mit freiem Brennmaterial. Gründung: 13. November 1779. 876

Auflösung: Nach 1919; vermutlich 1920. Der letzte in den Akten enthaltene Jahresbericht umfasst den Winter 1918/19. Programmzitat: „Der Zweck der Gesellschaft wurde dahin festgestellt, daß sie für die von menschenfreundlichen Wohlthätern gewährten Geldbeiträge Feuerungs-Materialien ankaufen, und diese während des Winters vorzugsweise an verschämte, d. h. solche Arme, die nicht zu der Klasse der AlmosenEmpfänger gehören, vertheilen sollte“ (Einleitung zu den Statuten 1847, S. 3–5). – „Der

Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz [DHolz]

Zweck jener Gesellschaft ist, soweit ihre Mit- „Schreiberhülfe“ zu verwenden. Zweck der tel dazu ausreichen, die in Berlin ansässigen, DHolz war die Verteilung von Holz als Winvon ihr aufzusuchenden, verschämten Armen terfeuerung an „verschämte“ Arme. Als solmit Feuerungs-Materialien in natura wäh- che galten Menschen, „welche unverschuldet rend des Winters auf schonende Weise zu un- in dürftige Verhältnisse gerathen“ waren, sich terstützen. Als verschämte Arme werden die- jedoch trotz ihrer Unterstützungsbedürftigjenigen Personen angesehen, welche nicht zu keit „wegen ihres Standes od. ihrer sonstigen den gewöhnlichen Almosen-Empfängern ge- Verhältnisse […] schämten“, „öffentliche Unhören, sondern bei augenblicklichem Man- terstützung anzusprechen“ (Pierer’s Universalgel an hinreichendem Erwerbe, oder bei dem Lexikon, Bd. 18, Altenburg 1864, S. 511). Sie Bezuge einer nach ihren Lebensverhältnissen waren deshalb gewöhnlich die Zielgruppe der zu unbeträchtlichen Pension, oder bei Krank- freiwilligen und privaten Armenfürsorge. heits- und andern Unglücksfällen, während Am 10. November 1779 wandte sich v. Meydes Winters vorübergehend in Verlegenheit erenfeld, „in Verbindung mit seinen gleichoder Noth gerathen, nach ihrer Gemüts- gesinnten Freunden, den Herren Ernst und art und Bildung aber sich nicht entschließen Ulrici, an das damalige Königliche Generalkönnen, das allgemeine Mitleid zu beanspru- Directorium mit der Bitte: die der französichen“ (§ 2 der Statuten, 1847). schen Kolonie mittelst Rescripts vom 19ten September 1776 bewilligte Erlaubniß, BeiGeschichte und Programmatik: Die DHolz träge zum Einkaufe von Feuerungs-Materiverdankt ihre Entstehung dem Vorbild der alien sammeln, und letztere an pauvres hondrei Jahre zuvor in der Französischen Kolonie teux vertheilen zu dürfen, auch ihnen zugegegründeten Holzversorgungsgesellschaft ( stehen und die Errichtung einer deutschen Gesellschaft französischer Nation zur Versor- Armenholz-Gesellschaft gestatten zu wolgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brenn- len. Dieser Antrag wurde mittelst Rescripts holz) sowie dem Wohltätigkeitssinn des Geh. des damaligen Königlichen General-DirecOberfinanzrats Johann Ehrenfried Joachim v. torii vom 13ten November 1779 genehMeyerenfeld. „Der Umstand, daß die franzö- migt“ (Vorwort zu den Statuten, 1847). Am sische Kolonie zu Berlin Feuerungs-Materia- 25. November 1779 trat die DHolz erstmals lien an ihre Armen vertheilte, rief bei seinem an die Öffentlichkeit. Von da an erschienen frommen Gemüthe den Entschluß in ihm jährlich gedruckte Nachrichten über die einhervor, eine ähnliche Anstalt für die deut- gegangenen Gelder und deren Verwendung. schen Armen zu errichten“ (Einleitung zu Die Gesellschaft kaufte im Sommer Holz (ab den Statuten, 1847). Meyerenfeld war nicht Winter 1790/91 auch Torf) in großen Mennur der Stifter der DHolz, sondern stand gen zu günstigen Preisen, sorgte für Lagerauch 51 Jahre als „Dirigent“ an deren Spit- möglichkeiten, erstellte Armen-Listen und ze. Er war schon früh aus dem Königlichen überprüfte durch persönliche Besuche in den Staatsdienst zurückgetreten, um sich ganz Wohnungen die Bedürftigkeit der Armen den Geschäften des Berliner Armendirekto- (vor allem kinderreiche Familien, Kranke, riums und seiner Gesellschaft zur Versorgung Witwen, Waisen und Greise), sie überwachwahrer Hausarmen mit freier Feuerung – so ihr te die Verteilung des Brennmaterials, überursprünglicher Name - zu widmen. Bei sei- nahm den Fuhrlohn, führte über alles Buch nem Tod überließ er der Gesellschaft ein Ka- und erstattete öffentlich Bericht. In Berlin pital von 700 Reichstalern in Staatsschuld- wurde das Holz nach Haufen (zu 4 ½ Klafscheinen, mit der Bestimmung, die davon ter) verkauft. „Ein Haufen soll 9 Fuß Höhe aufkommenden Zinsen für eine notwendige und 18 Fuß Länge haben. Die Klobenlän877

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

ge ist 3 Fuß“ (Nicolai, 1816, S. 93). Im ers- che Instituten“ und durch sorgfältige Kalkuten Winter 1779/80 standen der DHolz 661 lation, „daß während des Winters immer nur Reichstaler zur Verfügung, womit 46 ¼ Hau- so viel an Feuerungs-Material unter die Arfen Holz gekauft und an 255 Familien ver- men vertheilt werde, als für den Betrag der teilt werden konnten. Im zweiten Winter Jahres-Einnahme angekauft werden kann“, 1780/81 konnte sie für 973 Taler 64 ½ Hau- konnte die DHolz über 120 Jahre bis ins 20. fen Holz an 455 Familien abgeben. Im drit- Jahrhundert hinein aktiv bleiben. ten Winter 1781/82 betrugen die Einnahmen schon 1.618 Taler, womit 696 Familien Struktur und Organisation: Die DHolz hatmit 104 Haufen Holz versorgt werden konn- te „beitragende“ und „verwaltende“ Mitten. In den 1780er Jahren bewegten sich die glieder. Ein „beitragendes Mitglied“ war jeEinnahmen zwischen 1.000 und 3.000 Ta- der Wohltäter, „der einen bestimmten Beilern, womit jährlich 455 bis 1.568 Familien trag von jährlich Fünf Thalern oder mehr an unterstützt werden konnten. In den 1790er die Gesellschafts-Kasse“ zahlte (§ 8 der StaJahren waren es zwischen 2.000 und 3.000 tuten). Jedes beitragende Mitglied hatte das Talern (höchste Einnahme 1798/99: 4.833 Recht, „jährlich zum Anfang des Winters eiRthlr.), wovon Brennholz für 1.500 bis 2.000 nen, nach Namen, Stand und Wohnung zu Familien jährlich angekauft werden konnte. bezeichnenden verschämten Armen zu eiDie große Unterstützung durch die Bevöl- ner Unterstützung mit Brenn-Material“ ankerung hielt auch nach der Niederlage Preu- zumelden, „woraufhin die Unterstützung ßens 1806 an: Winter 1806/07: 4.945 Rthlr. ohne weitere Untersuchung der Verhältnisfür 2.543 Familien; Winter 1807/08: 4.495 se des Armen sofort“ erfolgte (§ 9). Die „verRthlr. für 2.208 Familien. 1810/11 sinkt die waltenden Mitglieder“ – ein Präses, ein MitUnterstützung auf unter 2.000 Familien und glied für schriftliche Arbeiten, ein Mitglied, steigt 1815/16 wieder auf 4.424 Rthlr. für „welches gemeinsam mit dem Rendanten die 2.153 Familien. Im Winter 1844/45 kann die Rechnungs-Arbeiten und die HolzankaufsDHolz mit 7.460 Reichstalern 4.010 Fami­ Angelegenheiten besorgt“, und ein Rendant – bildeten den Vorstand der Gesellschaft. Mitlien versorgen. Die DHolz wurde unter der Regierung Fried- te des 19. Jahrhunderts waren außerdem noch richs II. gestiftet und gefördert. Friedrich Wil- „acht in den verschiedenen Stadttheilen wohhelm III. gab jährlich 1.000 Rthlr. und ge- nende Verwaltungs-Mitglieder in Thätigwährte der Gesellschaft 1799 die Rechte einer keit, welche die auf ihre Bezirke repartirten moralischen Person. Er genehmigte auch, dass, Quantitäten an Feuerungs-Materialien unter „so lange in Berlin ein Holzhandel für Königli- die von ihnen ermittelten verschämten Arche Rechnung betrieben wurde, ein bestimm- men, von deren Bedürftigkeit sie die nöthites Brennholz-Quantum zu den […] geringen ge Ueberzeugung gewonnen haben, vertheiPreisen von den Königlichen Holzhöfen an len und darüber Buch und Rechnung fühdie Gesellschaft überlassen wurde“ (Vorwort ren“. Die Beiträge mussten regelmäßig bezu den Statuen, 1847). Später, als der Holz- zahlt werden; eine eigentliche Sammlung handel freigegeben wurde und die Holzpreise geschah nicht. Sie waren in den ersten Jahstiegen, zahlte der König einen dauernden ba- ren bei „Kommerzienrath Ulrici (im Ephren Zuschuss von jährlich 2.180 Rthlr. 20 Sil- raimschen Hause am Mühlendamm)“ abzubergroschen aus dem Staatsfonds. geben. Die Spender erhielten eine gedruckDurch die anhaltende Unterstützung der Be- te Quittung. Die Ein- und Ausgabe-Bücher völkerung, des Hofes, von „Königlichen Mi- führte Prediger Ambrosi, „an der Getraudsnisterien, Dikasterien und sonstige öffentli- Hospitalkirche“. In den 1790er Jahren erfolg878

Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz [DHolz]

te die Annahme der Gelder „bei Luhmann u. Komp. am Dönhoffschen Platze“; in den 1810er Jahren „bei dem Kaufmann [Johann Carl Friedrich] Köppen in der Breitenstraße No. 23“. Die Mittel zur Erfüllung des Vereinszweckes erfolgten: „a) aus den Zinsen des durch Schenkungen und Vermächtnisse angesammelten Kapital-Vermögens der Gesellschaft; b) aus dem von des Königs Majestät Allergnädigst bewilligten etatsmäßigen Zuschuß von jährlich 2180 Rthlr. 20 Sgr., sowie den aus anderen Königlichen StaatsKassen und von Instituten erfolgenden Zuschüssen; c) aus Legaten, welche zur jährlichen Verwendung bestimmt sind; d) aus den Jährlichen festen Geldbeiträgen und den unbestimmten Gaben menschenfreundlicher Wohlthäter“ (§ 3 der Statuten, 1847). Der Vorstand war bestrebt, das Kapital-Vemögen entweder in preußische Staatspapieren anzulegen, „oder zur ersten Hypothek auf gut gelegene Grundstücke in Berlin pupillarisch sicher zinsbar“ unterzubringen (§ 4). Aus den extraordinären Einnahmen bildete die DHolz allmählich einen disponiblen Fonds, „welcher im Sommer zum Ankaufe des Holzes für den nächsten Winter verwendet und aus der Jahres-Einnahme demnächst wieder, zur Benutzung für das nächstfolgende Jahr, ergänzt werden sollte“. 1805 betrug der Kapital-Fonds 13.400 Rthlr.; 1816 3.100 Taler Gold und 18.925 Taler Courant. – Um Missbrauch vorzubeugen veränderte die DHolz bereits im zweiten Jahr 1780 ihre ursprüngliche Einrichtung dahingehend: „1) Es werden keine Scheine von den Armen selbst angenommen; sondern die Mitglieder der Gesellschaft wollen die wahren Armen in ihren Wohnungen aufsuchen. 2) Die Herren Prediger werden ersucht, keine Scheine mehr auszufertigen; weil die mehrsten Armen alsdann glauben, ein Recht zu haben, ohne Unterschied an der Austheilung des Holzes Theil zu nehmen. Wenn aber 3) Die Herren Prediger wahre und diesem Endzwek gemäß dürftige Arme, oder nothleidende Eltern mit vie-

Abb. 166  Gedicht „Die Holz-Armen“, gedruckt vor einem Spendenaufruf der Gesellschaft, in: Haude und Spenersche Ztg. Nr. 2, vom 5. Januar 1809.

len Kindern, verlassene Wittwen, arme Kranke, und hülflose Greise in ihren Kirchspielen kennen, die keinen Holzzettel zum Armenpreis für dies Jahr bekommen haben; so bitten wir uns im Anfang des Dezembers ein mäßiges Verzeichniß, nebst kurzer Anzeige der Umstände und genauer Bezeichnung ihrer Wohnungen, aus. Die Gesellschaft macht sich anheischig, solche Arme selbst zu besuchen, und sie nach Maaßgabe ihrer Einnahme mit Holz zu versorgen. Dieses eigne Aufsuchen der Armen in ihren Wohnungen ist das einzige Mittel, um die wahren Dürftigen und die Pauvres honteux kennen zu lernen, um den eigentlichen Zustand ihres Bedürfnisses zu erfahren, und sich nicht von unverschämtern Unwürdigen täuschen zu lassen“ (zitiert nach: Gedike, S. 159 f.). 1847 wurde der DHolz vom König die Rechte einer Korporation, „so weit solche zur Er879

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werbung von Grundstücken und Kapitalien erforderlich sind“, verliehen. Mitglieder: Direktionsmitglieder 1779– 1815: Geh. Finanzrat Ernst v. Ernsthausen; Polizeikommissar Fernau; Heitmann; Köppen; Leitner; Luhmann; Johann Ehrenfried v. Meyerenfeld; Minck; Reisicke; Schlegel; Ulrici; Emanuel Weinholdt. – Im 75. Jahresbericht von 1853/54 sind als beitragende Mitglieder und Wohltäter, nach dem König und der Königin, mehreren Prinzen und dem Fürsten Bogislaw Radziwill, 540 Mitglieder namentlich genannt; weitere 30 Wohltäter blieben anonym. – Vorsteher 1870: Krausnick, Fürst Bogislaw Radziwill, Emil Praetorius, Foss, Hofbauer, Stieber, Hemptenmacher, Teichert, Kampfmeier, Lademann, Rühe, Werth, Krebs, Brinckmann. Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: LAB, A Rep. 200-01, Nr. K 51 und K 52. – GStA PK, I. HA Rep. 96 A, 8 F. Acta des Kabinets König Friedrich Wilhelms III. (Teutsche Gesellschaft zur Versorgung wahrer Hausarmen mit freiem Brennholz in Berlin 1798–1805). – b) Gedruckte Quellen: An das Publikum – Berechnung und Nachweisung der Gelder, welche die […] Gesellschaft deutscher Natione zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz, in A. 1785 u. 1786 [91 u. 92, 96 u. 97, 97 u. 98] eingesammlet, dafür Holz angekauft, und solches […] ausgetheilt hat [4 Berichte]. Berlin 1798. – Anonym [„S.“]: Ueber Holzvertheurung, Holzverschwendung und Holzsparung.

In: Jahrbücher der preußischen Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms des Dritten. Erster Band, 1800, S. 15–33, 148– 163. – Ueber die Brennholz-Preise in Berlin und deren Erhöhung. In: ebd., Jg. 1800, Bd. 3, S. 3–11. – Berechnung der unter Direktion des Königl. Berlinischen Armendirektoriums im Jahr 1788 verpflegten Armen. In: Berlinische Monatsschrift 1, 1789 (Febr.), S.  193–196. – [Gedike, Friedrich]: Ueber Berlin. Von einem Fremden. In: Berlinische Monatsschrift 1, 1784, 11. Brief, S. 156–164. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend, enthaltend eine kurze Nachricht von allen daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. In einem bis jetzt fortgesetzten Auszuge der großen Beschreibung von Berlin und Potsdam. Berlin 1799, S. 146 f. – Dass. Berlin 1816, S. 149 f. – Statut der im Jahre 1779 gestifteten und durch die Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 14. Juni 1847 mit den Rechten einer Korporation belegten Deutschen Gesellschaft zur Versorgung verschämter Armen mit freiem Brenn-Material; nebst einem Vorworte über die Entstehung, Entwickelung und die bisherigen Leistungen der gedachten Gesellschaft. Berlin 1847. [Die kleine Broschüre ist enthalten in: LAB, A Rep. 200-01, Nr. 51, Bl. 130]. – Die Haude und Spenersche Ztg. und die Vossische Ztg. veröffentlichten bis in die 1850er Jahre regelmäßig Spendenaufrufe, Einladungen zu Wohltätigkeitskonzerten und Tätigkeitsberichte der Gesellschaft.

Uta Motschmann

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Holzsparende Gesellschaft [HolzG]

Holzsparende Gesellschaft [HolzG] Name: Gesellschaft der Holzsparkunst; Holzsparende Gesellschaft; Holzersparende Gesellschaft; Gesellschaft zur ökonomischen Feuerung. Gründung: 1787 oder früher. Bestand: Nicht ermittelt. Sitz: Auf dem Werderschen Rathaus. Geschichte und Programmatik: Die Gründung einer Gesellschaft zur Holzeinsparung war ein Gebot der Stunde. Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in zahlreichen Städten und Regionen auf Grund des zunehmenden Holzmangels (so waren beispielsweise ganze Regionen Schlesiens innerhalb weniger Jahrzehnte abgeholzt worden) und der steigenden Holzpreise nach Möglichkeiten gesucht, den Verbrauch von Holz als Feuerungsmittel zu verringern, neue Brennmaterialien einzusetzen und sparsamere Öfen für Privathaushalte und Industrie zu entwickeln und zu erproben. Eine Fülle von Publikationen begleitete diese Entwicklung. Wie in anderen Städten gründete sich auch in Berlin eine Gesellschaft, um den Stadtbürgern, aber auch dem „Landmann“, Ratschläge zur Holzeinsparung zu vermitteln. „Bekanntlich leben jetzt in Berlin 146221 Seelen, 6 Seelen auf eine Familie sind 24370 Familien. Fast jede derselben hat bey der Stubenfeuerung bisher die hälfte Holz verschwendet. Die von Sr. Majestät genehmigte, zur Holzersparung sich vereinigte Gesellschaft hat davon Beyspiele aufgestellt, einen Nachtrag von dem Fortgang der Holzersparung geschrieben, Vorschläge gethan, wie Wirth und Miethsmann ohne Schaden die Holzersparung einführen können, im 5ten und 6ten Stück auch für den Landmann dazu Anleitung gegeben. Dieser Nachtrag wird von allen hiesigen Buchhändlern geheftet à 6 gr. nebst einer gedruckten Quittung ausgegeben“ (Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 123 Beilage, 13. Okt. 1787). „Der immer mehr zunehmende Holzmangel,

und die daher immer höher steigenden Preise des Holzes, veranlaßten die Vereinigung einer Gesellschaft, die sich zum Endzweck machte, den Folgen dieses Uebels so viel möglich zu steuern. Sie richtete ihr Augenmerk vorzüglich auf Ersparung des Holzes, sowohl durch zweckmäßigere Einrichtung der Oefen und andrer ökonomischer Feuerungen, als durch Einführung einiger bisher verkannter Brennmaterialien. Die von ihr gemachten Erfahrungen suchte sie durch [Publikationen] zum Unterricht ihrer Mitbürger zu verbreiten und brauchbar zu machen“ (Allgemeine Deutsche Bibliothek, 1788, S. 583). Der Rezensent der obigen Schriften lobte zwar den Gesamtplan der Gesellschaft, kritisierte jedoch die Ausführung desselben: zu wenig Konzeption, mangelnde physikalische Kenntnisse der Mitglieder, undeutliche oder überflüssige Abbildungen. „Berechnung des Holzaufwands in Oefen verschiedener Art, Beyspeile wirklich gemachter Erfahrungen, Beschreibungen neuerfundener Oefen, theoretische Bemerkungen“ stünden hier „ohne die mindeste Ordnung unter einander, und zwischen ihnen sind die einzelnen Theile einer aus den Hallischen ökonomischen Nachrichten entlehnten Empfehlung der Steinkohlenfeuerung, mehrere Stücke hindurch, eingeschaltet“ (ebd.). „Nichts desto weniger wünschen wir einer jeden Stadt und Provinz eine solche von patriotischem Eifer beseelte Gesellschaft, und insbesondere der in Berlin befindlichen eine ihrem unverkennbaren Verdienst, das durch die angezeigten Schriftstellermängel wenig oder gar nicht gemindert wird, angemessene Fortdauer und Unterstützung“ (ebd., S. 584). Kritik übte mehr als 20 Jahre später auch der schlesische Medizinalrat Gebel 1809 in einem Aufsatz über Berliner Armenanstalten: „Aufmerksam muß ich bei dieser Gelegenheit machen auf einen bedeutenden Fehler: nehmlich die Feurungsanstalten. Noch habe ich, bei der großen Theu881

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

rung und dem Mangel an Holz in Berlin, 1788, 83. Bd., 2. St., S. 583–584. – Anonym keine gefunden, welche in ihrer Einrichtung [„S.“]: Ueber Holzvertheuerung, Holzverden Fortschritten entspräche, die seit langer schwendung und Holzsparung. In: Jahrbücher Zeit in diesem Fache gemacht sind“ (Gebel, der preußischen Monarchie unter der RegieS. 242). Vermutlich bestand die gutgemeinte rung Friedrich Wilhelms des Dritten. 1800, HolzG, deren Mitglieder aber möglicherwei- Erster Band, Januar, S. 15–33, und Februar, se ihren selbstgesteckten Zielen nicht gerecht S. 148–163. – Gebel, J. B.: Einige Bemerkunwerden konnten, zu dieser Zeit nicht mehr. gen über Armenanstalten, vorzüglich über die Von der Wirksamkeit der Gesellschaft, die von Kottwitzsche zu Berlin. In: Neue Berlisich Freitagnachmittag auf dem Werderschen nische Monatsschrift 1, 1809, April, S. 242. – Rathaus getroffen haben soll, sind nur wenige Ueber die Brennholz-Preise in Berlin und deDetails überliefert. Die einzigen konkreten ren Erhöhung. In: Jahrbücher der preußischen Hinweise liefert ein Aufsatz des Direktors der Monarchie, 1800, Bd. 3 (Sept.–Dez.), S. 3–11. Kgl. Realschule, Andreas Jakob Hecker, aus – Kurzgefaßte Grund- und Erfahrungssaezze dem Jahr 1788, in dem er „zuvörderst einige der Holzersparung dienenden Stuben-FeuGrundsätze, und dann einige daraus fließende rung: … und einigen Beispielen von der vor­ praktische Regeln anführ[t], welche man bey theilhaften Anwendung derselben begleitet. Anlegung holzsparender Oefen, Heerde etc. Berlin 1788. – Jachtmann, Heinrich: Anweietc. beobachten muß“ (Hecker, S. 5). He- sung wie auf eine leichte Art alle nur mögcker ist auch das einzige namentlich bekann- liche Feuerungen zur Holzersparung eingete Mitglied. 1788 wendete sich die HolzG richtet werden können, um dadurch der jemit einem Gesuch nach Vermietung an die dem Lande höchst verderblichen Holz-Ver Gesellschaft naturforschender Freunde, das je- schwendung Einhalt zu thun; lediglich auf doch mit der Begründung abgelehnt wurde, Erfahrung gegründet. Mit dazugehörigen dass die wertvollen Sammlungen eine fremde Kupfern. Erster Theil. Berlin 1786. – Hecker, Nutzung nicht zuließen. Andreas Jakob: Grundsätze über die Anwendung und Regierung des Feuers. Ein Aufsatz, Quellen: [Anonym]: Von dem Nutzen der der von Sr. Königl. Majestät Allerhöchst geHolzsparöfen, in periodischen Blättern durch nehmigten Gesellschaft der Holzsparkunst die Gesellschaft der Holzsparkunst. Berlin, zur Beurtheilung überreicht von Andreas Ja1787. 8. Siebenzehn Stücke, größtentheils hal- kob Hecker, Direktor der Königl. Realschule be, zum Theil nur Viertelsbogen, ohne Sei- und der gedachten Gesellschaft Mitglied. Bertenzahl. In: Allgemeine deutsche Bibliothek, lin 1788.

Uta Motschmann

Leopold-Stiftung [LeoSt] Name: Zeitgenössisch als Leopoldstiftung, von Krüger (s. u.) auch als vereinigte patriotische Gesellschaft bezeichnet. In den Stiftungspapieren heißt sie Stiftung einer jährlichen Gedenkfeier des

Sitz: Ein Versammlungslokal ist nicht bekannt, wurde wahrscheinlich auch nicht benötigt.

Herzogs Leopold von Braunschweig. Gründung: 4. Mai 1785. Auflösung: 5. Februar 1789.

Programmzitat: „Der frühzeitige Verlust eines Fürsten, wie Herzog Maximilian Julius Leopold von Braunschweig, der seine ehren-

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Leopold-Stiftung [LeoSt]

Abb. 167  Herzog Leopold von Braunschweig geht seinem Tod in der Oder entgegen. Radierung von Daniel Chodowiecki, 1785 (© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 853,208–1885).

volle Laufbahn so rühmlich begonnen, und durch eine Menge der edelsten Züge Seine Zeitgenossen berechtigt hatte, des Guten und Wohlthätigen für die Menschheit noch viel mehr von Ihm zu erwarten, würde immer einen tiefen Eindruck gemacht haben. Dieser Eindruck aber mußte desto tiefer und allgemeiner durch die Art Seines Verlustes werden, da Er (am 27. April 1785) Seinen Tode in den überströmenden Fluten der Oder fand, aus welchen Er die hülflosen Einwohner der Dammvorstadt zu Frankfurt vor dem schre-

ckenvollsten Untergange retten wollte. / Die Herausgeber dieser Schrift [die LeoSt] glaubten bei einer Gelegenheit, wie diese, mit bloßem Bedauern und Bewundern nicht genug gethan zu haben, und beschlossen, das Andenken dieses Edlen auf eine Art zu verewigen, wodurch zugleich etwas bleibendes Gutes für eben die gestiftet würde, die der Verlust des Herzog unmittelbar traf. / Besonders zog ihre Aufmerksamkeit die Garnisonschule zu Frankfurt auf sich, die der edle Leopold gestiftet, und deren wachsende Vollkommen883

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

heit so sehr Seine Freude, als Sein Werk, gewesen war“ (Denkmal, S. VIII–IX). Geschichte und Programmatik: Am 27. April 1785 ertrank Herzog Leopold von Braunschweig im Alter von 32 Jahren bei dem Versuch, den von einem starken Hochwasser der Oder bedrohten armen Anwohnern der Dammvorstadt von Frankfurt a. O. (heute Słubice), zu denen auch die Familien seiner Soldaten gehörten, Hilfe zu leisten. Friedrich Gedike schlug bereits am 4. Mai 1785 (eine Woche nach dem Tod des Herzogs), der  Mittwochsgesellschaft [BMg] in einem Vortrag vor, zum Gedenken an das Ereignis, eine Subskription aufzulegen. Ebenfalls auf Gedike geht die Anregung zurück, dass das Unternehmen nicht von der BMg, sondern (aus Gründen der Geheimhaltung) von den einzelnen Mitgliedern getragen werden solle. Auf den Vorschlag von Engel hin beschloss man in derselben Sitzung, den Ertrag der Subskription für ein Fest zu Gunsten der Schüler der zuvor von Leopold getragenen Garnisonschule in Frankfurt zu stiften. Sicher auch am selben Tage beschloss man die Gründung einer eigenständigen Stiftungsgesellschaft, zu der man auch Nichtmitglieder einladen wollte (so u. a. Büsching, Chodowiecki und Ramler). Die weitere Gestaltung der Gesellschaft jedoch blieb in der Hand der BMg, und – wie schon für diese – führte Biester die Geschäfte auch der LeoSt. Am 28. Mai wurde die von Engel verfasste An-

kündigung einer Subskrip­tion zur Stiftung einer jährlichen Gedächtniß­feier des Herzogs Leo­ pold von Braunschweig ausgefertigt und umgehend sowohl als Einblattdruck als auch in der Berlinischen Monatsschrift [BM] veröffentlicht (BM 5 , S. 583–588). Von den achtundzwanzig Unterzeichnenden waren acht Nichtmitglieder der BMg. Zur Absicht der Stiftungsgesellschaft heißt es dort: „Die Idee der Unterzeichneten ist: durch Subskription eine Summe zusammenzubringen, von deren jährlichen Zinsen man den Kindern jener 884

Schule aus dem Sterbe­tage ihres fürstlichen Wohlthäters einen jährlichen Feiertag machen könnte; einen Tag, der ihnen das ganze Jahr hindurch Ermunterung zum Fleiß und zur Sittlichkeit wäre, an dem sie öffentlich gespeist, beschenkt und, wenn die Zinsen der Summe dazu hinreichten, entweder alle oder doch die bedürftigsten und würdigsten unter ihnen, auch gekleidet würden. So ein Andenken wäre ganz von jener Pracht und jenem Glanze entfernt, auf welche der Herzog selbst so gar keinen Werth setzte“ (Denkmal, S.  27–30). Am Morgen sollten die Schüler in die „zum gewöhnlichen Gottesdienste der Garnison bestimmten Kirche geführet“ werden, wo der Feldprediger oder ein Lehrer eine Rede hält zur „Verehrung der Tugenden des Stifters der Schule“. Anschließend gehen geordnet die zuvor neu eingekleideten Schulkinder in die Schule, wo sie gemeinsam mit Feldprediger und Lehrern ein Essen erhalten aus „Milchreis, Braten, und Beisätzen von gekochten Pflaumen oder anderem Obst, Kuchen, Semmelbrot und einem halben Maasse Bier […], alles reinlich, schmackhaft und genüglich zubereitet […]. Alle übrigen Schulkinder sollen, statt der Mahlzeit und vor derselben, jeder für einen Groschen Kuchen und einen Groschen Geld erhalten, und damit nach Hause entlassen werden“ (Denkmal, S. 34). Die von Wloe­mer verfasste Stiftungsurkunde vom 15. Juli 1786 führt diese Zielsetzung weiter aus, mit dem Unterschied, dass nun auch die Besoldung eines zweiten Lehrers sowie die jährliche Anschaffung von Schulbüchern und sonstigen Lehrmitteln vorgesehen wurden. Die Königliche Bestätigung der LeoSt folgte am 3. September 1786 (Denkmal, S. 31–40). Nach Veröffentlichung der Ankündigung folgte die Anwerbung von „Collecteurs“ (BM 6 , S. 285–288, u. a. an Immanuel Kant). Die Subskription erzielte einen großen Erfolg und erbrachte nahezu 7.000 Reichstaler. Die Liste der Subskribenten umfasst die außerordentliche Zahl von mehr als 2.800 Einträgen,

Leopold-Stiftung [LeoSt]

auch aus dem Ausland von Madrid bis Moskau. Die vollständige Umsetzung des Stiftungszweckes wurde dadurch ermöglicht, dass aus der Hinterlassenschaft Leo­polds von seinem Bruder Friedrich August eine eigene Stiftung von 2.800 Reichstalern eingerichtet worden war (bei Leo­polds vormaligem Regiment). Deren Zin­sen wurden (mit eigener Zweckbindung) denen der LeoSt hinzugefügt. Die konkrete Umsetzung der Stiftungsziele wurde zwischen Zöllner und Leopolds Nachfolger, General v. Beville, vereinbart. Zum Ende wurde die LeoSt am 5. Februar 1789 zur gemeinsamen Verwaltung dem Kgl. Generalauditoriat sowie dem Kriegskonsistorium übergeben. Gleichwohl wurden bei Zweifelsfragen vom Generalauditeur diese den ehemaligen Mitgliedern der LeoSt zur Begutachtung vorgelegt. Mitglieder: (1785:) Kammergerichtsrat v. Benike; Bibliothekar Biester; Oberkonsistorialrat Büsching; Chodowiecki; Oberkonsistorialrat Diterich; Geheimrat Dohm; Professor Engel; Prediger Gebhard; Oberkonsistorialrat Gedike; Oberkonsistorialrat v. Irwing; Assistenzrat Klein; Feldpropst Kletschke in Potsdam; Major Marschall v. Bieberstein; Professor Meierotto; Moses Mendelssohn; Leibmedicus Möhsen; Friedrich Nicolai; Prediger Schmid; Oberkonsistorialrat Spalding; Geheimer Finanzrat Struensee; Rektor Stuve in Neuruppin; Geheimrat Svarez; Oberkonsistorialrat Teller; Generalchirurgus Theden; Geh. Finanzrat Wloemer; Prediger Zöllner. – (1786:) Neu hinzugetreten: Major v. Irwing und Selle. – Ausgeschieden, weil abwesend, versetzt oder verstorben: v. Benicke, v. Dohm, Kletschke, Marschall v. Bieberstein, Moses Mendelssohn, Stuve.

Querverweise auf andere Vereine: Die LeoSt entstand auf Initiative der  Mittwochsgesellschaft, war jedoch keine Tochtergesellschaft derselben, sondern agierte formal selbständig. Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: GStA PK, VIII. HA, Slg Priesdorff, Nr. 1470 (Friedrich II. von Preußen: Brief an Oberstleutn. Frankenberg wegen des tödlichen Unfalls des Prinzen. 1785 („Es ist das ein großes Unglück, das Mir sehr leid thut“.) – [Unbek. Verf.]: Bericht über den Tod des Prinzen bei der Rettung vom Hochwasser bedrohter Menschen. 1785. – b) Gedruckte Quellen: Berlinische Monatsschrift Bd. 5 (1785) S. 583– 588; Bd. 6 (1785) S. 91–96, 382–384, 479–480, 576; Bd. 7 (1786) S. 96, 191–192, 288, 385, 480, 572–576; Bd. 8 (1786) S. 370–371; Bd. 9 (1787) S. 503–504; Bd. 13 (1789) S. 506–508. – From, Natanael Friedrich: Her­zog Leopold zu Braunschweig, der Menschenfreund. Ein Schattenriß. Berlin 1785. – Denkmal Herzogs Maximilian Julius Leopold von Braunschweig. Nebst Nachricht von der zu seinem Andenken für die Garnisonschule zu Frankfurt an der Oder von einer Gesellschaft veranstalteten Stiftung. Berlin 1787 (‚Vorbericht‘, S. III–X, von J. F. Zöllner; ‚Denkschrift‘, S. 1–24 von E. F. Klein). – Krüger, Christian Gotthelf: Authentische Nachricht von der mit der Garnisonschule zu Frankfurt a. d. Oder verbundenen Leopoldstiftung, ausführliche Geschichte des ganzen Instituts. Berlin [u. a.] 1800. – c) Forschungsliteratur: Pumpe, Anton: Heldenhafter Opfertod des Herzogs Leopold von Braunschweig 1785 in der Oder – Wahrheit oder Legende? Braunschweig 2008 (Quellen und Forschungen zur braunschweigischen Landesgeschichte, 44).

Walther Gose

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15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen [GEE] Name: Zur Errichtung der Erwerbschulen ver- stücken u. s. w. reichen“ (§ 1 der Grundsätbundene Gesellschaft; Gesellschaft zur Errich- ze, 1798). tung der Erwerbschulen. Gründung: Anfang 1793. Geschichte und Programmatik: ErwerbBestand: 1873 wurden die Erwerbschulen schulen oder Industrieschulen [von industria, der Städtischen Verwaltung übergeben. lat. Fleiß, Regsamkeit] dienten in gleicher Sitz: In Berlin existierten im Untersuchungs- Weise der Armenfürsorge wie der Volksbilzeitraum neun Erwerbschulen mit teilweise dung. Die Schulen wurden zur Erziehung wechselnden Adressen: die erste (gegr. Juli und Ausbildung von Kindern der Unter1793) befand sich in der Alten Jakobstraße 13 schichten eingerichtet und entstanden in den (auch Nr. 89; Nr. 35); die zweite (gegr. Okt. 1790er Jahren in Berlin ausschließlich durch 1793) Landsberger Str. 11 (auch Nr. 16; spä- Privatinitiative, unabhängig vom Armenditer: Alexanderstr. 29); die dritte (gegr. Okt. rektorium, ohne dass bei deren Gründung ein 1793) Linienstr. 82 (später: Hospitalstr. 25; entsprechendes Kapitalvermögen vorhanden dann wieder Linienstr. 82); die vierte (gegr. gewesen wäre. Die Finanzierung des UnterJan. 1794) Alte Schönhauser Str. 54 (auch nehmens, „das auf gar keinen Fond gegrünRosenthalerstr. 4; Hospitalstr. 48; Schön- det, sondern einzig und allein ein Werk der hauser Allee 5); die fünfte (gegr. April 1794) Wohlthätigkeit“ war (Thym, S. 109), erfolgZimmerstr. 5 (auch Nr. 9; später Kochstr. 8); te allein durch Mitgliedsbeiträge und Spendie sechste (gegr. Sept. 1796) Neue Grünstr. den und schließlich auch aus dem Verkauf 12 (Wallstr. 34; Köpenickerstr. 98); die siebte von in der Schule gefertigten Gegenständen. (gegr. 1797) Charlottenstr. 45 (Friedrichstr. Die Unterrichtsanstalten sollten „der ärme165; Schützenstr. 73; Neustädtische Kirch- ren Jugend Gelegenheit zum Verdienst, durch str.); die achte (gegr. 1798) Kaiserstr. 13; die Erlernung und Uebung in allerhand nützlineunte (gegr. Okt. 1829) Thierarzneischul- chen Arbeiten“ geben (Zedlitz, S. 173) und platz Nr. 4. – Die Jahresprüfungen für alle der Weckung und Förderung des GewerbeErwerbschulen fanden im Gebäude der Kgl. fleißes dienen; entsprechend bestand der UnAkademie der Wissenschaften statt. terricht einesteils aus Elementarunterricht wie Lesen und Schreiben und anderenteils Programmzitat: „Der Zweck dieser Anstalt aus Arbeitsunterricht wie Nähen, Stricken geht dahin, arme Kinder, zwischen sieben oder Spinnen. So sollten die Voraussetzungen und vierzehn Jahren, zu guten und nützli- für eine spätere Erwerbstätigkeit als Handchen Bürgern oder Bürgerinnen zu erziehen, werker, Dienstmädchen oder „Hausmutter“ sie in den nöthigen Religions- und andern geschaffen werden, die „sie künftig zwar kümSchulkenntnissen unterrichten zu lassen, und merlich nähren, aber doch gegen die äußerste sie durch eine ihren Kräften und Fähigkei- Noth sichern könnte“ (v. Voght, 1838, S. 21). ten angemessene Beschäftigung zur Stetig- Kinderarbeit war dabei gesellschaftlich ankeit und Arbeitsamkeit zu gewöhnen. Nach erkannt, wurden die Kinder doch nicht nur vollendeter Erziehung wird die Anstalt sich zur Arbeit herangezogen, sondern dafür auch bemühen, wohlgerathene Kinder bei guten entlohnt; gleichzeitig wurden sie im zeitLehrherren oder Dienstherrschaften unter- genössischen Verständnis vor Unbilden gezubringen; sie wird auch, wenn ein Kind sich schützt, durch Arbeit erzogen und auf das vorzüglich ausgezeichnet hat, demselben die spätere Leben vorbereitet, d. h. beruflich moetwa nöthige Unterstützung an Kleidungs- tiviert und qualifiziert und moralisch diszipli886

Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen [GEE]

niert und letztlich als nützliche Glieder in die bürgerliche Gesellschaft integriert. Die Anregung zu den Berliner Erwerbschulen ging vom Geh. Oberappellationsgerichtsrat Christoph Goßler aus. Vorbilder waren die Stiftungen von August Hermann Francke in Halle wie auch die bereits seit mehreren Jahren bestehenden Industrieschulen in Göttingen (1784, gegr. von Pfarrer Wagemann), Magdeburg (1787) und Hamburg (1788). Bereits 1775 hatte Pestalozzi zu Neuhof im Aargau versucht, Lehrunterricht und Handarbeit zu verbinden. Anfang des Jahres 1793 traten sieben Männer, „welche Berlin zu seinen thätigsten und schätzbarsten Geschäftsmännern und Volkslehrern zählt, […]: die Herren Goßler, Meierotto, Sack, Splittgerber, Svarez, Wlömer, Zöllner [wenig später kam noch v. Beyer dazu], zur Erreichung des edlen Zwecks zusammen, für die Erziehung und Bildung der armen Kinder unsrer Stadt zu sorgen“ (Thym, S. 98). Obwohl Berlin „blühende öffentliche Lehranstalten und Privatinstitute“ habe, fehle es noch an solchen Anstalten, „wo die ärmere Jugend für ihre künftige Bestimmung zweckmäßig vorbereitet werden“ könne. Die Initia­toren waren „von der Wahrheit überzeugt […], daß der Grad der Aufklärung und des Wohlstandes einer ganzen Stadt nicht nach einzelnen, durch Geistesgaben und Reichthümer ausgezeichneten, Männern, sondern nach dem Grade der Kultur der gemeinern Volksklasse bestimmt werden müsse. Sie machten zuförderst durch die Zeitungen dem Berlinischen Publikum ihr Vorhaben im Allgemeinen bekannt; und setzten darauf unter dem 18. März 1793 in einem genauen Entwurf die Art und Weise aus einander, wie die zur Errichtung der Erwerbschulen verbundene Gesellschaft dieselben einzurichten gedenke. In diesem Entwurf wurde der allgemeine Zweck der Gesellschaft dahin bestimmt: ‚arme Kinder zwischen 6 und 14 Jahren, ohne Unterschied des Standes und der Herkunft, zu guten und nützlichen Bürgern oder Bürgerinnen zu erziehen; sie in den

nöthigen Religions- und andern Schulkenntnissen unterrichten zu lassen, zugleich aber durch eine ihren Kräften und Fähigkeiten angemessene Beschäftigung zur Stätigkeit und Arbeitsamkeit zu gewöhnen, sie nach vollendeter Erziehung bei guten Lehrherren oder Dienstherrschaften unterzubringen, und ihnen alsdann – wenn sie sich besonders ausgezeichnet haben und die Kräfte der Kasse es gestatten – die etwa nöthige Unterstützung an Kleidungsstücken u. s. w. zu reichen‘“ (Thym, S. 100). Angestrebt wurden eine bürgerliche Allgemeinbildung und die frühe Gewöhnung zur Arbeitsamkeit. Der Aufruf hatte große Resonanz, und durch die Spendenbereitschaft der Berliner Bevölkerung konnte der Plan sukzessive in die Tat umgesetzt werden. Im ersten Jahr, „von Ostern 1793 bis Ostern 1794 [kam] durch milde Beiträge ein Kapital von 3271 Rthlr. zusammen. Dafür wurden sogleich im Juni 1793 eine Erwerbschule und bis Ostern 1794 noch vier andere errichtet, wofür die Ausgaben 1549 Rthlr. betrugen, so daß noch ein Kapital von 1722 Rthlr. in Bestand blieb. Es befanden sich in den vier ersten Schulen beinahe 180 Kinder; und die gewissenhaften Direktoren legten in einer gedruckten ‚Nachricht über den Fortgang der Erwerbschulen‘ vom 14. Mai 1794, von der Anwendung jener Summe die genaueste Rechenschaft ab, sowie sich bei der am Schluß dieses Monats auf der Akademie der Wissenschaften gehaltenen öffentlichen Prüfung jeder Berliner von den Fortschritten der Kinder, sowohl in den Schulkenntnissen, als auch in den Arbeiten, durch eigenes Anschauen und Anhören überzeugen konnte“ (Thym, S. 102). Die Zahl der Wohltäter vermehrte sich, „sodaß sich am Ende Mai’s 1795, mit Inbegriff des obigen Bestandes, die sämmtliche Einnahme auf die Summe von 5215 Rthlr. belief. Die Zahl der Kinder stieg bis auf 276“. Im April 1797 betrug das Kapitalvermögen der GEE 9.200 Taler, womit 470 Kinder, darunter 78 Soldatenkinder, versorgt wurden. Da man auf die „ganze ärmere Volksklasse kräftig“ 887

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

wirken wollte, reichten die bislang eingerich- zen solcher Einrichtungen klar auf der Hand: teten Erwerbschule nicht aus. Bis zum Jahr sie waren von Vorteil für die ganze Gesell1798 konnten von der GEE in Berlin acht schaft, denn sie erzogen „fleissige und gewisErwerbschulen in fast allen Stadtteilen gestif- senhafte Diener“ und förderten den Gemeintet werden, „räumlich aber dort, wo keine re- sinn (die „Vaterlandsliebe“ und den „patriopräsentativen Wohngegenden wohlhabender tischen Sinn“) (Thym, S. 115). Berliner zu finden waren“ (Wagner, S. 190). War in den Schulen der Anteil der Mädchen [Eine neunte, die Dom- und Parochial-Frey- immer wesentlich höher als der der Jungen, und Erwerbschule, wurde durch das Ministe- so wurden ab 1829 nur noch Mädchen in die rium der Dom- und Parochialkirche 1797 er- Erwerbschulen aufgenommen. richtet. Sechs weitere Erwerbschulen für ins- Als Ergänzung zu den Erwerb- und Indus­ gesamt 508 Kinder waren bis 1806 durch das trieschulen wurden – ebenfalls durch PrivatArmendirektorium zu Berlin eingerichtet initiative und auf Spendenbasis - Abend- und worden (Gädicke, 1806, S. 153).] Allerdings Sonntagsschulen eingerichtet, die meist relispielten die neuen Berliner Erwerbschulen giös beeinflusst waren. In ihnen sollten vor insgesamt nur eine begrenzte Rolle „in einer allem Handwerkslehrlinge und DienstmädStadt, die um 1800 schon rund 53000 ‚Söhne‘ chen, die in ihrer Kindheit keinen Schulunund ‚Töchter‘ allein unter der Zivileinwoh- terricht erhalten hatten, da sie zum Unterhalt nerschaft zählte“ (Neugebauer, S. 575; nach: der Familie beitragen mussten, eine ElemenF. W. A. Bratring: Statistisch-topographische tarbildung erhalten. „Prof. Müchler war der Beschreibung der gesamten Mark Branden- erste, welcher 1799 eine Aufforderung an das burg, Berlin 1804–09, Bd. 2, S. 158). Publikum erließ, und es gelang ihm in kurzer Die GEE hatte mit Anfangsschwierigkei- Zeit, vier Sonntagsschulen für Lehrlinge der ten und Vorurteilen zu kämpfen, denn die Handwerker zu errichten, in welchen jetzt „niedrigen Volksklassen“ würden eine Abnei- versäumten Lehrburschen Unterricht im Legung gegen Schulen hegen, in welchen gear- sen, Schreiben und Rechnen gegeben wird. beitet werde. „Es war daher wahrhaft patrio- Die Lehrstunden werden Sonntags Nachmittisch, daß einige angesehene Männer, die sich tags von 4 bis 6 Uhr gehalten. Die Subscrischon durch Beiträge und Theilnehmung an benten zahlen jährlich 2 Rthlr. und der Lehden Geschäften um die Anstalt verdient ge- rer empfängt jährlich 50 Rthlr. In einer jemacht hatten, Anfangs ihre Kinder gleichfalls den dieser befinden sich jetzt [1804] 25 bis 30 in die neuerrichteten Erwerbschulen schick- Lehrlinge. Die Aufsicht haben die Prof. Grosten, um die Idee lebhaft zu machen daß Ar- heim und Müchler. Nach diesen Beispiele ist beit nicht schände“ (Thym, S. 110 f.). Als po- nun eine Sonntagsschule für 25 Mädchen ersitive Resultate erkannte die GEE, dass sich richtet worden, wozu der jüdische Bankier die Kinder nicht mehr auf der Straße her- Levi 50 Rthlr. jährlich beiträgt, und welumtreiben, dass sie „alle ohne Unterschied che von einem Lehrer und einer geschicknach einerlei vernünftigen Grundsätzen er- ten Erzieherin mit Nutzen fortgesetzt wird“ zogen, und früh zum Gehorsam und zur Un- (Rumpf, 1804, S. 462 f.). terwerfung unter fremdem Willen gewöhnt“ würden. „Was aber von dem entscheidensten Struktur und Organisation: Der Plan und Einfluß auf ihr ganzes künftiges Leben bleibt, die Ausführung der privaten Erwerbschuist: daß sie hier von ihrer frühsten Jugend an len lagen in den Händen eines Direktoriums, zur Arbeitsamkeit, zur Ordnungsliebe und das aus den Stiftern und zwei anderen Mitzur Reinlichkeit angehalten werden“ (Thym, gliedern der GEE bestand. Das DirektoriS. 113). Für die Organisatoren lag der Nut- um hatte die allgemeine Aufsicht für Miete 888

Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen [GEE]

und Einrichtung der Schulzimmer und stell- (Rumpf 1804, S. 462). Bei dieser Jahresverte die Lehrer, Aufseher und Aufseherinnen sammlung fanden auch die Rechnungslegung ein. Es wählte aus seiner Mitte einen Ökono- und die Wahl neuer Direktionsmitglieder mie- und einen Erziehungs-Ausschuss mit je statt. Die öffentlich abgehaltenen Prüfungen drei Mitgliedern. Die Spezialdirektoren wur- und die Ausstellung der von den Kindern geden auf die Schulen verteilt. Jede Schule hat- fertigten Handarbeiten trugen wesentlich zur te sechs bis acht Vorsteher, „welche die Di- Gewinnung neuer Mitglieder und Spender rection unterstützen, die Schulen von Zeit zu bei. – Regelmäßig erschien ein Separatdruck Zeit besuchen, im Anfange eines jeden Mo- [Erste] Nachricht von dem Zustande der im nats die verfertigten Arbeiten nachsehen, und Jahre 1793 hier errichteten Erwerbschulen, der solche in die Listen, nebst der Taxe oder dem u. a. an den König gesandt wurde. – Finanbestimmten Arbeitslohn, eintragen. Nach zierung: In den im Jahr 1803 vorhandenen Verlauf des Quartals wird die Summe des Er- acht Erwerbschulen wurden 538 Kinder (110 werbs für drey Monate den Kindern ausge- Jungen und 428 Mädchen), darunter 33 Solzahlt, und darauf gesehen, daß die Kinder das datenkinder, unterrichtet. „1802 betrug die empfangene Geld ihren Eltern auch richtig Summe der bestimmten Beiträge, der Extraüberliefern. Jede Schule hat einen Aufseher ordinairen Geschenke und der Zinsen 5487 und eine Aufseherin [in der Regel ein Ehe- Rthlr. 23 Gr. 2 Pf. Die Ausgabe 4710 Rthpaar]. Der erste wacht über den regelmäßi- lr. 7 Gr. 9 Pf. In eben diesem Jahr wurden gen Schulbesuch, über Reinlichkeit der Kin- 1323 Rthlr. 23 Gr. 6 Pf. für verkaufte Fabrider, der Schulzimmer, führt Rechnung über kate eingenommen, wofür die Anstalt nur 72 die verbrauchten Materialien, […] und die Rthlr. 19 Gr. 10 Pf. an Arbeitslohn bezahlAufseherin lehrt stufenweise Stricken, Spin- te“ (Rumpf 1804, S. 461). Der Verein erhielt nen, Nähen […]. Jede Schule hat ferner ei- auch außerordentliche Schenkungen, darunnen Lehrer, der wöchentlich 20 Stunden zu ter mehrere Legate, auch das Casino spendeunterrichten verpflichtet ist, und öfters von te größere Summen. Ein großer Teil des Vereinem anderen Lehrer oder Candidaten frey- mögens (1797 waren es 3.000 Taler) war bei willig unterstützt wird. Die Lehrgegenstände der Königl. Seehandlung zinsbar angelegt. – erstrecken sich auf Lesen, Schreiben, Religi- In den Jahren ab 1813 konnten sich die acht on, Singen, und auch wohl auf Geschichte, Erwerbschulen, die 600 Kinder betreuten, auf Erdkunde, Naturbeschreibung, schriftliche Grund der Zeitumstände nicht mehr allein Aufsätze und Zeichnen“ (Gädicke, S. 154 f.). unterhalten. Daraufhin zahlte der König die „Der Arbeitsgelaß einer jeden dieser Anstalten fehlenden Beträge und bekundete zugleich, besteht in einem Arbeits- und Lehrzimmer, so lange es notwendig sei, jährlich 2.500 nebst der Wohnung für den Aufseher. In dem Reichstaler aus der Staatskasse zuzuzahlen. Arbeitszimmer befinden sich die Geräth- – Feste: Einmal jährlich wurde für die Kinschaften und Materialien zum Arbeiten, die der ein Fest veranstaltet, das von einem der sämmtlich für jedes Kind numerirt sind. Zur Lehramtskandidaten begeistert wie folgt beErleuchtung am Abend hängt ein Armleuch- schrieben wurde: „Der 22. Juni [1795] war ter an der Decke“ (Rumpf 1804, S. 461). für die Kinder der fünf Erwerbschulen zu eiDie von den Kindern angefertigten Arbeiten nem allgemeinen Festtage bestimmt. Um 10 wurden teils in einem öffentlichen Laden ver- Uhr Morgens versammelten sich die einzelkauft oder öffentlich versteigert. Jährlich fand nen Schulen in ihren besondern Schulhäueine öffentliche Prüfung „in dem Vorsaale der sern, um nach dem gemeinschaftlichen VerAkademie der Wissenschaften statt, worauf sammlungsplatz hingeführt zu werden. Jedes die Kinder in einem Garten gespeist werden“ Kind erhielt ein Frühstück. Auf ein gegebe889

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

nes Zeichen, stellten sich die Kinder paarweise, und wurden so in froher Erwartung nach dem vor dem Rosenthaler Thore gelegenen Weinberge geführt. […] Unter den Bäumen war für sie alle gedeckt, und jedes Kind hatte seinen Teller, Löffel, Messer und Gabel, und sein Stück Brot vor sich. Wie auf einen gegebenen Wink, trat mit einem Mal eine ungewöhnliche Heiterkeit auf die Gesichter der Kinder; denn der schöne Reißbrei, mit Zimmet und Zucker reichlich bestreut, ward in hochgefüllten Schüsseln aufgetragen. Ein sehr glänzendes und zahlreiches Publikum hatte sich um die Tische versammelt, und jedermann drängte sich hinzu um den Kindern vorzulegen, und ihre heiße Begierde nach dem schönen Essen zu befriedigen. […] Aber diese Freude ward bald durch eine neue verdrängt, als die großen Braten mit Pflaumen auf den Tischen erschienen, bei deren Genuß man auf den Gesichtern der meisten Kinder lesen konnte daß ihnen so etwas noch nie geboten war. Nach dem Essen, bekam jedes Kind etwas Wein, den ihnen ein Wohlthäter aus seinem Keller geschenkt hatte, und Bier so viel sie trinken wollten. Nun erst setzten sich die Direktoren, Vorsteher, und Lehrer mit ihren Familien zum Essen hin, indeß sich die Kinder unter den Augen ihrer Aufseher auf dem Weinberge herumtummelten. Nach Tische war Musik für sie bestellt, nach der sie entweder herumsprangen, oder Lieder sangen“ (Thym, S. 105 ff.). Diese Feste trugen auch dazu bei, die Berührungsängste der daran teilnehmenden bessergestellten Männer und Frauen gegenüber den „niedrigen Mitbürgern“ abzubauen und sie dadurch zu Achtung und Respekt für die unteren Bevölkerungsschichten und zu anhaltender Wohltätigkeit zu erziehen: Man sah „hier Männer von ausgezeichneten Verdiensten und Menschen aus allen Ständen sich beeifern […], zu dem Vergnügen solcher Kinder beizutragen, denen sie sonst, bei ihrem gewöhnlichen Aufzuge und bei ihrer gewöhnlichen Verzogenheit, auf der Straße gern aus dem Wege 890

gegangen sein würden. Aber hier ward einmal Rang und Stand vergessen, hier sah einmal Einer in dem Andern nur den Mitmenschen, nicht den armen niedrigen Mitbürger, und manche vornehme Dame liebkoste vielleicht hier zum ersten mal in dem Kinde eines armen Tagelöhners ein gleichartiges Geschöpf, das mit ihr einerlei Ansprüche auf Freude und Wohlsein hat“ (Thym, S. 107 f.) Mitglieder: 1797 hatte die GEE 367 beitragszahlende Mitglieder; im Jahr 1834 waren es 549. – Direktion 1793–1815: v. Beyer, Bohm, Eichmann, Geh. Rat Goßler, Hanstein, Koels, Krutisch, Kirchen- und Oberschulrat Meierotto, Müller, Nolte, Parthey, Ransbach, Ribbeck, Oberkonsistorialrat Sack, Schultz, Snethlage, Bankier Splitgerber, Svarez, Wloe­ mer, Zöllner. Drei der Vorsteher starben bald: Wloemer (1797), Svarez (1798, der die Schulen noch in seinem Testament bedachte) und Meierotto (1800). – 1810 hat auf einem Brief der Direktion auch Nicolai unterschrieben. Als „Vermächtniß des Hrn. Friedrich Nicolai“ erhielten die Erwerbschulen 1.000 Reichstaler. – Direktions­ mitglieder ab 1816 (Auswahl): Bormann, Bornemann, Büsching, Illaire, Kelch, C. L. v. Kircheisen, Knoblauch, v. Könen, Küster, Müller, Neander, Poselger, Ransbach, Roß, Schulz, Snethlage, Thümmel, Trendelenburg, Wiese. – Mehrere Schulamtsund Predigtamts-Kandidaten erteilten unentgeltlich Unterricht. Der König unterstützte die Einrichtungen, die Kronprinzessin fungierte als „Obervorsteherin“. Querverweise auf andere Vereine: Mit der Umgestaltung des Armenwesens und der Entwicklung von Erwerb- und Industrieschulen beschäftigten sich in besonderem Maße die Ökonomischen Gesellschaften. Auch in der  Märkischen Ökonomischen Gesellschaft wurden Themen der neuen Industrieschulpädagogik diskutiert (vgl. u. a. Schmidt 1796; Rochow 1797). – Erwerbschulen und Sonntagsschulen als Formen der Armenfürsorge und

Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen [GEE]

-ausbildung wurden um 1800 in verschiedenen Orten Preußens errichtet (Industrieschulen u. a. in der Kurmark: Klein-Schönebeck, Göritz, Fehrbellin, Joachimsthal, Frankfurt/ Oder, Lichtenberg bei Berlin, Alt-Landsberg, Vorwerk Weissenspring; in der Neumark: Drossen, Arnswalde; „eine Art Industrieschule“ auf Reckahn (Rochow); bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts eine große Zahl sogenannter Spinnschulen in Schlesien; 1801 wurden in Potsdam zwei bürgerliche Erwerbschulen gegründet, die der Armendirektion unterstanden). „Von 1791 bis 1799 besuchten […] in Preußen 4833 Kinder die Abendund Sonntagsschulen und 2698 die Industrieschulen“ (Horn-Wagner, S. 78). Bibliographie: Ungedruckte Quellen: GStA PK, I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 29965 (Acta des Königl. Civil-Cabinets betr. die Erwerb-Schulen in Berlin, 1810–1873). – Gedruckte Quellen: Anonym: Geschichte der im Jahre 1793. gegründeten Erwerbschulen in Berlin. Eine Jubelschrift den Gönnern, Beförderern und Freunden der Anstalt gewidmet. Berlin 1843. – Blasche, Bernhard Heinrich: Grundsätze der Jugendbildung zur Industrie. Schnepfenthal 1804. – Bunn, Friedrich Leopold: Versuch einer Lebensbeschreibung J. H. L. Meierotto’s […]. Berlin 1802, S. 342. – Gädicke, Johann Christian: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend. Enthaltend alles Merkwürdige und Wissenswerthe von dieser Königsstadt und deren Gegend. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806, S. 153–155. – Gesänge zur Prüfung der acht Erwerbschulen. Berlin 1828. – Grundsätze, nach welchen die hiesigen Erwerbschulen eingerichtet sind. (Berlin 1798). – Grundsätze, nach welchen jetzt die in Berlin bestehenden Erwerbschulen eingerichtet sind. Herausgegeben von der Allgemeinen Direction dieser Anstalten. Zweite Aufl., Berlin 1817. – Grundsätze nach welchen die hiesigen Erwerbschulen eingerichtet sind. Berlin 1830. –

Dass. Berlin 1841. – Harl, Johann Paul: Beschreibung der Berliner Erwerbschulen. In: Oberdeutsche Allgemeine Litteraturzeitung 1803. – Haude und Spenersche Ztg. Nr. 63 v. 27. Mai 1794; Nr. 107 v. 6. Sept. 1798. – Kohler, Friedrich Wilhelm: Gedanken über die Einführung der Industrieschulen. Leipzig 1801. – Lachmann, Ludolf Friedrich: Das Industrieschulwesen, ein wesentliches Bedürfniss aller Bürger- und Landschulen. Braunschweig 1802. – Rochow, Friedrich Eberhard v.: Materialien zum frühen Unterricht in Bürger- und Industrieschulen. Berlin und Stettin 1797. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Berlin und Potsdam. Eine vollständige Darstellung der merkwürdigsten Gegenstände. Erstes Bändchen. Berlin 1804, S. 458–463. – Schmidt, (Valentin Heinrich): Über die sieben Berlinischen Erwerbschulen. Am ersten November 1796 in der allgemeinen Versammlung der Märkischen ökonomischen Gesellschaft vorgelesen. In: Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichte der Mark Brandenburg. Hg. v. Kosmann und Heinsius. Bd. 2 (1796), S. 1238 f. – Nachricht über den Fortgang der im Jahre 1793 in Berlin errichteten Erwerbschulen. In: Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichte der Mark Brandenburg, Bd. 6 (1798), S. 973–977. – Thym, Johann Friedrich Wilhelm: Über die Erwerbschulen in Berlin. Eine dringende Bitte an die Einwohner Berlins. In: Berlinische Monatsschrift, Bd. 27 (1796), S. 97–118. – Voght, Caspar v.: Gesammeltes aus der Geschichte der Hamburgischen Armen-Anstalt während ihrer 50jährigen Dauer. Hamburg 1838. – Wagemann, Ludwig Erhard: Ueber Industrieschulen im allgemeinen und über die Göttingische insbesondere. In: Göttingisches Magazin für Industrie und Armenpflege 1, Nr. 1 (1789), S. 1–34, 127–136; 2, Nr. 3 (1790), S. 1–32. – Zedlitz, Leopold Frhr. v.: Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einheimischen und Fremden aller Stände. Berlin 1834. S. 173 f. – Literatur: Alt, Robert: Die Industrieschulen. 891

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Ein Beitrag zur Geschichte der Volksschule. und öffentlicher Armenfürsorge. In: „LasBerlin, Leipzig 1948 (Beiheft der Pädagogik). set uns Gutes thun und nicht müde werden – Bendokat, Bruno: Industriepädagogik bei …“. 200 Jahre Luisenstift Berlin. Berlin 2007, den Philanthropen und bei Pestalozzi. Halle S. 64. – Neugebauer, Wolfgang: Absolutisti1934 (Pädagogik in Geschichte, Theorie und scher Staat und Schulwirklichkeit in BrandenPraxis, Bd. 3). – Gans, August: Das ökono- burg-Preußen. Berlin, New York 1985 (Vermische Motiv in der preußischen Pädagogik öffentlichungen der Histor. Komm. zu Berlin, des achtzehnten Jahrhunderts. Halle (Saale) Bd. 62). – Pachaly, Paul: Die Industrieschule 1930. – Geiger, Ludwig: Berlin 1688–1840. in der Mark um das Jahr 1800. In: FrauenbilGeschichte des geistigen Lebens der preu- dung 7 (1908), S. 193–200, 241–246. – Ritßischen Hauptstadt. Bd. 2: 1786–1840. Ber- tershausen, Dietrich: Beiträge zur Geschichte lin 1895, S. 109. – Horn-Wagner, Detlef: Die des Berliner Elementar-Schulwesens. Von der Jugendhilfe im Wandel der Zeiten. In: „Las- Reforma­ tion bis 1836. In: Märkische Forset uns Gutes thun und nicht müde werden schungen, Bd. 9 (1865), S. 178–317. – Simon, ...“. 200 Jahre Luisenstift Berlin. Berlin 2007, Oskar: Die Fachbildung des Preußischen GeS. 69–96. – Iven, Kurt: Die Industrie-Pädago- werbe- und Handelsstandes im 18. und 19. gik des 18. Jahrhunderts. Eine Untersuchung Jahrhundert, nach den Bestimmungen des über die Bedeutung des wirtschaftlichen Ver- Gewerberechts und der Verfassung des gehaltens für die Erziehung. Langensalza, Leip- werblichen Unterrichtswesens. Berlin 1902. zig 1929 (Göttinger Studien zur Pädagogik, – Wagner, Volker: Die Dorotheenstadt im 19. Heft 15). – Ludwig, Andreas: Das Luisenstift – Jahrhundert, vom vorstädtischen Wohnviertel Eine Stiftung zu Beginn des 19. Jahrhunderts barocker Prägung zu einem Teil der moderim Berliner Kontext sozialer Bestrebungen nen Berliner City. Berlin 1998.

Uta Motschmann

Berlinisches Bürgerrettungs-Institut [BBRI] Name: Berlinisches Bürgerrettungs-Institut; anfangs: Institut zur Rettung verarmter und in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger; Gesell-

schaft zur Rettung Berlinischer in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger. Gründung: (27./30. November) 1796. Bestand: Das BBRI besteht bis heute als rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts. Sitz: Adresse der jeweiligen Direktoren bzw. Mitglieder des Direktoriums. – Heutiger Sitz: Klosterstraße 16, 13581 Berlin. – Versammlungen fanden zunächst im Versammlungs- bzw. Konferenzzimmer des Berliner Rathauses, später im Lokal des Königlichen Stadtgerichts, anfangs möglicherweise auch im Gasthaus „Zur Stadt Rom“ statt. 892

Programmzitat: „Das Berlinische RettungsInstitut hat den Zweck, hülfsbedürftigen Bürgern die Möglichkeit zu verschaffen, sich und den Ihrigen für die Zukunft den nöthigen Unterhalt zu erwerben. Nur diejenigen haben daher Rettung zu erwarten, welche glaubhaft nachweisen, daß die ihnen zu bewilligende Unterstützung sie in den Stand setzen werde, die Hindernisse aus dem Wege zu räumen, wodurch ihr bisheriges Gewerbe unterbrochen worden. Diejenigen, welche nur zur Abwendung gegenwärtiger Noth, Beisteuer verlangen, und auch in der Folge fremde Unterstützung als die Quelle ihres Unterhalts ansehen wollen, oder müssen, werden der Fürsorge eines Hochlöb­ lichen Armen-Direktorii, und anderer milden Stif-

Berlinisches Bürgerrettungs-Institut [BBRI]

tungen überlassen“ (§  1 des Statuten-Entwurfs, November 1796). Geschichte und Programmatik: Das in der Aufklärungstradition stehende BBRI folgte wie viele andere vergleichbare Gründungen seiner Zeit dem Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Mittels finanzieller Unterstützungsleistungen wollte die Gesellschaft „hülfsbedürftigen Bürgern die Möglichkeit […] verschaffen, sich und den Ihrigen für die Zukunft den nöthigen Unterhalt zu erwerben“ (StatutenEntwurf, 1796). Ziel und Zweck des BBRI war es, unverschuldet „im Nahrungszustande zurückgekommene Bürger durch eine angemessene Unterstützung wieder emporzubringen“ (Lisco, S. 129). Die Notlage von Bürgern mit „unbescholtenem Lebenswandel“ sollte nicht nur vorübergehend gelindert werden. Durch die Unterstützungszahlungen sollten die Bedürftigen vor allem in die Lage versetzt werden, sich und ihre Familien wieder durch eigene Anstrengungen, selbständig und ohne weitere Unterstützungsleistungen zu ernähren. Der Kreis der Unterstützungsbedürftigen war auf die Bewohner der Residenzstadt Berlin und ihrer Vorstädte beschränkt. Die in Frage kommenden Hilfsbedürftigen mussten mindestens sechs Jahre das Berliner Bürgerrecht besitzen und einem „nährenden“ bürgerlichen Gewerbe nachgehen. Sie durften zunächst nicht älter als sechzig Jahre sein. Außerdem mussten sie schuldlos in ihre Notlage gekommen sein und weitere Voraussetzungen und Auflagen erfüllen. Initiator des anfangs noch als Institut zur Ret-

tung verarmter und in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger bezeichneten BBRI war der Geheime Ober-Justizrat Otto Nathanel Baumgarten, einer der einflussreichsten preußischen Justizbeamten seiner Zeit. Als Vorbild diente Baumgarten eine kurz zuvor im fränkischen Ansbach, das zwischen 1791 und 1806 zu Preußen gehörte, durch den preußischen Staatsminister Wilhelm Friedrich Frhrn. v. Benckendorff initiierte wohl-

tätige Stiftung. Aber auch die von Johann Georg Büsch und Caspar Voght gegründete, als wegweisend geltende Hamburger Allgemeine Armenanstalt von 1788 hatte Baumgartens Gründungsidee beeinflusst. Die Gründung des BBRI steht somit, ebenso wie die von weiteren Bürgerrettungs-Instituten in Preußen und Deutschland um 1800, in einem engen Zusammenhang mit den vielfältigen Bemühungen, die am Ende des 18. Jahrhunderts offenkundig gewordenen Defizite der herkömmlichen Armenfürsorge zu beheben, zu reorganisieren und grundlegend zu reformieren. Baumgarten griff die Ende des 18. Jahrhunderts weit verbreiteten Ideen der aktiven Hilfe zur Selbsthilfe und der Verbindung von Wohltätigkeit und Nützlichkeit auf und setzte sie in der preußischen Hauptund Residenzstadt erfolgreich um. Über Annoncen in Berliner Zeitungen wie dem Berlinischen Anzeiger und auf Flugblättern rief er 1796 dazu auf, in Berlin eine Unterstützungsanstalt für hilfsbedürftige und unschuldig in Not geratene Menschen, vor allem Handwerker, Arbeiter und Gewerbetreibende, zu errichten. Schnell gelang es ihm, zahlreiche Sympathisanten für seine Pläne zu gewinnen. Unterstützung fand Baumarten nicht nur beim Berliner Bürgertum, sondern auch in der Ministerialbürokratie und am Hof. Im Laufe des Jahres 1796 fanden sich etwa siebzig Berliner bereit, Baumgarten bei der Etablierung einer entsprechenden Wohltätigkeitsanstalt aktiv zu unterstützen und die Gründung einer Gesellschaft zur Rettung Berlinischer in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger vorzubereiten. Am 2.  Oktober 1796 überreichte eine Abordnung der zu diesem Zeitpunkt offenbar schon bestehenden Gesellschaft König Friedrich Wilhelm  II. den Entwurf ihrer Gesetze des Berlinischen Rettungs-Institutes. Nur wenige Tage später, am 7. Oktober 1796, genehmigte der König die Statuten und leitete sie zur weiteren Bearbeitung an das zuständige Königliche Generaldirektorium (eigentlich: General-, Oberfinanz-, Kriegs- und 893

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Domänendirektorium) weiter. Das General- Fabriken-Departement stellte dem BBRI direktorium bestätigte die Statuten seinerseits mehrfach Summen in Höhe von 500  oder am 31. Oktober. Als offizielles Gründungsda- 1.000  Reichstaler zweckgebunden, beispielstum des BBRI gilt jedoch der 30. November weise für die Unterstützung von notleiden1796, der Tag, an dem der königliche Erlass den Fabrik- und „Stuhl“- bzw. Textilarbeiveröffentlicht wurde. Auf ihrer konstitutiven tern, zur Verfügung. Weitere Zuwendungen, Sitzung, die am 27. November 1796 im Ber- teils einmalig, teils mehrfach, kamen von anliner Rathaus stattfand, wählte das nunmehri- deren Berliner Gesellschaften oder Vereige Berlinische Bürgerrettungs-Institut eine vier- nen, beispielsweise von der  Casino-Gesellköpfige „Direction“. Zum ersten Präsiden- schaft oder der  Erholungs-Gesellschaft. Aber ten bzw. Ersten Vorstand bestimmte sie den auch eine Reihe von Privatpersonen verJuristen und Staatsminister Eberhard Fried- machte dem BBRI, zum Teil anonym, imrich Christoph Ludwig Baron von der Reck. mer wieder kleinere oder größere GeldbeträDem ersten Direktorium gehörten außerdem ge. So gab es Einzahlungen von zwei, aber der Geheime Legationsrat v. Sellenthin, der auch von über 3.000  Reichstalern. Zu den Geheime Kriegsrat Feldmann und der Zim- Mitgliedern des BBRI, die einen Teil ihres mermeister Adam an. Baumgarten, der maß- Vermächtnisses dem Verein zukommen liegeblichen Anteil an der Organisation der Ge- ßen, gehörten unter anderem der Geheime sellschaft hatte, fungierte bis 1798, als er we- Kriegsrat und Justizbürgermeister Christoph gen „überhäufter Dienstgeschäfte“ ausschied, Benjamin Wackenroder, Vater des frühroals Kassenverwalter und war damit Mitglied mantischen Schriftstellers Wilhelm Heinrich des „erweiterten“ Vorstands des BBRI. Die Wackenroder, der dem Institut bei seinem konstituierende Versammlung beschloss die Tode 1809 250  Reichstaler vermachte, oder Statuten bzw. „Gesetze“ und legte auch die die Witwe des Aufklärungstheologen Johann Aufgaben sowie Zuständigkeiten des BBRI Joachim Spalding, die der Gesellschaft nach und ihrer Gremien fest. Dazu gehörten ins- dem Tode ihres Mannes 1805 500 Reichstabesondere die Verantwortlichen für Geschäfts- ler spendete. Der 1798 dem BBRI beigetreteund Rechnungsführung, Kassenverwaltung ne Schulreformer, Philanthrop und Volksaufsowie die Kommissare für die Prüfung der klärer Friedrich Eberhard v. Rochow, Gutszu erwartenden Hilfs- und Unterstützungs- herr im märkischen Reckahn und seit dem gesuche. Bereits in den ersten Monaten ihres gleichen Jahr Besitzer eines Hauses in Berlin, Bestehens erhielt das BBRI eine Reihe von spendete der Gesellschaft 1797/98 ebenfalls teils sehr großzügigen Spenden, Geschenken, 100  Reichstaler. Weitere namhafte Spender Stiftungen, Vermächtnissen oder Erbschaften. waren der Herzog von Kurland oder StaatsSo hatte nur wenige Tage nach ihrer Grün- minister Friedrich Wilhelm v. Arnim(-Boitdung Staatsminister Christian Ludwig Au- zenburg). Auch einige Nichtmitglieder ungust Carl Reichsgraf v. Döhnhoff dem Verein terstützten die Gesellschaft finanziell. Unter 250 Reichstaler als Stiftungskapital geschenkt. ihnen waren jüdische Berliner Bürger wie König Friedrich Wilhelm II. unterstützte die der „Hof-Agent“ und Seidenfabrikant SaGesellschaft ab Juni 1797 mit jährlichen Zah- lomon Nathan oder der Kaufmann und Seilungen in Höhe von 1.000 Reichstalern, die fenfabrikant Bär (Baer) Philipp Goldschmidt, durch weitere 100 Reichstaler, die der Kron- der dem BBRI anlässlich der Erteilung eines prinz und spätere König Friedrich Wil- „Schutzprivilegs“ 1798 500  Reichstaler verhelm  III. jährlich beisteuerte, ergänzt wur- machte. Diese großzügigen Spenden und die den. Auch das Königlich Preußische Ma- Tatsache, dass eine ganze Reihe weiterer Bernufactur- und Commerz-Departement bzw. liner Juden der Gesellschaft als Mitglieder an894

Berlinisches Bürgerrettungs-Institut [BBRI]

gehörte, sprechen dafür, dass das BBRI prinzipiell offen für ihre jüdischen Mitbürger war. Einige von ihnen, wie die Bankiers Moses (von 1797 bis 1804) und Loewe (von 1803 bis 1827), waren sogar als Prüfungskommissare im zeitaufwändigen und verantwortungsvollen „Kerngeschäft“ der Gesellschaft tätig, so dass davon auszugehen ist, dass Juden als Mitglieder und Inhaber von Funktionen in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert und geachtet waren. Auch nach 1815 finden sich mehrere jüdische Mitglieder in den erhaltenen Mitgliederlisten. Das BBRI erhielt aber auch solche Stiftungen, die von ihm nur verwaltet wurden. So übernahm die Gesellschaft zum Beispiel auf Grund einer testamentarischen Verfügung Friedrich Nicolais nach dessen Tod 1808 die Verwaltung der so genannten Nicolai’schen Stiftung in Höhe von 3.000  Talern. Sie sollte verarmten Bürgern gegen Kaution kleinere Summen zur Verfügung stellen. Einige solcher Vermächtnisse bestanden lange als eigenständige Stiftungen weiter; andere wurden später, wie die von Kircheisen’sche Stiftung, ganz aus dem Verein ausgegliedert. Die 1821 anlässlich des fünfzigsten Dienstjubiläums des Ersten Vorstandes der Gesellschaft, des Justizministers Friedrich Leopold v. Kircheisen, der seit 1816 als Nachfolger von der Recks amtierte, gegründete Stiftung unterstützte vor allem alte, zuvor nicht für Unterstützungszahlungen in Frage kommende „Jubel-Greise“ mit monatlichen Zuwendungen. Obwohl diese Stiftung formal schon bald ein eigenständiger Verein wurde, blieb sie dem BBRI eng verbunden. Das Direktorium der von Kircheisen’schen Stiftung bestand ausschließlich aus Mitgliedern des BBRI. Die neben den Mitgliedsbeiträgen und den Spenden dritte wichtige Einnahmequelle des BBRI stellten die Erlöse von Musik-, Ballett-, oder Opernaufführungen dar, die im Opernoder Schauspielhaus sowie in der Akademie der Künste in unregelmäßigen Abständen zu Gunsten der Gesellschaft veranstaltet wurden.

Diese Einnahmen waren besonders in den Krisenjahren nach 1806, als private Beitragszahlungen und staatlichen Unterstützungen fast gänzlich ausblieben, von zentraler Bedeutung. Sie stellten damals die nahezu einzige Einnahmequelle dar. Nach 1815 kamen Einnahmen aus dem Verkauf von Gemälden und Graphiken, die der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden, oder aus Vortragsveranstaltungen hinzu. Während der Kriegs- und Besatzungszeit zwischen 1806 und 1815 befand sich das BBRI in einer schweren, fast existentiellen Krise. Ihre Arbeit kam fast ganz zum Erliegen; viele Mitglieder mussten ihre Beitragszahlungen einstellen, neue Mitglieder kamen kaum hinzu. Die Einnahmen sanken beträchtlich, so dass die Unterstützungszahlungen, die sich 1805 noch auf 7.545  Reichstaler belaufen hatten, 1807 und 1808 ganz eingestellt werden mussten. Erst ab 1809/10 konnte die Gesellschaft in bescheidenem Maße wieder einige Familien unterstützen. Zu diesen gehörten mehr als 200 Opfer des verheerenden Brandes der Berliner Petrikirche 1809. Zwischen 1805 und 1816 fanden lediglich vier Verteilungsrunden für Hilfsbedürftige statt. Die Höhe der Auszahlungen betrug insgesamt nur knapp 1.000 Taler. In normalen Zeiten waren sonst vierteljährliche Verteilungen vorgesehen. Getragen und mit Leben erfüllt wurde die Arbeit des BBRI hauptsächlich vom bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagement ihrer Mitglieder. Die Hauptlast der täglichen Arbeit der Gesellschaft vor Ort trugen vor allem Gewerbetreibende und Handwerker, zum einen durch ihre regelmäßigen Beitragszahlungen und finanziellen Zuwendungen, zum anderen durch ihre unentgeltliche und zeitaufwändige Mitarbeit, insbesondere als Prüfungskommissare der Gesellschaft. Die meisten Prüfungskommissare entstammten dem kleinen und mittleren Bürgertum; vielfach vertreten waren Handwerksmeister verschiedener Gewerke, Kaufleute, Bankiers, Beamte, Lehrer und einige Angehörige 895

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

des Bildungsbürgertums oder der Ministerial­ bürokratie. Auch nach 1815 gehörte das BBRI zu den wichtigsten wohltätigen Einrichtungen der Armenfürsorge in Berlin. Ihr Stellenwert lässt sich auch daran ablesen, dass das Amt des Ersten Vorstandes bzw. vorsitzenden Direktors bis 1844 von einem preußischen Minister ausgeübt wurde. Nach der Etablierung, Neuorganisation und erheblichen Erweiterung der kommunalen und staatlichen Armenfürsorge im Verlaufe des 19.  Jahrhunderts ging die Bedeutung des BBRI zurück. Bis ins 20. Jahrhundert hinein engagierte sich das BBRI jedoch weiter für in Not geratene Berliner Bürger, auch wenn deren Zahl nach und nach sank. Bis heute ist die „Unterstützung bedürftiger deutscher und selbständiger (auch ehemaliger) Handwerker oder Gewerbetreibender“ in Berlin und im Land Brandenburg – neben der neu hinzu gekommenen Berufsbildung des Nachwuchses und der Altershilfe für Handwerker – die Hauptaufgabe des als rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts eingetragenen BBRI geblieben. Struktur und Organisation: Das BBRI wurde von einem drei- oder vierköpfigen Direktorium (auch „Direction“) geleitet. Zum erweiterten Führungskreis gehörten drei weitere Mitglieder, von denen zwei für die Kassenverwaltung und eines für die Führung der Sekretariatsgeschäfte zuständig waren. Erster Präsident (auch „Erster Vorstand“) wurde 1796 Staatsminister Eberhard Baron von der Reck. Er amtierte bis zu seinem Tode 1816. Schon 1798 wurden ein Bote sowie ein hauptamtlicher Sekretär eingestellt, der die zahlreichen Hilfsgesuche bearbeitete und die laufenden Geschäfte erledigte. Für die Prüfung der Hilfsgesuche der bedürftigen Bürger setzte die Gesellschaft Prüfungskommissare ein. Ihre Zahl stieg von anfangs 14 auf später 34 (1846) an. Unter den ersten Prüfern (1796) waren vorwiegend Vertreter bürgerlicher Berufe – vor allem Handwerker 896

und Handwerksmeister, aber auch Kaufleute, ein Pächter, ein Chirurg, ein Lehrer oder ein Kammerreferendar – vertreten. Ausnahmen stellen einige Adlige wie Friedrich Ferdinand Alexander Graf zu Dohna(-Schlobitten), Heinrich Ludwig Graf zu Dohna und Kammerherr v. Vincke sowie Kammerherr Baron v. Buch dar. Bis 1815 finden sich unter den Prüfungskommissaren aber auch drei Polizeikommissare sowie nach 1809 auch einige Berliner Stadtverordnete. Die Prüfungskommissare konnten, wie die Beamten der kommunalen Armenfürsorge oder des Königlich-Preußischen Armen-Direktoriums, auch unangemeldete Hausbesuche bei den Antragsstellern vornehmen. – Über das Vereinsleben selbst ist wenig bekannt. Auf den regelmäßig durchgeführten Versammlungen ging es den vorliegenden Berichten zufolge sehr sachlich zu. Sie fanden vierteljährlich, am ersten Sonntag des Quartals, statt. Stimmberechtigt waren alle eingetragenen Mitglieder. Fremde waren zugelassen, hatten aber keinerlei Stimm- oder sonstige Rechte. Über den Ablauf der Versammlungen wurde vom Sekretär des Vereins Protokoll geführt. Zunächst wurden die Tätigkeits- bzw. Rechenschaftsberichte sowie der Kassenbericht verlesen. Anschließend wurde mittels Ballotage über die geschäftlichen Belange und die personellen Veränderungen abgestimmt. Bei Stimmengleichheit entschied die Stimme des vorsitzenden Direktors. Danach kam es zur Prüfung der eingereichten, zuvor von den Kommissaren bereits geprüften Hilfsgesuche. Da meist mehr zulässige Anträge vorlagen als Mittel zur Verfügung standen, musste ein Glücksrad entscheiden, welcher Bedürftige schließlich am Ende eine Unterstützungsleistung erhielt. Die Ziehung erfolgte während der Versammlung. Die Einsammlung der Namenszettel und das Ziehen der Lose übernahmen Kinder, Töchter und Söhne der Mitglieder im Alter von sechs bis 14 Jahren. Auf diese Weise sollten sie an die Arbeit des Vereins herangeführt werden. Mitglied-

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schaften von Familienangehörigen waren erwünscht und lassen sich an Hand der Mitgliederlisten häufiger feststellen. – 1817 wurden die Statuten des BBRI überarbeitet. Sie traten 1818 in Kraft. Neu geregelt wurden vor allem die Verwaltungsabläufe und Kassenangelegenheiten. Aber auch in Bezug auf die Unterstützungsleistungen gab es Veränderungen. So wurde der Modus der Verteilungen neu geregelt. Auch das Prüfungsverfahren für die Hilfsbedürftigen wurde nun strenger als zuvor gehandhabt. 1820 wurde ein jährlich gewählter „engerer Ausschuss“ gebildet, der aus fünf Prüfungskommissaren bestand und alle Hilfsgesuche vorab zu prüfen hatte. Das Antragsverfahren für die Bedürftigen war in den ersten Jahren des Bestehens des BBRI verhältnismäßig einfach. Die Hilfsbedürftigen mussten sich bei einem der Direktoren in dessen Haus bzw. Wohnung melden. Dort hatten sie einen schriftlichen Antrag – ein vom BBRI gedrucktes Formular – auszufüllen. Dieser Antrag wurde von den Prüfungskommissaren streng begutachtet und anschließend befürwortet oder abgelehnt. Bereits zwei Monate nach Gründung, im Januar 1797, konnte das BBRI erstmals 24  bedürftige Familien unterstützen. Noch im selben Jahr erfolgte eine zweite Verteilung, von der 42 Familien profitierten. Zwischen 1797 und 1802 wurden insgesamt 424  Familien durch das BBRI unterstützt. Für mehr als die Hälfte dieser Familien bedeutete die Unterstützung durch den Verein eine dauerhafte Hilfe; 237 von ihnen galten nach Einschätzung des Vereins zu diesem Zeitpunkt als „gerettet“ und „im Wohlstande“ lebend; neun gehörten später selbst als zahlende Mitglieder dem BBRI an. Für die übrigen Bedürftigen stellten die Zahlungen offenbar nur eine zeitweilige Hilfe dar. Ein Teil war, eigenen Erhebungen zu Folge, später wieder „durch Unglück von Neuem zurückgekommen“ oder erneut „in Armuth versunken“. Statutengemäß durften die Namen der Unterstützten nicht genannt werden. Sie kamen jedoch vor allem

aus den sozialen Unterschichten. So gehörten zu den Bedürftigen, die beispielsweise 1797 Unterstützung vom BBRI erhielten, „1 Böttcher, 4 Garnweber, 1 Goldarbeiter. 3 Pantoffelmacher, 4  Posamentier[er], 18  Raschmacher, 13  Schneider, 18  Schuhmacher, 6  Seidenwirker, 4  Strumpfwirker, 2  Tuchmacher, 1 Nagelschmidt, 1 Stuhlmacher, 1 Schlächter, 1 Messerschmidt, 1 chirurgischer Instrumentenmacher, 1  Handschuhmacher, 1  Lohgerber, 1 Tapezierer“ (Jahrbücher der preußischen Monarchie 1800, S. 602) mit ihren Familien. Die Unterstützung erfolgte auf verschiedenen Wegen. Es gab anfangs sowohl Barzahlungen als auch Kredite für die Weiterführung des Gewerbes oder Geschäftes. Für diese übernahm der Verein die Bürgschaft. Um 1800 wurde die Kreditvergabe weitgehend eingestellt; unterstützungsbedürftige Familien erhielten danach in der Regel finanzielle Hilfen. Zu besonderen Anlässen – etwa zum Huldigungsfest für den neuen König Friedrich Wilhelm III. 1797 – kamen außerdem kleinere Geldgeschenke für Kinder hinzu, zuweilen in Form von Münzen, die einer der Prüfungskommissare, der Medailleur Loos, selbst zu diesem Zweck angefertigt hatte. – Mit Unterstützung des Königlichen Ober-Collegii medici ermöglichte das BBRI ab 1797 auch eine kostenlose ärztliche Behandlung der Unterstützungsbedürftigen. Auch die Apotheken waren angehalten, den Hilfsbedürftigen die notwendigen Arzneimittel entweder kostenfrei oder zu einem geringeren Preis zur Verfügung zu stellen. Mitglieder: a) Allgemeines: Das BBRI erfreute sich in Berlin von Anfang an eines regen Zulaufs. Bei Gründung der Gesellschaft zählte sie 76 Mitglieder. Innerhalb eines Jahres verdoppelte sich die Zahl der Mitglieder auf 154. 1805 hatte die Gesellschaft mit 225 zahlenden Mitgliedern ihren vorläufigen Höchststand erreicht. In den anschließenden Krisenjahren sank die Zahl der Mitglieder von 1806 noch 212 auf 68  Mitglieder im Jahre 1815. 897

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

1818 gehörten der Gesellschaft jedoch wieder 105, 1846 200 zahlende Mitglieder an. Für die Zeit zwischen 1796 und 1815 konnten insgesamt mindestens 333 Einzel- und 15 korporative Mitglieder nachgewiesen werden. – Um stimmfähiges Mitglied der Gesellschaft zu werden, gab es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: durch die unentgeltliche Mitarbeit an den Geschäften der Gesellschaft oder durch die Zahlung eines jährlichen Beitrags von zehn Reichstalern. Die Summe konnte einmalig oder in vierteljährlichen Raten gezahlt werden. War die jährliche Beitragszahlung für die Mitglieder nicht mehr möglich oder gewünscht, konnten sie die Gesellschaft zum Ende des Rechnungsjahres verlassen. Als Mitglieder zählten auch solche Personen, die Hilfsbedürftigen oder dem BBRI selbst bestimmte Dienstleistungen kostenlos oder zu reduzierten Sätzen und Preisen zur Verfügung stellten. Dazu gehörten neben Ärzten, Chi­ rurgen und Apothekern beispielsweise auch Buchdrucker, die die Berichte, Formulare oder sonstigen Dokumente der Gesellschaft druckten. – Laut Statuten waren sowohl Einzelmitgliedschaften von Privatpersonen als auch korporative Mitgliedschaften vorgesehen. Zu den korporativen Mitgliedern zählten etwa die Casino-Gesellschaft oder einzelne Freimaurerlogen, zum Beispiel die Großloge  Royal York oder die  Große NationalMutterloge zu den drei Weltkugeln, die zu den Gründungsmitgliedern gehört hatten. 1816 kam die  Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland hinzu. Auch das Ober-Medicinal-Collegium galt auf Grund der 1797 geschlossenen Vereinbarungen zur kostenlosen oder ermäßigten Behandlung von Unterstützungsbedürftigen als stimmberechtigtes Mitglied. Korporative Mitglieder waren aber auch einige Interessenvertreter des traditionellen zünftigen Handwerks, so die GoldschmiedeInnung, das Schuhmacher-Gewerk, das Schneider-Gewerk oder das Posamentier-Gewerk. Mitglied war aber auch das „Gasthaus zur Stadt Rom“, das möglicherweise als erster 898

Versammlungsort oder als Anlaufpunkt der Gesellschaft diente. Dazu kamen mehrere Firmen bzw. Personengesellschaften, zumeist Handels- und Bankhäuser wie die „Kaufleute Naumann und Bernhard“, die Kaufleute „Fickert und Reinhardt“, das Bank- und Handelshaus Gebr. Schickler sowie, ab 1824, die Weinhändler „Lutter & Wegner“. – Die Statuten enthielten zwar keine expliziten Hinweise darauf, dass nur Berliner Einwohner, die das Bürgerrecht besaßen, Mitglieder der Gesellschaft werden konnten, aber alles deutet darauf hin, dass dies der Fall gewesen ist. Die Berufs-, Titel-, Funktions- oder Standesangaben der Mitglieder lassen den Schluss zu, dass es sich bei den Mitgliedern um Berliner Bürger mit Grundeigentum, „stehendem Gewerbe“, entsprechendem Alter und Einkommen bzw. besonderen Verdiensten handelte, die Voraussetzung für die Erteilung des Bürgerrechts waren. Zu den Mitgliedern des BBRI zählten daher auch einige Frauen, die das Berliner Bürgerrecht besaßen. Der Anteil von Frauen – adliger oder bürgerlicher Herkunft – im BBRI ist mit knapp fünf Prozent nicht besonders hoch, angesichts der eingeschränkten Rechte, die Frauen um 1800 insgesamt besaßen, aber bemerkenswert genug. Wie in anderen Berliner Gesellschaften oder Salons um 1800 spielten Frauen im BBRI eine nicht zu unterschätzende Rolle. Neben Handwerkerfrauen und -witwen gehörten etwa auch die sozial engagierte Unternehmerin Christiane Fürstin v. Osten-Sacken, eine Pionierin der frühkapitalistischen Industrialisierung in Preußen und Sachsen, oder einige Prinzessinnen aus dem Hause Hohenzollern, so auch Luise Fürstin v. Radziwill, der Gesellschaft an. – Wie in anderen, aber längst nicht allen Berliner Vereinen um 1800, stand das BBRI auch den Mitgliedern der Französischen und der Jüdischen Gemeinde offen. Der Anteil jüdischer Mitglieder lag in den Jahren zwischen 1796 und 1815 jedoch vermutlich unter fünf Prozent. Betrachtet man die soziale Zusammensetzung des BBRI, so fällt die große

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Bandbreite der vertretenen Berufe, Stände und Schichten auf. Das Mitgliederspektrum reichte vom Königshaus und anderen Vertretern des hohen Adels über Fabrikanten, Manufakturunternehmer, Kaufleute und Bankiers bis hin zu einfachen Handwerkern und Gewerbetreibenden. Das BBRI war somit eine Gesellschaft, in der sich König und Handwerker – zumindest theoretisch – auf Augenhöhe hätten begegnen können. Wie andere Berliner Gesellschaften auch bot das BBRI zumindest auf dem Papier ein Forum des ständeübergreifenden Austauschs und gemeinschaftlichen Engagements. Auch hierin zeigt sich das BBRI als typisches Beispiel für die reiche Geselligkeitskultur Berlins um 1800. Auffällig ist vor allem der hohe Anteil an höheren Ministerial-, Justiz- und Staatsbeamten, einschließlich einer ganzen Reihe von Staatsministern. Unter den Mitgliedern finden sich sowohl Vertreter einer eher konservativen bis reaktionären Staats- und Rechtsauffassung als auch solche, die, beeinflusst von den Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution, großen Anteil an den verschiedenen Versuchen hatten, den preußischen Staat vor und nach 1800 grundlegend zu reformieren. Mitglieder waren zum Beispiel die Staatsminister Eberhard von der Reck – der als erster Präsident dem BBRI sogar vorstand –, Heinrich Julius v. Goldbeck, Friedrich Leopold v. Schrötter, Johann Christoph v. Woellner oder Wilhelm zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, der als Polizeiminister nach 1815 eine zentrale Rolle bei der so genannten „Demagogenverfolgung“ spielen sollte. Hinzu kamen höhere Kommunalbeamte wie der Stadtpräsident und spätere Oberbürgermeister Johann Stephan Gottfried Büsching, Justizbürgermeister Carl August Gerresheim – Kassenverwalter der Gesellschaft –, die Polizeipräsidenten Friedrich Philipp Eisenberg und Justus v. Gruner oder der Chef der Berliner Bürgergarde Paul Antoine Jordan, im Übrigen ein prominenter Vertreter der Französischen Gemeinde von Berlin im Ver-

ein. – Natürlich spielte bei der Mitgliedschaft auch eine wichtige Rolle, dass das privat getragene BBRI in ständiger Verbindung mit den maßgeblichen Entscheidungs- und Verantwortungsträgern auf staatlicher und kommunaler Ebene blieb. Durch die direkte Einbeziehung von Ministerial-, Justiz- und Kommunalbeamten bis zur Ebene der einfachen Polizei-Kommissare, von denen mehrere gleichfalls Mitglieder der Gesellschaft waren, war auf diese Weise ein effektives Wechselspiel zwischen bürgerschaftlichem Engagement und staatlich-kommunaler Kontrolle gewährleistet. Ein markantes Beispiel dafür ist Wilhelm Ludwig Weitzel, der um 1800 dem Berliner Armen-Direktorium angehörte und gleichzeitig Mitglied des BBRI war. Verbindungen bestanden im Übrigen auch zu anderen privaten Einrichtungen und Gesellschaften der Armenfürsorge, so zur  Berlinischen Gesellschaft der Armenfreunde, zur  ArmenSpeisungs-Anstalt oder zu den „Familienhäusern“ am Schlesischen Tor und am Stralauer Tor, für die der Kassenverwalter des BBRI, Johann Georg Griesinger, gleichfalls Mitverantwortung trug. – Zu den Mitgliedern des BBRI gehörten zudem einige Offiziere höherer und höchster Dienstränge. Einige von ihnen, etwa die Generalfeldmarschälle v. Kalckreuth oder v. Moellendorff sowie Generalmajor v. Schmettau, hatten sich ihre militärischen Meriten schon in den Kriegen König Friedrichs  II. verdient. Auch zahlreiche Berliner Theologen wie Wilhelm Abraham Teller, Friedrich Samuel Gottfried Sack oder Johann Friedrich Zöllner, die zumeist der „Berliner Aufklärung“ verbunden waren, gehörten dem BBRI an. Relativ gering ist jedoch der Anteil von Künstlern, Gelehrten oder nicht in Staatsdiensten stehenden Intellektuellen. Das hing einerseits sicherlich mit ihrem spezifischen Profil als einer „milden“, wohltätigen Gesellschaft zusammen, andererseits aber auch damit, dass erst mit der Reorganisation der Berliner Akademien nach 1800 und vor allem der Gründung der Berliner Universität 1810/11 899

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entsprechende intellektuelle Gravitationszen­ tren von nachhaltigem Rang entstanden. Prominente Ausnahmen stellten der Arzt Ernst Ludwig Heim oder der Apotheker und Chemiker Martin Heinrich Klaproth dar. Ein Verzeichnis aller Mitglieder, Direktoren, Prüfungskommissare, Kassenverwalter, Sekretäre und Stifter des BBRI zwischen 1796 und 1896 findet sich in der Festschrift zur 100jährigen Jubelfeier des BBRI. Es enthält jedoch Fehler und ist offenbar nicht ganz vollständig. Während die Angaben zu den Mitgliedern der Direktion, den Kassenprüfern und den Prüfungskommissaren der Gesellschaft als einigermaßen zuverlässig gelten können, enthalten die Angaben zu den Mitgliedern ohne Funktion Fehler, insbesondere in Bezug auf die angegebenen Jahre bzw. die Dauer der Mitgliedschaft. So finden sich im Mitgliederverzeichnis von 1896 häufig Jahresangaben, die mit den ermittelten Lebensdaten der Mitglieder nachweislich nicht übereinstimmen. Das gilt zum Beispiel häufig für das Jahr 1813, das als Ende der Mitgliedschaft angegeben wird. Bei vielen Mitgliedern, bei denen im Mitgliederverzeichnis von 1896 das Jahr 1797 als Beginn ihrer Mitgliedschaft angegeben ist, handelt es sich offenbar um Gründungsmitglieder von 1796. Diese sind unten mit der Jahresangabe 1796/97 verzeichnet. Offenbar lagen bereits bei der Erstellung der Liste 1896 keine zuverlässigen jährlichen Mitgliederlisten mehr vor. – Im hier vorgelegten Verzeichnis wurden bei allen eindeutigen Fällen die Mitgliedszeiten stillschweigend korrigiert; in unklaren Fällen mit Fragezeichen versehen. In allen anderen Fällen können die hier angegebenen Daten nur zur Orientierung dienen. Die Mitgliederverzeichnisse enthalten in der Regel nur die Vornamen, Titel und Berufe der Mitglieder. Für viele Mitglieder ließen sich daher keine exakten Personendaten ermitteln, die eine eindeutige Identifizierung ermöglicht hätten. Bei anderen Mitgliedern legen die Quellen oder historischen Kontexte zumindest eine Vermu900

tung nahe, um wen es sich bei der Erwähnung im Mitgliederverzeichnis gehandelt haben könnte. Diese Fälle sind entsprechend gekennzeichnet. [Für die Unterstützung bei der Personenrecherche und andere hilfreiche Hinweise danke ich herzlich Anke Lindemann, Uta Motschmann, Sebastian Panwitz, Jürgen Radloff, Simon Renkert und Silke Siebrecht.] – b) Einzelmitglieder (bis 1815): Adam (gest. 1798, Hof-Zimmermeister, Mitglied 1796/97–1798, Direktor 1798); Adermann (Sattlermeister, Mitglied 1796/97–1806, Prüfungskommissar 1796–1800); Adler (Maurermeister, Mitglied 1799–1813); Alt (Uhrmacher, Mitglied 1805–1813); Amelang, Karl Ludwig (1755–1819, Geheimrat, Jurist, Mitglied 1796/97–1798); Andre (Bergrat, Mitglied 1796/97–1803); Arnim(-Boitzenburg), Friedrich Wilhelm Graf v. (1739–1801, Staatsund Kriegsminister, Mitglied 1796/97–1801); Arnim-Boitzenburg, v. (Kammerherr, Mitglied 1801–1813); Arnim, Gräfin v. (Mitglied 1796/97–1817, vermutl. Freda Antoinette Gräfin v. Arnim, geb. Cramm); Arnim, Cornet v. (Mitglied 1796/97–1814); Baart (Goldsticker, Mitglied 1796–?, Prüfungskommissar 1796–1800); Bacher (Agent, Mitglied 1797/98 bis 1800); Baerwald (auch Bärwald), Friedrich Wilhelm (1747–1829, Stadtrat, Apotheker, Mitglied 1798–1829, Kassenverwalter 1811– 1829); Bahrt (Lieferant, Mitglied 1796–1811); Barthelemi (Kaufmann, Mitglied 1798–1822); Bandelow, Hermann Samuel Gottfried (Kriegsrat, Mitglied 1812–1813); Bauermann (Tischler, Mitglied 1804–1813); Baumgarten, Otto Nathanel (1745–1802, Geh. Obertribunalrat, Gründer BBRI, Mitglied 1796–1811, Kassenverwalter 1796–1799); Baumgarten, Frau (vermutl. Sophia Charlotta, geb. Krüger, Witwe von O. N. Baumgarten, Mitglied 1812–1813); Bauvrié, v. (Major, Mitglied 1796/97–1804); Becher (Riethmacher, Mitglied 1796–1800, Prüfungskommissar 1796–1800); Becherer, Christoph Friedrich Christian (1747–1823, Architekt, Geh. Oberhofbaurat im Kgl. Preuß. Oberhofbauamt, Mitglied 1796/97–1823);

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Behrendt, Friedrich Christian (geb. 1769, Geh. Oberhofbaurat, Vorsteher der Berliner Stadtverordnetenversammlung 1821–1824/26, Mitglied 1797–1814); Behrnauer (Geheimrat, Mitglied 1801–1830/31, möglicherweise Karl Gottlieb 1765–1831, Geh. Oberregierungsrat); Bein (gest. 1819, Kriegsrat, Mitglied 1800–1803); Benecke (v. Gröditzberg), Wilhelm Christian (1779–1860, Bankier, Inhaber des Handelsund Bankhauses Gebr. Benecke, Gründer und Erster Direktor der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt, Mitglied 1805?–1813?); Benjamin, Herr (Mitglied 1813–1822); Berend (Apotheker, Mitglied 1799–1833); Berg, Fau v. (Mitglied 1798–1813, möglicherweise Karoline Friederike Gräfin v. Berg, geb. v. Haeseler, Hofdame von Königin Luise v. Preußen); Bergemann (Kaufmann, Mitglied 1800–1818); Berger, Herr (Mitglied 1796/97–1802, möglicherweise Gottfried Daniel Berger, 1744– 1825, Kupferstecher; Johann Ludwig Berger, ca. 1760–1832, Schauspieler; oder der Gastwirt Berger); Bernhardt (auch Bernhard) (Seiden-Fabrikant, Bankier, Mitglied 1796–1811, Prüfungskommissar 1796–1805); Beyrodt (Seiden-Appreteur, Mitglied 1798–1805, Prüfungskommissar 1801–1802); Bischer (Bäckermeister, Mitglied 1796/97–1817); Bischofswerda, v. (Generalleutnant, Mitglied 1796/97– 1798, vermutl. Hans Rudolf v. Bischoffwerder, 1741–1803); Blanc (Kaufmann, Mitglied 1798–1806); Boehr (auch Boer oder Böhr), Georg(e) Heinrich (1757–1804, Dr., Arzt, Mitglied 1796/97–1814, Direktor 1804/05); Bohne (gest. 1825, Lederhändler, Mitglied 1815/ 16?–1840, Prüfungskommissar 1815–1825); Borchard (Knopfmacher, Mitglied 1805–1830); Bornemann, Johann Jacob Wilhelm (1766– 1851, Lotterie-Sekretär, Direktor der Kgl. Preuß. Staatslotterie, Dichter, Mitglied 1800– 1814); Böttcher (Kaufmann, Mitglied 1803– 1849); Boumann (Geh. Oberfinanzrat, Mitglied 1796/97–1814); Bouvier, Louis (1767– 1842, Professor, Bibliothekar, Mitglied 1801– 1842); Braun (Gerichts-Sekretär, Mitglied 1804–1811); Bräunlich (Kammer-Sekretär,

Mitglied 1798–1801); Braunschweig-Wolfenbüttel-Oels, Friedrich Wilhelm, Herzog (Erbprinz) v. (1771–1815, Mitglied 1812–1814); Brinckmann, Karl Gustav v. (1746–1847, Legations-Sekretär, schwedischer Gesandter in Berlin, Dichter, Mitglied 1796/97–1800); Brix (Juwelier, Mitglied 1797–1835); Broun, Dr. (Geheimrat, Mitglied 1796/97–1811); Brüstlein (Bankier im Bankhaus Schickler, Mitglied 1800–1866?, vermutl. Johann/Hans Jacob/Jakob Brüstlein, 1758–1822); Buch, Adolph Friedrich v. (1732–1811, Kammerherr, Legationsrat, Mitglied 1796/97–1811, Prüfungskommissar 1797–1800); Buggenhagen, Julius Heinrich v. (1768–1827, Staatsminister, Mitglied 1796/97–1800); Burg­hoff (Geh. Oberfinanzrat, Mitglied 1796/97–1814); Büsching, Johann Stephan Gottfried (1761–1833, Stadtpräsident, später Bürgermeister und Oberbürgermeister von Berlin, Mitglied 1806–1833?); Butze (Kaufmann, Mitglied 1796–?, Prüfungskommissar 1796/97–1800); Clermon, Herr v. (Mitglied 1796/97–1840); Cohen (Bankier, Mitglied 1796/97–1817, möglicherweise Ernst Gustav Wilhelm [Ephraim/Eduard] Cohen, ca. 1768–1844; Baruch Jacob Cohen oder Nathan Cohen); Conrad (Hofprediger, Mitglied 1796/ 97–1800; vermutl. Christian Friedrich Conrad, 1743–1811; oder Carl Ludwig Conrad, 1738– 1804, beide Hofprediger); Couton (Kaufmann, Mitglied 1800–1813); Corswand, v. (OberstWachtmeister, Mitglied 1796/97–1806); Crantz (Kriegsrat, Mitglied 1796/97–1799); Crantz, Frau (Mitglied 1796/97–1799); Crudelius (Kaufmann, Mitglied 1796/97–1817); Daniels, Dr. (Arzt, Mitglied 1804–1806); Dannenberg (Schuhmacher, Mitglied 1801–1806); Decker, Georg Jakob (1732–1799, Verleger, Buchhändler, Geh. Ober-Hofbuchdrucker, Mitglied 1796/97–1799); Decker jun., Georg Jacob (1765–1819, Hof-Buchdrucker, Mitglied 1796/97–1816); Decker (Garnisons-Auditeur, Mitglied 1797–1800); Decker (Tischler, Mitglied 1801–1806); Dieckmann (auch Diekmann oder Dickmann) (Schneidermeister, Mitglied 1796/97–1802, Prüfungskommissar 901

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1796/97–1802); Diederich (Buchdrucker, Mitglied 1796/97–1800); Dietrich (Oberkonsistorialrat, Mitglied 1796/97–1798); Doering (gest. 1804, Geh. Kriegsrat, Mitglied 1796/97– 1804, Prüfungskommissar 1798–1804); Dohna (-Schlobitten), Friedrich Ferdinand Alexander Graf zu (1771–1831, Kammergerichts-Referendar, später Kriegs- und Domänenrat bei der Kgl. Ostpreußischen Kammer, Mitglied 1796/ 97–1798, Prüfungskommissar 1796/97–1798); Dohna, Heinrich Ludwig Graf zu (1772–1833, Kammergerichts-Referendar, Mitglied 1796/ 97–1799, Prüfungskommissar 1796/97–1798); Döllen, Ernst Christoph (1747–1809, Kaufmann und Bankier, Mitglied 1805–1809); Eger­land (Schuhmacher, Mitglied 1797–1813); Einsiedel, Ferdinand Graf v. (1755–1833, Referendar bei der Kurmärkischen Kammer, Mitglied 1797–1799); Eisenberg, Friedrich Philipp (1756–1804, Geh. Kriegsrat, Jurist, 1794–1804 Berliner Polizeipräsident bzw. Stadtgerichtspräsident, Mitglied 1796/97–1804, Direktor 1798–1804); Engel (gest. 1820, Kaufmann, Mitglied 1802–1820, Prüfungskommissar 1804–1820); Eysenhardt sen. (Kaufmann, Mitglied 1796/97–1814); Eysenhardt jun. (Kaufmann, Mitglied 1796/97–1813); Falkenberg (Rendant, Mitglied 1812–1840); Feldmann, N. (Geh. Kriegsrat, Mitglied 1796– 1801, Direktor 1796–1799); Fretzdorf (Seidenknopfmacher, Mitglied 1801–1813, Prüfungskommissar 1801–1803); Friedländer, Michael (1767–1824, Dr. med., Arzt, Mitglied 1798–1801); Frick, Georg Christoph (Münzmeister, Medailleur, Mitglied 1796/97–1817); Gentz, Johann Friedrich (1726–1810, GeneralMünzdirektor, Mitglied 1797–1811); George, Benjamin (1739–1823, Kaufmann, Destillateur, Mitglied 1796/97–1823); Gerresheim, Carl August (1735–1821, Geheimrat, Stadtgerichtspräsident bzw. -direktor, Justizbürgermeister, Mitglied 1796/97–1821, Kassenverwalter 1799–1804, Direktor 1804–1821); Gertung (Schuhmacher, Mitglied 1796/97–1798); Gilbrecht, I. I. (Schneider, Mitglied 1803– 1813); Girard (auch Gérard) (1746–1828, Samt902

und Seidenfabrikant, Mitglied 1796/97–1817); Goldbeck (und Reinhart), Heinrich Julius v. (1733–1818, Großkanzler und Justizminister, Mitglied 1796/97–1818); Goßler, Christoph (1752–1811, Geh. Revisionsrat, Mitglied 1796/ 97–1816?); Götz, Theodor Friedrich Frhr. v. (1750–1824, Generalmajor, Mitglied 1797– 1806); Graff (Münz-Wardein, Mitglied 1796/ 97–1801); Grell, August Wilhelm (Geh. Sekretär, Sekretär der Gesellschaft 1798–1818); Grieneisen (gest. 1833, Tischlermeister, Mitglied 1798–1833, Prüfungskommissar 1798– 1833); Grieninger, Johann Georg (1716–1798, Geheimrat, Direktor der Kgl. Preuß. Porzellan-Manufaktur, Mitglied 1797–1799, Prüfungskommissar 1796/97–1799); Grieninger (Hofrat, Mitglied 1796/97–1816, Prüfungskommissar 1796/97–1799); Grothe (auch Groothe), August Friedrich (1753–1815, Geh. Oberfinanz-, Kriegs- und Domänenrat, General-Lotterie-Administrator, Mitglied 1797/ 1804–1814); Gruner, Karl Justus v. (1777– 1820, Geh. Staatsrat, Polizeipräsident von Berlin, Mitglied 1811–1813); Halle, v. (Bankier, Mitglied 1805–1840, vermutl. Wolff Samuel v. Halle, 1758–1839, ab 1811 Rentier; mög­ licherweise auch E. A. v. Halle; Salomon Joel/ Friedrich Gottlieb Theophil v. Halle oder Wolf Elias v. Halle); Haase (Stadtrat, Mitglied 1814?–1821?, Prüfungskommissar 1814–1821, möglicherweise Daniel Ludwig Haase, Seifensiedermeister, verm. 1782–1843); Hagen, Thomas Philipp von der (1729–1797, Theologe, Oberkonsistorialpräsident, Mitglied 1796/97); Hagen, Christoph Friedrich Wilhelm Graf vom/von der (Finanzrat, Mitglied 1796/97– 1813); Hanstein, Gottfried August Ludwig (1761–1821, Theologe, Propst, Mitglied 1812– 1822?); Harnecker (auch Harneker) (Schlossermeister, Mitglied 1796–1811, Prüfungskommissar 1796–1806); Hecht (Kam­mer­ge­richts­ referendar, Mitglied 1797–1802/03, Prüfungskommissar 1797–1803); Hecker, Andreas Jakob (1746–1819, Theologe, Oberkonsistorial­ rat, Mitglied 1796/97–1816); Heide (Bäcker, Mitglied 1796/97–1799); Heidenreich, Johann

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Carl August (1762–1809, Geh. Obertribunalrat am Kammergericht, Mitglied 1796/97– 1804); Heim, Ernst Ludwig (1747–1834, Geheimrat, Hofrat, Arzt, Mitglied 1811–1834); Heimert (Rentmeister, Mitglied 1796/97– 1817); Heinitz, Friedrich Anton v. (1725–1802, Staatsminister, Oberberghauptmann, Mitglied 1799–1802); Heitmann (Posamentier, Mitglied 1796/97?–1806?, Prüfungskommissar 1796/97– 1806); Hellwig (Farbenfabrikant, Mitglied 1799–1813, Prüfungskommissar 1800–1804); Herold (Kaufmann, Mitglied 1797–1816); Hertel (Schuhmacher, Mitglied 1796/97–1798); Hesse, Paul (Kaufmann, Mitglied 1796/97– 1817); Hesse, Cornelius (Kaufmann, Mitglied 1796/97–1817); Hillmer (auch Hilmer), Gottlob Friedrich (1756–1835, Geheimrat, Rat des Oberschulkollegiums Berlin, Mitglied 1796/ 97–1799); Himburg, Christian Friedrich (Buch­ binder, Verleger, Mitglied 1796/97–1816); Himburg, Frau (Mitglied 1803–1813); Hirsekorn (gest. 1844, Kaufmann, Mitglied 1815?– 1844?, Prüfungskommissar 1815–1844); Hoeffke (gest. 1803, Destillateur, Mitglied 1797?– 1803?, Prüfungskommissar 1797–1803); Holske, Frau (Mitglied 1796/97–1817); Hordt, Johann Ludwig Graf v. (1719–1798, Generalleutnant, Gouverneur der Zitadelle Spandau, Mitglied 1796/97–1798); Hotho, Thomas Heinrich (gest. 1848, Kaufmann, Fabrikant, Mitglied 1796/97–1848); Hubert (Amtsrat, Mitglied 1804–1813, vermutl. Karl August Hubert, Amtsrat in Zossen); Humbert, Paul (1732–1824, Geheimrat und Obergerichtsrat, Geh. Rat beim Französischen Departement, Mitglied 1797–1811); Humbert (Direktor, Mitglied 1799–1854 oder 1845, vermutl. Jean Paul Humbert, 1766–1831, Unternehmer, Stadtverordneter); Hurting (auch Hurtin oder Hürting) (Goldsticker, Mitglied 1796/97–1817, Prüfungskommissar 1796–1804); Irwing, Carl Franz v. (1728–1801, Theologe, Oberkonsistorialrat, Mitglied 1796/97–1801); Itzig (Bankier, Mitglied 1796/97–1818?, möglicherweise Isaak Daniel Itzig, 1750–1806, Oberhofbankier, Mitbegründer der Cauerschen An-

stalt; oder Daniel Itzig, 1723–1799, Bankier, Vorsteher der Jüdischen Gemeinde von Berlin); Itzig, Frau (Mitglied 1811–1812); Jacobi (Kaufmann, Mitglied 1796/97–1816, Prüfungskommissar 1796–1800); Jacquier (Kaufmann, Mitglied 1804?–1806?, Prüfungskommissar 1804–1806); Jagdmann (Bau-Inspektor, Mitglied 1798–1813); Jahn (Schneider, Mitglied 1796/97–1801); Jordan, Paul Antoine (1764–1814, Kaufmann, Oberst und Chef der Bürgergarde, Mitglied 1798–1814, Direktor 1807–1814); Jordan (Justizkommissar, Mitglied 1799–1813, vermutl. Immanuel Gottfried v. Jordan, 1739–1805, Geh. Obertribunalrat und Oberjustizrat; oder Carl Ludwig Jordan, 1769– 1853, Kammergerichtsrat); Kalck­reuth, Friedrich Adolf v. (1737–1818, Generalfeldmarschall, Mitglied 1812–1819); Keyserling (auch Kaiserling), Archibald Graf v. (1759–1829, Kammerherr, Hofmarschall des Prinzen Ludwig/Louis v. Preußen bzw. von dessen Ehefrau bis 1798, Mitglied 1798–1801); Kirchner (gest. 1829, Schullehrer, Mitglied 1800–1829?, Prüfungskommissar 1800–1829); Kirchner, Herr (Mitglied 1812–1815); Klaproth, Martin Heinrich (1743–1817, Professor, Apotheker und Chemiker, Mitglied 1796/97–1818); Klevenow, Johann Christian Philipp (v.), (1744– 1818, Geh. Finanzrat im Generaldirektorium, Mitglied 1797–1820); Klewitz, Wilhelm Anton v. (1760–1838, Geh. Staatsrat, Jurist, Mitglied 1812–1817); Klipfel (Geheimrat, Mitglied 1796/97–1817, vermutl. Carl Wilhelm Klipfel, 1764–1827, Mitarbeiter der Kgl. Preuß. Porzellan-Manufaktur; oder Carl Jacob Christian Klipfel, 1726/27–1802, Porzellanmaler, Mitdirektor der Kgl. Preuß. PorzellanManufaktur); Kluge, Johann Daniel (1739– 1797, Geh. Kriegsrat, Archivar im Geheimen Archiv, Mitglied 1797); Köhler (Kaufmann, Mitglied 1796/97–1811); Köhler, Johann Gottfried (Justizkommissar, Mitglied 1800– 1813); Kolscher, Johann Friedrich (ProviantKommissar, Mitglied 1799–1813); Körner (Kaufmann, Mitglied 1798–1814); Kolbe (Kaufmann, Mitglied 1812?–1844?, Kassenverwalter 903

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

1812–1844); Könemann (Servis-Rendant, Mitglied 1796/97–1800); Können (Geh. Justizrat, Mitglied 1796/97–1817); Kraatz, Jacob (Geh. Secretär, Mitglied 1796/97–1813); Krüger (Geh. Baugerichtsrat, Mitglied 1796/97–1802, vermutl. Andreas Ludwig Krüger, 1743–1822, Architekt, Kupferstecher); Krüger (Friseur, Mitglied 1797?–1828?, Prüfungskommissar 1797–1828); Krusemarck (auch Krusemack oder Krusemark), v. (Major, Mitglied 1796/97– 1813, vermutl. Friedrich Wilhelm Ludwig Baron v. Krusemarck, 1767–1822, Generalleutnant, preuß. Gesandter in Wien); Küster, Johann Emanuel (1764–1833, Geh. Kriegsrat, Mitglied 1796/97–1798/1814?); Küster (Kircheninspektor, Mitglied 1797–1814?, Prüfungskommissar 1797–1814); Kypke (auch Knypke), Johann Christoph (Kriegsrat, Mitglied 1796/97–1798); Krause (Fabrikant, Mitglied 1799–1813); L’Estocq, Anton Wilhelm (1738–1815, Generalleutnant, 1808 Gouverneur der Berliner Residenz, Mitglied 1812– 1813); Labes, Frau Geheimrat v. (Mitglied 1796/97–1811); Ladenberg, Johann Andreas Philipp (v.), (Kriegs- und Domänenrat, später Staatsminister, Mitglied 1812–1819); Lambateur (Emailleur, Goldschmied, Mitglied 1798– 1813, Prüfungskommissar 1800–1804); Lamprecht, Johann Friedrich (v.), (1733–1807, Geh. Obertribunalrat, Mitglied 1796/97–1813?); Larché (Friseur, Mitglied 1797?–1800?, Prüfungskommissar 1797–1800); Laspeyre (Fabrikant, Mitglied 1796/97–1813, vermutl. Johann Ernst Laspeyre, 1770–1845); Le Coq, Paul Ludwig (1773–1824, Geh. Legationsrat, Berliner Polizeipräsident, Mitglied 1797–1813); Leichtenschlag (Schuhmacher, Mitglied 1800– 1813); Lentz (Geh. Kriegsrat, Mitglied 1796/97–1801); Leßmann (vermutl. Leffmann), (Bankier, Mitglied 1805–1813); Leveaux (Kaufmann, Mitglied 1796/97–1813); Levin (Bankier, Mitglied 1798–1813); Liebermann, v. (Hauptmann, Mitglied 1796/97–1813); Liebmann (Bankier, Mitglied 1796/97–1806, möglicherweise Abraham Nathan Liepmann/ Liebmann, später Carl August Liman, 1767– 904

1837; Jacob Liebmann, Julius Liebmann oder Hirsch Nathan Liepmann/Liman); Lindemann (Schulvorsteher, Mitglied 1800–1860, Prüfungskommissar 1800–1860); Linke (Bankier, Mitglied 1797–1811); Löhdar (Kaufmann, Mitglied 1796/97–1827); Loeser (auch Löser), J.  E. (Lederhändler, Kürschner, Mitglied 1798–1814, Prüfungskommissar 1798– 1805); Loewen (auch Loewe, Löwe) Samuel Liepmann (1747–1827, Bankier, Mitglied 1801–1827, Prüfungskommissar 1803–1827); Lohse (Stadtverordneter, Mitglied 1814?– 1821?, Prüfungskommissar 1814–1821); Loos, Daniel Friedrich (1735–1819, Hof-Medailleur, Münz-Kassierer, Mitglied 1796–1804?, Prüfungskommissar 1796–1804); Loos, Gottfried Bernhard (1773–1843, (Hof-?)Medailleur, Mitglied 1797–1813?, Prüfungskommissar 1796–1800/1804 bzw. 1800–1802); Loos, Friedrich Wilhelm (1767–nach 1819, (Hof-?) Medailleur, Mitglied 1797–1813?, Prüfungskommissar 1796–1800/1804 bzw. 1800–1802); Lortzing (Fabrikant, Mitglied 1799–1813, möglicherweise Johann Gottlieb Lortzing, 1775–1841, Lederhändler, Mitbegründer der Theatergesellschaft Urania); Löschebrand, Ernst Otto v. (gest. 1818/1819, Major, Kommandeur des Regiments Gens d’Armes, Mitglied 1796/97–1813); Louis, de (Färber, Mitglied 1797?–1802?, Prüfungskommissar 1797–1802); Ludolph (Kammerdirektor, Mitglied 1812– 1831); Magnus (Bankier, Mitglied 1812–1822?, vermutl. Immanuel Meyer Magnus, 1770– 1821, Begründer des Bankhauses Magnus in Berlin); Manteuffel (Auktions-Commissar, Mitglied 1796/97–1811); Mappes (Kaufmann, Mitglied 1804–1813); Marcuse (Bankier, Mitglied 1799–1813, vermutl. Jacob [Koppel] Marcuse, 1754–1828, Bankier und Gemeindeältester der Jüdischen Gemeinde Berlin); Marpurg, G. W. (Kaufmann, Bankier, Inhaber des Handels- und Bankhauses G. W. Marpurg & Co., Mitglied 1805–1824); Mathies, Paul (Mitglied 1798–1814); Mathis (auch Matthis oder Matthies), Frédéric Henri (gest. 1812, Justiz-Kommissar, Mitglied 1797–1812, Di-

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rektor 1807–1812); Matthis (gest. 1800, Kaufmann, Mitglied 1796–1800?, Prüfungskommissar 1796–1800, Direktor 1800); Matthieu (Gastwirt, Mitglied 1796/97–1814); Maurer (Buchhändler, Mitglied 1796/97–1814, Prüfungskommissar 1797–1799); Maywald (Rentier, Mitglied 1814?–1826?, Prüfungskommissar 1814–1826); Meinhoff (Knopfmacher, Mitglied 1796/97–1813, Prüfungskommissar 1797– 1809); Merkatz, Johann Friedrich Ludolf v. (1729–1815, Generalmajor, Mitglied 1796/97– 1807); Meyer (Fabrikant, Mitglied 1799– 1813); Michaelis (Schullehrer, Mitglied 1796– 1800, Prüfungskommissar 1796–1800); Moellendorff, Wichard Joachim Heinrich v. (1724– 1816, Feldmarschall, Mitglied 1796/97–1813); Möller (Geheimrat, Mitglied 1798–1802); Moses (Bankier, Mitglied 1797–1813, Prüfungskommissar 1798–1804, vermutl. H.  J. Moses); Mücke (Kaufmann, Mitglied 1798?– 1806?, Prüfungskommissar 1798–1806); Mühlhausen (Tischler, Mitglied 1800–1801); Müller (Friseur, Mitglied 1801–1812, Prüfungskommissar 1801–1812); Mundt (gest. 1806, AmtsChirurg, Mitglied 1796–1800?, Prüfungskommissar 1796–1800); Mundt (Kaufmann, Mitglied 1796?–1801?, Prüfungskommissar 1796/ 97–1801); Neumann (Schullehrer, Mitglied 1797–1814, Prüfungskommissar 1796/97–1809); Neumann, J. C. (Hof- und Banko-Courtier, Mitglied 1796/97–1814); Obermann (PolizeiKommissar, Mitglied 1797–1813); Oeding (gest. 1821, Kammer- und Kriegsrat, Stadtkämmerer, Mitglied 1798–1821/22?, Kassenverwalter 1798/ 99–1807, Direktor 1807–1821); Oertel (Zimmermeister, Mitglied 1802–1823); OstenSacken, Christiane Charlotte Sophie Fürstin v., geb. v. Dieskau (1733–1811, Unternehmerin, Mitglied 1797–1811); Pappelbaum, Georg Gottlieb (1745–1826, Prediger, Archediakon der Nicolai- und Klosterkirche, Mitglied 1796/97–1826); Pannewitz, v. (Domherr, Mitglied 1796/97–1813, vermutl. Albrecht Wilhelm v. Pannewitz, Domherr zu Halberstadt); Ploen, Johann(es) Christian (Kgl. Preuß. Stallmeister, Mitglied 1796/97–1813); Plüschel

(Kaufmann, Mitglied 1812–1819); Podewils, Friedrich Werner Graf v. (1742–1804, Oberhof-Marschall, Kammerherr, Mitglied 1796/ 97–1804); Podewils, Herr v. (Mitglied 1796/ 97–1813); Preußen, (Friedrich Wilhelm Heinrich) August Prinz v. (1779–1843, Mitglied 1803–1813); Preußen, Prinzessin Ferdinand v. (Mitglied 1796/97–1812, vermutl. Prinzessin Anna Elisabeth Luise v. Brandenburg-Schwedt, 1738–1820, Ehefrau von Prinz August Ferdinand v. Preußen); Preußen, Friedrich Wilhelm  II., König v. (1744–1797, Mitglied 1796–1797); Preußen, Friedrich Wilhelm III., König v. (1770–1840, Mitglied zunächst als Kronprinz, dann als König 1797–1840); Preußen, (Friedrich) Heinrich (Ludwig), Prinz v. (1726–1802, Mitglied 1796/97–1802); Preußen, Prinzessin Heinrich v. (Wilhelmine, geb. Prinzessin v. Hessen-Kassel, 1726–1808, Mitglied 1796/97–1807/08); Preußen, (Friederike Sophie) Wilhelmine Prin­zessin v., Erbstatthalterin von Oranien (1747–1820, Mitglied 1812–1817); Prochaska, Herr (Mitglied 1804– 1813, möglicherweise Johann Prochaska oder Karl Daniel Prochaska, Kantoren an der Böhmischen Bethlehems-Kirche 1781–1800 bzw. 1800–1802); Quandt, v. (Kriegsrat, Mitglied 1796/97–1803); Radziwill, Luise Fürstin v., geb. Friederike Dorothea Luise Philippine, Prinzessin v. Preußen (1770–1836, Mitglied 1796/97–1817); Reck (auch Recke zu Stockhausen), Eberhard Friedrich Christoph Ludwig Baron v./v. der (1744–1816, Staats- und Justizminister, Präsident des Obertribunals, Mitglied und Präsident bzw. Erster Vorstand BBRI 1796–1815); Reck, von der (Kammerherr, Mitglied 1796/97–1821?, möglicherweise Carl Friedrich Leopold Frhr. v. d. Reck, 1746–1810, Direktor der Königlichen Oper); Reichardt, Fräulein (Mitglied 1812–1828); Reichert (Bankkassierer, Mitglied 1796/97– 1819); Reimann (Kaufmann, Mitglied 1798– 1825); Reisicke (Seifensieder-Meister, Seifenhändler, Mitglied 1798?–1809?, Prüfungskommissar 1798–1809); Reuß (zu Köstritz), Heinrich XLIV., Fürst v. (1753–1832, Kam905

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

merherr, Mitglied 1796/97–1813); Ribbeck, Konrad Gottlieb (1759–1826, Theologe, Oberkonsistorialrat, Propst an der Nikolai- und an der Marienkirche, Mitglied 1812–1828); Rick (gest. 1812, Kriegsrat, Hofstaats-Kassierer, Mitglied 1796/97–1812, Kassenverwalter 1804– 1812); Riedesel (von/zu Eisenbach), Frhr. v. (Mitglied 1797–1804); Riefenstahl (Lederhändler, Mitglied 1805–1813); Rieß (Juwelier, Mitglied 1805–1849); Ritter (Geheim-Sekretär, Mitglied 1801–1813); Ritze (gest. 1811, Schmiede-Altmeister, Mitglied 1797?–1811, Prüfungskommissar 1797–1811); Rochow, Friedrich Eberhard v. (1734–1805, Domherr, Gutsherr, Pädagoge, Mitglied 1798–1803); Rosenberg (gest. 1843, Kaufmann, Mitglied 1814?–1843, Prüfungskommissar 1814–1843); Rothe (Kriegsrat, Mitglied 1804–1813); Rotz (Schneidermeister, Mitglied 1800–1813, Prüfungskommissar 1800–1806); Rougier (Polizei-Commissar, Mitglied 1798?–1803?, Prüfungskommissar 1798–1803); Rugenhagen (vermutl. Rungenhagen), Frau (Mitglied 1796/ 97–1799); Sachs, S. (Lotterie-Einnehmer, Mitglied 1797–1799); Sack, Friedrich Samuel Gottfried (1738–1817, Theologe, Oberkonsistorialrat, Hofprediger, Mitglied 1796/97– 1813); Saltzmann, Johann Christian (1727– 1803, Geh. Kommerzienrat, Kaufmann, Mitglied 1796/97–1813?); Sasse sen. (Kaufmann, Mitglied 1797–1848); Sasse, Frau (Mitglied 1797–1813); Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Wilhelm Ludwig Georg Graf/Fürst v./zu (1770–1851, Oberkammerherr, Geh. Staatsrat, zeitweiliger Leiter der preuß. Polizei, später Polizeiminister, Mitglied 1812–1851); Schaerr (Hutmacher, Mitglied 1804–1805?, Prüfungskommissar 1804–1805); Schaffgotsch, Graf (Mitglied 1799–1806); Schellhorn (auch Schel­ horn), I. (Rats-Zimmermeister, Mitglied 1805–1806); Scherer (Hutfabrikant, Mitglied 1800–1813); Schertzer (Sekretär, Mitglied 1796/97–1799); Schlitz gen. von Görtz, Johann Eustach Graf v. (1737–1821, Diplomat, Minister, Mitglied 1796/97–1800); Schmettau, Friedrich Wilhelm Graf v. (1743–1806, Gene906

ralmajor, Kartograph, Mitglied 1796/97–1813?); Schmidt (Mühlenpächter, Mitglied 1815?–1826?, Prüfungskommissar 1815–1826); Schmidts (Geheimrat, Mitglied 1797–1813); Schnackenberg, Andreas Erdmann (Buchhalter an der Kgl. Preuß. Hauptbank, Mitglied 1796/97–1813); Scholtz v. Hermensdorff, Emilius (1735–1800, Geh. Obertribunalrat, Mitglied 1796/97– 1826?); Schrötter, Friedrich Leopold Reichsfrhr. v. (1743–1815, Staats- und Finanzminister, Mitglied 1812–1813); Schultze (Stadtverordneter, Mitglied 1814?–1829?, Prüfungskommissar 1814–1829); Schumann (Justizrat, Mitglied 1798–1814); Seiffert (Bäcker, Mitglied 1796/97–1814); Seligmann (Bankier, Mitglied 1798–1814, vermutl. Bernhard Seligmann, Warenmakler, 1771–1815); Sellenthin, Friedrich Wilhelm August v. (1730–1807, Geh. Legationsrat, Mitglied 1796–1807?, Direktor 1796–1807); Servus (Bäcker, Mitglied 1796/97–1801); Siebmann (v. Grunenthal), Friedrich Siegesmund (auch Sigismund) (1780– 1855, Geheimrat im Auswärtigen Departement, Publizist, Mitglied 1796–1799?, Kassenverwalter 1796–1799); Spielberger (Geheimrat, Mitglied 1796/97–1813, vermutl. Friedrich Ludwig Spielberger, Geh. Kanzleisekretär, Journalist); Spaltholz (Fabrikant, Mitglied 1801– 1813, Prüfungskommissar 1806–1809); Splittegast (Lehrer, Mitglied 1796/97–1814); Stahn (Knopfmacher, Mitglied 1797–1805?, Prüfungskommissar 1797–1805); Stier (Medailleur, Mitglied 1804–1813); Teichert (gest. 1835, Seifensieder-Meister, Mitglied 1799– 1835, Prüfungskommissar 1800–1835); Teichert (Brauer, Mitglied 1799–1813); Teller, Wilhelm Abraham (1734–1804, Theologe, Oberkonsistorialrat, Mitglied 1796/97–1804); Theden, Johann Christian Anton (1714–1797, Arzt, Generalchirurg, Mitglied 1796/97); Thielemann (gest. 1810, Tischlermeister, Mitglied 1798–1810, Prüfungskommissar 1798–1810); Thieleman, v. (Staatsminister, Mitglied 1796/ 97–1799); Thieme (Polizei-Commissar, Mitglied 1798?–1805?, Prüfungskommissar 1798– 1805); Tietz (Schaffner, Mitglied 1801–1813);

Berlinisches Bürgerrettungs-Institut [BBRI]

Thulemeier, Friedrich Wilhelm Frhr. v. (1735– 1811, Staatsminister, Mitglied 1798–1811); Treskow, Sigmund (Sigismund) Otto Joseph v. (1756–1825, Kaufmann, Bankier, Mitglied 1796/97–1813); Uhl (Strumpfwirker-Meister, Mitglied 1797?–1801?, Prüfungskommissar 1797–1801); Ulrici (Kaufmann, Mitglied 1801– 1806, vermutl. J. H. Ulrici, Inhaber einer Tabakfabrik); Unger, Johann Gottlieb Friedrich (1754– 1840, Hof-Buchdrucker, Mitglied 1796/97– 1813?); Vincke (auch Fincke, Vinke oder Vinck), Friedrich Ludwig Wilhelm Philipp Frhr/Baron v. (1774–1844, Kammerreferendar, 1798 Landrat in Minden, 1809 Kammerpräsident in Potsdam, Mitglied 1796–1798, Prüfungskommissar 1796–1798); Voigt (Schuhmacher, Mitglied 1798?–1800?, Prüfungskommissar 1798– 1800); Voß, Johann Friedrich (Geh. KanzleiSekretär in der Seehandlungs-Societät, Mitglied 1796/97–1800); Voß, Sophie Wilhelmine Charlotte Marie Gräfin v., geb. Pannwitz (1729–1814, Oberhofmeisterin, Mitglied 1812– 1813); Wackenroder, Christoph Benjamin (gest. 1809, Geh. Kriegsrat, Justiz-Bürgermeister, Mitglied 1800–1809); Walter (Prof. Dr., Mitglied 1799–1813, Prüfungskommissar 1800–1802, möglicherweise Gottl. Friedrich (?) Walter, Gymnasiallehrer); Wartensleben, Wilhelm Carl v. (1740–1817, Kammerherr, Kgl. Preuß. Schlosshauptmann, Mitglied 1796/97– 1813); Waßing, v. (Geheimrat, Mitglied 1796/ 97–1813); Weber (Kaufmann, Mitglied 1796/ 97–1813); Wegener (Kleidermacher, Mitglied 1805–1806); Weidmann (Ober-Lotterie-Einnehmer, Mitglied 1796/97–1811); Weitzel, Wilhelm Ludwig (Stadt- und Kriegsrat, Mitglied des Berliner Armendirektoriums, Mitglied 1798–1801); Weiße (Hof-Courtier, Mitglied 1805–1813); Welper, Carl Friedrich (1750–1816, Kaufmann, Fabrikant, Mitglied 1796/97–1813); Weltzien (Geh. Sekretär, Mitglied 1814?–1816?, Prüfungskommissar 1814– 1816); Wernecke (Lederhändler, Mitglied 1805–1806); Wesenberg (Kaufmann, Mitglied 1800–1813); Wichmann, Johann Friedrich (Bildhauer, Mitglied 1796/97–1804); Wickert

(Kaufmann, Mitglied 1800–1801); Wickins (Kriegsrat, Mitglied 1798–1802); Wigaardt (auch Wigaart), Christian Ernst (Tabakfabrikant, Mitglied 1796/97–1810); Wingerski, Graf v. (Kammerherr, Mitglied 1796/97– 1805); Woderb (Kalkscheunenpächter, Mitglied 1796–1800?, Prüfungskommissar 1796– 1800); Woellner, Johann Christoph v., (1732– 1800, Staats- und Justizminister, Mitglied 1796/97–1800); Woltersdorf (Kaufmann, Mitglied 1811–1813); Würst (Brauer, Mitglied 1798–1801); Wyckersloot (auch Wyckersloth), Johann Arnold v. (Kammergerichts-Präsident, Mitglied 1796/97–1805); Zabel (Tischler, Mitglied 1796/97–1814); Zabel (PolizeiCommissar, Mitglied 1797?–1804?, Prüfungskommissar 1797–1804); Zenker, Johann Gottlieb (1759–1807, Professor, Chirurg, Mitglied 1798–1807); Zenker, Johann Gottlob Friedrich (1758–1826, Geh. Kriegsrat, Hofrat, Tresorier bei der Hofstaatskasse, Mitglied 1805– 1825); Zeschke, Carl Ludwig (Stadtverordneter, Mitglied 1802–1814); Zier (gest. 1808, Hofrat, Mitglied 1796–1808, Kassenverwalter 1796–1808); Zimmermann (Goldarbeiter, Mitglied 1798–1803, vermutl. J. F. Zimmermann); Zöllner, Johann Friedrich (Theologe, Konsistorialrat, Mitglied 1796/97–1813). – c) Korporative Mitglieder (bis 1815): Bank- und Handelshaus Gebrüder Schickler (Mitglied 1801–mindestens 1896); Brunzlow und Prätorius (Tabakfabrikanten, Mitglied 1801–1840); Casino-Gesellschaft, Direktion (Mitglied 1796/ 97–1817); Gasthaus zur Stadt Rom (Mitglied 1796/97–1801); Gebrüder Baudouin (Mitglied 1800–1804); Goldschmiede-Innung (Mitglied 1798–1813); Herren Kersten und Saust (Mitglied 1806–1822); Herren Rouvet und Kolbe (Mitglied 1805–1830); Kaufleute Fickert und Reinhardt (Mitglied 1803–1813); Kaufleute Naumann und Bernhard (Mitglied 1798– 1813); Loge Royal-York (Mitglied 1796/97– 1874); National-Freimaurer-Loge „Zu den drei Weltkugeln“ (Mitglied 1797 bis mindestens 1896); Ober-Medicinal-Collegium (Mitglied 1797–1813); Posamentier-Gewerk (Mitglied 907

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

1801–1813); Schneider-Gewerk (Mit­ glied 1801–1840); Schuhmacher-Gewerk (Mitglied 1801–1813). – d) Einzel- und korporative Mitglieder (nach 1815): Ein Verzeichnis fast aller Mitglieder des BBRI für die Jahre zwischen 1815 und 1896 findet sich im oben erwähnten Verzeichnis von 1896. Für die Zeit nach 1830 liegen zudem weitere Mitgliederverzeichnisse vor, die als Anhang in den jeweiligen Berichten des BBRI publiziert wurden. Querverweise auf andere Vereine: Das BBRI war eng verbunden mit anderen Berliner Gesellschaften, Vereinen, Logen und vermutlich auch privaten Theatervereinen (Fabrikant Lortzing in der  Urania). Viele Mitglieder des BBRI gehörten auch anderen Berliner Gesellschaften an. Nachweisbar sind solche Mehrfachmitgliedschaften unter anderem für mehrere Freimaurerlogen, die Preußische Akademie der Wissenschaften (Martin Heinrich Klaproth, Christoph Wilhelm Hufeland), die  Sing-Akademie (u. a. Bornemann, auch Mitglied der  Liedertafel und der  Turngesellschaft), die  Casino-Gesellschaft (u. a. Friedrich Wilhelm Graf v. Arnim(-Boitzenburg), die  Mittwochsgesellschaft (Johann Friedrich Zöllner), den  Montagsclub (u. a. Martin Heinrich Klaproth, Wilhelm Anton v. Klewitz, Johann Friedrich Zöllner), die  Gesellschaft der Freunde der Humanität (Bein, Martin Heinrich Klaproth), die  Militärische Gesellschaft (Friedrich Wilhelm Herzog v. Braunschweig-WolfenbüttelOels), die  Gesetzlose Gesellschaft (Nr.  1) (Ernst Ludwig Heim), die  Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) (Bankier Brüstlein, Ernst Ludwig Heim), die  Gesellschaft naturforschender Freunde (u. a. Ernst Ludwig Heim, Martin Heinrich Klaproth, Johann Friedrich Zöllner), die  Gesellschaft für Natur- und Heilkunde (Martin Heinrich Klaproth), die  Pharmaceutische Gesellschaft (Martin Heinrich Klaproth), die  Philomatische Gesellschaft (Martin Heinrich Klaproth), die (jüdische)  Gesellschaft der Freunde (Bankier Cohen, Dr. 908

Michael Friedländer, Bankier v. Halle, Bankier Itzig, Bankier Liepmann, Bankier Loewe), oder die  Märkische Ökonomische Gesellschaft in Potsdam (Amtsrat Hubert, Eberhard v. Rochow). Besonders eng war naturgemäß der Bezug zu jenen Gesellschaften, die wie die Casino-Gesellschaft oder die Freimaurerloge Royal York dem BBRI als korporative Mitglieder angehörten. Bibliographie: a) Archivquellen: GStA PK, I.  HA, Rep.  74, Staatskanzleramt, J  XVI, Nr.  11. – GStA PK, I. HA, Rep. 76 alt III Nr. 363 (Acta betr. die der Gesellschaft zum Bürger-Rettungs-Institut gegebene Erlaubnis, ihre Zusammenkünfte auf der Akademie zu halten, 1796). – b) Zeitgenössische Zeitungen, Zeitschriften und Periodika: Berliner Adressbücher der Jahre 1799 bis 1943. [Online: http://www.zlb.de/besondere-angebote/ berliner-adressbuecher.html]. – Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Berlin (Haude & Spenersche Ztg.). – Nachricht von der Verfassung der von Sr. Königl. Majestät allergnädigst bestätigten Gesellschaft zur Rettung Berlinischer in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger. Berlin, bey Dieterici, 1796. In: Neue allgemeine deutsche Bibliothek 36, 2 (1798), S. 463–465. – Jahrbücher der preußischen Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms  III. Berlin 1798–1801 (jeweiliger Eintrag: Das Berlinische Bürgerrettungsinstitut). – c) Drucksachen und Festschriften (chronologisch): Nachricht von der Verfassung der von Sr. Königl. Majestät allergnädigst bestätigten Gesellschaft zur Rettung Berlinischer in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger. Berlin 1796. – Neueste Nachricht von der Verfassung der von Sr. Königl. Majestät allergnädigst bestätigten Gesellschaft zur Rettung Berlinischer in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger. Berlin 1818. – Bericht über den Zustand und die Wirksamkeit des Berlinischen Bürgerrettungs-Instituts seit dem Schlusse des Jahres 1817, verlesen in der 44sten Gene-

Berlinisches Bürgerrettungs-Institut [BBRI]

ral-Versammlung am 4ten August 1822. Berlin o. J. [1822]. – Bericht über die Wirksamkeit des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts vom 2.  Januar 1830. Berlin o. J. [1830]. – Bericht über den Zustand und die Wirksamkeit des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts im Januar 1837. Berlin o. J. [1837]. – Bericht über den Zustand und die Wirksamkeit des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts im Januar 1840. Berlin o. J. [1840]. – Bericht über den Zustand und die Wirksamkeit des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts im Januar 1845. Berlin o. J. [1845]. – Geschichte des Bürger-Rettungs-Instituts in Berlin während der ersten 50 Jahre seines Bestehens. Berlin 1846. – Bericht über den Zustand und die Wirksamkeit des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts im Januar 1848. Berlin o.  J. [1848]. – Bericht über den Zustand und die Wirksamkeit des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts im Januar 1851. Berlin o.  J. [1851]. – Festschrift zur 100jährigen Jubelfeier des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts. Berlin 1896. – Bericht über die Wirksamkeit des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts und der mit demselben verbundenen Stiftungen pro 1894 bis einschliesslich 1899. Berlin 1900. – Bericht über die Wirksamkeit des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts und der mit demselben verbundenen Stiftungen pro 1900 bis einschliesslich 1905. Berlin 1906. – Bericht über die Wirksamkeit des Berlinischen Bürger-Rettungs-Instituts und der mit demselben verbundenen Stiftungen pro 1906 bis einschliesslich 1911. Berlin 1912. – d) Zeitgenössische Literatur: Gädicke, Johann Christian: Bürger-Rettungs-Institut. In: Ders.: con von Berlin und der umliegenden Lexi­ Gegend. Enthaltend alles Merkwürdige und Wissenswerthe von dieser Königsstadt und deren Gegend. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806, S. 91–92. – Lisco, Friedrich Gustav: Das Bürgerrettungs-Institut. In: Ders.: Das wohlthätige Berlin. Geschichtlich-statistische Nachrichten über die Wohlthätigkeits-Uebung Berlin’s. Berlin 1846,

S. 129–136. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend, enthaltend eine kurze Nachricht von allen daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. Berlin 1799, S. 146. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend, enthaltend eine kurze Nachricht von allen daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. Berlin 1816, S. 147. – Rei­chard, Heinrich August Ottokar: Der Passagier auf der Reise in Deutschland, in der Schweiz, zu Paris und Petersburg. Zweite Abtheilung. Berlin 18114, S. 892. – Rumpf, Johann Daniel Philipp: Das Bürgerrettungs-Institut. In: Ders.: Berlin und Potsdam. Eine vollständige Darstellung der merkwürdigsten Gegenstände. Erstes Bändchen, Erster Theil: Berlin. Berlin 1804, S. 415–417. – Zedlitz, Leopold Frhr. v.: Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einheimischen und Fremden aller Stände. Berlin 1834, S. 334–340 – e) Ausgewählte Sekundärliteratur zur Armenfürsorge in Berlin um 1800: Hüchtker, Dietlind: „Elende Mütter“ und „liederliche Weibspersonen“. Geschlechterverhältnisse und Armenpolitik in Berlin (1770–1850). Münster 1999. – Pokiser, Arno: Armut und Armenfürsorge in Berlin 1800–1850. Von den Schwierigkeiten im Umgang mit neuen Phänomenen. In: Luisenstädter Bildungsverein (Hg.): Neue Streifzüge in die Berliner Kulturgeschichte. Von Arbeitern und Armen, Schriftstellern und Schützen, Spaßvögeln und Streithähnen, Vereinen und Verkehrswegen. Berlin 1995, S. 19–85. – Radtke, Wolfgang: Armut in Berlin. Die sozialpolitischen Ansätze Christian von Rothers und der Königlichen Seehandlung im vormärzlichen Preußen. Berlin 1993. – Sachße, Christoph / Tennstedt, Florian: Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum 1.  Weltkrieg. Stuttgart, Berlin, Köln 19982. – Scarpa, Lu909

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

dovica: Gemeinwohl und lokale Macht. Honoratioren und Armenwesen in der Berliner Lui­senstadt im 19. Jahrhundert. München u. a.

1995. – Schultz, Helga: Berlin 1650–1800. Sozialgeschichte einer Residenz. Berlin 1987, S. 311–319.

Jens Thiel

Armen-Speisungs-Anstalt [ASA] Name: Armen-Speisungs-Anstalt; Suppenanstalt für Arme. Die Anstalt wurde 1923 in Wohlfahrtsspeisungs-Anstalt zu Berlin und 1929 in Wohlfahrtsspeisung zu Berlin e.V. umbenannt. Gründung: Jahreswende 1800/1801. Bestand: Bis 1933 (?) [die Akten im LAB reichen bis Februar 1927]. Programmzitat: „Die hiesige Armen-Speisungs-Anstalt hat den Zweck, die armen und bedürftigen Einwohner von Berlin während der Wintermonate, wo der eigene Unterhalt ihnen aus natürlichen Verhältnissen erschwert ist, täglich mit einem warmen Mittagessen, bestehend aus einer nahrhaften, sättigenden und wohlschmeckenden Suppe, unentgeltlich zu unterstützen, so weit als die Mittel der Anstalt dazu ausreichen. / Die Anstalt beruht, in Ansehung der zur Erreichung ihrer Zwecke erforderlichen Fonds und Geldmittel, lediglich auf den Wohlthätigkeitssinn der Bewohner Berlins und auswärtiger, ihr zugethaner Gönner und Beförderer. Sie veranstaltet dazu namentlich jährlich eine allgemeine Hauskollekte in hiesiger Stadt“ (§§ 1 und 2 der Statuten, 1842). Geschichte und Programmatik: Die Jahrhundertwende 1800/1801 soll den Stadtrat Christoph Karl Dracke, zusammen mit seinem Freund, dem Zeug-Kapitain und späteren Kriegs- und Steuerrat Simon Christoph Friedrich Buddée, zu einer besonderen Wohltätigkeitsausübung veranlasst haben. Ursprünglich wollte er in Schuldhaft einsitzende Familienväter durch Bezahlung ihrer Schulden aus dem Gefängnis befreien und den Familien ihre Ver910

sorger zurückgeben. Da sich aber nur einige „Banqueroutirer“ in Haft befanden, musste die Ausführung dieses Vorhabens unterbleiben. Dafür kamen die Freunde zu dem Entschluss, eine unentgeltliche Armen-Speisung einzurichten, um „auf diese Weise die Feier des Gedächtnisses an das neue Jahrhundert dauernd zu bezeichnen“ (Vorwort zu den Statuten, 1842). Durch Unterstützung zahlreicher Berliner Bürger konnte am 23. Dezember 1800 in zunächst zwei Kochanstalten in der Kochstraße und in der Sophien-Kirch-Gasse (der späteren Sophienstraße) mit der unentgeltlichen Verteilung warmer Suppe begonnen werden. Bis zum 1. April 1801 wurden täglich 160 Arme in den beiden Winter-Suppenküchen versorgt. Die Anstalt erhielt zunehmend mehr finanzielle Unterstützung und den Schutz des Königs. 1806 verzeichnet Gädicke bereits vier dieser wohltätigen Anstalten (neben derjenigen in der Kochstraße 32 noch weitere in der Wilhelmstr. 102, Contre-Escarpe 37 und Kaiserstr. 11); Mitte des Jahrhunderts gab es fünf (in der Landsbergerstraße Nr. 62; in der Krausenstraße Nr. 16; in der Großen Hamburgerstraße Nr. 19a; in der Köpenickerstraße Nr. 101 und in der Bergstraße Nr. 24), Ende des Jahrhunderts (1894) 15 Einrichtungen. Zeitweilig war eine der Anstalten im „Ansbachischen Palais“ (dem späteren Prinz-Albrecht-Palais) untergebracht, in dem ab 1812 die  Königin-LuiseStiftung logierte. „Jeder Arme, der sich zu einer solchen Unterstützung eignet, bekömmt in den 4 Wintermonaten täglich eine Portion guter nahrhafter Suppe, Sonntags mit Fleisch“ (Gädicke, S. 28). Vom 1. Dezember 1804 bis 31. März 1805 nahm die ASA 3.495 Reichs-

Armen-Speisungs-Anstalt [ASA]

Abb. 168  Hermann Scherenberg: Eine Berliner Volksküche, 1868.

taler ein, darunter eine Spende des Königs von 1.116 Reichstalern; hinzu kamen verschiedene Naturalien. „Davon wurden in diesen 4 Monaten täglich 2833 Personen gespeiset, nämlich mit Rumfordscher Suppe, Mehlsuppe, Linsen, Ertoffelsuppe, Buchweitzengrütze, Graupen und Erbsen, Grieß, Hirse, Fleisch mit Graupen an den Sonn- und Festtagen und Erbssuppe“ (ebd.). Im Winter 1812/13 erhielten 88 Tage lang täglich 2.815 Menschen eine warme Suppe (Nicolai, 1816, S. 152). Von Anfang des Jahres 1801 bis 1825 wurden 2.308.662 Por­ tionen Suppe gekocht. Mit verhältnismäßig geringem finanziellen Aufwand – eine Portion Suppe kostete nur wenige Pfennige – konnte eine große Unterstützungsleistung erreicht werden. Die Direktion übernahmen „angesehene Männer“ wie der Justizminister v. Kircheisen, der Geheime Oberfinanzrat Ransleben, der Oberbürgermeister Büsching und der Hauptvertreter der evangelischen Missi-

onstätigkeit in Berlin, Prediger Johann Jänicke. Für das Jahr 1824/25 sind 126 Beiträger, allen voran der König, verzeichnet, die zusammen 2.077 Taler Courant spendeten. 1825 besaß die ASA 1.950 Reichstaler Berliner StadtObligationen und 1.510 Banco-Obligationen, zusammen 3.460 Taler. Die ASA bildete laut ihrem ersten Statut vom 18. Oktober 1843 ein „von der hiesigen Kommunal-Armen-Verwaltung völlig getrenntes und für sich bestehendes unabhängiges Institut“, das „nur dem landesherrlichen OberAufsichtsrecht unterworfen“ war (§§ 3 und 4 der Statuten, 1843). Die Kosten wurden durch Zinsen aus dem Kapitalvermögen, Geschenke und Vermächtnisse sowie durch Hauskollekten und städtische Zuwendungen gedeckt. Struktur und Organisation: Die erhöhte Wirksamkeit und der gestiegene Verwaltungsaufwand der ASA machten es 1843 notwen911

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

dig, „dem ganzen Institute nunmehr eine bestimmte Verfassung zu geben, und durch das […] Grundgesetz eine sichere Norm seiner Wirksamkeit vorzuschreiben“. Danach bestand das die Geschäfte leitende Direktorium aus elf Mitgliedern: neben den SpezialVorständen der einzelnen Koch-Anstalten aus „einem Vorsitzenden; einem Mitgliede, von welchem die schriftlichen Geschäfte, und einem Mitgliede, von welchem das Rechnungswesen der Anstalt beaufsichtigt wird; einem Rendanten zur Verwaltung des Kassenwesens; einem Mitgliede, welches in Behinderungsfällen eines oder des andern Mitgliedes dessen Stellvertretung übernimmt; so wie endlich aus einem Sekretair für alle schriftlichen Angelegenheiten der Anstalt“. Alle Funktionen waren ehrenamtlich, nur dem Sekretair wurde in „Betracht seiner größern Mühwaltung, eine verhältnißmäßige jährliche Remuneration zuerkannt“ (Statuten, 1843, § 11). Die Hauptversammlung sämtlicher Direktionsmitglieder fand jährlich vor dem Beginn der Suppenverteilung unter Leitung des Direktionsvorsitzenden statt. „Die DirektionsMitglieder, welche Spezial-Vorstände der einzelnen Koch-Anstalten sind, haben über die gehörige Zubereitung der Suppe, die vorschriftsmäßige Verwendung der dazu bestimmten Materialien und über die ordentliche Vertheilung der Suppe zu wachen. Es ist nicht minder ihre Pflicht, für die ordnungsmäßige Benutzung der Kochlokale und Utensilien, so wie deren Reinigung und Erhaltung zu sorgen, und die Aufsicht über die in den Küchen fungirenden Köche und sonstigen Unterbedienten zu führen.“ „Jede von der Anstalt zu vertheilende und zur Sättigung eines Erwachsenen hinreichende Portion enthält Ein Quart Suppe, und wird mittelst einer, dieses Maaß haltenden Schöpfkelle unmittelbar aus den Kesseln in allen Koch-Anstalten gleichmäßig ausgetheilt. Halbe Portionen werden nicht verabreicht.“ „Zur Empfangnahme der Suppe werden nur diejenigen Armen zugelassen, welche eine gedruckte, auf 912

den bestimmten Tag lautende (und sonst ungiltige) Suppenmarke, deren Druck der Sekretair zu besorgen hat, aufzuweisen haben“ (ebd., §§ 22, 28, 29). Um „der Trägheit und Liederlichkeit einzelner Armen Vorschub zu leisten“, erfolgte die Markenverteilung unter Aufsicht der Armen-Direktion durch die Armen-Kommissionen (ebd., § 31). Sämtliche Unterbedienten der Anstalt, „wohin namentlich die Köche und Köchinnen, Abnehmer der Suppenmarken, Schäuerfrauen und sonstige Dienstboten gehören“ wie auch „die Receptoren, welche bei allgemeinen Hauskollekten das Einsammeln der milden Beiträge besorgen“, wurden von der Direktion jedes Mal nur auf unbestimmte Zeit mit einem entsprechenden Monatslohn eingestellt (ebd., § 33 und 34). Direktoren: Die Initiative zur Einrichtung der ersten Küche ging von Prediger Johann Jänicke aus. Er stand seit 1801 der Kochanstalt vor, die 1803 ins „Ansbachische Palais“ verlegt wurde. Der Geh. Oberfinanzrat v. Faudel, der eine Wohnung im Palais hatte, richtete die Küche auf eigene Kosten ein und übernahm die Mitvorsteherschaft dieser Anstalt. In den ersten Jahren wurde diese unterstützt von Prediger Kühze (Sophienkirche) und der Schlächterwitwe Schmidt, die das Kochen übernahm, gefolgt von Frau Querin (wohnhaft Wilhelmstraße). Neben Jänicke gehörten dem Vorstand an: der Justizminister Friedrich Leopold v. Kircheisen; der Oberbürgermeister und Präsident Johann Stephan Gottfried Büsching; der Geh. Finanzrat Johann Ludwig? Ransleben; der Stadtrat Christoph Karl Dracke. Rendant war der Regierungsrat Bräunlich, gefolgt von Rentier Jahn, Kaufmann und Fabrikant Bauer und (seit 1824) Stadtrat August Karl Friedrich Hollmann. – Im Jahr 1825 hatten nach dem Tod von Ransleben und Kircheisen das Vorsteheramt Wilhelm Fürst zu Sayn-WittgensteinHohenstein, Karl Friedrich Heinrich Graf v. Lottum, Büsching, Dracke, Jänicke, Schulze und Hollmann inne.

Gesellschaft der Armenfreunde [GdA]

Querverweise: Die  Französische und die deutsche Holzverteilungsgesellschaft von 1776 bzw. 1779. – Im Herbst 1816 wurde nach dem Ausfall der vorjährigen Ernte, die zu einer enormen Verteuerung des Brotes geführt hatte, ein Verein zur Versorgung der Dürftigen mit wohlfeilerem Brote gegründet. Die Ini­tiative ging von Fürst v. Wittgenstein, Fürst Hardenberg, Graf Bülow, Crelinger, Kamptz, Le Coq und Heydebreck aus. Die Direktion übernahmen v. Kircheisen, Ransleben, Büsching, Jänicke, Jahn, Schultze, Dracke – zum großen Teil die gleichen Personen, die der ASA vorstanden. „Die Verabreichung des Brotes erfolgt[e] nicht unentgeldlich, sondern nur gegen die jedesmalige baare Bezahlung einer Geldvergütigung, deren Höhe nach Maaßgabe der unvermeidlichen, durch die unterzeichneten fortlaufenden Beiträge nicht zu dekenden Selbstkosten möglichst gering festgestellt werden soll[te]. Der Zweck der Verteilung ist lediglich die Eröfnung einer Gelegenheit für die ärmere Volksklasse, sich mit dem bestimmten unentbehrlichen Nahrungs-Bedürfnisse des Brotes und zwar mit diesem ausschließlich, zu mäßi-

gen Preisen versehen zu können“ (Vorläufiger Entwurf des Plans zur Verteilung des, für hiesige arme Einwohner, auszubackenden wohlfeileren Brotes; LAB, A Rep. 060-48, Nr. 2, Bl. 1). Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: LA Berlin, A Rep. 003-06 (Magistrat der Stadt Berlin, Direktion der Armenspeisungsanstalten, 1824–1927, 64 Akteneinheiten). – b) Gedruckte Quellen: Berechnung der zur Armenspeisungs-Anstalt eingegangenen Beiträge: für das Jahr [1852/53–1870]. Berlin 1853–1870. – Fromm, Dr. B.: Die Wohlthätigkeits-Vereine in Berlin. Kurz skizziert. Berlin 1894, S. 54 f. – Gädicke, Johann Christian: Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend […]. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Berlin 1806, S. 27 f. – Lisco, Friedrich Gustav: Das wohlthätige Berlin. Geschichtlich-statistische Nachrichten über die Wohlthätigkeits-Uebung Berlin’s. Berlin 1846, S. 88–91. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend […]. Berlin 1816, S. 151 f.

Uta Motschmann

Gesellschaft der Armenfreunde [GdA] Name: (Berlinische) Gesellschaft der Armenfreunde; Gesellschaft der Berliner Armenfreunde. Gründung: 8. April 1803 (de facto bereits im März 1803). Bestand: Bis März 1804. Programmzitat: „Der Geist der ganzen beabsichteten Einrichtung ist: Armuth in ihren Quellen aufzusuchen, und diese zu verstopfen; durch Schulen und Erziehung auf die Kinder, durch angewiesene Arbeit auf Thätigkeit zu wirken“ (Über die Bestimmung […], in: Neue Berlinische Monatsschrift, 1, 1803, Juni, S. 412).

Geschichte und Programmatik: Anlass für die Gründung der GdA war ein Gutachten des Barons Caspar v. Voght, der im Auftrag des preußischen Königs 1802/03 die Berliner Armenanstalten besucht hatte. Der aus Hamburg stammende Kaufmann Voght (1752– 1839) war 1788 an der Gründung der Hamburgischen Armen-Anstalt beteiligt gewesen und im Mai 1802 vom Kaiser in Wien wegen seiner Verdienste um das dortige Armenwesen in den erblichen Freiherrenstand erhoben worden. Für seinen Bericht über das Berliner Armenwesen und seine Verbesserungsvorschläge schenkte ihm Friedrich Wil913

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

helm III. ein Tafelservice aus der Königlichen schränkt werden sollte (ebd., S. 405). Die BePorzellanmanufaktur. Voghts Gutachten hatte stimmung der GdA war nicht die Verbessedeutlich gemacht, dass das Berliner Armen- rung der bestehenden Armenanstalten, sondirektorium den Aufgaben nicht gewachsen dern „die Einrichtung der Armenpflege nach war und eine Verbesserung des Armenwesens anderen Zwecken, in einer andern Art, und nur durch bürgerschaftliches Engagement er- durch andere Mittel“ (ebd., S. 409). Der verreicht werden konnte, „durch die vereinte änderte Zweck sollte dahin gehen, „nur den planmäßige Thätigkeit freiwillig arbeitender zu unterstützen, in Ansehung dessen das Bevorzüglich guter Menschen aus allen Ständen, dürfniß durch genaue individuelle Untersudie von ihren Mitbürgern dazu erwählt, nur chung der aus den Einwohnern gewählten Sr Majestät und dem Publikum verantwort- Armenpfleger bestätigt ist. / Die veränderlich gemacht werden“ (Schreiben des Königs te Art der Armenpflege geht vorzüglich daan die GdA vom 28. März 1803, in: Ueber hin: daß nur in durchaus zur Ausnahme gedie Bestimmung […], S. 402). Anfang 1803 eigneten Fällen durch Geld unterstützt; sonst waren in Berlin 950 Männer, 3.235 Frauen aber demjenigen welcher arbeiten kann, Arund 2.978 Kinder Almosenempfänger. Voght beit; dem Kranken Arzenei, Pflege, und glaubte, dass es ausser den in öffentlichen An- Speise; den Kindern, Unterricht in Indus­ stalten verpflegten etwa 6.000 bis 7.000 er- trieschulen, und wo es nöthig ist, gesunde Nahrung, und Kleidung verschaft; und nur wachsene Arme in Berlin gäbe. Der König berief eine zehnköpfige Kommis- dann erst, wenn für alle diese Bedürfnisse gesion, die auf der Grundlage des Voghtschen sorgt ist, dem muthwilligen Bettler ein Platz Berichts einen entsprechenden Reform- zur Zwangsarbeit angewiesen werde“ (ebd., plan ausarbeiten sollte. Er hoffte in der Fol- S. 410 f.). Es ging demzufolge um eine weitge auf „einige hundert gute Menschen aus al- reichende Reformierung des Armenwesens len Klassen und Ständen“ (ebd.), die dieses mit einer vollkommen anderen Trägerschaft Geschäft freiwillig übernehmen würden, und und Aufgabenverteilung. Die königliche Ini­ hegte die Erwartung, dass durch die vereinten tiative bezweckte, die künftige Leitung der Bemühungen, „künftig keine Armen mehr Armenpflege „vertrauensvoll in die Hände Noth leiden, kein Müßiggänger der Gesell- der Bürger und Einwohner Berlins“ zu legen schaft mehr zur Last fallen und zuletzt dem (ebd., S. 408), d. h. die Aufgaben einer staatVerarmen gänzlich werde vorgebeugt werden“ lichen (königlichen) Einrichtung weitgehend (GStA PK, II. HA Abt. 14 Kurmark Mate­ „allen Klassen und Ständen“ (ebd., S. 402) rien Tit. CCII Armen-Sachen Sect. a Ber- der Berliner Einwohnerschaft zu übertragen, lin, Nr. 12, Bl. 4r). Voght, der auch den Na- die sich mit ehrenamtlichem und finanzielmen für die Gesellschaft vorgeschlagen hatte, lem Engagement einbringen sollte. Es sollsollte das Unternehmen beratend begleiten. ten keine Almosen verteilt, sondern die UrDas Armendirektorium wurde angewiesen, sachen von Armut beseitigt werden. Der Köder neuen Gesellschaft alle benötigten Aus- nig wollte die Anfangsfinanzierung überkünfte zu erteilen; das Polizei-Direktorium nehmen, dem Verein aber ansonsten nichts zur Unterstützung der Gesellschaft aufgefor- vorschreiben, sondern ihm alle Entscheidert. Nach Fertigstellung des Planes sollte die dungen überlassen. Die Bürger erhielten soGdA die „ganze Armenversorgung von Ber- mit nicht nur größere Rechte bei der praklin“, die bislang vom Armendirektorium ver- tischen Umsetzung der Armenfürsorge, sonwaltet wurde, übernehmen, während die Ar- dern ihnen wurde andererseits auch die Vermendirektion „auf die Administrazion der antwortung dafür aufgebürdet. Ein Jahr nach Kapitalien und der großen Anstalten“ einge- der Auftragserteilung legte die GdA im März 914

Gesellschaft der Armenfreunde [GdA]

1804 dem König den ausgearbeiteten Plan zur Beurteilung und Genehmigung vor. Sie regte außerdem an, den endgültigen Plan drucken zu lassen, um die öffentliche Meinung einzuholen. Nach Angaben der GdA hätten „300 Männer aus allen Klassen der Einwohner“ zu diesem Zeitpunkt bereits zugesagt, sich der Armenpflege widmen zu wollen (Christoph Goßler: Entwurf zu einem Versuch die

in Hamburg befolgte Methode der Armen-Versorgung zur Vervollkommnung der Armen-Anstalten in Berlin anzuwenden, 21. März 1803 – LA Berlin, A Rep. 003-01, Nr. 128). Danach scheint die GdA als Verein nicht mehr wirksam geworden zu sein. Der Plan blieb ohne Erfolg. Hinderungsgründe für dessen Umsetzung waren vermutlich die folgenden Kriegsereignisse, wohl aber auch Finanzierungsprobleme und mangelndes Engagement, gab es doch bereits mehrere gut funktionierende Gesellschaften zur Unterstützung der Armen, die sich über Spenden aus der Bevölkerung finanzierten. Am 16. April 1810 forderte der König die Generalia der Verhandlungen, welche die GdA im Jahr 1804 geliefert hatte, besonders deren Bericht und den des Barons v. Voght an, was auf eine erneute Beschäftigung mit den damaligen Plänen schließen lässt. 1819 wurde die Armenfürsorge schließlich in kommunale Obhut gegeben. Die Stadt wurde in Armenbezirke eingeteilt, die jeweils von einer Armenkommission betreut wurden. 1825 gab es in der gesamten Stadt 56 Armenkommissionen. Die Kommissionsmitglieder waren anerkannte Bürger, die meist auch in dem jeweiligen Bezirk wohnten (Scarpa, S. 28 ff.). Diese strukturelle Reform hatte ihre Wurzeln sowohl in dem Hamburger Modell als auch in den Plänen der GdA. Struktur und Organisation: Die GdA bestand vorerst nur aus einem Vorstand, dessen Mitglieder der König berufen hatte. Dieser sollte durch die Ausarbeitung eines Plans zur Reorganisation des Berliner Armenwesens auf Grundlage der Vogth’schen Erfahrungen

die künftige Arbeit der Gesellschaft vorbereiten. Dabei dienten die Hamburger Armeneinrichtungen und die Kieler Gesellschaft der Armenfreunde als Muster. Letztere gliederte ihre Arbeit in vier Hauptzweige der Armenpflege: eine „Versorgungskommission“ sollte die Versorgung der Armen mit dem Lebensnotwendigsten sichern; eine „Krankenkommission“ war für die Krankenbetreuung und die Gesundheitsvorsorge zuständig; eine „Arbeitskommission“ sollte den noch arbeitsfähigen Erwerbslosen eine angemessene Beschäftigung und der heranwachsenden Jugend Unterricht und Übung in nützlicher Tätigkeit verschaffen, um auch einer künftigen Verarmung entgegenzuwirken; eine „Schulkommission“ betreute die „Lehrschule“, in der sich Unterricht und Arbeit abwechselten. Der Gesellschaft war eine „Spar- und Leihkasse“ angegliedert. Alle Bereiche waren eng verzahnt, streng organisiert und kalkuliert. Eine „Abhörungskommission“ ermittelte zunächst die Bedürftigkeit. Ähnlich wie in Hamburg war die Stadt Kiel in Hauptbezirke und diese wiederum in mehrere Pflegebezirke eingeteilt, die von Vorstehern und Pflegern betreut wurden. Man arbeitete mit den Behörden, dem Armendirektorium und der Polizei, zusammen, war jedoch eigenständig und autonom; die Finanzierung erfolgte hauptsächlich durch freiwillige Beiträge der Bürger. – Die Berliner GdA sollte aus Ober-Vorstehern, aus vier Versorgungs-Ämtern und aus den Armenvätern zusammengesetzt werden. Alle diese Personen sollten gewählt werden. „Zu den Ober-Vorstehern, welche das Ganze leiten, sind Geschäftsmänner aus den verschiednen Fächern nothwendig, welche auf die Armen-Versorgung Einfluß haben, damit sie alle Kräfte und Kenntnisse in sich vereinigen. Jedes Versorgungsamt wird in mehrere Distrikte, und jeder Distrikt in mehrere Reviere getheilt. Jedem Reviere steht ein Armenvater vor, und die Armenväter eines Distrikts machen mit Zuziehung der Pfarrer des Kirchspiels und der Polizeikom915

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

missarien ein kleines Collegium aus. […] Das Wesentliche der ganzen Anstalt beruhet auf tüchtigen Armenvätern, und man muß dahin streben, daß die besten Subjekte der Bürgerschaft dieses Geschäft übernehmen“ (Goßler: Entwurf […], a. a. O.). Eine verhältnismäßige Anzahl von Hausfrauen sollte den Armenvätern Beistand leisten. In Berlin war eine Einteilung der Stadt in 300 Reviere vorgesehen, die durch ehrenamtliche Armendeputierte betreut werden sollten, wobei jeder „Armenvater“ für 20 bis 24 Bedürftige verantwortlich war. Die Anstalt sollte sich auf alle arme Bürger in Berlin erstrecken, „nur allein die Mitglieder der Französischen Kolonie, die noch in Dienst stehenden Militairpersonen und die Judenschaft ausgenommen“ (ebd.). Dem Vorschlag Voghts entsprechend sollte die Bedürftigkeit für jeden einzelnen Armen genau ermittelt werden, wofür entsprechende „Verhörbogen“ mit 65 Fragen ausgearbeitet wurden. In die verschiedenen Armen-Institute sollte in Zukunft niemand aufgenommen werden, der nicht von der GdA dorthin überwiesen wurde. In ihren Sitzungen beschäftigte sich die GdA u. a. mit Bestandsaufnahmen (Anzahl der Almosenempfänger, Grad der Bedürftigkeit), Vorschlägen zu Armenvätern; Beratung über Einrichtung der Schulen; Gliederung der Stadt in Armenbezirke. Den Vorschlag Voghts für eine Art sozialen Wohnungsbau, nämlich in verschiedenen Distrikten der Stadt neue Gebäude zu errichten, um darin den Armen „wohlfeile Wohnungen“ zu geben, lehnte die GdA ab, da „die ganze Armenversorgung so geleitet werden müsse, damit sie den bürgerlichen Gewerken auf keine Art nachtheilig werde. Dies könnte […] der Fall mit den neuen Gebäuden seyn, weil dadurch die Miethe der kleinen Wohnungen herabgesetzt werden würde. Berlin hat genug Häuser“ (ebd.). – Finanzierung: Nachdem der König die erste Einrichtung übernommen hatte, sollte die Gesellschaft durch freiwillige Spenden finanziert werden. Dabei riet die GdA von einer 916

öffentliche Abgabe, „wenn sie auch bloß auf Gegenstände des Wohllebens gelegt würde“, ab. Das Bürgerrettungs-Institut, die Deutsche Holzgesellschaft und die Erwerbschulen sollten in ihrer Anlage unverändert bestehen bleiben, wenn sie nicht freiwillig der GdA beitreten wollten. „Sie verstopfen manche Quelle der Armuth, und tragen in so weit zu dem gemeinschaftlichen Zwecke bei. Wollte man sie nöthigen, sich mit der Anstalt zu vereinigen, so ist zu befürchten, daß ihre Fonds, die bloß aus freiwilligen Beiträgen bestehen, sich vermindern würden, und daß man sich die Last, welche sie bisher getragen haben, aufbürdete“ (ebd.). Mitglieder: Vorstand: der Geh. Oberfinanz­ rat Karl Friedrich August Borgstede, der Kauf­mann Heinrich Friedrich Fetschow, der Geh. Oberrevisionsrat Christoph Goßler, der Geh. Rat Christoph Wilhelm Hufeland, der Kriegsrat Johann George Friedrich Koels, der Geh. Rat Gottlob Johann Christian Kunth, der Oberkonsistorialrat Friedrich Samuel Gottfried Sack, der Oberkonsistorialpräsident Adolph Friedrich v. Scheve, der Stadtgerichtsdirektor Dietrich Friedrich Karl v. Schlechtendal, der Oberkonsistorialrat Johann Friedrich Zöllner. Querverweise auf andere Vereine: Die GdA konnte auf den Erfahrungen Voghts mit dem Armenwesen in Hamburg (Hamburgische Armen-Anstalt, 1788) und Wien (1802) aufbauen, aber auch auf Berliner Einrichtungen wie die beiden  Holzverteilungsgesellschaften, die  Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen (an der u. a. Goßler, Koels, Sack und Zöllner beteiligt waren) oder dem  Berlinischen Bürgerrettungs-Institut (dem Goßler, Sack, Hufeland und Zöllner als Mitglieder angehörten). Diese Gesellschaften waren vom König ausdrücklich als Vorbilder benannt worden. – Bereits seit 1793 bestand eine Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde in Kiel. 1799 wurde durch August Hermann

Gesellschaft der Armenfreunde [GdA]

Niemeyer die Gesellschaft freywilliger Armenfreunde zu Halle gegründet, der u. a. Johann Christian Reil angehörte; 1801 entstand auf Initiative des evangelischen Pastors Friedrich Andreas Gruner eine Gesellschaft der Armenfreunde in Osnabrück. Es folgten weitere Gesellschaften in anderen Städten, u. a. 1804 eine Gesellschaft deutscher Armenfreunde, deren Mitglieder über ganz Deutschland verstreut waren, mit Zentrum in Leipzig; 1805 die Stuttgarter Privat-Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde, die eine Industrieanstalt, ein Privat-Armen-Institut sowie ein Waisenhaus unterhielt; und eine von Christian Friedrich Ludwig Albinus 1819 in Lauenburg gegründete Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde. Alle diese Armengesellschaften waren ähnlich strukturiert und widmeten sich vier Hauptgegenständen der Armenpflege: Versorgung, Krankenpflege, Beschäftigung sowie Unterricht und Erziehung. – Die GdA hatte Auswirkungen auf Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen beiderlei Geschlechts:  Friedrichsstift (Hanstein, v. Scheve)  Luisenstift (Hanstein)  Königin-Luise-Stiftung (Sack). Bibliographie: Ungedruckte Quellen: GStA PK, II. HA Abt. 14 Kurmark Materien Tit. CCII Armen-Sachen Sect. a Berlin, Nr. 12 (Acta betr. die Reorganisation der hiesigen Armenpflege, 1803). – LAB, A Rep. 003-01, Königliches Armendirektorium / Magistrat

der Stadt Berlin, Armendirektion, Nr. 323 und 324 (Die auf Veranlassung des dänischen Etatsrates Baron von Voght ergangene Kabinettsorder vom 28. März 1803 wegen Versorgung der Armen durch die Gesellschaft der Armenfreunde). – LAB, A Rep. 003-01, Königliches Armendirektorium / Magistrat der Stadt Berlin, Armendirektion, Nr. 128 und 129 (Die Gesellschaft der Berlinischen Armenfreunde betreffend die neue Einrichtung des Armenwesens in Berlin). – LAB, A Rep. 00301, Königliches Armendirektorium / Magis­ trat der Stadt Berlin, Armendirektion, Nr. 326 (Die zu Armenpflegern (Armenvätern) vorgeschlagenen Bürger). – Vgl. auch: LAB, A Rep. 060-48 (Verein zur Versorgung der Stadtarmen, Versorgungsberichte 1816–1819). – Gedruckte Quellen: Ueber die Bestimmung der von Sr. Königl. Majestät ernannten Gesellschaft der Armenfreunde. In: Neue Berlinische Monatsschrift, 1, 1803, Juni, S. 408–412. – Niemann, August: Uebersicht der neuen Armenpflege in der Stadt Kiel, auf Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen Befehl vorgelegt von der Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde, in Auftrag derselben abgefasst von ihrem Wortführer, Prof. Niemann. Altona 1798. – Darstellungen: Scarpa, Ludovica: Gemeinwohl und lokale Macht. Honoratioren und Armenwesen in der Berliner Luisenstadt im 19. Jahrhundert. München [u. a.] 1995, besond. S. 27 f., 35 f. (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 77).

Uta Motschmann

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15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Verein zum Besten der Waisen im großen Friedrichs-Hospital [VWais] Name: Verein zum Besten der Waisen im großen Das große Friedrichs-Waisenhaus: Das Friedrichs-Waisenhaus wurde 1692 von KurFriedrichs-Hospital. Gründung: Nach der preußischen Niederla- fürst Friedrich III. gestiftet, ursprünglich zur ge von 1806 gegründet. Verpflegung der Stadtarmen, daher die früheBestand: Wie lange der Verein wirksam re Bezeichnung Hospital. Bald diente es jewar, konnte nicht ermittelt werden. – 1820 doch auch zur Aufnahme und Verpflegung kommt das Friedrichs-Waisenhaus in den von Waisen armer Berliner Bürger, von KinBesitz der Stadt. dern von Kranken, Gefangenen oder „unSitz: Der Verein kam vermutlich in Privat- moralischen“ Eltern. Ab 1790 ist „das Hoswohnungen zusammen. Das Waisenhaus be- pital ausschließlich für Waisen und Findelkinfand sich in der Stralauer Str. 58 an der Spree, der bestimmt mit Ausnahme der Soldatennahe dem Stralauer Tor. kinder, die man ins Potsdamsche Waisenhaus brachte, und nennt sich seitdem FriedrichsGeschichte und Programmatik: Im Gegen- Waisenhaus“ (Schultz, S. 316). 1791 wurden satz zur stadtbekannten Einrichtung des Fried- „im Hause 137 Personen und Kinder, in der richs-Hospitals oder -Waisenhauses ist über Kost aber 392 Kinder verpflegt, welche zudie Geschichte des unterstützenden Vereins sammen 15017 Rthlr. 9 Gr. kosteten. Sämtlinur wenig bekannt; Vereinsakten existieren che Waisenkinder empfangen Unterricht im nicht. Der VWais fertigte vor allem Hand- Lesen, Rechnen und Christenthum, wozu arbeiten und verkaufte oder versteigerte die- gegenwärtig zwei lutherische und ein reform. se öffentlich, um mit dem Erlös die Waisen Kandidat der Theologie, nebst dem Kandes Großen Friedrichs-Waisenhauses, beson- tor und Organisten als Präzeptoren angesetzt ders die Waisenkinder der Soldaten, zu unter- sind. Die Lutherischen Kinder müssen ganz stützen. Er wurde vermutlich nach der preu- elternlos seyn, die Reformirten aber nur vaßischen Niederlage von 1806 gegründet und terlos. Außer den Schulstunden werden die gehört zu den Wohltätigkeitsvereinen, die in größern Mädchen zur Arbeit in der Küche der Zeit der napoleonischen Kriege beson- und bey der Wäsche gebraucht. Ein Paar kleidere Aktivitäten entfalteten. Am VWais wa- nere Mädchen spinnen nach Schlesischer Art ren auch Frauen beteiligt, die später Mitglie- auf der Spille, die andern müssen Hemden, der anderer Frauenvereine wurden, wie die Schürzen u.s.w. fürs Waisenhaus nähen, auch Generalin v. Sobbe, Frau Hanstein oder Präsi- ausbessern oder stricken. Der Lutherische dentin v. Scheve. Ende 1814 heißt es in einer und reformirte Prediger des Waisenhauses haVerkaufsanzeige: „Der Verein, welcher schon ben die nähere Aufsicht über das Schulwesen“ mehrere Jahre hindurch zum Besten der Wai- (Nicolai, S. 114). Die elternlosen Jungen und sen im großen Friedrichs-Hospital, Handar- Mädchen wurden vom achten Lebensjahr an beiten verfertigt hat, wird wiederum eine Aus- in den Lehranstalten des Waisenhauses unterstellung derselben (wobei sich auch Puppen richtet. „Die Mädchen werden mit Spinnen, zum An- und Auskleiden befinden) im Hau- Nähen, Stricken, Waschen und Arbeiten in se des Herrn Kaufmann Gabain, in der Breiten der Küche beschäftiget. Die Kinder müssen Straße Nr. 22 eine Treppe hoch, vom 19ten in Berlin geboren seyn, oder ihre Eltern einibis zum 23sten December zum Verkauf eröff- ge Zeit da gewohnt haben, und von der pronen, und ladet ein verehrtes und wohlthätiges testantischen Religion seyn. Kleinere Kinder Publikum dazu ergebenst ein“ (Haude u. Spe- unter 4 Jahren werden außer dem Hause verpflegt“ (Rumpf, 1. Bändchen, 1804, S. 424). nersche Ztg. 149/13.12.1814). 918

Verein zum Besten der Waisen im großen Friedrichs-Hospital [VWais]

1801 wurden ca. 500 Kinder im oder außerhalb des Waisenhauses versorgt. 1812 betreute es 1.097 Kinder, von denen 285 im Hause lebten. „Da die Anstalt ihrer innern Localität nach, nicht im Stande ist, alle ihr zugehenden Kinder in das Haus selbst aufzunehmen, so wird jede passende Gelegenheit benutzt, Kinder gegen ein bestimmtes monatliches Pflege-Geld und Ertheilung von Frei-Schulen für Rechnung des Waisenhauses bei rechtlichen Pflege-Eltern in Kost zu bringen, und werden diese Kinder Kostkinder genannt“ (Zedlitz, S. 220 f.). Im März 1834 waren im „Waisenhause selbst 220 Knaben 111 Mädchen“; „in der Kost des Waisenhauses 301 Knaben 414 Mädchen“. „Bis zum Jahre 1833 wurden unter die Kostkinder des Waisenhauses auch diejenigen Kinder mitgerechnet, für welche an deren Mütter nur ein monathliches Pflege-Geld gezahlt wird, und deren Zahl ult. März 1834 1294 betrug. Diese sind nunmehr der Armenpflege unmittelbar überwiesen“ (Zedlitz, S. 220). „Die Kinder im Hause sind gekleidet mit blauen Jacken und gelben Knöpfen, grauen Tuchwesten und Beinkleidern im Winter, und blau- und weißstreifig leinenen Hosen im Sommer, desgl. blauen Tuchmützen. Die Mädchen in grüne SergeRöcke und Kamisöler nebst bunten Tüchern. Die im Waisenhause jährlich eingesegneten Kinder, deren Zahl in der neuern Zeit durchschnittlich 70 bis 80 beträgt, werden, die Knaben zu Lehrmeistern in die Lehre, die Mädchen bei Herrschaften in Dienst untergebracht, und erhalten bei ihrer Entlassung aus der Anstalt eine vollständige Ausstattung, und außerdem einen Koffer zur Aufbewahrung ihrer Sachen. […] Die ganze Anstalt ressortirt von der Armen-Direktion, und werden von derselben stets 3 Mitglieder unter der Bezeichnung Kuratoren deputirt, welche das Interesse derselben speciell wahrnehmen. Zur Anstalt gehören 9 Beamte, 2 Prediger, 7 Lehrer, ein Arzt und ein Wundarzt“ (Zedlitz, S. 221). Unter den auf engem Raum lebenden Kindern grassierten Infektionskrank-

Abb. 169  Johann David Schleuen: Ansicht des Großen Friedrichs-Hospitals und Waisenhauses, 1757.

heiten, und die Kinder wiesen diverse Mangelerscheinungen auf. 1798 wurde Dr. Bremer als Armenarzt am Friedrichs-Waisenhaus angestellt. Ab 1802 wurde bei allen ungeimpften Neuankömmlingen die Kuhpockenschutzimpfung nach Eward Jenner durchgeführt, nachdem am Großen Friedrichs-Waisenhaus das erste Königliche SchutzpockenImpfungs-Institut der Stadt Berlin ins Leben gerufen worden war. Ab 1804 besaß das Waisenhaus hinter der Anstalt ein eigenes Badeschiff. – Mit dem Waisenhaus war seit 1712 die Orange-Stiftung, und seit 1726 die Lindower Stiftung verbunden. „Erstere besteht aus 12 Zöglingen beiderlei Geschlechts, und letztere aus 24 dergleichen, welche aus den, diesen beiden Stiftungen eigenthümlich zugehörigen Fonds theils im Hause, theils bei ihren Müttern verpflegt und erzogen werden, je nachdem es zum Besten der Kinder für zweckmäßig erachtet wird“ (Zedlitz, S. 221). Bibliographie: Ungedruckte Quellen: GStA PK, I. HA Rep. 83 Oberpräsidium von Bran919

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denburg und Pommern, Nr. 920 (Übernahme das große Friedrichs-Waisenhaus zu Berlin, von Soldatenkindern aus dem Großen Militär- 1824–1843). – Gedruckte Quellen: Haude u. waisenhaus in Potsdam in das Friedrichs-Wai- Spenersche Ztg. 149/13.12.1814. – Nicolai, senhaus in Berlin, 1809). – GStA PK, I. HA Friedrich: Wegweiser für Fremde und EinheiRep. 91 A Militärgouvernement für das Land mische durch die Königl. Residenzstädte Berzwischen der Elbe und der Oder zu Berlin, lin und Potsdam und die umgliegende Gegend, Nr.  116 (Unterstützung von Armenanstalten enthaltend eine kurze Nachricht von allen dain Berlin, enth. u. a. Großes Friedrichs-Wai- selbst befindlichen Merkwürdigkeiten. Berlin senhaus zu Berlin, 1813). – GStA PK, I. HA 1793, S. 114. – Rumpf, Johann Daniel PhiRep. 84 a Justizministerium, Nr. 47167 (Ver- lipp: Berlin und Potsdam. Eine Vollständige waltung des großen Friedrichs-Waisenhau- Darstellung der merkwürdigsten Gegenstände. ses in Berlin, 1822). – GStA PK, I. HA Rep. Erstes Bändchen, Berlin 1804, S. 424. – Vos151 Finanzministerium, IC Nr. 11781 (Das sische Ztg. 149/14.12.1813; 143/30.11.1815. große Friedrichswaisenhaus, 1826–1845). – – Weitling, Johann Carl Friedrich: Geschichte GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes Zivil- des Grossen Friedrichs-Hospitals und Waisenkabinett, Nr. 12703 (Großes Friedrichs-Wai- hauses zu Berlin: erste Lieferung, umfassend senhaus in Berlin, 1822–1904). – GStA PK, den Zeitraum von 1697 bis 1729, nebst einer I. HA Rep. 99 (Ober-)Konsistorium, Nr. 511 Einleitung, in welcher die Geschichte der Ar(Zusammenlegung der Predigerstellen des Ar- menpflege Berlins bis 1697 dargestellt ist. Berbeitshauses und des Großen Friedrichs-Wai- lin 1852. – Wollheim, Hermann: Versuch eisenhauses zu Berlin, 1775), und Nr. 514 (Kir- ner medicinischen Topographie und Statistik chenbücher der Gemeinde des Großen Fried- von Berlin. Mit e. Vorw. von J. L. Casper. Berrichs-Waisenhauses zu Berlin, 1834). – GStA lin 1844. – Zedlitz, Leopold Frhr. v.: NeuPK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, VIII estes Conversations-Handbuch für Berlin und A Ältere Medizinalregistratur, Nr. 3639 (Ge- Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einsundheitspflege im Friedrichswaisenhaus in heimischen und Fremden aller Stände. BerBerlin, Juli 1811 bis Juli 1843). – GStA PK, I. lin 1834, S. 220 f. – Literatur: Balk, Norman: HA Rep. 243 Evangelisch-reformiertes Kir- Die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berchendirektorium, Nr.  873 (Einstellung der lin. Mit einer Darstellung des Berliner BilPrediger und Lehrer am Friedrichs-Waisen- dungswesens bis 1810. Berlin 1926, S. 39. – haus, 1721–1783) und Nr. 874–876 (Aufnah- Schultz, Helga: Berlin 1650–1800. Sozialgeme von Waisen ins Friedrichs-Waisenhaus, schichte einer Residenz. 2. Aufl., Berlin 1992. 1789–1807). – GStA PK, I. HA Rep. 76, VII – http://www.berlinintensiv.de/objekte/2259. Volksschulwesen, Sekt. XIV g Nr. 6 (Etat für html?offset=18 [Elektronische Quelle].

Uta Motschmann

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Armenbeschäftigungsanstalt [FBA]

Armenbeschäftigungsanstalt [FBA] Name: Freiwillige Arbeitsanstalt; Freiwillige Beschäftigungsanstalt; Armenbeschäftigungsanstalt des Herrn Baron von Kottwitz; Kottwitz’sche Anstalt. Gründung: 1807. Bestand: Ab 1826 wurde die FBA als kommunale Anstalt weitergeführt; 1855 musste sie die v. Winningsche Kaserne räumen, die danach abgerissen wurde. Die FBA arbeitete mit neuem Regulativ als von Kottwitzsche Armenunterstützungsanstalt fort. Wie lange die Stiftung bestand, ist nicht bekannt, möglicherweise bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts (vgl. Maser, 1991, S. 65). Sitz: Anfangs im Wohnhaus des Baron v. Kottwitz, Große Frankfurter Str. 44, bald auch zusätzlich noch im Haus Wallstraße 9 und in der Wilhelmstraße; ab 1. Oktober 1808 verlegt in die ehemalige Winningsche Kaserne in der Contrescarpe Nr. 6 (der späteren Alexanderstraße 5–7). Geschichte und Programmatik: Baron Hans Ernst v. Kottwitz (1757–1843), der bereits auf seinen schlesischen Besitzungen verschiedene Wohltätigkeitseinrichtungen veranlasst hatte, gründete nach seinem Umzug nach Berlin in seinem eigenen Haus eine Anstalt, in der arbeitslose Arme Beschäftigung und Nahrung finden konnten. Der Baron sorgte für die Anschaffung des Materials, besonders zum Spinnen und Weben, und für den Verkauf der Fabrikate. Im Jahr darauf wurde die Anstalt auf Vermittlung des französischen Zivilgouverneurs Vignon in eine ungenutzte ehemalige Kaserne verlegt, in der täglich bis zu 1.500 Arme beschäftigt werden konnten. „Die Armen bekommen in dieser Anstalt Beschäftigung: entweder nach Hause, und werden dafür nach gewöhnlichen Sätzen bezahlt; oder sie beschäftigen sich im Hause, bei geheizten Stuben, auf den Werkzeugen des Hauses, und werden ebenfalls dafür bezahlt; wobei sie aber die Wohlthat genießen, für die eigenen

Abb. 170  Porträt Hans Ernst v. Kottwitz.

Kosten eine Porzion Essen zu erhalten“ (Gebel, S. 258). In der Anstalt wurden vornehmlich rohe Materialien versponnen und die davon gefertigten Garne verarbeitet: „Die Beschäftigungen sind Woll- und Flachsspinnen, Kämpeln, Klöppeln, Nähen, Stricken u.d.gl. leicht erlernbare Arbeiten“ (ebd.). „Lehrlinge, kleinere Kinder, und schwächliche Alte, erhalten ein Frühstücksbrot, und zur Mittagskost Brot und Gemüse; aber ohne daß es ihnen für ihre Arbeit angerechnet wird. Was sie durch Arbeit verdienen, wird ihnen, wie allen andern, täglich ausgezahlt. Ihr Erwerb ist aber nur geringe, eben wegen der Beschaffenheit solcher Personen; und weil sie damit nicht zu ihrem Unterhalte ausreichen können, erhalten sie außerdem noch jene Unterstützung an Speise“ (Kottwitz, 1809, S. 294). Wie sehr es Kottwitz um eine umfassende Bekämpfung der Armut zu tun war, zeigt, dass der Anstalt schon sehr früh eine Schule für die hier arbeitenden Kinder und eine Krankenan921

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

stalt angeschlossen waren, was den schlesischen Die FBA ist zu unterscheiden von dem beMedizinalrat und Gutsbesitzer Gebel 1809 zu nachbarten, 1758 eingerichteten Arbeitshaus der kritischen Einschätzung führte, die An- (dem sogenannten „Ochsenkopf“). Während stalt würde sich zu vieler überflüssiger Din- dieses als Asyl für Bettler und Obdachlose ge widmen und dadurch vermutlich bankrott fungierte, in dem die Insassen zur Zwangsgehen: „Der Unterricht gehört für die Frei- arbeit herangezogen wurden, fanden in jeschulen, an denen es in Berlin nicht mangelt; ner nicht „aufgegriffne Bettler und Taugeund die Kranken gehören in die Charité […]. nichtse, sondern […] nur unverschuldete und Für freiwillige Arbeiter bleibe dieser Ort ein- zur Arbeit willige Arme Aufnahme“ (Zedlitz, zig und allein bestimmt!“ Dagegen wünsch- S. 391). Daraus leitete sich auch der Name te sich Gebel zusätzlich eine Art Arbeitsver- „freiwillige Anstalt“ ab, da sie ausschließmittlungsagentur (Gebel, S.  240). Kottwitz lich für freiwillig Arbeit Suchende vorgesewies die Kritik zurück und beschrieb seine hen war; allerdings vertrat Kottwitz auch die Arbeitsanstalt 1809 wie folgt: sie sei kein Ar- Auffassung, dass ein arbeitsfähiger Armer, der menhaus, „d. h. kein Unterstützer wohnt da- sich in die ihm angewiesene Arbeit nicht füselbst, oder hat eine Schlafstelle. Sondern, wer gen wollte, „in einer Zucht-Anstalt so lange will, kömmt aus seiner Wohnung am Mor- zur Arbeit gezwungen werde, bis er sich dagen hin, findet hier Beschäftigung, und seinen ran gewöhnen lernt“ (Kottwitz, 1809, S. 2). Tisch, und erhält am Abend beim Weggehn Wurden die Armen anfänglich nur tagsüber seinen Tageslohn“ (Kottwitz, S. 295). Was die beschäftigt, konnte später ein Teil von ihnen anderen Schulen anbeträfe, so lägen sie zu weit auch in der Kaserne wohnen. 1834 befanden entfernt; gäbe es keine Anstaltsschule würden sich in der Anstalt 90 Familien, insgesamt 559 manche Kinder gar keinen Unterricht erhal- Personen (Zedlitz, S. 391); weitere Arbeiter ten, außerdem seien die Schulstunden eine wurden zu Hause beschäftigt. Obwohl viewillkommene Unterbrechung der Arbeit und le der in der Anstalt lebenden Armen aus erbessere den „moralischen Sinn“ der Kinder. bärmlichsten Verhältnissen kamen, war auch Eine schnelle Krankenfürsorge sei unabding- das Leben in der FBA kein Idyll, sondern bar, da die Charité nicht alle Kranken aufneh- von „gräßlichem Elend“, „Jammer und ekelmen könne. „Die Unterstützung der Armen“, haftem Schmutz“ geprägt, in denen menschso resümiert Kottwitz, „wird dem Staate auf liche Wracks und verkrüppelte Kinder hauseine oder die andere Art immer zur Last fal- ten (vgl. Maser, 1991, S. 32, nach: Clemens len. Eine in Unglück versunkene, und dabei Theodor Perthes: Friedrich Perthes’ Leben 3, kranke, Familie wird aber einen sehr beträcht- Gotha 1872, S. 211). lichen Aufwand erfordern, und dem ungeach- Kottwitz gründete seine Anstalt während tet doch der größte Theil derselben zu Grun- der französischen Besatzung. Mit dem Einde gehen“ (Kottwitz, 1809, S. 297). Er errech- marsch der Franzosen in Berlin im Oktober nete, dass Armen-Anstalten fast dreimal so viel 1806 hatten sofort alle Fabriken zu arbeiten kosteten wie Beschäftigungs-Anstalten. Die aufgehört; „viele Tausend Arbeiter wurden zum Beispiel für die Suppenküchen ( Ar- in wenig Tagen brodlos […]. Das Königliche men-Speisungs-Anstalt) zusammengebrachten Armen-Direktorium vermochte nicht, die großen Summen hätten keinen andern Zweck, Menge der Bedürftigen nachhaltig zu unter„als höchstens eine kurze Fristung des mühsee- stützen, daher entstand die lästigste Bettelei“ ligen Lebens erreichen zu können“ (Kottwitz, (Krebs, S. 1). Gleichzeitig verband er damit 1809, S. 15), während durch Beschäftigungs- den christlich-pädagogische Anspruch, die Anstalten eine dauerhafte Besserung der sozia- Armen zur Arbeit zu erziehen und sie wielen Situation erreicht werden könne. der in die Gesellschaft zu integrieren, denn 922

Armenbeschäftigungsanstalt [FBA]

Arbeit stellte für ihn eine der wichtigsten Vo- und trat in das neugebildete Direktorium ein“ raussetzungen der „Glückseligkeit“ dar (vgl. (die vorangehenden Zitate: Mieck, S. 622). Wikipedia, Artikel Hans Ernst v. Kottwitz, Version vom 7.5.2014). Er erkannte, dass Struktur und Organisation: Die Anstalt bot die Hauptursache von Armut die weit ver- (1846) mit Einschluss der Beamtenwohnunbreitete Arbeitslosigkeit war, und war über- gen etwa 100 Wohnungen für Arme, sie hatzeugt, dass „Arbeitslosigkeit und Bettelei nur te „eine eigene aus 2 Klassen mit gemischdurch ein ausreichendes Arbeitsangebot und ten Geschlechtern bestehende Schule, eine durch geordnete Arbeitsverhältnisse einzu- Nachhülfeschule und einen Betsaal, in weldämmen seien“ (Mieck, S. 622). Die Anstalt chem wöchentlich am Mittwoch eine Erbot dabei Hilfe zur Selbsthilfe und gab „ver- bauungsstunde gehalten [wurde]. Ursprüngarmten Familien, bis sie wieder auf eigenen lich wurde diese von dem Baron selbst geFüßen stehen konnten, Unterkunft, Arbeit leitet, später von verschiedenen Geistlichen“ und Verpflegung, medizinische und seelsor- (Lisco, S. 92). In der von Anbeginn zugehörigerische Betreuung“ (ebd.); zugleich wurden gen „Lazareth-Anstalt“ konnten zwölf Krandie Kinder unterrichtet und zur Arbeit he- ke von einem „Chirurgus“ und einer Kranrangezogen. Kottwitz sah auch den ökono- kenpflegerin versorgt werden. Von 1826 bis mischen Nutzen der FBA, da die hier gefer- 1845 waren in die Anstalt „222 Familien und tigten leinenen und wollenen Fabrikate bis- 35 nachgelassene Wittwen, zusammen 257 her meist aus dem Ausland bezogen werden Familien“ aufgenommen worden. „Von diemussten, jetzt jedoch jährlich ein „Capital sen haben sich dort aufgehalten 22 Familien von mehr als 100.000 Rthlr. zur Begünsti- weniger als 1 Jahr, 98 Familien zwischen 1 bis gung der Oekonomie und der Industrie in 5 Jahr, 94 Familien 5 bis 10 Jahr und 43 FaBearbeitung roher Produkte in den wohlthä- milien 10 bis 17 Jahr; durchschnittlich haben tigsten Umlauf“ gesetzt werden würde (Kott- sich in den 3 Jahren 1842 bis 1844 96 Famiwitz, 1809, S. 13). Dennoch sollten Beschäf- lien, aus 683 Köpfen bestehend, in der Antigungs-Anstalten „nur als Stellvertreter ei- stalt befunden. Durchschnittlich kostet eine nes mangelnden ergiebigeren Erwerbs“ ange- jede Familie in der Anstalt 72 Thlr. jährlich“ sehen werden (Kottwitz, 1809, S. 2), als eine (Krebs, S. 14). Kottwitz gewährte auch unbebefristete Notlösung, die durch ein dauer- mittelten Theologiestudenten Unterkunft. Er haftes Beschäftigungsverhältnis abgelöst wer- selbst bewohnte in der Kaserne zwei einfaden musste. „Friedrich Wilhelm III. gewähr- che Zimmer, von denen aus er die Anstalt leite der Anstalt […] einen Jahreszuschuß von tete. Seine in der Anstalt wöchentlich statt3600 Reichstalern, dazu manche Sondermit- findenden Abendandachten zogen viele austel. Auch unterstützte er Kottwitz in seinem wärtige Besucher an. – Die FBA entlohnte Kampf gegen die Magistratsbürokratie, die (1809) einen Buchhalter mit Gehilfen, meheine stärkere Kontrolle der Anstalt anstrebte“. rere Aufseher und Aufseherinnen und einen Der Magistrat, der die Anstalt für nicht mehr Pförtner. 1846 waren bei der FBA angestellt: zeitgemäß hielt, wollte sie reformieren bzw. „der Inspector, der Hausvater, der Schullehrer, den Umfang ihrer Wirksamkeit beschränken ein zweiter Lehrer (der aber nicht im Hauund sie nach dem Tod des Stifters ganz auflö- se wohnt[e]), der Hausknecht. Die Schule sen; auch beanspruchte er die Hälfte der Ka- zählt gegenwärtig 78 Knaben und 92 Mädserne zur eigenen Nutzung. „Der 1823/26 chen; die Nachhülfeschule 39 Knaben und 31 erreichte Kompromiß beließ ihr die später als Mädchen; und 53 Mädchen erhalten Unter‚Familienhaus‘ bezeichnete Kaserne; Kott- richt in weiblichen Hand-Arbeiten. Im Hauwitz durfte zeitlebens in ihr wohnen bleiben se wohnen außer den Beamten 96 Familien, 923

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

über 700 Köpfe“ (Lisco, S. 92). – Obwohl als private Einrichtung gegründet, konnte Kottwitz von Anfang an auf eine königliche Unterstützung zurückgreifen. Lisco gibt dazu an: „Um seine wohlthätigen Zwecke auszuführen, creirte der Baron von Kottwitz mit Genehmigung der Staatsbehörde eine bedeutende Anzahl zinsloser Actien, welche aus dem Verkaufe der Fabrikate oder aus eingegangenen milden Beiträgen mit der Zeit bis auf wenige abgelöst worden sind“ (Lisco, S. 92). Auf Grund der Ausweitung seiner Anstalt (mit angeschlossenen Kranken-, Speisungs- und Schulanstalten) geriet Kottwitz schon bald in finanzielle Bedrängnis. Im September 1810 übernahm der König alle aufgelaufenen Schulden (Maser, 1991, S. 23). 1846 hatte die Anstalt „14.650 Thlr. eigenes Vermögen in Documenten, außerdem 7250 Thlr. an Leg[aten] und Geschenken, Summa 21900 Thlr. Aus Staatscassen erhält sie 3488 Thlr.“ Das höchste Legat war das des Barons v. Keith mit 5.025 Talern (Lisco, S. 92). Außer freier Wohnung erhielten die Armen „theils fortlaufende Unterstützungen an Geld (aus dem sogenannten Wohlthätigkeitsfonds, an welchem jetzt [1846] 26 Familien Theil nehmen) theils außerordentliche Unterstützungen an Geld, Holz und dergleichen in besonderen Fällen, bei Krankheiten, Entbindungen, Einsegnungen. Im Durchschnitt kann man annehmen, daß auf eine Familie ohne Wohnung jährlich etwa 40 Thlr. an Unterst[ützung] kommen“ (Lisco, S. 92). Ab Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte die Anstalt, Arbeitslose weiter zu vermitteln oder ihnen fehlendes Werkzeug oder Arbeitsgeräte (z. B. Webstühle) zu verleihen bzw. ihnen entsprechendes Geld vorzuschießen. So wurden Familien auch in kleineren Städten der Nachbarschaft angesiedelt und erhielten ein „wohlfeiles Obdach und ein Stück Kartoffelland“ (erste Anfänge des Siedlungsgedankens, Klein, S. 21). – Die Anstalt hatte bis in die 1820er Jahre eine selbständige Direktion: Baron v. Kottwitz fungierte als obers924

te Instanz, eine Art väterliche Respektsperson; eine „thätige, christlich gesinnte HausPolizei“ (Krebs, S. 2) beaufsichtigte die Arbeiter, die Erwachsenen ebenso wie die Kinder. Kottwitz hatte seine Anstalt an den Einrichtungen der Berliner Armenfürsorge vorbei gegründet. Mit Unterstützung des Königs konnte er sich lange der Aufsicht durch die kommunalen Behörden entziehen. „Die Lage änderte sich erst durch die Kabinettsordre vom 3. Mai 1819, die das bisher Königliche Armenwesen den Kommunen übertrug“ (Maser, 1991, S. 37). Die Ministerialverfügung vom 16. Januar 1820 bestimmte, dass die FBA der Berliner Stadtgemeinde zu übergeben sei. Magistrat und Stadtverordnetenversammlung lehnten es jedoch ab, „die verunglückte Privat-Fabrik-Anstalt des Baron von Kottwitz zu übernehmen“ (Krebs, S. 4) und verwiesen auf das Arbeitshaus, das bereits eine freiwillige Beschäftigungs-Anstalt enthalte. Gegen den Magistrat beschloss die Stadtverordneten-Versammlung schließlich im November 1821, die Anstalt zu übernehmen und „als eine für sich bestehende“ zu erhalten. Die Direktion sollte aus dem Baron v. Kottwitz, etwa drei Deputierten der Stadtverordnetenversammlung und einem Magis­ trats-Mitglied als Vorsitzenden bestehen, „um durch diese die Verbindung zwischen der Armen-Direction und der Armen-Beschäftigungs-Anstalt zu bewirken“ (Krebs, S. 6); die Zuschüsse aus den königlichen Kassen sollten erhalten bleiben. – Vom König erhielt die FBA die Rechte einer moralischen Person verliehen. Mitglieder: a) Der Stifter: Der stark von der Herrnhuter Brüdergemeine geprägte schlesische Gutsbesitzer Ernst Baron v. Kottwitz hatte bereits auf seinen dortigen Besitzungen die große Armut der schlesischen Weber durch Beschäftigungsmodelle, u. a. durch Errichtung von Fabriken zur Flachsverarbeitung, zu lindern versucht, wobei er einen großen Teil seines Vermögens verloren hatte.

Armenbeschäftigungsanstalt [FBA]

Nach seiner Übersiedlung nach Berlin 1806 Kottwitz während seines Theologiestudiums war er auch hier bestrebt, durch Sozialarbeit in Berlin 1829 bis 1832 kennen und berief und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die Not sich später oft auf sein Beispiel. Mit Theodor der Arbeitslosen ursächlich zu bekämpfen. Fliedner korrespondierte er über die GrünKottwitz kannte „kein Christentum ohne dung des Berliner Vereins für die Verbesserung Armenpflege, keine Armenpflege ohne See- der Strafgefangenen (1830)“ [Wikipedia-Artilenpflege“. Dabei sollte es aber die freiwilli- kel, wie oben]. Im Oktober 1833 wurde in ge Armenpflege „nicht verschmähen, mit der Berlin eine Freiwillige Beschäftigungs-Anöffentlichen, amtlichen Hand in Hand zu ge- stalt hauptsächlich für entlassene Strafgefanhen“ (Klein, S. 18). Kottwitz wohnte bis zu gene, aber auch für andere Erwerbslose, in seinem Tod in der Kaserne und blieb Direk- der Auguststr. 50b eröffnet. – Kottwitz war tionsmitglied der FBA. – b) Der Vorstand: beteiligt an der Gründung der  Preußischen Bis zum Jahr 1823 stand die Anstalt allein un- Haupt-Bibelgesellschaft und der  Gesellschaft ter Direktion ihres Gründers; danach wurde zur Beförderung des Christentums unter den Jusie in mancherlei Hinsicht eine kommunale den. Er gehörte zum Kreis der Berliner ErAnstalt. Die Stadt kaufte das Haus, und eine weckungsbewegung und war befreundet mit städtische Kommission übernahm die Ober- den Brüdern v. Gerlach und den Theoloaufsicht. Den Vorstand bildeten (im Septem- gen Johann Jänicke (der oft die Hausandachber 1823) der durch das Ministerium ernann- ten in der Kaserne leitete), August Neander te Stadtrat de Cuvry sowie die Stadtverord- und Johannes Goßner. In der FBA wurde neten Reimann, Possin und Krebs; um 1834 denn auch das Zentrum der Berliner Erwewerden des Weiteren auch Justizrat Focke ckungsbewegung gesehen, der „Generalstab und der Geh. Oberbergrat La Roche (Zedlitz, der pie­tistischen Generation“ (Maser, 1990, S. 391); um 1846 der Stadtverordnete Kom- S. 152, nach Adolf Hausrath: Richard Rothe merzienrat Behrend und Prediger Dr. Cou- und seine Familie, Bd. 1, Berlin 1902, S. 139). ard (Lisco, S. 92) als Direktionsmitglieder ge- – Die FBA reiht sich ein in private soziale nannt. Ini­tiativen wie die Erwerbschulen ( Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen); das Querverweise auf andere Vereine: „1812  Bürgerrettungs-Institut; das  Friedrichsstift gründete [Kottwitz] im Auftrag des Königs, oder das  Luisenstift. der 17 000 Reichstaler beisteuerte, als Armen-Beschäftigungsanstalt die Spinnerei in Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: Grüssau. Einige dieser Unternehmen be- GStA PK, I. HA Rep. 74, J 3 XII: Deparstanden jahrzehntelang, bedurften aber, da tement der allgemeinen Policey. Armen-Ansich die Absatzerwartungen oft nicht erfüll- stalten-Kurmark. Acta der geh. Registraten und sie als ‚wahre Werkstätten und Tem- tur des Staats-Kanzlers betreffend die Arbeits pel Gottes‘ (Radecke an Tholuck, 22.6.1817) Anstalt des Freiherrn von Kottwitz. – b) Genicht auf Gewinnbasis arbeiteten, erheblicher druckte Quellen: Gebel, J. B.: Einige BeZuschüsse. Gelegentlich durch königliche merkungen über Armenanstalten, vorzügZuwendungen unterstützt, beschäftigte Kott- lich über die von Kottwitzsche zu Berlin. In: witz in Grüssau, Glatz und Spiller 1819 über Neue Berlinische Monatsschrift 1, 1809, Ap3 700 Spinner und Weber“ (Mieck, S. 622). ril, S. 232–242. – Klein, Ernst Ferdinand: Ba– Kottwitz beeinflusste mit seinem sozialre- ron Kottwitz: Der Vater der Arbeitslosen vor formerischen Wirken „die Pioniere der frü- 100 Jahren. Berlin 1932 (Führer und Freunde, hen protestantischen Diakonie oder Inne- Bd. 6). – Kottwitz, Ernst Frhr. v.: Einige Beren Mission. Johann Hinrich Wichern lernte merkungen über den Aufsatz April Nr. 3. In: 925

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Neue Berlinische Monatsschrift 1, 1809, Mai, S. 293–299 [= Entgegnung auf Gebels Bericht]. – Kottwitz, Ernst Frhr. v.: Baron Hans Ernst von Kottwitz und die Erweckungsbewegung in Schlesien, Berlin und Pommern. Briefwechsel, eingel. u. hg. v. Friedrich Wilhelm Kantzenbach. Ulm/Donau 1963. – Kottwitz, Ernst Frhr. v.: Ueber Armen-Wesen. Berlin 1809. – Kottwitz, Ernst Frhr. v.: Ueber öffentliche Strafanstalten, und die zweckmäßigsten Mittel, den gemeinen Mann zur Thätigkeit zu reizen. Berlin [1810]. – Kottwitz, Ernst Frhr. v.: Ueber die Freiwillige Beschäftigungs-Anstalt in Berlin, Contrescarpe No. 6 [o. J.]. In: Ueber Armen-Wesen, S. 10–16 (zuvor im 33. und 34. Stück des Berlinischen Wochenblatts von Wadzeck). – Krebs, I. (Gemeindeverordneter): Geschichte der von Kottwitzschen Armen-Beschäftigungs-Anstalt. [Berlin] 1848.  – Lisco, Friedrich Gustav: Das wohlthätige Berlin. Geschichtlich-statistische Nachrichten über die Wohlthätigkeits-Uebung Berlin’s. Berlin 1846, S. 91–93. – Mila, Wilhelm: Berlin oder Geschichte des Ursprungs, der allmählichen Entwickelung und des jetzigen Zustandes dieser Hauptstadt, in Hinsicht auf Oert-

lichkeit, Verfassung, wissenschaftliche Kultur, Kunst und Gewerbe, nach den bewährtesten Schriftstellern und eigenen Forschungen. Berlin, Stettin 1829, S. 421 f. – Zedlitz, Leopold Frhr. v.: Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einheimischen und Fremden aller Stände. Berlin 1834, S. 390 f. – c) Darstellungen: Baur, Wilhelm: Artikel: Kottwitz, Hans Ernst Freiherr von. In: Allgemeine Deutsche Biographie 16 (1882), S. 765– 772. – Maser, Peter: Hans Ernst von Kottwitz: Studien zur Erweckungsbewegung des frühen 19. Jahrhunderts in Schlesien und Berlin. Göttingen 1990. – Maser, Peter: „Berathung der Armuth“: Das soziale Wirken des Barons Hans Ernst von Kottwitz zwischen Aufklärung und Erweckungsbewegung in Berlin und Schlesien. Frankfurt a. M. [u. a.] 1991, hier besond. S. 13–65 (Forschungen zur Praktischen Theologie, Bd. 10). – Mieck, Ilja: Artikel: Kottwitz, Hans Ernst Freiherr von. In: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S.  622  f.– Rosenbaum, Hans-Udo: Artikel: Kottwitz, Hans Ernst Freiherr von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 4. Bautz 1992.

Uta Motschmann

Friedrichsstift [FSt] Name: Ursprünglich: Neandersche Anstalt; erhielt per Kabinettsordre vom 25. Februar 1808 den Namen Friedrichsstift. Gründung: März 1807; als Stiftungstag gilt der 23. Februar 1808; Eröffnung der Anstalt am 10. März 1808, dem Geburtstag von Königin Luise. Bestand: Bis heute; gehört mit neuer Aufgabenstellung seit 1979 zur Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie. Sitz: 1808–1820: im ehemaligen Möllendorffschen Lazarett am Halleschen Tor. Als 1820 das Lazarett geräumt werden muss, weil 926

es von den Truppen gebraucht wird, erhält das FSt das zwischen dem Halleschen und dem Potsdamer Tor gelegene v. Götz-Arnimsche-Lazarett-Gebäude zur Verfügung gestellt, für dessen Instandsetzung 10.963 Reichstaler benötigt werden. Das FSt sorgt mit eigenem Kapital für die Wiederherstellung und erbittet vom König nur den dritten Teil der Anschlagssumme. Geschichte und Programmatik: Das FSt war eine nach Plänen des Hauptmanns Carl v. Neander gestiftete Versorgungs- und Erzie-

Friedrichsstift [FSt]

hungseinrichtung teils von Soldatenkindern, tig sich aber nur noch auf 300 Rthlr. berechteils von Waisen beiderlei Geschlechts, meist nen lassen wird. Die Mädchen werden im im Alter von acht bis 14 Jahren. Bereits im Hemden- und Wäsche-Nähen und im StriMärz 1807, wenige Monate nach dem mi- cken unterrichtet, wobei sie auch einiges erlitärischen und politischen Zusammenbruch werben. Das Stift hat einen eigenen SchullehPreußens gegründet, diente es als Muster und rer und eine eigene Schule, unter Leitung des Orientierung für andere Kinder- und Jugend- Ober Consistorial Raths Nolte, einen AufseEinrichtungen, insbesondere für das ein hal- her, eine Aufseherin, 1 Köchin und 3 Warbes Jahr später gegründete  Luisenstift. Das te Frauen, auch unterhält es ein eigenes LazaFSt und das Luisenstift arbeiteten in der Fol- reth unter der freiwilligen Leitung des Doctor ge aufs engste zusammen, blieben jedoch se- Kunzmann“ (GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. parate Einrichtungen. Neanders Anstalt, die 13694, Bl. 6). Wie der  Weibliche Wohlthäursprünglich nur für eine befristete Notzeit tigkeitsverein der Frau v. Boguslawski und der geplant gewesen war, entwickelte sich zu ei- Stille Verein der Frau v. Troschke bemühte ner Dauereinrichtung. Das FSt, das über „gar sich auch das FSt während der antinapoleonikeinen eigenthümlichen sichern Fonds“ ver- schen Kriege beim Militärgouvernement des fügte, wurde „nur durch freiwillige mil- Landes zwischen Elbe und Oder um Abnahde Beiträge der Einwohner Berlins erhalten“ me der von den Zöglingen verfertigten Klei(GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 12694, Bl. 2). dungsstücke. Das FSt wollte „Schnüre zur Für die Unterbringung „verlassener Solda- Bekleidung der Husaren-Regimenter“ anfertenkinder“ wurde ihr von der Stadtgemeinde tigen und bei gesicherter Abnahme geeigneunentgeltlich das ehemalige Lazarett am Hal- te Gerätschaften anschaffen, um so über eine leschen Tor überlassen. Im August 1808 wur- ständige Einnahme zur Erhaltung der Anstalt den 90 Kinder im FSt versorgt. Im August zu verfügen. Um die Anstalt zu unterstützen, 1811 berichtete die Direktion an den König, nahm L’Estoq das Angebot an. dass sich zu dieser Zeit im FSt 48 Knaben In der 4. Auflage seines Berlin-Führers von und 30 Mädchen befinden würden, darun- 1816 beschreibt Nicolai das FSt wie folgt: ter „2 von der Garde, 44 von der Infante- „Im August 1815 wurden 60 Soldatenkinrie, 15 von der Kavallerie, 15 von der Artille- der beiderlei Geschlechts dort erzogen und rie und 2 bürgerlichen Standes. Seit dem 10. zu Handwerkern und Dienstmädchen vorbeMärz 1807 als am Tage der Einrichtung sind reitet. Sie haben einen Lehrer und eine Lehin diesem Stifte 312 meistentheils Waisen rerin, einen Hausvater, Krankenwärterinund verlassene Kinder aufgenommen worden, nen und Dienstboten, die die Küche, Wäwovon bereits 15 Knaben in der Lehre sich sche und Reinigung der Zimmer besorgen befinden und 18 Mädchen bei guten Herr- und sämmtlich im Hause wohnen. Die Kinschaften untergebracht sind. Mehrere Kinder der haben bequeme Schlafsäle, Lehr- und Arwurden solchen Eltern, deren Zustand sich beitszimmer und Krankenstuben. Lehrgeverbessert hatte, zurückgegeben, auch sind 37 genstände sind Religion, Lesen, Schreiben, Kinder gestorben, besonders in dem 1. Jah- Geographie, vaterländ. Geschichte, Stricken, re, wo viele kranke Kinder der Anstalt zuge- Nähen, Waschen, Plätten, Posamentirarbeiführt wurden. Die Beschäftigungen der Kin- ten. Das Stift wird aus Beiträgen, Geschender sind folgende: Außer den Schul- und Un- ken, und dem Erwerb der Kinder erhalten. terrichtsstunden müssen die Knaben Stroh- Die Direction führen 17 Herren. In weibl. flechten […] 6 Knaben besorgen täglich den Angelegenheiten treten Damen hinzu, als Milch Debit, welcher im 1. Jahre 700 Rthlr. Frau Präs. v. Scheve, Frau Generalin v. Sobim 2. Jahre 800 Rthlr. verschaffte, gegenwär- be, Fr. v. Stechow, Fräulein v. Hanstein“ (Ni927

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colai, S. 147). Die Jungen hatten „eine graue Kleidung, und auf den roth eingefaßten Achselklappen stehen die Buchstaben F.St. Die Mädchen tragen dunkle wollene gestrickte Kleider“ (Zedlitz, S. 218 f.). Struktur und Organisation: Das FSt finanzierte sich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und aus dem Erlös der von den Kindern hergestellten Erzeugnisse. Am 1. Januar 1811 hatte das FSt ein Kapital von 272 Rthlr. Gold, 356 Rthlr. Courant, 135 Rthlr. Münze, 150 Prämienscheine, 10 Tresor-Scheine. Die Ausgaben im Laufe des vorangegangenen Jahres betrugen 835 Rthlr. Courant und 2321 Rthlr. Münze. Im August 1812 waren 75 Kinder im FSt, das Vermögen betrug 3894 Rthlr.; im August 1814 hatte das FSt 57 Kinder und ein Vermögen von 4713 Rthlr.; im August 1815 wurden 65 Kinder versorgt. Von August 1814 bis August 1815 wurden 1689 Rthlr. monatliche Beiträge eingenommen, durch den Verdienst der Kinder 284 Rthlr., durch Konzerte 793 Rthlr, durch eine Weihnachtsausstellung 847 Rthlr. und „extraordinair“ 1460 Rthlr. Das Vermögen belief sich auf 150 Rthlr. bar und 7235 Rthlr. in Dokumenten. – Eine Anzeige der Direktion des FSt in der Haude u. Spenerschen Zeitung vom 13.12.1814 berichtet von einer der regelmässigen Verkaufsausstellungen: „Vom 19ten bis 24sten December Vormittags 10 bis 3 Uhr Nachmittags“ sollen „in der Wohnung des Herrn Hofraths Parthey, Brüderstrasse Nr. 13., dessen Zimmer uns der edle Besitzer abermals so gütig überlässt – die dem Friedrichs-Stifte verehrten Handarbeiten zum Besten dieser Anstalt öffentlich verkauft werden“. „Dringend ersuchen wir daher die Gönnerinnen und Wohlthäterinnen unserer Anstalt in und ausser Berlin, die uns bestimmten Geschenke gütigst zu überschicken, u. schmeicheln uns mit der Hoffnung, dass die Menschenfreunde unserer Stadt zahlreich erscheinen, reichlich kaufen, und uns dadurch in den Stand setzen werden, Sechszig verlassene arme Soldatenkinder auch fer928

nerhin zu nähren, zu kleiden und zu erziehen.“ – Für die Wintermonate bekam das FSt auf Anweisung des Königs regelmäßig Holz und Torf aus den königlichen Holzund Korn-Magazinen geliefert. Die „fleißigsten“ und „gesittesten“ Kinder erhielten vom König bei besonderen Anlässen kleine silberne Medaillen als Geschenk. – Am 10. März 1815 wurde mit Erlaubnis des Königs durch den Musikdirektor Seidel ein Konzert zum Besten des FSt gegeben. Dem Dankesbrief des FSt an den König sind zwei Drucke, Ge-

dicht auf die Völkerschlacht bei Leipzig von Johann Friedrich Oswald im Conzert zum Besten des Friedrichs- und Luisen-Stiftes vorgetragen von Herrn Beschort mit musikalischer Begleitung von F. L. Seidel am 10ten März 1815 und eine Rede von C. Herklots gesprochen von Demoiselle Maass am 10. März 1815, beigelegt. Von da an fanden jährlich Konzerte im Schauspielhaus zum Besten des FSt statt. – Am 10. März 1820 ersuchte das FSt den König, ein „angekauftes und zum Besten des Friedrichs Stifts öffentlich ausgestelltes Wallfisch Skelett“, das mittlerweile die Schaulust der Berliner befriedigt habe, „als eine NaturSeltenheit in irgend einem vaterländischen Museum für Freunde der Natur“ aufzubewahren (GStA PK, I. HA Rep. 89, Nr. 12694, Bl. 47). – Ab 1836 wurden regelmäßig JahresBerichte veröffentlicht. Mitglieder: Direktionsmitglieder 1807–1815: L. v. Boyen; Cosmar; v. Eberth (Eberty?); Hanstein; Hartmann; Hartung; v. Knobelsdorff; Kunowsky; Dr. Kuntzmann; Meyer; Moser; Carl v. Neander; Nolte; Perlitz; Poselger; v. Quednow; v. Reuß; Rotter(?); Wilhelmine v. Scheve; v. Stetten; L. v. Voß; C. A. Weber; v. Wiebel; Willmann; Würst. – Direktionsmitglieder ab 1816: v. Arnim; Barby; Bercht; v. Hacke; Hartmann; Hartung; Kunowsky; Dr. Kuntzmann; v. Neander; Poselger; v. Reuß; Herr v. Scheve; v. Wiebel. – Der anlässlich des 30. Jahrestages des Bestehens erschienene Jahres-Bericht von dem Friedrichs-

Friedrichsstift [FSt]

Stifte am Tage des Stiftungs-Festes den 10ten stützungsvereinen während der antinapoleoMärz 1836 enthält ein Verzeichniß sämmtli- nischen Kriege führende Aufgaben ( Fraucher Wohlthäter und Beförderer des Friedrichs- enverein für das Privat-Lazareth in der FriedStiftes. An erster Stelle stehen der König, die richstr. No. 101 [Generalin v. Sobbe; Frl. v. Königin der Niederlande und mehrere Prin- Hanstein, Frau v. Scheve];  Vaterländischer zen, gefolgt von den Staatsministern v. Alten- Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen stein und Ancillon, insgesamt annähernd 200 1813–1815 hilflos gewordenen Krieger von der Namen. Später stand das FSt unter dem Pro- Berliner Garnison [v. Scheve]). tektorat der Fürstin v. Liegnitz; 1902 übernahm die Kaiserin und Königin Auguste Vic- Bibliographie: a) Ungedruckte Quellen: toria das Protektorat. GStA PK, I. HA Rep. 72 Immediatkommission zur Vollziehung des Tilsiter Friedens, Querverweise auf andere Vereine: Der Nr. 598 (Verschenkung von Silbermedaillen an Begründer des  Luisenstifts, Louis Ca- Kinder des Friedrichsstifts zu Berlin, 1808). – tel, konnte auf die Erfahrungen des Militärs GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes ZivilkabiCarl v. Neander, die dieser bei der Einrich- nett, jüngere Periode, Nr. 12694 (Friedrichstung seiner Verpflegungsanstalt für verwaiste stift 1810–1902). – GStA PK, I. HA Rep. 91 Soldatenkinder gemacht hatte, zurückgreifen. A Militärgouvernement für das Land zwischen Zöglinge aus Neanders Anstalt wurden in der der Elbe und der Oder zu Berlin, Nr. 133 (AbFolge bevorzugt im Luisenstift aufgenommen. satz der von Zöglingen des Friedrichsstifts verBeide Anstalten arbeiteten zusammen und fertigten Hemden und Socken, 1814). – GStA unterstützten einander, es gab mehrere Paral- PK, I. HA Rep. 96 A Geheimes Kabinett, Nr. 8 lelmitgliedschaften. – Eine ähnliche Einrich- E (Berliner Armendirektion, 1798–1803). – b) tung der Kinderfürsorge war das große Fried- Gedruckte Quellen: Lisco, Friedrich Gustav: richs-Waisenhaus, das durch einen  Verein Das wohlthätige Berlin. Geschichtlich-statiszum Besten der Waisen im großen Friedrichs- tische Nachrichten über die WohlthätigkeitsHospital unterstützt wurde. – Bereits 1803/04 Uebung Berlin’s. Berlin 1846, S. 230. – Nicohatten die beiden Artillerie-Leutnants v. Ne- lai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einander und v. Voß den Plan zur Einrichtung heimische durch die königl. Residenzstädte einer Anstalt für invalides Dienstpersonal bei Berlin und Potsdam und die umliegende Geden Behörden eingereicht (BLHA Potsdam, gend, enthaltend eine kurze Nachricht von alRep. 30 Berlin A: Armen-Sachen, Tit. 3 Nr. len daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. 1a). – Kuntzmann, Poselger, v. Wiebel und Berlin 1816, S. 147. – Zed­litz, Leopold Freiv. Voß waren zugleich Mitglieder der  Ge- herr v.: Neuestes Conversations-Handbuch für sellschaft der Freunde der Humanität. Ludwig Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch v. Voß hielt dort am 9. Februar und 9. März der Einheimischen und Fremden aller Stände. 1811 Vorträge zur „Geschichte der Armenan- Berlin 1834, S. 218 f. – c) Literatur: Ludwig, stalten in den Jahren 1806 und 1807 in Ver- Andreas: Das Luisenstift – Eine Stiftung zu Bebindung mit dem Friedrichsstift“. – Die das ginn des 19. Jahrhunderts im Berliner Kontext FSt unterstützenden Frauen, wie die Präsi- sozialer Bestrebungen und öffentlicher Ardentin v. Scheve, die Frau Generalin v. Sob- menfürsorge. In: „Lasset uns Gutes thun und be oder Fräulein v. Hanstein, übernahmen nicht müde werden …“. 200 Jahre Luisenstift auch in den national-patriotischen Unter- Berlin. Berlin 2007, S. 51–67. Uta Motschmann

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15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Luisenstift [LSt] Name: Luisenstift, auch: Verpflegungs- und In- baren Knaben, deren Zahl durch so viel Kindustrieanstalt für Kinder männlichen Geschlechts; der bürgerlicher Eltern vermehrt wird, als sich Berlinische Erziehungs- und Industrie-Anstalt. Wohlthäter zur Bestreitung der nöthigen KosGründung: 9. September 1807 (Eröffnung ten finden. / Die wohlhabenden und edeldender Anstalt). kenden Einwohner unserer Stadt werden aufBestand: Bis heute. gefordert werden, Vater- und Vormundsstelle Sitz: 1807–1838 Propstgebäude St. Nikolai, an jenen unglücklichen und verlassenen KnaProbstgasse Nr. 7; 1838–1911 Hollmannhaus, ben zu vertreten, und durch einen geringen Husarenstraße Nr. 15, Berlin-Kreuzberg (das jährlichen Beitrag, der durch den eigenen Ererste eigene Haus, eine Schenkung des Kauf- werbsfleiß der Kinder sich in der Folge minmanns August Hollmann); 1911–1922 Lui- dern muß, zu Erreichung dieses menschensenstift, Limonenstraße 14, Berlin-Lichter- freundlichen Zwecks mitzuwirken, und sich felde (das erste vom LSt zum eigenen Ge- durch eigenes Anschauen die Freude einer brauch neu erbaute Haus mit großem Gar- zweckmäßigen Anwendung ihrer Wohlthaten ten); 1922–1932 Villa Villain, Weddigenweg und eines guten Gedeihens ihrer Pflegekinder 16, Berlin-Lichterfelde; seit 1932 Luisenstift, zu sichern. / Es wird deshalb nächstens, und so oft es nöthig ist, eine bedeutende Anzahl Königin-Luise-Straße 95, Berlin-Dahlem. der, zur Aufnahme geeigneten Knaben, dem Gründungsaufruf: „Unterschriebene haben Publikum öffentlich zur Wahl gestellt werden, sich, mit Erlaubniß Eines Hochlöbl. Armen- damit jeder Wohlthäter, nach seinem Gefallen, Directorii, vereiniget, auf den Grund des v. sich denjenigen aussuchen könne, den er alNeanderschen Armen-Instituts, eine Verpfle- lein, oder in Verbindung mit mehreren Freungungs- und Industrie-Anstalt für Kinder des den, der Anstalt zu übergeben sich entschlosmännlichen Geschlechts zu errichten. / Es sen hat. Auch wird die Gesellschaft die, von sollen darin, ohne Unterschied der Religion den Wohlthätern selbst dazu in Vorschlag geund des Standes, alle diejenigen Knaben, deren brachten Kinder aufnehmen, sobald nur die Eltern für sie moralisch todt sind, vom 6ten geforderten Bedingungen an ihnen erfüllt bis wenigstens zum 14ten Jahre gekleidet, ver- sind. / Dieser vorläufigen Anzeige, welche pflegt, im Lesen, in der Religion, im Schrei- die Aufmerksamkeit unsrer geachteten Mitben und Rechnen unterrichtet, zu verschie- bürger, und besonders der kinderlosen Mendenen Industrie-Arbeiten, namentlich zum schenfreunde auf eine in ihren beseligen[den] Spinnen, Stricken, Strohflechten und Holz- Folgen nicht zu berechnende Wohlthätigkeitsschnitzen angeleitet, und zu guten und nütz- Anstalt hinzulenken bezweckt, wird nächstens lichen Menschen erzogen werden können. / eine ausführliche Nachricht von der OrganiDie v. Neandersche Anstalt, welche vorzüg- sation unsers Instituts folgen. Bis dahin bitten lich Kinder von Militairpersonen, aber ohne wir um freundliche Theilnahme und um lieUnterschied des Geschlechts und Alters auf- bevolles Zutrauen. / Berlin, den 15. July 1807“ nimmt, wird dadurch nicht aufgehoben; sie ist (Anzeige von einer in Berlin zu errichtenden VerBedürfniß für viele Unglückliche, und wird so pflegungs- und Industrie-Anstalt für ganz arme lange bestehen, als es Menschenfreunde und und verlassene Kinder, in: Berliner IntelligenzWohlthäter giebt. / Die Verpflegungs- und In- blatt 1807, zitiert nach: Heinsius, S. 64–66). dustrie-Anstalt aber setzt sich mit jenem Institut in die genaueste Verbindung, und entlehnt Geschichte und Programmatik: Die Grünaus demselben die, für ihren Zweck brauch- dung des LSt steht in der Tradition der evan930

Luisenstift [LSt]

gelischen Wohlfahrtspflege und ist Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements von der Zeit der vernichtenden Niederlage Preußens 1806 an, über die Umgestaltung von einer Residenz- zu einer industriell geprägten Großstadt im Verlauf des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Sie reiht sich ein in zahlreiche private Initiativen, die aus einer christlichen Verantwortung heraus und dem Geist der Aufklärung verpflichtet, mit eigenen Mitteln die Not zu lindern suchten. Es galt nicht nur, Arme und Kranke, oder in diesem speziellen Fall arme und vernachlässigte Kinder, mit dem Nötigsten zu versorgen, sondern sie zugleich auf eine spätere Erwerbsarbeit in einer industrialisierten Gesellschaft vorzubereiten. Infolge der napoleonischen Kontinentalsperre und der Reparationszahlungen nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt brach die Wirtschaft Preußens zu großen Teilen zusammen; Arbeitslosigkeit und Armut stiegen dramatisch an. Vernachlässigte und bettelnde Kinder prägten das Bild der Stadt Berlin. Mit bettelnden Straßenkindern als eine neue Form der Armut war die Berliner Armenfürsorge überfordert. Bisher gab es nur Einrichtungen für Waisen oder Halbwaisen, nicht aber für Kinder, deren Eltern noch lebten, aber ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkommen konnten oder wollten. Der Architekt Louis Catel, der für die Einquartierung der französischen Truppen zuständig und mit den Zuständen auf den Berliner Straßen vertraut war, plante deshalb seit Frühjahr 1807 eine Verpflegungs- und Erzie-

hungsanstalt für ganz arme und verlassene Kinder männlichen Geschlechts, eine Anstalt, „die aus der tiefsten Noth und Verdorbenheit rettet, die Unglück, Laster und Verzweiflung um uns her vermindert, und statt dessen Fleiß und Verstand und zufriednen Sinn verbreitet“ (Biester, S. 188). Er konnte dabei auf die Erfahrungen des Militärs Carl v. Neander zurückgreifen, der bereits eine Verpflegungsanstalt für verlassene Soldatenkinder unterhielt (das spätere  Friedrichsstift). Catel stellte sein

Projekt am 11. April 1807 bei einer Zusammenkunft der  Gesellschaft der Freunde der Humanität im Logenhaus der  Großen Loge Royal York zur Freundschaft vor und gewann den Sprachforscher Theodor Heinsius, der seit 1795 als Lehrer und Professor an verschiedenen Gymnasien Berlins und später als Direktor des Grauen Klosters in Berlin tätig war, als Mitstreiter. Als Unterstützer kamen weiter hinzu: der Propst von St. Petri und Superintendent der Diözese Berlin August Ludwig Hanstein, der Theologe und Pädagoge Friedrich Philipp Wilmsen, der Theologe und Freimaurer Samuel Marot, der Artillerie­ leutnant und Generalhospitaldirektor Ludwig v. Voß und der Fabrikkommissar Johann Gottfried May. Neander hatte seine Anstalt für Mädchen und Jungen jedes Alters nur für eine befristete Notzeit geplant und unterstützte daher in der Folge die auf Dauer angelegte Anstalt Catels. Zöglinge aus seinem Institut wurden bevorzugt in das neue Stift aufgenommen. Beide Anstalten bestanden weiterhin getrennt, arbeiteten jedoch eng zusammen und unterstützten einander. In wöchentlichen Sitzungen in Hansteins Wohnung beriet man zunächst die Fragen der Aufnahmekapazität, der Räumlichkeiten und der Finanzierung. Vorgesehen waren 60 Plätze für vernachlässigte Jungen. Nach Vorbild des Etats des  Friedrichsstifts ermittelte man als Kostenbedarf pro Jahr und Zögling insgesamt 52 Reichstaler, davon für Speisung 25 Reichstaler, für Kleidung 14 Reichstaler und für „Aufsicht, Pflege, Unterricht, chirurgische Hülfsleistung und übrige Functionen der Offizianten“ 8 Reichstaler. Die Kleidung sollte jährlich „in einer Jacke von blauem Tuche, ein Paar langen Beinkleidern von derselben Farbe, einer Weste mit Aermeln, und ein Paar langen Beinkleidern von Zwillich für den Sommer“ bestehen; ferner erhielt „jeder Knabe zwei Paar wollene Strümpfe, einen Strohhut, ein Paar lederne Schuhe, und ein Paar dergleichen mit Holzsohlen; zwei Schnupftücher, zwei Hemden und ein Laken“. Die Finanzierung sollte 931

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Abb. 171  Aktenvermerk über den Antrag der Prinzl. Leibwäscherin Stephani zur kostenlosen Aufnahme ihrer beiden Söhne in das LSt, 7. März 1812.

auf Spenden, Pflegegeldern von Paten sowie Erlösen aus der Zöglingsarbeit fundieren. Kinderarbeit war im 18. und 19. Jahrhundert zur Arbeitserziehung sowie zur Finanzierung von Einrichtungen eine übliche Methode. Für das LSt entschied man sich für das „den Kinderkräften angemessene“ Strohflechten. Als Abnehmer gewann man den Berliner Strohhutfabrikant Ehrich, der sich zudem bereit erklärte, die Kinder auf eigene Kosten in dieser Tätigkeit unterrichten zu lassen. Nach dem Plan der Gründer sollte Zöglingsarbeit die Einrichtung insoweit mitfinanzieren, dass sie sich in der Zukunft größtenteils selbst trage und eine dauerhafte Existenz gesichert sei. Die Namensfindung für die Anstalt ging auf Hanstein zurück, dessen Vorschlag die Gründungsväter als „bedeutsam, kurz und zweck932

mäßig“ befürworteten. Nach einer Anfrage bei der im ostpreußischen Exil lebenden Königin schrieb diese am 31. August 1807 aus Memel an Hanstein: „Für Waisen fehlte es nicht an Stiftungen mancherley Art, aber an Hülfsbedürftige aus der genannten Classe war bisher nicht gedacht. Diese Anstalt verdient daher allgemeinen Dank und lebhafte Teilnahme.“ Luise stimmte der Verwendung ihres Namens zu, übernahm den königlichen Schutz, trug die Unterhaltskosten für vier Zöglinge und schickte 100 Friedrichsd’or für die erste Einrichtung der Anstalt. „Der Krieg, der so viel unvermeidliches Uebel über die Nation brachte, deren Landesmutter zu seyn, mein Stolz ist, hat auch manche schöne Frucht zur Reife gebracht, und für so vieles Gute den Saamen ausgestreut. Vereinigen

Luisenstift [LSt]

wir uns, ihn mit Sorgfalt zu pflegen, so dürfen wir hoffen, den Verlust an Macht, durch Gewinn an Tugend reichlich zu ersetzen. Sie, Herr Probst, haben redlich das Ihrige gethan, nach diesem Ziele hinzuleiten. Mehrere Ihrer würdigen Amtsbrüder haben mit ihnen gewetteifert. Sie haben dadurch in den Berlinern den Geist erweckt und erhalten, in welchem allein man sich im Unglück mit Würde betragen kann. Dadurch ist das Band der Liebe, welches die Nation mit ihrem Herrscher verband, nur um so fester geknüpft worden […] Ihre affectionirte Luise“ (nach: Heinsius 1809 (1982), S. 76–77). Eltern oder Berliner Bürger konnten dem LSt versorgungsbedürftige Kinder anbieten. Im Gegenzug stellte das LSt Zöglinge potentiellen Pflegevätern und Paten öffentlich in Kirchen vor. Über die Aufnahme ins Stift entschied das Direktorium „ohne Unterschied der Geburt und der Religion“. Das Sorgerecht ging dann an das Stift über, wobei streng reglementierte Kontakte zu den Eltern auch weiterhin möglich waren. Für die Unterbringung der Zöglinge stellte der Propst von St. Nikolai Konrad Gottlieb Ribbeck, der zeitweilige Beichtvater der königlichen Familie und 1813 erster Ehrenbürger der Stadt Berlin, im Einverständnis mit dem Magistrat, das alte Propsteigebäude von St. Nikolai unentgeltlich zur Verfügung. Die Umgestaltung des Gebäudes zum Knabenheim erfolgte durch Spenden. Der Hofbaumeister Johann Gottlieb Welz übernahm ein Drittel der Baukosten, Hofbuchdrucker Georg Jakob Decker (Sohn) gemeinsam mit der RealschulBuchhandlung spendeten 150 Schulbücher, der Apotheker Christian Gottlieb Bergemann lieferte Arzneien zum Einkaufspreis, der Arzt Johann Nepomuk Schmidt übernahm unentgeltlich die medizinische Betreuung der Zöglinge. Am 9. September 1807 wurde das LSt mit Genehmigung des Preußischen Armendirektoriums, des Magistrats sowie des französischen Kommandanten Hulin mit 37 Jungen im Alter von sechs bis 14 Jahren eröffnet.

Hauptabsicht der Anstalt war es, die Kinder vor einem Schicksal als „Straßenjungen“ zu bewahren (Biester, S. 186). Das Direktorium verfolgte dabei eine moderne, berufsvorbereitende Ausbildung der Zöglinge und bemühte sich, den Kindern eine fürsorgliche Heimstatt zu geben. Hanstein hatte während einer zweijährigen Dompredigerstelle in Brandenburg/Havel die Bemühungen der Familie Arnold kennengelernt, die im Brandenburger Dombezirk arme Mädchen aufnahm und in Handarbeiten ausbildete. Hanstein hatte dort ehrenamtlich die schulische Ausbildung der Mädchen übernommen. Das Konzept der Berufsvorbereitung brachte er von dort mit nach Berlin, als er 1804 die Stelle des Cöllner Prop­ stes an St. Petri annahm. Unterstützung erhielt er durch seinen Freund und Schwager Friedrich Philipp Wilmsen, der 1797 die Nachfolge seines Vaters als Prediger an der Parochialkirche antrat und als Pädagoge eine ganzheitliche Reform des preußischen Schulwesens anstrebte. Er verfasste zahlreiche Schullehrbücher und Fachliteratur für den Lehrerberuf, in denen er u. a. Stockschläge als pädagogisches Mittel grundsätzlich ablehnte. Während seines Studiums in Halle hatte er sich einem Kreis von Reformpädagogen angeschlossen. In wöchentlichen Treffen tauschte man dort Erfahrungen aus, diskutierte neue pädagogische Konzepte und verfolgte vor allem Neuerungen auf psychologischem Gebiet aufmerksam, um sie in die Pädagogik einzubeziehen. In Berlin gründeten Hanstein und Wilmsen die Zeitschrift Kritisches Jahrbuch der Homiletik und Ascetik (Berlin 1813–1814). Wilmsen war zudem Mitherausgeber von Adolph Freiherr v. Knigges Über den Umgang mit Menschen und verfasste das Vorwort und den vierten Band, der sich hauptsächlich an Jugendliche und junge Männer richtet und sich mit deren Eintritt in das Erwerbsleben eines Erwachsenen befasst. Neben seiner Tätigkeit im Kornmesserschen Waisenhaus war Wilmsen von Anfang an auch Mitglied im Direktorium des LSt und pflegte mit den Berliner Hand933

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

werksbetrieben regen Umgang. Er verfass- rektoriums in der Wohnung des Propstes te statistische Berichte, auch über die entlasse- Hanstein statt. Danach konnte für regelmäßinen Zöglinge, die beispielsweise im Berichts- ge und außerordentliche Sitzungen die Sessijahr 1824/1825 aus einem Gymna­siasten, zwei onsstube des Deutschen Doms genutzt werBuchbindern, drei Tischlern, einem Büchsen­ den. Nach dem ersten Reglement des LSt bemacher, drei Schuhmachern, einem Weber, stand das Direktorium aus einem Präsidenten, einem Schneider, einem Buchdrucker, ei- drei Assessoren, einem Sekretär, einem Kasnem Kaufmann, einem Seidenwirker und ei- sierer, einem Ökonomieinspektor, drei Lehnem Steinmetz bestanden. Die Berichte ver- reraufsehern, drei Industrieaufsehern und drei deutlichen Wilmsens Zielstellung: Er wollte Prüfungskommissaren. Die Mitgliedschaft endie Jungen nicht nur zu arbeitsamen und sittli- dete durch Austritt oder Tod. Versammlungen chen, sondern auch zu selbstständigen und ei- fanden vierteljährlich statt mit Abnahme der genverantwortlichen Menschen erziehen, wo- Rechnungen und Prüfungsberichte. Nach der bei ihnen beim Eintritt ins Berufs­leben inten- Satzung von 1833 waren Zu- und Abgänge sive Begleitung und Hilfestellung zu Teil wer- von Direktoriumsmitgliedern der Stiftungsden sollte. Dazu gehörte es auch, Beziehungen aufsicht, dem Kultus- und Innenministerium, zu den entlassenen Zöglingen aufrecht zu er- zu melden. Zuständig für die Schulaufsicht halten. Im Gegenzug suchten Entlassene auch war das Brandenburgische Provinzialschulkolimmer wieder den Kontakt zum Stift. Alles legium. – Nach der Satzung von 1950 fanden war daraufhin ausgerichtet, den Jugendlichen die Sitzungen des Direktoriums jährlich statt. den Eintritt in die Gesellschaft zu erleichtern, Es bestand aus sieben Männern und Frauen einerseits durch Erziehung, andererseits durch evangelischer Konfession, die ihre Mitgliedden Außenkontakt und die Herstellung von schaft ehrenamtlich ausübten. 1955 erfolgÖffentlichkeit. Von der Gründung 1807 an bis te die offizielle Umbenennung in Kuratorizum Jahr 1841 konnte das LSt „356 Knaben in um. Seit der Nachkriegszeit steht das LSt undas bürgerliche Leben“ entlassen (Geschäftsbe- ter dreifacher Aufsicht von Landesjugendamt, richt 1841). Diakonischem Werk und der SenatsverwalAus dem Verantwortungsbewusstsein Einzel- tung für Justiz. ner für das Ganze entstand das LSt Anfang In den Gründungsjahren besaß das LSt nedes 19. Jahrhunderts als karitative Stiftung ei- ben dem Direktorium einen personellen Aufner sich gerade professionalisierenden Armen- bau für die Betreuung und schulische Ausbilund Jugendfürsorge, der die Franckeschen Stif- dung. Im ersten Reglement werden als betungen in Halle zum Vorbild dienten. Bis in soldete Offizianten ein „Hausvater“ und eine die Gegenwart nimmt das LSt seine pädago- „Hausmutter“, ein wissenschaftlicher Lehrer gischen Verpflichtungen wahr. In den 1980er und ein Industrielehrer genannt, die in den Jahren entfiel der Konfessionszwang; 1997 öff- Räumlichkeiten des Stifts wohnten und zunete sich das LSt für Mädchen und Migran- sammen mit den Zöglingen speisten. Im spätenkinder. Seither ist es eine moderne kleine teren 19. Jahrhundert sorgte ein Inspektor für Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung mit un- die schulische und handwerkliche Ausbildung, terschiedlichen Hilfsangeboten auf fachlich ein Hausvater für die Betreuung der Zöglinanerkannt hohem Niveau und zählt heute zu ge sowie dessen Frau als Hausmutter zusamden ältesten aktiven Stiftungen der Stadt. men mit zwei Dienstmädchen für die Haushaltung. – Im 20. Jahrhundert wurde der InStruktur und Organisation: In der Grün- spektor durch einen Heimleiter und einen dungsphase fanden wöchentliche Sitzungen Stellvertreter ersetzt; hinzu kam ausgebildetes der Gründungsmitglieder und des ersten Di- Erzieherpersonal für die Betreuung der Be934

Luisenstift [LSt]

wohner, eine Verwaltungskraft, eine Buchhalterin sowie eine Köchin, zwei Küchenhilfen, eine Schneiderin, eine Wäscherin, drei Reinigungskräfte und ein Hausmeister für die Haushaltung. – Erste strukturelle Veränderungen im LSt erfolgten bereits im Gründungsjahr, als ein schwerer ansteckender Hautausschlag unter den Kindern grassierte. Im Zuge der erforderlichen Quarantänemaßnahmen mussten die Kapazitäten des Stifts gesenkt, eine Badeanstalt eingerichtet sowie eine Krankenwärterin eingestellt werden. Allen Anstrengungen zum Trotz hielt sich die Krankheit jedoch hartnäckig über mehrere Monate und brachte den Schul- und Arbeitsbetrieb nahezu zum Erliegen. Erst zum Jahresende galt sie als besiegt, keiner der Jungen war gestorben. 1811 konnte das LSt bereits 18 Knaben erfolgreich in eine Lehrstelle vermitteln. Im Folgejahr lebten 67 Kinder im Haus, womit die ursprünglich angestrebte Zahl von 60 überschritten und die Anstalt an die Grenze ihrer finanziellen und räumlichen Belastbarkeit gelangte. – 1807 war der Tagesablauf der Zöglinge wie folgt: Der Tag begann im Sommer um 5 Uhr und im Winter um 6 Uhr mit einer Morgenandacht und endete abends um 9 Uhr. Täglich gab es drei bis vier Schulstunden und vier bis sechs Arbeitsstunden, unterbrochen von Mahlzeiten, Sport-, Spiel- und Ruhestunden. Der Unterricht umfasste „Deutschlesen, Bibellesen, Schreiben auf die Tafel mit Griffeln, und auf Papier, Kopf- und Tafelrechnen, Christliche Religion, gemeinnützige Kenntnisse, Memoriren, Singen“ (Biester, S. 187). Die Arbeiten waren dem Alter angepasst und bestanden u. a. aus Stricken, Spinnen, Strohflechten und Schnitzarbeiten. Die Sonnabende waren für die Reinigung vorgesehen, sonntags fanden Gottesdienstbesuche statt. Die Wochenenden galten der Erholung für Zöglinge und Mitarbeiter sowie den Besuchen. Weil man von Eltern bisweilen schädlichen Einfluss auf die Zöglinge befürchtete, bevorzugte man Besuche von ehrbaren Bürgern, Paten und Pflegevätern. – 1833 wur-

de die Manufakturarbeit der Bewohner, die sich als wenig praktikabel herausgestellt hatte, eingestellt und der Schwerpunkt auf Bildung und berufsvorbereitende Maßnahmen verlegt. Zum weiteren Werdegang der Einrichtung ab Mitte des 19. Jahrhunderts vgl. Lehnert/Piethe. – Finanzierung: In der Gründungsphase wurden aus der königlichen Schatulle einmalig 100 Goldstücke sowie dauerhaft der Unterhalt für vier Zöglinge gezahlt. Zur Finanzierung trugen weiterhin ein Fonds des jüdischen Fabrikanten und Bankiers Jacob Herz Beer sowie weitere 89 dauerhafte Spender wie auch Pflegegelder durch Patenschaften bei. Bei den Wohltätern wurden zwei Kategorien unterschieden: „Die erste Klasse begreift diejenigen, welche sich zu bestimmten jährlichen Beiträgen für Kinder, welche sie selbst ausgewählt haben, anheischig machen. Solche Pflegeväter erhalten dadurch alle Rechte der Vormünder, und die Kinder heißen in der Anstalt Pflegebefohlne“, auch eine Art Adoption war möglich. „Die zweite Klasse begreift Diejenigen, welche, ohne Rücksicht auf ein ausgewähltes Kind, die Anstalt im Allgemeinen durch willkürliche unbestimmte Beiträge, gelegentliche Geschenke, Vermächtnisse, oder dergl. unterstützen. Die davon erhaltenen Knaben heißen in der Anstalt Zöglinge“ (Biester, S. 189), auch ihnen sollte ein Vormund zugewiesen werden. Die Spendenakquisition erfolgte über Aufrufe in der Berliner Presse. Gingen Spenden zurück, berichtete die Vossische Zeitung über die Tätigkeit im LSt und veröffentlichte eine Liste der Spender, darunter prominente Persönlichkeiten wie der preußische Oberbaudirektor Karl Friedrich Schinkel. Durch diese Medienöffentlichkeit führte das Direktorium der Berliner Bevölkerung die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung immer wieder vor Augen, schließlich vermittle das LSt den Jungen die bürgerlichen Ideale von Bildung und Arbeitsamkeit. 1816 informierte man die Öffentlichkeit, dass man bereits 145 Knaben aufgenommen habe, wovon man 68 erfolgreich in Berufs935

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ausbildungen vermitteln konnte. Anlässlich der Geburtstagsfeier der Königin 1808 veranstaltete die Musikalische Ressource einen Ball zum Besten des LSt; in ähnlicher Weise spendeten auch der Direktor des Nationalthea­ters Iffland und das  Privattheater Urania. Bis zum Jahr 1825 konnten 307 Unterstützer gewonnen werden, darunter der Generaladjutant Karl Leopold v. Köckritz, der 5.000 Taler spendete. Weitere Einnahmequellen waren bis 1833 Erlöse aus der Zöglingsarbeit, in späterer Zeit Legate (u. a. von Karl Friedrich August Hollmann) sowie nach dem II. Weltkrieg Erlöse aus dem Stiftsvermögen und Pflegegelder der Jugendämter sowie einmalige Zuwendungen aus Lottomitteln. – Feste: Die Einweihungsfeier, von der ein Bericht in der Haude und Spenerschen Zeitung erschien, fand am 9. September 1807 mit einer Rede und einem Gebet des Propstes Hanstein im Beisein des Direktoriums und der Zöglinge mit ihren Eltern statt. Nach dem Gebet wurde der Choral „Nun danket alle Gott“ gesungen und die erste gemeinsame Mahlzeit eingenommen. Jährlich hielt Hanstein eine Erbauungsrede unter dem Nussbaum im Vorgarten des Propsteigebäudes für Bewohner und Mitarbeiter. – Ende 1808 gehörten Lehrer und Zöglinge zum Empfangskomitee für die nach Berlin zurückkehrende Königsfamilie. Als Namensträger königlicher Familienmitglieder waren das LSt zusammen mit dem Friedrichsstift und der  Königin-Luise-Stiftung bei höfischen Familienund Staatsfeierlichkeiten präsent oder gestalteten gemeinsam eigene Feiern. – Bei der Trauerfeier für Friedrich Philipp Wilmsen am 4. Mai 1831 wurde die Trauerprozession durch die Zöglinge des LSt und des Kornmesserschen Waisenhauses angeführt, welche am Grab von den mit Blumen geschmückten Mädchen der Königin-Luise-Stiftung empfangen wurden. Überliefert sind weiterhin besinnliche Weihnachtsfeiern sowie Feiern zum Königinnengeburtstag und -todestag, welche gemeinsam mit den Bewohnern und Mitarbeitern des Friedrichsstifts und der Königin-Luise-Stiftung 936

begangen wurden. Man veranstaltete mehrere Jubiläumsfeiern: zum 100-jährigen Bestehen des Stifts 1907, zum 100. Todestag der Königin 1911, zum 125-jährigen Jubiläum des Stifts zu Weihnachten 1932 mit Bewohnern, deren Eltern und Ehemaligen, zum 175-jährige Bestehen 1982 mit einem Neudruck der Heinsius-Schrift, zum 180-jährigen Bestehen 1987 mit einer Rede des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prof. Werner Knopp, im Beisein u. a. von Bischof Martin Kruse, Senatorin Hanna-Renate Laurien und Prinz Louis Ferdinand von Preußen. Am 12. Mai 1958 fand die feierliche Grundsteinlegung zum Wiederaufbau des Stiftsgebäudes im Beisein des Prinzen von Preußen und seiner Frau Kira sowie am 20. Juli 1959 die Einweihung u. a. mit Bischof Dr. Otto Dibelius statt. Mitglieder: Initiatoren: Louis Catel, Carl v. Neander, Theodor Heinsius. – Direktorium, ca. 1807–1850: Kaufmann Brüstlein, Kaufmann Jacob Herz Beer, Architekt Louis Catel, Stadtrat Drake, Kaufmann Ehrich (Erich), Propst August Ludwig Hanstein, Professor Theodor Heinsius, Kaufmann Johann Friedrich Köppen, Prediger Samuel Marot, Fabrikkommissar Johann Gottfried May, Hauptmann Carl v. Neander, Geh. Oberfinanzrat Friedrich Philipp Rosenstiel, Professor Rösel (möglicherweise der Landschaftsmaler Johann Gottlob Samuel Rösel?), Kaufmann Schulz (Breite­str. Nr. 13), Generalhospitaldirektor Ludwig v. Voß, Kaufmann Weinhold, Prediger Friedrich Philipp Wilmsen. – Die ersten Angestellten des LSt waren der Lehrer Franke sowie das Schneider-Ehepaar Steinle als Hausvater und Hausmutter. Querverweise auf andere Vereine: Mehrere Gründungsväter des LSt wie Catel, Heinsius, May, Rosenstiel oder v. Voß waren zugleich Mitglieder der  Gesellschaft der Freunde der Humanität. Kontakte zu anderen Wohltätigkeits-Einrichtungen bestanden vor allem durch Heinsius, Hanstein und Wilmsen, die

Luisenstift [LSt]

bereits durch ihre soziale Herkunft, Schulzeit und Studienzeit sowie ihre Tätigkeit als Lehrer und Pfarrer mit dem Armen- und Schulwesen vertraut waren. Wilmsen stand durch seinen Vater schon in Jugendjahren ständig mit dem Kornmesserschen Waisenhaus der Berliner Parochialkirchengemeinde in Beziehung. Nach dem Eintritt in das Berliner Schulkollegium dürfte Wilmsen mit einem Großteil der Berliner Erziehungseinrichtungen in Verbindung gestanden haben. Er unterrichtete bei der  Königin-Luise-Stiftung. Auch Heinsius und Hanstein waren in anderen Schulen und Einrichtungen tätig. – Die Prediger Marot und Wilmsen werden in Verbindung gebracht mit einer Lehrervereinigung, der 1812 24 Mitglieder angehört haben sollen, und die mehrere Jahre neben der 1813 gegründeten  Berlinischen Schullehrergesellschaft bestand. Friedrich Philipp Wilmsen war zudem seit 1813 Mitglied dieser BSLG. – Johann Erich Biester, der 1807 in der Neuen Berlinischen Monatsschrift für die Unterstützung des in Vorbereitung begriffenen LSt warb, tat dies desgleichen für „eine wohlthätige Anstalt fast ähnlicher Art“, die Sonntagsschule in Spandau, eine Armen-Freischule, die bereits mehrere Jahre erfolgreich tätig war und ebenfalls der weiteren „Hülfe der thätigen Menschen- und Kinderfreunde“ bedurfte (Biester, S. 190). – Im 20. Jahrhundert wurde das LSt Mitglied beim Evangelischen Erziehungsverband und beim Diakonischen Werk. Bibliographie: Ungedruckte Quellen: Auf Grund von Kriegsverlusten ist die Quellenlage vor 1945 dürftig. Aus dem Hausarchiv sind lediglich sechs Aktenbände erhalten, die im Archiv der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) aufbewahrt werden. Davon berühren zwei Bände die Gründungsphase (sie beginnen bereits ein Jahr vor der offiziellen Gründung mit den Etatplanungen für die Ausstattung der zukünftigen Zöglinge), ein Aktenband betrifft die Statuten 1832– 1835, der vierte Aktenband die Verwaltungs-

und Erziehungsarbeit 1807–1910; der fünfte Aktenband mit gleichem Zeitraum dokumentiert die Zusammensetzung des Direktoriums/ Kuratoriums. Der letzte Aktenband belegt die Umstrukturierungen und Finanzen von 1930– 1946. – Von den Archivalien aus der Zeit nach 1945 sind besonders die Dienstbücher des Erzieherpersonals, die bis in die 1970er Jahre zurückreichen, für die Dokumentation des pädagogischen Alltags wertvoll. Die Überlieferung in Fremdarchiven vor 1945 ist ebenfalls gering. Im GStA PK befinden sich im Bestand des Ministeriums für Volkswohlfahrt (GStA PK, I. HA Rep. 77 B Nr. 509) die Genehmigungsverfahren. Im LA Berlin ist seit 1940 die Stiftungsaufsicht dokumentiert, mit Angaben zur Zusammensetzung des Kuratoriums und des Personals (LAB, A Pr. Br. Rep. 057 Nr. 361). Zudem befindet sich Material in den Registraturen der heutigen Aufsichtsbehörden, der Senatsverwaltung für Justiz, als Aufsicht über das Stiftskapital und die Senatsverwaltung für Jugend für die pädagogische Arbeit. Durch die zwischenzeitliche Übernahme der Verwaltung des LSt durch den Evangelischen Erziehungsverband befindet sich auch Aktenmaterial im Evangelischen Zentralarchiv Berlin, sowie im Hausarchiv des Diakonischen Werks seit den 1960er Jahren. – Gedruckte Quellen: Biester, Johann Erich: Die neue Erziehungs- und Industrie-Anstalt zu Berlin. In: Neue Berlinische Monatsschrift, Juli 1807, S. 183–190. – Heinsius, Theodor: Geschichte des Luisenstifts bis zum Schlusse des Jahres 1808. Aus den Verhandlungen erzählt. Berlin 1809 (Neudruck Archiv für Kunst und Geschichte 1982). – Hesekiel, Friedrich: Erinnerungen an Friedrich Philipp Wilmsen, evangelischer Prediger an der Parochial-Kirche zu Berlin. Berlin 1833. – Knigge, Adolph Freiherr v.: Ueber den Umgang mit Menschen. In drei Theilen. Elfte Original-Ausgabe. Durchges. und aufs Neue stark verm. von F. P. Wilmsen. Hannover 1830. – Lisco, Friedrich Gustav: Das wohlthätige Berlin. Geschichtlich-statistische Nachrichten über die Wohlthätigkeits-Ue937

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

bung Berlin’s. Berlin 1846, S. 230–234. – Pelk- 3: 1800–1870. München 1987. – Jeismann, mann, F. S.: Trauerrede am Sarge des Königl. Karl-Ernst: Staat und Erziehung in der preuOber-Konsistorialrath, Ritters des rothen Ad- ßischen Reform 1807–1819. Göttingen 1969. ler-Ordens zweiter Klasse, Probst zu Cölln an – Lehnert, Erik / Piethe, Marcel (Hg.): „Lasder Spree, Dr. G. A. L. Hanstein nebst dem set uns Gutes thun und nicht müde werden am Grabe gesprochenen Gebete einem Ge- …“. 200 Jahre Luisenstift Berlin. Berlin 2007. sange und einer kurzen Lebensbeschreibung. – Knaack, Rudolf: Stiftungen in Berlin und Gedächtnisschrift für die Petri-Gemeinde und Brandenburg und Quellen zu ihrer Geschichte die Freunde des Verewigten. Berlin 1821. – bis 1945 im Brandenburgischen LandeshauptLiteratur: Blankertz; Herwig: Die Geschich- archiv. In: Brandenburgische Archive 9 (1997), te der Pädagogik. Von der Aufklärung bis zur S. 6–10. – Kocka, Jürgen / Frey, Manuel (Hg.): Gegenwart. Wetzlar 1992. – Göbels, Hubert: Bürgerkultur und Mäzenatentum im 19. JahrParochialprediger F. Ph. Wilmsen mit sei- hundert. Berlin 1998. – Kopp-Stache, Jürnen „Kinderfreunden“ für Schule und Haus. gen: Pädagogische Dynamik der HeimerzieIn: Pädagogische Rundschau, Jg. 44/1990, hung. Historisch-systematische und systeHeft 5, S. 529–539. – Grunder, Hans-Ulrich: matische Studien zur stationären Jugendhilfe. Konzepte und Praxis der Heimerziehung im Frankfurt/Main 1996 (= Deutsche Hoch19. und 20. Jahrhundert. In: Vierteljahres- schulschriften, 2340). – Mehringer, Andreschr. für Heilkunde und ihre Nachbargebiete, as: Heimkinder. Gesammelte Aufsätze zur GeJg. 64/1995. – Hansbauer, Peter: Traditions- schichte und Gegenwart der Heimerziehung. brüche in der Heimerziehung. Analysen zur 3. erw. Auflage, Basel 1982. – Neugebauer, Durchsetzung der ambulanten Einzelbetreu- Wolfgang: Absolutistischer Staat und Schulung. Münster 1999 (= Forschung und Pra- wirklichkeit in Brandenburg-Preußen. Berxis in der sozialen Arbeit, 1). – Henkelmann, lin 1985. – Röper, Friedrich Franz: Das verAndreas: Konfessionelle Wohlfahrtspflege und waiste Kind in Anstalt und Heim. Ein Beitrag moderner Wohlfahrtsstaat: Überlegungen zu zur historischen Entwicklung der Fremderzieeinem schwierigen Verhältnis am Beispiel der hung. Göttingen 1976. – Sachße, Christoph Heimerziehung in den fünfziger und sechziger / Tennstedt, Florian: Geschichte der ArmenJahren. In: Auf dem Weg in „dynamische Zei- fürsorge in Deutschland. Band 1: Vom Spätten“. Transformation der sozialen Arbeit der mittelalter bis zum 1. Weltkrieg. 2. verb. Aufl., Konfession im Übergang von den 1950er zu Stuttgart/Berlin/Köln 1998. – Schneider, den 1960er Jahren. Berlin 2007. – Heinrich, Thomas: „Gut und edel und groß“. Luisens Gerd (Hg.): Tausend Jahre Kirche in Berlin Bedeutung für das frühbürgerliche Stiftungsund Brandenburg. Berlin 1999. – Hermann, wesen. In: Die Mark Brandenburg. Zeitschr. Ulrich (Hg.): Schule und Gesellschaft im 19. für die Mark und das Land Brandenburg, Heft Jahrhundert. Sozialgeschichte der Schule im 65, Berlin 2007, S. 30–31. – Reu­lecke, Jürgen: Übergang zur Industriegesellschaft. Weinheim Geschichte der Urbanisierung in Deutschland. 1977. – Hinz, Renate: Pestalozzi und Preußen. Frankfurt/Main 1985. – Schorner, Klaus: UnZur Rezeption der Pestalozzischen Pädago- tersuchungen zur pädagogisch relevanten Argik in der preußischen Reformzeit (1806/07– beit innerhalb preussisch-deutscher Fürsorge1812/13). Frankfurt/Main 1991. – Jeismann, Erziehungsanstalten im ersten Drittel des 20. Karl-Ernst / Lundgreen, Peter (Hg.): Hand- Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte der buch der deutschen Bildungsgeschichte, Band Heimerziehung. Münster 1995.

Denny Becker / Marcel Piethe

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Verein für die Luisenstiftung / Königin-Luise-Stiftung [KLS]

Verein für die Luisenstiftung / Königin-Luise-Stiftung [KLS] Name: Gegründet als Luisen-Stiftung; auch: Verein für die Stiftung Luisenstiftung; Verein für die Luisenstiftung; seit 1901: Königin-Luise-Stiftung. Gründung: 19. Juli 1811. Bestand: Bis heute. Sitz: 1811 „Neue Münze“ am Königstor, Münzstraße 10; 1812 Anspachisches Palais (das spätere Prinz-Albrecht-Palais), Wilhelmstraße 102; ab 1830 Markgrafenstraße 10; seit 1907 Podbielskiallee 78. Programmzitat: „Die zum Gedächtniß der verewigten Königin bestimmte Anstalt führe den Namen Luisenthum; er bezeichne den Inbegriff häuslicher Tugenden, die Anstalt befleißige sich derselben, damit sie in ihr wohnen und herrschen. / Das Luisenthum soll eine Anstalt sein, worin junge Mädchen, welche für das häusliche oder öffentliche Erziehungswesen sich zu bilden wünschen, Gelegenheit finden, die Geschäfte der Hausfrau und Lehrerin ausübend zu lernen, und lernend zu lehren, indem sie in zweckmäßiger Umgebung Erzieherinnen jüngerer weiblicher Kinder werden, unter welchen sich eine verhältnißmäßige Anzahl auch solcher Kinder befinden soll, deren Bestimmung ist, Wärterinnen zu werden. Die Bildung aller dieser Personen zu ihrem Beruf, zur Hausmütterlichkeit überhaupt, ist sein Zweck“ (§§ 1 und 2 des Plans zu dem preußischen Denkmal für

die verewigte Königin Luise von Preußen durch weibliche Erziehungsanstalten, zitiert nach: Klewitz, 1814, S. 16). „Eine höhere Schule für Mädchen sollte eigentlich nur den Töchtern der höheren Stände vorbehalten bleiben; in der Voraussetzung aber, dass dieselbe auch von Töchtern wohlhabender Handwerker werde besucht werden, welches die Deputation zwar nicht wünschenswerth, aber doch für unvermeidlich hält – sieht sich dieselbe veranlaßt, die Forderungen merklich herabzustimmen, die man

an eine bloß auf die höhere Klasse berechnete Lehranstalt für Töchter machen könnte“ (Lehrplan für die höhere Mädchenschule, 1811; aus: Bartsch / Mielke, S. 17). Geschichte und Programmatik: Die auf eine Privatinitiative zurückgehende KLS ist eine der ältesten Einrichtungen der Kinder- und Jugenderziehung in Deutschland mit einer 200-jährigen Stiftungsgeschichte. Ihre Einrichtung fällt in eine Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs. Nachdem Königin Luise von Preußen am 19. Juli 1810 in Hohenzieritz gestorben war, erging bereits wenige Tage später, am 2. August 1810, ein Aufruf An die tiefgebeugten Bewohner des preußischen Staates zur Errichtung einer Stiftung im Angedenken an die verstorbene, als „volkstümlich“ verehrte Königin. Der Aufruf richtete sich nicht an eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, sondern an das gesamte preußische Volk. „Luisens Tugenden“ sollten „von nun an Eigenthum Vieler werden!“; „zu diesem Zweck, zu Ihrem Denkmal und als Ihr Vermächtniß stifte die Nation selbst dem gesamten Staate Bildungsanstalten für weibliche Erzieherinnen! zuerst in Berlin, Königsberg und Breslau“. Unterschrieben war der Appell von Johann Friedrich Gottlieb Delbrück, Dr. Janke, Wilhelm Anton von Klewitz, Wilhelm Heinrich Nolte, Friedrich Philipp Rosenstiel und Oberkonsistorialrat Sack. Sie alle waren in diesen Jahren in den Prozess der Staatsreformen, insbesondere in den Umbau des Bildungssystems eingebunden. Der „Plan zu dieser National-Angelegenheit“ wurde noch im August 1810 ausgearbeitet und fand umgehend Resonanz. Die Tragweite des Gesamtkonzeptes wird an dem Vorhaben deutlich, zugleich in drei politisch und wirtschaftlich wichtigen Städten des Landes – in Breslau, Königsberg und der Hauptstadt Berlin – Schulen im Geiste dieses Aufrufes zu etablieren, „alsdann fortschreitend in den übri939

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

gen Hauptstädten der Provinzen, so daß jede chen für den Gesindestand kostenfrei auszuProvinz eine solche Anstalt erhalte!“. Am 4. bilden, den Erzieherinnen weibliche ZöglinAugust bezeigte König Friedrich Wilhelm III. ge zur Uebung für ihren Beruf zuzugeben, den Initiatoren und Gründern des Vereins für und so in zusammengesetzten kleinen Famiden „Plan zur Gründung weiblicher Erzie- lien ihnen Gelegenheit zu geben, an die älterhungs-Anstalten durch die Nation […] Dank liche Erziehung und an das häusliche Leben und Beyfall“. Den ursprünglichen Gedanken, sich anzuschließen“ (Zedlitz, S. 434). Um als die Stiftung „Luisenthum“ zu nennen, lehn- Erzieherin aufgenommen zu werden, musste der König jedoch ab: „[…] dass ich die Be- ten die jungen Frauen ein Alter von mindesnennung ‚Luisenthum‘ fremd und der Sache tens 18 Jahren haben, „Neigung für diesen nicht angemessen find“. Da es bereits ein  Beruf“ zeigen und „gesunden Körpers“ und Luisenstift, ein Luisenerbe sowie eine Luisen- „unbescholtenen Rufes“ sein. Erforderlich für Ehre und weitere ähnlich benannte Einrich- die Aufnahme waren der Taufschein, ein Getungen – mit unterschiedlichen Zwecken – sundheitszeugnis, ein Blatternimpfattest sogab, entschied man sich für den Namen Lui­ wie ein Zeugnis der Herkunftspfarrgemeinsen-Stiftung. Als Patronin fungierte Luisens de. Für die Aufnahme als Erzieherin wurde älteste Tochter, die damals 13-jährige Prin- das Beherrschen der deutschen Sprache vorzessin Charlotte. Am 3. Dezember 1810 wur- ausgesetzt und gute Kenntnisse des Französide der Plan zur Einrichtung der Berliner Stif- schen in Wort und Schrift. Darüber hinaus ertung veröffentlicht und in 102 Paragraphen wartete man von den Erzieherinnen Grundder Aufbau der Lehreinrichtung sowie ihre kenntnisse in Rechnen, Geschichte und Reinhaltlich-pädagogische Ausrichtung vorge- ligion, sie sollten Klavier spielen können und stellt. Nach etwa einem Jahr Vorbereitungszeit handarbeitliche Geschicklichkeit mitbringen. durch den Verein konnte am 19. Juli 1811 die Unterrichtet wurden die weiblichen ZöglinAnstalt eröffnet werden. ge zudem von Lehrern, die nicht zur Anstalt Die Luisenstiftung wollte „junge Mädchen, gehörten. die bereits die nötige Vorbildung haben, zu Die KLS war in ihrer pädagogischen AusrichErzieherinnen und Lehrerinnen ausbilden“, tung von Anbeginn zukunftsorientiert und wobei häusliche Arbeiten und geistige Aus- immer wieder Wirkungsstätte von Pädagogen, bildung gleichbedeutend im Alltag nebenei- die progressive Ansätze der erzieherischen Arnander stattfinden sollten. Friedrich Nico- beit verfolgten und in dieser Institution auch lai beschreibt die Stiftung 1816 im Wegweiser die Möglichkeiten zur praktischen Umsetdurch Berlin: „Sie hat den Zweck, junge Mäd- zung erhielten. Dazu gehörte in der Grünchen für das häusliche oder öffentliche Erzie- dungszeit Friedrich Philipp Wilmsen, der bis hungswesen zu bilden, und Gelegenheit zu zu seinem Tod im Jahre 1831 an der KLS geben, die Geschäfte der Hausfrau und Leh- unter anderem Religion, Geschichte und rerin ausüben zu lernen und lernend zu leh- Deutsch unterrichtete und den Erzieherinren. Zu Zöglingen werden Töchter aus allen nen reformpädagogische Erziehungsmethoden Ständen von 6 bis 14 Jahren aufgenommen. vermittelte. Wilmsen war neben seiner LehrVon 36 Stellen sind 6 Freistellen, 12 bezahlen tätigkeit auch ein Wegbereiter des deutschen jährlich jede 100 Thlr. und 18 jede 200 Thlr. Schulbuches. Neben vielen anderen LehrbüZu kleinen Wärterinnen werden Töchter der chern, darunter speziellen zur Unterrichtung niedern Stände von 12 bis 14 Jahren ange- von Mädchen, wurde er als Autor des Brannommen“ (Nicolai, S. 148–149). Das Berli- denburgischen Kinderfreund bekannt, aus dem ner Conversations-Handbuch benennt 1834 als später der Deutsche Kinderfreund hervorging Zweck der KLS, „Erzieherinnen und Mäd- – ein vieltausendfach gedrucktes Schulbuch 940

Verein für die Luisenstiftung / Königin-Luise-Stiftung [KLS]

des 19. Jahrhunderts. Die KLS besitzt heute tige Abitur, abgelegt werden konnte. Ab 1933 eine große Anzahl handschriftlicher und der konnten auch Schülerinnen, die nicht im InWissenschaft noch unbekannter Dokumen- ternat lebten, die Schule der KLS besuchen. te, die von den Überlegungen zur Erziehung Diese Weiterentwicklungen der Stiftung wajunger Menschen und den konkreten Maß- ren seit 1920 eng mit dem Namen Friedrich nahmen Wilmsens bei der Unterrichtsgestal- Schmidt-Ott verbunden. Der promovierte Jutung an der KLS berichten. Mit Karl Bor- rist war lange Jahre als Beamter im höheren mann übernahm ab 1842 ein maßgeblicher Verwaltungsdienst tätig und Mitarbeiter von Initiator der modernen Lehrerausbildung in Friedrich Althoff im Ministerium der geistliDeutschland den pädagogischen Unterricht chen und Unterrichtsangelegenheiten, 1917 an der KLS. Der Gründer des Berliner Leh- auch preußischer Kultusminister. Schmidtrerinnen-Seminars lehrte 40 Jahre lang an der Ott regte 1920 die Gründung der NotgemeinEinrichtung und bereitete die Erzieherinnen schaft der deutschen Wissenschaft an und wurder KLS auf die staatlichen Examen vor. In de ihr erster Präsident. Im gleichen Jahr überseine Zeit fällt die Erweiterung des Unter- nahm er den Vorsitz im Kuratorium der KLS. richtsprogramms durch die Englische Sprache Als im Januar und März 1943 erstmals die Ge(1844), den Turnunterricht (1854) und das bäude in der Podbielskiallee von alliierten FlieFach „Weltgeschichte“ (1878). 1877 durften gerbomben getroffen wurden, mussten die 75 erstmals staatlich anerkannte Prüfungen zur Internen der Stiftung in Agnetendorf im RieLehrbefähigung an Volks-, Mittel- und höhe- sengebirge, in Trautzschen bei Torgau und in ren Mädchenschulen in der KLS selbst abge- Reichertswalde in Ostpreußen untergebracht legt werden. Der „Vorstand des Vereins für die werden. Am 28. Mai 1945 – nur drei Wochen Luisenstiftung“ wurde durch ein Kuratorium nach der bedingungslosen Kapitulation der ersetzt, und seit 1870 übernahm eine Ober- Wehrmacht – nahm die KLS mit sieben Lehlehrerin die Aufsicht über das Unterrichtswe- rerinnen und rund 20 Schülerinnen ihren Unsen. Seit den 1880er Jahren wurde von den terricht wieder auf. Seit September 1949 werSchülerinnen wider den „übermäßigen Toi- den auch Jungen an der KLS unterrichtet. lettenluxus“ eine einheitliche Stiftungstracht Die KLS war vermutlich eine der ersten daugetragen. Bei allen Veränderungen blieben die erhaften Einrichtungen in Deutschland, welche Grundprinzipien der Gründungszeit im All- die Unterrichtung von Mädchen und die Austag der Schule erhalten: „Lernend zu lehren“ bildung von Erzieherinnen miteinander verund dabei ein familienähnliches Zusammen- knüpfte. Zugleich ist sie in ihrer Gründungszeit leben in der Stiftung zu führen. Das Ansehen ein unvergleichliches Zeugnis für die Regeneder KLS veranlasste etwa auch die Familie ration des preußischen Staates mittels Bildung. Fontane, ihrer Patentochter Gertrud Mengel den Besuch der Schule zu empfehlen. Die- Struktur und Organisation: An der Spitze se berichtete rückblickend: „Das Lui­senstift der Anstalt sollte „ein verständiges und gebilwar […] zu meiner Zeit […] das beliebte In- detes, heiteres und gesundes Ehepaar von Jahternat von Töchtern vom Lande […], denen ren und Erfahrung“ (§ 4) stehen, ihm zur Seidort eine abgeschlossene Schulausbildung ge- te Aufseherinnen und Erzieherinnen (§ 5–7). boten wurde.“ Ein Vorsteherpaar wurde jedoch nicht gefunAnlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums wurde den, so dass Frl. Friederike Lehmann als erste der Bund Alter Königin-Luise-Stifter gegründet. und alleinige Vorsteherin bis zu ihrem Ruhe1928 wurde das Lehrerinnen-Seminar in ein stand im 65. Lebensjahr (1842) die KLS führOberlyzeum umgewandelt, in dem erstmalig te, und das Vorsteheramt von den männlichen zu Ostern 1928 die „Reifeprüfung“, das heu- Vereinsmitgliedern ausgeübt wurde. Je eine 941

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Aufseherin betreute zwei „größere Familien“. liche Arbeiten, als Nähen, Stricken, Sticken)“. Diese „Familienverbände“ gliederten sich in In 17 weiteren Paragraphen sind die Inhalte zwölf weitere Einheiten, die von jüngeren Er- und die Vermittlung der einzelnen Unterzieherinnen geleitet wurden. Vier Erzieherin- richtsfächer dargestellt. Ein weiteres Dokunen standen vier Zimmergemeinschaften von ment aus dem Jahre 1811 betont die Ausbildrei bis vier Zöglingen vor, denen jeweils eine dung der jungen Mädchen zu künftigen EheWärterin, d. h. ein junges Dienstmädchen, zu- und Hausfrauen, Müttern und Gastgeberingeteilt war. Hervorgehoben wird immer wie- nen: „Unter einer höheren Mädchenschule der der familiäre Zusammenhang, in dem die denken wir uns eine Anstalt, die bestimmt ist, Ausbildung und der Alltag von Lehrerinnen heranwachsenden Mädchen eine Unterweiund Schülerinnen standen. „Die Erzieherin- sung zu geben, welche dereinst verständigen nen, wie älteste Töchter einer Familie, woh- und wohlgesinnten Männern aus den gebildenen mit den ihnen anvertrauten Zöglingen ten Ständen in der ehelichen Verbindung u. in wie mit ihren jüngeren Geschwistern zusam- gesellschaftlichem Umgange genügen kann.“ men.“ „Auch der Unterricht wird mehr in Die Erzieherinnen bekamen und gaben UnForm des Familienlebens als der Schule gege- terricht; jenen von den Lehrern, diesen in ben, es finden regelmäßige Lehrstunden, aber Gegenwart der Lehrer. Die Zöglinge erhielkeine scharf abgeschnittenen Unterrichtsklas- ten ihren Unterricht teils von den Lehrern in sen statt; der Unterricht wechselt mit den Gegenwart der Erzieherinnen, teils von den weiblichen Beschäftigungen und hat vor ih- Erzieherinnen in Gegenwart der Lehrer. – nen keinen Vorzug.“ – Der Tag begann mor- 1818 zieht der Verein für die Stiftung Luisengens 6 Uhr. Der Morgenandacht 7 Uhr stiftung ein erstes Resümee: „Die Luisenstifschloss sich ein gemeinsames Frühstück an. tung hat in dem ersten siebenjährigen ZeitDie Unterrichtsstunden wurden von 8 bis 11 raum ihrer Dauer“ 12 Erzieherinnen, 13 junoder 12 Uhr abgehalten und der „wissen- ge Wärterinnen, 47 weibliche Zöglinge schaftliche“ Unterricht am Nachmittag mit „gebildet für ihren Beruf und ganz oder zum einer oder zwei Stunden weitergeführt. – Un- Theil erzogen […] Sie erfüllen jetzt ihren Beterrichtsprogramm: An der KLS finden sich ruf in der Welt“. Unter den Zöglingen waren bereits für das Jahr 1811 Lehrpläne, die als frü- auch die drei Töchter des Heeresreformers heste Zeugnisse der modernen Bildungsge- v. Gneisenau sowie die Tochter des Bildhauers schichte im Sinne der Humboldt’schen Re- Rauch. Zugleich wird eingestanden, dass der formen gelten dürften. Ein Lehrplan für die anfängliche Plan zur Errichtung der Stiftung höhere Mädchenschule enthält folgende Punk- nicht gänzlich umgesetzt werden konnte: te: „§ 1 Von den Gegenständen des Unter- „Diese so, und ganz auszuführen, haben die richts (1. Deutsche Sprache mit Schreiben Kräfte der Stiftung noch nicht gestattet.“ 1834 und Lese-Übungen; 2. Französische Sprache; vermerkt das Conversations-Handbuch: „Diese 3. Religion; 4. Anschauungs-Übungen, mit Anstalt hat in den ersten 17 Jahren 32 Erzieheden einfachsten geometrischen Grundbegrif- rinnen und 31 Wärterinnen gebildet und 116 fen; 5. analytische Verständnis-Übungen; 6. weibliche Zöglinge wohlgebildet entlassen Rechnen, insbesondere Kopfrechnen; 7. […] Es befinden sich fortwährend darin 6 ErZeichnen; 8. Kalligraphie; 9. Natur-Wissen- zieherinnen, 6 Wärterinnen und 24 Zöglinge, schaft; 10. Erdbeschreibung; 11. Geschichte die 6 Familien bilden, die der Aufseherin und mit Aushebung derjenigen Züge, welche auf ihren beiden Gehülfinnen untergeordnet sind. das weibliche Gemüth am vorteilhaftesten Zur Aufnahme als Zögling oder Pensionärin wirken können; 12. Musik, die jedoch blos ist erforderlich: ein Alter von 10–12 Jahren, auf Sing-Übungen sich beschränkt; 12. Weib- gesunder Körper, Empfänglichkeit für Unter942

Verein für die Luisenstiftung / Königin-Luise-Stiftung [KLS]

richt, Entwickelung der Geistes- und Ge- beim pädagogischen Aufbau der KLS und der müthskräfte und einige Vorkenntnisse in der sie tragenden Verwaltungsstrukturen zu bedeutschen Sprache, im Schreiben und Rech- schreiben, wird erst durch die Aufarbeitung nen. Die Zöglinge zahlen ein Jahrgeld von der historischen Dokumente der KLS mög200 Thl. und bleiben 4 Jahre in der Stiftung. lich sein. – Finanzierung: Als im August Zu Erzieherinnen nimmt man junge Mäd- 1810 der erste Aufruf erfolgte, waren noch chen aus allen Ständen, die diesem Fache sich keine Mittel zur Ausführung des Plans vorwidmen wollen, in dem Alter von 18–24 Jah- handen. Da die Stiftung jedoch aus allen Teiren unentgeltlich auf; sie müssen aber die len Preußens finanzielle Zuwendungen ernöthigen Vorkenntnisse haben und unbe- hielt, besaß sie bereits ein Jahr später ein Verscholtenen Rufes sein, haben nicht nur Woh- mögen von 8.500 Reichstalern, das bis 1818 nung, Kost, Heizung, Licht, Bildung, Unter- auf 24.868 anstieg – gerechnet ohne die Erträricht und Reinigung der Wäsche frei, sondern ge aus Wertpapieranlagen. Die Finanzierung erhalten auch in den letzten 2 Jahren ihres ver- erfolgte hauptsächlich durch Spenden, regelfassungsmäßigen 3jährigen Aufenthalts jähr- mäßig erhielt die KLS durch Privatpersonen lich jede 30 Rthl. Gehalt. Zu Wärterinnen Schenkungen, darunter auch „150 Thaler werden Töchter der niederen Stände, beson- Gold“ von der Großfürstin Alexandra (die ders des Gesindestandes, von 12 bis 14 Jahren, 1798 als Friederike Luise Charlotte Wilhelmisobald sie nicht von verdorbenen Sitten sind, ne v. Preußen geborene Tochter von Königin unentgeltlich recipirt; auch sie haben bis auf Luise wurde durch die Heirat mit Nikolaus I. die Kleidung, Alles frei und jährlich 10 Rthl als Alexandra Fjodorowna Zarin von RussLohn, der in der Anstalt gesammelt und beim land). Der König sicherte Lottogelder in Abgange ihnen im Ganzen ausgezahlt wird. Höhe von 1.200 Reichstalern zu; „bei jeder Entlassen werden sie in der Regel nach der Ziehung der kleinen Geld-Lotterie“ wurden Einsegnung, und bei guter Aufführung sorgt durch königlichen Erlass Beträge an die KLS das Institut auch für ihr gutes Unterkommen. überwiesen. Später wurden die Kapitalzinsen Das Protektorium führt Ihre Königl. Hoheit sowie das Kostgeld für die Zöglinge zu den die Kronprinzessin, ein Verein von 3 Mitglie- wesentlichen Einnahmen der Stiftung. – Die dern und ein Kassenbeamter haben die obere Häuser der KLS: Das erste Domizil der LehrLeitung, eine Aufseherin mit 2 Gehülfen die anstalt befand sich nach der Eröffnung am 19. unmittelbare Aufsicht, und nächst diesen un- Juli 1811 in der 1752 erbauten sogenannten terrichten 7 Lehrer und 2 Lehrerinnen in „Neuen Münze“ am Königstor in der KönigsSprachen, Geographie, Geschichte, Religion, Vorstadt (nicht zu verwechseln mit der 1798 Rechnen, Schreiben, Lesen, Zeichnen, Ma- bis 1800 nach einem Entwurf von Heinrich len, Naturgeschichte, Gesang, Musik, Tanz Gentz erbauten sogenannten alten oder und weiblichen Handarbeiten. Der Vorstand Hauptmünze auf dem Friedrichswerder, die der Anstalt besteht gegenwärtig in den Geh. mitunter von den Zeitgenossen auch als Staats- und Finanz-Minister Maaßen, in dem „Neue Münze“ bezeichnet wurde). Friedrich Geh. Ober-Bergrath Karsten und dem Probst Wilhelm III. hatte der Stiftung das Gebäude Roß“ (Zedlitz, S. 434–435). – Bereits in den zur Verfügung gestellt, in dem im ersten Jahr ersten Jahren wurde in der KLS eine eigene 15 Zöglinge, vier Wärterinnen, vier ErzieheBibliothek eingerichtet; 1818 enthielt sie 315 rinnen und eine Aufseherin Unterkunft fanBände, zusätzlich „sind an Schulbüchern zum den. Da jedoch für die „Einschmelzung und Gebrauch 300 Bände vorhanden. Sehr viele Affinirung des Scheidemünzgeldes“ ein gröverdankt sie den hiesigen Herren Buchhänd- ßerer Raum benötigt wurde, wurde die Stiflern“. – Den genauen Entwicklungsgang tung per Kabinettsordre im Juni 1812 in das 943

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Anspachische Palais auf dem Grundstück Wil- tung betreffende Eigentums- und andere Anhelmstraße 102 verlegt, bis dieses 1830 in den gelegenheiten). – III. Vermögen (beinhaltet Besitz des Prinzen Albrecht überging. Das das Stiftungs- und Kapitalvermögen betreffenGebäude war u. a. bereits als  Armen-Spei- de Unterlagen). – IV. Personalausgaben (Aussungs-Anstalt, Baumwolldepot und Impflokal gaben der Personalverwaltung). – V. Personalgenutzt worden. Ab 1820 wurde der zugehö- verwaltung (beinhaltet Bewerbungen und anrige, im französischen Stil angelegte Garten dere Unterlagen, die Rechts- und Arbeitsvon Lenné umgestaltet. Von 1830 bis 1907 verhältnisse von Erzieherinnen, Wärterinnen hatte die KLS ihre Heimstatt in der Markgra- und anderen Angestellten der Stiftung, auch fenstraße 10. Die zunehmende Beliebtheit ließ von Zöglingen betreffend). – VI. Etat (Andie Anfragen nach Aufnahme von Schülerin- gelegenheiten der Wirtschaftsführung). – VII. nen stetig steigen. Und so entschloss man sich Ausbildung Erzieherinnen (enthält Unterlazu einem großen Neubau vor den Toren der gen zur Aufnahme von Erzieherinnen und Stadt in Dahlem. In dem vornehmen Villenort der Zöglinge/Schülerinnen). – VIIa. Ausbilim Landkreis Teltow wurde seit 1901 nach er- dung Zöglinge (enthält Unterlagen zur Auffolgter Aufteilung der Königlichen Domäne nahme von Zöglingen/Schülerinnen). – VIII. Dahlem unter Leitung des preußischen Minis- Innere schulische Angelegenheiten (umfasst terialdirektors Friedrich Althoff ein „Deut- vor allem die Listen von Erzieherinnen, Exsches Oxford“ aufgebaut. 1907 bezog die KLS amensvorgaben und Berichte, Zeugnisse und gegenüber dem Botanischen Garten ihr heuti- pädagogische Angelegenheiten betreffende ges Domizil in der Pod­ bielskiallee 78. Das Ausführungen, aber auch Jahresberichte, SatHaupthaus wie das gesamte Schulensemble zungen, Aktennotizen, Bibliotheksunterlagen). waren in seiner Zeit sehr modern und wurden – IX. Immobilien/Instandhaltung (Auflistung unter Leitung des Oberbaurats Eduard August von Rechnungen und Geldbeträgen die ImWilhelm Fürstenau äußerst komfortabel gestal- mobilien betreffend). – X. Versicherungsantet. Helle, hohe, luftige Räume erleichterten gelegenheiten. – XI. Einkünfte, Schenkungen das Lernen; Spiel- und Tennisplätze verschö- und Vermächtnisse (Beiträge von Spendern und weiteren Zuwendungen an die Stiftung). nerten das Alltagsleben im Internat. – XII. Drucksachen (internes und externes Die Dokumentensammlung der KLS: In den Schriftgut sowie Bücher, die im ZusammenRäumen des heutigen Schulgebäudes wurde hang mit den Akten abgelegt waren). eine historische Dokumentensammlung zu- Die Dokumentengruppen umfassen eisammengetragen, die aus zwölf laufenden Me- nen Zeitraum von 1810 bis 1949. Die Katatern an gebundenen Akten, ca. 120 cm Losen logisierung ist vorläufig und kann erst durch Blättern sowie 91 Büchern besteht. Seit 2007 eine Tiefenerschließung bestätigt oder korrisortiert eine Historiker-Arbeitsgruppe das giert werden. Nicht einbezogen wurden bisvorhandene Material im Rahmen einer Fla- her die bei der Stiftung in einem gesonderchen Erschließung. Dabei wurden die Bestän- ten Bestand lagernden Bauakten. Geplant ist de in einem Findbuch in folgende Gruppen das Anlegen eines verschiedenen Forschungszusammengefasst: I. Generalia (beinhaltet all- zwecken dienenden Archivs. – Der Archivbegemeine, die Verwaltung betreffende Unterla- stand der KLS birgt zu vielen Themenkomgen zum Geschäftsbetrieb der Stiftung sowie plexen (Bildungsgeschichte, Geschlechterextern der Stiftung zugekommene Schriftstü- rollen, Frauenemanzipation, Stiftungswesen, cke). – II. Liegenschaften (beinhaltet die Kor- Elitenwandel etc.) einmaliges Material, desrespondenz zu baulichen Vorgängen und die sen gründliche wissenschaftliche Auswertung Gebäude sowie die Liegenschaften der Stif- neue Erkenntnisse für die Geschichte Berlins 944

Verein für die Luisenstiftung / Königin-Luise-Stiftung [KLS]

Abb. 172  Das Haus der KLS in Berlin-Dahlem ab Ostern 1907.

Abb. 173  Königin-Luise-Stiftung, Podbielskiallee 78, Blick in den Archivraum. 945

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

im 19. und 20. Jahrhundert verspricht. Drei Themen sind besonders forschungsrelevant: 1. Die Anteilnahme Wilhelm v. Humboldts und die zeitliche Nähe der Stiftungsgründung zum Entstehen der Berliner Universität legen den Schluss nahe, dass es möglicherweise einen konkreten Einfluss seiner bildungspolitischen Konzeptionen auf die frühe pädagogische Praxis in der Stiftung gegeben hat. Hierfür ist besonders die Überlieferung von Korrespondenzen und Konzeptionen im Archiv („Generalia“ und „innere Schulangelegenheiten“) von Interesse. Anhand der umfangreich überlieferten Erziehungs- und Lehrpläne kann untersucht werden, ob es eine indirekte Bezugnahme auf Humboldts Ideen und den Gedanken einer „Nationalerziehung“ gab und welche Funktion der KLS als weiblichem Gegenstück zur – den Männern vorbehaltenen – Berliner Universität im Rahmen der Humboldt’schen Bildungsreformen zugedacht war. Beide Einrichtungen gewährleisteten die höchstmögliche Bildungsstufe für das jeweilige Geschlecht in dieser Zeit. – 2. Das Archiv der KLS birgt neues Material zur Geschichte des Berliner Stiftungswesens und ermöglicht Untersuchungen zur Einordnung der KLS in das bürgerliche Stiftungswesen des 18. und 19. Jahrhunderts. Auffällig ist die große Resonanz auf die Spendenaufrufe in allen Teilen Preußens, weit über die Region Berlin-Brandenburg hinaus. Gespendet wurde von Bürgern aller Bevölkerungsschichten, darunter diverse Kleinspenden. Offenbar kam der Stiftung eine gesamtpreußische sowie ständeübergreifende symbolische Dimension zu. Bei den später für ihre Töchter Schulgeld zahlenden Zuwendern lässt sich dagegen bisher eher ein Schwerpunkt bei den brandenburgisch-preußischen Adelsfamilien ausmachen. – 3. Mit der Organisationsform sowie der inhaltlichen Ausrichtung der Ausbildung dürfte die KLS eines der frühesten Zeugnisse einer modernen, nach amtlichen Lehrplänen vollzogenen Frauen- und Mädchenbildung sein. In der KLS könne „das Urbild einer Bildungsstätte, in der Gedanken 946

des späteren Pestalozzi-Fröbel-Hauses und anderer Kindergärtnerinnenseminare als Internat vorweggenommen“ wurden, gesehen werden (Blochmann, S. 117). Mitglieder: a) Initiatoren: Johann Friedrich Gottlieb Delbrück, Dr. Janke, Wilhelm Anton v. Klewitz, Wilhelm Heinrich Nolte, Friedrich Philipp Rosenstiel, Oberkonsistorialrat Friedrich Samuel Gottfried Sack. – Sie waren die Mitglieder des Vereins für die Luisenstiftung und besorgten die Vereinsgeschäfte. – b) Verwaltung und Lehrer 1811–1815: Vorsteherin: Friederike Lehmann (1811 bis 1842); Haushälterin: Frau Kobus (seit 1813); Ärzte der Anstalt: Geh. Ober-Medizinal Rat Dr. v. Könenheit (seit 1811), Hofrat Dr. Steinrück (1816–1842). – Lehrer und Lehrerinnen: Religion: Prediger Wilmsen (1811–1831); Geographie u. deutsche Sprache: Prediger Wilmsen (1811–1831), Prediger Pischon (1811– 1816), Prediger Jablonsky (1815 oder 1816 – 1828); Französische Sprache: Herr Noé (seit 1811); Rechenkunst: Herr Bock (seit 1811), Prediger Jablonsky (seit 1815); Zeichenkunst: Frl. Westphal (seit 1811), Frl. Klein (seit 1814), Herr Stäglich (seit 1815); Schreibkunst: Herr Aldefeld (seit 1811), Herr Stäglich (seit 1815); Gesang: Frau Winzer (1811 bis 1853); Fortopianospiel und Theorie der Musik: Frl. Gern (seit 1811), Frl. Florien (seit 1822); Tanzkunst: Herr Laugerie (seit 1811), Herr Scharschmidt (1811–1859). Das Fach Nähen und Schneidern wurde erst ab 1818, das Fach Naturkunde ab 1827, das Fach Englische Sprache ab 1844 und das Fach Turnen ab 1854 unterrichtet. – c) Erzieherinnen 1811–1815: Albertine Kreutz (07/1811 bis 12/1813); Wilhelmine Rathmann (07/1811 bis 01/1812); Caroline Wilhelmine Phil. Büttner (07/1811 bis 04/1814); Henriette Lehmann (07/1811 bis 07/1813); Friederike Westphal (10/1811 bis 07/1816); Charlotte Wilhelmine Stötzer (03/1812 bis 04/1814); Luise Fischer (07/1812 bis 04/1814); Emilie Mecklenburg (01/1813 bis 10/1815); Luise Winzer (04/1814 bis

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07/1816); Wilhelmine v. Plonsky (11/1814 ril 1815; Emilie Hotho / Berlin / Jan. 1814 bis bis 07/1816); Friederike Wilhelmine Lawan Okt. 1817; Mathilde v. Sack / Lepen bei Sol[oder Cawan?] (11/1814 bis 09/1817); Minna din / Jan. 1814 bis April 1816; Adelaide v. Kobes (11/1814 bis 09/1817); Julie Ferdinan- Troschke / Weißig bei Crossen / März 1814 de Wilhelmine Lavan [oder Cavan?] (11/ 1814 bis Mai 1816; Emilie Wilh. Henr. Kunze / Pebis 09/1817); Henriette Apel (10/1815 bis tershagen bei Frankfurt / April 1814 bis Juli 10/1818); Auguste Heitmann (06/1815 bis 1817; Agnes Rauch / Berlin / April 1814; 09/1819). – d) Zöglinge 1811–1815 (Name Wilhelmine Pochhammer / Berlin / Mai 1814 / Geburtsort / Ein- und Austrittsdatum): Jo- bis Aug. 1815; Luise v. Lattorf / Zerbst / Sept. hanna Emilie Goltdammer / Stettin / Juli 1811 1814 bis Okt. 1817; Luise v. Bonin / Heydau bis Okt. 1813; Charlotte Luise Schleich / Stet- in Niederschlesien / Sept. 1814 bis Mai 1815; tin / Juli 1811 bis Okt. 1813; Caroline Bern- Caroline Krapp / Berlin / Okt. 1814 bis Okt. hard / Möckern bei Magdeburg / Juli 1811 bis 1816; Pauline Hartwich / Stettin / Okt. 1814 Jan. 1814; Charl. Jul. Frdr. Schleich / Fiddi- bis Okt. 1817; Charlotte Emilie Krause / chow / Juli 1811 bis Okt. 1817; Henriette Schwienemünde / Okt. 1814 bis Jan. 1815; Schneider / Schlemwitz / Juli 1811 bis Mai Wilhelmine Maaßen / Potsdam / März 1815 1815; Amenaide Ablée / Berlin / Juli 1811 bis bis Mai 1816; Elise Eilert / Hamm / Mai 1815 Mai 1813; Marie v. Flatow / Schönebeck bei bis Juli 1816; Henriette Fournier / Berlin / Magdeburg / Juli 1811 bis März 1813 (gest.); Mai 1815 bis Nov. 1815 (gest.); Gr. Ottilie v. Henr. Wilhelm. Cramer / Conitz / Juli 1811 Gneisenau / Kaufungen bei Hirschberg / Mai bis Juli 1813; Emilie Lücke / Berlin / Juli 1811 1815 bis Aug. 1816; Gr. Hedwig v. Gneisenau bis Okt. 1817; Luise Carol. v. Grumbkow / / desgl. / Mai 1815 bis Aug. 1816; Gr. Emilie Nawitz in Hinterpommern / Juli 1811 bis v. Gneisenau / desgl. / Mai 1815 bis Aug. Sept. 1815; Mathilde Dussa / Potsdam / Juli 1816; Auguste v. Both / Graudenz / Mai 1815. 1811 bis Juli 1814; Auguste Schmiel / Lago bei – e) Förderer 1811–1815: In den Listen der Zielentzig / Juli 1811 bis Juli 1814; Wilhelmi- Zuwender sind in den Jahren 1811 bis 1815 ne v. Plonzky / Bernau / Juli 1811 bis Juli mehr als 450 Namen aus allen Teilen Preußens 1816; Emma Spazier / Dessau / Juli 1811 bis (mit Ausnahme der separat erfassten Gebiete Sept. 1814; Adelheit Janisch / Potsdam / Juli von Elbe und Weser) verzeichnet, darunter 72 1811 bis Sept. 1816; Amalie v. Bilfinger / Personen aus Berlin. Die Jahresbeiträge reiPustanien bei Stolpe / März 1812 bis Mai chen von 100 Talern bis 6 Groschen. Bei ca. 71 1813; Caroline v. Bilfinger / desgl. / März Prozent der Spenden handelte es sich um Ein1812 bis Mai 1813; Caroline v. Zitzewitz / malzahlungen, meist im Gründungsjahr, ca. Stolpe / März 1812 bis Okt. 1814; Minna v. 10,4 Prozent der Zuwender spendeten zweiZitzewitz / Stolpe / März 1812 bis Juli 1816; mal, ca. 18 Prozent spendeten über mehrere Julie Bandelow / Pyritz / Juli 1812 bis Mai (mindestens drei) Jahre. Zu den größten För1813; Minna Kobes / Potsdam / Juli 1812 bis derern der KLS gehörte Wilhelm v. HumMai 1814; Henriette Kobes / Potsdam / Juli boldt, der 1811 und 1812 je 200 Reichstaler 1812 bis Mai 1817; Lais Brede / Stettin / Juli spendete. An seine Frau Caroline schreibt er 1812 bis Mai 1816; Emma Haack / Stettin / 1812: „[…] vorgestern war ich in einer JahresSept. 1812 bis Mai 1815; Luise Herrmann / feier der Luisenstiftung, wo man mich, weil Halle / Nov. 1812 bis Okt. 1814; Henriette wohl außer dem König niemand einen so beEltze / Berlin / Juli 1813 bis April 1815; Ma- trächtlichen Beitrag gibt als ich, auf Händen rie Luise Scharf / Ellrich / Juli 1813 bis Juni trägt“. Dies lässt vermuten, dass W. v. Hum1814; Emilie Walther / Stettin / Nov. 1813; boldt der Stiftung sehr nahe stand und sie besHenriette Hotho / Berlin / Jan. 1814 bis Ap- tens kannte, obgleich er seit September 1810 947

15  Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung

Abb. 174  Brief Wilhelm v. Humboldts an die KLS, Wien, 4. Januar 1812.

als preußischer Gesandter in Wien tätig war. Hohe Beträge spendeten weiterhin der Gesandte v. Tarrach in Stockholm (1811 und 1812 je 100 Rthlr.), der Geh. Staatsrat v. Klewitz aus Berlin (1811–1813 je 50 Rthlr.), Prinz Radziwill aus Berlin (1811 einmalig 50 Rthlr.), Geh. Staatsrat Sack (1811–1813 je 50 Rthlr.), die Loge Teutonia in Potsdam (1811 einmalig 50 Rthlr.), Kaufmann Schefler aus Hamburg (1811–1813 je 40 Rthlr.), Generalpostmeister v. Seegebarth aus Berlin (1811: 45, 1812: 60, 1813 18 Rthlr.), Major v. Zastrow aus Colberg (1811 und 1812 je 36 Rthlr.), die Prinzessin v. Braunschweig (1811: 30 Rthlr.), der Geh. Staatsrat v. Bose aus Berlin (1811 und 1812 je 948

30 Rthlr.), Staatsrat Rosenstiel (1811–1813 je 30 Rthlr.), Geheimrat v. Raumer aus Berlin (1811–1813 je 25 Rthlr.), Staatsrat v. Rehdiger (1811: 25, 1812: 75 Rthlr.), Präsident v. Scheve aus Berlin (1811–1813 je 25 Rthlr.), der Geh. Kabinettsrat Al­brecht aus Berlin (1811: 24 Rthlr.); der Ban­kier Brüstlein (1811 und 1812 je 24 Rthlr.), Superintendent Broscheit aus Heiligenbeil (1811: 25, 1812–1814 je 20 Rthlr.), v. Briest aus Neuenhausen (!) (1811– 1815 je 20 Rthlr.), v. Clermont aus Berlin (1811/14/15 je 24 Rthlr.), Staatsrat Friese aus Berlin (1811: 24 Rthlr.), Bankier Güterbock aus Berlin (1811–1813 je 25 Rthlr.), Maitre de la Garderobe v. Grote (1811 und 1812: 20 Rthlr.),

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Staatsrat Hufeland (1811 und 1812: 20 Rthlr.), Staatsrat Hoffmann (1811 und 1812: 20 Rthlr, 1813: 10 Rthlr.), Gebrüder Jordan aus Berlin (1811 und 1812 je 20 Rthlr.), Staatsrat Koehler (1811: 24, 1812: 12, 1813: 15 Rthlr.), Oberleutnant Kamptz aus Colberg (1811: 32 Rthlr.), Geh. Regierungsrat Lantier aus Dresden (1811–1813 je 20 Rthlr.), der Obertribunalsrat Mayer (Schwiegervater Jean Pauls) (1811–1813 je 25 Rthlr.), der Geh. Oberfinanzrat Palm aus Berlin (1811–1814 je 20 Rthlr.), der jüdische Bankier Wolf Levy (1811–1813 je 20 Rthlr., außerdem ein Kapital von 500 Rthlr. à 5 Rthlr. pro Quartal). Christian Daniel Rauch stiftete der Einrichtung drei von ihm gestaltete Büsten des Königs, der Königin und der als „Beschützerin“ fungierenden Königstochter. Wilhelm Iffland initiierte u. a. zum ersten Todestag von Luise 1811 im Nationaltheater ein Sonderkonzert zugunsten der KLS. Querverweise auf andere Vereine: Von den zahlreich geplanten Luisenstiftungen wurde nur die Berliner KLS realisiert. Dabei wurde das bereits für männliche Zöglinge bestehende  Luisenstift in vielerlei Hinsicht zum Vorbild genommen, so bei der Finanzierung der Anstalt und bei der Berechnung des ProKopf-Verbrauchs. – Die KLS war eine neuartige und entwicklungsfähige Bildungseinrichtung für angehende Lehrerinnen und Erzieherinnen, wenngleich nicht die erste ihrer Art. Bereits 1808 gründete Pestalozzi in der Schweiz eine Anstalt, in der diese Art der Bildung Hauptzweck sein sollte. Etwa zeitgleich mit der KLS errichtete Wilhelm v. Türk in Vevey eine Unterrichtsanstalt für Mädchen, die sich zu Erzieherinnen bilden wollten.

Bibliographie: Ungedruckte Quellen: Dokumentensammlung der KLS (siehe oben) im Stiftungsgebäude, Podbielskiallee 78. – Gedruckte Quellen: An die preußische Na­ tion. Rechenschaft über das National-Denkmal auf die verewigte Königin Luise von Preußen durch die Luisen-Stiftung von dem Verein für die Stiftung. Berlin 1818. – Friese, Marie: Chronik der Luisen-Stiftung zu Berlin. Von Marie Friese, Oberlehrerin. Berlin 1890. – Klewitz, Wilhelm Anton v.: Denkmal der Preußen auf ihre verewigte Königin Luise durch weibliche Erziehungsanstalten. Halberstadt 1814. – Nicolai, Friedrich: Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend, enthaltend eine kurze Nachricht von allen daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. Berlin 1816, S. 148–149. – Türk, Wilhelm v.: Erfahrungen und Ansichten über Erziehung und Unterricht. Berlin 1838. – Zedlitz, Leopold Frhr. v.: Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einheimischen und Fremden aller Stände. Berlin 1834, S. 434–435. – Literatur: Bartsch, Ulrike / Mielke, Henning: Zur Geschichte der Luisenstiftung. Berlin 1986 (Selbstverlag). – Blochmann, Elisabeth: Das „Frauenzimmer“ und die „Gelehrsamkeit“: eine Studie über die Anfänge des Mädchenschulwesens in Deutschland. Heidelberg 1966. – Piethe, Marcel: Die Gründung der KöniginLuise-Stiftung 1811 – ein Zwischenbericht zur wissenschaftlichen Erfassung und Auswertung des Archivs. In: Der Bär von Berlin 58 (2009), S. 59–77. – 200 Jahre Internatsschule Königin-Luise-Stiftung. Festschrift, hg. von der Königin-Luise-Stiftung. Berlin 2011.

Marcel Piethe in Zusammenarb. m. Klaus-Dieter Erler und Uta Motschmann

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16  Sonstige Vereine und Gesellschaften

Schützengesellschaft [SchG] Name: Schützen-Gilde der Haupt- und Residenzstadt Berlin; ab 1810: Schützen-Corps; ab 1819: Schützen-Societät; später auch Schützengesellschaft; Schützengilde, Bürger-SchützenGilde; Schützengilde der Hauptstadt Berlin 1433 Korporation. Gründung: Das genaue Gründungsjahr ist nicht bekannt. Die vermutlich älteste Satzung stammt von der Cöllnischen Gilde aus dem Jahre 1543. Nach einem 1727 erlassenen Verbot der Berliner Schützengilde erfolgte am 20. Juli 1747 die Rekonstituierung. Dieses Datum wird als Gründungsdatum der neuen Schützengilde angesehen. Bestand: Bis heute (Schützengilde Berlin Korporation von 1433 e. V. und Charlottenburg 1903 e. V.). Sitz: Schützenplatz in der Linienstraße; Schützenkrug an der Schützenstraße; 1795 Bau eines Schützenhauses in der Linienstraße 3–5. – 1884 Umzug in die Schönholzer Heide („Schloß Schönholz“) und Neubau eines Schützenhauses mit modernen Schiessanlagen auf einem ca. 270.000 qm große Gelände (erster Schießstand in Deutschland, auf dem auf bewegliche Ziele geschossen werden konnte). – Heute: Alte Allee (Eichkamp), 14055 Berlin. Geschichte und Organisation: Schützengilden gehörten zur Tradition mittelalterlicher Städte, in denen wehrtüchtige Bürger, vor allem wohlhabende Kaufleute und Handwerker, Waffen erwerben konnten, um die Stadt bei Angriffen zu verteidigen. Der Ur950

sprung der Berliner Schützen-Gilde reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Sie war seinerzeit die vornehmste aller Gilden, der sämtliche Ratsherren als Pflichtmitglieder angehörten. 1727 verbot Friedrich Wilhelm I. alle Königs- und Scheibenschießen und besonders die ausufernden Schützenfeste, woraufhin sich die Schützengilde, die zunehmend mit anderen Gilden in Streitigkeiten geraten war, auflöste und ihren Schießplatz verkaufte. Nach der Rücknahme des Verbots durch Friedrich II. erhielt die rekonstituierte Gilde am 20. Juli 1747 ein neues Privilegium, das von Friedrich Wilhelm II. am 31. August 1786 und von Friedrich Wilhelm III. am 6. Dezember 1797 bestätigt wurde. Die Schützengilde war nun eine vereinigte Gilde, jedoch in zwei Kompanien unterteilt: Die erste Kompanie umfasste die Schützen aus Berlin und Cölln mit ihren Vorstädten, die zweite die Schützen aus den neuen Vorstädten, dem Friedrichswerder, der Dorotheen- und der Friedrichsstadt. Schießübungen durften nur zwei bis drei Monate im Sommer vor dem Königstor abgehalten werden. Am 19. September 1747 fand das erste Königsschiessen mit 66 Mitgliedern statt. Betrügerische Spiele wie „Dreheisen, Riehmstecher, Trichter und dergleichen“ waren strengstens verboten. Als Friedrich Wilhelm III. mit dem Reglement für die Bürgergarde am 31. Oktober 1810 anordnete, die seit 360 Jahren existierende Schützengilde aufzuheben und unter der Benennung SchützenCorps der Bürgergarde einzuverleiben, sah die Schützengilde dies als Gewaltakt an und for-

Schützengesellschaft [SchG]

Abb. 175  Schützenhaus (Vogelschießen). Kupferstich von Christian Peter Jonas Haas nach einer Zeichnung von Friedrich August Calau, 1795.

derte die Rückgabe ihrer Grundstücke. Der Vorsteher Glohr verwies auf den Beitrag der Schützengilde zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit „gleich nach erfolgter Besetzung der Stadt“. Die Schützengilde habe 1795 das Schützenhaus aus eigenen Mitteln als Privateigentum gekauft, und deshalb könne ihr dies nicht genommen werden. In einem Schreiben an den König erinnerte die Schützengilde an die lange Tradition des Königsschießens: „Die hiesige Schützengilde bildete ursprünglich eine für sich bestehende Gesellschaft, deren Zweck es war, von Zeit zu Zeit Schießübungen anzustellen. Hinsichts dieser Schießübungen stand es jedem Berliner Bürger frei, gegen Erlegung eines bestimmten jährlichen Beitrages daran Theil zu nehmen. Bei dem herkömmlichen Königsschießen wurde derjenige, welcher den besten Schuß gethan, Schützenkönig, die nächstfolgenden beiden Schützen wurden dagegen Ritter, und da dieses Königsschießen jedes-

mal an Eurer Königlichen Majestät Geburtstage stattfand, so stellte sich der Gebrauch ein, daß bei demselben einige Mitglieder der Gesellschaft gewählt wurden, um für Eure Königliche Majestät und Allerhöchstdero Königliches Haus zu schießen“ (GStA PK, I. HA Rep 89, Nr. 15477, Bl. 17v). Noch 1819, die Gilde nannte sich inzwischen SchützenSocietät, forderte sie ihr Grundstück zurück. Nach Auflösung der Bürgergarde entstand die Schützengilde neu „und wurde durch das unterm 6. October 1837. Allerhöchst bestätigte Statut im Wesentlichen wieder so organisiert, wie solches durch das Privilegium vom 20. Juli 1747. bestimmt worden“ (ebd., Bl. 39v). 1830 durfte das seit 1811 nicht mehr ausgeübte Königsschießen wieder stattfinden. Die Schützen trugen als Uniform einen grünen Rock mit roten Aufschlägen und goldenem Besatz, dazu schwarze Hüte mit roten Federn und dem Preußischen Nationalzeichen. Die Bürger-Schützen-Gilde besaß 1843 in der Li951

16  Sonstige Vereine und Gesellschaften

Abb. 176  Auszug aus den Mitgliedslisten des Schützen-Corps vom Jahr 1811 mit Verzeichnung der Ehren­mitglieder.

nienstraße die Grundstücke Nr. 3, 4 und 5, welche als Schützenhaus genutzt wurden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wuchsen die Zahl der Mitglieder und das Vermögen stetig. Alten verdienten Mitgliedern wurden Pensionen gezahlt. Im späten 19. Jahrhundert erschienen gedruckte Mitgliederverzeichnisse und Jahresberichte; das gesellschaftliche Leben mit Festessen und Bällen nahm einen immer größeren Raum ein. Nach Unterbrechungen während der Zeit des Nationalsozialismus und des II. Weltkriegs und einem Verbot aller Schützenvereine 1945 erhielt die Schützen-Gilde Berlin 1950 durch den Berliner Magistrat die Erlaubnis zur Wiedergründung. Sie besteht bis in die heutige Zeit. 952

Mitglieder: Als Mitglieder durften nur „unbescholtene und in geordneten Verhältnissen lebende freie Bürger“ aufgenommen werden. Neumitglieder bedurften der Zustimmung durch den Magistrat. Die beiden Kompagnien sollten nicht mehr als je 200 Mitglieder haben. Sechs sogenannte „Älteste“ bildeten den Vorstand jeder Kompagnie (zwei Gildemeister, zwei Schützenmeister und zwei Assessoren). Sie mussten von den Kompagnie-Mitgliedern gewählt und vom Magistrat bestätigt werden (Statut von 1747, Art. III und IV). Um 1800 sind vor allem Handwerksmeister und Kaufleute als Mitglieder nachweisbar. 1811 fungierten – bei insgesamt 191 Mitgliedern – der Schuhmachermeister Glohr und der Kastellan

Gesellschaft Patrioten und Verehrer großer Männer

Haack als Vorsteher (Rendanten) der Schützengilde. Die „Ältesten“ waren zwei Büchsenmacher, ein Huf- und Waffenschmied, ein Maurermeister, ein Posamentiermeister und ein Uhrmachermeister. Frauen konnte keine Mitgliedschaft erwerben. 1811 wurden zu Ehrenmitgliedern ernannt: der Gouverneur von Berlin, Generalfeldmarschall Graf Kalckreuth; der Kommandant von Berlin, Generalmajor v. Brauschütz; der Oberbürgermeister, Geheimrat v. Gerlach; der Polizeipräsident v. Schlechtendal; der Stadtverordnete Humbert; der Kriegsrat Lieder, Assessor des Schützen-Corps. 1818 wurden u. a. Generalfeldmarschall Graf Gneisenau Ehrenmitglied, 1848 Generalfeldmarschall Wrangel, Gouverneur von Berlin, und der Polizeipräsident Menu v. Minutoli. Die Gouverneure, Kommandanten, Bürgermeister und Polizeipräsidenten von Berlin bildeten auch in den folgenden Jahrzehnten den Stamm der Ehrenmitglieder. 1819 zählte das Schützen-Corps 130 Mitglieder, im Jahr 1849 hatte die Berliner Bürger-Schützen-Gilde 362 Mitglieder. Bibliographie: Ungedruckte Quellen: GStA PK, I. HA Rep 89 Geh. Zivilkabinett, jünge-

re Periode Nr. 15477 (Acta … betr. die verschiedenen Angelegenheiten der Schützengesellschaften in Berlin). – LAB, verschiedene Materialien zum 19. und 20. Jahrhundert, u. a. A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 12945 (Revidiertes Statut von 1881). – Einige Materialien befinden sich im Archiv der Schützengilde Berlin Korporation. – Statut 1747: Reglement für die combinirte Haupt-SchützenGülde der Königlichen Residentzien Berlin, mit Bestätigung durch Friedrich II. vom 20. Juli 1747 (Abschrift bzw. Fotokopie im Archiv der Schützengilde Berlin Korporation). – Gedruckte Quellen: 550 Jahre Schützengilde Berlin Korp. 1433–1983. Festschrift zum 550jährigen Jubiläum. Hg. v. der Schützengilde Berlin Korp., Redaktion: Eva Mallach, Hubert Manschewski. Berlin 1983. – Bronsinsky, Peter (Redaktion): 575 Jahre Schützengilde Berlin Korp. Festschrift von 1983–2008. Hg. v. der Schützengilde Berlin Korp. von 1433 e. V. Berlin 2008. – Meyer, Albert (Hof-Photograph des Königs von Sachsen): 150jährige Jubelfeier der Schützengilde der Haupt- und Residenzstadt Berlin zu Schloß Schönholz. 1747–1897. Berlin 1897 [nur Fotografien].

Uta Motschmann

Gesellschaft Patrioten und Verehrer großer Männer Name: Gesellschaft Patrioten und Verehrer großer Männer. Gründung: (Juni?) 1785. Bestand: 1786 (?). Programm: Die Gesellschaft wollte durch die Gestaltung von Denkmälern zur „Verewigung großer Männer die Deutschland hervorgebracht und gebildet“ beitragen. Nicht nur die Wertschätzung eines Monarchen sollte sich in der Errichtung von „Denksäulen“ widerspiegeln, sondern es sei „die Sache der Nation, große Männer durch Marmor und Erz zu verewigen“. Die Nation sei

es sich selbst schuldig, einen dankbaren Tribut zu entrichten, „wir sind es unsern Kindern und Enkeln schuldig, damit wir sie durch solche öffentliche Denkmäler zu ähnlichen Thaten entflammen, und edle Nacheiferung in ihren jungen Herzen rege machen“. Initiatoren waren Prof. Johann Georg Müchler und Moses Mendelssohn, bei denen Spendenbeiträge gegen Quittung abgeliefert werden konnten. Weitere Namen der „Patrioten und Freunde der Wissenschaften und der Jugend“ sind nicht genannt. Erstes und einziges Projekt war die Errichtung eines Monuments zum Andenken an Gottfried Wilhelm 953

16  Sonstige Vereine und Gesellschaften

Leibniz, Johann Heinrich Lambert und Johann Georg Sulzer mit „Bildnissen en Medaillons“ der drei Gelehrten (erste öffentliche Ankündigung, datiert 1. Juni 1785, in der Vossischen Ztg., Beilage zum 74. Stück, 21. Juni 1785). König Friedrich II., an den sich Müchler mit einem Bittgesuch gewandt hatte, genehmigte einen der schönsten Plätze Berlins zur Errichtung dieser Denksäule: „In der Mitte des Platzes vor Meinem großen Bibliothekshause wird solche am schicklichsten stehen [auf dem heutigen August-Bebel-Platz]. Daselbst verstatte Ich Euch, ihnen solche errichten zu lassen, und Ihr könnet Euch nur deshalb bei meinem Generallieutenant von Möllendorff, als dortigen Gouverneur, melden; welcher solches nachzulassen heute Ordre erhält“ (Schreiben des Königs an Müchler vom 24. April 1785; Haude u. Spenersche Ztg. 1785, Nr. 73, S. 538). Zugleich sollte „das ganze Monument in Kupfer gestochen, und die genaue Berechnung des Beitrages, Anzeige der Herren Pränumeranten, und ihrer Beiträge nebst Darstellung der vorzüglichen Verdienste dieser Weltweisen und ihre kurze Lebensbeschreibungen von Herrn

Moses Mendelssohn dem Publikum gedruckt vorgelegt werden“. „Der Pränumerationspreiß auf ein Exemplar ist 1 Rthlr., und die Namen der Herren Pränumeranten werden vorgedruckt.“ Nach dem Tod Mendelssohns wurde das Projekt dahingehend erweitert, dass die vierte Seite des Denkmals „mit dem Brustbilde des verstorbenen Weltweisen Moses Mendelssohn“ ausgefüllt werden sollte (Anzeige in der Vossischen Ztg., Beilage zum 33. Stück vom 18. März 1786). Da die bisher eingegangenen und subskribierten Beiträge noch nicht ausreichend waren, warb die Gesellschaft im März 1786 erneut um Unterstützer. Die angekündigte „Beschreibung und Abbildung des Denkmals“ konnte Mendelssohn nicht mehr veröffentlichen; das Denkmal selbst wurde wohl auf Grund fehlender Mittel nicht realisiert. Bibliographie: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude u. Spenersche Ztg.), 1785, Nr. 73, S. 538. – Königlich privilegirte Berlinische Zeitung (Vossische Ztg.), Beilage zum 74. Stück vom 21.6.1785; Beilage zum 33. Stück vom 18.3.1786.

Uta Motschmann

Geheimverbindungen Die Jahre nach der Französischen Revolution waren geprägt von Angst bis Hysterie vor geheimen Verbindungen, die den Staat zersetzen und einen politischen Umsturz planen könnten. Verschwörungsmythen waren an der Tagesordnung, und von Seiten des Staates wurde jedem kleinsten Verdacht nachgegangen. Am 20. Oktober 1798 erliess Friedrich Wilhelm III. das Edict wegen Verhütung und Bestrafung

geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachtheilig werden könnten, das nur die drei preußischen Großlogen, die Schutzbriefe des Königs besaßen, von einem Verbot ausnahm. Bei den in Berlin und Preußen ver954

muteten Geheimgesellschaften waren allerdings meist Betrüger am Werk, die die von den Logen genährte Sehnsucht nach elitären Geheimnissen ausnutzten, um sich Geltung zu verschaffen und sich finanziell zu bereichern. Dazu gehörte auch die sogenannte geheime Gesellschaft Orden der Wahrheit bzw. Freunde oder Söhne der Wahrheit, die um 1798/99 in Berlin für Aufregung sorgte. Orden der Wahrheit (L’Ordre de la Vérité)

Ausgelöst wurde die Suche nach den Zielen und den Hintermännern des vermeintlichen

Geheimverbindungen

Ordens im Mai 1798 durch eine Anzeige des Freimaurer, Mitglied der  Großen Landeslo27-jährigen Joachim Heinrich Gottfried Kie- ge im 2. Grad, nahm wegen Geldmangels jenitz, Mitglied der Loge  Royal York, an de- doch nach einem Jahr seinen Abschied von ren Meister vom Stuhl, Ignaz Aurelius Feß- der Loge. Im Zuge der Ermittlungen wurden ler: in Berlin existiere eine geheime Gesell- weitere Namen im Umfeld des „Ordens“ beschaft, „welche mit Frankreich, Schweden, kannt: Splittgerber (dessen Aufnahme in den und der ganzen Welt, in Verbindung stün- Orden sich wegen des zu zahlenden Geldes de, selbst hier in Berlin ansehnliche Män- jedoch zerschlug); der pensionierte Gesandtner zu Mitgliedern hätte, und nichts gerin- schaftssekretär Ludwig Heising (38 Jahre); der geres beabsichtigte, als den völligen Um- pensionierte Feldjäger Otto Christoph Eltessturz aller Staatsverfaßungen, sich des Ver- ter (30 Jahre); weiterhin wurden der fallierte dienstes bei der Französischen Revolution Kaufmann Johann Heinrich Eckert (34 Jahmit gewürkt zu haben, rühmte, die Ermor- re, ehemals Mitglied der Großen Landesloge, dung Gustavs König von Schweden soll zwar seiner Verschuldung halber dort aber ausgewider ihren Willen geschehen sein, indeßen schlossen) und der französische Sprachlehrer seye doch ihre Absicht gewesen eine Revolu- Johann Gottfried Patté (35 Jahre, aus Burg bei tion daselbst zu bewürken“ (GStA PK, I. HA Magdeburg) in die Untersuchung verwickelt. Rep. 96 A Nr. 27 D, Bl. 1r). Als Mitglieder Als Fazit ergab sich, dass Krauss und Scheffwurden der österreichische Baron Bernhard v. ner die geheime Verbindung einzig und alKrauss (50 Jahre, aus Wien gebürtig,), ein be- lein aus dem Grund initiiert hatten, um an kannter Falschspieler, der sich lange in Berlin Geld zu gelangen und unter sich zu verteiaufgehalten, sich gegenwärtig aber in Ham- len. Sie wurden zweier Verbrechen angeklagt burg befinde, ferner der Kriegsrat Krantz und (Gründung einer geheimen Verbindung und als Hauptanwerber Johann Gottfried Scheff- Betrügerei), jedoch nicht gerichtlich verurner (28 Jahre aus Mitau), Zeichenmeister bei teilt, sondern lediglich des Landes verwiesen. der Kgl. Realschule, benannt. Sie würden ein Quellen: GStA PK, I. HA Rep. 96A, Nr. 27D: Bijou mit den Initialen des Ordens auf dem Acta des Kabinets König Friedrich Wilhelms bloßen Leibe tragen. Kienitz ließ sich zum III. Varia betr. Geheime Verbindungen (KieSchein in den Orden aufnehmen, um der Po- nitz Aussagen über den „Orden der Wahrlizei Bericht erstatten zu können. Daraufhin heit“, Vaterländischen Bund etc.) 1798–1804. wurden Krauss und Scheffner verhaftet und – BLHA Potsdam, Pr. Br. Rep. 30A Polizeidiverhört und sämtliche Papiere in Beschlag ge- rektorium Berlin Nr. 390 (Verhörprotokolle) nommen. Die Vernehmungen ergaben, dass und Pr. Br. Rep. 30A Polizeidirektorium BerKrauss der Initiator gewesen sei und die Sta- lin Nr. 391 (beschlagnahmte Papiere). – Maututen des Ordens und ein Zertifikat der auf- rice, Florian: Freimaurerei um 1800. Ignaz zunehmenden Brüder sowie das Ordenssiegel Aurelius Feßler und die Reform der Großentworfen habe. Als Rezeptionsgelder waren loge Royal York in Berlin. Tübingen 1997, 34 Louisd’or zu zahlen. Krauss und Scheff- S. 254–257 (Hallesche Beiträge zur Europäiner waren im Haus der Gräfin Lichtenau mit schen Aufklärung, 5). dem Grafen Oborsky bekannt geworden, der ebenfalls dem Orden angehören sollte. Die magische Loge Scheffner hätte Zugang zur  Palmiéschen und Georgeschen Ressource gefunden und dort Auch eine sogenannte Magische Loge oder Mitglieder geworben, wobei sich besonders Magische Gesellschaft stiftete in Berlin groder Geheimrat Troschel sehr für die Sache in- ße Verwirrung, beschäftigte sogar Wilhelm v. teressiert gezeigt hätte. Scheffner wurde auch Humboldt, entpuppte sich aber als betrüge955

16  Sonstige Vereine und Gesellschaften

rische Luftnummer, die letztlich mit Berlin nichts zu tun hatte. Humboldt, der sich in Wien aufhielt, hatte Anfang des Jahres 1815 vom Prinzen von Sondershausen erfahren, dass bei der Regierung in Schwarzburg-Sondershausen eine Untersuchung anhängig sei: Gesandte einer geheimen magischen Loge mit Sitz in Berlin zögen durch die Lande, um Mitglieder zu werben. Sie sollten arretiert werden, doch konnte man ihrer bisher nicht habhaft werden. Sie verlangten 38 Reichstaler Eintrittsgeld. Logenmeister sei Franz v. Steinau; als Sekretär fungierte ein gewisser Borgius aus Eisleben, der nach Verlauf von ein bis zwei Jahren einen jährlichen Gewinn von 250 bis 300 Reichstaler pro Person in Aussicht stelle. In einem Brief vom 19. Januar 1815 unterrichtete Humboldt den Prinzen v. Wittgenstein. Daraufhin bat das Berliner Polizeiministerium die Sondershausener um Aufklärung. In den Akten des preußischen Ministerium des Innern befinden sich ein „Gesetz-Entwurf derer verbundenen Mitglieder der Magischen Gesellschaft“ mit der Unterschrift v. Steinaus sowie ein Zertifikat für Mitglieder mit den Unterschriften: Franz Joseph von Steinau, Präsident und Oberlogenmeister; Alexander Lorenz Vinkel, Vize-Logenmeister; Ludwig August Zwillig, Sekretär; Heinrich Wilhelm Sperker, Controlleur; Carl Theodor Gieske, Rendant. Zuerst vermutete man, dass ein Baron Franz v. Wobeser-Steinau, der sich wegen Betrügereien in Haft auf der Hausvogtei befand, der gesuchte Logenmeister sei, bis schließlich im Februar 1815 in Eisleben der 42-jährige Wollspinner Ernst Borges verhaftet wurde, der schon einmal wegen Schatzgräberei im Zuchthaus saß. Er gab zu, die Existenz einer solchen Loge nur erdichtet zu haben, um seine Betrügereien zu maskieren. Franz Joseph v. Steinau sei ein erfundener Name, alle anderen Unterschriften habe er ebenfalls gefälscht. Eine Geheimverbindung existierte nicht; sie war lediglich die Betrügerei eines einzelnen Mannes. 956

Quelle: GStA PK, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 17 Gen Nr. 6. St. Joachims-Orden

Der St. Joachims-Stifts-Ritterorden (oder: Orden St. Johannis; Orden der Vorsehung) existierte hingegen wirklich, der weltliche Ritterorden war im Fränkischen beheimatet, wirkte jedoch auch auf Berlin und das preußische Militär. 1755 war der Orden, der hohe Eintrittsgebühren erhob, gestiftet worden. 1787 wurden dessen Grundsätze publiziert (Etat de l’ordre de St. Joachimi ), eine Mischung aus geheimer Tendenz und Windbeutelei. Laut Statut konnte nur ein Souverän Großmeister werden. – 1801 bat der in Ansbach stationierte v. Beulwitz, Hauptmann im Infanterie-Regiment von Laurenz, den preußischen König um Erlaubnis, sich in den Orden aufnehmen lassen zu dürfen. Großmeister sei Graf Julius v. Soden, ehemaliger Gesandter des Fränkischen Kreises. Hatte König Friedrich Wilhelm II. am 27. April 1791 die Legitimität des Ordens bestätigt, betrachtete Friedrich Wilhelm III. den Orden jedoch als „zweideutiges Ding“, wofür preußische Offiziere kein Geld ausgeben sollten. Der Orden war in den Jahren zuvor stark in Verruf geraten und heftig angegriffen worden. Er stand im Geruch, eine Spielart der Illuminaten zu sein (weshalb er auch in Bayern verboten worden war) und von den Jesuiten gesteuert zu werden. Besonders Friedrich Gedike und Johann Erich Biester zogen in der Berlinischen Monatsschrift gegen verkappte Jesuiten und römische Emissarien zu Felde (1786, Juni und Juli 1802). Zahlreiche Ordensmitglieder standen in Verdacht, zugleich auch Mitglieder geheimer Gesellschaften zu sein. In einem Rechtfertigungsschreiben berichtete der Ordensmeister Ferdinand Carl regierender Graf zu LeiningenWesterburg an den preußischen König: der Orden bestehe aus mehr als 80 teils fürstlichen und reichsgräflichen, teils gräflich-freiherrlichen und adligen Familienmitgliedern; er

Geheimverbindungen

habe Mitglieder in vielen Ländern. Mitglied und Leipzig 1804, S. 152–185). – 1806 zog sei auch der preußische Premierlieutenant Joachim Murat, Großherzog von Berg und Freiherr v. Stein zum Altenstein. Stifter und Kleve und Schwager Napoleons, das Großerster Großmeister war bis 1773 Prinz Chris- meisteramt an sich, kam jedoch, als er 1808 tian Franz zu Sachsen-Coburg-Saalfeld; zwei- den Thron von Neapel übernahm, seinen Orter Großmeister bis 1780 Franz Xavier regie- denspflichten nicht mehr nach. Nach Murats render Graf zu Montford; dritter Großmeister Rücktritt ging die Großmeisterwürde wieder Carl Woldemar regierender Graf zu Leinin- an den nächsten Grafen von Leiningen über. gen-Westerburg. Im November 1801 fungier- In diesen Jahren ging die Wirksamkeit des Orten Frhr. v. Ecker und Eckhofen als Ordens- dens stark zurück, so dass er mitunter als erkanzler und Frhr. v. Stein zum Altenstein als loschen bezeichnet wurde. Er bestand jedoch älterer Ordens-Direktorial-Rat. Auch andere weiter und existiert bis in die heutige Zeit. Ordensobere wie Reichsgraf J. v. Soden und Quellen: GStA PK, I. HA Rep. 96 A, Nr. 27c. Frhr. v. Ecker und Eckhofen setzten Anzeigen – Ackermann, Gustav Adolph: Ordensbuch und Erklärungen in die Zeitschriften, um sich sämtlicher in Europa blühender und erloschezu rechtfertigen (Zeitung für die elegante Welt, ner Orden und Ehrenzeichen. Annaberg 1855, Leipzig 1804, Nr. 54 v. 5. Mai 1804, S. 432; S. 197. – Pierer, Heinrich August: Pierer’s Staats-Archiv: Als eine Folge der Schlözerschen Universal-Lexikon, Bd. 8. Altenburg 1859, Staatsanzeigen, Bd. 12, 45. Heft, Helmstedt S. 958.

Uta Motschmann

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17  Geplante, aber nicht realisierte Vereine

Illuminaten, Ortsverein Berlin

Trotz intensiver Bemühungen Johann Joachim Christoph Bodes, Friedrich Nicolai für die Sache der Illuminaten zu begeistern, kam es nie zur Bildung einer funktionierenden Illuminatenfiliale in Berlin. Nicolai ist seinen Aufgaben als „Präfekt“ von „Pelusium“ offenbar nie nachgekommen; allenfalls hat er wohl einige seiner Freunde, darunter Johann Erich Biester und Christian Wilhelm v. Dohm, inoffiziell eingeweiht; Franz Michael Leuchsenring war es schon, ohne aber förmlich Mitglied zu sein. Von der Einrichtung einer „Minervalkirche“ in Berlin war nie die Rede. (Für diese Hinweise danke ich Reinhard Markner herzlich. Vgl. auch Reinhard Markners Aufsatz: „Ihr Nahme war auch darauf.“ Friedrich Nicolai, Johann Joachim Christoph Bode und die Illuminaten. In: Rainer Falk / Alexander Košenina (Hg.): Friedrich Nicolai und die Berliner Aufklärung. Hannover 2008, S. 199–225).

Beilage zum 15. Stück. Wie in der Potsdamer Gesellschaft waren „Korrespondenz, Maschinerien, Modelle, Zeichnungen, Instrumente, Bücher, Versuche, auszusetzende Preise, Belohnungen, nothwendiger Aufwand bei kleinern und größern ökonomischen Reisen, das Zusammenkunftshaus mit allen seinen Utensilien, und noch viele andere Dinge“ vorgesehen. Die Gesellschaft kam nicht zustande. Deutsche alterthumsforschende Gesellschaft

Seit 1810 war Johann Heinrich Menu v. Minutoli mit der Ausarbeitung eines Plans zur Stiftung einer Deutschen alterthumsforschenden Gesellschaft befasst. Aufgabe der in der Gesellschaft zusammengeschlossenen patriotischen Gelehrten und Altertumsfreunde sollte es sein, „sowohl die von Zerstörung bedrohten als auch die in deutschen Privatsammlungen brachliegenden vaterländischen Altertümer zu sammeln, sie in einem Kabinett zu präsentieren und durch Publikation der ÖffentlichÖkonomische Gesellschaft zu Berlin keit bekannt zu machen“. In den monatlichen Sitzungen sollten Vorlesungen gehalten, AnNach der Etablierung der  Märkischen öko- fragen beantwortet und neue archäologische nomischen Gesellschaft zu Potsdam gab es auch Werke besprochen werden; auch der Ankauf für Berlin Bestrebungen, eine ökonomische von Altertümern war geplant. 1814 wurden Gesellschaft zu gründen. Vgl. dazu den Auf- die Bemühungen intensiviert: der Archäoloruf Vorschlag, Einladung und Bitte an das patri- ge Konrad Levezow modifizierte den Grünotische Publikum zur Errichtung einer ökonomi- dungsplan und übergab ihn an Aloys Hirt, schen Gesellschaft eines Autors namens „Geist“ der ihn zur Begutachtung an seine Univeraus „Großen-Beeren bei Berlin“ [vermutlich sitätskollegen Christian Friedrich Rühs, Karl Hans Heinrich Arnold von Bee­ren, bekannt Friedrich Eichhorn, Friedrich Karl v. Savigals „Geist von Beeren“] in der Haude & Spe- ny und Barthold Georg Niebuhr weiterreichnerschen Zeitung Nr. 15, v. 4. Februar 1792; te. Im Februar 1815 lagen deren Gutachten 958

17  Geplante, aber nicht realisierte Vereine

vor. Der Plan wurde nicht realisiert, auch wenn Minutoli noch viele Jahre davon sprach (Quelle: Harry Nehls: Akademiker trifft Dilettant – Hirt und Minutoli. In: Aloys Hirt in Berlin. Hg. v. Astrid Fendt, Claudia Sedlarz, Jürgen Zimmer. Deutscher Kunstverlag 2014, S. 257–272. – Eine ausführliche Darstellung der Gesellschaft wird in Harry Nehls’ in Arbeit befindlicher Diss. zu finden sein: „Zwischen Dilettantismus und Wissenschaftlichkeit. Der Berliner Kunst- und Altertümersammler Johann Heinrich Carl Freiherr Menu v. Minutoli 1772–1846“.) Gesellschaft für altdeutsche Literatur

Wilhelm und Jacob Grimm hatten 1816 die Gründung einer solchen Gesellschaft beabsichtigt; sie wurde jedoch nicht realisiert (vgl. Reinhold Steig: Goethe und die Brüder Grimm. Berlin 1892, S. 129–159). Gesellschaft von Freunden zur Unterstützung der Kunst in den Königlich Preußischen Staaten

Die Initiative ging von Aloys Hirt aus, der seinen Plan unter dem Namen „Die Dilettanten“ am 22. April 1818 bei Friedrich Wilhelm III. zur Genehmigung einreichte. Die Initiative scheiterte; der Plan zu einem Kunstverein zur Hebung der vaterländischen Kunst wurde abgelehnt (vgl. Bärbel Holtz: »Sie werden sich ein neues Verdienst um die Kunst […] erwerben«. Der Kunstaktivist Hirt als erfolgloser Vereinsgründer. In: Aloys Hirt in Berlin. Hg. v. Astrid Fendt, Claudia Sedlarz, Jürgen Zimmer. Deutscher Kunstverlag 2014, S. 273–294). Geheimbund deutscher Schauspieler (auch: Orden vom blauen Stein) – Zweigverein Berlin

Die Idee eines Schauspielerbundes stammte ursprünglich von Konrad Ekhof, der sei-

nen Plan der Gründung einer Genossenschaft deutscher Schauspieler kurz vor seinem Tod im Jahre 1778 zur Ausarbeitung an Friedrich Ludwig Schröder übergab. Ekhof ging es um eine Zusammenführung aller deutschen Schauspieltruppen und Schauspieler in einer Kunstgenossenschaft, ein gemeinsames Vorgehen gegen die Direktionen und die Anlegung einer „Pensions- und Todten-Casse für alle deutsche Schauspieler“. Gegründet wurde ein solcher Verein schließlich 1812 vom Stuttgarter Hofschauspieler Friedrich Wilhelm Hermann Hunnius. Der Geheimbund nannte sich Verein für das Conservatorium des teutschen Schauspiels (auch Orden, Bund oder Institut); die Versammlung eines einzelnen Zweigvereins hieß Convent, des Vororts Capitel. Die Hierarchie der Vorsteher, die Anrede „Bruder“, die Geheimzeichen, das Aufnahmeritual für neue Mitglieder deuten auf freimaurerische Gebräuche. Die einzelnen Punkte der Konstitutions-Akte, die von dem Darmstädter Hofschauspieler Haas verfasst worden sein soll, lassen sich in drei große Abteilungen zusammenfassen: „1. Bemühungen zur sittlichen Hebung des Standes, 2. Zusammenschluß der Schauspieler gegen Übergriffe ungerechter und geschmackverderbender Direktoren, 3. Gegenseitige Unterstützung für erwerblose Zeiten der Not und des Alters“ durch Gründung einer Un107). Der terstützungskasse (Devrient, S.  Bund fand zahlreiche Mitglieder in Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Darmstadt, Frankfurt a. M., Kassel, Würzburg, Nürnberg, Regensburg, München, Düsseldorf, Bremen, Aschaffenburg und bei der Denglerischen Gesellschaft. 1814 wurde der Stammverein in Stuttgart verboten, weil keinerlei geheime Gesellschaften erlaubt waren. Hunnius versuchte daraufhin, den Geheimbund auf neue Orte zu verlagern. Auf seiner Agitations­reise im Sommer 1814 gewann er neue Mitglieder und neue Vereinsorte in Mainz, Hannover, Bremen und Stettin. In Berlin, das er ebenso besucht hatte, sah er allerdings 959

17  Geplante, aber nicht realisierte Vereine

„durchaus keine Hoffnung“; ein beabsichtigter Zweigverein Berlin kam nicht zustande. Auf Grund der Interesselosigkeit der Mehrheit der Schauspieler lösten sich um 1815 die Zweigvereine nach und nach auf. Ein späterer Schauspielerverein, den einige Mitglieder der Königlichen Schauspiele Berlin im Dezember 1834 zur künstlerischen und sittli-

chen Hebung des Standes gründeten, scheiterte nach fünfjährigem Bestehen. Quelle: Devrient, Hans: Aus den Akten eines Geheimbundes deutscher Schauspieler in den Jahren 1812–1815. In: Archiv für Theatergeschichte. Im Auftrage der Gesellschaft für Theatergeschichte herausgegeben. Bd. 2, Berlin 1905, S. 95–150.

Uta Motschmann

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18  Nicht genau bestimmbare Gesellschaften

Chevrat Naschim Zadkaniyot (Zidkaniyot) (Gesellschaft frommer Frauen). Ein 1745 gegründeter jüdischer Frauenverein – der erste Frauenverein in Berlin überhaupt –, der einen Beerdigungsverein, einen Krankenverein und einen Armenverein für jüdische Frauen betreute (vgl. Marcus, Jacob R.: Communal Sick-Care in the German Ghetto. Cincinnati 1947, S. 139 f.; Baader, Maria B.: Die Entstehung jüdischer Frauenvereine in Deutschland. In: Huber-Sperl, Rita (Hg.): Organisiert und engagiert. Vereinskultur bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert in Westeuropa und den USA. Königsstein 2002, S. 105 f.). – Weiteres nicht bekannt. Jüdische Gesellschaft, die Arme mit Brot und Holz versorgt. Möglicherweise Haspa­ qat Ebjionim, ein traditioneller jüdischer Unterstützungsverein. Jüdische Gesellschaft, die jeden, der schwere Ausgaben hat, zwei Büchsen zusendet. Jüdische Gesellschaft Schutz der Freunde, gegr. vor 1793; nicht identisch mit  Magine Rèim. Jüdischer Verein zur Versorgung Armer mit Hemden und andern notwendigen Kleidungsstücken. Möglicherweise Malbisch Aru­ mim, einer der alten, traditionellen jüdischen Unterstützungsvereine. Gesellschaft patriotischer Freunde. Die Existenz der Gesellschaft in Berlin ist für die 1780er Jahre belegt. Sowohl Karl Philipp Moritz (1781) als auch Karl Heinrich Jördens

(1786) haben anlässlich des Geburtstags Friedrichs II. in der Gesellschaft Reden gehalten (Moritz: Rede am Geburtstag des Königs bei ei-

ner Gesellschaft patriotischer Freunde … den 24. Jan. 1781. Berlin 1781, 15 Seiten, 8°. – Jördens: Rede am Geburtstage des Königs in der Gesellschaft patriotischer Freunde. Berlin 1786, 15 Seiten, 8°). Beide bei Decker erschienene Reden waren nicht zugänglich. Andere Quellen konnten nicht ermittelt werden. Geographischer Verein. Der Direktor der Berliner Blindenanstalt, Johann August Zeune, gründete 1809 einen geographischen Verein, der in den Wirren der Befreiungskriege wieder eingegangen sein soll. Näheres ist nicht bekannt. Verschiedene Militär-, Soldaten-, Krieger-, Landwehr-, Veteranenvereine, deren Gründungsdaten nicht ermittelt werden konnten. 1) Verein freiwilliger Jäger (entstanden nach den Befreiungskriegen 1815). – 2) Erster TrauerVerein ehemaliger Militärpersonen aus den Jahren 1813–15 (ging 1864 mit der „Slesvigia“ ein förmliches Bündnis ein; Vorsitzender ist im Jahr 1870 der frühere Kaufmann und Stadtverordnete Windisch). – 3) Begräbniß-Verein ehemaliger freiwilliger Jäger und Kampfgenossen der Jahre 1813–15. – 4) Älterer uniformierter Veteranen-Verein (gegr. vermutlich 1813; Vorsitzender ist im Jahr 1870 der Magistrats-Pensionär Wiesert) (vgl. Berlins Militär-Vereine. In: Der Soldaten-Freund. Zeitschr. für faßliche Belehrung und Unterhaltung des Preußischen Soldaten. Redigirt und hg. v. L. Schneider. Berlin, Jg. 37, 8. Heft, Februar 1870, S. 568–571).

Uta Motschmann 961

Verzeichnisse

Alphabetisches Verzeichnis der im Handbuch genannten Vereine und Gesellschaften

Halbfett gedruckte Seitenzahlen verweisen auf einen Handbuch-Artikel; kursive Seitenzahlen auf eine Kurzinformation innerhalb der Texte. Afrikanische Bauherren  269 Alethophilische Gesellschaft  Societas Alethophilorum Allgemeine altschottische Loge  Große National-Mutterloge Altschottische Loge Zum goldenen Löwen  Große National-Mutterloge Apollo  Privattheatergesellschaft Apollo Armenbeschäftigungsanstalt  Freiwillige Armenbeschäftigungsanstalt des Barons v. Kottwitz Armen-Speisungs-Anstalt  910 Arminia  759 Asiatische Brüder  422 Aux trois Globes  Große National-Mutterloge Bachmannsche Gesellschaft  Konzert der Musikliebhaber Banderesius  Gold- und Rosenkreuzer-Orden Bauersche Lesegesellschaft  580 Beerdigungsgesellschaft  Chevra Kadischa Belle-Alliance-Gesellschaft  Eichlersche Gesellschaft Berliner Apotheker-Conferenz  28 Berliner Burschenschaft  746 Berliner Fechtverein  Fechtbodengesellschaft Berliner Frauen- und Jungfrauen (Mädchen)-Verein zum Dank für die Siege bei GroßBeeren und Dennewitz  Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz Berlinische Gesellschaft der Armenfreunde  913 Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache (und Alterthumskunde)  151 Berlinische Missionsgesellschaft (von Jänicke und Rückert)  246 Berlinische Schullehrergesellschaft  119 Berlinischer Künstler-Verein  462 Berlinisches Bürgerrettungs-Institut  892 Beschäftigungsanstalt  Freiwillige Armenbeschäftigungsanstalt des Barons v. Kottwitz Beth Hamidrasch  807 Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten  223 Bibelverein zur Verbreitung der Heiligen Schrift  Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten Bikur Cholim  801 965

Verzeichnisse

Brennholzgesellschaft  Gesellschaft zur Versorgung der französischen Hausarmen mit freier Feuerung  Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz Brüderverein (zu gegenseitiger Unterstützung)  866 Bund der Freunde  Tugendbund (um Henriette Herz) Bund der Freunde π.κ.  757 Bürger-Rettungsinstitut  Berlinisches Bürger-Rettungsinstitut Burschenschaft  Berliner Burschenschaft Casino-Gesellschaft  717 Charlottenburger Gesellschaft  v. Chasôtsche Kreise v. Chasôtsche Kreise  609 Chevra Kadischa  797 Chevrat Chinuch Ne’arim  811 Chevrat Marpe laNefesch  844 Chevrat Mohalim  804 Chevrat Naschim Zidkaniyot  803 Chevrat Ohavej Laschon Ivrit  857 Chevrat Schocharej haTow wehaTuschija  827 Chevurat Mazdiqej haRabim  820 Christlich-Deutsche Tischgesellschaft  Deutsche Tischgesellschaft Christlich-jüdische Loge zur Toleranz  413 Das „Comité“  605 Concert von verschiedenen Liebhabern und Musikern  477 Concordia  Ressource zur Concordia  Privattheatergesellschaft der Ressource zur Concordia Corps Borussia  744 Corps Corunia  745 Corps Guestphalia  741 Corps Hanseatica  745 Corps Lusatia  745 Corps Marchia  735 Corps Pomerania  742 Corps Silesia  742 Corps Vandalia  743 Damen-Lazareth  Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstr. No. 101 De l’Amitié aux trois Colombes  Große Loge von Preußen Deutsche altertumsforschende Gesellschaft (geplant)  958 Deutsche Christentums-Gesellschaft  Deutsche Gesellschaft tätiger Beförderer reiner Lehre und wahrer Gottseligkeit Deutsche Gesellschaft tätiger Beförderer reiner Lehre und wahrer Gottseligkeit  218 Deutscher Bund  626 Deutscher Mädchen-Verein  Mädchenverein vom 20. April 1813 Deutsche Tischgesellschaft  785 Dienstboten-Vereinigung  667 966

Alphabetisches Verzeichnis der im Handbuch genannten Vereine und Gesellschaften

Donnerstagskränzchen (1)  169 Donnerstagskränzchen (2) (Privattheatergesellschaft)  549 Eichlersche Gesellschaft  790 Englische Lesegesellschaft  578 Erholungs-Gesellschaft  711 Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes  675 Fechtbodengesellschaft  618 Fechtverein  Fechtbodengesellschaft (Feßlersche) Mittwochsgesellschaft  184 Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz  698 Frauenverein  Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes Frauenverein für das Lazareth am Schlesischen Tor  Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne  684 Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichs-Str. Nr. 101  680 Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor  690 Frauenverein zur Sammlung von Verbandmaterial  671 Frédéric aux trois Séraphin  Große National-Mutterloge Freimaurerverein der drei Großlogen zu Berlin  I. Große National-Mutterloge „Zu den drey Weltkugeln“  II. Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland zu Berlin  III. Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié (Der) Freitag  Freitag-Gesellschaft Freitag-Gesellschaft  435 Freiwillige Armenbeschäftigungsanstalt des Barons v. Kottwitz  921 Der freundschaftliche Verein (Ressource)  711 Die Friedrichs-Ressource  711 Das Friedrichsstift  926 Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit  Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié Geheimbund deutscher Schauspieler (geplant)  959 Gelehrte Journalgesellschaft für Arzneikunde, Ökonomie und Naturgeschichte  20 Die gelehrte Ressource  710 Gelehrtes Kaffeehaus  17 Geographischer Verein  961 Georgesche Ressource  Die neue Ressource Gesellschaft der Armenfreunde  Berlinische Gesellschaft der Armenfreunde Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten  Chevrat Schocharej haTow wehaTuschija Gesellschaft der Beschneider  Chevrat Mohalim Gesellschaft der Deutschen Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin  135 Gesellschaft der Freunde  837 Gesellschaft der Freunde der Humanität  188 Gesellschaft der Freunde Π. Κ.  757 Gesellschaft der Krankenbesucher  Bikur Cholim Gesellschaft der Wahrheitsfreunde  Societas Alethophilorum 967

Verzeichnisse

Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz  876 Gesellschaft französischer Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen mit Brennholz  874 Gesellschaft frommer Frauen  Chevrat Naschim Zidkaniyot Gesellschaft für altdeutsche Literatur (geplant)  959 Gesellschaft für Erd-, Heil- und Naturkunde  Gesellschaft für Natur- und Heilkunde Gesellschaft für Knabenerziehung  Chevrat Chinuch Ne’arim Gesellschaft für Natur- und Heilkunde  66 Gesellschaft für Seelenheilung  Chevrat Marpe laNefesch Gesellschaft hebräischer Literaturfreunde  Chevrat Ohavej Laschon Ivrit Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin  79 Gesellschaft Patrioten und Verehrer großer Männer  953 Gesellschaft patriotischer Freunde  961 Gesellschaft von Frauen nach der Bekanntmachung vom 28. März [1813]  667 Gesellschaft von Freunden der Aufklärung  Mittwochsgesellschaft Gesellschaft von Freunden zur Unterstützung der Kunst in den Königlich Preußischen Staaten (geplant)  959 Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden  250 Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion  864 Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden in den Preußischen Staaten  238 Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles  139 Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen  886 Gesellschaft zur ökonomischen Feuerung  Holzsparende Gesellschaft Gesellschaft zur Rettung Berlinischer in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger  Berlinisches Bürgerrettungs-Institut Gesellschaft zur Übung öffentlicher Tugenden  Tugendbund Gesellschaft zur Unterstützung armer Bräute  Hachnassath Kallah Gesellschaftstheater in der Jakobstraße  568 Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1)  769 Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2)  774 Gevatter-Gesellschaft zur Unterstützung und Verpflegung notleidender Wöchnerinnen  Zanduko Graeca  Griechische Gesellschaft Griechische Gesellschaft  145 Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland  362 Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié  317 Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“  276 Große Ressource  Palmiésche Ressource Große Loge Royal(e) York zur Freundschaft  Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié Das Grunersche Propaganda- und Spionagenetz  605, 633 Hachnassath Kallah  805 Harmonie  Ressource zur Harmonie  Privattheatergesellschaft der Ressource zur Harmonie 968

Alphabetisches Verzeichnis der im Handbuch genannten Vereine und Gesellschaften

Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten  224 Haus des Lernens  Beth Hamidrasch Heiratsgesellschaft  810 Heliconus  Gold- und Rosenkreuzer-Orden Hilarion  Gold- und Rosenkreuzer-Orden Holzsparende Gesellschaft  881 Holzverteilungsgesellschaft  Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz  Gesellschaft französischer Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen mit Brennholz Hufelandische Gesellschaft  58 Illuminaten (geplant)  958 Indissolubilis  Große Landesloge Jänicke’sches evangelisches Missions-Seminar  Berlinische Missionsgesellschaft Jüdische Gesellschaftem, unbestimmt  961 Die Jüdische Ressource  711 Königin-Luise-Stiftung  939 Königlich-Preußische Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam  91 Konzert der Musikliebhaber  476 Konzert für Kenner und Liebhaber  477 Künstler-Verein  Berlinischer Künstler-Verein La Loge Royale de l’Amitié  Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié La petite Concorde (Zur Eintracht)  Große National-Mutterloge [Lehrervereinigung von Prediger Friedrich Theodor Mann]  122 Leopold-Stiftung  882 Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Kgl. Realschule  131 [Lesende und schießende Gesellschaft]  Reimersche und v. Chasôtsche Kreise Liedertafel  509 Loge de l’Amitié  Große Loge von Preußen Loge L’Harmonie  Große National-Mutterloge Loge l’Union  Große National-Mutterloge Das Luisenstift  930 Machsekem Lomde Thora (Machasikej lomdej tora)  809 Mädchenverein der ungenannten Schwestern zum Besten der Verwundeten und Reconvalescenten  670 Mädchenverein der ungenannten Schwestern zur Unterstützung der im Kampf für die Befreiung des Vaterlandes verwundeten Krieger  Mädchenverein der ungenannten Schwestern zum Besten der Verwundeten und Reconvalescenten Mädchenverein vom 20. April 1813  682 Mädchenverein zu Berlin  Mädchenverein vom 20. April 1813 Mädchenverein zum Besten der Vaterlandsverteidiger  670 Mädchenverein zum Besten der Verwundeten  668 Mädchenverein zur Unterstützung der Verwundeten  670 Magine Rèim  854 Die magische Loge  955 Maikäferklub (Maikäferei)  456 969

Verzeichnisse

Männer- und Frauen-Verein in der vormaligen v. Larisch’schen Kaserne  669 Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der dritten Artillerie-Kaserne  694 Männer- und Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten am Halleschen Tor  692 Männerverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor  668 Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam  Königlich-Preußische Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam Medizinisch-chirurgische Gesellschaft  Hufelandische Gesellschaft Medizinischer Club  45 Melpomene  Privattheatergesellschaft Melpomene Miete-Gesellschaft  Ohel Jescharim Militärische Gesellschaft  72 Minerva  Privattheatergesellschaft Minerva Missionsgesellschaft  Berlinische Missionsgesellschaft  Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden  Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden Mittwochsgesellschaft (= Gesellschaft von Freunden der Aufklärung)  171 Mittwochsgesellschaft  Feßlersche Mittwochsgesellschaft Montagsclub  160 Die Musikalische Ressource  711 Musikübende Gesellschaft  13 Mutterloge zu den drei Weltkugeln  Große National-Mutterloge Neastes  Gold- und Rosenkreuzer-Orden Die neue Ressource  711 Nordsternbund  Polarsternbund Nouvelle Société littéraire  10 Ohel Jescharim  853 Ökonomische Gesellschaft zu Berlin (geplant)  958 Orden der Wahrheit  954 [Pädagogische Konferenz- und Lesegesellschaft]  122 Pädagogische Gesellschaft  113 Palmiésche Ressource  727 Patriotischer Frauenverein  Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison Patriotisches Institut  Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison Pharmaceutische Gesellschaft  46 Philomatische Gesellschaft  195 Das Pis-aller (Ressource)  711 Polarsternbund  439 Polonia  757 Polyhymnia  Privattheatergesellschaft Polyhymnia Preußische Haupt-Bibelgesellschaft  230 Privatgesellschaft junger Architekten  522 Privatlazareth der Generalin v. Winzingerode  Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne 970

Alphabetisches Verzeichnis der im Handbuch genannten Vereine und Gesellschaften

Privat-Lazareth in der Brüderstraße 21  693 Privat-Lazareth in der Friedrichstraße 129  668 Privattheater des Gastwirts Gentz in der Zimmerstraße  567 Privattheatergesellschaft Apollo  549 Privattheatergesellschaft der Ressource zur Concordia  559 Privattheatergesellschaft der Ressource zur Harmonie  551 Privattheatergesellschaft Melpomene  543 Privattheatergesellschaft Minerva  544 Privattheatergesellschaft Polyhymnia  551 Privattheatergesellschaft Thalia  543 Privattheatergesellschaft Urania  532 Pythagoras zum flammenden Stern  Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié Reimersche Kreise  609 Die Ressource  710 Ressource am Hausvogteiplatz  711 Ressource auf dem Spittelmarkt  711 Ressource der Gesellschaft der Freunde  851 Ressource der jüdischen Kaufmannschaft  850 Ressource, die im Winter in der Breiten Straße […] und im Sommer im Hirsekornschen Garten in der Holzmarktstraße ist  711 Ressource im Börsenhause  711 Ressource im Meerkatzschen Haus  711 Ressource in der neuen Friedrichstraße  711 Ressource verschiedener Stände  711 Ressource von 1794  Ressource der jüdischen Kaufmannschaft Ressource zur Concordia  559 Ressource zur Eintracht  711 Ressource zur Harmonie  551 Ressource zur Unterhaltung  713 Rettungsverein der Royal York  324 Royal(e) York de l’Amitié  317 Rufus  Gold- und Rosenkreuzer-Orden Sanduko  Zanduko Schach-Club  201 Schottenloge strikter Observanz Friedrich zum goldenen Löwen  Große NationalMutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ Schützencorps (Schützengilde)  950 Sechs-Ärzte-Verein  57 Seraphinenorden (Serapionsbrüder)  450 Sing-Akademie  489 Sittlich-moralischer Verein  Tugendbund Societas Alethophilorum  7 Société amusante  6 Société anonyme  5 Société littéraire  Nouvelle Société littéraire 971

Verzeichnisse

Der stille Verein  670 St. Joachims-Orden  956 Thalia  Privattheatergesellschaft Thalia Therbusch’sche Ressource  Ressource zur Unterhaltung Töchterverein im Saal des Börsenhauses  670 Toleranzloge  Christlich-jüdische Loge zur Toleranz Traktatverein  Hauptverein für christliche Erbauungsschriften Tugendbund (Der sittlich wissenschaftliche Verein)  586 Tugendbund (um Henriette Herz)  425 Turngesellschaft  643 Turnkünstlerverein  654 Die Unterhaltungsgesellschaft (Ressource)  710 Urania  Privattheatergesellschaft Urania Urania zur Unsterblichkeit  Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié Vaterländischer Frauenverein für hülfsbedürftige Krieger  Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison Vaterländischer Verein zur Verpflegung Berliner Krieger  Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison  704 Verein des Brüderstraßenbezirks  Privatlazareth in der Brüderstraße Vereinigung der Wohltäter für die Vielen  Chevurat Mazdiqej haRabim Verein Deutscher Mädchen  Verein teutscher Mädchen Verein für das Lazareth am Brandenburger Tor  668 Verein für das Lazareth in der Kaserne auf der Wiese am Weidendamm  696 Verein für das Privat-Lazareth in der Brüderstraße  Privatlazareth in der Brüderstraße Verein für die Anlegung und Unterhaltung der Heilungs-Anstalt des Brüder-Straßen-Bezirks für verwundete und kranke vaterländische Krieger  Privatlazareth in der Brüderstraße Verein im Militär-Lazareth Friedrichstraße/Weidendammer Brücke  Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne Verein teutscher Mädchen  702 Verein von Töchtern unserer Stadt  Mädchenverein zur Unterstützung der Verwundeten Verein zu gegenseitiger Hilfe  Magine Rèim Verein zum Besten der Landwehr  667 Verein zum Besten der Waisen im Großen Friedrichs-Hospital  918 Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner […] der durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegender der Länder zwischen Elbe und Oder  697 Verein zur Förderung des Tora-Studiums  Machsekem Lomde Thora Verein zur Pflege und Heilung erkrankter und verwundeter Vaterlandsvertheidiger  Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstr. No. 101 Verein zur Versorgung der Dürftigen mit wohlfeilerem Brot  913 Verpflegungs-Anstalt für verwundete Krieger aus den Jahren 1813, 1814 und 1815  Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison 972

Alphabetisches Verzeichnis der im Handbuch genannten Vereine und Gesellschaften

Vierschach-Verein  216 Weiblicher Verein für Soldaten-Wittwen und Kinder  670 Weiblicher Verein zur Verpflegung armer Familien vom Militair  Weiblicher Wohlthätigkeitsverein Weiblicher Verein zur Verpflegung armer Frauen  Weiblicher Wohlthätigkeitsverein Weiblicher Wohlthätigkeitsverein  685 Wohlthätigkeitsverein zur Aufhilfe der durch den Krieg verarmten Einwohner in Berlin  Weiblicher Wohlthätigkeitsverein Zanduko  804 Zeltersche Liedertafel  Liedertafel Zu den drei goldenen Schlüsseln  Große Landesloge Zu den drei Seraphinen  Große National-Mutterloge Zum flammenden Stern  Große National-Mutterloge Zum goldenen Löwen  Große National-Mutterloge Zum goldenen Pflug  Große Landesloge Zum goldenen Schiff  Große Landesloge Zum Pegasus  Große Landesloge Zum Pilgrim  Große Landesloge Zum Widder  Große Landesloge Zur Beständigkeit  Große Landesloge Zur Eintracht  Große National-Mutterloge Zur Errichtung von Erwerbschulen verbundene Gesellschaft  Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen Zur siegenden Wahrheit  Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié Zur Verschwiegenheit (zu den drei verbundenen Händen)  Große National-Mutterloge Die Zwanglose  Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1)

973

Verzeichnis von Berliner Vereinen, Gesellschaften und Stiftungen, die im Zeitraum 1816–1848 entstanden

[Die folgende Liste soll einen Überblick über Vereinsgründungen nach dem Handbuch-Zeitraum bis zum Ende des 19. Jahrhunderts geben, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit; Ungenauigkeiten bei der Jahres-Zuordnung und bei den Vereinsnamen sind möglich.]

1816 1817

1818

1819

1820

974

Brodt-Vertheilungs-Gesellschaft Berlin (Verein zur Versorgung der Stadtarmen) Der Hansmann-Schneidersche Gesangverein Schafzuchtverein (gegr. auf Initiative von Albrecht Daniel Thaer) Christlich-Brandenburgische Tischgesellschaft Verein zugunsten der Preßfreiheit Berliner Burschenschaft Die Friedensgesellschaft in Potsdam Medicinische Monatsgesellschaft (Gesellschaft von zwölf Ärzten, die sich am ersten Montag des Monats bei einem Restaurateur zum Mittagessen und zum Gespräch trafen: u. a. Hofrat Schulze, Merzdorff, Weitsch, Rust, Horlacher, Eberhard, v. Koenen, Hauck, Heim) Die Städtische Sparkasse Die v. Rohtt’sche Stiftung (u. a. zur Versorgung von Töchtern „von Alt-Märkischen Edelleuten“ im Stiftshaus in der Oberwallstraße) (Jüngere) Berliner Liedertafel (Ludwig Berger, Bernhard Klein, Gustav Reichardt, Ludwig Rellstab) Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde (veröffentlichte seit 1819 auf Anregung des Reichsfreiherrn vom Stein u.d. T. „Monumenta Germaniae Historica“ Schriftquellen zur mittelalterlichen Geschichte; nannte sich dann selbst „Monumenta Germaniae Historica (Deutsches Institut für Erforschung des Mittelalters)“; ab 1936 „Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde“) Polonia / Bund der Freunde Π. Κ. (Studentenverbindung) Verein zur Verbesserung des Zustandes der Juden im deutschen Bundesstaate (ab 1821: Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden; wissenschaftliche Fachgesellschaft; Isaac Levin Auerbach, David Friedländer, Lazarus Bendavid, Israel Jacobson) Die Wadzecks-Anstalt („Kinder-Warteschule“) Arminia (Studentenverbindung) Korporation der Kaufmannschaft von Berlin Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen (erste Sitzung am 15. Januar 1821; Vorsitzender: Christian Peter Wilhelm Beuth; Mitglieder u. a.: Heinrich v. Bülow, Alexander v. Humboldt, Karl Friedrich Schinkel, Johann Friedrich Krigar)

Vereine 1816–1848

1821

1822

1823

1824

1825

um 1825

1826

Gesellschaft der Börsenhalle (die Gesellschaft bestand aus sämtlichen Mitgliedern der Korporation der Kaufmannschaft, eingeführten Fremden und Bewohnern Berlins aus verschiedenen Ständen) Die v. Kircheisensche Stiftung Die Propst-Hansteinsche Stiftung (zur Unterstützung Berliner Parochial-Schullehrer-Witwen) Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (überregional) Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden Institut für Kirchenmusik Verein zur Beförderung des Gartenbaues im Preußischen Staat (gegründet u. a. von Peter Joseph Lenné; laut Kabinettsorder vom 17. August 1857 umbenannt in „Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den Königlich-Preußischen Staaten“; ab 1910 „Deutsche Gartenbau-Gesellschaft“) Versorgungsfonds für Veteranen aus den Feldzügen von 1813–1815 (gestiftet von den Ältesten der Kaufmannschaft) Berliner Kassen-Verein (Burgstr. 25; Vereinigung von Bankiers und Kaufleuten zu einer Gesellschaft, „welche das Einziehen von Wechseln, Anweisungen, Rechnungen und Quittungen ihrer Teilnehmer besorgt, und jeden derselben ab- und zuschreibt, und teils in baaren Geld, teils in eigenen Kassen-Vereinsscheinen zahlt“) Stiftung für Militär-Invaliden und Soldaten-Witwen Verein zur Erziehung sittlich verwahrloster Kinder in Berlin Verein zur Unterstützung armer Wöchnerinnen (jüdisch) Architekten-Verein zu Berlin (auch: Berliner Architektenverein; gegr. von 18 Architekten, u. a. Eduard Knoblauch und Friedrich August Stüler; 1926 Forts.: Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin) Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden Neue Mittwochsgesellschaft (gegr. 26. Oktober 1824 durch Julius E. Hitzig; bestand bis 1856) Gesellschaft für practische Medicin (gegr. von A. W. v. Stosch zur „gegenseitigen Belehrung und Cultivirung collegialischer Freundschaftsverhältnisse“) Der Luisenstädtische Wohlthätigkeits-Verein Verein der jüngeren Künstler (Vereinigung der Jugend gegen den älteren Berlinischen Künstler-Verein: Ernst Rietschel, Eduard Gärtner, Adolf Menzel u. a.) Verein der Kunstfreunde im preußischen Staate (an der Spitze des ersten Verwaltungsrates stand Wilhelm v. Humboldt, weiterhin Beuth, F. Tieck, Rauch, Schinkel, Jüngken, Wach, Begas, Schadow und Friebe) Verein zur Erziehung sittlich-verwahrloster Kinder (der Verein gründete eine Erziehungsanstalt, Grundstück am Urban, für 120 Knaben und 60 Mädchen im Alter von sechs bis 16 Jahren) Verein für den Seidenbau (gegr. von Schulrat Türk in Potsdam, Kunsthändler Bolzani und Lithograph Karrig in Berlin zum „Auffinden der besten Mittel zur Kultur dieser neuen Industrie und Unterstützung der Seidenzüchter außerhalb Berlins“) Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin Die Dreßlersche Stiftung Das Elisabeth-Stift zu Pankow Griechen(hilfs)verein (gegr. April 1826 von Christoph Wilhelm Hufeland; Propst Neander; Konsistorialrat Ritschl; Hofprediger Strauß; Oberregierungsrat Streckfuß; Bankier Brose; Präsident Rother) 975

Verzeichnisse

1826 (Forts.)

um 1826

1827

1828

1828/29

1829

1830

1831

976

Philosophischer Klub (gegr. von Hegel) Societät für wissenschaftliche Kritik (vgl. Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik. Herausgegeben von der Societät für wissenschaftliche Kritik zu Berlin. Verantwortlicher Redakteur: der Generalsekretair der Societät, Prof. v. Henning. Jahrgänge 1827–1846). Der Spontini-Fonds (gestiftet vom General-Musikdirektor Spontini) Berliner Verein zur Unterstützung armer studierender Griechen an der FriedrichWilhelms-Universität Berliner Schachgesellschaft Berliner Verein für die Besserung der Strafgefangenen (königl. Bestätigungsurkunde vom 10. Sept. 1828; Vorstand: u. a. Nikolaus Heinrich Julius, Baron v. Kottwitz, Kriminaldirektor Hitzig, Christoph Wilhelm Hufeland, Theodor Anton Heinrich Schmalz, Johann Peter Friedrich Ancillon, Daniel Amadeus Neander, Ludwig Gustav v. Thile) Literarischer Sonntags-Verein (Tunnel über der Spree) Wissenschaftlicher Kunstverein zu Berlin (Vorsitz: Akademiesekretär Toelken; im Vorstand: Schinkel, Dr. Fr. Förster) Gefangenen-Besuchsverein (Kottwitz-Kreis) Gesellschaft für Erdkunde (gegr. am 20. April 1828 als zweitälteste aller geographischen Gesellschaften; C. Ritter, H. Lichtenstein) Namenlose Gesellschaft (geselliger Künstlerverein) Der Neandersche Kranken-Verein Verein für Pferdezucht und Dressur Verein zur Beförderung des Schulbesuchs armer Kinder (auch: Prämienverein für arme Schulkinder) Verein zur Besserung der Strafgefangenen in den preußische Staaten (s. 1827) Frauen-Verein zur Besserung des sittlichen Zustandes weiblicher Strafgefangener (gegr. als „Frauen-Hülfs-Verein“ zum männlichen „Verein zur Besserung der Strafgefangenen in den preußischen Staaten“) Die Alter-Versorgungs-Gesellschaft (jüdisch) Die Eytelweinsche Stiftung (Vergabe eines Stipendiums für den Sohn eines Baumeisters während des Besuchs der Kgl. Bauschule) Gesellschaft für ausländische schöne Literatur (Mitglieder aus Hitzigs „Mittwochs-Gesellschaft“) Der Gesinde-Belohnungsfonds Institut für Archäologische Korrespondenz (ab 1886: Kaiserl. Deutsches Archäologisches Institut; hervorgegangen aus dem von Eduard Gerhard, Otto Magnus v. Stackelberg, August Kestner und Theodor Panofka gegr. und am 21. April 1829 in Rom eröffneten „Instituto di Corrispondenza archeologica“, dessen Aufgaben in der Erforschung der antiken Denkmäler und deren Bekanntgabe in gelehrten Publikationen bestehen sollten; wurde zu einer wiss. Anstalt des preuß. Staates) Liederverein Berlin (gegr. am 12. Sept. 1829 von Julius Schneider; 1844 Anschluss an die „Provinzialliedertafel“) Die v. Schuckmannsche Stiftung Die Wilhelminen-Amalien-Stiftung Die Hufelandsche Stiftung zur Unterstützung notleidender Ärzte Verein zur Pflege kranker Studierender auf der Friedrich-Wilhelms-Universität Gesellschaft der Freunde des hebräischen Volkes (philojüdische Gesellschaft um den Prediger Eduard Kuntze) Die Heilmannsche Stiftung Die Röbe’sche Stiftung (Versorgung zweier unverheiratet gebliebener Kgl. OffiziantenTöchter auf Lebenszeit)

Vereine 1816–1848

1831 (Forts.)

1832

1833

1834

1835

1836

Verein zur Beförderung der Kleinkinder-Bewahranstalten zu Berlin Die Weber-Broughamsche Stiftung (u. a. naturwissenschaftliche Vorträge für Handwerker) Collegialer Verein von praktischen Ärzten Berlins (gegr. 12. März 1832 von C. Mayer, Thümmel, Burtz, Troschel, H. Klaproth, Haseloff, Scheibel, Lieber, Schmidt u. Oppert, um „innige Freundschaft der Mitglieder zu vermitteln und wahre Collegialität zu fördern“) Pädagogische Gesellschaft (gegr. von Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg; bestand bis 1848) Verein für Heilkunde in Preußen (gegr. 31. Juli 1832 von J. N. Rust) Verein von Freunden des Verewigten [Hegel] (gegr. von Johannes Schulze, Leopold v. Henning, Karl Rosenkranz, Ludwig Boumann, Fritz Förster, Eduard Gans, Karl v. Hegel, Heinrich Gustav Hotho, Philipp Marheinecke, Karl Ludwig Michelet; gab von 1832 bis 1845 die Vollständige Ausgabe von Hegels Werken heraus) Das Waisen-Erziehungs-Institut für Knaben (jüdisch) Christlicher Männer-Kranken-Verein Die Fischer-Haynesche Stiftung („zum Besten bedürftiger Töchter verstorbener Professoren hiesiger Universität“) Der Frauen-Kranken-Verein mit dem Elisabeth-Krankenhaus Frauen-Verein von 1833 zum Besten israelitischer Waisenmädchen und Reconvalescenten (jüdischer Wohltätigkeitsverein; Personen: Witwe Cossmann Meyer, Frau Dr. Jeidels, Louise Herz) Die freiwillige Beschäftigungs-Anstalt (gegr. vom Berliner Localverein zur Besserung entlassener Gefangener) Die Michael Beer-Stiftung (jüdisch; vergab Stipendien für jüdische Maler und Bildhauer in Italien) Berliner Schauspielerverein (1834–1837, Eduard Devrient und Louis Schneider) Heimia (gegr. 15. Sept. 1834 von v. Arnim, Behrend, Erhard, Gedicke, Haseloff, C. Mayer, Orthmann, Paetsch, Thaer, Zimmermann und dem Homöopathen Stüler; zum Gedenken des 1834 gestorbenen Arztes Heim, trafen sich seine Kollegen, die ihn zu Grabe getragen hatten, später regelmäßig) Die Schleiermachersche Stiftung Verein für die Goßnerschen Kleinkinder-Bewahranstalten Die Gemeinde-Töchterschule (jüdisch) Das Institut zur Bekleidung dürftiger Schüler der Gemeinde-Schule Talmud Thora (jüdisch) Die Malméne’sche Knaben-Beschäftigungs- und Erziehungs-Anstalt Die Spenersche Stiftung (für arme Katechumenen der St. Nicolai- und St. MarienGemeinde) Die Stiftung des Stadtrats Mendelssohn-Bartholdy (damit „ein hier erkrankender Fremder männlichen Geschlechts aus den gebildeten Ständen in einer hiesigen städtischen Anstalt verpflegt werden“ kann) Verein zur Begründung einer National-Galerie in Berlin (bestand bis 1917; Mitglied war u. a. Schinkel) Berlinische Lebens-Versicherungs-Gesellschaft (ihr unterstand die 1844 gegründete Berlinische Renten- und Capitals-Versicherungs-Bank) „Doktorklub“ (Hegelsche „Linke“ der Berliner Universität um Bruno und Edgar Bauer, Max Stirner, Karl Marx) Die Moses-Mendelssohnsche Waisen-Erziehungsanstalt (jüdisch) 977

Verzeichnisse

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg (Mitbegründer: Adolph Friedrich Johann Riedel, bis 1862 verantwortlich für die Märkischen Forschungen (1841–1882); vgl. auch

1836 (Forts.)

1837

1838

1839

1840

978

Riedel’s Codex Diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten; Leopold von Ledebur: Schauplatz der Thaten oder Aufenthalts-Nachweis des Kurfürsten Friedrich Wilhelm des Grossen) Verein zur christlichen Fürsorge für jüdische Proselyten und nach evangelischer Wahrheit forschenden Juden zu Berlin (Verein der Judenmission) Verein zur Unterstützung hülfsbedürftiger deutscher Buchhändler und Buchhandlungsgehülfen und ihrer Wittwen und Waisen Verein zur Verpflegung und Unterstützung armer Wöchnerinnen (ohne Rücksicht auf die Religion) Englische Lesegesellschaft Allgemeine Kriegerkameradschaft Berlin-Charlottenburg (gegr. 1. April 1837) Die Armen-Commission der jüdischen Gemeinde Hennigscher Gesangverein (Stifter und Dirigent war Carl Hennig) Mäßigkeits-Verein in Berlin (Julius Eduard Hitzig) Die Stiftung des Kaufmanns Baer Philipp Goldschmidt (jüdisch) Unterstützungsgesellschaft zur Beschäftigung armer Weber Verein deutscher Philologen und Schulmänner (überregional) Verein zum Kartoffelbau durch Arme Die Weydingerschen und Schreinerschen Stiftungen Der Centralfonds für die Klein-Kinder-Bewahranstalten Der Fonds für invalide Lohnbediente Fons caritatis (gestiftet vom Charité-Prediger Melcher und dem Lehrer Jungnitz) Die Krankenpflege in der St. Elisabeth-Gemeinde Literarischer Sachverständigen-Verein (Vorsitz: Julius Eduard Hitzig) Die Marwede-Silemannsche Stiftung (vergab Universitätsstipendien) Die Preußische Renten-Versicherungs-Anstalt Die v. Stägemannsche Stiftung (für jährlich zwei Universitätsstipendien) Die Baumgartensche Stiftung (Unterstützung unbemittelter Witwen und unversorgter Frauen aus dem Adel und dem höheren Bürgertum) Der Berliner Unterstützungs-Verein für hülfsbedürftige Handlungsdiener Der Gesellschafts-Verein der Rabbinats-Candidaten. Machsike Bachure Chemed Elisabethstiftung für Witwen und Waisen unbesoldeter Kommunalbeamter in Berlin Geselliger Lehrerverein (frequentiertester Berliner Lehrerverein des 19. Jahrhunderts) Die Gutenberg-Stiftung (zur Unterstützung hilfsbedürftiger Buchdrucker u. Schriftgießer) Jüngerer Berliner Lehrerverein (1840–1867) Die Casse zur Unterstützung durchreisender Armen (jüdisch) Die Pischonsche Pensions-Stiftung für Volks- und Elementar-Schullehrer Rothers-Stiftung Verein der Wundärzte in Berlin Verein gegen den Verfall des Judentums (jüdische wissenschaftliche Fachgesellschaft; Personen: Samuel Kristeller, Emanuel Mankiewicz, Julius Fürst, Heymann Jolowicz, Samuel Piek) Verein zur Besserung weiblicher Strafgefangenen Verein zur Fürsorge für entlassene Gefangene

Vereine 1816–1848

1841

1842

um 1842

Das Adolphstift (jüdischer Hilfsverein; ab 1847: Hilfsverein für jüdische Studierende; Personen: Sigismund Stern, Leopold Zunz, Aron Bernstein, Benjamin Liebermann, Meyer Magnus, Eduard Arnhold, Julius Bleichröder, James Simon) Aufsichts-Verein für Halte-Kinder Deutscher Tierschutz-Verein zu Berlin Frauensittenverein Die Freien (gegr. um 1841; Linkshegelianer) Das Gans’sche Stipendium (Stipendienvergabe zur Ehre von Prof. Eduard Gans) Gesangverein des Herrn Jähns (Leiter war der Komponist und Musiklehrer F. W. Jähns, ca. 100 Mitglieder; Übungszusammenkünfte im Hause (des bereits verstorbenen) Schinkel in der Bauakademie) Hauptverein zur Beförderung einer würdigen Sonntagsfeier (Vorstandsvorsitzender: Prediger Couard, Stellvertreter: Konsistorialrat Pischon) Die Kagel’sche Stiftung (bestimmt „für zwei unbemittelte und unverheirathete Frauenzimmer von unbescholtenem Rufe“) Kulturverein (gegr. Nov. 1840, gedruckte Statuten vom 1. Jan. 1841; ab 1846: Verein zur Verbesserung der inneren und äußeren Zustände der Juden in Preußen; Personen: Leopold Zunz, Ludwig Lesser, Carl Heymann, Meyer Magnus, Alexander Mendelssohn, Julius Wolff Meyer, Moritz Veit) Künstlerverein (auch: Berliner Künstlerverein; gegr. 19.5.1841; Forts.: Jüngerer Künstlerverein, 1847–1859; Verein Berliner Künstler, 1859 bis zur Gegenwart) Die neue Berliner Sterbekasse Die Stiftung von Recha Itzig Unterstützungs-Verein für hülfsbedürftige Schauspieler Verein Berliner Köche Verein gegen Thierquälerei Der wissenschaftliche Verein Akademie für Männergesang (geleitet von den Direktoren Wieprecht und Flodoard Geyer; ein „für religiösen und patriotischen Gesang vorzugsweise wirksamer Verein“; im Febr. 1843 wurde Friedrich Liszt „Ehrendirektor“) Archäologische Gesellschaft zu Berlin (gegr. im Dezember 1842 auf Initiative des Archäologen Eduard Gerhard) Deutscher Verein für Heilwissenschaft (gegr. am 20. Juni 1842 auf Anregung Jüngkens; Vorsitzende: H. Link, J. F. C. Hecker, J. L. Casper) Evangelische Pastoral-Hülfsgesellschaft Evangelischer Missions-Verein zur Ausbreitung des Christenthums unter den Eingebornen der Heidenländer Frauen- und Jungfrauen-Verein zur christlichen Fürsorge für Juden und Proselyten Frauen-Verein zur christlichen Bildung des weiblichen Geschlechts im Morgenlande Friedrich-Wilhelms-Anstalt für Arbeitsame (Stiftung) (Jüngere) Militärische Gesellschaft (gegr. auf Initiative des preuß. Kriegsministers Hermann v. Boyen) Die Kranken-Casse der Berlinischen Elementar-Lehrer Unterstützungskasse für Beamte der Berlin-Frankfurter Eisenbahn Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin Das Waisen-Erziehungs-Institut für Mädchen (jüdisch) Die Freien (Fortsetzung der „Doktorklubs“; zwanglose Gesellschaft von Intellektuellen um Bruno Bauer) 979

Verzeichnisse

1843

1844

980

Berliner Archäologische Gesellschaft Anstalt zur Pensionirung emeritirter Beamter der Berlin-Potsdamer EisenbahnGesellschaft Das Elisabeth-Kinder-Hospital Die Elisabeth-Stiftung für Wittwen und Waisen unbesoldeter Communal-Beamten, einschließlich der Stadt-Verordneten Der Enthaltsamkeitsverein von 1843 (gegen übermäßigen Branntweingenuss; es gab insgesamt acht derartige Vereine in Berlin) Gesellschaft der Gartenfreunde Gymnasiallehrergesellschaft zu Berlin (auch: Berlinischer Gymnasiallehrer-Verein; gegr. 13. Dez. 1843; seit 1866: Gymnasiallehrer- und Realschullehrer-Verein) Der Kaffeter (Verein der Kaffeologen; künstlerische Vereinigung von Frauen, u. a. Armgart, Gisela und Maxe v. Arnim, Caroline Bardua) Die Kinder-Heilanstalt Das Magdalenenstift Numismatische Gesellschaft Philosophische Gesellschaft Der Unterstützungs-Fonds für das Leichenträger-Corps Unterstützungskasse für die Subaltern-Beamten der Berlin-Anhaltischen EisenbahnGesellschaft Unterstützungs-Verein der Privat-Secretaire Verein der Deutschen Künstler (1843–1857) Verein zur Beförderung der Klein-Kinder-Bewahranstalten Berliner Tonkünstler-Verein Central- und Local-Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen Der evangelische Verein der Gustav-Adolph-Stiftung Gesellen-Verein zur Belehrung und geselligen Unterhaltung Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie (gegr. 13. Febr. 1844 von Carl Mayer, Chr. A. Bartels, Erbkam, Hammer, Münnich, Nagel, Paetsch, L. Ruge, J. H. Schmidt, Gierse, Wegscheider, um „zur Ausbildung und Vervollkommnung der Geburtshilfe in ihrem ganzen Umfange beizutragen“) Gesellschaft für wissenschaftliche Medicin (gegr. 5. Dez. 1844, Vorsitz: Friedrich Körte und J. A. Münter) Der Handwerker-Verein (gegründet von Stadtsyndikus Hedemann; bestand aus Meistern, Gesellen und Lehrern, ca. 1200 Mitglieder; Zwecke: wissenschaftliche und technische Bildung und gesellige Unterhaltung; Leihbibliothek von 800 Bänden; Dichterbund unter Leitung von Dr. Schmidt; 1850 aufgelöst; Neugründung 1859) Der landwirtschaftliche Provincialverein für die Mark Brandenburg und Nieder-Lausitz Märkischer Centralverein gegen das Branntweintrinken Die Prediger Cosmar’sche Stiftung (v.a. zur Versorgung von Prediger-Töchtern) Societé suisse de charité (Schweizer Wohltätigkeitsgesellschaft) Stiftung des Kommissionsrats Reichert Stiftung des Kaufmanns H. J. Brandenburg Verein Berliner Künstler zur Unterstützung seiner hilfsbedürftigen Mitglieder und deren Hinterbliebenen (1844/45–1902; Forts. Künstlerunterstützungsverein in Berlin) Verein zur Beförderung christlicher Sitte und Geselligkeit unter den jungen Leuten des Gewerbestandes Verein der Kunst-Gärtner

Vereine 1816–1848

1844 (Forts.)

1845

1846

1847

Verein zur Beaufsichtigung des Schulbesuchs der Armen-Schulkinder in der St. NicolaiParochie Verein zur Bekleidung armer Confirmanden der Domgemeinde Verein zur Linderung der Not der Spinner und Weber im Schlesischen Gebirge Die Berliner Aussteuer-, Sterbe- und Unterstützungs-Casse Berliner Organisation des Bundes der Gerechten (Christian Friedrich Mentel; Karl Joseph Hätzel u. a.) Christlicher Handwerkerverein (Victor Aimé Huber; Otto v. Gerlach) Deutscher Ornithologen-Verein (Wander-Verein; später: Deutsche OrnithologenGesellschaft; vereinigte sich 1875 mit der 1868 gegründeten „Deutschen ornithologischen Gesellschaft zu Berlin“ zur „Allgemeinen deutschen ornithologischen Gesellschaft“) Domestiken-Verein (zur Unterstützung von männlichem Dienstpersonal in Krankheitsfällen und im Alter) Erk’scher Männer-Gesangverein (gegr. 6. Juni 1845) Frauen-Verein zur Unterstützung der hiesigen deutsch-katholischen Gemeinde Genossenschaft für Reform im Judentum (ab 1850: Reformgemeinde; Personen: Sigismund Stern, Aron Bernstein, Ludwig Lesser, Carl Heymann, Moses Simion, Friedrich Jakob Behrend, Adolph Meyer, Julius N. Friedländer, Samuel Holdheim, Georg Minden, Paul Pincus, Alfred Peyser) Geselliger Verein der Freunde mit dem Hut (ab: 1846/47: Verein der Freimüthigen; Personen: Friedländer, Samelson, Löwenstein, Lowenthal, Nathanson, Levy, Landsberger) Die Pestalozzi-Stiftung (mit der Bestimmung, „Armenkindern und Waisen eine ihren Verhältnissen entsprechende Erziehung im Geiste und nach den eigentlichen Absichten Pestalozzi’s zu geben“) Physikalische Gesellschaft zu Berlin Die Spargesellschaften im 35sten und anderen Armen-Commissions-Bezirken Verein praktischer Thierärzte Verein zur Hebung und Förderung der norddeutschen Volks-Litteratur (gegr. u. a. von J. Diesterweg, J. Gersdorf, Otto Ruppius, Löst, Mücke) Der Volksschulbibliotheken-Verein Freihandelsverein (Neue oder Zweite) Pharmazeutische Gesellschaft in Berlin (gegr. 8. Juni 1846) Rütli (1) (Vereinigung von jungen Poeten, Journalisten und Künstlern) Verein für deutsche Statistik Verein der Zöglinge des Königlichen Gewerbe-Instituts in Charlottenburg (gegr. 16. Mai 1846; am 11. Dez. 1847 umbenannt in „Akademischer Verein Hütte“) Vorschußverein für hülfsbedürftige Mitglieder der jüdischen Gemeinde (Personen: Joseph Joachim Liebermann, M. S. Baswitz, Meyer Magnus, Joel Wolff Meyer, Oscar Rathenau) Gesangverein „Caecilia“ (gestiftet von Otto Braune) Gesellschaft jüdischer Gewerbetreibender z. g. U. in Krankheitsfällen (ab 1857: Gesellschaft jüdischer Handwerker und Künstler z. g. U. in Krankheitsfällen; Personen: Aron Hirsch Heymann, Louis Liebermann, Hermann Landsberger) Hilfsverein für jüdische Studierende s. 1841: Adolphsstift Jüngerer Künstlerverein (Forts.: Verein Berliner Künstler, 1859) Verein der Hutfreunde (jüdisch) 981

Verzeichnisse

1848

982

Bürgergesellschaft (Verein des liberalen Großbürgertums) Bürgerwehr-Club (Sitzungen in der Urania) Central-Arbeiter-Club Central-Komité für Arbeiter (Vorsitzender: der Buchdrucker Stephan Bauer; gründete für Berlin und die Provinzen „Komitees für Arbeiter“; Zeitschrift „Das Volk. Eine sozial-politische Zeitschrift“) Demokratischer Bürgerwehrverein (gegr. von Meyer, Neue Friedrichstraße 27) Demokratischer Club der Mark Brandenburg (Sitzungen in der Leipziger Straße im Walterschen Lokal) Demokratischer Damenclub (Präsidentin Frau Dr. Marheinecke; Nachfolgerin Frau Dr. Boché; strebten eine Verbesserung der weiblichen Dienstbotenklasse an) Demokratischer Verein (gegr. im Mai in der Villa Colonna; schloss sich später dem Demokratischen Club – vormals: Politischer Club – an) Deutsche Geologische Gesellschaft (konstituierte sich nach halbjähriger Vorbereitung durch Beyrich, Ewald, Girard und v. Carnall am 29. Dez. 1848 im Kgl. GewerbeInstitut in Berlin; erster Vorsitzender war Leopold v. Buch) Evangelischer Verein für kirchliche Zwecke zu Berlin Frauen-Groschen-Verein (Protektorat: Kaiserin Friedrich; wollte armen Mitbürgern Unterstützung und Arbeit verschaffen) Generalversammlung Berliner Ärzte (zusammengerufen am 9. Juni 1848 von der vorbereitenden Kommission unter C. Mayer, Schöller, Virchow, v. Arnim, Barez, F. J. Berend, Casper, Eck, Ehrenberg, Horn, Koner, Körte, Liman, Quincke, Schütz und Wegscheider; noch im Jahr 1848 ist die Tätigkeit erloschen) Konstitutioneller Club (gegr. 27. März 1848; unterstützte Kurs des gemäßigt liberalen Kabinetts Camphausen; höhere Beamte, Gelehrte und Vertreter des gewerblichen Mittelstandes; ein linker Flügel sammelte sich im „Verein für Volksrechte“) Lindenclub (Unter den Linden an der sogen. Kranzlerschen Ecke; Präsident: Müller; von der Polizei verbotener demokratischer Club) Medicinischer Club (gegr. 15. April 1848 von Studierenden der Medizin; am 1. Juli 1848 reorganisiert als „Verein von Studirenden der Medicin“ zur Reform des Studienund Prüfungswesens; musste unter dem Druck der politischen Verhältnisse bald seine Arbeit aufgeben) Patriotischer Verein (konservative Abspaltung von der liberalen Bewegung) Politischer Club (gegr. 21. März 1848 als Sammelbecken der gesamten Oppositionsbewegung; Studenten, kritische Akademiker, Arbeiter; im Mai 1848 Bezeichnung „Demokratischer Club“) Preußen-Verein (geheimer Verein der politischen Reaktion) Die Rehberger (Gustav Adolph Schlöffel; radikal-revolutionäre Zeitung „Der Volksfreund“) Social-Verein (gegr. von Friedrich Wilhelm Held; kurzlebiger radikal-reformerischer Verein; wichtige Redner: Karbe, Dr. Voigtländer, Max Zacharias, Leidesdorf) Stern’scher Gesangverein Turngemeinde in Berlin (gegr. 16. April 1848; ältester Turn- und Sportverein in Berlin) Vereinigung der bildenden Künstler Berlins Verein für die Armen zu Berlin Verein praktischer Ärzte und Wundärzte zur Förderung der Gesamtinteressen des Heilpersonals (später: Verein der Aerzte und Wundärzte; gegr. 27. April 1848 von H. W. Berend, M. B. Lessing, H. Freund und F. Graevell)

Vereine 1816–1848

1848 (Forts.)

Volksclub (Leitung: Heinrich Benary; Sitzungen in der Friedrichstädtischen Halle) Volksverein unter den Zelten (revolutionäre Vereinigung von städtischen Arbeitern)

Gründungsdaten unbestimmt: Die christliche Gesellschaft vor 1834 Die Prediger-Gesellschaft vor 1846 Der Schulverein (zur Förderung des katholischen Schulwesens)

Quellen: Berlin-Bibliographie (bis 1960). In der Senatsbibliothek Berlin bearb. v. Hans Zopf und Gerd Heinrich […]. Berlin 1965 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-MeineckeInstitut der Freien Universität Berlin, Bd. 15). – Bernstein, Eduard: Die Geschichte der Berliner Arbeiter-Bewegung. Ein Kapitel zur Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Erster Teil. Berlin 1907. – Brommenschenkel, Karin: Berliner Kunst- und Künstlervereine des 19. Jahrhunderts bis zum Weltkrieg. (Diss.) Berlin 1942. – Fromm, Benno: Die Wohlthätigkeits-Vereine in Berlin. Berlin 1894. – Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825–1933. Hg. v. Wulf

Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr. Stuttgart, Weimar 1998 (Repertorien zur Deutschen Literaturgeschichte, Bd.  18). – Lisco, Gustav: Das wohlthätige Berlin. Geschichtlich-statistische Nachrichten über die WohlthätigkeitsUebung Berlin’s. Berlin 1846. – Müller, Johannes: Die Wissenschaftlichen Vereine und Gesellschaften Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert. Bibliographie ihrer Veröffentlichungen seit ihrer Begründung bis auf die Gegenwart. Berlin 1883–1887. – [N. N.]: Berlins Militär-Vereine. In: Der Soldaten-Freund. Zeitschrift für faßliche Belehrung und Unterhaltung des Preußischen Soldaten. Redigirt und hg. von L. Schneider. Berlin, Jg. 37, 8. Heft, Februar 1870, S. 568–571.

983

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen

a. aufgenommen a. am (bei Ortsnamen) am angeführten (angegebea. a. O. nen) Ort Abb. Abbildung Abh. Abhandlung abwes. abwesend a. d. an der (bei Ortsnamen) a. D. außer Diensten Adj. Adjutant adjunkt. adjunktiert (zu: Adjunkt, Amtsgehilfe) Adl. KadKorps Adliges Kadetten-Korps affiliiert (Freimaurerei) aff. Afrik. Afrikanische (Bauherrenloge) Akad. Akademie Akad. d. Wiss. Akademie der Wissenschaften akadem. akademisch ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten AM Auswärtiges Mitglied amerikan. amerikanisch Anat. Anatomie Anm. Anmerkung(en) Anon. Anonymus a.o./ao. außerordentliches(r) (Mitglied/Professor) app. appelliert Apr. April Art. Artikel ArtMajor Artillerie-Major Asiat. Asiatische (Brüder) aufgen. aufgenommen Aufl. Auflage Aufn. Aufnahme Aufs. Aufseher Aufz. Aufzug/Aufzüge (bei Dramen) Aug. August Ausg. Ausgabe auswärt. auswärtig(es) 984

b. bei/beim ball. ballotiert (Abstimmung durch Kugelung) Bar. Baron BatChir. Bataillons-Chirurg BBr./Bbrn. Brüder/Brüdern (Freimaurerei) Bd. Band Bde. Bände bearb./Bearb. bearbeitet/Bearbeiter begr. begründet Beih. Beiheft Vereinigtes Berlinisches Berl. Gymn. Gymnasium zum Grauen Kloster besond. besonders Best. Bestand besuchender (Bruder) besuch. bevollmächt. bevollmächtigter Bl. Blatt Br. Bruder (Freimaurerei) brandenburg. brandenburgisch bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca. cirka c. a. consilium abeundi cand. Candidatus Capt. Capitain (militärischer Rang) Chir. Chirurg Comp. Compagnie Cour. Courant d. der/des D. Doktor d. Ä. der Ältere Dän. dänisch dass./Dass. dasselbe Deleg. Delegierter demiss. demissioniert deput. deputierter (zugeordneter) derg. dergleichen

Abkürzungen und Siglen

ders./Ders. derselbe desgl. desgleichen Dez. Dezember d. h. das heißt d. i. das ist dies./Dies. Dieselbe Dir. / -dir. Direktor / -direktor dispend. dispendiert Diss. Dissertation d. J. des/diesen Jahres d. J. der Jüngere Dlle. Demoiselle Dr. Doktor Dr. med. Doktor der Medizin Dr. jur. Doktor der Rechte Dr. phil./philos. Doktor der Philosophie der Sohn d. S. Dt. Deutsche dt. deutsch/deutsche e. einem ebd. ebenda ehem. ehemalige(r) Einl. Einleitung/Einleitungen EM Ehrenmitglied Engl. England engl. englisch enth. enthält Evangelischer Oberkirchenrat EOK Eq. Esquire erl. erläutert erstm. erstmals erw. erwähnt erw. erweitert Estl. Estland et al. und andere etc. et cetera ev. evangelisch event./evtl. eventuell Exc./Exz. Exzellenz exklud. exkludiert exped. expedierend Expl. Exemplar F. Frau f., ff. folgende (Seite/n) f. für Fa. Firma Fähn. Fähnrich Faks. Faksimile Febr. Februar Festschr. Festschrift Fn. Fußnote

Forts. Fortsetzung Fr(.) Frau franz. französisch Frd./Frd’or Friedrichsd’or Frhr. Freiherr Frl(.) Fräulein Ft. Fürst ftl. fürstlich geb. geboren/geborene Gebr. Gebrüder gegr. gegründet Geh. Geheimer/Geheimes gen. genannt Gen.-Agent Generalagent Ges. Gesellschaft Gesch. Geschichte gest. gestorben gez. gezeichnet Gf. Graf ggf. gegebenenfalls Gsch Grafschaft Gr. Groschen Großherzogl. Großherzoglich Großschatzm. Großschatzmeister (Freimaurerei) Großsekr. Großsekretär (Freimaurerei) Großvorst. Großvorsteher (Freimaurerei) GStA Geheimes Staatsarchiv Gymn. Gymnasium H./Hr. Herr H. Heft hujus (dieses Monats) h. heil. heilig Hg. Herausgeber hg. herausgegeben histor. historisch Histor. Komm. Historische Kommission Hl. Heiliger/Heiligen Hs. Handschrift Hss. Handschriften Hz. Herzog hzl. herzoglich Hzt. Herzogtum i. in/im (bei Ortsnamen) ident. identisch i.e. id est i. J. im Jahr incl./inkl. inclusive InfRgt Infanterie-Regiment IO Innerster Orient (Freimaurerei) 985

Verzeichnisse

i. Or. im Orient (Freimaurerei) interim. interimistisch(er) J. Jahr j. -jährig Jan. Januar Jb. Jahrbuch Jg. Jahrgang Jh. Jahrhundert Joachimsth.Gymn. Joachimsthalsches Gymnasium jüd. jüdisch jun. Junior Jungf. Jungfrau/Jungfer KadKorps Kadetten-Korps Kaiserl. Kaiserlich Kap. Kapitän (Hauptmann) kath. katholisch K./ Kgl./ kgl. Königlich/königlich Kg. König Kgl. Königlich kgl.-pr. königlich-preußisch Kgn. Königin KM Korrespondierende(s) Mitglied(er) k.u.k. Kaiserlich-königlich Königl. Königliche königl. königlich komm. kommentiert Komm. Kommentar Komm. Kommission K. R. Kriegsrat Kurmärk. Kurmärkisch L Luisenorden LA Landesarchiv Landesgroßm. Landesgroßmeister (Freimaurerei) LB Landesbibliothek Leutn. Leutnant laufende Meter (bei Archivlfm. beständen) Lieut. Lieutenant Logenm. Logenmeister Lustsp. Lustpiel(e) m. mit -m. -meister M. Meister (vom Stuhl) Mad. Madame Masch./masch. Maschinenschrift / maschinenschriftlich Math. Mathematik m. E. meines Erachtens 986

mechan. mechanisch med. medizinisch Med. Medizinal(-rat) mind. mindestens Mitarb. Mitarbeit Mitgl. Mitglied ML Mutterloge Mlle. Mademoiselle Mme. Madame MP Möhsen-Papiere (in: SBB PK) Mr. Meister Mr. Monsieur mr. maurerisch Ms. Manuskript Musikal. Musikalisch M.v.St. Meister vom Stuhl (Freimaurerei) nach anderen (Angaben) n. a. Nachdr. Nachdruck Nachl. Nachlass nachm. nachmals Nachw. Nachwort Nationalgroßm. Nationalgroßmeister (Freimaurerei) N.B. notabene ND Neudruck Neuausg. Neuausgabe N. F. Neue Folge Nm. Neumark No. Numero nob. nobilitiert Norweg. Norwegischer Nov. November Nr. Nummer Neues Testament N. T. o. oder o. ohne (Jahr) ordentlicher (Professor) o. Ob. Ober (z. B. Ober-Regierungsrat) Oberm. Obermeister (Freimaurerei) Oberzeremonienm. Oberzeremonienmeister (Freimaurerei) O. C. R. Oberkonsistorialrat o. D. ohne Datum Okt. Oktober OM Ordentliches Mitglied O. M. Obermedizinalrat p. und so weiter Pens. Pensionär

Abkürzungen und Siglen

PensChir Pensionärchirurg Pf. Pfennig Phil. Philosophie phil.-histor. philosophisch-historische (Klasse) Phys. Physik PK Preußischer Kulturbesitz perge perge (lat.: fahre fort pp. = und so weiter) Pr./pr. Preußen/preußisch prakt. praktischer/praktizierender preuß. preußisch Printzl. Printzlicher Prof. Professor Progr. Programm prop. proponiert (vorgeschlagen) Prov. Provinzial(loge) Prov. Provisor (einer Apotheke) Pseud. Pseudonym Pz. Prinz pzl. prinzlich Pzn. Prinzessin quitt. quittiert r recto (Vorderseite) reaff. reaffiliiert ref. reformiert Ref./Refer. Referendar reg. regierend Reichsgf. Reichsgraf rektif. rektifiziert Repet. Repetent resp. respektive Rez. Rezension rez. rezipiert (aufgenommen) Rgt Regiment RgtChir Regimentschirurg RgtQuartM Regiments-Quartiermeister rh. Reichstaler R. R. Regierungsrat Rthl./Rtl./Rtlr. Reichstaler russ. russisch S. Seite s. sein s. siehe Sachs. Sachsen sächs. sächsisch Schausp. Schauspiel Schl./schl. Schlesien/schlesisch schott. schottisch Schr. Schrift(en) Schwed. Schwedischer

Se. Seine (Königl. Majestät) Sekr. Sekretär sen. senior Sept. September Sgr. Silbergroschen Sign. Signatur Singsp. Singspiel Slg. Sammlung s. n. sine nomine (ohne Namen, ohne Titel) s. o. siehe oben sog./sogen. sogenannt Sr. Seiner (Königl. Majestät) SS Sommersemester S./St. San/Sant’/Sankt St. Stück stellv. stellvertretender Stew. Steward (Schaffner) StO Strikte Observanz (Freimaurerei) stud./Stud. Student/ Studiosus stud. cam. Student der Kameralwissenschaften stud. jur. Student der Jurisprudenz stud. med. Student der Medizin stud. phil. Student der Philosophie stud. theol. Student der Theologie s. u. siehe unten substit. substituierter (beigeordneter) Südpr. Südpreußen suspend. suspendiert Thlr. T(h)aler Titelbl. Titelblatt Tl. Teil Trauersp. Trauerspiel Trib.Rat Tribunalrat u. und u. a. unter anderem/und andere u. a. m. und andere mehr u. d. T. unter dem Titel UB Universitätsbibliothek übers. übersetzt u. Mitw. unter Mitwirkung unbek. unbekannt(er) undat. undatiert unmaur. unmaurerisch u.ö. und öfter usw. und so weiter v verso (Rückseite) v. von (Adelstitel) / vom (Datum) 987

Verzeichnisse

v. a. vor allem von der (Adelstitel) v. d. v. M. vorigen Monats verehel. verehelichte Verein. Berlin- Vereinigtes Berlinisch-KöllKölln. Gymn. nisches Gymnasium zum Grauen Kloster Verf./Vf. Verfasser vf. verfasste vergl. vergleiche verh. verheiratet(e) verm./vermutl. vermutlich vers. versehen verw. verwitwet vgl. vergleiche Vierteljahrsschr. Vierteljahrsschrift vorigen Monats v. M./v. Mts. vorbereit. vorbereitender (Bruder) vorsitz. vorsitzender Vorst. Vorsteher wahrsch. wahrscheinlich Westpr. Westpreußen wirkl. wirkliches (Mitglied) / Wirklicher (Rat)

wiss. wissenschaftlich WS Wintersemester Wwe. Witwe z. zur z. B. zum Beispiel Zeremonienm. Zeremonienmeister (Freimaurerei) Zirkeldirektor (FreimaureZirkeldir. rei) zit. zitiert Zs. Zeitschrift Ztg. Zeitung zugeord. zugeordneter kennzeichnet einen Absatz / innerhalb des zitierten Textes // kennzeichnet einen Seitenumbruch in der Handschrift Verweis auf einen Hand buchartikel [ ] Zusatz der Autoren ◻ Zeichen für Loge Hochgestellte Zahlen vor der Jahreszahl bezeichnen die Auflage einer Publikation.

Institutionen BAK BBAW BJG BLHA BSB CAHJP CJA EOK EZA FU GSA

988

Bundesarchiv Koblenz Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Bibliothek der Berliner jüdischen Gemeinde Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam Bayrische Staatsbibliothek München Central archives for the history of the Jewish people, Jerusalem Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum, Archiv, Berlin Evangelischer Oberkirchenrat (Preußen) Evangelisches Zentralarchiv Berlin Freie Universität Berlin Stiftung Weimarer Klassik, Goetheund Schiller-Archiv

GStA PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem Herzog August Bibliothek WolfenHAB büttel Hessisches Staatsarchiv Darmstadt HStA HU Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Deutsche Sprache, IDS Mannheim KPM Königliche Porzellanmanufaktur zu Berlin LAB Landesarchiv Berlin Leo Baeck Institute, New York LBI Stiftung Preußischer Kulturbesitz PK SBB PK Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz UdK Universität der Künste Berlin ZGA Zentrales Grundbucharchiv, Berlin

Abkürzungen und Siglen

Periodika ADB AZJ BN

Allgemeine Deutsche Biographie Allgemeine Zeitung des Judentums Berlinische Nachrichten Von Staatsund gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung, 1813–1823) BPZ Berlinisch privilegierte Zeitung (Vossische Zeitung, bis 1778) BZ Königlich priveligirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung, 1813– 1823) Haude u. Berlinische Nachrichten Von StaatsSpen. Ztg. und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung, 1813–1823) HWV Händel-Werkverzeichnis

KBPZ

Königlich-berlinische privilegirte Staats- und gelehrte Zeitung (Vossische Zeitung, 1779–1784) KPZ Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung, ab 1785) LBI YB Yearbook of the Leo Baeck Institute, London NDB Neue Deutsche Biographie NTM Der Neue Teutsche Merkur Voss. Ztg./ Vossische Zeitung (= Königlich priVZ vilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Berlin 1785–1797) ZfG Zeitschrift für Germanistik

Vereins-Siglen 3gSchl

Freimaurerloge „Zu den drei goldenen Schlüsseln“ 3Ser Freimaurerloge „Zu den drei Seraphim“ 3WKL Große Nationalmutterloge genannt „Zu den drei Weltkugeln“ Sechs-Ärzte-Verein 6ÄV Apollo Privattheatergesellschaft Apollo Arminia Arminia (Studentenverbindung) ASA Armen-Speisungs-Anstalt BAC Berliner Apotheker-Conferenz BBRI Berlinisches Bürgerrettungs-Institut BBursch Berliner Burschenschaft BC Bikur Cholim (Gesellschaft für Krankenbesuch) BGfdS Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache BHM Beth Hamidrasch (Haus des Lernens) BiGe Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten BKV Berlinischer Künstler-Verein BLg Bauersche Lesegesellschaft BMg Berliner Mittwochsgesellschaft (Gesellschaft von Freunden der Aufklärung) Berlinische (evangelische) MissionsBMiss gesellschaft BSLG Berlinische Schullehrergesellschaft

Bst Freimaurerloge „Zur Beständigkeit“ BV Brüderverein CBo Corps Borussia CCN Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung) CCu Corps Curonia CG Casino-Gesellschaft CGph Corps Guestphalia CHa Corps Hanseatica CKa Chewra Kadischa (Beerdigungsgesellschaft) Corps Lusatia CLu CM Corps Marchia Chevrat Marpe LaNefesch (GesellCMN schaft für Seelenheilung) Chavurat Mazdiqej haRabim (VerCMR einigung der Gerechten für die Vielen) Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (GeCOL sellschaft hebräischer Litteraturfreunde) Concordia Privattheater der Ressource zur Concordia Corps Pomerania CPom CSi Corps Silesia CST Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten) 989

Verzeichnisse

CVan dB DHolz

Corps Vandalia Der deutsche Bund Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz DTG Deutsche Tischgesellschaft Do1 Donnerstagskränzchen 1 Do2 Donnerstagskränzchen 2 (Privattheatergesellschaft) E / Eintr Freimaurerloge „Zur Eintracht“ Eichlersche Gesellschaft / BelleEiG Alliance-Gesellschaft Englische Lesegesellschaft ELG FBA Freiwillige Armenbeschäftigungsanstalt FechtG Fechtbodengesellschaft FHolz Gesellschaft französischer Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz Freimaurerloge „Zum flammenden FlSt Stern“ (Feßlersche) Mittwochsgesellschaft FMg Die Freitag-Gesellschaft (Der Freitag) FR FrauV1 Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes FrauV2 Weiblicher Wohlthätigkeitsverein FrauV3 Berliner Frauen- und JungfrauenVerein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz FSt Friedrichsstift FWzgG Freimaurerloge „Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit“ GdA Gesellschaft der Armenfreunde GdF Gesellschaft der Freunde GDSF Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin GdW Societas Alethophilorum (Gesellschaft der Wahrheitsliebenden) GEE Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen Gentz Privattheater des Gastwirts Gentz in der Zimmerstraße 78 GG1 Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) (gegr. 1806) GG2 Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) (gegr. 1809) GKH Gelehrtes Kaffeehaus GLL Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland GNF Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin 990

GNH

Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Berlin GNML Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ gPfl Freimaurerloge „Zum goldenen Pflug“ Graeca Griechische Gesellschaft (Graeca) GRO Orden der Gold- und Rosenkreuzer Freimaurerloge „Zum goldenen gSch Schiff“ GStyl Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles Gesellschaftstheater in der Jakob­ GTh straße 56 Harmonie Privattheater der Ressource zur Harmonie HeiG Heiratsgesellschaft HG Gesellschaft der Freunde der Humanität Hachnassath Kallah (BrautausstatHK tungsgesellschaft) HolzG Holzsparende Gesellschaft HuG Hufelandische Gesellschaft (Medizinisch-chirurgischeGesellschaft) Gesellschaft zur Beförderung der IndGes Industrie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion JournG Gelehrte Journalgesellschaft für Arzneikunde, Ökonomie und Naturgeschichte KLS Verein für die Luisenstiftung / Königin-Luise-Stiftung KML Konzert der Musikliebhaber LazV1 Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstr. No. 101 LazV2 Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne LazV3 Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor (Provinzial-Lazareth No. 1) LazV4 Männer- und Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Halleschen Tor LazV5 Privatlazareth in der Brüderstraße 21 LazV6 Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der dritten ArtillerieKaserne LazV7 Verein für das Lazareth in der Kaserne auf der Wiese am Weidendamm

Abkürzungen und Siglen

LeoSt Leopold-Stiftung LgRSch Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Königlichen Realschule LSt Luisenstift LT Liedertafel MädV1 Mädchenverein vom 20. April 1813 MädV2 Verein teutscher Mädchen Maikk Maikäferklub MC Montagsclub MedC Medizinischer Club Melpomene Privattheatergesellschaft Melpomene Militärische Gesellschaft MilitG Minerva Privattheatergesellschaft Minerva MissHeid Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden MissJud Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden ML3W Große Nationalmutterloge genannt „Zu den drei Weltkugeln“ MÖG Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam Mohalim Chebrath Mohalim (Gesellschaft der Beschneider) MR Magine Rèim MüG Musikübende Gesellschaft Nouvelle Société littéraire NSL Ohel Jescharim (Miete-Gesellschaft) OJ PädG Pädaogische Gesellschaft Polarsternbund (Nordsternbund) PB Peg Freimaurerloge „Zum Pegasus“ PharmG Pharmaceutische Gesellschaft PHGB Preußische Haupt-Bibelgesellschaft PhilG Philomatische Gesellschaft Freimaurerloge „Zum Pilgrim“ Pilg Privatgesellschaft junger Architekten PjA Polonia Polonia / Bund der Freunde Π. Κ. Polyhymnia Privattheatergesellschaft Polyhymnia Pyth Freimaurerloge „Pythagoras zum flammenden Stern“ RdjK Ressource der jüdischen Kaufmannschaft Ress1 Ressource zur Unterhaltung (Therbusch’sche Ressource) Ress2 Palmiésche Ressource RGdF Ressource der Gesellschaft der Freunde

RK/ChK Reimersche und v. Chasôtsche Kreise RY Große Loge Royal(e) York de L’Amitié RzC Ressource zur Concordia und Pri­ vattheatergesellschaft Concordia SAK Sing-Akademie zu Berlin Samu Société amusante San Société anonyme SC Schach-Club von 1803 Seraphinenorden / Serapionsbrüder SeO SprachG Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin StL Stewardsloge Tb Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund) TBH Tugendbund (um Henriette Herz) Thalia Privattheatergesellschaft Thalia TolL Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz (Toleranzloge) TraktV Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten TurnG Turngesellschaft Urania Freimaurerloge „Urania zur Unsterblichkeit“ Urania Privattheatergesellschaft Urania VL Vereinigte Johannislogen Vschw Freimaurerloge „Zur Verschwiegenheit“ („Zu den drei verbundenen Händen“) VV Vierschach-Verein VWais Verein zum Besten der Waisen im großen Friedrichs-Hospital Widd Freimaurerloge “Zum Widder” WohltV Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner der unmittelbar durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder Wohlt2 Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison ZsW Freimaurerloge „Zur siegenden Wahrheit“

991

Abbildungsnachweis

Abb. 1  Nachricht von der zu Berlin auf die Gesellschafft der Aletophilorum oder Liebhaber der Wahrheit geschlagenen Müntze. Berlin 1740, Titelblatt. (Ex. in SBB PK, Abteilung Historische Drucke, Signatur: an: Au 16933: R. – Mit freundlicher Genehmigung). • Abb. 2  Porträt Friedrich Heinrich Wilhelm Martini. Kupferstich. • Abb. 3  Das Königlich Preussische Medicinal-Edict vom 27. September 1725 und die revidirte ApothekerOrdnung vom 11. Oktober 1801. Berlin 1801, Titelblatt. Privatbesitz Friedhelm Reinhard, Wieck a. Darß. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 4  Tasse mit Darstellung der Apotheke zum schwarzen Adler, Neue Roßstraße 21, um 1850. Besitzer: Friedhelm Reinhard, Wieck a. Darß. Foto: Günter Prust, Berlin. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 5 Porträt Christoph Wilhelm Hufeland zur Zeit der Aufnahme seiner Tätigkeit in Berlin, Druckgraphik. Stich von F. Müller nach einem Ölgemälde von J. F. A. Tischbein. Nach: Bildersammlung aus der Geschichte der Medizin. Kunstbeilage zur Deutschen Medizinischen Wochenschrift 1910, No. 4, Verlag Georg Thieme, Leipzig. • Abb. 6  Porträt roth. Kupferstich von Martin Heinrich Klap­ Johann Samuel Ludwig Halle, 1809, aus: Johann Georg Krünitz: Oeconomische Ency­ clopädie, oder allgemeines System der LandHaus- und Staats-Wirthschaft. Band 112. Berlin: Pauli, 1809. Frontispiz. (Kupferstich im Archiv der GNH). • Abb. 7 Stiftungsurkunde der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde mit den Unterschriften der Gründungsmitglieder. Im Besitz der GNH. Faksimiledruck in: Die Gesellschaft für Natur- und Heilkunde 992

in Berlin 1810–2010. Festschrift zur Feier ihres 200. Geburtstages am 7. Februar 2010. Hg. v. d. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Berlin. Berlin 2010, vor dem Titelblatt. – Mit freundlicher Genehmigung der GNH. • Abb. 8 Siegel der Militärischen Gesellschaft. Aus: Denkwürdigkeiten der Militärischen Gesellschaft zu Berlin. Bd. 1–5, Berlin 1802– 1805, u. a. im Ersten Band, Erstes Stück, S. 148. (Ex. in SBB PK, Sign.: Zsn 70589. – Mit freundlicher Genehmigung). • Abb. 9 Siegel der Gesellschaft naturforschender Freunde. Naturkundemuseum Berlin, Bestand GNF, S. Oesterreich, Johann von. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 10 Mitgliedsurkunde der Gesellschaft naturforschender Freunde für Friedrich Heinrich Wilhelm Martini 1773. Naturkundemuseum Berlin, Bestand GNF, S. Martini, Nr. 1 Mappe 3b. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 11 Friedrich Heinrich Wilhelm Martini: Titelblatt von Tagebuch 1 mit dem Siegel der Gesellschaft naturforschender Freunde. Naturkundemuseum Berlin, Bestand GNF, Martini TB 1 1773–1776. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 12 Haus der Gesellschaft naturforschender Freunde in der Französischen Straße 29, Fotografie um 1900. Naturkundemuseum Berlin, Bestand GNF, Fotomappe XVII, 1. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 13  Franz Hillner: Porträt Friedrich Eberhard v. Rochow, Direktor der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam, Öl auf Leinwand (1794), Dauerleihgabe der Familie Freiherr von der Recke im Rochow-Museum Reckahn. Nach: Hanno Schmitt / Frank Tosch (Hg.): Neue Ergebnisse der Rochow-Forschung (= Bildungs-

Abbildungsnachweis

und kulturgeschichtliche Beiträge für Berlin und Brandenburg; Bd. 6). Berlin 2009, S. 14. • Abb. 14  „Perspectivischer Riss des H-Duckets Pflugs von dreyen Furchen“, in: Abrisse und Beschreibungen nützlicher Maschinen und Modelle, welche in dem Saale der Gesellschaft der Künste, Manufakturen [...] zu London aufbewahret werden, [...]. München und Leipzig 1780. • Abb. 15  Annalen der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam, Titelblatt Bd. 1, Heft 1, Potsdam 1792. • Abb. 16  Siegel der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam (1791), in: Küster, A[lbert]: Die Königlich Märkische ökonomische Gesellschaft als landwirthschaftlicher Provinzial-Verein für die Mark Brandenburg und die Nieder-Lausitz. Festschrift zu der am 31. August 1891 zu Potsdam stattfindenden Feier des 100. Stiftungs-Jahrestages der Gesellschaft. I. Teil. Berlin 1891, Titelblatt. (Ex. in SBB PK, Sign.: Ou 2635). • Abb. 17  Annalen der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam, Titelblatt Bd. 1, (Hefte 1–3), Potsdam 1794. • Abb. 18 Porträt Ewald Graf v. Hertzberg, Direktor der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam, in: Annalen der MÖG, Bd. 1 (Hefte 1–3), Potsdam 1794, nach dem Titelblatt. • Abb. 19 (Erstes) „Protokoll-Buch der Berlinischen Schullehrer Gesellschaft vom 6ten Juli 1813 bis 18ten Novbr 1814, 1–66 Versammlung“, Deckblatt. Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung / Archiv: Berlinische Schullehrergesellschaft, BSLG 1. – Mit freundlicher Genehmigung der BBF/ DIPF. • Abb. 20  Faksimile des Gründungsprotokolls der Berlinischen Schullehrer-Gesellschaft. Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung / Archiv: Berlinische Schullehrergesellschaft, BSLG 1. – Mit freundlicher Genehmigung der BBF/ DIPF. • Abb. 21  Gedrucktes Formular der

Gesellschaft Deutscher Sprach- und LiteraturForscher: Erduin Julius Koch an Christoph

Friedrich Nicolai, Berlin, 29. März 1793. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Nicolai, Bd. 41, Bl. 215. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 22  Siegel der Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache, in: Gedruckte Gesetzurkunde von 1816. Vorentwurf des Siegels in: Archiv der BBAW, Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache, Nr. 3, Bl. 23. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 23 Denkmünze des Montagsclubs aus dem Jahr 1798. Aus: Kalender des Montag Klubb’s zu Berlin. Auf das Jubel-Jahr 1798. […] Berlin 1798, Titelblatt (Ex. aus Landesbibliothek Oldenburg, Sign.: LIT II 5 7 – Mit freundlicher Genehmigung). • Abb. 24  Gesetze der Berliner Mittwochsgesellschaft (Gesellschaft von Freunden der Aufklärung): Einrichtung der Gesellschaft (1783). SBB PK, Möhsen-Papiere: Ms.boruss. fol. 443: fol. 1r. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 25  Berliner Mittwochsgesellschaft: Aus dem Votum von Moses Mendelssohn zu den Aufklärungsvorträgen von Zöllner und Selle (21. Jan. 1784), Urfassung seines Aufklärungsaufsatzes. SBB PK, Möhsen-Papiere: Ms.boruss. fol. 443: fol. 188r, letzter Absatz. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 26  Berliner Mittwochsgesellschaft: Johann Karl Wilhelm Möhsen: erste Seite des Entwurfes einer Vote (Reinschrift verschollen) zu einem unbekannten (verschollenen) Aufklärungsaufsatz von Moses Mendelssohn (1785). SBB PK, Möhsen-Papiere: Ms.boruss. fol. 443: fol. 316 r. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 27  Porträt Ignatius Aurelius Feßler. Gemälde von Wassiljew, nachgezeichnet und gestochen von Rossmässler, 1826. Nach: Peter F. Barton: Ignatius Aurelius Feßler. Vom Barockkatholizismus zur Erweckungsbewegung. Wien/Köln/Graz 1969, Titelbild. • Abb. 28 Johann Gottfried Schadow: Hammer des Präsidenten der Humanitätsgesellschaft, Holz, 1813. Ehemals Märkisches Museum Berlin, Kriegsverlust. Abb.  aus: Hans Mackowsky: Die Bildwerke Gottfried Schadows. Berlin 1951, S. 209, Abb. 169 (Denkmäler deutscher Kunst, 30). • Abb. 29  Auszug aus dem Sit993

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zungsprotokoll der Philomatischen Gesellschaft onsgottesdienst in der Kapkolonie. Lithogravom 16. Januar 1806. SBB PK, Handschriften- phie, 1864, Hoflithograph J. Bardtenschlager, abteilung, Ms. germ. fol. 1034, Bd. 1, Bl. 97. – Berlin, in: s.n.: Missions-Berichte der GesellMit freundlicher Genehmigung. • Abb. 30 schaft zur Beförderung der evangelischen MissiJohann Erdmann Hummel: Die Schachpartie, on unter den Heiden, Berlin 1864. (Ex. in SBB 1818/1819, Öl auf Lw., 38,5 x 44 cm. Staatli- PK, Sign.: Cv 11611). • Abb. 39  Das Missiche Museen zu Berlin PK, Nationalgalerie, onshaus und der hinter demselben befindliche Inv.-Nr. A I 825 / Fotograf: Jörg P. Anders. – Betsaal in der Sebastianstrasse in Berlin (1840), Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 31 gezeichnet von einem Zögling der MissionsVierschach, anonymer Kupferstich. Aus: Karl schule. GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes ZiEnderlein: Vierschach. Berlin 1826, Anhang, vilkabinett, Nr. 23567, Bl. 126r. – Mit freund­ Abb. 1. • Abb. 32  Titelblatt der „Neuesten licher Genehmigung. • Abb. 40 Arbeitstafel Nachrichten aus dem Reiche Gottes“, Hg. v. einer Loge aus der Mitte des 18. Jahrhunderts Samuel Elsner. Erster Jahrgang, Berlin 1817. für die Aufnahme eines Lehrlings oder Gesel(Ex. in SBB PK, Sign.: Cv 5050 – Mit freund- len, Kupferstich, 18. Jahrhundert. Nach: Marlicher Genehmigung). • Abb. 33 Porträt cel Valmy: Die Freimaurer. Arbeit am Rauhen Johann Jänicke, in: Ledderhose, Carl Friedrich: Stein. Mit Hammer, Zirkel und Winkelmaß. Johann Jänicke: der evangelisch-lutherische München 1988, S. 183. • Abb. 41 ErinnePrediger an der böhmischen oder Bethlehems- rungsblatt zum 100jährigen Jubiläum der AufKirche zu Berlin; nach seinem Leben und nahme Friedrichs II. in den Freimaurerbund, Wirken dargestellt, zum Besten der Mission für 1838. Blatt der Großen National-Mutterloge China hg. v. G. Knak. Berlin 1863, nach dem „Zu den drei Weltkugeln“. – Mit freundlicher Titelblatt. (Ex. in SBB PK, Sign.: Au 11985 – Genehmigung der GNML. • Abb. 42 AufMit freund­licher Genehmigung). • Abb. 34 nahme des Markgrafen Friedrich von BranPorträt Friedrich Otto v. Diericke. Nach: Kurt denburg-Bayreuth in den Freimaurerbund v. Priesdorff: Soldatisches Führertum. Bd. 3, durch Friedrich II. 1740 in Schloss RheinsTeil 5: Die Preußischen Generale von 1798 bis berg. Illustration aus dem 19. Jh. nach der zum Zusammenbruch Preußens 1806. Ham- Zeichnung von Georg Wilhelm Hoffmann burg [1937], S. 77. (Ex. in SBB PK, Sign. Yn (1751–1797). – Mit freundlicher Genehmi480-3 – Mit freundlicher Genehmigung). • gung der Großen National-Mutterloge „Zu Abb. 35  Porträt Friedrich Leopold v. Kirch- den drei Weltkugeln“. • Abb. 43  Das Haus eisen, preußischer Justizminister von 1810– der Loge Aux trois Globes in der Brüderstraße 1825. Nach: Gürtner, Franz (Hg.): 200 Jahre (Hotel Stadt Paris), Zeichnung von Dietrich Dienst am Recht. Gedenkschrift aus Anlaß des Kehlenbrink 1989 nach einer älteren Vorlage. 200jährigen Gründungstages des Preußischen Mit freundlicher Genehmigung der Großen Justizministeriums. Berlin 1938, S. 82. (Ex. in National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“. SBB PK, Sign. 4”Gs 214). • Abb. 36 Jo- • Abb. 44  Das älteste bekannte Siegel der hann David Schleuen: Lutherisch-Reformirte Loge Aux trois Globes von 1743, NachzeichBöhmische Kirche auf der Friedrichstadt, Beth- nung von Inge Behne. Mit freundlicher Genehlehem genant. erbauet Anno 1737. Kupferstich migung der Großen National-Mutterloge „Zu 1757. Privatsammlung. • Abb. 37  Die von den drei Weltkugeln“. • Abb. 45  Das erste Johann Hinrich Schmelen gegründete Missi- Protokollbuch der Loge Aux trois Globes, Groonsstation Bethanien in der Kapkolonie (Süd- ße National-Mutterloge „Zu den drei Weltkuafrika). Archiv- und Museumsstiftung der geln“, 13. September 1740. Mit freundlicher VEM, Archivnummer: 913-371. – Mit freund- Genehmigung der Großen National-Mutterloge licher Genehmigung. • Abb. 38  Ein Missi- „Zu den drei Weltkugeln“. • Abb. 46 Ge994

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drucktes Einladungsformular der Loge De la der Großen National-Mutterloge „Zu den drei Concorde (1764). Nach: Marcel Valmy: Die Weltkugeln“. • Abb. 56  Große NationalFreimaurer. Arbeit am Rauhen Stein. Mit Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“, EinHammer, Zirkel und Winkelmaß. München gangsportal des Logenlokals in der Splitgerber1988, Abb. 159, S. 155. • Abb. 47  Siegel der gasse 3. – Mit freundlicher Genehmigung der Großen National-Mutterloge „Zu den drey Welt- Großen National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“, 1740. – Mit freundlicher Genehmi- kugeln“. • Abb. 57  Große National-Muttergung der Großen National-Mutterloge „Zu den loge „Zu den drei Weltkugeln“, Situation des drei Weltkugeln“. • Abb. 48  Abzeichen der Logengrundstücks Splitgerbergasse 3 im Jahre Tochterloge Zur Eintracht, Berlin, seit etwa 1800. – Mit freundlicher Genehmigung der 1795 (Vorderseite). – Mit freundlicher Geneh- Großen National-Mutterloge „Zu den drei Weltmigung der Großen National-Mutterloge „Zu kugeln“. • Abb. 58  Zertifikat der Großen den drei Weltkugeln“. • Abb. 49 Abzeichen National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ der Tochterloge Zum flammenden Stern, Ber- für Karl v. La Roche, 16. Februar 1786. GStA lin, vermutlich seit Gründung 1770 (Vorder- PK, Freimaurer, 5.2. S 60 Nr. 12. – Mit seite). – Mit freundlicher Genehmigung der freundlicher Genehmigung der Großen NatioGroßen National-Mutterloge „Zu den drei Welt- nal-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“. • kugeln“. • Abb. 50  Abzeichen der Tochter- Abb. 59  Siegel der Großloge Royal York, loge Zu den drei Seraphim, Berlin, seit etwa 1800. Titelvignette zu: Grundvertrag der 1795 (Vorderseite). – Mit freundlicher Geneh- Grossen Freymaurer-Loge Royale York zur migung der Großen National-Mutterloge „Zu Freundschaft oder des unter Constitution und den drei Weltkugeln“. • Abb. 51 Abzeichen zu dem Systeme der Grossen Mutterloge der Tochterloge Zur Verschwiegenheit, Berlin, R[oyal] Y[ork] z[ur] F[reundschaft] vereinigseit etwa 1810 (Vorderseite). – Mit freundli- ten Logenbundes. Zweyte, durchaus revidierte cher Genehmigung der Großen National-Mut- Auflage. Berlin 1800. (Ex. aus dem Besitz der terloge „Zu den drei Weltkugeln“. • Abb. 52 GNML. – Mit freundlicher Genehmigung der Confirmations-Patent und Protectorium für Großen National-Mutterloge „Zu den drei Weltdie Freymaurer-Mutter-Loge zu den drey kugeln“). • Abb. 60  Porträt Ignaz Aurelius Weltkugeln, 9. Februar 1796. – Mit freundli- Feßler. 1805. Titelkupfer aus: Fessler’s sämmtcher Genehmigung der Großen National-Mut- liche Schriften über Freymaurerey. Zweyte terloge „Zu den drei Weltkugeln“. • Abb. 53 verbesserte und mit einem Anhange versehene Porträt Herzog Friedrich August zu Braun- Auflage. Freyberg 1805 (Fessler’s sämmtliche schweig, National-Großmeister der GNML. Schriften über Freymaurerey 1). (Ex. in SBB Nach: Runkel, Ferdinand: Geschichte der PK, Sign.: NB 7296-1 – Mit freundlicher GeFreimaurerei in Deutschland, Bd. II, Berlin nehmigung). • Abb. 61  Porträt Ernst Ferdi1932, nach S. 32. • Abb. 54  Abzeichen der nand Klein. Nach: Runkel, Ferdinand: GeGroßen National-Mutterloge zu den drei Welt- schichte der Freimaurerei in Deutschland, kugeln, Berlin, mit Amtszeichen der Mitglie- Bd. II, Berlin 1932, S. 257. (Ex. in SBB PK, der des Bundesdirektoriums; neueres Abzei- Sign.: Xm 1510-2). • Abb. 62–64 Johann chen seit etwa 1799. – Mit freundlicher Ge- Gottfried Schadow: Drei Karikaturen auf Vernehmigung der Großen National-Mutterloge waltung und Geselligkeit der Loge Royal York: „Zu den drei Weltkugeln“. • Abb. 55 Abzei- 62) Logengeheimnisse. Kupferstich von Jochen der Großen National-Mutterloge zu den hann Gottfried Schadow, 1802? © Kupferdrei Weltkugeln, ihrer Tochterlogen und weite- stichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin, Sirer mit diesen in Zusammenhang stehenden gnatur: 641-116. – Mit freundlicher GenehBauhütten. – Mit freundlicher Genehmigung migung. – 63) Das Billardzimmer. Kupferstich 995

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von Johann Gottfried Schadow, 1802. © Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin, Signatur: 640-116. – Mit freundlicher Genehmigung. – 64) Das Gartenfest. Kupferstich von Johann Gottfried Schadow, 1802?. © Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin, Signatur: 642-116. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 65  Palais Kameke, Letzte Straße 24, Logenhaus der Royal York, Straßenfront, 1833. Kupferstich aus: Samuel H. Spiker: Berlin und seine Umgebungen im neunzehnten Jahrhundert. Berlin 1833. – SBB PK, Kartenlesesaal, Signatur: HM 506201. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 66 Gartenfront des Logenhauses Royal York. Kupferstich von Calau, um 1800. – SBB PK, Kartenlesesaal, Signatur: Y 46120. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 67  Das Logengrundstück der Royal York im Jahre 1782 (Plan). Abb. aus: Hans-Albert Koller: Der Schlüterbau der Großen Loge von Preußen genannt zur Freundschaft in Berlin und seine neueren Anbauten. Berlin 1927, S. 7. (Ex. in SBB PK, Sign.: 4“ Nb 4261/40. – Mit freundlicher Genehmigung). • Abb. 68  Daniel Berger: Blankodiplom der Loge Royal York zur Freundschaft ausgestellt am 4. August 1791 für Johann Gottfried Schadow zu seiner Skandinavienreise, 1787. Kupferstich auf Pergament, Blattmaß: 33 x 41 cm. © Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv.-Nr. 2013-7516, Reproduktion: Oliver Ziebe, Berlin. – Mit freund­licher Genehmigung • Abb. 69  Das Ordenshaus der Großen Landesloge in der Oranienburger Straße. Nach: Runkel, Ferdinand: Geschichte der Freimaurerei in Deutschland, Bd. II, Berlin 1932, nach S. 128 (Ex. in SBB PK, Sign.: Xm 1510-2). • Abb. 70  Porträt Johann Wilhelm Kellner v. Zinnendorf. Nach: Runkel, Ferdinand: Geschichte der Freimaurerei in Deutschland, Bd. I, Berlin 1931, S. 139 (Ex. in SBB PK, Sign.: Xm 1510-1). • Abb. 71 Porträt des Landesgroßmeisters Frédéric de Castillon. Nach: Runkel, Ferdinand: Geschichte der Freimaurerei in Deutschland, Bd. II, Berlin 1932, S. 290. (Ex. in SBB PK, Sign.: Xm 996

1510-2). • Abb. 72  Silberpokal des Ordenskapitels der Großen Landesloge. Nach: Valmy, Marcel: Die Freimaurer. Arbeit am Rauhen Stein. Mit Hammer, Zirkel und Winkelmaß. München 1988, Abb. 328, S. 217. (Ex. in SBB PK, Sign.: 1 B 2072). • Abb. 73  Siegel der Großen Landesloge. Abb. aus: Eine in Kupfer gestochene Sammlung von Logensiegeln, von insgesamt mit der grossen Landesloge zu Berlin gegenwärtig vereinigten gesetzmässig arbeitenden Logen. Berlin 1777, 39 (statt 40) Kupferstiche (Stich 35 fehlt), F. C. Krüger del. et sc., S. 96. • Abb. 74  Siegel der Loge Zu den drei goldenen Schlüsseln (Große Landesloge). Abb. aus: Dass., S. 98. • Abb. 75  Siegel der Loge Zum goldenen Schiff (Große Landesloge). Abb. aus: Dass., S. 106. • Abb. 76  Siegel der Loge Zum Pegasus (Le Pegase) (Große Landesloge). Abb. aus: Dass., S. 111. • Abb. 77 Siegel der Loge Zur Beständigkeit (Große Landesloge). Abb. aus: Dass., S. 130. • Abb. 78 Teppich (Tapis) der Theoretischen Brüder der Gold- und Rosenkreuzer. Nach: Runkel, Ferdinand: Geschichte der Freimaurerei in Deutschland, Bd. II, Berlin 1932, nach S. X. (Ex. in SBB PK, Sign.: Xm 1510-2). • Abb. 79 Porträt Johann Christoph v. Woellner. Nach: Runkel, Ferdinand: Geschichte der Freimaurerei in Deutschland, Bd.  I, Berlin 1931, S. 132. (Ex. in SBB PK, Sign.: Xm 1510-1). • Abb. 80  Palais Itzig, Burgstraße 26/27. Fotografie von Albert Schwartz aus dem Jahr 1856, Salzpapier, 17,50 x 22,00 cm. © Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv.-Nr. IV 65/258, Reproduktion: Stiftung Stadtmuseum Berlin. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 81 Henriette Herz. Stahlstich von Albert Teichel nach dem Gemälde von Anton Graff, 1792 (Brustbild nach rechts, ohne Hände). Bildarchiv PK, Nr. 10011819.bpk. • Abb. 82  Brendel Veit (Dorothea Schlegel). Anonyme Bleistiftzeichnung, 1798 (Bruststück im Halbprofil nach links). SBB PK, Handschriftenabteilung, Inv.-Nr.: Portr. Slg/Bildnisschrank/kl. © Bildarchiv PK/SBB. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 83  Gedicht von Karl Wil-

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helm Ferdinand Solger, o. O., o. D, verzeichnet als „an den Freitag“, um 1801/02. Stiftung Weimarer Klassik, GSA 1/179, Bl. 1. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 84 Brief Adelbert von Chamissos an Louis de La Foye vom 26. Juni 1804 (Auszug). SBB PK, Handschriftenabteilung, Sign.: Nachl. Chamisso 239 (Louis de La Foye), Bl. 6. – Mit freund­ licher Genehmigung. • Abb. 85  Siegel des Polarsternbundes auf dem dazugehörigen Briefumschlag. SBB PK, Handschriftenabteilung, Sign.: Nachl. Chamisso 239 (Louis de La Foye), Bl. 6. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 86/87  Einband und Titelblatt des

Musenalmanach auf das Jahr 1805. Herausgegeben von L. A. v. Chamisso und K. A. Varnhagen. Zweiter Jahrgang. Berlin 1805. (Ex. in SBB PK, Sign.: BiBl.  Varnhagen 1874. – Mit freundlicher Genehmigung). • Abb. 88 Dr. Julius Eduard Hitzig, Brustbild mit Rotem Adlerorden IV. Klasse. Lithographie von Meyer (1837) nach einer Zeichnung von Franz Krüger (1825). Blattmaß: 46,00 x 31,50 cm mit Passepartout. © Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv.Nr.: VII 63/437w. Reproduktion: Stiftung Stadtmuseum Berlin. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 89  Porträt von E. T. A. Hoffmann. Kupferstich von Johann Nepomuk Passini nach einer Zeichnung von Wilhelm Hensel, 1821. Bildagentur PK, Nr. 10020617; Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 236-1885. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 90  Porträt Clemens Brentano von Wilhelm Hensel, 1817 (Brentano als Vorleser seiner Werke), Bleistiftzeichnung. © Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 9/17. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 91  Gustav Taubert: Sitzung des Berlinischen Künstler-Vereins im Englischen Haus, 1830, Feder- und Tuschezeichnung, Papier auf Karton, Darstellungsmaß: 42,00 x 56,80 cm. © Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv.Nr.: GHZ 95/60,80. Reproduktion: Stiftung Stadtmuseum Berlin. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 92  Johann Gottfried Schadow: (Berlinischer Künst-

lerverein) Entwurf für ein Vereins-Diplom, Zeichnung 1817. Foto nach einem verschollenen Original, Staatliche Museen zu Berlin PK, Kunstbibliothek. – Mit freundlicher Genehmigung. (Der verschollene Entwurf von 1817 und Schadows hierin enthaltene Erläuterungen zur Vereinsgründung, in: Katalog, 1983, Nr. 168, S. 173 und in: Sibylle BadstübnerGröger, Claudia Czok, Jutta von Simson: Johann Gottfried Schadow, Die Zeichnungen, 3 Bände, Berlin 2006, Bd. 2, Nr. 1114, S. 431– 432). • Abb. 93  Johann Gottfried Schadow: Der alte Maler, Zinkdruck 1832 (Blatt zu Gunsten der Unterstützungskasse des Berlinischen Künstlervereins). © Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 651-116. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 94 Emblem der Sing-Akademie. Foto: © Rosa Frank – Mit freundlicher Genehmigung der Sing-Akademie Berlin. • Abb. 95 Carl Friedrich Christian Fasch, Gemälde von Anton Graff, Berlin, nach 1790, Öl auf Leinwand, 52 x 42 cm. Besitz der Sing-Akademie Berlin. • Abb. 96  Das Haus der Sing-Akademie am Festungsgraben, Entwurf von Karl Friedrich Schinkel 1821, nicht ausgeführt; Hauptansicht und Längsschnitt nach Schinkels Zeichnung gestochen von Johann Gottfried Schadow, Stich auf Papier, 41,8 x 53,3 cm. – Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek, Inv. Nr. SAE 1858,022. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 97  Ansicht des von Carl Theodor Ottmer erbauten, 1827 eingeweihten Gebäudes der Sing-Akademie Am Festungsgraben. Ölgemälde von Eduard Gärtner, 1843. Privatbesitz. • Abb. 98  Handschriftliche Mitgliederliste der Sing-Akademie von Carl Friedrich Fasch, 1791. Aus: Schünemann, Georg: Die SingAkademie zu Berlin 1791–1941. Regensburg 1941, nach S. 20 f. • Abb. 99  Karl Friedrich Zelter, Ölgemälde von Carl Joseph Begas (1827). Sing-Akademie zu Berlin, ohne Signatur. – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 100  Karl Friedrich Zelter: Entwurf einer Sitzordnung für die zweite Versammlung 997

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der Liedertafel am 6. Juni 1809. Archiv der präsidium Berlin A, Nr. 444, Bl. 75r. – Mit Stiftung Dokumentations- und Forschungs- freundlicher Genehmigung. • Abb. 109 Bilzentrum des Deutschen Chorwesens Feucht- let der Privattheatergesellschaft zur Harmonie wangen, Signatur A 26. • Abb. 101 Der mit dem Aufdruck „Concert“. BLHA PotsFlemming-Pokal der Zelterschen Liedertafel. dam, Rep. 30 Polizeidirektorium/-präsidium Heliogravüre der Zeichnung von Karl Fried- Berlin A, Nr. 444, Bl. 162r. – Mit freundlicher rich Schinkel, ca. 1813 (Original verschollen). Genehmigung. • Abb. 110  Erteilung der Aus: Die Geschichte der Zelterschen Liederta- Spielerlaubnis für die Privattheatergesellschaft fel von 1808–1909 dargestellt nach den Tafel- zur Concordia durch den französischen Stadtakten von Hermann Kuhlo. Berlin 1909, nach kommandanten Hulin, 23. Juni 1807. BLHA S. 70. • Abb. 102  Heinrich Gentz: Ent- Potsdam, Rep. 30 Polizei­ direktorium/wurfszeichnung zu einer Kaufmanns-Börse. präsidium Berlin A, Nr. 445, Bl. [2]. – Mit © Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu freundlicher Genehmigung. • Abb. 111/112 Berlin, SZ Heinrich Gentz 3. – Mit freundli- Platzmarke für die Privatthea­tergesellschaft zur cher Genehmigung. • Abb. 103 Friedrich Concordia, Vorder- und Rückseite. BLHA Gilly: Entwurfszeichnung zu einer Börse. Staat- Potsdam, Rep. 30 Polizeid­ irektorium/liche Museen zu Berlin PK, Kunstbibliothek, präsidium Berlin A, Nr. 445, Bl. 122r und v. – Hdz 5116, Nachlass von Alten. – Mit freundli- Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 113 cher Genehmigung. • Abb. 104 Theater- Erteilung der Spielerlaubnis für das Privattheazettel der Privattheatergesellschaft Urania vom ter zur Concordia durch das Kgl. Polizei-Direk19. Januar 1800. Institut für Theaterwissen- torium, 11. Februar 1811. BLHA Potsdam, schaft der Freien Universität Berlin, Theater- Rep. 30 Polizei­direktorium/-präsi­dium Berlin A, historische Sammlung Walter Unruh, Urania- Nr. 445, Bl. 192r. – Mit freundlicher GenehAkten. – Mit freundlicher Genehmigung. • migung. • Abb. 114  Anzeige der PrivattheAbb. 105  Aktie der Privattheatergesellschaft atergesellschaft zur Concordia an das Kgl. PoliUrania vom 16. März 1835. Institut für Thea­ zei-Direktorium über eine geplante Auffühterwissenschaft der Freien Universität Berlin, rung von „Hamlet“, 23. Januar 1810. BLHA Theaterhistorische Sammlung Walter Unruh, Potsdam, Rep. 30 Polizei­ direktorium/Urania-Akten. – Mit freund­licher Genehmi- präsidium Berlin A, Nr. 445, Bl. 117r. – Mit gung. • Abb. 106  Mitgliederverzeichnis der freundlicher Genehmigung. • Abb. 115 GusPrivattheatergesellschaft Minerva („Verzeichnis tav Taubert: Im Berliner Lese­cafe: „Alles liest Derer an der Liebhaber-Comedie in der Wil- alles“, 1832, Öl auf Lwd., Gemäldemaß: 38,50 helm-Straße im Lindnerschen Hause theilha- x 38,50 cm. © Stiftung Stadtmuseum Berlin, benden Mittglieder“). BLHA Potsdam, Rep. 30 Inv.Nr.: GEM 70/22. Reproduktion: Stiftung Polizeidirektorium/-präsidium Berlin A Nr. 443, Stadtmuseum Berlin. – Mit freundlicher GeBl. 8r. – Mit freundlicher Genehmigung. • nehmigung. • Abb. 116  Ludwig Burger Abb. 107 Privattheatergesellschaft Minerva: (1825–1884): Holzstich, 1864, signiert mit: „ F. Erlaubnisschein für Carl Heinrich August Blu- A. Brockhaus X. A.“ (= Xylografische Anstalt me zur Teilnahme am Privattheater, 4. Novem- von Friedrich Arnold Brockhaus), unten beber 1801. BLHA Potsdam, Rep. 30 Polizei­ schriftet: „Fichte. Schleiermacher. Jahn. direktorium/-präsidium Berlin A Nr. 443, Bl. Arndt.“ Blatt 26,5 x 18 cm. Friedrich-Ludwig80r. – Mit freundlicher Genehmigung. • Jahn-Museum Freyburg (Un­ strut). – Mit Abb. 108  Anzeige von zwei Aufführungen freundlicher Genehmigung. • Abb. 117 Dedurch die Privattheatergesellschaft zur Harmonie chiffriertes Schriftstück eines französischen beim Polizei-Direktorium, 15. August 1802. Gesandten über die gefährlichen Umtriebe des BLHA Potsdam, Rep. 30 Poli­zeidirektorium/- Tugendbunds aus Justus v. Gruners Depeschen998

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sammlung. Bildquelle: Ursula Veit: Justus Lehrbuch der von Friedrich Ludwig Jahn unGruner der Schöpfer des Berliner Polizeipräsi- ter dem Namen der Turnkunst wiedererweckdiums und der Geheimen Preußischen Staats- ten Gymnastik. Mit Kupfertafeln, darstellend polizei. Phil. Diss. Rostock 1937, S. 46. (Ex. die Geräthe, Gerüste und Uebungen auf dem in SBB PK, Sign.: Diss. 1937/9193). • Turnplatz in der Hasenhaide bei Berlin. Zur Abb. 118  Bildnis Georg Andreas Reimer allgemeinen Verbreitung jugendlicher Leibesvon Gottlob Berger, Öl auf Leinwand. © Ver- übungen herausgegeben von Bornemann. lag Walter de Gruyter. – Mit freundlicher Ge- Berlin 1814, Anhang Tafel A. (Ex. in SBB PK, nehmigung. • Abb. 119  E. Barth: Der Sign.: Nf 6760 – Mit freundlicher GenehmiSchützenplatz. Kupferstich. © Staatliche Muse- gung). • Abb. 127  Plan einer Volkstracht. en zu Berlin PK, Kupferstichkabinett, Inv. 113- Ehrenkleid deutscher Frauen-Vereine, um 144. – Mit freundlicher Genehmigung. • 1813. Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, Abb. 120  Porträt Friedrich Friesen (1784– Nach­ lass Prinzessin Marianne v. Preußen 1814), gez. v. Adolf Schmidt 1803, Druckgra- „Fisch­bacher-Archiv“, D 22 Nr. 25/8. – Mit phik nach einer Lithographie von Georg Lud- freundlicher Genehmigung. • Abb. 128 Carl wig Engelbach, 24 x 20 cm. Friedrich-Ludwig- Müchler: An die Töchter des Vaterlandes (GeJahn-Museum, Freyburg (Unstrut), Signatur: V dicht). Druck in: Berlinische Nachrichten von 1907 K. – Mit freundlicher Genehmigung. • Staats- und gelehrten Sachen (Haude und SpeAbb. 121 Mitgliederliste des Fechtvereins nersche Ztg.), Nr. 43 v. 10. April 1813. • (1820). LA Berlin, Apr.Br.Rep. 030 Nr. 19601, Abb. 129  Großfolio-Band des Ersten FrauenBl. 102. – Mit freundlicher Genehmigung. • vereins für Prinzessin Marianne von Preußen, Abb. 122  Justus v. Gruners Entwürfe für eine Einband (das Buch gilt als verschollen). Abb. aus: Geheimschrift, ca. 1812. GStA PK, I. HA Rep. Seidel, Paul: Eine Erinnerung an den ersten 77 Ministerium des Innern, Tit. 527, Nr. 4, Frauen-Verein 1813. In: Hohenzollern-JahrBl. 49. – Mit freundlicher Genehmigung. • buch. Forschungen und Abbildungen zur GeAbb. 123  Porträt Friedrich Ludwig Jahn, Li- schichte der Hohenzollern in Brandenburgthographie 1848 nach dem Aquarell von Ge- Preußen. Hg. v. Paul Seidel. Berlin, Leipzig, 18. org Cornicelius (1825–1898), Ganzfigur, en Jg. 1914, S. 236. (Ex. in SBB PK, Sign.: HA 7 face, unten beschriftet: Nach der Natur gem. Gc 1020 – Mit freundlicher Genehmigung). • vG Cornicelius / Gedr v Ed Gust May in Abb. 130  Quittung des Weiblichen WohlthäFrankfurt a M / Auf Stein gez. v. V[alentin] tigkeitsvereins über 300 Reichstaler, die der Schertle 1848 / Eigenthum des Herausgebers König zur Einrichtung einer Handarbeitsschu[Schriftfacsim=] Friedrich Ludwig Jahn / Die le zur Verfügung gestellt hatte, 1. März 1816. Nachwelt setzt jeden in sein Ehrenrecht, denn GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabi/ der Geschichte Endurtel verjährt nicht, und nett; Nr. 12700, Bl. 25. – Mit freundlicher brachte / noch allemahl für verfolgte Tugend Genehmigung. • Abb. 131  Das Universiden Freispruch. Blatt 23,8 x 16 cm, Bild 14 x tätsgebäude in Berlin, Stahlstich von J[oseph] 6 cm. Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum Frey- M[aximilian] Kolb. Nach: Robert Springer: burg (Unstrut), Inv. Nr. V-0018 K-2 | FV 30 Berlin. Die deutsche Kaiserstadt nebst Potsdam | CD Archiv-16.1. – Mit freundlicher Geneh- und Charlottenburg in photographisch treuen migung. • Abb. 124  Der Turnplatz in der Stahlstichen. Mit historisch topographischem Hasenheide, Kupferstich, 1811. Friedrich-Lud- Text von Robert Springer. Darmstadt 1876. wig-Jahn-Museum Freyburg (Un­strut). – Mit Reprint der Orig.-Ausg. Leipzig: Zentralantifreundlicher Genehmigung. • Abb. 125/126 quariat der DDR, 1988, nach S. 228. (Ex. in Turngeräte und Turnübungen in der Hasenhei- SBB PK, Sign.: 44 MA 5069. – Mit freund­ de, nach: Bornemann, Johann Jakob Wilhelm: licher Genehmigung). • Abb. 132 Wappen 999

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des Corps Marchia (Märkerwappen). Mit und Berichte, Bd. 31, 1991, S. 160, Abb. 1. – freundlicher Genehmigung des Corps Marchia, Mit freundlicher Genehmigung von Harry Berlin. • Abb. 133  Stammbuchblatt von Nehls. • Abb. 141  Friedrich Philipp RoAugust Hermann Klaatsch: Märkische Studen- senstiel. Büste von Johann Gottfried Schadow, ten aus Frankfurt an der Oder und Berlin, Ber- 1819, Gips, modern gelb getönt, h. 0,63 cm, lin 1811. Archiv des Corps Marchia. – Mit aus: Hans Mackowsky: Die Bildwerke Gottfreundlicher Genehmigung. • Abb. 134 Tas- fried Schadows. Berlin 1951, S. 227, Abb. 185 se eines Corps-Mitglieds der Marchia. Archiv (Denkmäler deutscher Kunst, 30). Dort als Bedes Corps Marchia. – Mit freundlicher Geneh- sitzer genannt: Frau Pfarrer Bayrhoffer, Berlin; migung. • Abb. 135  Karl v. Wangenheims Weiteres nicht bekannt. • Abb. 142 Auszug Gründungsaufruf der Berliner Burschenschaft, aus dem Protokollbuch der Gesetzlosen GesellOstern 1818. Bundesarchiv Koblenz, Archiv schaft (Nr. 2), Protokollband 1809–1820, Einund Bücherei der Deutschen Burschenschaft trag vom 31. März 1810. Im Besitz der Gesetzund der Gesellschaft für burschenschaftliche Ge- losen Gesellschaft. – Mit freundlicher Genehschichtsforschung e. V., DB 9, B. I. 1. d., K11/ migung der Gesetzlosen Gesellschaft, Herr 208. – Mit freundlicher Genehmigung. • Herbert Voß. • Abb. 143  Bildnis Philipp Abb. 136  Berliner Burschenschaft, Unter­schrif­ Karl Buttmann. Kupferstich von Löwe, 1808. • tenliste des Wintersemesters 1818/19. Bundes- Abb. 144  Josef Friedrich August Darbes: archiv Koblenz, Archiv und Bücherei der Deut- Bildnis Daniel Itzig (1723–1799), 1787, Pastell, schen Burschenschaft und der Gesellschaft für Papier, Blattmaß: 60,60 x 46,60 cm. © Stifburschenschaftliche Ge­ schichtsforschung e.  V., tung Stadtmuseum Berlin, Inv.Nr.: VII 59/455x. DB 9, B. I. 1. d, K5/86 (dabei: Liste der Berli- Reproduktion: Stiftung Stadtmuseum Berlin. – ner Burschenschaft, 1818). – Mit freundlicher Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 145 Genehmigung. • Abb. 137  Wappen der Ar- Bildnis Isaac Daniel Itzig (1750–1806), Kupminia. Nach: 150 Jahre Berliner Burschen- ferstich von Daniel Berger nach Anton Graff, schaft 1818–1968. Festschrift der Berliner 1788. © Kupferstichkabinett. Staatliche MuseBurschenschaft Arminia. Werden, Wirken, en zu Berlin, Inv. 923-40. – Mit freundlicher Wollen. Berlin 1968, auf dem Titelblatt. • Genehmigung. • Abb. 146  Bildnis David Abb. 138  Pfeife der Arminia mit Inschrift auf Friedländer, Kupferstich von Daniel Berger dem Pfeifenkopf. Aus: Wendland, August: Ein nach Anton Graff, 1789. © KupferstichkabiPfeifenkopf der alten Arminia. In: Burschen- nett. Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 847-40. schaftliche Blätter, 19. Sommer Semester 1905, – Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 147 S. 252. (Ex. in SBB PK, Sign.: 4“ Ay 288). • Bildnis Lazarus Bendavid. Kupferstich, in: M. Abb. 139  Rundschreiben zum Beschluss des S. Lowe: Bildnisse jetztlebender Berliner GeRektors und des Senats der Berliner Universi- lehrten mit ihren Selbstbiographieen. Zweite tät über die Relegation von 32 Mitgliedern Sammlung. Berlin 1806. (Ex. in SBB PK, der Arminia, 30. Mai 1822. GStA PK, I. HA Sign.: At 1842 – Mit freundlicher GenehmiRep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 13, gung). • Abb. 148  Von Sterben und beNr. 18, Bl. 27. – Mit freundlicher Genehmi- trauern der Juden. Aus: Paul Christian Kirchgung. • Abb. 140  Porträt Heinrich Menu ner, Jüdisches Ceremoniel, Kupferstich. © Jüvon Minutoli. Gemälde von Paul Ernst Ge- disches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe. Mit bauer, 1823 (ehem. Schloss Königsberg, wahr- freundlicher Genehmigung der Stiftung Jüdischeinlich Kriegsverlust). Reproduktion nach sches Museum Berlin. • Abb. 149 Emblem Nehls, Harry: Der Alterfumsforscher Nicolaus der Chevrat Chinuch Ne’arim. Ausschnitt aus Johann Heinrich Benjamin Freiherr Menu David Friedländers Lesebuch für jüdische Kinder, von Minutoli (1772–1846). In: Forschungen Berlin 1779. (Ex. in SBB PK, Mikrofiche1000

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Ausg., Haus Unter den Linden, HA 5 Sp telblatt von Michtav Marpe Nefesch, 1794. 2000-MF, 13845 – Mit freundlicher Geneh- Bibliotheca Rosenthaliana, Special Collecmigung). • Abb. 150  Nachricht von dem tions of the University of Amsterdam, OTM: gegenwärtigen Zustande der jüdischen Frei- RON A-1957 (2), Mikhtav marpe’ nefesh. – schule in Berlin. […] Berlin 1803, Titelblatt. Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 161 GStA PK, I. HA Rep. 76 alt Ältere Kul- Isaac Satanow: Mischlej Asaf (2. Teil). Berlin tusoberbehörden, Abt. I, No. 540, Bl. 3. – Mit 1792, Titelblatt. Gidal-Bildarchiv des Salomon freundlicher Genehmigung. • Abb. 151 Mo- Ludwig Steinheim-Instituts, Essen, Haskalases Mendelssohn. Marmorbüste von Jean Pierre Bibliothek. – Mit freundlicher Genehmigung. Antoine Tassaert, 1785. Gidal-Bildarchiv des • Abb. 162  Dank-Urkunde von Ohel JeschaSalomon Ludwig Steinheim-Instituts, Essen. – rim für G. Salinger (*1809) als Wohltäter der Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 152 Anstalt vom 31.12.1858. © Jüdisches Museum Moses Mendelssohn. Kupferstich von Johann Berlin, Inv.-Nr. DOK 89/2/258, Foto: Jens Gotthard von Müller, 1787. © Kupferstichka- Ziehe. Mit freundlicher Genehmigung der binett. Staatliche Museen zu Berlin, Inv. 636- Stiftung Jüdisches Museum Berlin. • Abb. 163 121. – Mit freundlicher Genehmigung. • HaMeasef 5569 (1808/09), hg. von der Chev­ Abb. 153  Chavurat Mazdiqej haRabim, Ti- rat Ohavej Laschon Ivrit, Titelblatt. Gidal-Bildtelblatt der Statuten Pinqas uChetav haDat. archiv des Salomon Ludwig Steinheim-InstiBerlin 1785. National Library of Israel (JNUL), tuts Essen, Haskala-Sammlung. – Mit freundJerusalem, Sign.: S 56 A 2188. – Mit freundli- licher Genehmigung. • Abb. 164 Porträt cher Genehmigung. • Abb. 154 Naphtali Salomon Jacob Cohen. Titelkupfer zu SchaHerz Wessely: Rechovut. Berlin 1785, Titel- lom Hacohen: Nir David. Wien 1834. Gidalblatt. Salomon Ludwig Steinheim-Institut, Es- Bildarchiv des Salomon Ludwig Steinheimsen. Haskala-Bibliothek. – Mit freundlicher Instituts Essen, Haskala-Sammlung. – Mit Genehmigung. • Abb. 155  Titelblatt von freundlicher Genehmigung. • Abb. 165 EmHaMeasef (Der Sammler) IV (1787/88), hg. blem des Brüdervereins aus dem Jahr 1918. von der Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija. Bildquelle: Neue Satzung des jüdischen BrüGidal-Bildarchiv des Salomon Ludwig Stein- der-Vereins zu gegenseitiger Unterstützung zu heim-Instituts, Essen, Haskala-Bibliothek. – Berlin. Berlin 1937, Titelblatt. • Abb. 166 Mit freundlicher Genehmigung. • Abb. 156 Gedicht „Die Holz-Armen“, gedruckt vor eiIsaac Euchel: Mischlej. Berlin 1790, Titelblatt. nem Spendenaufruf der Gesellschaft deutscher Gidal-Bildarchiv des Salomon Ludwig Stein- Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in heim-Instituts, Essen, Haskala-Bibliothek. Mit Berlin mit Brennholz, in: Haude- und Spenerfreundlicher Genehmigung. • Abb. 157 Joel sche Ztg. Nr. 2, v. 5. Januar 1809. • Abb. 167 Bril Löwe: Sefer Semirot Yisrael. Berlin 1790, Herzog Leopold von Braunschweig geht seiTitelblatt. Gidal-Bildarchiv des Salomon Lud- nem Tod in der Oder entgegen, Radierung wig Steinheim-Instituts, Essen, Haskala-Bib- von Daniel Chodowiecki, 21,3 x 22,4 cm, liothek. Mit freundlicher Genehmigung. • 1785 (Wilhelm Engelmann: Daniel ChodoAbb. 158  Emblem der Gesellschaft der Freun­ wiecki, Das druckgraphische Werk, Nr. 1173). de. © Sebastian Panwitz, Berlin. • Abb. 159 © Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Gesellschaft der Freunde: Plan zu einer mit Kö- Berlin, Inv. 853,208-1888. – Mit freundlicher niglicher Allerhöchster Bewilligung allhier zu Genehmigung. • Abb. 168  Hermann Sche­ errichtenden Leichen- und Rettungsanstalt. renberg: Eine Berliner Volksküche, 1868, Berlin 1798, Beilage. – Natio­nal- und Universi- Zeichnung. Bildquelle: Illustrirte Zeitung, tätsbibliothek Jerusalem: S  63 B 3986. – Mit Bd. 51 (1868) (Ex. in SBB PK, Sign.: 2“@ freundlicher Genehmigung. • Abb. 160 Ti- Ac7169). • Abb. 169  Johann David Schleu1001

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en: Ansicht des Grossen Friedrichs-Hospitals- Königin-Luise-Stiftung, Podbiels­ki­­allee 78, Blick u. Waisenhauses nebst dem Anno 1727 erbau- in den Archivraum. Foto: Klaus-Dieter Erler. – ten Thurm, Kupferstich 1757. Privatsammlung. Mit freundlicher Genehmigung der Königin• Abb. 170  Porträt Hans Ernst v. Kottwitz, Luise-Stiftung. • Abb. 174  Brief Wilhelm v. aus: Martin Hennig: Der alte Kottwitz. Berlin Humboldts an die Königin-Luise-Stiftung, Wien, 1910, S. 7 (Für Feste und Freunde der Innern 4. Januar 1812. Archiv der Königin-Luise-StifMission, 31). (Ex. in SBB PK, Sign.: Cv tung, Foto: Klaus-Dieter Erler. – Mit freundli35492-31/40 – Mit freundlicher Genehmi- cher Genehmigung der Königin-Luise-Stiftung. gung). • Abb. 171  Aktenvermerk über den • Abb. 175  Friedrich August Calau / Chris­ Antrag der Prinzl. Leibwäscherin Stephani zur tian Peter Jonas Haas: Der Schützenplatz, um kostenlosen Aufnahme ihrer beiden Söhne in 1793. Kupferstich, Darstellungsmaß: 33,50 x das Luisenstift, Berlin, 7. März 1811. GStA PK, 45,50 cm. © Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. I. HA Rep. 77 B Ministerium des Innern, Nr.: VII 61/801 a-d W. Reproduktion: Stiftung Volkswohlfahrt, Nr. 509. – Mit freundlicher Stadtmuseum Berlin. – Mit freundlicher GeGenehmigung. • Abb. 172  Das Haus der nehmigung. • Abb. 176  Auszug aus den Königin-Luise-Stiftung in Berlin-Dahlem (ab Mitgliederlisten des Schützen-Corps vom Jahr Ostern 1907). Fotografie im Archiv der Köni- 1811 mit Verzeichnung der Ehrenmitglieder. gin-Luise-Stiftung. – Mit freundlicher Geneh- Im Besitz der Berliner Schützengesellschaft. – Mit migung der Königin-Luise-Stiftung. • Abb. 173 freund­licher Genehmigung.

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Beiträger

Baillot, Anne, Dr. phil., geb. 1976, Studium der Germanistik und der Philosophie an der École Normale Supérieure (Paris), Promotion 2002 zu Karl Wilhelm Ferdinand Solger, 2003–2005 als Post-Doktorandin in Berlin und Potsdam tätig, seit 2005 im Rahmen des Emmy Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit einem Projekt zu „Berliner Intellektuellen 1800–1830“ gefördert, seit 2010 als Nachwuchsgruppenleiterin am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin.

Böhme, Katrin, Dr. phil., geb. 1969, 1991– 1997 Studium der Wissenschaftsgeschichte, Geschichte und Biologie in Berlin, Promotion 2004, 1985–1991 zool. Präparatorin am Museum für Naturkunde Berlin, 1998–2000 Tätigkeit in der Historischen Arbeitsstelle des Museums für Naturkunde Berlin (Erschließung des GNF-Archivs), seit 2000 Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Staatsbibliothek zu Berlin, hier Betreuung des Altbestandes bzw. der Sondersammlungen zu Naturwissenschaften und Medizin.

Becker, Denny, M.A., geb. 1978, Ausbildung zum Bürokaufmann, 2004–2011 Studium der Neueren/Neuesten Geschichte, Soziologie und Mittelalterlichen Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin, 2009– 2011 Werkverträge bzw. studentische Hilfskraft am Editionsprojekt Klosterbeschreibung Berau (Ignaz Gumpp 1754), an der Historischen Dokumentation Berliner Luisenstift 1807–2010 (Zeitreisen), am Editionsprojekt „Preußen als Kulturstaat“ (BBAW), am Editionsprojekt „Berliner Intellektuelle 1800– 1830“ (Institut für Literaturwissenschaften, Humboldt-Universität Berlin), 2011–2014 Doktorand am Lehrstuhl Geschichte Preußens der Humboldt-Universität Berlin, Dissertation: „Preußisches Militärversorgungswesen und ländliche Gesellschaften. Soldatenfamilien auf dem Land 1740–1806“, seit 2014 Projektmitarbeiter „Friedrich Wilhelm I. digital“ im GStA PK. – Forschungsschwerpunkt: Frühe Neuzeit (Brandenburg-Preußische Landesgeschichte, Ländliche und städtische Gesellschaften Preußens).

Bollé, Michael, Prof. Dr. phil., geb. 1949, 1971–1975 Studium an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und 1977–1984 Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Bibliothekswissenschaften an der Freien Universität Berlin, 1989 Promotion („Heinrich Gentz, 1766–1811, Eine Untersuchung zur Architekturdiskussion in Berlin um 1800“), 1989–1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Bau- und Kunstgeschichte an der Hochschule der Künste Berlin, seit 2005 Professur „Architekturgeschichte/Architektur­ theo­rie“ an der Universität der Künste Berlin (vormals HdK), seit 2009 Dekan der Fakultät Gestaltung der UdK Berlin. – Forschungstion, Frühklassischwerpunkte: Antikenrezep­ zismus, Wissenschaftsbauten.

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Briese, Olaf, Dr. phil. habil., geb. 1963, Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin; Promotion 1994 und Habilitation 2002 im Fach Kulturwissenschaft ebendort, 2002–2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Religionswissenschaft der Freien

Beiträger

Universität Berlin, Vertretungsprofessuren für Kulturwissenschaft und Religionswissenschaft; gegenwärtig Forschungsprojekte, Stipendien, Werkverträge. – Zahlreiche Buch- und Aufsatzveröffentlichungen zur Kultur, Philosophie und Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts mit dem Schwerpunkt „Vormärz“, aktuelles Forschungsprojekt: Anarchismus in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert. Busch, Anna, Dr. phil., geb. 1978, Studium der Germanistik, Rechtswissenschaften, Linguistik und Editionswissenschaft in Göttingen, Kapstadt und Berlin, vereidigte Übersetzerin des High Court of South Africa, Promotion 2011 an der Freien Universität Berlin, derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Post-Doc) am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin in der Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe „Berliner Intellektuelle 1800–1830“. – Forschungsschwerpunkte: Literatur um 1800, Brief und Brieftheorie, Nachlasserschließung, Edition, Digital Humanities. Clark, Christopher, Prof. Dr., geb. 1960 in Sydney, Australien, 1979–1991 Studium der Geschichte in Sydney, Berlin und Cambridge, 1991 Promotion am Pembroke College der University of Cambridge, seit 1991 Fellow des St. Catharine’s College und seit 2008 Professor of Modern European History an der University of Cambridge, seit 2010 Fellow der British Academy und der Aus­ tralian Academy of the Humanities; Mitglied der Arbeitsgemeinschaft zur Preußischen Geschichte, der Preußischen Historischen Kommission, des German Historical Institute London und der Otto-von-Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh. – Forschungsschwerpunkte: Geschichte des Pietismus und des Judentums in Preußen, der Kulturkampf in Deutschland und die Kulturkämpfe in Europa sowie das Verhältnis von Religion und modernem Staat (Aufstieg und Niedergang Preußens 1600– 1947, Kaiser Wilhelm II., I. Weltkrieg). 1004

Dilg, Peter, Prof. Dr. rer. nat., geb. 1938, Studium der Pharmazie 1959–1964 in München, Studium der Geschichte der Pharmazie, der Lateinischen Philologie des Mittelalters und der Historischen Hilfswissenschaften 1965–1969 in Marburg, 1969 Promotion in Marburg, 1972–2004 Professor am Institut für Geschichte der Pharmazie der PhilippsUniversität Marburg. – Arbeitsschwerpunkte: Botanik des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Medizinisch-pharmazeutische Literatur des 16. Jahrhunderts, Arzneimittelgeschichte, Pharmazeutische Fachsprache. Mitglied der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie, der Académie Internationale d’Histoire de la Pharmacie. Dollinger, Petra, geb. Wilhelmy, Dr. phil., geb. 1959, Studium der Geschichte, Anglistik und Erziehungswissenschaft in Münster/Westfalen, promovierte 1984–1987 über das Thema „Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1789–1914)“, 1989 Zweites Staatsexamen für das Lehramt der Sekundarstufe I und II. – Lebt als freie Historikerin in Gräfelfing und ist vor allem im Bereich der Geschichte, Kulturgeschichte und Frauenbildung des 17. bis 19. Jahrhunderts tätig, seit 1997 zudem Lehrbeauftragte für Geschichte der Päda­gogik an der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Erler, Klaus-Dieter, geb. 1940, Bankkaufmann a. D. – Privater Interessenschwerpunkt: die Geschichte Preußens, Mitarbeit beim Aufbau des Archivs in der Königin-LuiseStiftung seit 2006. Falk, Rainer, geb. 1972, Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Philosophie und Editionswissenschaft in Tübingen, Berlin und Amsterdam, von 2003 bis 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Gert Mattenklott am Sonderforschungsbereich „Ästhetische Erfahrung im

Beiträger

Zeichen der Entgrenzung der Künste“ an der vertretender Chefredakteur der „Zeitschrift Freien Universität Berlin, seit 2012 Wissen- für Geschichtswissenschaft“, 1976 Promoschaftlicher Mitarbeiter am Theodor-Fonta- tion, 1987–1991 Wissenschaftlicher Mitarne-Archiv in Potsdam, seit 2013 Mitheraus- beiter an der Akademie der Wissenschaften geber der Edition „Friedrich Nicolai. Sämt- der DDR, verantwortlicher Redakteur des liche Werke. Briefe, Dokumente. Kritische „Jahrbuchs für Geschichte des Feudalismus“, Ausgabe mit Kommentar“. – Forschungs- 1994–2008 Mitglied der Wissenschaftlichen schwerpunkte: Friedrich Nicolai und die Kommission zur Erforschung der FreimauBerliner Aufklärung, Brief und Briefedition rerei, Innsbruck/Bayreuth. – Forschungen sowie Typographie. zur Geschichte Berlins (Friedrich Nicolai, Friedrich Ebert) und zur Sozial- und MenFilips, Christian, geb. 1981, 2000–2007 Stu- talgeschichte der Freimaurer in Brandendium der Germanistik und Philosophie an der burg-Preußen 1738–1815. Universität Wien und an der Freien Universität Berlin, Abschluss mit einer Arbeit über Gessinger, Joachim, Prof. Dr. phil. habil., Hölderlins späteste Gedichte, seit 2006 Pro- geb. 1945, Studium von Germanistik, Rogrammleiter der Sing-Akademie zu Berlin, manistik, Publizistik und Informatik an der mehrere Publikationen zur Berliner Musik- Freien Universität und Technischen Univerund Literaturgeschichte (u.  a. die Geschich- sität Berlin (1967–1972), Wissenschaftlicher te der Sing-Akademie zu Berlin, das Schaf- Assistent Universität Hannover und Freie fen von Carl Friedrich Zelter sowie die Ent- Universität Berlin, Lehrstuhlvertretungen an stehung des Phänomens der Kunstreligion in den Universitäten Duisburg, Hamburg und Berlin, exemplarisch nachvollzogen an den Köln, 1993–2010 Professor für „GeschichWerken von Wackenroder und E. T. A. Hoff- te der deutschen Sprache“ an der Universität mann). Lebt als Schriftsteller, Musikdrama- Potsdam, Dissertation „Sprache und Bürgerturg, Übersetzer, Regisseur und Performer in tum“ 1980, Habilitationsschrift „Auge und Ohr. Studien zur Erforschung der Sprache Berlin. am Menschen. 1700–1850“, 1994. – LehrFischer, Axel, Dr. phil., geb. 1964, Studi- und Forschungsschwerpunkte: Historische um der Schulmusik, Kirchenmusik, Germa- Varietätenlinguistik und Sprachgeschichte nistik und Musikwissenschaft in Frankfurt/ des Neuhochdeutschen, Theorie- und WisMain und Hannover, Promotion 2014, ab senschaftsgeschichte der Sprachwissenschaft, 1990 Kirchenmusiker in Hannover, ab 2003 Medien- und Wahrnehmungsgeschichte mit Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sing-Aka- Schwerpunkt Europäische Aufklärung und demie zu Berlin, seit 2009 Wissenschaftlicher 19. Jahrhundert. Mitarbeiter des DFG-Projekts „Quellen zur frühen Geschichte der Sing-Akademie zu Gose, Walther, geb. 1931, Besuch der LateiBerlin“ (Westfälische Wilhelms-Universität nischen Hauptschule der Franckeschen StifMünster), Lehrtätigkeiten an der Hochschu- tungen in Halle, nach 1949 Ausbildung zum le für Musik und Theater Hannover und der Antiquar, Studium der Philosophie, GerUniversität der Künste Berlin. manistik und Kunstgeschichte in Hamburg, Marburg und Göttingen, Beginn der wissenGerlach, Karlheinz, Dr. phil., geb. 1935, schaftlichen Arbeit mit Gründung der Zeit1956–1961 Studium der Geschichte und schrift „Germanistik“, Hochschullehrer im Germanistik an der Humboldt-Universität In- und Ausland. Lebte seit 1978 vorwiegend Berlin, Tätigkeit als Lehrer, 1973–1987 stell- in Trier, gest. im August 2014. 1005

Beiträger

Gramlich, Sybille, Dr. phil., geb. 1955, Studium der Kunstgeschichte und Germanistik an der Freien Universität Berlin und der KarlRup­recht-Universität Heidelberg, 1980 M.A. an der Freien Universität Berlin, Thema: Johann Evangelist Scheffer von Leonhardhoff. Ein Maler des Wiener Nazarenerkreises, 1981– 1983 wissenschaftliches Volontariat am Berlin Museum mit dem Schwerpunkt im Sammlungsbereich Malerei, 1984–1992 freiberuflich für das Berlin Museum und andere Berliner Museen zu verschiedenen Themenbereichen der Berliner Kunstgeschichte, insbesondere der Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts tätig, 1989 Promotion an der Freien Universität Berlin bei Prof. Börsch-Supan zum Thema: Architekturmalerei im 19. Jahrhundert in Deutschland – Künstler, Themen, Käufer in Berlin und München, 1991 Wissenschaftliche Mitarbeiterin zunächst im Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, seit 1992 im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege; in Brandenburg zuständig für die Erfassung und Beurteilung insbesondere für den Denkmalbestand der Stadt Frankfurt (Oder) und des Landkreises Elbe-Elster und verantwortlich für die Fachdatenbank der Bauund Kunstdenkmalpflege.

Häseler, Jens, Dr. phil., Studium an der Humboldt-Universität, Promotion 1991 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 1985–1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR (Forschungsgruppe Französische Aufklärung), 1992–2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt resp. Forschungszentrum Europäische Aufklärung, projektverantwortlich für „Franzosen in Berlin“ und „Umbrüche der République des lettres“, seit 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Romanistik der Universität Potsdam. – Forschungsschwerpunkte: französische Literaturund Ideengeschichte des 18. Jahrhunderts, lateinamerikanische Literatur.

Henzel, Christoph, Prof. Dr. habil., Studium in Berlin, 1990–1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule der Künste Berlin, dort 1993 Promotion, 1996–1998 Dozent für Musikwissenschaft in Potsdam, 1999–2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter des DFG-Projekts „Graun-Werkverzeichnis“ an der Universität Rostock, dort 2001 Habilitation, 2006 Wissenschaftlicher Mitarbeiter des DFG-Projekts „Erschließung des Notenarchivs der SingAkademie zu Berlin“ an der Staatsbibliothek zu Haase, Sven, Dr. phil., geb. 1974, Studium Berlin, 2006–2007 Wissenschaftlicher Mitarder Geschichte, Literaturwissenschaften und beiter an der Freien Universität Berlin, seit 2007 Europäischen Ethnologie an der Humboldt- Prof. für Historische Musikwissenschaft der Universität und der Technischen Universität Hochschule für Musik Würzburg. – Derzeitige Berlin, 2002–2007 Mitarbeiter der AG „Ber- Forschungsschwerpunkte: Oper und Kirchenliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800“ musik in Berlin im 18. Jahrhundert, Geschichte der Berlin-Brandenburgischen Akademie der der Filmmusik, Musikkultur Würzburgs in der Wissenschaften, 2008 Promotion zum Thema 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Berliner Universität und Nationalgedanke 1800–1848. Genese einer politischen Idee“, Holländer, Barbara, geb. 1934, Lehramts2009–2011 Volontariat bei den Staatlichen studium Französisch, Geschichte, Deutsch Museen zu Berlin, seit 2013 dort als Wis- in Tübingen, Staatsexamina 1959 und 1961, senschaftlicher Mitarbeiter tätig. – Themen- Kurator mehrerer wissenschaftlicher Ausstelschwerpunkte: Kultur- und Wissenschaftsge- lungen zum Thema Spiel. schichte des 18.–20. Jahrhunderts, Provenienzforschung, Kulturmanagement, Öffent- Holländer, Hans, Prof. Dr. phil. habil., geb. lichkeitsarbeit und Online-Kommunikation. 1932, Studium der Kunstgeschichte, Archäo1006

Beiträger

logie und Philosophie in Hamburg, Tübin- cher Mitarbeiter des DFG-Projekts „Quellen gen und Freiburg, Promotion 1959, Habi- zur frühen Geschichte der Sing-Akademie litation 1964, apl. Professur in Tübingen bis zu Berlin“ (Westfälische Wilhelms-Universi1971, danach bis 1997 Inhaber des Lehrstuhls tät Münster), Lehrtätigkeit an der Hochschufür Kunstgeschichte an der Rheinisch-West- le für Musik Hanns Eisler Berlin. fälischen Technischen Hochschule Aachen. Lebt in Berlin. – Forschungsschwerpunk- Lohmann, Uta, Dr. phil., geb. 1961, Stute: Grenzgebiete von Kunstgeschichte, Na- dium der Judaistik und Germanistik in Freiturwissenschaften und Literatur, Geschich- burg, Berlin und Jerusalem, 1993–1997 Wiste und Theorie des Spiels, besonders des senschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt Schachspiels; zusammen mit Barbara Hol- „Jüdische Dialogkultur und das Problem der länder. Interkulturalität. Historische Rekons­truktion am Beispiel der jüdischen Freischule in BerKatins-Riha, Janine, geb. 1986, Studium der lin“ (Universität Hamburg), seit 2001 MitGermanistik, Antiken Kultur und Verglei- herausgeberin der Schriftenreihe „Jüdische chenden Literaturwissenschaft in Düsseldorf, Bildungsgeschichte in Deutschland“ (WaxLondon und Berlin, derzeit Masterstudentin mann Verlag), 2012 Promotion mit einer an der Humboldt-Universität zu Berlin im Arbeit über den jüdischen Aufklärer DaFach Deutsche Literatur. vid Friedländer, zahlreiche Publikationen zur Berliner Haskala, seit 2012 Wissenschaft­ Kemnitz, Heidemarie, Prof. Dr. päd. ha- liche Mitarbeiterin des DFG-Projekts „Dabil., geb. 1955, Studium an der Humboldt- vid Friedländer und Wilhelm von Humboldt Universität zu Berlin, 1977–1980 Lehrerin im Gespräch. Zur Wechselwirkung zwischen für Mathematik und Physik, 1983 Promoti- jüdischer Aufklärung und Neuhumanismus“ on zum Dr. paed., 1984–2002 Wissenschaft- (Universität Hamburg). liche Assistentin, ab 1999 Oberassistentin am Institut für Allgemeine Pädagogik der Hum- Lüdtke, Torsten, M.A., geb. 1973, Studium boldt-Universität zu Berlin, 1998 Habilita- der Geschichte in Berlin, 2008 M.A., Histion („Lehrerverein und Lehrerberuf im 19. toriker in Berlin. – ForschungsschwerpunkJahrhundert. Eine Studie zum Verberufli- te: Wissenschafts- und Ideengeschichte, Unichungsprozeß der Lehrertätigkeit am Bei- versitäts- und Studentengeschichte, preußispiel der Berlinischen Schullehrergesellschaft sche Geschichte. 1813–1892“), seit 2002 Professorin für Schulpädagogik an der Technischen Universität Ludwig, Andreas, Dr. phil., geb. 1954, StuBraunschweig. – Forschungsschwerpunkte: dium der Geschichte und Germanistik an Theorie und Geschichte der Schule und des der Freien Universität Berlin, M.A. ebendort Lehrerberufs, Schularchitektur des 19. und mit einer Arbeit zur Formierung der Angestelltenschaft im Deutschen Kaiserreich, Pro20. Jahrhunderts. motion an der Technischen Universität BerKornemann, Matthias, Dr. phil., geb. 1967, lin über „Soziale Stiftungen im Kontext der Studium der Germanistik, Musikwissen- Urbanisierung am Beispiel Charlottenburgs“, schaft und Kunstgeschichte in Münster und Mitarbeit in der Berliner GeschichtswerkWien, 1997 Promotion, seit 1992 Musikpu- statt, Aufbau des Heimatmuseums in Berlinblizist u. a. für Fonoforum und Rondo, ab Charlottenburg, Wissenschaftlicher Mitarbei2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sing- ter im Bereich Stadtgeschichte an der TechAkademie zu Berlin, seit 2009 Wissenschaftli- nischen Universität Berlin, Konzeption und 1007

Beiträger

Leitung des Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR, seit 2013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Mitherausgeber der Zeitschrift „WerkstattGeschichte“, Lehrbeauftragter für Museumskunde an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder).

den Gebieten der Romantik, der Literatur der Aufklärung und des frühen 20. Jahrhunderts; darüber hinaus hat er sich mit methodologischen Fragen der literarischen Rhetorik, mit Problemen der interkulturellen Kommunikation und kunsthistorischen Themen befasst.

Maurice, Florian, Dr. phil., geb. 1964, Studium der Neueren Geschichte, Semitistik und der Historischen Hilfswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 1995 Promotion über Ignaz Aurelius Feßler als Reformer der Freimaurerei, seit 1996 Fernseh-Redakteur. – Arbeitsschwerpunkte: Geistes- und Kulturgeschichte, Konsumforschung, Freimaurerei und Vereinigungen des 18. Jahrhunderts.

Panwitz, Sebastian, Dr. phil., geb. 1972, Studium der Neueren und Neuesten Geschichte sowie der Europäischen Ethnologie an der Humboldt-Universität Berlin, 2005 Promotion zur „Gesellschaft der Freunde 1792–1935“, Mitarbeiter an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften („Berliner Klassik“) und am Moses-Mendelssohn-Zentrum Potsdam, seit 2011 selbständiger Historiker. – Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Bankiersfamilie Mendelssohn, Geschichte Berlins, der Berliner Juden und Preußens, Geschichte der russisch/sowjetisch-deutschen Beziehungen.

Motschmann, Uta, Dr. phil., geb. 1955, Studium der Germanistik in Jena und Leipzig, 1983 Promotion über Friedrich Maximilian Klinger, ab 1982 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Akademie der Wissenschaften der DDR, danach an der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, dort bis 2003 Mitarbeiterin an der historischkritischen Edition von „Christoph Martin Wielands Briefwechsel“, seit 2004 im Akademienvorhaben „Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800“. – Forschungsschwerpunkte: Editionsphilologie, deutsche Literatur- und Kulturgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, besonders Berlin um 1800. Nienhaus, Stefan, Dr. phil. habil., geb. 1956, Studium der Germanistik und Philosophie sowie Promotion (1984) im Fach „Deutsche Literatur“ an der Westfälischen WilhelmsUni­versität Münster, 2001 Habilitation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, venia legendi im Fachgebiet „Neuere deutsche Literatur“. Lebt in Neapel und lehrt als Ordinarius für Deutsche Literatur an der Universität Foggia (Apulien). – Seine literaturhistorischen Forschungsschwerpunkte liegen auf 1008

Piethe, Marcel, geb. 1973, Studium der Geschichte und Vergleichenden Literaturwissenschaften in Berlin und Jena, arbeitet seit 1999 als Geschäftsführer und Projektleiter der Agentur Zeitreisen an Wissenschafts- und Forschungsvorhaben im Auftrag verschiedener Stiftungen und Institutionen. – Forschungsschwerpunkte: Regional- und Landesgeschichte Brandenburgs, Stiftungsgeschichte des Berliner Luisenstiftes, Aufbau eines Stiftungsarchives bei der Königin-Luise-Stiftung. Pravida, Dietmar, Dr. phil., geb. 1974, Studium der Philosophie, Neueren deutschen Literaturwissenschaft, Romanistik in München, 2003 Promotion, seit 2005 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Freien Deutschen Hochstift Frankfurt a. M. bei der historisch-kritischen Ausgabe der Werke Clemens Brentanos und der digitalen „Faust“-Edition. Puschner, Uwe, Prof. Dr. phil. habil., geb. 1954, Studium der Germanistik und Ge-

Beiträger

schichte an der Ludwig-Maximilians-Uni- Reder, Dirk Alexander, Dr. phil., Journaversität München, Promotion 1986, Habi- listische Ausbildung an der „Kölner Journalitation 1998, Professor am Friedrich-Mei- listenschule“, danach Studium der Geschichnecke-Institut der Freien Universität Ber- te, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie lin. – Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft des frühneuzeitlichen Handwerks, der völki- in Köln und Bonn, 1998 Promotion über die schen Bewegung, Zeitschriften- und Rezep- „Patriotischen Frauenvereine in Deutschland tionsgeschichte. im frühen 19. Jahrhundert (1813–1830)“. – Beschäftigt im Marketing bei Siemens, 1999 Raabe, Paul, Dr. Dr. h.c. mult., geb. 1927, Gründung (zusammen mit Dr. Severin RoeAusbildung zum Landesbibliothekar in Ol- seling) des heutigen Kölner „Geschichtsbüro denburg, Studium der Germanistik und Ge- Reder, Roeseling & Prüfer. Agentur für Anschichte sowie Promotion in Hamburg, 1958– gewandte Geschichte“. 1968 Aufbau und Leitung der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs Marbach a. N., Reichart, Peter, Univ.-Prof. em. Dr. med. 1967 Habilitation in Göttingen, 1968–1992 dent., geb. 1943, Studium der Zahnmedizin Direktor der Herzog August Bibliothek Wol- in München, Promotion 1969, Assistenzarzt fenbüttel, 1992–2000 Direktor der Francke- an der Klinik für Kieferchirurgie der Universchen Stiftungen in Halle (Saale), Mitglied sität München (1968–1970), Lektor für Oraldes Stiftungsrates der Klassik Stiftung Weimar, chirurgie, Oralmedizin und Oralpathologie an 2000–2003 Vorsitzender des Kuratoriums der der Universität Chiangmai, Thailand (1970– Franckeschen Stiftungen als Nachfolger von 1973), Oberarzt an der Klinik und Poliklinik Hans-Dietrich Genscher, ab 2008 Projektleiter für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der des Vorhabens „Goedekes Grundriss zur Ge- Medizinischen Hochschule Hannover (1974– schichte der deutschen Dichtung“ an der Ber- 1983), Habilitation 1978, Universitätsprofeslin-Brandenburgischen Akademie der Wis- sor für Zahnärztliche Chirurgie und Zahnsenschaften. – Forschungen zur Buch-, Bi­ ärztliche Röntgenologie der Freien Universibliotheks- und Quellengeschichte, zur Litera- tät Berlin (1983–1995) – danach Überführung tur des Expressionismus, der Aufklärung und in die Charité (Campus Virchow Klinikum) der Weimarer Klassik. – 1987 Ehrendoktor der (1995–2008), Emeritierung 2008. – ForJagiellonen-Universität Kraków und der Tech- schungschwerpunkte: Tropische Infektionsnischen Universität Braunschweig sowie 1997 erkrankungen im Mund-, Kiefer-Gesichtsbeder Martin-Luther-Universität Halle-Witten- reich (z. B. Lepra), Zahnanomalien, Orale Maberg, 1991 Ehrenbürger der Stadt Wolfenbüt- nifestation von HIV/AIDS, Potentiell maligne tel, 2002 der Stadt Halle (Saale); zahlreiche Läsionen der Mundschleimhaut, Odontogene Tumoren der Kiefer, Knochenersatzmateria­ hohe Auszeichnungen; gest. 2013. lien. – Seit 2006 Präsident der Gesellschaft für Rathgeber, Christina, Dr. phil., Studium Natur- und Heilkunde in Berlin. der englischen Literatur und Geschichte in Montréal (McGill), Köln und Cambridge, Reinhard, Friedhelm, geb. 1941, StudiPromotion 1988, ab 1994 Wissenschaftliche um der Betriebswirtschaftslehre, WirtschaftsMitarbeiterin an der Berlin-Brandenburgi- geografie und -pädagogik an der Universische Akademie der Wissenschaften, zwischen tät Göttingen, Dipl. Handelslehrer, 1972– 1994–2003 „Die Protokolle des preußischen 2000 Studienrat/Oberstudienrat im Berliner Staatsministeriums“, seit 2004 „Preußen als Schulwesen, Mitglied des Berufsbildungsausschusses und des Prüfungsausschusses der Kulturstaat“. 1009

Beiträger

Apothekerkammer Berlin zur Durchführung der Abschluss- und Zwischenprüfung für Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte. – Veröffentlichungen zur Geschichte Berliner Apotheken. Lebt in Wieck a. Darß.

„Gymnasium und Systemdynamik – Regionaler Strukturwandel im höheren Schulwesen der preußischen Provinz Brandenburg 1890–1938“, seit 2008 apl. Professor für Erziehungswissenschaft, Historische Bildungsforschung am Department ErziehungswissenSchuchardt, Nina Alice, geb. 1989, Studi- schaft der Universität Potsdam. – Forschungsum der Kunstgeschichte, Klassischen Archäo- schwerpunkte: Geschichte des Erziehungslogie und Prähistorischen Archäologie an der und Bildungswesens von der Aufklärung bis Freien Universität Berlin, Bachelor of Arts zur Gegenwart, Berlin-Brandenburgische 2012. Bildungsgeschichte, Schulreform, Reformpädagogik und Museumspädagogik, wissenSchwiderski, Sigrid, (ehemals Rönnefarth), schaftliche Begleitung des Rochow-MuseDr. med. dent., geb. 1942, Studium der Zahn- ums und Schulmuseums Reckahn. medizin 1962–1968 in Berlin, 1970 Promo­ tion mit einer Arbeit zur Hufelandischen Ge- Ulfkotte, Josef, Dr. phil., geb. 1952, Studium sellschaft, 1968–1993 Zahnärztin, seit 1999 der Fächer Sport und Geschichte in Münster, Dozentin für Traditionelle Chinesische Me- Promotion an der Universität Bremen 2003, Studiendirektor in Dorsten, Vizepräsident der dizin (TCM). Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft. Thiel, Jens, Dr. phil., geb. 1966, Studium der Neueren und Neuesten Geschichte sowie Voß, Herbert, Dr. Ing., geb. 1949, Studium Kulturwissenschaft in Berlin und Gent, Pro- der Elektrotechnik in Hannover und Berlin, motion 2003 an der Humboldt-Universität 1978 Promotion zum Dr.-Ing. an der TechBerlin, projektgebundene und freie wissen- nischen Universität Berlin, 1979–1980 Forschaftliche Mitarbeit u. a. an der Berlin-Bran- schungs- und Entwicklungsingenieur bei denburgischen Akademie der Wissenschaften AEG-Telefunken, 1980–1982 Studienrefe(Arbeitsgruppe „Akademiegeschichte“, Jean- rendar mit den Fächern Mathematik und Paul-Edition, Akademievorhaben „Berliner Physik am Canisius-Kolleg in Berlin, 1982– Klassik“), an der Humboldt-Universität Ber- 1983 Studienrat mit den Fächern Mathemalin, der Technischen Universität München tik, Informatik und Physik, 1984–2008 Stusowie für Archive, Museen, Stiftungen und diendirektor und Abteilungsleiter für NaVerlage. – Zahlreiche Veröffentlichungen zur turwissenschaften und Informatik, ab 2006 Zwangsarbeit sowie zur Wissenschafts- und Lehrbeauftragter an der Freien Universität Kulturgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Berlin in der ZEDAT (Zentraleinrichtung Datenverarbeitung), seit 2007 im Ruhestand, Tosch, Frank, Prof. Dr. phil. habil., geb. 1960, aber weiter als Lehrbeauftragter tätig. – Seit Studium Lehramt – Diplomlehrer, 1989 Pro- 1995 Mitglied der Gesetzlosen Gesellschaft zu motion, 2003 Habilitation mit einer Arbeit Berlin, seit 2006 deren 22. Zwingherr.

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